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Julian Jaynes: Das bikamerale Bewusstsein
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1633837) Verfasst am: 03.05.2011, 11:48    Titel: Antworten mit Zitat

Es gibt hier übrigens einen eigenen Thread zu Jaynes These vom bikameralen Bewusstsein.
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=241276#241276

Soll nur ein Hinweis sein.
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Anmeldungsdatum: 25.12.2007
Beiträge: 3877
Wohnort: NRW

Beitrag(#1633846) Verfasst am: 03.05.2011, 12:06    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Es gibt hier übrigens einen eigenen Thread zu Jaynes These vom bikameralen Bewusstsein.
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=241276#241276

Soll nur ein Hinweis sein.


Danke Smilie
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1633851) Verfasst am: 03.05.2011, 12:27    Titel: Antworten mit Zitat

Eleonor hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Es gibt hier übrigens einen eigenen Thread zu Jaynes These vom bikameralen Bewusstsein.
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=241276#241276

Soll nur ein Hinweis sein.


Danke Smilie


Büddeschön. Smilie
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Anmeldungsdatum: 25.12.2007
Beiträge: 3877
Wohnort: NRW

Beitrag(#1633854) Verfasst am: 03.05.2011, 12:40    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hoffe, der Thread wird so nicht zu unübersichtlich...

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Eleonor hat folgendes geschrieben:
Erst durch die Migrationen kamen Menschen ernsthaft in Konflikt mit unterschiedlichen Sprache[...]
das erscheint mir sehr zweifelhaft. Was genau soll in einer solchen statischen Situation die Bildung von Soziolekten und den allgemeinen Sprachwandel aufgehalten haben? Zumal ja offenbar trotzdem neue Sprachen entstehen mussten, sonst sprächen Migranten ja auch die selbe Sprache wie alle anderen.

Wenn es ein solches Szenario gegeben haben sollte, würde ich es wesentlich früher ansetzen. Vielleicht mit dem Kontakt Homo sapiens/Homo neanderthalensis.


Natürlich gab es auch vorher schon Migrationen und sogar Handel (Jaynes erwägt in dem Zusammenhang sogar ein Proto-Bewusstsein bei den Händlern), aber i.d.R. soll das Aufeinandertreffen von verschiedenen Clans eben blutig ausgegangen sein, bis Katastrophen bisher unbekannten Ausmaßes eine Massenmigration hervor brachten, in der man sich entweder (den Göttern gehorchend) gegenseitig den Schädel eingeschlagen oder halt ein Verständnis für fremdartiges Verhalten erlernt hat.

Was Homo sapiens / Homo neanderthalensis betrifft: Die Frage, wie viel die beiden Menschenarten miteinander zu tun gehabt haben, ist doch heute noch umstritten, oder? Größere Kriege konnten zwar nicht nachgewiesen werden, aber sich gegenseitig zu meiden wäre auch eine stabile Strategie. Ob nun unser Neandertaler-Erbe durch friedliche Zusammenkünfte oder Vergewaltigungen entstanden ist, wäre aber auch eine Frage, die damit im Zusammenhang stünde.

Alphatierchen hat folgendes geschrieben:
Eleonor hat folgendes geschrieben:

Ich stutze eher bei seiner Vorstellung des bikameralen Geistes: Aktuell wird die linke Hemisphäre für die analytischere (und dominantere) gehalten und dass die rechte Hemisphäre tatsächlich fürs "globalere" Denken zuständig ist, ist eine Interpretation von mehreren. Ich kann daher seinen historischen Schlüssen zwar folgen, bezweifel aber mindestens mal die konkrete Realisierung. Wirklich bewerten möchte ich die Beweisführung aber erst nachdem ich das Buch beendet habe.


Das Model, wie Jaynes sich die Vorgänge im Gehirn vorstellt, kann ja eh als eigene Hypothese gewertet werden. Insgesamt kann man dem Buch vier Hypothesen entnehmen.

-Bewusstsein basiert auf Sprache
-das "mentale" Modell der bikameralen Psyche
-das "neuronale" Modell der bikameralen Psyche
-Der Zeitpunkt, wann das Bewusstsein entstanden ist

Da ist das neuronale Modell wohl recht spekulativ. Aber die anderen Hypothesen stehen ja für sich allein und sind nicht auf das Modell angewiesen.


Stimmt, ich habe auch das Gefühl, dass die potentielle Erklärungskraft von Jaynes Werk nicht stark von seinem neurologischen Modell abhängig ist, aber die angenommene gespaltene Persönlichkeit sollte ja irgendwie im Gehirn realisiert gewesen sein. Es wäre daher schön, wenn es ein alternatives neurologisches Modell gäbe, welches Jaynes übrige Thesen stützt.

Ich grübel aber auch an Befunden aus der Verhaltensbiologie, wie eben den Elstern, die sich anscheinend im Spiegel erkennen, Delfine, die eine Theory of Mind haben sollen etc. Möglich, dass Bewusstsein sowohl kulturell, als auch evolutiv entstehen kann, oder die Lernerfahrung, die die Menschen gemacht haben, war durch die hohe kulturelle Vielfalt sogar erschwert und kann daher von bestimmten Tieren sogar leichter gemacht werden...?
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Alphatierchen
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Anmeldungsdatum: 24.09.2007
Beiträge: 4218

Beitrag(#1633855) Verfasst am: 03.05.2011, 12:46    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Es gibt hier übrigens einen eigenen Thread zu Jaynes These vom bikameralen Bewusstsein.
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=241276#241276

Soll nur ein Hinweis sein.


Wollte da eigentlich auch schon darauf hinweisen. Kannst ja vielleicht die Beiträge hier dort anhängen?
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Shadaik
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#1633863) Verfasst am: 03.05.2011, 13:01    Titel: Antworten mit Zitat

Eleonor hat folgendes geschrieben:
Ich hoffe, der Thread wird so nicht zu unübersichtlich...

