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Frage zum freien Willen und der Quantenphysik
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1685828) Verfasst am: 11.09.2011, 18:14    Titel: Antworten mit Zitat

Keine Ahnung, was Du mit 'freiem-Willen-Model' meinst. Der Frage bist Du ja beflissentlich ausgewichen.

Du scheinst mal wieder den Gegensatz: Freiheit <-> Determinismus zu setzen. Der aber zu begründen ist, da nicht per se plausibel. Normalerweise ist dieser Gegensatz so: Freiheit <-> Zwang / Fremdbestimmung.

Und Du willst doch nicht ernsthaft fragen, wofür ein von Dir ausgedachtes Modell XY, das Du noch nicht mal darlegen willst, taugen soll? Diese Frage kann man ohne die Fähigkeit zum Gedankenlesen wohl kaum beantworten.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1685834) Verfasst am: 11.09.2011, 18:30    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Bedingtheit halte ich aber für keinen Gegensatz zu Freiheit. Wenn eine Entscheidung durch gute Gründe bedingt ist, dann würde ich die nicht deswegen als unfrei ansehen, (und das, wie gesagt, auch nicht als Zwang).


Ja. Das sehe ich auch so. Die Vorstellung einer un-bedingten Freiheit ist nicht haltbar, wird hier aber auch nicht vertreten, denke ich. Die Argumentation gegen diese Vorstellung geht daher an der Sache vorbei. Was mich betrifft, verteidige ich ja die Vorstellung, daß man begründet entscheiden und handeln kann, was etwas anderes bedeutet als eine verursachte Handlung.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Dann vielleicht so: Manipulation ist Fremdbestimmung. Und Fremdbestimmung sehe ich als gegensätzlich zu Freiheit an.


Manipulation ist nach meinem Verständnis eine Täuschung, die zu einer Entscheidung und/oder einer Handlung führen soll, die als begründet empfunden wird. Aus der Sicht des Entscheiders ist sie das. Aus der Sicht dejenigen, der von der Manipulation weiß, nicht. Fremdbestimmung ist eine Folge davon.
Wenn wir das nicht berücksichtigen, dann scheint mir der wichtige Aspekt unterzugehen, daß Zwang von einer Instanz ausgeübt wird, die entweder nicht Teil der Persönlichkeit ist, oder als Störung der Persönlichkeit aufgefasst wird.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Und auf der anderen Seite würde ich jemanden, der nicht nach guten Gründen entscheiden kann, sondern immer völlig unbedingt, d.h. rein zufällig, nicht als frei im hier wesentlichen Sinne (= die Freiheit, die für die Zweisung von moralischer Verantwortung benötigt wird) ansehen.


Ja. Und nicht begründete Entscheidungen von jemandem, den wir für Begründungsfähig halten, nennen wir, glaube ich, willkürlich.
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Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1685836) Verfasst am: 11.09.2011, 18:32    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Hm, ich würde Manipulation nicht als Zwang bezeichnen. Es ist eine andere Art von Vorgang. Die Vorgänge ähneln sich zwar darin, daß ein Aussenstehender die Entscheidung des unter Zwang gesetzten oder einer Manipulation ausgesetzten als eine bewertet, die der Entscheider eigentlich nicht treffen würde. Die Manipulation lässt dem Entscheider aber die Wahl, wenn auch unter falschen Voraussetzungen.

Ich finde die Unterscheidung künstlich und irreführend. Manipulation läßt einem keineswegs die Wahl, sondern nur die Handlungsfreiheit bzw. das Gefühl, gemäß seiner Präferenz zu handeln. Der einzige Unterschied ist mE, daß eine Manipulation ein spezieller Zwang ist, nämlich ein dem Entscheider unbewußter.


Erst mal würde ich sagen, daß es keinen Zwang gibt, den man nicht als solchen empfindet.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1685894) Verfasst am: 11.09.2011, 20:00    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Erst mal würde ich sagen, daß es keinen Zwang gibt, den man nicht als solchen empfindet.

Würdest Du also sagen, daß Zwänge nur vom Betroffenen selbst verläßlich diagnostiziert werden können?
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1685911) Verfasst am: 11.09.2011, 20:26    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Erst mal würde ich sagen, daß es keinen Zwang gibt, den man nicht als solchen empfindet.

Würdest Du also sagen, daß Zwänge nur vom Betroffenen selbst verläßlich diagnostiziert werden können?


