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Ethik-Preis für Paola Cavalieri und Peter Singer
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1650829) Verfasst am: 18.06.2011, 21:09    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ohne irgendeinen (auch noch so versteckten) Begriff von Potentialität lässt sich nämlich weder eine Ethik noch eine Juristik machen. zwinkern
Exakt.

Solche Aussagen liebe ich ja ganz besonders. Dermaßen relativiert und allgemein, daß man trivialerweise zustimmen muß.

EDIT @zelig: "Exakt" ist wirklich die Krönung in diesem Fall.
Ich fürchte, ich komme nicht mehr mit. Ich meine wir hätten an anderer Stelle bereits darüber diskutiert, welche Rolle wir der Temporalität in der Ethik beimessen, und daß ich ihre Berücksichtigung für unerlässlich halte.

Ja, und irgendeine Form von Potenzialität halte auch ich selbstverständlich für unerläßlich. Etwa wenn man seine Zukunft abwägt.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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L.E.N.
im falschen Film



Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1650831) Verfasst am: 18.06.2011, 21:12    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ohne irgendeinen (auch noch so versteckten) Begriff von Potentialität lässt sich nämlich weder eine Ethik noch eine Juristik machen. zwinkern
Exakt.

Solche Aussagen liebe ich ja ganz besonders. Dermaßen relativiert und allgemein, daß man trivialerweise zustimmen muß.

EDIT @zelig: "Exakt" ist wirklich die Krönung in diesem Fall.
Ich fürchte, ich komme nicht mehr mit. Ich meine wir hätten an anderer Stelle bereits darüber diskutiert, welche Rolle wir der Temporalität in der Ethik beimessen, und daß ich ihre Berücksichtigung für unerlässlich halte.

Ja, und irgendeine Form von Potenzialität halte auch ich selbstverständlich für unerläßlich. Etwa wenn man seine Zukunft abwägt.


in welchen fällen noch?
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Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1650832) Verfasst am: 18.06.2011, 21:12    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ohne irgendeinen (auch noch so versteckten) Begriff von Potentialität lässt sich nämlich weder eine Ethik noch eine Juristik machen. ;)
Exakt.

Solche Aussagen liebe ich ja ganz besonders. Dermaßen relativiert und allgemein, daß man trivialerweise zustimmen muß.

EDIT @zelig: "Exakt" ist wirklich die Krönung in diesem Fall.
Ich fürchte, ich komme nicht mehr mit. Ich meine wir hätten an anderer Stelle bereits darüber diskutiert, welche Rolle wir der Temporalität in der Ethik beimessen, und daß ich ihre Berücksichtigung für unerlässlich halte.

Ja, und irgendeine Form von Potenzialität halte auch ich selbstverständlich für unerläßlich. Etwa wenn man seine Zukunft abwägt.


Ja, und meine Auffassung wäre, daß man überhaupt nicht verstehen kann, was ein Mensch ist, wenn man ihn ohne Zukunft denkt. Mal verkürzt gesagt.
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L.E.N.
im falschen Film



Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1650833) Verfasst am: 18.06.2011, 21:12    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ohne irgendeinen (auch noch so versteckten) Begriff von Potentialität lässt sich nämlich weder eine Ethik noch eine Juristik machen. zwinkern
Exakt.

Solche Aussagen liebe ich ja ganz besonders. Dermaßen relativiert und allgemein, daß man trivialerweise zustimmen muß.

EDIT @zelig: "Exakt" ist wirklich die Krönung in diesem Fall.
Ich fürchte, ich komme nicht mehr mit. Ich meine wir hätten an anderer Stelle bereits darüber diskutiert, welche Rolle wir der Temporalität in der Ethik beimessen, und daß ich ihre Berücksichtigung für unerlässlich halte.

Ja, und irgendeine Form von Potenzialität halte auch ich selbstverständlich für unerläßlich. Etwa wenn man seine Zukunft abwägt.


Ja, und meine Auffassung wäre, daß man überhaupt nicht verstehen kann, was ein Mensch ist, wenn man ihn ohne Zukunft denkt. Mal verkürzt gesagt.


exakt Cool
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1650835) Verfasst am: 18.06.2011, 21:21    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Ja, und meine Auffassung wäre, daß man überhaupt nicht verstehen kann, was ein Mensch ist, wenn man ihn ohne Zukunft denkt. Mal verkürzt gesagt.

Sehe ich ähnlich. Ist übrigens nicht sooo weit von Singer weg.
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Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1650851) Verfasst am: 18.06.2011, 22:24    Titel: Antworten mit Zitat

Potentialität überhaupt irgendwie ist aber natürlich etwas anderes als das Potentialitätsargument. zwinkern

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
es bedeutet, ohne juristische erwägungen einem wesen nicht willkürlich das licht auszuknipsen wie zb. ner lästigen fliege oder auch nem überschüssigem katzenbaby - ohne danach ein schlechtes gewissen zu haben.

Aber wo ist da das Recht? Recht ist etwas, worauf man sich berufen kann.


du versuchst dich allein auf explizites recht auf leben zu beziehen ohne das implizite per existenz anzuerkennen. und wenn das wieder eins deiner semantischen spielchen werden soll werde ich das gleich abbrechen, okay?


