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Hannibal Freiheitskämpfer
Anmeldungsdatum: 07.11.2003 Beiträge: 5062
Wohnort: Wien
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(#163904) Verfasst am: 10.08.2004, 01:33 Titel: Stufen des sozialen Bewusstseins |
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Die meisten Menschen handeln nur selten zum allgemeinem Nutzen, sondern viel mehr zum individuellem...
Denn wenn sie sich um die weltweite allgemeinheit genauso sorgen würden, wie um sich, dann wären durch die vielen Spenden und durch die Ehrlichkeit aller Organisationen und Menschen alle Menschen der Welt tatsächlich gleich so reich.
Und der Wohlstand der Allgemeinheit wäre dann theoretisch auch eine ausreichende Arbeitsmotivation, wie es sich unser Max so gern wünscht.
Im science-fiction-Thema wird darüber disskutiert ob es nicht eine hochentwickelte (außerirdische) Spezies geben könnte, wo das Sozialbewusstsein eines jeden Individuums diesen Entwicklungsgrad erreicht hat.
Diese Theorien sind faszinierend und das meine ich keineswegs ironisch.
Hier eine klassische Illustration einer solchen Vision: Werden Menschen versklavt und wird ihnen bei Widerstand der Tod angedroht, dann gehorchen alle schön brav, obwohl sie sehen, dass langsam aber sicher einer nach dem anderen abgeschlachtet, erschossen, usw.... wird, blos um selbst ein paar Tage länger leben zu dürfen.
Es gab und gibt in den KZ´s, hier auf der Erde und unter den Menschen meine ich, so gut wie nie organisierten Widerstand und nur wenig Solidarität, obwohl es auch sehr vereinzelt dokumentierte Berichte davon gibt. In der Regel war der Widerstand ein Akt einer verzweifelten Einzelaktion. Die anderen hielten sich zurrück, weil sie Angst hatten, selbst auch umgebracht zu werden, selbst dann, wenn sie wussten, dass sie früher oder später selbst sterben müssten.
So das Verhalten der Menschen.
Von dieser angenommenen Spezies könnte man ein anderes Verhalten erwarten, nämlich, dass wenn ein einziger Gefangener auf die Wache losgeht, dass alle in einer Kettenreaktion eingreifen zur Solidarität für das Individuum, an welches sie sich gebundener Fühlen, also für den Widerstand leistenden Häftling.
Wenn eine Gruppe von 200 Menschen ein Wettrennen machen muss, und den zehn letzten die Beine abgehackt werden, dann laufen diese Menschen um ihr Leben.
Bei der sozial weit stärler entwickelten Spezies würde sich auf das "Los!" Signal keiner Rühren, weil der Gedanke an die anderen gleich stark wäre, wie der an sich selbst.
Wenn man dann alle auf den Boden legen lassen will, um jeden dritten zu erschissen(das war eine in den KZ´s übliche Kollektive Vergeltung der Nazis), dann wäre diese Spezies, wie ein Hornissenschwarm wild auf die Wärter losgegangen.
Natürlich würden dann alle sterben, sie hätten gegen die Wärter realistischer Weise keine Chance gehabt, aber trotzdem wäre es viel schwieriger, eine derart solidarische Spezies zu vernichten, als ein Haufen zusammengewürfelter Menschen, welcher sich Schritt für Schritt durch zahlmässig viel schwächere Wachen vernichten lässt...
Natürlich ist die Angst vor dem eigenem Tod in vielerlei Hinsicht verständlich, aber ich möchte mit meinen hier angeführten Extremsituationen und Beispielen eben ein den meisten Menschen weit überlegenes Sozialverhalten beschreiben.
Es wäre utopisch, ein solches Verhalten von Menschen allgemein zu verlangen, oder sie in diese Richtung zu erziehen zu versuchen.
Aber nicht zuletzt besteht die Hoffnung in der immer noch laufenden Evolution des Menschen. Sie birgt aber auch Risiken: Früher überlebten und vermehrten sich in schwierigen Zeiten nur die Leistungsfähigsten und so kam Fortschritt zustande.