Nicht verlässlich. Aber damit etwas ein Zwang ist, müsste er als solcher Empfunden werden. Ja, denke ich schon.
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Tom der Dino
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Anmeldungsdatum: 20.07.2011
Beiträge: 3949

Beitrag(#1685915) Verfasst am: 11.09.2011, 20:30    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn ich kurz zusammenfassen darf. Bisher haben Step und ich über diese un-bedingte Freiheit gesprochen. Wenn ich Steps Ansatz richtig verstanden habe, sagt er, dass sobald eine Präferenz dem Entscheider als wichtigste erscheint, die Entscheidung nicht mehr der WF unterliegt.
Mein Ansatz war, dass innerhalb Steps Ansatz ein freier Wille nur da postulierbar wäre, an dem die Waage im Gleichgewicht steht und "ein kleines Männchen würfelt". Ich gehe in dem Punkt mit vanHanegem konform, dass die WF in diesem Zusammenhang keine Relevanz hätte. Sie wäre aber vorhanden.

Für APs Ansatz, dass WF EF ist, in Abwesenheit von Zwang und Manipulationen, müssen wir klären, was überhaupt für eine freie Entscheidung nötig ist. Wenn Manipulierbarkeit die absichtliche Vorenthaltung von Information bzw. die Bereitstellung von Fehlinformation durch einen Manipulator ist, stellt sich die Frage, ob das Vorhandensein des Manipulators entscheidend ist für die Abwesenheit der EF. Fehlinformation und Abwesenheit von Information ist auch ohne Manipulator mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu vermeiden.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#1685926) Verfasst am: 11.09.2011, 20:45    Titel: Antworten mit Zitat

Für eine freie Entscheidung sind mE dies notwendige und auch hinreichende Bedingungen: die Fähigkeit zu haben, hinreichend erkennen, abwägen und reflektieren zu können und somit nach Gründen entscheiden zu können und zwar hinreichend frei von äußeren und inneren Zwängen.

Diese Freiheit muss notwendigerweise eine graduelle sein, d.h. niemand kann je in diesem Sinne völlig frei entscheiden, (weil das bedeuten würde, alle Informationen zu haben und auch, völlig frei von allen Gegebenheiten / Begrenzungen zu sein, was beides praktisch nicht möglich ist).

Wo die Grenze zwischen 'freier Entscheidung' und 'unfreier Entscheidung' liegt, wird nicht eindeutig bestimmbar sein, nur lebenspraktisch im Einzelfall, (wenn z.B. vor Gericht entschieden wird, ob jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt zurechnungsfähig war oder nicht). Oder aber per genereller Daumenregel, (z.B. volljährig ist man mit 18, strafmündig mit 14).
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step
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Beitrag(#1685933) Verfasst am: 11.09.2011, 20:52    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
... Mein Ansatz war, dass innerhalb Steps Ansatz ein freier Wille nur da postulierbar wäre, an dem die Waage im Gleichgewicht steht und "ein kleines Männchen würfelt". Ich gehe in dem Punkt mit vanHanegem konform, dass die WF in diesem Zusammenhang keine Relevanz hätte.

Ja, da schließe ich mich auch mit an.
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Tom der Dino
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Anmeldungsdatum: 20.07.2011
Beiträge: 3949

Beitrag(#1685955) Verfasst am: 11.09.2011, 21:39    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Für eine freie Entscheidung sind mE dies notwendige und auch hinreichende Bedingungen: die Fähigkeit zu haben, hinreichend erkennen, abwägen und reflektieren zu können und somit nach Gründen entscheiden zu können und zwar hinreichend frei von äußeren und inneren Zwängen.

Diese Freiheit muss notwendigerweise eine graduelle sein, d.h. niemand kann je in diesem Sinne völlig frei entscheiden, (weil das bedeuten würde, alle Informationen zu haben und auch, völlig frei von allen Gegebenheiten / Begrenzungen zu sein, was beides praktisch nicht möglich ist).

Wo die Grenze zwischen 'freier Entscheidung' und 'unfreier Entscheidung' liegt, wird nicht eindeutig bestimmbar sein, nur lebenspraktisch im Einzelfall, (wenn z.B. vor Gericht entschieden wird, ob jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt zurechnungsfähig war oder nicht). Oder aber per genereller Daumenregel, (z.B. volljährig ist man mit 18, strafmündig mit 14).