Das sind keine Spielchen und vor allem hier ist es eine berechtigte Frage, was Recht im ethischen Sinne überhaupt bedeuten soll. Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine solche (strikte) Trennung von Ethik und Recht für sinnvoll halte, wie Tarvoc sie vertritt (?), aber wenn man schon explizit von Recht im ethischen Sinne spricht, sollte man auch klar machen, was das überhaupt sein soll.
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"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Femina
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Anmeldungsdatum: 24.07.2005
Beiträge: 1038

Beitrag(#1650889) Verfasst am: 18.06.2011, 23:17    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Da ich nicht mehr ganz verstehe, worauf ihr hinauswollt, mal eine Frage, und da Ethik aus meiner Sicht Theorie ist, und Moral nur an einzelnen Fällen beurteilt werden kann, hier also ein moralischer Fall, an dem mir vielleicht jemand Singers Vorstellungen erläutern kann (oder vielleicht auch nur seine eigenen):

Denken wir uns einen Polizeibeamten und Mitglied eines SEK, der den Auftrag erhält, mit seinen Kollegen eine Gruppe von Mafioso festzunehmen. Die widersetzen sich der Festnahme und unser Polizist erhält einen Kopfschuß, den er zwar überlebt, aber nur mit schwersten geistigen Defekten. Er hat keine Angehörigen. Wie sollte man nach Singers Vorstellungen mit ihm verfahren?


Der Polizist hat hoffentlich eine Patientenverfügung hinterlassen, in der er declariert, wie in dem Fall mit ihm verfahren werden soll. Falls nicht, hat er sich hoffentlich mal wenigstens dazu geäußert. Als Polizist mit derartigem Aufgabenspektrum sollte man unbedingt so eine Möglichkeit in Betracht ziehen.
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Femina
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Anmeldungsdatum: 24.07.2005
Beiträge: 1038

Beitrag(#1650895) Verfasst am: 18.06.2011, 23:24    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Du hast vollkommen Recht. Moral ist Eigenschaft einer Gruppenkultur und bei einer Gruppe ist es immer die Frage, wer dazugehört bzw wie man in sie aufgenommen wird; denn ein ist offensichtlich, nicht bestimmte Eigenschaften konstituieren die Mitgliedschaft zu einer Gruppe, sondern ausschließlich die Aufnahme durch die Gruppe selbst, so wie man auch nicht aufhört Mitglied einer Gruppe zu sein, nur weil man bestimmte Eigenschaften nicht mehr hat.

Der biologische Sinn ist ganz simpel: Unsere Vorfahren mußten oft im Interesse ihrer Gruppe erhebliche Risiken für Leib und Leben auf sich nehmen. Die zahlreichen Knochenbrüche bei Frühmenschen sprechen eine deutliche Sprache. Da war die Gruppe die einzige Versicherung, und die bestand offenbar darin, den einzelnen auch dann zu versorgen, wenn er schwere Verletzungen davontrug, die es ihm unmöglich machten, sich von da ab an selbst zu versorgen. Der Deal war offenbar, die Jöger riskierten ihr Leben und dafür war im Notfall für sie gesorgt.

Wenn man einmal Mitglied der Gruppe war, und keine silbernen Löffel klaute, blieb man es auch. Damit stellt sich die Frage, ob es Kriterien für die Aufnahme in die Gruppe gab. Die zahlreichen Kinderskelette, die man gefunden hat, sprechen da wohl eine eindeutige Sprache. Die Menschen der damaligen Zeit haben das vermutlich auch nicht gern getan, aber sie hatten keine andere Wahl. PID gab es noch nicht, und die Möglichkeit einer Abtreibung ohne erhebliches Risiko für die Mutter wohl auch nicht. Im antiken Rom entschied der pater familias über die Aufnahme in die Familie und das Aussetzen von kranken Säuglingen im antiken Sparta ist sprichwörtlich.

Wir dagegen haben heute Alternativen, und die sollten wir nutzen. Wenn aber ein Kind Mitglied unserer Gruppe ist, dann hat es Anspruch auf unsere Solidarität. Daran hat sich auch heute nichts geändert. Dieses Recht auf Leben, das wir uns gegenseitig garantieren, garantieren müssen, ist die Grundlage jeder menschlichen Kultur. Wo dieses Recht auf Leben nicht garantiert ist, sei es durch das Fehlen öffentlicher Sicherheit, oder durch die Willkür der Regierenden oder sonstwie, zerfällt eine Gesellschaft in Rücksichtslosigkeit und Barbarei.

Wir sehen uns heute übrigens einer Frage ausgesetzt, die Menschen vergangener Zeiten nicht hatten: Die Frage, wann jemand die Gemeinschaft der Lebenden verläßt, die Frage der Sterbehilfe. Wir sind heute in der Lage, Menschen weit über jedes menschliche Maß am Leben zu erhalten. Wir haben keine Möglichkeit, ein solches Leben zu beenden, aus den oben dargestellten Gründen. Aber wir können darüber nachdenken, wann und in wie weit wir das Recht, vielleicht sogar die Pflicht haben, den Willen eines Sterbenden zu erfüllen, auch und gerade dann, wenn er selbst dazu nicht mehr in der Lage ist.


Du machst also das Lebensrecht davon abhängig, dass man in eine Gruppe aufgenommen wurde und definierst den Zeitpunkt der Aufnahme in eine Gruppe - und zwar in unsere Gesellschaft, nicht nur in die Familie - mit der Geburt.

Man könnte doch aber auch sagen, bevor jemand in die Gruppe unserer Gesellschaft aufgenommen wird, muss er zunächst in die Gruppe der Familie aufgenommen werden. Wie begründest du die sofortige Aufnahme in die ganze Gesellschaft exakt mit dem Zeitpunkt der Geburt?