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Eleonor hat folgendes geschrieben:
Erst durch die Migrationen kamen Menschen ernsthaft in Konflikt mit unterschiedlichen Sprache[...]
das erscheint mir sehr zweifelhaft. Was genau soll in einer solchen statischen Situation die Bildung von Soziolekten und den allgemeinen Sprachwandel aufgehalten haben? Zumal ja offenbar trotzdem neue Sprachen entstehen mussten, sonst sprächen Migranten ja auch die selbe Sprache wie alle anderen.

Wenn es ein solches Szenario gegeben haben sollte, würde ich es wesentlich früher ansetzen. Vielleicht mit dem Kontakt Homo sapiens/Homo neanderthalensis.


Natürlich gab es auch vorher schon Migrationen und sogar Handel (Jaynes erwägt in dem Zusammenhang sogar ein Proto-Bewusstsein bei den Händlern), aber i.d.R. soll das Aufeinandertreffen von verschiedenen Clans eben blutig ausgegangen sein, bis Katastrophen bisher unbekannten Ausmaßes eine Massenmigration hervor brachten, in der man sich entweder (den Göttern gehorchend) gegenseitig den Schädel eingeschlagen oder halt ein Verständnis für fremdartiges Verhalten erlernt hat.

Ich meinte etwas anderes: Woher kamen die unterschiedlichen gesellschaften, wenn es offenbar noch keine Mechanismen gab, die eine Spaltung der gesellschaft in unterschiedliche Völker/Gemeinschaften bewirken konnten? Kultur- und Sprachwandel findet ja nicht nur zwischen gemeinschaften statt, sondern auch innerhalb von Gemeinschaften.

Zitat:
Was Homo sapiens / Homo neanderthalensis betrifft: Die Frage, wie viel die beiden Menschenarten miteinander zu tun gehabt haben, ist doch heute noch umstritten, oder? Größere Kriege konnten zwar nicht nachgewiesen werden, aber sich gegenseitig zu meiden wäre auch eine stabile Strategie. Ob nun unser Neandertaler-Erbe durch friedliche Zusammenkünfte oder Vergewaltigungen entstanden ist, wäre aber auch eine Frage, die damit im Zusammenhang stünde.
Es ist relativ gleich, wie der Kontakt verlaufen ist, wir können mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass es Kontakt gab. Und damit auch Kommunikation. Selbst in einem Krieg gibt es Kommunikation und wenn es nur Droh- und Warngebärden sind.
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Rohrspatz
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Anmeldungsdatum: 25.12.2007
Beiträge: 3877
Wohnort: NRW

Beitrag(#1633865) Verfasst am: 03.05.2011, 13:09    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:

Ich meinte etwas anderes: Woher kamen die unterschiedlichen gesellschaften, wenn es offenbar noch keine Mechanismen gab, die eine Spaltung der gesellschaft bewirken konnten? Sprachwandel findet ja nicht nur zwischen gemeinschaften statt, sondern auch innerhalb von Gemeinschaften.


Eine kulturelle Evolution gab es ja, aber vermutlich eben weniger aufgrund von Spaltungen. Z.B. wenn ein Anführer gestorben ist und ersetzt wurde (wobei jedoch verstorbene Könige als Götter noch "gehört" und verehrt wurden). Die Götter können ja durchaus in einer Generation etwas anderes sagen als in der zuvor (wichtig ist nur, dass die Unterschiede immer von "oben" kommen). Und wenn die Clans räumlich getrennt waren, werden sie sich mit der Zeit auch immer stärker unterscheiden.
Jaynes nennt aber durchaus einen Grund für Spaltungen: Wenn die Gesellschaft doch zu groß für die göttliche Hierarchie geworden ist. So sollen plötzliche Aufgaben von Städten und die Rückkehr zum überschaubareren Clan-Leben, wie bei den Inka, Maya etc. erklärt werden können.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1633867) Verfasst am: 03.05.2011, 13:18    Titel: Antworten mit Zitat

Alphatierchen hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Es gibt hier übrigens einen eigenen Thread zu Jaynes These vom bikameralen Bewusstsein.
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=241276#241276

Soll nur ein Hinweis sein.


Wollte da eigentlich auch schon darauf hinweisen. Kannst ja vielleicht die Beiträge hier dort anhängen?


erledigt. ; )
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Alphatierchen
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Anmeldungsdatum: 24.09.2007
Beiträge: 4218

Beitrag(#1633873) Verfasst am: 03.05.2011, 13:43    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Alphatierchen hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Es gibt hier übrigens einen eigenen Thread zu Jaynes These vom bikameralen Bewusstsein.
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=241276#241276

Soll nur ein Hinweis sein.


Wollte da eigentlich auch schon darauf hinweisen. Kannst ja vielleicht die Beiträge hier dort anhängen?


erledigt. ; )


supi, danke Smilie
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Surata
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Anmeldungsdatum: 29.03.2005
Beiträge: 17383

Beitrag(#1633931) Verfasst am: 03.05.2011, 16:36    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Außerdem ist der Hinduismus unter den heutigen Weltreligionen in einiger Hinsicht eine Besonderheit, z.B. ist er die einzige, die keine wirklichen Expansionsbestrebungen hat, sondern in einem ethnisch-territorialen Partikularismus verbleibt.


Jein. Zwar kann man den Shinto sicher nur dann als Weltreligion verstehen, wenn man akzeptiert, dass es "gläubige" Japaner auf allen Kontinenten gibt... aber auch der Shinto ist ethnisch-territorial und der Brahmanismus als Vorläufer des Hinduismus hatte gewaltige Einflüsse auf den Buddhismus.
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Shadaik
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#1634094) Verfasst am: 04.05.2011, 08:29    Titel: Antworten mit Zitat

Eleonor hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:

Ich meinte etwas anderes: Woher kamen die unterschiedlichen gesellschaften, wenn es offenbar noch keine Mechanismen gab, die eine Spaltung der gesellschaft bewirken konnten? Sprachwandel findet ja nicht nur zwischen gemeinschaften statt, sondern auch innerhalb von Gemeinschaften.