Das bedeutet, dass EF im Sinne von WF nur dafür benutzt werden kann um moralische und juristische Urteile rechtfertigen zu können?

Wenn jemand sehr eifersüchtig ist und im Zuge dieser Eifersucht jemanden umbringt, gilt das gemeinhin als Mord. Der Täter wird verurteilt, weil ihm die HF und EF bezeugt wird.

Wenn jetzt ein Medikament die resultierende Wut unterdrückt oder die Eifersucht auf ein "normales" Maß heruntersetzt, ist der Mensch dann nicht mehr frei? Oder ist durch die dann offensichtliche organische Ursache der überhöhten Eifersucht eine Fremdbestimmung begründet und durch die Medikamente abgewendet, der Mensch dann also erst frei?
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
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Beitrag(#1685961) Verfasst am: 11.09.2011, 22:00    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Das bedeutet, dass EF im Sinne von WF nur dafür benutzt werden kann um moralische und juristische Urteile rechtfertigen zu können?

Jein. Ja, das kann dazu benutzt werden, (folgt daraus), nein, das ist aber nicht der eigentliche Grund, warum (viele) Menschen an einem freien Willen interessiert sind, den für wichtig halten.

Der Grund ist der: es ist zentral für das Selbstverständnis von Menschen, dass sie keine Puppen sind, dass sie ihr Schicksal durch die Entscheidungen, die sie treffen, kontrollieren können, dass sie sich entschließen können, sorgfältig durchdachte statt irrationaler oder gedankenloser Entscheidungen zu treffen, dass sie keine Sklave ihrer Emotionen sind, dass sie sich korrigieren und verbessern können, dass ihre Handlungen ihre Persönlichkeit demonstrieren, dass sie verantwortlich sind für die Entscheidungen, die sie treffen.

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Wenn jemand sehr eifersüchtig ist und im Zuge dieser Eifersucht jemanden umbringt, gilt das gemeinhin als Mord. Der Täter wird verurteilt, weil ihm die HF und EF bezeugt wird.

Wenn jetzt ein Medikament die resultierende Wut unterdrückt oder die Eifersucht auf ein "normales" Maß heruntersetzt, ist der Mensch dann nicht mehr frei? Oder ist durch die dann offensichtliche organische Ursache der überhöhten Eifersucht eine Fremdbestimmung begründet und durch die Medikamente abgewendet, der Mensch dann also erst frei?

Eifersucht wird normalerweise nicht als Zwang angesehen, oder anders gesagt: man geht normalerweise davon aus, dass Eifersucht unter Kontrolle zu halten ist.

Es mag aber (mE seltene) Fälle geben, in denen das nicht der Fall ist. Dann wäre tatsächlich die Freiheit desjenigen in der Situation dadurch nicht vorhanden gewesen, seine Eifersucht hätte ihn zu seiner Tat gezwungen, ohne dass er etwas hätte dagegen machen können, die Eifersucht wäre also eine Fremdbestimmung gewesen, nicht in seinem Sinne.

In dem (meiner Ansicht nach pathologischen) Falle wäre die Einnahme von Medikamenten vielleicht tatsächlich ganz sinnvoll. Und, ja, dadurch würde er dann freier in meinem Sinne.

Aber man kann natürlich nicht Medikamente nehmen, um damit alle Emotionen auszublenden, die einen beeinflussen. Das wäre kontraproduktiv, denn dann hätte man keine Menschen mehr, sondern Maschinen.
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Tom der Dino
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Anmeldungsdatum: 20.07.2011
Beiträge: 3949

Beitrag(#1685974) Verfasst am: 11.09.2011, 22:44    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Das bedeutet, dass EF im Sinne von WF nur dafür benutzt werden kann um moralische und juristische Urteile rechtfertigen zu können?

Jein. Ja, das kann dazu benutzt werden, (folgt daraus), nein, das ist aber nicht der eigentliche Grund, warum (viele) Menschen an einem freien Willen interessiert sind, den für wichtig halten.

Der Grund ist der: es ist zentral für das Selbstverständnis von Menschen, dass sie keine Puppen sind, dass sie ihr Schicksal durch die Entscheidungen, die sie treffen, kontrollieren können, dass sie sich entschließen können, sorgfältig durchdachte statt irrationaler oder gedankenloser Entscheidungen zu treffen, dass sie keine Sklave ihrer Emotionen sind, dass sie sich korrigieren und verbessern können, dass ihre Handlungen ihre Persönlichkeit demonstrieren, dass sie verantwortlich sind für die Entscheidungen, die sie treffen.
Also ist WF eine im Moment noch nötige Lebenslüge ähnlich wie die Idee eines Gottes?

