Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen |
Autor |
Nachricht |
Capreolus registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2011 Beiträge: 100
|
(#1676759) Verfasst am: 17.08.2011, 22:22 Titel: |
|
|
So, einen letzten noch:
zelig hat folgendes geschrieben: |
Allerdings hat der Begriff "Sexualisierung" in den verschiedenen von Dir genannten Kontexten unterschiedliche Bedeutungen. Einmal die Reduzierung des Individuums gegen dessen Willen, die andere Verwendung hat einen moralistischen Ton. Wobei ich die genannten Beispiele noch sehr unterschiedlich bewerte. |
Das ist eine Kurzdefinition, von Sexualisierung, die ich schon häufiger gehört hatte, sofern eine Reduzierung auf das sexuelle gemeint ist.
Bei dieser Form hätte ich eine Frage:
Gibt es nennenswerte Unterschiede zwischen zwei Situationen, bei denen
(a) der Mann in einer Frau nur eine Sexpartnerin sieht
(b) die Frau in einem Mann nur einen guten Freund sieht?
Zuletzt bearbeitet von Capreolus am 17.08.2011, 22:44, insgesamt einmal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
|
(#1676765) Verfasst am: 17.08.2011, 22:43 Titel: |
|
|
Capreolus hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Warum ist also das Interesse der Emanze, nicht angebaggert zu werden, gewichtiger als das Interesse des Mannes, sie anzubaggern? Weil der Mann, so vermuten wir, i.a. das weniger unangenehme Gefühl hat, wenn er auf das Anbaggern mal grad verzichten muß, als die Emanze, wenn sie gerade jetzt angebaggert wird. So leid es mir tut, hier kommt meines Erachtens das Gegenteil von Punkt (4.) ins Spiel: Der Mann hat andere Möglichkeiten, seinem Interesse nachzukommen, ohne das der Frau zu verletzen. Zum Beispiel indem er eine andere Frau anbaggert. |
Das ist jetzt aber nicht mehr Objektivierung, sondern Utilitarismus. |
Weiß zwar nicht, ob das Ultilitarismus ist, aber ich halte diese Begründung für falsch.
Meiner Ansicht nach ist das so: das Interesse / das moralische Recht an (sexueller und sonstiger) Autonomie wird gemeinhin höher gewichtet als das Interesse / moralische Recht daran, dass jemand anderes eine bestimmte Beziehung mit einem eingeht. Und dann ist es egal, wie groß jeweils die unangenehmen Gefühle sind; es sind Fälle vorstellbar, in denen das unangenehme Gefühl des Zurückgewiesenen bei Nicht-Zustandekommen einer bestimmten Beziehung stärker ist als das unangenehme Gefühl des anderen, falls der sich gegen seinen Willen auf diese Beziehung einlassen würde. Dennoch aber - meine ich - würde man dann keine moralische Pflicht hier annehmen, diese Beziehung müsse wegen geringerer unangenehmer Gefühle dabei eingegangen werden.
|
|
Nach oben |
|
 |
AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
|
(#1676777) Verfasst am: 17.08.2011, 23:00 Titel: |
|
|
Capreolus hat folgendes geschrieben: | Bei dieser Form hätte ich eine Frage:
Gibt es nennenswerte Unterschiede zwischen zwei Situationen, bei denen
(a) der Mann in einer Frau nur eine Sexpartnerin sieht
(b) die Frau in einem Mann nur einen guten Freund sieht? |
Kann jetzt natürlich nicht für zelig antworten, sondern nur aus meiner Sicht:
Erst mal sehe ich nicht so recht, wieso hier die Geschlechter eine Rolle spielen sollen. Ich würde die Fragen also allgemeiner auffassen:
a) jemand sieht in seinem Partner / seiner Partnerin nur einen Sexpartner
b) jemand sieht in einem anderen 'nur' einen guten Freund, d.h: hat kein sexuelles Interesse an ihm, bzw. hat kein Interesse an einer exklusiveren Beziehung
Du fragst, ob es dabei nennenswerte Unterschiede gibt. Ist mir noch nicht ganz klar, worauf Du hinauswillst.
Es gibt hier meiner Ansicht nach keinen moralischen Unterschied. a) ist moralisch mE ebenso unbedenklich wie b) - wenn das (im Falle von a) beide gleich sehen, bzw., sofern das beide ungleich sehen: wenn das klar ist / kommuniziert wurde.
Hat jemand hier eine Verpflichtung dazu, seine Einstellung zur Beziehung zu ändern? Nein, mE in beiden Fällen nicht, wenn die Vorausetzung 'Ehrlichkeit, Karten auf den Tisch legen' erfüllt ist.
Na gut, könnte in bestimmten Fällen noch komplizierter sein als das, und zwar dann, wenn ein offensichtliches Machtgefälle besteht, dann könnte aus meiner Sicht hier eine besondere Verantwortung bestehen.
Ist damit Deine Frage hinreichend beantwortet oder wolltest Du auf was ganz anderes hinaus?
|
|
Nach oben |
|
 |
satsche registrierter User
Anmeldungsdatum: 30.07.2006 Beiträge: 2091
Wohnort: Südhessen
|
(#1676801) Verfasst am: 18.08.2011, 00:35 Titel: |
|
|
Da ja hier auch schon Kant und die Beziehung in einer Ehe angesprochen wurden, gebe ich hier einmal wieder welche Aspekte der Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten Gottfried Benn, auch mit seinen berufsbezogenen Einblicken, in den Vordergrund stellte. Nach Benn spielen in einer Ehe Wirtschaftsfragen im weitesten Sinne die Hauptrolle.
Wie sehr Gewalt und die ökonomischen Verhältnisse tragende Rollen spielen, wurde deutlich im Fall der Schriftstellerin Simona Monyová, ihrem vom Ehemann letzte Woche verursachten Tod.