Eine kulturelle Evolution gab es ja, aber vermutlich eben weniger aufgrund von Spaltungen. Z.B. wenn ein Anführer gestorben ist und ersetzt wurde (wobei jedoch verstorbene Könige als Götter noch "gehört" und verehrt wurden). Die Götter können ja durchaus in einer Generation etwas anderes sagen als in der zuvor (wichtig ist nur, dass die Unterschiede immer von "oben" kommen). Und wenn die Clans räumlich getrennt waren, werden sie sich mit der Zeit auch immer stärker unterscheiden.
Jaynes nennt aber durchaus einen Grund für Spaltungen: Wenn die Gesellschaft doch zu groß für die göttliche Hierarchie geworden ist. So sollen plötzliche Aufgaben von Städten und die Rückkehr zum überschaubareren Clan-Leben, wie bei den Inka, Maya etc. erklärt werden können.
Das ist mir soweit klar, nur: Was verhindert, dass die selben Mechanismen auch innerhalb der kleineren Einheiten (Familien, Dörfer, Städte) wirken? Kulturwandel geschieht ja nicht nur zwischen Kulturen, sondern auch zwischen Generationen, Berufsgruppen, sozialen Ständen... letztlich beständig zwischen allen Einzelpersonen einer Gesellschaft.
Wenn kultureller wandel stattfindet, dann findet er auf allen Ebenen statt. Es sei denn, es gäbe einen plausiblen Mechanismus, der das verhindert. oder zumindest einen Grund, warum das nicht geschieht.
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Rohrspatz
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Anmeldungsdatum: 25.12.2007
Beiträge: 3877
Wohnort: NRW

Beitrag(#1634124) Verfasst am: 04.05.2011, 11:03    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Eleonor hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:

Ich meinte etwas anderes: Woher kamen die unterschiedlichen gesellschaften, wenn es offenbar noch keine Mechanismen gab, die eine Spaltung der gesellschaft bewirken konnten? Sprachwandel findet ja nicht nur zwischen gemeinschaften statt, sondern auch innerhalb von Gemeinschaften.


Eine kulturelle Evolution gab es ja, aber vermutlich eben weniger aufgrund von Spaltungen. Z.B. wenn ein Anführer gestorben ist und ersetzt wurde (wobei jedoch verstorbene Könige als Götter noch "gehört" und verehrt wurden). Die Götter können ja durchaus in einer Generation etwas anderes sagen als in der zuvor (wichtig ist nur, dass die Unterschiede immer von "oben" kommen). Und wenn die Clans räumlich getrennt waren, werden sie sich mit der Zeit auch immer stärker unterscheiden.
Jaynes nennt aber durchaus einen Grund für Spaltungen: Wenn die Gesellschaft doch zu groß für die göttliche Hierarchie geworden ist. So sollen plötzliche Aufgaben von Städten und die Rückkehr zum überschaubareren Clan-Leben, wie bei den Inka, Maya etc. erklärt werden können.
Das ist mir soweit klar, nur: Was verhindert, dass die selben Mechanismen auch innerhalb der kleineren Einheiten (Familien, Dörfer, Städte) wirken? Kulturwandel geschieht ja nicht nur zwischen Kulturen, sondern auch zwischen Generationen, Berufsgruppen, sozialen Ständen... letztlich beständig zwischen allen Einzelpersonen einer Gesellschaft.
Wenn kultureller wandel stattfindet, dann findet er auf allen Ebenen statt. Es sei denn, es gäbe einen plausiblen Mechanismus, der das verhindert. oder zumindest einen Grund, warum das nicht geschieht.


Am Kopf kratzen Bin ich denn wirklich schon so tief versunken, dass ich eine einfache Frage nicht mehr verstehe? Verlegen

Aber einen Widerspruch kann ich trotzdem nicht so ganz erkennen (vielleicht daher auch das Kommunikationsproblem):
Zum einen sollte Individualismus so nicht vorgekommen sein. Dazu fehlt das Ich als Modell des selbst, mit welchem man geistig hantieren könnte. Und zum anderen ist die Gesellschaft ja streng hierarchisch geordnet:
Der Anführer halluziniert eine göttliche Stimme, der er gehorcht und dessen Willen er verkündet, dem Anführer wiederum "gehorchen" untergebene Götter, denen die dazu gehörigen Menschen gehorchen. Da die Sprache damals wohl in erster Linie Fakten und Befehle beschrieben haben soll, gab es vermutlich auch keine Uneinigkeit bezüglich der Interpretation des Willens des Anführers und seines Gottes. Das heißt, im Wesentlichen dürfte Einigkeit darüber vorgeherrscht haben, was man wie macht. Kultur dürfte ja auch nicht als Ausdrucksmittel verstanden worden sein, sondern als Riten und sonstige Verhaltensweisen, die die Götter zufrieden stimmen.
Deswegen habe ich auch auf die kritische Größe hingewiesen: So lange die Hierarchie funktioniert und jeder in relativ kurzer Zeit den aktuellen Willen des höchsten Gottes erfährt, kann eine extreme Homogenität der Kultur erreicht werden.
Wenn sich Berufsgruppen oder Generationen auseinander entwickeln, ist vielleicht schon diese kritische Größe überschritten. Auch würde ich noch zu bedenken geben: Eine Identität hat man sich selbst damals ja noch nicht zugeschrieben, somit "identifiziert" man sich auch mit niemandem aus der Gesellschaft mehr oder weniger.

Zwischen den Clans hingegen dürften schnell Unterschiede entstanden sein, weil sie zum einen autonome Hierarchien dargestellt haben, zum anderen nimmt Jaynes an, dass verstorbene Anführer zu Göttern wurden (da man sie noch "hören" konnte), wodurch sich mit der Zeit auch die angebeteten Götter verändert haben.