Aber heute kann jeder ein ziemlich langes Leben führen und sich ebenfalls vermehren.
Anstatt dass sich nur eine Gruppe von Erfolgreichsten durchsetzt, setzen sich alle permanent durch.
Welche Auswirkungen könnte das auf die Evolution haben?
Habt ihr die Theorie über eine sozial hochentwickelte Spezies schon mal irgendwo gehört? Was hält ihr davon?
_________________ Meinungsfreiheit ausnahmslos für alle! Auch für Nazis!
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rabenkrähe Gast
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(#163911) Verfasst am: 10.08.2004, 02:23 Titel: |
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Ich halte von der Theorie gar nichts, weil sie einfach daran scheitert, daß Menschen mit ihrem Bewußtsein ihre Endlichkeit erfassen können und den Tod fliehen. Sonst könnten sie nämlich gar nicht leben.
Und diese Tatsache steht grundsätzlich der sozialen kulturellen Gleichheit entgegen.
Menschen sind nicht gleich, schon dadurch, daß der eine nur ein paar Minuten, der andere aber 111 Jahre alt wird.
Und da jeder nur ein Leben auf dieser, unserer Welt hat, wird er letztlich alles tun, sein Leben zu erhalten, und wenn es denn auf Kosten anderer ginge und geht.
bin rabenkrähe
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annox Grim Reaper
Anmeldungsdatum: 30.05.2004 Beiträge: 5800
Wohnort: Berlin
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(#163919) Verfasst am: 10.08.2004, 05:29 Titel: Re: Stufen des sozialen Bewusstseins |
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Kossuth hat folgendes geschrieben: |
Es gab und gibt in den KZ´s, hier auf der Erde und unter den Menschen meine ich, so gut wie nie organisierten Widerstand und nur wenig Solidarität, obwohl es auch sehr vereinzelt dokumentierte Berichte davon gibt. In der Regel war der Widerstand ein Akt einer verzweifelten Einzelaktion. Die anderen hielten sich zurrück, weil sie Angst hatten, selbst auch umgebracht zu werden, selbst dann, wenn sie wussten, dass sie früher oder später selbst sterben müssten. |
Liess Bruno Apitz - Nackt unter Woelfen
_________________ Ich bin jenes Pferd, das unter der Peitsche der Kutscher den Wagen voller Gesindel hinter sich her ziehen muss.
[Sadegh Hedayat]
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Ekkard registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.08.2004 Beiträge: 14
Wohnort: overath
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(#163991) Verfasst am: 10.08.2004, 13:26 Titel: |
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Hi Kossuth,
diese Ideen sind realitätsfern. Sie sind dies sogar auf einer evolutionsbiologischen Basis, was ja den Freigeistern hier besonders entgegen kommen dürfte: Wenn eine Spezies nur zahlreich genug ist, dann ist der Verlust einiger weniger nicht so wichtig - gemessen an dem Nutzen, auch die kleinste Chance zum Überleben wahr zu nehmen.
So nehme ich an, dass die SF-Ideen auch auf anderen Planeten nicht verwirklicht sind (sofern überhaupt soziobiologische Lebensformen mit individueller Ausstattung - Typ Mensch - existieren).
Oder anders: Sie könnten nach einer Phase der reinen Individual-Bezogenheit verwirklicht werden, wenn sich das Bewusstsein entsprechend wandelt - das gilt für die irdische Menschheit auch -. Die Frage ist nur, ob wir dazu derzeit bereit sind (ich glaube: eher nicht; denn wie es gehen könnte, machen uns Ameisen und Bienen vor!).
_________________ Mit freundlichem Gruß
Ekkard
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Die Realität ist mystischer als jeder Mythos
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kutschi ask me
Anmeldungsdatum: 02.08.2004 Beiträge: 475
Wohnort: Wien
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(#164003) Verfasst am: 10.08.2004, 14:04 Titel: |
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Deine Schilderung hört sich eher nach einem willenlosen Bienenstaat an, als nach einer Spezies frei denkender Individuen...