Boris Ingr, ihr zweiter Mann, war nicht nur Vater eines gemeinsamen siebenjährigen Sohnes und ihr alleiniger Verleger - offenbar war er auch ihr Peiniger. Er, der selbst als Manager, Werbemann und Verleger die Geschäfte fest in der Hand hielt, hatte sie seit dem Beginn der Beziehung vor elf Jahren ständig geschlagen und psychisch gedemütigt, später auch oft vergewaltigt.
Nach außen wurde eine stabile, glückliche Beziehung vorgegaukelt. Dem Vernehmen nach wollte sich Monyová endlich von ihm scheiden lassen, was dem Ehemann auch die einträgliche Geschäftsgrundlage entzogen hätte.
Ihr eigenes Memento wird die tschechische Öffentlichkeit noch eine Weile beschäftigen. Zum Motto des Romans "Die Ketten zerreißen" wählte Simona Monyová ein Zitat von Hippolyte Taine: "Ehe - das bedeutet drei Wochen Kennenlernen, drei Monate Liebe, drei Jahre Hass und dreißig Jahre Ertragen." So viel Zeit war ihr nicht vergönnt.
Quelle: FAZ vom Montag
_________________ Keiner hat das Recht zu gehorchen. Hannah A.
Das, was lebt, ist etwas anderes als das, was denkt. G. Benn
|
|
Nach oben |
|
 |
AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
|
(#1676806) Verfasst am: 18.08.2011, 00:52 Titel: |
|
|
Gottfried Benn kenne ich als Dichter, nicht als Arzt.
Hier ein Gedicht von ihm, das ich aus Gründen, die ich nicht benennen kann, weil ich sie nicht kenne, sowohl abstoßend als auch faszinierend finde:
Gottfried Benn - Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke hat folgendes geschrieben: | Mann und Frau gehn durch die Krebsbaracke
Der Mann:
Hier diese Reihe sind zerfallene Schöße
und diese Reihe ist zerfallene Brust.
Bett stinkt bei Bett. Die Schwestern wechseln stündlich.
Komm, hebe ruhig diese Decke auf.
Sieh, dieser Klumpen Fett und faule Säfte,
das war einst irgendeinem Mann groß
und hieß auch Rausch und Heimat.
Komm, sieh auf diese Narbe an der Brust.
Fühlst du den Rosenkranz von weichen Knoten?
Fühl ruhig hin. Das Fleisch ist weich und schmerzt nicht.
Hier diese blutet wie aus dreißig Leibern.
Kein Mensch hat soviel Blut.
Hier dieser schnitt man
erst noch ein Kind aus dem verkrebsten Schoß.
Man läßt sie schlafen. Tag und Nacht. - Den Neuen
sagt man: hier schläft man sich gesund. - Nur sonntags
für den Besuch läßt man sie etwas wacher.
Nahrung wird wenig noch verzehrt. Die Rücken
sind wund. Du siehst die Fliegen. Manchmal
wäscht sie die Schwester. Wie man Bänke wäscht.
Hier schwillt der Acker schon um jedes Bett.
Fleisch ebnet sich zu Land. Glut gibt sich fort,
Saft schickt sich an zu rinnen. Erde ruft. |
|
|
Nach oben |
|
 |
satsche registrierter User
Anmeldungsdatum: 30.07.2006 Beiträge: 2091
Wohnort: Südhessen
|
(#1676808) Verfasst am: 18.08.2011, 01:11 Titel: |
|
|
[quote="AgentProvocateur" postid=1676806] Gottfried Benn kenne ich als Dichter, nicht als Arzt.
Mit dem Gedicht hast du doch den Arzt kennengelernt; in diesem „Tenor“ reflektiert Benn seine Zeit in der Pathologie und veröffentlichte eine ganze Serie unter dem Titel „Morgue“
Kleine Aster
Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
Irgendeiner hatte ihm eine dunkelhelllila Aster
zwischen die Zähne geklemmt
Als ich von der Brust aus
unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muss ich sie angestoßen haben, denn sie glitt
in das nebenliegende Gehirn.
Ich packte sie ihm in die Brusthöhle
zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!
Schöne Jugend
Der Mund eines Mädchens, das lange im Schilf gelegen hatte,
sah so angeknabbert aus.
Als man die Brust aufbrach, war die Speiseröhre so löcherig.
Schließlich in einer Laube unter dem Zwerchfell
fand man ein Nest von jungen Ratten.
Ein kleines Schwesterchen lag tot.
Die anderen lebten von Leber und Niere,
tranken das kalte Blut und hatten
hier eine schöne Jugend verlebt.
Und schön und schnell kam auch ihr Tod:
Man warf sie allesamt ins Wasser.
Ach, wie die kleinen Schnauzen quietschten!
_________________ Keiner hat das Recht zu gehorchen. Hannah A.
Das, was lebt, ist etwas anderes als das, was denkt. G. Benn
|
|
Nach oben |
|
 |
Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
|
(#1676822) Verfasst am: 18.08.2011, 08:19 Titel: |
|
|
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
a) jemand sieht in seinem Partner / seiner Partnerin nur einen Sexpartner
b) jemand sieht in einem anderen 'nur' einen guten Freund, d.h: hat kein sexuelles Interesse an ihm, bzw. hat kein Interesse an einer exklusiveren Beziehung |
In der Tat kann man das unabhängig vom Geschlecht sehen.
Wesentlich ist hier aber das Wort "Partner" in Sexpartner. Ein Partner oder eine Partnerin ist ein Mensch mit gleichberechtigten Interessen.
Das Problem mit sexueller Objektivierung ist dann aber die Objektivierung, und das wäre dann nicht mehr der Sexpartner/die Sexpartnerin, sondern das Sexobjekt.
Und da sehe ich schon ein Problem, wenn jemand in einer anderen Person nur ein Objekt sieht, dass dazu dienst die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.
_________________ Endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden,.......
.....die, die Unheil und Armut und Krankheit verbreiten,
für sie herrschen sorglose Zeiten,
da kein bisschen Sprengstoff sie daran hindert, ihre Geschafte zu betreiben...
....endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden.
(Jan Delay)
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1676858) Verfasst am: 18.08.2011, 11:05 Titel: |
|
|
Shevek hat folgendes geschrieben: | Wesentlich ist hier aber das Wort "Partner" in Sexpartner. Ein Partner oder eine Partnerin ist ein Mensch mit gleichberechtigten Interessen. |
Genau. Partner sind welche, die kooperieren, um ihre jeweiligen individuellen Interessen besser bedienen zu können.
Shevek hat folgendes geschrieben: | ... Und da sehe ich schon ein Problem, wenn jemand in einer anderen Person nur ein Objekt sieht, dass dazu dienst die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. |
Ja, und dabei ist das Wesentliche an "nur ein Objekt", daß ein Nur-Objekt keine Interessen hat.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1676860) Verfasst am: 18.08.2011, 11:19 Titel: |
|
|
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Warum ist also das Interesse der Emanze, nicht angebaggert zu werden, gewichtiger als das Interesse des Mannes, sie anzubaggern? Weil der Mann, so vermuten wir, i.a. das weniger unangenehme Gefühl hat, wenn er auf das Anbaggern mal grad verzichten muß, als die Emanze, wenn sie gerade jetzt angebaggert wird. So leid es mir tut, hier kommt meines Erachtens das Gegenteil von Punkt (4.) ins Spiel: Der Mann hat andere Möglichkeiten, seinem Interesse nachzukommen, ohne das der Frau zu verletzen. Zum Beispiel indem er eine andere Frau anbaggert. | ... ich halte diese Begründung für falsch.
Meiner Ansicht nach ist das so: das Interesse / das moralische Recht an (sexueller und sonstiger) Autonomie wird gemeinhin höher gewichtet als das Interesse / moralische Recht daran, dass jemand anderes eine bestimmte Beziehung mit einem eingeht. |
Da stimme ich zu, aber warum ist das so? Meines Erachtens eben weil man es für zumutbarer, für eine weniger große Interessensverletzung hält.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Und dann ist es egal, wie groß jeweils die unangenehmen Gefühle sind; es sind Fälle vorstellbar, in denen das unangenehme Gefühl des Zurückgewiesenen bei Nicht-Zustandekommen einer bestimmten Beziehung stärker ist als das unangenehme Gefühl des anderen, falls der sich gegen seinen Willen auf diese Beziehung einlassen würde. |
Die Beispiele, die mir dazu einfallen, deuten wir allerdings tendenziell als tragische oder gar pathologische Ausnahme. Etwa eine starke, aber unerwiderte Liebe. Extremen Narzissmus. Usw.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dennoch aber - meine ich - würde man dann keine moralische Pflicht hier annehmen, diese Beziehung müsse wegen geringerer unangenehmer Gefühle dabei eingegangen werden. |
Sehe ich ebenso. Man würde in diesem Fall mE typischerweise jemand als gestört ansehen, der seine Lustgefühle nicht mit Rücksichstgefühlen kompensieren kann.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
Capreolus registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2011 Beiträge: 100
|
(#1676863) Verfasst am: 18.08.2011, 11:47 Titel: |
|
|
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Capreolus hat folgendes geschrieben: | Bei dieser Form hätte ich eine Frage:
Gibt es nennenswerte Unterschiede zwischen zwei Situationen, bei denen
(a) der Mann in einer Frau nur eine Sexpartnerin sieht
(b) die Frau in einem Mann nur einen guten Freund sieht? |
Kann jetzt natürlich nicht für zelig antworten, sondern nur aus meiner Sicht:
Erst mal sehe ich nicht so recht, wieso hier die Geschlechter eine Rolle spielen sollen. Ich würde die Fragen also allgemeiner auffassen:
a) jemand sieht in seinem Partner / seiner Partnerin nur einen Sexpartner
b) jemand sieht in einem anderen 'nur' einen guten Freund, d.h: hat kein sexuelles Interesse an ihm, bzw. hat kein Interesse an einer exklusiveren Beziehung
Du fragst, ob es dabei nennenswerte Unterschiede gibt. Ist mir noch nicht ganz klar, worauf Du hinauswillst.
Es gibt hier meiner Ansicht nach keinen moralischen Unterschied. a) ist moralisch mE ebenso unbedenklich wie b) - wenn das (im Falle von a) beide gleich sehen, bzw., sofern das beide ungleich sehen: wenn das klar ist / kommuniziert wurde.
Hat jemand hier eine Verpflichtung dazu, seine Einstellung zur Beziehung zu ändern? Nein, mE in beiden Fällen nicht, wenn die Vorausetzung 'Ehrlichkeit, Karten auf den Tisch legen' erfüllt ist.
Na gut, könnte in bestimmten Fällen noch komplizierter sein als das, und zwar dann, wenn ein offensichtliches Machtgefälle besteht, dann könnte aus meiner Sicht hier eine besondere Verantwortung bestehen.
Ist damit Deine Frage hinreichend beantwortet oder wolltest Du auf was ganz anderes hinaus? |
Das Geschlecht spielt für meine Frage nicht zwingend eine Rolle. Allerdings habe ich das gefragt, weil ich das in ähnlicher Form schon einige Male gehört hatte. Und da es dabei immer um eine Frau ging, habe ich die Konstellation beibehalten.
Und, damit das nicht als Strohmann verstanden wird: das Argument wurde in keinem der Fälle von einer Feministin vorgebracht, sondern immer von Männern bzw. Jungs.
Eine Beispielsituation zur Verdeutlichung: Da im Religionsunterricht* ja alles diskutiert werden kann, ging es in einer Stunde um Werbung. Sex sells wurde angesprochen und darauf folgte die Meldung von männlichen Schülern, das sei nicht ganz in Ordnung, weil da nur das Äußere der Frau eine Rolle spiele. Nicht angesprochen wurde natürlich, dass diese Jungs sich nach der Schule regelmäßig Pornos anschauen und von mir damals auch nicht als besondere Vorbilder in Sachen Beziehungen betrachtet wurden.