Was Sprache betrifft, bin ich mir nicht ganz sicher. Ich nehme an, sie war, funktional und konkret wie sie damals verwendet wurde, relativ starr und eindeutig. Entsprechend war die Evolution von Sprachen dann wohl ausgesprochen langsam aber könnte in den Fällen, in denen tatsächlich seltene Sprünge statt gefunden haben, ein weiterer Grund für Spaltungen gewesen sein.
Würde man nicht annehmen, dass eine sprachliche Evolution extrem langsam verläuft, wenn man kaum abstrakte Begriffe hat, deren Auslegung sich im Zeitgeist ändern? Oder auch, wenn man nicht mit anderen Clans kommuniziert, die andere Worte und somit auch andere Begriffe kennen?
Ich würde auch annehmen, dass sich auch die Sprache zwischen den Clans nur sehr langsam auseinander entwickelt hat, und sich daher vermutlich eher in Abhängigkeit von der geografischen Entfernung (je weiter entfernt, desto länger ist die Spaltung im Schnitt her) unterschied. Entsprechend macht auch Sinn, dass die Menschen erst bei einer Massenmigration durch Naturkatastrophen wirklich überfordert waren.

Und noch ergänzend: Individuen, die allzu sehr aus der Reihe getanzt haben, waren sicherlich als Gefahr für die Gesellschaft stark gefährdet, eines unnatürlichen Todes zu sterben. Vielleicht sogar als Menschenopfer. zwinkern
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Alphatierchen
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Anmeldungsdatum: 24.09.2007
Beiträge: 4218

Beitrag(#1634181) Verfasst am: 04.05.2011, 14:21    Titel: Antworten mit Zitat

Eleonor hat folgendes geschrieben:


Stimmt, ich habe auch das Gefühl, dass die potentielle Erklärungskraft von Jaynes Werk nicht stark von seinem neurologischen Modell abhängig ist, aber die angenommene gespaltene Persönlichkeit sollte ja irgendwie im Gehirn realisiert gewesen sein. Es wäre daher schön, wenn es ein alternatives neurologisches Modell gäbe, welches Jaynes übrige Thesen stützt.



Nunja, es ist ja nicht so, dass wir für alle mentalen Zustände die wir heute kennen, die entsprechenden neuronalen Modell hätten, die diese erklären. Eher im Gegenteil.
Bei der bikamelalen Psyche muss dann retrospektiv ein Modell gefunden werden, was die ganze Sache natürlich erschwert.
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Alphatierchen
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Anmeldungsdatum: 24.09.2007
Beiträge: 4218

Beitrag(#1634182) Verfasst am: 04.05.2011, 14:33    Titel: Antworten mit Zitat

Für diejenigen die das Buch nicht gelesen haben.
Jaynes gibt zwei Textstellen auf der Bibel an die man lesen soll um den Unterschied zwischen einem bikameralen Geist und einem mit heutigem Bewusstsein vergleichen zu können.
Einmal wäre das Amos ( 8. Jahrhundert v. Chr.) und dann Salomo (2. Jahrhundert v. Chr.). Laut ihm gehören die beiden Bücher wohl zu den am wenigsten verfälschten der Bibel.

Wen es interessiert, der kann es ja einfach mal nachlesen. Die Unterschiede sich mehr als deutlich. Smilie
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Alphatierchen
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Anmeldungsdatum: 24.09.2007
Beiträge: 4218

Beitrag(#1634185) Verfasst am: 04.05.2011, 14:38    Titel: Antworten mit Zitat

Interessanterweise geht der Link zum PDF auf Wikipedia seit neuestem nicht mehr.
Hier gibts das Buch ebenfalls, aber leider nicht als pdf.
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Alphatierchen
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Anmeldungsdatum: 24.09.2007
Beiträge: 4218

Beitrag(#1634193) Verfasst am: 04.05.2011, 15:03    Titel: Antworten mit Zitat

Eleonor hat folgendes geschrieben:


Ich grübel aber auch an Befunden aus der Verhaltensbiologie, wie eben den Elstern, die sich anscheinend im Spiegel erkennen, Delfine, die eine Theory of Mind haben sollen etc. Möglich, dass Bewusstsein sowohl kulturell, als auch evolutiv entstehen kann, oder die Lernerfahrung, die die Menschen gemacht haben, war durch die hohe kulturelle Vielfalt sogar erschwert und kann daher von bestimmten Tieren sogar leichter gemacht werden...?


Hast du mal was von Damasio zum Bewusstsein gelesen? Er unterscheidet zwischen einem Kernbewusstsein und einem sprachlichen Bewusstsein. Was du beschreibst, dürfte wohl dem Kernbewusstsein entsprechen.
Jaynes hingeben, wie u.a. auch Dennett, beschreibt das Sprachbewusstsein.
In Ich fühle, also bin ich beschreibt Damasio die Unterschiede zwischen den beiden Bewusstseinformen und geht da auch auf die Thesen von Julian Jaynes ein, wenn auch nur kurz.
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Shadaik
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#1634420) Verfasst am: 05.05.2011, 10:31    Titel: Antworten mit Zitat

Eleonor hat folgendes geschrieben:
Und noch ergänzend: Individuen, die allzu sehr aus der Reihe getanzt haben, waren sicherlich als Gefahr für die Gesellschaft stark gefährdet, eines unnatürlichen Todes zu sterben. Vielleicht sogar als Menschenopfer. zwinkern
da beisst sich die katze in den Schwanz: Einerseits soll es kaum Unterschiede gegeben haben, andererseits gab es aber ein hierarchisches herrschaftssystem (eine Situation, die innergesellschaftliche kulturelle Drift eigentlich begünstigt, weil die "Elite" sich abzugrenzen beginnt).

Wie gesagt, nichts direkt gegen die Theorie, aber dne angesetzten zeitpunkt halte ich für weit zu spät in der menschlichen Entwicklung.

Zum neurologischen Modell: Es gibt schon einige Hinweise, dass beide Hirnhälften eigenständige Bewusstseine entwickeln können. "Split Brain" ist da fast schon berüchtigt (der Praxis der Hirndurchtrennung zur Epilepsiebekämpfung wurde genau deswegen aufgegeben), interessant aber auch das Alien Hand Syndrome.
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Alphatierchen
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Anmeldungsdatum: 24.09.2007
Beiträge: 4218

Beitrag(#1634429) Verfasst am: 05.05.2011, 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:

Zum neurologischen Modell: Es gibt schon einige Hinweise, dass beide Hirnhälften eigenständige Bewusstseine entwickeln können. "Split Brain" ist da fast schon berüchtigt (der Praxis der Hirndurchtrennung zur Epilepsiebekämpfung wurde genau deswegen aufgegeben), interessant aber auch das Alien Hand Syndrome.