Und: In menschliche Gruppen sind nicht nur Menschen aufgenommen, sondern teils auch Tiere. - Womit wir wieder bei Singer wären. ...
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Femina
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Anmeldungsdatum: 24.07.2005
Beiträge: 1038

Beitrag(#1650922) Verfasst am: 18.06.2011, 23:55    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Femina hat folgendes geschrieben:
Singers Philosophieren darum, ob ein Kind mit diesen oder jenen Eigenschaften ein Recht auf Leben hat, kann daher auch nur ein Philosophieren darum sein, ob wir Menschen auch diesen und jenen Kindern ein Lebensrecht zusprechen wollen. Die Philosophie versucht zu rechtfertigen, warum wir hier Rechte vergeben sollten und dort nicht.

Und wieso sollten wir nun Säuglingen kein Recht auf Leben zusprechen? Weil diese momentan kein auf die Zukunft gerichtet Interesse haben? Wieso soll das die einzig ausschlaggebende Rolle bei einer Rechtezuweisung spielen, (plus der Interessen der Eltern)?

Was gibt uns ein Recht auf Leben? hat folgendes geschrieben:
Um ein Recht darauf zu haben, nicht getötet zu werden, bedarf es mehr als eines Interesses nicht gequält zu werden - es bedarf eines Interesses an seinem eigenen Überleben!

Im Zusammenhang mit dem, was Du oben gesagt hast, (dem ich zustimme), klingt das doch nun reichlich merkwürdig, findest Du nicht? So als ob es doch von Natur aus Rechte gäbe.


In den wissenslogs: http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/libertarian/allgemein/2011-06-09/peter-singer-immer-noch-persona-non-grata beantwortet der Singer-Schüler Edgar Dahl, der Autor des von dir oben zitierten: "Was gibt uns ein Recht auf Leben" deine Frage. Er schreibt in seinem Kommentar vom 14.6.11:

"Ja, Sie haben recht. Statt vom Recht auf Leben sollte man besser vom Interesse am Leben sprechen.

Nach Singer zieht ja das bloße Interesse am Leben ein Recht auf Leben nach sich. Dies ist mein Problem mit Singer. Er meint, Rechte aus Interessen "ableiten" zu können, während Rechte doch eindeutig zugesprochen werden."
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Femina
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Anmeldungsdatum: 24.07.2005
Beiträge: 1038

Beitrag(#1650934) Verfasst am: 19.06.2011, 00:13    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Femina hat folgendes geschrieben:
Ein Recht auf Leben, das heißt doch nur so viel, dass wir Menschen uns gegenseitig dieses Recht auf Leben zusprechen, weil wir jeder für uns selbst einen Anspruch auf so ein Recht haben wollen.

Das klingt ganz gut. Auf das Threadproblem übertragen: Wir gestehen schwerbehinderten Säuglingen ein Recht auf Leben zu, weil wir auch nicht wollen, dass wir selbst als Säuglinge getötet worden wären. (Dass das kontrafaktisch ist, spielt keine Rolle.)


Ich würde für mich persönlich, wenn es die Möglichkeit gäbe, ein zweites Mal geboren zu werden, für einige Behinderungen, die ich dann evt. haben könnte, eine Patientenverfügung unterschreiben, dass ich dann NICHT weiterleben wollte und man mich dann doch bitte ohne Schmerzen aus diesem Leben herauskatapultieren soll. Aus diesem Grund kann ich auch die Singer-Argumentation bei besonders schweren Behinderungen nachvollziehen.

Als gesunder oder nur mittelmäßig beeinträchtigter Neugeborener würde ich aus meiner Außenperspektive gern leben wollen. Das jedoch kann ich nur sagen, da ich jetzt ein Lebensinteresse habe. Dass ich auch als gesunder Neugeborener zuerst kein Lebensinteresse habe, kann ich nachvollziehen.

Ich könnte jedenfalls dieses Argument nicht anwenden, dass ich doch als gesunder neugeborener Mensch gern leben wollte, da ich das dann auch auf den gerade befruchteten Embryo oder gar auf ein noch früheres Stadium übertragen müsste. Dazu jedoch muss ich sagen, es hätte mich zu keinem Zeitpunkt interessiert, wenn man mich als Embryo oder auch als Neugeborene nicht hätte weiterleben lassen.

Allerdings liegt es wohl vielen Menschen nicht, so zu denken. Wir haben das evolutionsbedingte Mitleid mit einem Baby und das Bedürfnis, für dieses Kind zu sorgen. Wenn wir das nicht hätten, könnten unsere Babys nicht überleben und die Menschheit hätte sich nicht bis heute entwickeln können. Wir tun uns wohl deshalb schwer, an die Tötung eines Babys zu denken. Und das finde ich auch ganz in Ordnung so. Da meine ich, dass wir auch ein bisschen speziesistisch sein dürfen. Andere Arten, sprich: Tiere tun das auch.
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44656

Beitrag(#1650977) Verfasst am: 19.06.2011, 02:51    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Naja, Tarvoc (also das was Tarvoc "ich" nennt) ist doch durch ganz spezielle, individuelle Eigenschaften, Geschichte, Erinnerungen, Selbstbild, Präferenzen usw. definiert.

Abgesehen davon, dass ich nicht so ganz verstehe, was das in der Klammer soll, geht es darum wie gesagt überhaupt nicht. Dass ich eine andere Person bin als andere Personen, ist eine völlige Trivialität.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte


Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 19.06.2011, 02:58, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44656

Beitrag(#1650978) Verfasst am: 19.06.2011, 02:56    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine solche (strikte) Trennung von Ethik und Recht für sinnvoll halte, wie Tarvoc sie vertritt (?), aber wenn man schon explizit von Recht im ethischen Sinne spricht, sollte man auch klar machen, was das überhaupt sein soll.