Ich hatte nach dieser Formulierung gefragt, weil ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen einen schlechten Eindruck davon bekommen habe. Ich habe die Vermutung, dass sie auch gar nicht auf einem strukturierten Konzept wie dem von Nussbaum beruht, sondern eher auf einer puritanischen Einstellung der Sexualität gegenüber, welche vor allem aus persönlicher Verunsicherung resultiert.
Oder um mal Ilmors Pick-Up-Vokabular zu nutzen: ein typischer Beta-Spruch.
Allerdings hatte zelig die Formulierung ja zumindest erwähnt, außerdem meine ich dass Kival sowas zumindest angehängt werden sollte. Ich hatte daher die Vermutung, dass jemand etwas mehr dazu schreiben könnte als damals im Reliunterricht dabei rumgekommen ist.
---
*Reliunterricht: Falls das jemand interessiert ... inzwischen bin ich 22 und gehe zur Uni. Spielt das Alter bei solchen Diskussionen vielleicht auch eine Rolle?
|
|
Nach oben |
|
 |
Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
|
(#1676875) Verfasst am: 18.08.2011, 12:22 Titel: |
|
|
@ Step:
Es geht darum was in der anderen Person gesehen wird (und wie sie folglich behandelt wird).
Ein Objekt hat keine Interessen, und ein Objekt als Objekt zu sehen ist damit völlig ok.
Aber ein Mensch hat ein Interessen, und wenn ein Mensch als Objekt gesehen wird, werden ihm die Interessen entweder nicht zugestanden, oder sie werden einfach ignoriert.
Einem Partner/einer Partnerin hingegen gesteht man Interessen zu, sie werden als legitim wahrgenommen und als solche behandelt.
@ Capreolus:
Ehrlich gesagt ist mir nicht klar worum es dir geht.
Wovon hast du einen schlechten Eindruck bekommen?
Meinst du feministische Kritik an Sexualisierung?
_________________ Endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden,.......
.....die, die Unheil und Armut und Krankheit verbreiten,
für sie herrschen sorglose Zeiten,
da kein bisschen Sprengstoff sie daran hindert, ihre Geschafte zu betreiben...
....endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden.
(Jan Delay)
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1676894) Verfasst am: 18.08.2011, 13:11 Titel: |
|
|
Shevek hat folgendes geschrieben: | Aber ein Mensch hat ein Interessen, und wenn ein Mensch als Objekt gesehen wird, werden ihm die Interessen entweder nicht zugestanden, oder sie werden einfach ignoriert. |
Wenn ein Mensch nur als Objekt gesehen wird. Wir sind weitest davon entfernt, Menschen nur als Subjekte zu sehen, ich denke auch, das ist unmöglich.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
|
(#1676897) Verfasst am: 18.08.2011, 13:15 Titel: |
|
|
step hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Aber ein Mensch hat ein Interessen, und wenn ein Mensch als Objekt gesehen wird, werden ihm die Interessen entweder nicht zugestanden, oder sie werden einfach ignoriert. |
Wenn ein Mensch nur als Objekt gesehen wird. Wir sind weitest davon entfernt, Menschen nur als Subjekte zu sehen, ich denke auch, das ist unmöglich. |
Ok, nur als Objekt, das ändert aber nichts an meiner Aussage.
_________________ Endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden,.......
.....die, die Unheil und Armut und Krankheit verbreiten,
für sie herrschen sorglose Zeiten,
da kein bisschen Sprengstoff sie daran hindert, ihre Geschafte zu betreiben...
....endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden.
(Jan Delay)
|
|
Nach oben |
|
 |
Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
|
(#1676904) Verfasst am: 18.08.2011, 13:29 Titel: |
|
|
step hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Aber ein Mensch hat ein Interessen, und wenn ein Mensch als Objekt gesehen wird, werden ihm die Interessen entweder nicht zugestanden, oder sie werden einfach ignoriert. |
Wenn ein Mensch nur als Objekt gesehen wird. Wir sind weitest davon entfernt, Menschen nur als Subjekte zu sehen, ich denke auch, das ist unmöglich. |
Meinst du damit, dass eine Objektivierung unausweichlich ist, und wir die Art der Objektivierung differenzieren müssen?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
|
|
Nach oben |
|
 |
Capreolus registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.08.2011 Beiträge: 100
|
(#1676908) Verfasst am: 18.08.2011, 13:37 Titel: |
|
|
Shevek hat folgendes geschrieben: |
@ Capreolus:
Ehrlich gesagt ist mir nicht klar worum es dir geht.
Wovon hast du einen schlechten Eindruck bekommen?
Meinst du feministische Kritik an Sexualisierung? |
Ich nehme an, du meinst den Post, in dem ich eine Formulierung von zelig zitiere.
Ich habe einen schlechten Eindruck von einer ganz bestimmten Art, Sexualisierung zu definieren, nämlich diese: Sexualisierung bedeutet, eine Person auf ihre Sexualität zu reduzieren.
Der schlechte Eindruck kommt daher, dass mir der so formulierte Sachverhalt - ausschließlich von Jungs - als problematisch beschrieben wurde, wobei die Argumentation rein auf moralischer Ebene erfolgte. Beispiel dafür war die Diskussion um sexualisierende Werbung im Religionsunterricht.
Ich könnte mir vorstellen, dass eine Feministin einige Gründe vorbringen könnte, warum z.B. Werbung mit viel nackter Haut keine gute Sache ist. Beispielsweise um Kinder zu schützen, ähnlich wie es bei der Alterbeschränkung von Pornos der Fall ist. Aber zu einer solchen Argumentation bin ich im real life noch nie gekommen.