An genau den Dingen baut er auch sein neurologisches Modell auf.
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Anmeldungsdatum: 25.12.2007
Beiträge: 3877
Wohnort: NRW

Beitrag(#1634472) Verfasst am: 05.05.2011, 13:05    Titel: Antworten mit Zitat

Alphatierchen hat folgendes geschrieben:
Eleonor hat folgendes geschrieben:


Ich grübel aber auch an Befunden aus der Verhaltensbiologie, wie eben den Elstern, die sich anscheinend im Spiegel erkennen, Delfine, die eine Theory of Mind haben sollen etc. Möglich, dass Bewusstsein sowohl kulturell, als auch evolutiv entstehen kann, oder die Lernerfahrung, die die Menschen gemacht haben, war durch die hohe kulturelle Vielfalt sogar erschwert und kann daher von bestimmten Tieren sogar leichter gemacht werden...?


Hast du mal was von Damasio zum Bewusstsein gelesen? Er unterscheidet zwischen einem Kernbewusstsein und einem sprachlichen Bewusstsein. Was du beschreibst, dürfte wohl dem Kernbewusstsein entsprechen.
Jaynes hingeben, wie u.a. auch Dennett, beschreibt das Sprachbewusstsein.
In Ich fühle, also bin ich beschreibt Damasio die Unterschiede zwischen den beiden Bewusstseinformen und geht da auch auf die Thesen von Julian Jaynes ein, wenn auch nur kurz.


Nein, Damasio habe ich bisher nicht gelesen. Nachdem ich mich über deinen Link etwas hinein gelesen habe, frage ich mich nur, ob Damasio überhaupt den Versuch unternimmt, Bewusstsein von bewusst werdendem abzugrenzen. Gibt es ein Kern-Bewusstsein, oder ist es selbst nur Objekt, das bewusst werden kann? Was spricht gegen ein unbewusstes Selbst-Modell, das den gleichen Zweck erfüllt?
(zelig hatte übrigens hier einen Text verlinkt, der dieses Problem anspricht und Bewusstsein auf reine Bewusstheit beschränkt, habs aber erst zu einem Drittel gelesen)
Das Problem wird auch deutlich, wenn man sich überlegt, dass man auch unbewusst komplexe Probleme lösen kann. Viele Probleme werden unbewusst "verdaut" und drängen sich ganz plötzlich zu einem unerwarteten Zeitpunkt wieder ins Bewusstsein - Einfälle halt.
Tor Norretranders (The User Illusion) versucht zu belegen (und rein introspektiv klingt es auch verdammt einleuchtend), dass das Bewusstsein immer vor vollendete Tatsachen gestellt wird, die eigentliche Arbeit aber immer im Unbewussten geschieht.

Damasio bietet natürlich einen Ausweg aus dem Zwiespalt, den ich aus dem Blickwinkel Jaynes bezüglich tierischer Kognition habe, aber die große Anziehungskraft von Jaynes oder auch der PDF von Braidt (siehe zeligs Post) ist, dass sich die vermeintliche "explanatory gap" nahezu in Luft auflöst (bzw. zumindest deutlich kleiner wirkt): Qualia ist die Verdoppelung von Empfindungen, die bereits unbewusst verarbeitet wurden und aus der subjektiven Perspektive eines Ichs heraus "betrachtet" werden.
Wenn man Damasio hingegen folgt bleibt m.E. die Frage, was ein unbewusstes, abstrahierendes Netzwerk von einem bewussten unterscheiden würde.

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Eleonor hat folgendes geschrieben:
Und noch ergänzend: Individuen, die allzu sehr aus der Reihe getanzt haben, waren sicherlich als Gefahr für die Gesellschaft stark gefährdet, eines unnatürlichen Todes zu sterben. Vielleicht sogar als Menschenopfer. zwinkern
da beisst sich die katze in den Schwanz: Einerseits soll es kaum Unterschiede gegeben haben, andererseits gab es aber ein hierarchisches herrschaftssystem (eine Situation, die innergesellschaftliche kulturelle Drift eigentlich begünstigt, weil die "Elite" sich abzugrenzen beginnt).


Hmm... Die Frage ist, ob ein bicameraler Mensch tatsächlich Neigungen hätte, sich abseits von der Arbeitsteilung von anderen abzugrenzen. "Der Mensch" steht in diesem Modell ja gar nicht im Vordergrund, sondern "der Gott". Und wenn die Götter vor allen Dingen Nahrung und Frieden haben wollen, dann ist eine funktionierende Gesellschaft auch das höchste Bestreben jedes einzelnen Menschen, inklusive der "Elite" (die aber ebenfalls nur Sklaven der Götter sind).

Shadaik hat folgendes geschrieben:

Wie gesagt, nichts direkt gegen die Theorie, aber dne angesetzten zeitpunkt halte ich für weit zu spät in der menschlichen Entwicklung.


Er wird, wie bereits erwähnt, gut durch archäologische Belege gestützt. Zumindest erscheint mir das so, als Archäologie-Laie. Eine Veränderung hat wohl stattgefunden: Geschichten wurden erst durch Handlungen allein erzählt, dann auch mittels Beschreibungen der physiologischen Ausprägungen von Emotionen und letztendlich durch die Schaffung eines mentalen Raums, in dem Motive, Gefühle und Gedanken Platz finden.
Wenn man wie Jaynes Bewusstsein ohne Ich, also ohne Erfindung eines mentalen Raums, nicht für möglich hält, ist der Zeitpunkt gut gewählt, bzw. zumindest schlüssig belegt.