Ob es Überschneidungen gibt und von welcher Art sie sind, ist in der Tat die Frage. Es ist aber ein Unterschied, ob man zuerst verschiedene Bereiche abgrenzt und dann sieht, wo und wie sie sich überschneiden, oder ob man einfach gleich alles in einen Topf wirft.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1650991) Verfasst am: 19.06.2011, 09:06    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ja, und irgendeine Form von Potenzialität halte auch ich selbstverständlich für unerläßlich. Etwa wenn man seine Zukunft abwägt.
in welchen fällen noch?

Auch z.B. wenn man die Zukunft anderer Wesen abwägt, etwa schwerstbehinderter Säuglinge.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1650992) Verfasst am: 19.06.2011, 09:08    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dass ich eine andere Person bin als andere Personen, ist eine völlige Trivialität.

So ist es. Hältst Du die folgende Behauptung dennoch aufrecht?

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich hätte auch als Säugling schwerbehindert sein können.

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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1651029) Verfasst am: 19.06.2011, 10:38    Titel: Antworten mit Zitat

Femina hat folgendes geschrieben:

Du machst also das Lebensrecht davon abhängig, dass man in eine Gruppe aufgenommen wurde und definierst den Zeitpunkt der Aufnahme in eine Gruppe - und zwar in unsere Gesellschaft, nicht nur in die Familie - mit der Geburt.

Man könnte doch aber auch sagen, bevor jemand in die Gruppe unserer Gesellschaft aufgenommen wird, muss er zunächst in die Gruppe der Familie aufgenommen werden. Wie begründest du die sofortige Aufnahme in die ganze Gesellschaft exakt mit dem Zeitpunkt der Geburt?

Und: In menschliche Gruppen sind nicht nur Menschen aufgenommen, sondern teils auch Tiere. - Womit wir wieder bei Singer wären. ...

Nein, ich stelle erst einmal nur fest, daß Menschen nie im Singular vorkommen, sondern immer nur in Gruppen leben konnten und können. Solche Gruppen waren früher Sippen oder Stämme, heute Gesellschaften oder Nationen. Und in eine solche Gruppe wird man irgendwann aufgenommen. Früher war das eigentlich immer die Geburt, oder mit höherem Alter die Adoption, die eigentlich nichts anderes ist, als eine Art soziale Geburt in einer neuen Gruppe. Wir neigen heute dazu, einen Zeitpunkt vor der Geburt anzunehmen, wohl auch, weil wir die technischen Möglichkeiten haben, ein solches Frühgeborenes durchzubringen. Die Diskussion um die Abtreibung zeigt aber auch, daß uns über diesen Zeitpunkt nicht einig sind. Es ist das Problem eines gleitenden Übergangs von einem Teil des Körpers der Mutter zu einem selbständigen Menschen.

Manche, wenn nicht alle frühen Stammesgesellschaften kannten eine Auslese von unheilbar kranken Säuglingen. Das bekannteste Beispiel sind die Spartaner. Aus dem Mittelalter wird berichtet, daß eine große Anzahl von Säuglingen "versehentlich im Schlaf erdrückt würden". Man mag sich seinen Teil denken. Immer aber gibt es einen Akt der Aufnahme in die Gemeinschaft, ab der ein Mensch, unabhängig von seinen konkreten Eigenschaften, Teil dieser Gemeinschaft ist.

Für Tiere gilt das nicht. Sie sind nicht Teil unserer Gemeinschaft, sondern leben in unserer Obhut, in unserem Haus. Das ist etwas anderes. Sie haben, wie jedes empfindungsfähige Lebewesen, Anrecht auf unser Mitgefühl, ein Recht darauf, daß man ihnen nicht ohne Grund Leid zufügt, aber das ist es auch. Singer macht den Fehler des Umkehrschlusses, daß nicht empfindungsfähige Wesen, Mensch oder Tier keine Rechte besäßen, und das ist Unfug, weil er den Gesellschaftcharakter der Menschen ignoriert.

Frei lebende Tiere, soweit es sie noch gibt, brauchen nicht individuelles Mitgefühl, sondern Artenschutz. Das ist wieder etwas anderes.
_________________
"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1651057) Verfasst am: 19.06.2011, 12:34    Titel: Antworten mit Zitat



muss(te) dieses Kind am Leben bleiben?

Kommt auf die Eltern an, wie?

So weit zum Thema Potentialitätsargument und niente bei Singer.

Zitat:
"Die Philosophie ist tot"

Der große Entwurf: Eine neue Erklärung des Universums

Von Stephen Hawking & Leonard Mlodinow


Stephen Hawking ist als genialer Astrophysiker und Buchautor weltweit bekannt. Seine allgemeinverständlichen Bücher „Eine kurze Geschichte der Zeit“ und „Das Universum in der Nussschale“ waren Bestseller. Falls die nach ihm benannte „Hawking-Strahlung“ von Schwarzen Löchern noch zu seinen Lebzeiten experimentell bestätigt werden sollte, würde er sicherlich sofort den Nobelpreis für Physik bekommen. Mit seinem neuen Buch, das er zusammen mit dem Physiker Leonard Mlodinow verfasst hat, geht er nun auf die zentralen Fragen unseres Weltbildes ein: Was ist Wirklichkeit, wie ist die Welt entstanden und was ist der Mensch?