Anders beschrieben: Manche Menschen zeigen eine gewisse Herablassung körperlichen Dingen gegenüber. Das ist wirklich nicht auf Katholiken beschränkt, sondern lässt sich auch an meiner technischen Hochschule beobachten, wenn z.B. eher nerdige Personen über Sportstudenten sprechen. Wenn solche Personen, die sonst wenig mit dem Feminismus zu tun haben (Pornos, Hinterherschauen, sexistische Witze über Frauen und Technik) dann auf diese Weise argumentieren, dann habe ich den Eindruck, dass sich eine vielleicht ursprünglich feministische Argumentation aus anderer, persönlicher Motivation ausgeborgt wird.
|
|
Nach oben |
|
 |
Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
|
(#1676938) Verfasst am: 18.08.2011, 16:10 Titel: |
|
|
Capreolus hat folgendes geschrieben: |
Ich habe einen schlechten Eindruck von einer ganz bestimmten Art, Sexualisierung zu definieren, nämlich diese: Sexualisierung bedeutet, eine Person auf ihre Sexualität zu reduzieren.
Der schlechte Eindruck kommt daher, dass mir der so formulierte Sachverhalt - ausschließlich von Jungs - als problematisch beschrieben wurde, wobei die Argumentation rein auf moralischer Ebene erfolgte. Beispiel dafür war die Diskussion um sexualisierende Werbung im Religionsunterricht. |
Dann wäre es wohl besser, wenn du dich mal mit Frauen die sich mit dem Thema auseinander gesetzt hast über den Begriff unterhältst.
Ich weiß allerdings nicht so richtig wo das Problem ist;
Es ist blöd, wenn man seine Sexualität reduziert wird. Es mag Situationen geben, in denen das geil ist, aber im allgemein stört es und behindert einen, wenn z.B. eine Frau etwas zu einer Diskussion beiträgt, und einziges Thema für ihre Gegenüber ihre Brüste sind und die Frage ob es möglich ist mit ihr Sex zu haben.
Ist das Problem nun klarer geworden?
_________________ Endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden,.......
.....die, die Unheil und Armut und Krankheit verbreiten,
für sie herrschen sorglose Zeiten,
da kein bisschen Sprengstoff sie daran hindert, ihre Geschafte zu betreiben...
....endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden.
(Jan Delay)
|
|
Nach oben |
|
 |
moecks registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.03.2009 Beiträge: 4560
|
(#1676945) Verfasst am: 18.08.2011, 16:28 Titel: |
|
|
Shevek hat folgendes geschrieben: | Ich weiß allerdings nicht so richtig wo das Problem ist;
Es ist blöd, wenn man seine Sexualität reduziert wird. Es mag Situationen geben, in denen das geil ist, aber im allgemein stört es und behindert einen, wenn z.B. eine Frau etwas zu einer Diskussion beiträgt, und einziges Thema für ihre Gegenüber ihre Brüste sind und die Frage ob es möglich ist mit ihr Sex zu haben.
Ist das Problem nun klarer geworden? |
Was ist wenn ich sie respektiere als Subjekt, aber trotzdem ihre Brüste scharf finde und ich mich frage ob Sex mit ihr möglich ist?
|
|
Nach oben |
|
 |
Shevek ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten
Anmeldungsdatum: 23.01.2006 Beiträge: 4289
|
(#1676957) Verfasst am: 18.08.2011, 16:45 Titel: |
|
|
moecks hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Ich weiß allerdings nicht so richtig wo das Problem ist;
Es ist blöd, wenn man seine Sexualität reduziert wird. Es mag Situationen geben, in denen das geil ist, aber im allgemein stört es und behindert einen, wenn z.B. eine Frau etwas zu einer Diskussion beiträgt, und einziges Thema für ihre Gegenüber ihre Brüste sind und die Frage ob es möglich ist mit ihr Sex zu haben.
Ist das Problem nun klarer geworden? |
Was ist wenn ich sie respektiere als Subjekt, aber trotzdem ihre Brüste scharf finde und ich mich frage ob Sex mit ihr möglich ist? |
Dann reduzierst sie nicht auf ihre Sexualität.
(Ich gehe mal davon aus, dass als Subjekt respektieren einschließt, dass du ihre Meinung respektierst und auf ihre Worte hörst und eingehst - solange ihr nicht in einem Metakonsens ausdrücklich etwas andere vereinbart habt:)
_________________ Endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden,.......
.....die, die Unheil und Armut und Krankheit verbreiten,
für sie herrschen sorglose Zeiten,
da kein bisschen Sprengstoff sie daran hindert, ihre Geschafte zu betreiben...
....endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden.
(Jan Delay)
|
|
Nach oben |
|
 |
moecks registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.03.2009 Beiträge: 4560
|
(#1676961) Verfasst am: 18.08.2011, 16:50 Titel: |
|
|
Shevek hat folgendes geschrieben: | moecks hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Ich weiß allerdings nicht so richtig wo das Problem ist;
Es ist blöd, wenn man seine Sexualität reduziert wird. Es mag Situationen geben, in denen das geil ist, aber im allgemein stört es und behindert einen, wenn z.B. eine Frau etwas zu einer Diskussion beiträgt, und einziges Thema für ihre Gegenüber ihre Brüste sind und die Frage ob es möglich ist mit ihr Sex zu haben.
Ist das Problem nun klarer geworden? |
Was ist wenn ich sie respektiere als Subjekt, aber trotzdem ihre Brüste scharf finde und ich mich frage ob Sex mit ihr möglich ist? |
Dann reduzierst sie nicht auf ihre Sexualität.
(Ich gehe mal davon aus, dass als Subjekt respektieren einschließt, dass du ihre Meinung respektierst und auf ihre Worte hörst und eingehst - solange ihr nicht in einem Metakonsens ausdrücklich etwas andere vereinbart habt:) |
Ja natürlich, was denkst du denn von mir.
Noch ein anderes Beispiel.