Shadaik hat folgendes geschrieben:

Zum neurologischen Modell: Es gibt schon einige Hinweise, dass beide Hirnhälften eigenständige Bewusstseine entwickeln können. "Split Brain" ist da fast schon berüchtigt (der Praxis der Hirndurchtrennung zur Epilepsiebekämpfung wurde genau deswegen aufgegeben), interessant aber auch das Alien Hand Syndrome.


Ja, die beiden Phänomene sind mir bekannt. Aber wirklich deuten kann man sie auch erst, wenn man eine eindeutige Definition, was Bewusstsein ist, hat. Sicher ist nur, dass die beiden Hirnhälften relativ autonom sind und sogar unterschiedliche Persönlichkeiten haben können. Was wir sehen, ist ja die Verhaltensebene.
Was mir für Jaynes Modell fehlt sind aber eher Hinweise darauf, dass die Gehirnhäften Spezialisierungen aufweisen, die eine Gott/Exekutive-Spaltung des Geists begünstigen würde. Wenn man hier nochmal Split-Brain-Patienten nimmt: Wenn die rechte Hemisphäre die göttliche Stimme und nicht die Ausführung einer Handlung produziert, wie kommt es dann, dass man der rechten Hemisphäre eines SB-Patienten "befehlen" kann aufzustehen (wobei sich die linke Hemisphäre ein Motiv herbei confabuliert)? Noch dazu soll ja eben die linke fitter in analytischen Dingen sein.
Jaynes wollte wohl aber auch die Funktion der rechten, stummen, Sprachareale erklären. Möglich wäre, dass er deswegen die Rollen der Hemisphären vertauscht hat.
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Shadaik
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
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Wohnort: MG

Beitrag(#1634753) Verfasst am: 06.05.2011, 11:04    Titel: Antworten mit Zitat

Eleonor hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Eleonor hat folgendes geschrieben:
Und noch ergänzend: Individuen, die allzu sehr aus der Reihe getanzt haben, waren sicherlich als Gefahr für die Gesellschaft stark gefährdet, eines unnatürlichen Todes zu sterben. Vielleicht sogar als Menschenopfer. zwinkern
da beisst sich die katze in den Schwanz: Einerseits soll es kaum Unterschiede gegeben haben, andererseits gab es aber ein hierarchisches herrschaftssystem (eine Situation, die innergesellschaftliche kulturelle Drift eigentlich begünstigt, weil die "Elite" sich abzugrenzen beginnt).


Hmm... Die Frage ist, ob ein bicameraler Mensch tatsächlich Neigungen hätte, sich abseits von der Arbeitsteilung von anderen abzugrenzen.

Aber Arbeitsteilung reicht ja schon: Mit den Arbeitsprozessen einher geht die Herausbildung einer Fachsprache, eines Jargons, die letztlich auch in die Alltagssprache und Weltsicht einwirkt. Gibt es zwischen zwei Menschen irgendeine Art von Unterschied, ist ein sprachlicher Unterschied quasi unvermeidbar.

Zitat:
"Der Mensch" steht in diesem Modell ja gar nicht im Vordergrund, sondern "der Gott". Und wenn die Götter vor allen Dingen Nahrung und Frieden haben wollen, dann ist eine funktionierende Gesellschaft auch das höchste Bestreben jedes einzelnen Menschen, inklusive der "Elite" (die aber ebenfalls nur Sklaven der Götter sind).

Das klingt irgendwie so, als würdest du voraussetzen, kulturelle Unterschiede entstünden bewusst. Das tun sie normalerweise nicht.

Zitat:
Shadaik hat folgendes geschrieben:

Wie gesagt, nichts direkt gegen die Theorie, aber dne angesetzten zeitpunkt halte ich für weit zu spät in der menschlichen Entwicklung.


Er wird, wie bereits erwähnt, gut durch archäologische Belege gestützt. Zumindest erscheint mir das so, als Archäologie-Laie. Eine Veränderung hat wohl stattgefunden: Geschichten wurden erst durch Handlungen allein erzählt, dann auch mittels Beschreibungen der physiologischen Ausprägungen von Emotionen und letztendlich durch die Schaffung eines mentalen Raums, in dem Motive, Gefühle und Gedanken Platz finden.

Offengestandne weiss ich nicht, ob dazu eine Bewusstseinsveränderungen nötig ist. Der Unterschied sieht beeindruckend aus, aber da gibt es noch mehr. Wir gehen zum Beispiel auch nicht davon aus, dass die Menschen vor Erfindung des perspektivischen Malens einen Augenschaden hatten.
Wenn ich sehe, als was für ein Durchbruch noch im letzten Jahrhundert die literarischen Mittel der Postmodenristen gelten, relativiert sich das aber schnell.
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Deus ex Machina
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Beitrag(#1634759) Verfasst am: 06.05.2011, 11:12    Titel: Antworten mit Zitat

Das klingt alles sehr interessant, das Buch kommt auf meine Liste. Erwähnt Jaynes ob er erwartet, dass sich unter Amazonasindianern oder indigenen Völkern auf Borneo noch Menschen mit bikameraler Psyche finden, bzw. was würdet ihr erwarten?
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Beitrag(#1634781) Verfasst am: 06.05.2011, 12:34    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Eleonor hat folgendes geschrieben:
Hmm... Die Frage ist, ob ein bicameraler Mensch tatsächlich Neigungen hätte, sich abseits von der Arbeitsteilung von anderen abzugrenzen.

Aber Arbeitsteilung reicht ja schon: Mit den Arbeitsprozessen einher geht die Herausbildung einer Fachsprache, eines Jargons, die letztlich auch in die Alltagssprache und Weltsicht einwirkt. Gibt es zwischen zwei Menschen irgendeine Art von Unterschied, ist ein sprachlicher Unterschied quasi unvermeidbar.