Ich hab früher mal über Schicksal nachgedacht. Selbst wenn alles vorbestimmt ist, ändert es nichts daran, dass ich mich trotzdem (für die richtigen Dinge) entscheiden muss. Denn auch der Vorgang der Entscheidung ist vorherbestimmt. Es ist nicht möglich zu erkennen, ob es nun vorherbestimmt ist oder nicht.
Selbst wenn die Entscheidungen "unfrei" sind, müssen sie nicht gedankenlos oder irrational sein.
Menschen sind im Grunde sowieso schon "Sklaven" ihrer Emotionen, was ich im Großen und Ganzen begrüße, denn rein rationale, emotionslose Gesellschaften sind keine sozialen Gesellschaften (ob dann Gesellschaften überhaupt existieren können ist eine andere Frage). Menschen handeln ständig nach ihren Emotionen, man muss sich nur die Rügenwalder Mühle? Werbung anschauen in der sie mit einer neuen Verpackung! werben. Welcher rationale Mensch würde nur wegen einer neuen Verpackung mal ein Produkt kaufen?
Auch Korrekturen und Verbesserungen sind gezogene Lehren und nicht notwendig frei. Diese Lehren werden auch am besten verstanden, wenn man die Verantwortung für eine, dann korrigierte Handlung, bei sich sieht. Damit erkennt man am ehesten die Not sich zu korrigieren.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Wenn jemand sehr eifersüchtig ist und im Zuge dieser Eifersucht jemanden umbringt, gilt das gemeinhin als Mord. Der Täter wird verurteilt, weil ihm die HF und EF bezeugt wird.

Wenn jetzt ein Medikament die resultierende Wut unterdrückt oder die Eifersucht auf ein "normales" Maß heruntersetzt, ist der Mensch dann nicht mehr frei? Oder ist durch die dann offensichtliche organische Ursache der überhöhten Eifersucht eine Fremdbestimmung begründet und durch die Medikamente abgewendet, der Mensch dann also erst frei?

Eifersucht wird normalerweise nicht als Zwang angesehen, oder anders gesagt: man geht normalerweise davon aus, dass Eifersucht unter Kontrolle zu halten ist.

Es mag aber (mE seltene) Fälle geben, in denen das nicht der Fall ist. Dann wäre tatsächlich die Freiheit desjenigen in der Situation dadurch nicht vorhanden gewesen, seine Eifersucht hätte ihn zu seiner Tat gezwungen, ohne dass er etwas hätte dagegen machen können, die Eifersucht wäre also eine Fremdbestimmung gewesen, nicht in seinem Sinne.

In dem (meiner Ansicht nach pathologischen) Falle wäre die Einnahme von Medikamenten vielleicht tatsächlich ganz sinnvoll. Und, ja, dadurch würde er dann freier in meinem Sinne.

Aber man kann natürlich nicht Medikamente nehmen, um damit alle Emotionen auszublenden, die einen beeinflussen. Das wäre kontraproduktiv, denn dann hätte man keine Menschen mehr, sondern Maschinen.
Was den letzten Satz angeht, sind wir uns einig. Deswegen schrieb ich auch "auf "normales" Maß".

Ist denn die Eifersucht im Falle eines Mordes nicht schon von Haus aus pathologisch? Möglicherweise auch in Verbindung mit geringerer Fähigkeit zur Selbstbeherrschung etc.. Bzw. wo ist dort die Grenze? Wenn ich mich zwischen zwei ähnlichen Leberwurstprodukten entscheiden soll, die Zutatenliste ist gleich, der Preis ist identisch, werde ich wahrscheinlich das Produkt mit der für mich hübscheren Verpackung nehmen. Das bedeutet, meine Emotionen bestimmen meine Handlung. Ich bin mir relativ sicher, dass viele Menschen sogar schlechtere oder teurere Produkte aufgrund der besseren Optik wählen. Diese Handlungen sind zwar nicht pathologisch, aber ob sie frei sind, wage ich zu bezweifeln.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#1685982) Verfasst am: 11.09.2011, 23:41    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Also ist WF eine im Moment noch nötige Lebenslüge ähnlich wie die Idee eines Gottes?