Zum Realitätsbegriff zeigen die Autoren, dass alles, was wir über unsere Welt erfahren können, von unseren Sinnen abhängig ist und dass wir aus diesen Eindrücken in unseren Köpfen ein Modell der Welt, bzw. dessen was wir Realität nennen, erstellen. Außersinnliche bzw. spirituelle Erfahrungen sind Konstruktionen unseres Gehirns und haben mit der Außenwelt nicht viel zu tun. Unsere Vorstellungskraft ist an unsere Erfahrungen in der Alltagswelt gebunden. Diese Alltagswelt ist bezüglich Zeit, Raum und Größenordnung aber nur ein winziger Ausschnitt der Wirklichkeit. Die Erfahrungen, dass alles einen zeitlichen Anfang und ein Ende hat und dass alles eine Ursache hat, lassen sich aber nicht ohne weiteres auf den Anfang und das Ende unserer Welt anwenden. (...)

Der größte Feind der Religionen ist daher auch heute noch die naturwissenschaftliche Bildung. Im Gegensatz zur Meinung vieler Theologen lassen sich religiöser Hokuspokus und naturwissenschaftliche Erkenntnis eben nicht miteinander vereinbaren.


http://giordanobrunostiftung.files.wordpress.com/2011/05/stephen_hawking.jpg?w=250&h=359


Dieses Kind hatte das Potential, die Menschheit voran zu bringen, wie sich zeigte.

In dieser noch nicht ganz vom philosophischen Gestank der Antike und vor allem des Mittelalters befreiten Kultur ist das Thema Potential und Entfaltung des Menschen sowieso ein heikles Thema.

Entwicklung des Menschen und Entwicklung der Welt gehören zusammen. Vor allem aber ist die Welt für den Menschen da und nicht der Mensch für die Welt (und ihre Erwartungen) ...-
_________________
°
K.I.Z - Frieden

Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video

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step
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Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1651074) Verfasst am: 19.06.2011, 13:51    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
muss(te) dieses Kind am Leben bleiben?

Ach komm, Skeptiker, das ist doch billig. Soll ich jetzt zum Ausgleich ein Bild von einem Völkermörder drunterkleben oder was?

Es gab in Hawkings Kindheit keinerlei Anzeichen für eine schwere Krankheit. Als ALS auftrat, war Hawking eine voll ausgebildete Person und konnte für sich und seine Interessen sprechen.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Kommt auf die Eltern an, wie? So weit zum Thema Potentialitätsargument ...

Die Eltern haben sich auf ihren Sohn gefreut, der Vater wollte, daß er Mediziner wird. Sollte man Deiner Ansicht nach alles tun, um möglichst viele Menschen zu produzieren, die das "Potenzial haben, die Menscheit zu verändern?"

Stell Dir mal vor, Hawkings Mutter hätte abgetrieben ...

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Entwicklung des Menschen und Entwicklung der Welt gehören zusammen. Vor allem aber ist die Welt für den Menschen da und nicht der Mensch für die Welt (und ihre Erwartungen) ...-

Die Welt hat keine Erwartungen.
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Babyface
Altmeister



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Beiträge: 11519

Beitrag(#1651077) Verfasst am: 19.06.2011, 14:14    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was gibt uns ein Recht auf Leben? hat folgendes geschrieben:
Um ein Recht darauf zu haben, nicht getötet zu werden, bedarf es mehr als eines Interesses nicht gequält zu werden - es bedarf eines Interesses an seinem eigenen Überleben!

Im Zusammenhang mit dem, was Du oben gesagt hast, (dem ich zustimme), klingt das doch nun reichlich merkwürdig, findest Du nicht? So als ob es doch von Natur aus Rechte gäbe.

Es wird gleich zu Beginn des Artikels klargestellt, dass Rechte stets "eingeräumt" werden, also nicht von Natur aus einfach da sind.

Wenn Rechte stets eingeräumt werden und nicht von Natur aus einfach da sind, dann hat logischerweise ein Wesen X genau dann ein Recht auf Leben, wenn X ein Recht auf Leben eingeräumt wird. Es bedarf dann nicht zusätzlich eines Interesses am eigenen Überleben.

Und also ist dann der hier von mir zitierte Satz des Artikels schlicht falsch. Und nicht nur der, der ganze Artikel ist dann ziemlich merkwürdig.

Ich verstehe den Artikel in seiner Einleitung so, dass Rechte die Funktion haben, Interessen zu schützen. Deshalb ist es sinnvoll, die Einräumung von Rechten von existierenden Interessen abhängig zu machen. In diesem Kontext verstehe ich auch den von Dir zitierten Satz.
_________________
posted by Babyface
.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
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Beitrag(#1651105) Verfasst am: 19.06.2011, 16:14    Titel: Antworten mit Zitat

Auch in diesem Kontext, also aus der Annahme, dass Rechte von existierenden Interessen abhängig sind und diese schützen sollen, folgt der zitierte Satz schlicht nicht.

Damit er folgte, müsste die Prämisse so (oder so ähnlich) aussehen:

- die Rechte eines Individuums dürfen und sollen nur von seinen momentan existierenden Interessen abhängig sein

Aber diese Prämisse halte ich für wenig mehrheitsfähig.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1651106) Verfasst am: 19.06.2011, 16:29    Titel: Antworten mit Zitat

Femina hat folgendes geschrieben:
In den wissenslogs: http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/libertarian/allgemein/2011-06-09/peter-singer-immer-noch-persona-non-grata beantwortet der Singer-Schüler Edgar Dahl, der Autor des von dir oben zitierten: "Was gibt uns ein Recht auf Leben" deine Frage. Er schreibt in seinem Kommentar vom 14.6.11:

"Ja, Sie haben recht. Statt vom Recht auf Leben sollte man besser vom Interesse am Leben sprechen.