In einer komplexen Gesellschaft mit viel Fachwissen würde ich dir sofort zustimmen und ich schließe die Überlegung auch nicht für die angenommene bicamerale Gesellschaft aus, aber ich halte es auch für möglich, dass die Zahl notwendiger Fachwörter derart übersichtlich war, dass Jargons nicht entstehen mussten. Ich würde in einer bicameralen Gesellschaft auch viel mehr Lernen durch Imitation vermuten und viel weniger "Theorie". Noch dazu ist die Entstehung eines Fachjargons auch ziemlich von der technischen Entwicklung abhängig und eine derart rasante technische Evolution wie die, die wir in den letzten 200 Jahren hatten, finden wir in der Geschichte kein zweites Mal. Kurz: Möglicherweise ist dein Punkt zu unbicameral gedacht. Vielleicht überschätze ich aber auch die möglichen Unterschiede zwischen den beiden Zuständen.
Vielleicht kommt ja noch ein Aha-Erlebnis bis zum Ende des Buchs, ansonsten muss ich den Punkt (für mich) halt offen lassen.

Shadaik hat folgendes geschrieben:

Zitat:
"Der Mensch" steht in diesem Modell ja gar nicht im Vordergrund, sondern "der Gott". Und wenn die Götter vor allen Dingen Nahrung und Frieden haben wollen, dann ist eine funktionierende Gesellschaft auch das höchste Bestreben jedes einzelnen Menschen, inklusive der "Elite" (die aber ebenfalls nur Sklaven der Götter sind).

Das klingt irgendwie so, als würdest du voraussetzen, kulturelle Unterschiede entstünden bewusst. Das tun sie normalerweise nicht.


Nein, das wollte ich damit nicht implizieren. Aber ich würde annehmen, dass echtes elitäres Denken erst durch ein Ich, das sich von ganz vielen "Du's" abgrenzen kann, entsteht.

Shadaik hat folgendes geschrieben:

Zitat:
Shadaik hat folgendes geschrieben:

Wie gesagt, nichts direkt gegen die Theorie, aber dne angesetzten zeitpunkt halte ich für weit zu spät in der menschlichen Entwicklung.


Er wird, wie bereits erwähnt, gut durch archäologische Belege gestützt. Zumindest erscheint mir das so, als Archäologie-Laie. Eine Veränderung hat wohl stattgefunden: Geschichten wurden erst durch Handlungen allein erzählt, dann auch mittels Beschreibungen der physiologischen Ausprägungen von Emotionen und letztendlich durch die Schaffung eines mentalen Raums, in dem Motive, Gefühle und Gedanken Platz finden.

Offengestandne weiss ich nicht, ob dazu eine Bewusstseinsveränderungen nötig ist. Der Unterschied sieht beeindruckend aus, aber da gibt es noch mehr. Wir gehen zum Beispiel auch nicht davon aus, dass die Menschen vor Erfindung des perspektivischen Malens einen Augenschaden hatten.
Wenn ich sehe, als was für ein Durchbruch noch im letzten Jahrhundert die literarischen Mittel der Postmodenristen gelten, relativiert sich das aber schnell.


Es ist, wie so oft, das Zusammenkommen verschiedener Phänomene. Kleine Städte, sehr "menschliche" Götter, Idole und Götzenbilder korrelieren (laut Jaynes) mit Geschichten, die rein äußerliche Gegebenheiten und Geschehnisse beschreiben. Nach der großen Migrationswelle ein Aufkommen von Schriften, in denen die Stimmen der Götter uneindeutig und immer seltener werden. Orakel und andere "Techniken", den Willen der Götter anders zu bestimmen, tauchen auf. Die Konkurrenz der noch vorhandenen Stimmen führt zu eifersüchtigen Göttern, was in letzter Instanz Monotheismus begünstigt. Gleichzeitig das Aufkommen von Wörtern, die ein Innenleben beschreiben können.

Deine Beispiele relativieren den sprachlichen Wandel natürlich schon, aber es gibt ja auch andere Beispiele. Z.B. unseren, recht frischen Bewusstseinswandel durch das Erkennen des Unbewussten. Vor Freud hat man es als gesichert erachtet, dass der Mensch für sich selbst quasi transparent ist. Man hat Ich und Person gleichgesetzt. Natürlich war es bewusstseinserweiternd, zu erfahren, dass man "mehr" ist als man selbst weiß und inzwischen wissen wir auch, dass sich dieses "mehr" längst nicht auf unterdrückte Gefühle und Erinnerungen beschränkt, sondern die Größenordnungen womöglich (wahrscheinlich) komplett umgekehrt sind: Das Ich als Spitze des Eisbergs.
Und das hat sich natürlich ebenfalls in unserer Sprache und in unseren Geschichten niedergeschlagen. Die Sprache kann also ein Hinweis auf einen Wandel des menschlichen Geistes sein. In Kombination mit den übrigen Veränderungen, klingt es für mich zusammen genommen sehr plausibel. Ob diese Zusammenstellung von Fakten grenzwertig selektiv ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Falls jemandem fachliche Kritik an den historischen Belegen bekannt ist, fänd ich das übrigens ebenfalls interessant.
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Beitrag(#1635784) Verfasst am: 09.05.2011, 18:56    Titel: Antworten mit Zitat

Ich muss zugeben: Ich verstehe diese Thesen nicht. Wirkt auf mich irgendwie sehr wie eine lustig dahererzählte Schöpfungsgeschichte. Kann jemand eine für einen Psychologen hinreichend heruntergedummte Version der Thesen (oder, falls vorhanden: Hypothesen) dieses Ideengebäudes posten, bitte bitte?
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Beitrag(#1636048) Verfasst am: 10.05.2011, 12:01    Titel: Antworten mit Zitat

Dissonanz hat folgendes geschrieben:
Ich muss zugeben: Ich verstehe diese Thesen nicht. Wirkt auf mich irgendwie sehr wie eine lustig dahererzählte Schöpfungsgeschichte. Kann jemand eine für einen Psychologen hinreichend heruntergedummte Version der Thesen (oder, falls vorhanden: Hypothesen) dieses Ideengebäudes posten, bitte bitte?