Aber nein. WF in meinem Sinne existiert. Ich habe zumindest noch niemals in meinem ganzen Leben ein rationales Argument dafür gehört, dass sie nicht existieren würde und ich habe schon viele Diskussionen darüber geführt.

Und ich brauche nun mal Argumente dagegen.

Mit dem freien Willen nach meiner Def. ist es so: ich nehme den wahr.

Vor meinem Haus steht ein Baum: den nehme ich auch wahr.

Kann zwar nun theoretisch sein, dass ich mich bezüglich meines FW und / oder bezüglich des Baumes irre. Aber solange ich kein Argument dagegen sehe, vertraue ich meiner Wahrnehmung. Und das halte ich übrigens für die einzig vernünftige Einstellung diesbezüglich. Es wäre mE völlig irrational, wenn ich jemandem glauben würde, der das unbegründet abstreitet.

Der Punkt ist: wenn Du etwas anderes unter 'freier Entscheidung' verstehst als ich, dann sind das dann eben unterschiedliche Konzepte. Ein- und dasselbe Wort für unterschiedliche Konzepte.

Bloß weiß ich jetzt noch nicht, was Du darunter eigentlich verstehst, weil Du das - im Gegensatz zu mir - noch nicht dargelegt hast.

Du verwendest den Begriff 'frei' einfach undefiniert. Ich hoffe, Du siehst ein, dass das nicht geht, denn das muss unverständlich sein.

Es könnte ja auch sein, dass es dasjenige Konzept einer EF, das ich vertrete, gibt und dasjenige Konzept einer EF, das Du vertrittst, nicht gibt. Um das festzustellen, müsstest Du es aber erst mal nachvollziehbar darlegen.

Und erst dann könnten wir überlegen, was daraus folgt. Oder nicht folgt oder wie auch immer.
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Tom der Dino
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Anmeldungsdatum: 20.07.2011
Beiträge: 3949

Beitrag(#1685988) Verfasst am: 12.09.2011, 00:14    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Also ist WF eine im Moment noch nötige Lebenslüge ähnlich wie die Idee eines Gottes?

Aber nein. WF in meinem Sinne existiert. Ich habe zumindest noch niemals in meinem ganzen Leben ein rationales Argument dafür gehört, dass sie nicht existieren würde und ich habe schon viele Diskussionen darüber geführt.

Und ich brauche nun mal Argumente dagegen.

Mit dem freien Willen nach meiner Def. ist es so: ich nehme den wahr.

Vor meinem Haus steht ein Baum: den nehme ich auch wahr.

Kann zwar nun theoretisch sein, dass ich mich bezüglich meines FW und / oder bezüglich des Baumes irre. Aber solange ich kein Argument dagegen sehe, vertraue ich meiner Wahrnehmung. Und das halte ich übrigens für die einzig vernünftige Einstellung diesbezüglich. Es wäre mE völlig irrational, wenn ich jemandem glauben würde, der das unbegründet abstreitet.

Der Punkt ist: wenn Du etwas anderes unter 'freier Entscheidung' verstehst als ich, dann sind das dann eben unterschiedliche Konzepte. Ein- und dasselbe Wort für unterschiedliche Konzepte.

Bloß weiß ich jetzt noch nicht, was Du darunter eigentlich verstehst, weil Du das - im Gegensatz zu mir - noch nicht dargelegt hast.

Du verwendest den Begriff 'frei' einfach undefiniert. Ich hoffe, Du siehst ein, dass das nicht geht, denn das muss unverständlich sein.

Es könnte ja auch sein, dass es dasjenige Konzept einer EF, das ich vertrete, gibt und dasjenige Konzept einer EF, das Du vertrittst, nicht gibt. Um das festzustellen, müsstest Du es aber erst mal nachvollziehbar darlegen.

Und erst dann könnten wir überlegen, was daraus folgt. Oder nicht folgt oder wie auch immer.


Entschuldige, falls ich dir mit meiner Formulierung zu nahe getreten bin, das war nicht meine Absicht.
EDIT:
Zitat:
Ja, das kann dazu benutzt werden, (folgt daraus), nein, das ist aber nicht der eigentliche Grund, warum (viele) Menschen an einem freien Willen interessiert sind, den für wichtig halten.
Dieser Satz klingt so, als ob der freie Wille nur existiert, weil Menschen sich diesen wünschen. Der Wunsch selbst macht noch keine Existenz. /EDIT
Zitat:
Der Grund ist der: es ist zentral für das Selbstverständnis von Menschen, dass sie keine Puppen sind..
Ich wollte meine Zweifel daran ausdrücken, dass es tatsächlich zentral ist. Ich denke, ein Selbstverständnis ohne einen (wichtigen) freien Willen wäre genauso möglich.