Es besteht ein Unterschied zwischen Mitgefühl gegenüber anderen und der Bereitschaft sich gedankenlos für das Wohl der Gemeinschaft in den Tod zu stürzen !
Abgesehn davon finde ich deine Vergleiche mehr als unpassend und teilweise sogar abwertend (sicher nicht gewollt, aber eben trotzdem).
Will jetzt keine Diskussion über die Psyche von KZ Häftlingen anfangen (will ich wirklich nicht), aber es war keinesfalls ein Haufen egoistischer, naiver Leute.
Solltest vl am besten auf die oben genannte Buchempfehlung eingehen, oder dich anderseits informieren, bevor du wieder solche Vergleiche anstellst...
_________________ Rechtschreibfehler schulen das Auge des Betrachters.
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#164032) Verfasst am: 10.08.2004, 15:48 Titel: |
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Ich hörte kürzlich im Radio ein Interview mit einer Expertin für Wölfe. Dort hieß es, dass im Wolfsrudel durchaus "altruistisches" Verhalten vorkommt. Schwache Tiere haben eine Rolle bei der Jagd und werden in gewissen Grade mitversorgt. Das wurde damit erklärt, dass auch der starke Wolf im Rudel bessere Chancen hat, seine Gene weiterzugeben. Es ist also für ihn vorteilhaft, durch "altruistisches" Verhalten das Rudel zu stärken. Leider wurde nicht gesagt, wie dieses altruistische Verhalten der Wölfe nun konkret aussieht, und wo genau der Nutzen eines starken Rudels für ein starkes Tier liegt. Wenn jemand mehr über diese Thematik weiß, das würde mich interessieren.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#164144) Verfasst am: 10.08.2004, 18:29 Titel: |
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Die gesellschaftliche Umgebung gehört genauso zur Umgebung des Replikators wie der Körper des Individuums. Je nach gefundener Nische macht es überhaupt mehr oder weniger Sinn, von Individuen und ihren Belangen zu sprechen. Die schon angesprochenen staatenbildenden Insekten kann man auch als großes Individuum bezeichnen. Organismus und Individuum oder gar Person sind also nicht notwendig identisch.
Dazu kommt, daß die bewußten und unbewußten "Ziele" von Individuen im Einzelfall weder notwendig mit der bestmöglichen Genweitergabe übereinstimm ("die meisten Wege der Evolution sind Sackgassen"), noch daß eine bestmögliche Genweitergabe mit dem Zustand größten Glücks für alle verbunden ist.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#164153) Verfasst am: 10.08.2004, 18:53 Titel: Re: Stufen des sozialen Bewusstseins |
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Kossuth hat folgendes geschrieben: | Werden Menschen versklavt und wird ihnen bei Widerstand der Tod angedroht, dann gehorchen alle schön brav |
Das stimmt so allgemein und total gesprochen ganz einfach nicht!
Es stimmt zwar, dass bei der Bedrohung des Bioüberlebens oft andere Hirnfunktionen ausgeschaltet werden, mit dem richtigen Training kann man aber den ethischen oder auch den territorialen Teil des Gehirns so konditionieren, dass er in solchen Situationen aktiv bleibt (Selbstkontrolle genannt).
Ich habe hier 'mal bewusst nicht den Begriff "Schaltkreise" verwendet, damit mich Rabenkrähe nicht wieder anmacht, falls er das liest...
Kossuth hat folgendes geschrieben: |
Aber nicht zuletzt besteht die Hoffnung in der immer noch laufenden Evolution des Menschen. Sie birgt aber auch Risiken: Früher überlebten und vermehrten sich in schwierigen Zeiten nur die Leistungsfähigsten und so kam Fortschritt zustande.
Aber heute kann jeder ein ziemlich langes Leben führen und sich ebenfalls vermehren.