Ich gehe durch die Innenstadt und sehe eine Frau mit schönem Po und denke mir "Man hat die nen tollen Hintern".
Wie sieht es nun aus?
|
|
Nach oben |
|
 |
Ilmor auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 13.12.2008 Beiträge: 7151
|
(#1676994) Verfasst am: 18.08.2011, 18:16 Titel: |
|
|
moecks hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Ich weiß allerdings nicht so richtig wo das Problem ist;
Es ist blöd, wenn man seine Sexualität reduziert wird. Es mag Situationen geben, in denen das geil ist, aber im allgemein stört es und behindert einen, wenn z.B. eine Frau etwas zu einer Diskussion beiträgt, und einziges Thema für ihre Gegenüber ihre Brüste sind und die Frage ob es möglich ist mit ihr Sex zu haben.
Ist das Problem nun klarer geworden? |
Was ist wenn ich sie respektiere als Subjekt, aber trotzdem ihre Brüste scharf finde und ich mich frage ob Sex mit ihr möglich ist? |
"Ein interessanter Punkt, aber mal ein anderes Thema, du hast voll die dicken Hupen! Lass uns ficken!"
|
|
Nach oben |
|
 |
Bravopunk Sugoi Dekai :D
Anmeldungsdatum: 08.03.2008 Beiträge: 32545
Wohnort: Woanders
|
(#1676998) Verfasst am: 18.08.2011, 18:22 Titel: |
|
|
Ilmor hat folgendes geschrieben: | moecks hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Ich weiß allerdings nicht so richtig wo das Problem ist;
Es ist blöd, wenn man seine Sexualität reduziert wird. Es mag Situationen geben, in denen das geil ist, aber im allgemein stört es und behindert einen, wenn z.B. eine Frau etwas zu einer Diskussion beiträgt, und einziges Thema für ihre Gegenüber ihre Brüste sind und die Frage ob es möglich ist mit ihr Sex zu haben.
Ist das Problem nun klarer geworden? |
Was ist wenn ich sie respektiere als Subjekt, aber trotzdem ihre Brüste scharf finde und ich mich frage ob Sex mit ihr möglich ist? |
"Ein interessanter Punkt, aber mal ein anderes Thema, du hast voll die dicken Hupen! Lass uns ficken!" |
Dabei fällt mir gerade ein, bei meinen Eltern klebt seit 1999 ein Aufkleber hiervon an meiner Zimmertür. Und ich hab das Stück noch nie gehört!!! Mal nachholen.
_________________ Das Begräbnis der Freiheit
Kaguya-hime
Kanashikute Yarikirenai
Ceterum censeo Russiam delendam esse!
|
|
Nach oben |
|
 |
L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
|
(#1677010) Verfasst am: 18.08.2011, 18:32 Titel: |
|
|
Bravopunk hat folgendes geschrieben: |
Dabei fällt mir gerade ein, bei meinen Eltern klebt seit 1999 ein Aufkleber hiervon an meiner Zimmertür. Und ich hab das Stück noch nie gehört!!! Mal nachholen. |
'i've noticed you around...'
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
|
|
Nach oben |
|
 |
Bravopunk Sugoi Dekai :D
Anmeldungsdatum: 08.03.2008 Beiträge: 32545
Wohnort: Woanders
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1677020) Verfasst am: 18.08.2011, 18:42 Titel: |
|
|
Shevek hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Shevek hat folgendes geschrieben: | Aber ein Mensch hat ein Interessen, und wenn ein Mensch als Objekt gesehen wird, werden ihm die Interessen entweder nicht zugestanden, oder sie werden einfach ignoriert. | Wenn ein Mensch nur als Objekt gesehen wird. Wir sind weitest davon entfernt, Menschen nur als Subjekte zu sehen, ich denke auch, das ist unmöglich. | Ok, nur als Objekt, das ändert aber nichts an meiner Aussage. |
Doch: So kann ich sie unterschreiben, und sie widerspricht meiner Aussage weiter oben nicht.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1677022) Verfasst am: 18.08.2011, 18:47 Titel: |
|
|
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wir sind weitest davon entfernt, Menschen nur als Subjekte zu sehen, ich denke auch, das ist unmöglich. | Meinst du damit, dass eine Objektivierung unausweichlich ist, und wir die Art der Objektivierung differenzieren müssen? |
Ja genau.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
|
|
Nach oben |
|
 |
AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
|
(#1677041) Verfasst am: 18.08.2011, 19:46 Titel: |
|
|
Betrachten wir nochmal die Kriterien dafür, wann jemand objektifiziert wird:
Zitat: | 1. Instrumentalisierung: die Behandlung einer Person als Werkzeug für die Absichten des Objektifizieres
2. Leugnung von Autonomie: die Behandlung einer Person als ob ihr Autonomie und Selbstbestimmung fehlen würden
3. Trägheit: die Behandlung einer Person so als ob es ihr an Handlungsfähigkeit und vielleicht auch an Aktivität fehlte
4. Austauschbarkeit: die Behandlung einer Person so als ob sie autauschbar mit anderen Objekten wäre
5. Verletzlichkeit: die Behandlung einer Person so als ob ihr verletzbare Grenzen fehlten
6. Besitz: die Behandlung einer Person als etwas, das von jemand anderen besessen werden kann (kann ge- oder verkauft werden)
7. Leugnung von Subjektivität: die Behandlung einer Person als etwas, dessen Erfahrungen und Gefühle nicht berücksichtigt werden brauchen |
Und das Kriterium dafür, wann Objektifizierung negativ ist:
Zitat: | Objektifizierung ist negativ, wenn sie in einem Kontext erfolgt, in dem Gleichheit, Achtung und Einwilligung fehlt. |
Betrachten wir nun mal ein paar Beispiele für (mE moralisch unbedenkliche) Objektifizierungen:
- jemand geht zum Arzt, hat Schmerzen im Knie, der Arzt betrachtet das Knie und verschreibt ein Medikament
- jemand ist Nachrichtensprecher im Rundfunk und wird von denjenigen Hörern, die ihn sonst nicht kennen, ausschließlich in dieser Funktion wahrgenommen
- ich bestelle einen Klempner und es ist mir egal, wer da letztlich auftaucht, Hauptsache nur, er repariert meinen kaputten Ausguss
- ich bitte meinen Sexpartner, mich ans Bett zu fesseln und mich sexuell zu benutzen, um seine Lust zu befriedigen
Warum sind diese Beispiele meiner Ansicht nacht moralisch unbedenklich? Weil ich meine, dass hier jeweils die Autonomie des Objektifizierten nicht gegen seinen Willen eingeschränkt wurde.