Nach Singer zieht ja das bloße Interesse am Leben ein Recht auf Leben nach sich. Dies ist mein Problem mit Singer. Er meint, Rechte aus Interessen "ableiten" zu können, während Rechte doch eindeutig zugesprochen werden."

Danke für den Link.

So wie ich das verstehe, ist aber eben das die zentrale Prämisse von Singers Ethik, auf der seine Ethik aufbaut, auf der sie gegründet ist. Wenn diese Prämisse nicht akzeptiert wird, dann bricht Singers Argumentation meiner Ansicht nach völlig in sich zusammen.
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step
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Beitrag(#1651123) Verfasst am: 19.06.2011, 18:29    Titel: Antworten mit Zitat

Edgar Dahl hat folgendes geschrieben:
Nach Singer zieht ja das bloße Interesse am Leben ein Recht auf Leben nach sich. Dies ist mein Problem mit Singer. Er meint, Rechte aus Interessen "ableiten" zu können, während Rechte doch eindeutig zugesprochen werden."

Wenn nun "Recht" als Kurzform für "die sinnvolle Zuweisung von Rechten" angesehen würde?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
So wie ich das verstehe, ist aber eben das die zentrale Prämisse von Singers Ethik, auf der seine Ethik aufbaut, auf der sie gegründet ist. Wenn diese Prämisse nicht akzeptiert wird, dann bricht Singers Argumentation meiner Ansicht nach völlig in sich zusammen.

Ich würde eher sagen, Singers Argumentation bricht zusammen, wenn man den utilitaristischen Grundansatz nicht teilt.
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Tarvoc
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Beitrag(#1651126) Verfasst am: 19.06.2011, 18:39    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
So ist es. Hältst Du die folgende Behauptung dennoch aufrecht?

Aber sicher. Wenn du nicht nur die Teile meiner Beiträge lesen würdest, die dir in den Kram passen, dann wüsstest du auch, wieso.

step hat folgendes geschrieben:
Es gab in Hawkings Kindheit keinerlei Anzeichen für eine schwere Krankheit. Als ALS auftrat, war Hawking eine voll ausgebildete Person und konnte für sich und seine Interessen sprechen.

Da hat er dann ja verdammtes Glück gehabt.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step
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Beitrag(#1651134) Verfasst am: 19.06.2011, 19:00    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Es gab in Hawkings Kindheit keinerlei Anzeichen für eine schwere Krankheit. Als ALS auftrat, war Hawking eine voll ausgebildete Person und konnte für sich und seine Interessen sprechen.
Da hat er dann ja verdammtes Glück gehabt.

Wieso jetzt das? Braucht ein Neugeborenes ohne Anzeichen für eine schwere Krankheit so verdammt viel Glück, um zu überleben? Und später hat Hawking auch eher eine Mischung aus Pech und Glück gehabt. Zum Beispiel hat er ALS bekommen.

Nehmen wir aber mal an, jemand hätte eine PID gemacht bei einem Embryo von Hawkings Eltern. Und dabei hätte man festgestellt, daß er mit hoher Wahrscheinlichkeit mit 20 ALS bekommt und mit 30 stirbt. Natürlich hätten die Eltern dann abwägen können, ob sie es gut finden, ein Kind mit dieser Lebensperspektive zu produzieren, oder stattdessen lieber ein anderes. Hätten sie sich trotzdem fürs Austragen entschieden, wäre das mE vertretbar. Hätten sie sich dagegen entschieden, wäre es ebenfalls vertretbar, denn keine Person kommt zu Schaden. Ob nun der eine oder der andere Embryo später Nobelpreisträger wird, wäre für die Eltern nicht vorhersagbar, also für ihre Entscheidungsfindung irrelevant.
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Babyface
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Beitrag(#1651139) Verfasst am: 19.06.2011, 19:33    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Auch in diesem Kontext, also aus der Annahme, dass Rechte von existierenden Interessen abhängig sind und diese schützen sollen, folgt der zitierte Satz schlicht nicht.

Damit er folgte, müsste die Prämisse so (oder so ähnlich) aussehen:

- die Rechte eines Individuums dürfen und sollen nur von seinen momentan existierenden Interessen abhängig sein

Aber diese Prämisse halte ich für wenig mehrheitsfähig.

Ich verstehe leider ehrlich nicht, was Dein Problem ist.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1651140) Verfasst am: 19.06.2011, 19:39    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Edgar Dahl hat folgendes geschrieben:
Nach Singer zieht ja das bloße Interesse am Leben ein Recht auf Leben nach sich. Dies ist mein Problem mit Singer. Er meint, Rechte aus Interessen "ableiten" zu können, während Rechte doch eindeutig zugesprochen werden."

Wenn nun "Recht" als Kurzform für "die sinnvolle Zuweisung von Rechten" angesehen würde?

Wird es aber nicht, es ist, (zumindest so, wie Dahl das dargestellt hat), die Kurzform hierfür: "die einzig sinnvolle Zuweisung eines individuellen Rechtes ergibt sich aus den momentanen Interessen desjenigen Individuums, dem das Recht zugesprochen werden soll".

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
So wie ich das verstehe, ist aber eben das die zentrale Prämisse von Singers Ethik, auf der seine Ethik aufbaut, auf der sie gegründet ist. Wenn diese Prämisse nicht akzeptiert wird, dann bricht Singers Argumentation meiner Ansicht nach völlig in sich zusammen.

Ich würde eher sagen, Singers Argumentation bricht zusammen, wenn man den utilitaristischen Grundansatz nicht teilt.