Anstatt dass sich nur eine Gruppe von Erfolgreichsten durchsetzt, setzen sich alle permanent durch.
Welche Auswirkungen könnte das auf die Evolution haben? |
Dass die Evolution nicht in erster Linie auf biologischem, sondern beim Menschen in erster Linie auf psychologischem Gebiet abläuft. Während biologische Evolution ein langsamer, gleichförmiger Prozess ist, steht dem Menschen imho psychologisch im Moment ein evolutionärer Sprung bevor, der mit der ersten Entwicklung von Bewusstsein verglichen werden kann.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#164177) Verfasst am: 10.08.2004, 20:09 Titel: Re: Stufen des sozialen Bewusstseins |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Während biologische Evolution ein langsamer, gleichförmiger Prozess ist, steht dem Menschen imho psychologisch im Moment ein evolutionärer Sprung bevor, der mit der ersten Entwicklung von Bewusstsein verglichen werden kann. |
Die "biologische" Evolution verläuft nicht immer gleichförmig sondern manchmal abrupt.
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Ekkard registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.08.2004 Beiträge: 14
Wohnort: overath
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(#164180) Verfasst am: 10.08.2004, 20:17 Titel: Re: Stufen des sozialen Bewusstseins |
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Kossuth hat folgendes geschrieben: | Werden Menschen versklavt und wird ihnen bei Widerstand der Tod angedroht, dann gehorchen alle schön brav |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Das stimmt so allgemein und total gesprochen ganz einfach nicht! | Deine weitere Argumentation belegt leider nicht, wieso nicht. Ein Beispiel ist mir bekannt, wo sich Widerstandsnester im Warschauer Ghetto gebildet haben. Aber anderswo? Und wo sind heute jene Menschen, die dem Zeitgeist, der uns alle zu verblöden droht, ernsthaft widersprechen. Wer bietet der Wachstums- und Überproduktionshysterie Paroli? Wer macht noch mobil gegen die großen Umweltzerstörer (all die kleinen Autofans!) . Gewiss, wir reden uns an den Stammtischen den Mund fusselig - aber dann setzen wir uns ins Auto oder vor den Computer ...
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Es stimmt zwar, dass bei der Bedrohung des Bioüberlebens oft andere Hirnfunktionen ausgeschaltet werden, mit dem richtigen Training kann man aber den ethischen oder auch den territorialen Teil des Gehirns so konditionieren, dass er in solchen Situationen aktiv bleibt (Selbstkontrolle genannt). | Na, ich halte es mit Berthold (Bertolt) Brecht: “Erst kommt das Fressen, dann die Moral“. Entgegen existenz-sichernder Grundbedürfnisse lässt sich nichts konditionieren. Lies mal Carl Sagan: “Die Drachen von Eden”, wenn du wissen willst, was bei uns so alles wach gerufen werden kann.
Kossuth hat folgendes geschrieben: | Anstatt dass sich nur eine Gruppe von Erfolgreichsten durchsetzt, setzen sich alle permanent durch. Welche Auswirkungen könnte das auf die Evolution haben? |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Dass die Evolution nicht in erster Linie auf biologischem, sondern beim Menschen in erster Linie auf psychologischem Gebiet abläuft. Während biologische Evolution ein langsamer, gleichförmiger Prozess ist, steht dem Menschen imho psychologisch im Moment ein evolutionärer Sprung bevor, der mit der ersten Entwicklung von Bewusstsein verglichen werden kann. | Ich halte unsere Psyche für den gegenwärtigen Ausdruck unseres Werdegangs durch die Evolution. Also wird sich die Psyche gerade genau nicht ändern - jedenfalls nicht mehr, als man durch permanente Erziehung und Bildung erreicht. Vielleicht ändert sich gerade noch der Grad unserer Domestikation. (Wir sind unsere besten Haustiere: gefräßig, neigungsbetont >vulgo: faul< und geschwätzig, solange man uns lässt).
_________________ Mit freundlichem Gruß
Ekkard
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Die Realität ist mystischer als jeder Mythos
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