Auch diese Fälle von Objektifizierung sind meiner Ansicht nach moralisch akzeptabel:
- ein durch einen Verkehrsunfall Bewusstloser, von dem man keine Patientenverfügung hat und auf die Schnelle keine Verwandten kontaktieren kann, die den mutmaßlichen Willen des Bewusstlosen mitteilen können, wird künstlich ernährt
- ein Kind wird gegen seinen ausdrücklichen Willen daran gehindert, auf die verkehrsreiche Straße zu laufen
- mein Freund bittet mich, ihm dabei zu helfen, sich umzubringen, ich verständige die Polizei und die liefert ihn in eine psychologische Klinik ein
Hierbei wird zwar die Autonomie gegen den Willen (bzw., im ersten Falle: ohne den Willen zu kennen) eingeschränkt, jedoch kann man nicht sagen, die hier Objektifizierten würden als Mittel zum eigenen Zweck instrumentalisiert; man meint hier, man handele zum (langerfristigen) Wohle des so Objektifizierten. Diese Beispiele sind vielleicht weniger klar als moralisch zulässig als die Vorherigen, denn hier besteht eventuell die Gefahr eines (mE) moralisch unzulässigen Paternalismus.
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#1677059) Verfasst am: 18.08.2011, 20:20 Titel: |
|
|
@AP: Da möchte ich noch eine weniger eindeutige Situationen ergänzen:
- Jemand erzieht seine Kinder strengreligiös, weil er das Beste für sie will.
- Jemand baggert eine Frau an, weil er meint, ihr ginge es nach Sex mit ihm sicher besser, sie wisse es nur noch nicht.
- Verschärfter Fall: Ein neutraler Psychologe bestätigt, daß dem vsl. so sei.
Man sieht schon, daß auch der Begriff "Interesse", erst recht aber der Begriff "Autonomie", ein Fähnchen im Spannungsfeld zwischen Individualismus und Kollektivismus ist.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
|
(#1677081) Verfasst am: 18.08.2011, 20:53 Titel: |
|
|
step hat folgendes geschrieben: | @AP: Da möchte ich noch eine weniger eindeutige Situationen ergänzen:
- Jemand erzieht seine Kinder strengreligiös, weil er das Beste für sie will. |
Ja.
step hat folgendes geschrieben: | - Jemand baggert eine Frau an, weil er meint, ihr ginge es nach Sex mit ihm sicher besser, sie wisse es nur noch nicht.
- Verschärfter Fall: Ein neutraler Psychologe bestätigt, daß dem vsl. so sei. |
Das wären beides meiner Ansicht nach unzulässige Fälle einer Objektifizierung, unzulässiger Paternalismus. Liegt vielleicht daran, dass dieser Fall für mich zu konstruiert und nicht nachvollziehbar ist. Außerdem liegt dem Anbaggerer wohl nicht nur das (längerfristige) Wohl der Frau am Herzen, sondern auch sein eigenes Wohl, (seine sexuelle Befriedigung), was die Gefahr eines Missbrauches / einer lediglich vorgeschobenen Begründung mE zu stark erhöht.
step hat folgendes geschrieben: | Man sieht schon, daß auch der Begriff "Interesse", erst recht aber der Begriff "Autonomie", ein Fähnchen im Spannungsfeld zwischen Individualismus und Kollektivismus ist. |
Ja.
|
|
Nach oben |
|
 |
AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
|
(#1677089) Verfasst am: 18.08.2011, 21:00 Titel: |
|
|
Und nun - und das mag vielleicht auf den ersten Blick sehr überraschen - ein Beispiel dafür, wann etwas (aus meiner Sicht) unzulässige Objektifizierung ist.
Dazu noch ein Zitat aus dem im Ausgangsbeitrag zitierten Artikel:
Feminist Perspectives on Objectification hat folgendes geschrieben: | 2. Pornography and objectification
Like Kant, anti-pornography feminists Catharine MacKinnon and Andrea Dworkin take inequality to be tightly linked to objectification. In the eyes of both these feminists and Kant, there is the powerful objectifier on the one hand, and on the other hand there exists his powerless victim. Due to their unequal power, the former objectifies the latter. [...] Even though MacKinnon does acknowledge that a female (sex) individual can be an objectifier and a male (sex) individual can be objectified, she takes it that the former is a man and the latter is a woman, since in her view a man (gender) is by definition the objectifier and a woman (gender) is by definition the objectified.
[...]
[MacKinnon] writes: ‘… A sex object is defined on the basis of its looks, in terms of its usability for sexual pleasure, such that both the looking—the quality of gaze, including its points of view—and the definition according to use become eroticised as part of the sex itself. This is what the feminist concept of “sex object” means’ (MacKinnon 1987, 173). She furthermore holds: ‘A person, in one Kantian view, is a free and rational agent whose existence is an end in itself, as opposed to instrumental. In pornography women exist to the end of male pleasure’ (MacKinnon 1987, 173). Insofar as an individual has only instrumental value, she is clearly not regarded as an end in herself.