Dann natürlich auch, aber ich sehe nicht, was von Singers Ethik bleibt, wenn man diese Prämisse nicht anerkennt.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1651142) Verfasst am: 19.06.2011, 19:41    Titel: Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe leider ehrlich nicht, was Dein Problem ist.

Was gibt uns ein Recht auf Leben? hat folgendes geschrieben:
Um ein Recht darauf zu haben, nicht getötet zu werden, bedarf es mehr als eines Interesses nicht gequält zu werden - es bedarf eines Interesses an seinem eigenen Überleben!


Säuglinge haben zurzeit ein Recht auf Leben, nach dem zitierten Satz hätten sie es nicht, dürften es nicht haben oder wie auch immer.

Verstehe nicht, wieso Du das nicht verstehst.
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Babyface
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Beitrag(#1651147) Verfasst am: 19.06.2011, 20:13    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Babyface hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe leider ehrlich nicht, was Dein Problem ist.

Was gibt uns ein Recht auf Leben? hat folgendes geschrieben:
Um ein Recht darauf zu haben, nicht getötet zu werden, bedarf es mehr als eines Interesses nicht gequält zu werden - es bedarf eines Interesses an seinem eigenen Überleben!


Säuglinge haben zurzeit ein Recht auf Leben, nach dem zitierten Satz hätten sie es nicht, dürften es nicht haben oder wie auch immer.

Verstehe nicht, wieso Du das nicht verstehst.

Weil das offenbar Korinthenkackerei ist. Schulterzucken
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Femina
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Beitrag(#1651252) Verfasst am: 19.06.2011, 23:52    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Femina hat folgendes geschrieben:
In den wissenslogs: http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/libertarian/allgemein/2011-06-09/peter-singer-immer-noch-persona-non-grata beantwortet der Singer-Schüler Edgar Dahl, der Autor des von dir oben zitierten: "Was gibt uns ein Recht auf Leben" deine Frage. Er schreibt in seinem Kommentar vom 14.6.11:

"Ja, Sie haben recht. Statt vom Recht auf Leben sollte man besser vom Interesse am Leben sprechen.

Nach Singer zieht ja das bloße Interesse am Leben ein Recht auf Leben nach sich. Dies ist mein Problem mit Singer. Er meint, Rechte aus Interessen "ableiten" zu können, während Rechte doch eindeutig zugesprochen werden."

Danke für den Link.

So wie ich das verstehe, ist aber eben das die zentrale Prämisse von Singers Ethik, auf der seine Ethik aufbaut, auf der sie gegründet ist. Wenn diese Prämisse nicht akzeptiert wird, dann bricht Singers Argumentation meiner Ansicht nach völlig in sich zusammen.


Das wird wohl bei jeder Argumentation so sein, dass die zusammenbricht, wenn die Prämisse nicht akzeptiert wird.

Fragt sich nur, welche Prämisse sinnvoller ist. Ich halte die Prämisse "Lebensinteresse" für außerordentlich sinnvoll, kann mir aber vorstellen, auch andere Prämissen daneben zuzulassen. Ich glaube, diese Frage ist so vielschichtig, dass z.B. durchaus auch Marcellinus Gruppenprämisse und noch ein paar andere mit hineinspielen dürfen.

Welche Prämissen haltet ihr denn für sinnvoller als das Lebensinteresse?
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Femina
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Beitrag(#1651256) Verfasst am: 20.06.2011, 00:03    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Femina hat folgendes geschrieben:

Du machst also das Lebensrecht davon abhängig, dass man in eine Gruppe aufgenommen wurde und definierst den Zeitpunkt der Aufnahme in eine Gruppe - und zwar in unsere Gesellschaft, nicht nur in die Familie - mit der Geburt.

Man könnte doch aber auch sagen, bevor jemand in die Gruppe unserer Gesellschaft aufgenommen wird, muss er zunächst in die Gruppe der Familie aufgenommen werden. Wie begründest du die sofortige Aufnahme in die ganze Gesellschaft exakt mit dem Zeitpunkt der Geburt?

Und: In menschliche Gruppen sind nicht nur Menschen aufgenommen, sondern teils auch Tiere. - Womit wir wieder bei Singer wären. ...

Nein, ich stelle erst einmal nur fest, daß Menschen nie im Singular vorkommen, sondern immer nur in Gruppen leben konnten und können. Solche Gruppen waren früher Sippen oder Stämme, heute Gesellschaften oder Nationen. Und in eine solche Gruppe wird man irgendwann aufgenommen. Früher war das eigentlich immer die Geburt, oder mit höherem Alter die Adoption, die eigentlich nichts anderes ist, als eine Art soziale Geburt in einer neuen Gruppe. Wir neigen heute dazu, einen Zeitpunkt vor der Geburt anzunehmen, wohl auch, weil wir die technischen Möglichkeiten haben, ein solches Frühgeborenes durchzubringen. Die Diskussion um die Abtreibung zeigt aber auch, daß uns über diesen Zeitpunkt nicht einig sind. Es ist das Problem eines gleitenden Übergangs von einem Teil des Körpers der Mutter zu einem selbständigen Menschen.

Manche, wenn nicht alle frühen Stammesgesellschaften kannten eine Auslese von unheilbar kranken Säuglingen. Das bekannteste Beispiel sind die Spartaner. Aus dem Mittelalter wird berichtet, daß eine große Anzahl von Säuglingen "versehentlich im Schlaf erdrückt würden". Man mag sich seinen Teil denken. Immer aber gibt es einen Akt der Aufnahme in die Gemeinschaft, ab der ein Mensch, unabhängig von seinen konkreten Eigenschaften, Teil dieser Gemeinschaft ist.