Die Definition, die du für "freie Entscheidung" gegeben hast,
Zitat:
Für eine freie Entscheidung sind mE dies notwendige und auch hinreichende Bedingungen: die Fähigkeit zu haben, hinreichend erkennen, abwägen und reflektieren zu können und somit nach Gründen entscheiden zu können und zwar hinreichend frei von äußeren und inneren Zwängen.

Diese Freiheit muss notwendigerweise eine graduelle sein, d.h. niemand kann je in diesem Sinne völlig frei entscheiden, (weil das bedeuten würde, alle Informationen zu haben und auch, völlig frei von allen Gegebenheiten / Begrenzungen zu sein, was beides praktisch nicht möglich ist).

Wo die Grenze zwischen 'freier Entscheidung' und 'unfreier Entscheidung' liegt, wird nicht eindeutig bestimmbar sein, nur lebenspraktisch im Einzelfall, (wenn z.B. vor Gericht entschieden wird, ob jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt zurechnungsfähig war oder nicht). Oder aber per genereller Daumenregel, (z.B. volljährig ist man mit 18, strafmündig mit 14).
habe ich nicht komplett einordnen können, weil du z.B. von " hinreichend frei von äußeren und inneren Zwängen" schreibst. Ich versteh nicht was du damit konkret meinst. Meine darauffolgenden Posts waren vor allem dazu gedacht, deine Definition zu testen und genauer zu verstehen. Deshalb benutzte ich das Wort "frei" in dem Sinne, wie ich vermutete, dass du es benutzt.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1685991) Verfasst am: 12.09.2011, 00:47    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
EDIT:
Zitat:
Ja, das kann dazu benutzt werden, (folgt daraus), nein, das ist aber nicht der eigentliche Grund, warum (viele) Menschen an einem freien Willen interessiert sind, den für wichtig halten.
Dieser Satz klingt so, als ob der freie Wille nur existiert, weil Menschen sich diesen wünschen. Der Wunsch selbst macht noch keine Existenz. /EDIT

Und die Wahrnehmung eines Baumes macht noch keinen Baum. Dennoch aber kann der Baum existieren. Und wenn die Wahrnehmung sagt, er existiere, jemand anderes aber ohne weitere Begründung sagte, er existiere nicht: was würdest Du dann annehmen? Oder wenn Du keinen Gott annimmst, weil Du keinen solchen wahrnimmst und keine guten Gründe für die Annahme der Existenz eines Gottes siehst, jemand aber ohne weitere Begründung behaupten würde, Gott würde existieren, was sollte man dann rationalerweise annehmen?

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Ich wollte meine Zweifel daran ausdrücken, dass es tatsächlich zentral ist. Ich denke, ein Selbstverständnis ohne einen (wichtigen) freien Willen wäre genauso möglich.

Wie sähe das konkret aus? Und wieso sollte jemand sein Selbstverständnis so ändern? Wäre das nicht völlig irrational ohne gute Begründung?

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
habe ich nicht komplett einordnen können, weil du z.B. von " hinreichend frei von äußeren und inneren Zwängen" schreibst. Ich versteh nicht was du damit konkret meinst. Meine darauffolgenden Posts waren vor allem dazu gedacht, deine Definition zu testen und genauer zu verstehen. Deshalb benutzte ich das Wort "frei" in dem Sinne, wie ich vermutete, dass du es benutzt.