MacKinnon and Dworkin have argued that, even if women consent to their being used as mere means for men's sexual purposes, this is not sufficient to make such use permissible. For instance, these feminists claim that women in the pornographic industry consent to be used as objects simply out of lack of options available to them within our patriarchal society. Women's consent, therefore, is not true consent. MacKinnon writes: ‘The sex is not chosen for the sex. Money is the medium of force and provides the cover of consent’ (Mackinnon 1993, 28). This does not only hold for women in pornography. For MacKinnon and Dworkin, all women's consent to be sexually used by men cannot be true consent under the existing conditions of gender inequality. They hold that women are not truly blameworthy for their reduction to things of merely instrumental value. Women's objectification is demanded and inflicted by men in our societies. It is men who want, and also, Dworkin claims, need to use women as objects, and demand them to be object-like (Dworkin 1997, 142–3). |
Meine Übersetzung:
2. Pornographie und Objektifizierung
So wie Kant sehen die beiden Anti-Pornographie-Feministinnen Catharine MacKinnon und Andrea Dworkin Ungleichheit als stark verknüpft mit Objektifizierung an. Nach Ansicht der beiden und Kant gibt es den mächtigen Objektifizierer auf der einen Seite und auf der anderen Seite gibt es das machtlose Opfer. Wegen der ungleichen Machtverhältnisse objektifiziert der Erstere das Letztere. [...] Obwohl MacKinnon anerkennt, dass ein weibliches (biologisches Geschlecht [englisch: sex]-) Individuum ein Objektifizierer sein kann und ein männliches (biologisches Geschlecht-) Individuum objektifiziert werden kann, nimmt sie an, dass Ersterer ein Mann ist, Zweiteres eine Frau, denn aus ihrer Sicht ist ein Mann (Gender = soziales Geschlecht) definitionsgemäß der Objektifizierer und eine Frau (Gender) ist definitionsgemäß das Objektifizierte.
[...]
MacKinnon schreibt: "... ein Sex-Objekt ist definiert dadurch, wie es aussieht, in seiner Brauchbarkeit für sexuelle Genüsse, so dass beides, das Aussehen und die Definiton entsprechend Benutzung erotisiert werden als Teil des Sexes selber. Das ist, was das feministische Konzept der "sexuellen Objekte" meint (MacKinnon 1987, 173). Sie sagt weiterhin: "eine Person ist aus Kantscher Sicht ein freies und rationales Subjekt, dessen Existenz ein Zweck an sich ist, im Gegensatz zu einer Instrumentalisierung. In der Pornographie existieren Frauen zu dem Zweck, Männern sexuelle Befriedigung zu gewährleisten" (MacKinnon 1987, 173). Insofern ein Individuum nur einen instrumentellen Wert hat wird es ganz klar nicht als Zweck an sich angesehen.
MacKinnon und Dworkin haben argumentiert, dass, selbst wenn Frauen zustimmen würden, als Mittel zum Zweck für die sexuellen Bedürfnisse von Männern verwendet zu werden, das nicht hinreichend sei, um einen solchen Gebrauch moralisch akzeptabel zu machen. Zum Beispiel behaupten diese Feministinnen, dass Frauen in der Porno-Industrie lediglich deswegen ihrem Gebrauch als Mittel zum Zweck zustimmen würden, weil ihnen in unserer patriarchalischen Gesellschaft keine anderen möglichen Optionen offen stehen würden. Die Einwillugung der Frauen sei deswegen keine echte Einwilligung. MacKinnon schreibt: "Sex wird nicht wegen dem Sex gewählt. Geld ist das Medium der Macht, das den Anschein der Einwilligung erzeugt (Mackinnon 1993, 28). Dies gilt nicht nur für Frauen in der Porno-Industrie. Für MacKinnon und Dworkin kann überhaupt keine Einwilligung von Frauen, von Männern sexuell benutzt zu werden, eine echte Einwilligung unter den bestehenden Bedingungen der Geschlechts-Ungleicheit sein. Sie sagen, dass Frauen nicht tadelnswert seien für ihre Reduktion auf Dinge von lediglich instrumentellem Nutzen. Die Objektifizierung von Frauen wird von Männern in unserer Gesellschaft verlangt und zugefügt. Es sind Männer, die das wollen, und die auch, so Dworkin, es brauchen, Frauen als Objekte zu benutzen und von ihnen verlangen, wie ein Objekt zu sein (Dworkin 1997, 142–3).
----
Wo und warum in diesem Zitat aus meiner Sicht unzulässige Objektifizierungen vorliegen, ist nun eine Aufgabe an den geneigten Leser. Das sollte hoffentlich nicht so schwer sein.
Übrigens: hier erkenne ich gewisse Parallen zu der Argumentation von bestimmten Sozialisten / Kommunisten. "Die Leute haben das falsche Bewusstsein und ich bin gekommen, um das richtige Bewusstsein zu bringen." Auch eine Parallele zu bestimmter religiöser Argumentation ist mE hier zu erkennen.
Und ein - wahrscheinlich wichtiger - Disclaimer: das stellt mE nicht den Feminismus dar, ebensowenig, wie die hier gemeinten gewissen Sozialisten / Kommunisten und die gewissen Religiösen nicht automatisch ihre Richtung abbilden. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass (aus meiner Sicht) persönliche Autonomie nicht hinreichend berücksichtigt / zugestanden wird.
Vielleicht stimmt der Satz: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen" von Adorno ja - jedoch ist es (mE völlig banalerweise) so, dass niemand die Entscheidungskompetenz hat, das einzig richtige Leben zu bestimmen und das den anderen vorzuschreiben. Es sei denn, er hätte überzeugende Argumente dafür. Hier im speziellen Falle sind die Argumente absolut unüberzeugend, denn wer gegen Objektifizierung argumentiert und Autonomie als wichtig anerkennt, darf nicht selber derart objektifizieren und derart Autonomie leugnen. Performativer Selbstwiderspruch.
----
Edit: Übersetzung korrigiert (biologisches / soziales Geschlecht)
Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 19.08.2011, 23:56, insgesamt 2-mal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
|