Für Tiere gilt das nicht. Sie sind nicht Teil unserer Gemeinschaft, sondern leben in unserer Obhut, in unserem Haus. Das ist etwas anderes. Sie haben, wie jedes empfindungsfähige Lebewesen, Anrecht auf unser Mitgefühl, ein Recht darauf, daß man ihnen nicht ohne Grund Leid zufügt, aber das ist es auch. Singer macht den Fehler des Umkehrschlusses, daß nicht empfindungsfähige Wesen, Mensch oder Tier keine Rechte besäßen, und das ist Unfug, weil er den Gesellschaftcharakter der Menschen ignoriert.

Frei lebende Tiere, soweit es sie noch gibt, brauchen nicht individuelles Mitgefühl, sondern Artenschutz. Das ist wieder etwas anderes.


Deine Aussage über Tiere ist für ich nicht konsistent, Marcellinus. Auch Kinder leben doch erstmal in unserer Obhut. Und mancher Tierfreund lässt sogar seinen Hund mit in seinem Bett schlafen. Wenn das keine Gemeinschaft ist? Letztlich haben auch viele Tierarten einen Gemeinschaftscharakter.

Singer sagt auch nicht, dass nicht empfindungsfähige Menschen oder Tiere keine Rechte besäßen. Gibt es nicht empfindungsfähige Menschen oder Tiere? Singer spricht von Menschen und Tieren mit und ohne Selbstbewusstsein. Rechte (z.B. das Recht, nicht gequält zu werden) haben alle, nur eben ein Lebensrecht sollten nach Singers Ansicht nur die Wesen mit Lebensinteresse haben. Und das Lebensinteresse folgt aus dem Selbstbewusstsein.

Ignoriert Singer den Gesellschaftscharakter der Menschen? Er bemüht sich doch um das Begründen von Regeln für die Gesellschaft der Menschen. Ohne Gesellschaftscharakter bräuchten wir keine Regeln.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1651261) Verfasst am: 20.06.2011, 00:12    Titel: Antworten mit Zitat

Femina hat folgendes geschrieben:
Ich halte die Prämisse "Lebensinteresse" für außerordentlich sinnvoll, kann mir aber vorstellen, auch andere Prämissen daneben zuzulassen. Ich glaube, diese Frage ist so vielschichtig, dass z.B. durchaus auch Marcellinus Gruppenprämisse und noch ein paar andere mit hineinspielen dürfen.

Welche Prämissen haltet ihr denn für sinnvoller als das Lebensinteresse?

Aus utilitaristischer Sicht gibt es u.a. folgende indirekte Gründe für das Tötungsverbot, (auch an Säuglingen), d.h. Gründe für die allgemeine Zuweisung eines Rechtes auf Leben:

Utilitaristische Ethik und Tötungsverbot hat folgendes geschrieben:
- der Verlust, den Nahestehende, Abhängige und andere durch den Tod erleiden können
- die Angst und Unsicherheit, die eine Tötung bei Dritten bewirkt
- jede Ausnahme vom Tötungsverbot, die sich - für sich betrachtet - utilitaristisch rechtfertigen lässt, beinhaltet ein Risiko, als Freibrief für weitere, unberechtigte Ausnamen missverstanden zu werden
- die Auswirkungen von Tötungshandlungen auf das Selbstverständnis indirekt betroffener Individuen


"Aufwertung der Tiere = Abwertung behinderter Menschen"
Stimmt diese Gleichung?
hat folgendes geschrieben:
Dem Säugling allgemein kein Lebensrecht zuzusprechen, könnte extreme Auswirkungen auf die Eltern und die Gesellschaft nach sich ziehen:

· Die Einstellung der Eltern könnte sich auf eine Weise verändern, welche das Streben nach einem Wunschkind forciert. Im Extremfall würden nur noch perfekte Wunschkinder überleben.
· Das Adoptionsargument Singers könnte ebenfalls dieser neuen Einstellung zum Opfer fallen.
· Mit der Aufhebung des Tötungsverbots könnte ein Damm gebrochen werden. Die Kindstötung wäre nicht mehr ein schlimmes Verbrechen, sondern unter Umständen gerechtfertigt. Dies könnte letztlich dazu führen, dass auch Kleinkinder gefährdet würden, welche schon über ein Lebensinteresse verfügen.
· Es ist keineswegs sicher, dass die Gesellschaft zwischen einem Tötungsverbot und einem »Leidensverbot« exakt zu unterscheiden weiß. Der Umgang mit dem Tier deutet eher auf das Gegenteil hin. Somit wären auch die direkten Interessen des Säuglings nach Wohlbefinden, Wärme und Nahrung gefährdet.
· Ebenfalls sehr bedenklich ist bei der Freistellung des Infantizids die Einstellung zum erwachsenen behinderten Menschen. Ohne eine sichtbare Setzung des Lebensrechts, wie es die Geburt aufzeigt, fehlt der Gesellschaft eine solche Orientierung. Der Respekt vor dem behinderten Menschen könnte so noch mehr in Gefahr geraten.
· Umgekehrt wirkt die Aufhebung der Geburtslinie für den behinderten Menschen ebenfalls erheblich stärker. Die Reaktionen während der »Singer-Debatte« zeigen diese als real empfundene Bedrohung deutlich auf.

Es gibt also starke indirekte Gründe gegen den allgemeinen Infantizid. Wenn aber der Infantizid nicht allgemein erlaubt ist, muss allen Säuglingen ein Lebensrecht zugesprochen werden.
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