Suspekt
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Jaynes geht zu allererst einmal davon aus, dass Bewusstsein auf Sprache basiert (und folglich später entstanden sein muss). Er begründet das durch den narrativen und metaphorischen Charakter des Bewusstseins. Wenn man sich z.B bewusst an eine Handlung erinnert, sieht man sich i.d.R. von außen, also wie erzählt anstatt erlebt. Auch dass bewusste Zustände durch die Sprache des Verhaltens und der physikalischen Welt beschrieben werden (also metaphorisch verstanden werden) soll dazu passen.

Wenn Sprache also zuerst da war, wann ist dann Bewusstsein hinzu gekommen?
An der Stelle schaut sich Jaynes an, seit wann es diese Metaphern für Bewusstsein überhaupt gibt und er kommt zu dem Schluss, dass vor etwa 1000 B.C. kein bewusstes Innenleben beschrieben wurde und Musen, Stimmen von Göttern etc. nicht etwa eine blumige Sprache für Gedanken und Ideen waren, sondern tatsächlich halluziniert wurden um den Zweck zu erfüllen, den heute das Bewusstsein übernimmt.
Dann schaut er sich Gesellschaftsformen vor dieser Zeit an und sieht weitere Hinweise in der extremen Götzen-Verehrung, die bis zur "leiblichen" Verpflegung ging, den strengen Hierarchien und dem Fehlen von Gesetzen (vermutlich gab es noch mehr Punkte). Er stellt die These auf, dass die Bildung von Siedlungen durch eine Hierarchie ermöglicht wurde, die auf einen Konsens von Göttern und deren Autorität beruhte, wobei mächtigere Menschen die Stimmen mächtigerer Götter empfingen.
Diese Halluzinationen waren quasi Einfälle, die laut Jaynes durch die Sprachareale der rechten Hemisphäre an die linke vermittelt wurden. Gerade Stress soll derart Halluzinationen hervor gebracht haben, da Stress vor allen Dingen in neuen, nicht routinierten Situationen aufkommt.
Hypnose, Schizophrenie und "Besessenheit" sollen ein Erbe dieser bicameralen Hirn-Organisation sein.

In Mesopotamien waren es Naturkatastrophen, die durch Flüchtlingswellen den Konsens über die Götter zerstörten. Gruppen, die aufeinander prallten konnten nicht miteinander kommunizieren, da ihre Götter sich widersprachen. So gab es zwei Entwicklungen: Zum einen wurden die Götter "eifersüchtiger" (da sie ja über die Menschen in Konkurrenz standen), was die Grundlage monotheistischer Religionen gewesen sein soll (Jahweh war also ein neuer Konsens, entstanden durch seine besonders eifersüchtige und wütende Art), zum anderen lebte es sich nun wesentlich besser, wenn man bei einem fremden Gegenüber einen Geist annahm, durch den man dessen Handlungen voraus sehen konnte. So entstand also laut Jaynes erst eine Theory of Mind (den Begriff nutzt er aber nicht),welche man auf sich selbst wieder zurück projizieren kann -> Bewusstsein entsteht.
Das Bewusstsein verdrängt zunehmend die Bikameralität, die Menschen fragen sich, warum die Götter nicht mehr mit ihnen sprechen. Es entstehen religiöse Autoritäten, die angeblich oder tatsächlich (anfänglich laut Jaynes wohl tatsächlich) noch die Stimmen der Götter oder des Gottes hören konnten (seine Analyse des alten Testaments ist diesbezüglich sehr spannend). Auch Orakel sollen diesen Ursprung haben.

Den bikameralen Menschen soll man sich in etwa so vorstellen können wie wenn ein Autofahrer eine gewohnte Strecke fährt. Wenn man das Bewusstsein, das sich in der Zeit ohnehin mit etwas ganz anderem beschäftigt (weil es ja für Routine nicht gebraucht wird), nun noch weg denkt, hätte man quasi einen Großteil des bikameralen Lebens abgedeckt. Nur wenn etwas Neues anstand, musste der bikamerale Mensch auf verbale Einfälle der rechten Hemisphäre warten.

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
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Ich bin fast durch, aber bisher hat er sich meines Wissens nicht zu dem Thema geäußert. Er impliziert es aber an einer Stelle:
Julian Jaynes hat folgendes geschrieben:
How could an empire [Inka] whose armies had triumphed over the civilizations of half a continent be captured by a small band of 150 Spaniards in the early evening of November 16, 1532?
It is possible that it was one of the few confrontations between subjective and bicameral minds.
[...]
Not subjectively conscious, unable to deceive or to narratize the deception of others, the Inca and his lords were captured like helpless automatons.


Also ja, wenn man Jaynes Gedanken konsequent folgt, könnte es auch heute durchaus noch unbewusste Menschen geben, sofern sie eben isoliert genug sind.
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Beitrag(#1636083) Verfasst am: 10.05.2011, 15:00    Titel: Antworten mit Zitat

Schonmal vielen Dank. Sollten wir uns mal über den Weg laufen und sollte ich einen dabei haben kriegst du von mir einen Keks/Cookie. (Huzzah, intrinsische Motivation zerstören!)

Erstmal wirkt das auf mich recht weit hergeholt, aber ich muss mir deine Zusammenfassung nochmal genauer durchlesen, bevor ich formulieren kann, was genau mich an diesem Ideengebäude stört.

Bis da hin:

Eleonor hat folgendes geschrieben:

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Welche Masche? Geschockt
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Beitrag(#1636089) Verfasst am: 10.05.2011, 15:15    Titel: Antworten mit Zitat

Dissonanz hat folgendes geschrieben:
Schonmal vielen Dank. Sollten wir uns mal über den Weg laufen und sollte ich einen dabei haben kriegst du von mir einen Keks/Cookie. (Huzzah, intrinsische Motivation zerstören!)


Uh, toll, hast du grad welche und bist nicht mehr als 20 Schritte von mir entfernt? Smilie

Dissonanz hat folgendes geschrieben:

Bis da hin:

Eleonor hat folgendes geschrieben:

Suspekt
Die Masche zieht... sie zieht tatsächlich! Das muss am Avatar liegen!


Welche Masche? Geschockt


Als müsste man für dich etwas "herunterdummen"! Aber dem Pony würde ich das abnehmen! zwinkern
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