Ich habe versucht, diese unscharfe Grenze zu beschreiben, bzw. wie sie konkret lebensweltlch festgestellt wird.
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Tom der Dino
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Beitrag(#1685993) Verfasst am: 12.09.2011, 01:14    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
EDIT:
Zitat:
Ja, das kann dazu benutzt werden, (folgt daraus), nein, das ist aber nicht der eigentliche Grund, warum (viele) Menschen an einem freien Willen interessiert sind, den für wichtig halten.
Dieser Satz klingt so, als ob der freie Wille nur existiert, weil Menschen sich diesen wünschen. Der Wunsch selbst macht noch keine Existenz. /EDIT

Und die Wahrnehmung eines Baumes macht noch keinen Baum. Dennoch aber kann der Baum existieren. Und wenn die Wahrnehmung sagt, er existiere, jemand anderes aber ohne weitere Begründung sagte, er existiere nicht: was würdest Du dann annehmen? Oder wenn Du keinen Gott annimmst, weil Du keinen solchen wahrnimmst und keine guten Gründe für die Annahme der Existenz eines Gottes siehst, jemand aber ohne weitere Begründung behaupten würde, Gott würde existieren, was sollte man dann rationalerweise annehmen?
Dass dieses Konzept keinerlei Relevanz aufweist. Nun hat das Vorhandensein des Baumes Auswirkungen, die unabhängig davon auftreten, ob jemand sagt, dass er nicht existiert. Das Konzept des freien Willens oder Gottes hat diese Auswirkungen nicht. Wenn du mir konkret zeigst, in welchen Situationen der freie Wille offenkundig wird, dann versteh ich sicher besser, was du damit meinst.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Ich wollte meine Zweifel daran ausdrücken, dass es tatsächlich zentral ist. Ich denke, ein Selbstverständnis ohne einen (wichtigen) freien Willen wäre genauso möglich.

Wie sähe das konkret aus? Und wieso sollte jemand sein Selbstverständnis so ändern? Wäre das nicht völlig irrational ohne gute Begründung?
Ich denke, Step hat da schon einiges zu erläutert zu einem solchen Konzept. Ich finde, es wäre irrational, an einem Konzept festzuhalten, das als obsolet angesehen werden kann (nicht muss) (im Sinne von Ockhams Rasiermesser). Ehrlich gesagt habe ich Probleme deine Begründung für WF zu verstehen, und wie ich schonmal schrieb, darum ging es mir.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
habe ich nicht komplett einordnen können, weil du z.B. von " hinreichend frei von äußeren und inneren Zwängen" schreibst. Ich versteh nicht was du damit konkret meinst. Meine darauffolgenden Posts waren vor allem dazu gedacht, deine Definition zu testen und genauer zu verstehen. Deshalb benutzte ich das Wort "frei" in dem Sinne, wie ich vermutete, dass du es benutzt.

Ich habe versucht, diese unscharfe Grenze zu beschreiben, bzw. wie sie konkret lebensweltlch festgestellt wird.
Das hab ich verstanden, dass du das versucht hast. Aber letztendlich hast du nur gesagt, dass es eine unscharfe Grenze gibt und dass nicht jede Entscheidung völlig frei getroffen werden wird. Welche Entscheidung wird denn völlig frei getroffen? Wie sieht die Entscheidungsfindung aus?
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1685995) Verfasst am: 12.09.2011, 01:44    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Nun hat das Vorhandensein des Baumes Auswirkungen, die unabhängig davon auftreten, ob jemand sagt, dass er nicht existiert. Das Konzept des freien Willens oder Gottes hat diese Auswirkungen nicht. Wenn du mir konkret zeigst, in welchen Situationen der freie Wille offenkundig wird, dann versteh ich sicher besser, was du damit meinst.

Wie oben schon gesagt, ist WF meiner Ansicht nach für viele Leute grundlegend für ihr Selbstverständnis (dass sie keine Marionetten sind, sondern ihr Schicksal selber [in Grenzen] beeinflussen können). Und das gilt auch für mich, sehe ich auch so, ist mir wichtig.

Könnte aber nun sein, dass meine Ansicht falsch ist. Ich möchte aber dann Argumente dafür sehen, warum die falsch ist. Ansonsten gibt es keinen Grund für mich, die zu ändern, ohne Grund wäre es, wie schon gesagt, sogar irrational, die zu ändern.

Ich habe kein Problem damit, wenn Du (oder jemand anderes) was anders sieht als ich. Absolut Eure Sache, Euer Bier - solange Ihr keine Forderungen daraus ableitet, die andere betreffen. Du siehst es dann so und ich so. Und wir kommen uns nicht ins Gehege. Also kein Problem.

Hilfreich wäre aber dann, falls Ihr mich (und andere) überzeugen wollt, mal darzulegen, was und wieso Ihr das anders seht.

"Ockhams Rasiermesser" reicht mir dabei nicht als Begründung. Die Realität existiert, die kannst Du nicht mit Ockhams Rasiermesser wegschnibbeln.

"So einfach wie möglich, aber so kompliziert wie nötig".

Und wenn Ihr weiterhin ein Konzept angreifen wollt, das ich nicht vertrete: das interessiert mich dann nicht die Bohne. Es sei denn, Ihr könntet darlegen, wieso Euer Konzept eine Bedeutung hätte.

Freier Wille in meine Sinne existiert. Und außerdem ist freier Wille in meinem Sinne das einzige, was für andere letztlich wesentlich ist.

Das ist meine Behauptung. Und außerdem behaupte ich auch noch dreist, ich sei der einzige, der hier bisher ein sinnvolles und kohärentes Konzept eines freien Willens dargelegt hat.

Vielleicht aber habt Ihr auch ein kohärentes Konzept eines freien Willens. Dann bin ich ganz Ohr.

Habt Ihr aber nicht.
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Tom der Dino
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Anmeldungsdatum: 20.07.2011
Beiträge: 3949

Beitrag(#1686021) Verfasst am: 12.09.2011, 09:00    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Nun hat das Vorhandensein des Baumes Auswirkungen, die unabhängig davon auftreten, ob jemand sagt, dass er nicht existiert. Das Konzept des freien Willens oder Gottes hat diese Auswirkungen nicht. Wenn du mir konkret zeigst, in welchen Situationen der freie Wille offenkundig wird, dann versteh ich sicher besser, was du damit meinst.

Wie oben schon gesagt, ist WF meiner Ansicht nach für viele Leute grundlegend für ihr Selbstverständnis (dass sie keine Marionetten sind, sondern ihr Schicksal selber [in Grenzen] beeinflussen können). Und das gilt auch für mich, sehe ich auch so, ist mir wichtig.

Könnte aber nun sein, dass meine Ansicht falsch ist. Ich möchte aber dann Argumente dafür sehen, warum die falsch ist. Ansonsten gibt es keinen Grund für mich, die zu ändern, ohne Grund wäre es, wie schon gesagt, sogar irrational, die zu ändern.
Es tut mir leid, dass du denkst, ich denke dein Konzept sei falsch. Es ist nicht meine Absicht, dich davon zu überzeugen. Meine Fragen sind keine rhetorischen Fragen. Deine Antworten auf meine Fragen können mir helfen dein Konzept zu verstehen. Ich möchte dein Konzept ergebnisoffen erörtern.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich habe kein Problem damit, wenn Du (oder jemand anderes) was anders sieht als ich. Absolut Eure Sache, Euer Bier - solange Ihr keine Forderungen daraus ableitet, die andere betreffen. Du siehst es dann so und ich so. Und wir kommen uns nicht ins Gehege. Also kein Problem.
Ich hoffe, ich habe nicht irgendwo Forderungen abgeleitet. Nichts liegt mir ferner als anderen zu erzählen, was sie denken sollen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Hilfreich wäre aber dann, falls Ihr mich (und andere) überzeugen wollt, mal darzulegen, was und wieso Ihr das anders seht.
Wie ich bereits meinte, möchte ich dich gar nicht überzeugen. Um darzulegen was ich anders sehe, muss ich erstmal verstehen, wie du die Sache siehst. Ich möchte wirklich nur deine Sicht erläutert bekommen.
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Beitrag(#1686033) Verfasst am: 12.09.2011, 09:39    Titel: Antworten mit Zitat

Aber ich meine, ich habe meine Ansicht hinreichend dargestellt.

Ein Punkt nur noch: "Sklave seiner Emotionen" wäre jemand, der seinen Trieben und Gefühlswallungen immer gleich nachgeben würde und sich nicht beherrschen könnte.

Nicht Sklave seiner Emotionen zu sein, bedeutet aber nun nicht, Emotionen völlig zu ignorieren und emotionslos rein rational zu entscheiden. Das wäre wohl wenig wünschenswert.

Und dann, wie gesagt, ist mein Begriff von Freiheit ein gradueller. Niemand ist demnach völlig frei.

Aber beides hatte ich eigentlich auch schon gesagt.
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Beitrag(#1686043) Verfasst am: 12.09.2011, 10:58    Titel: Antworten mit Zitat

In AP's letzten Erläuterungen zu seinem Verständnis von Willensfreiheit steht die Eigenschaft der Rationalität sehr stark im Fokus, also daß bei Entscheidungen rational abgewogen wird.

@AP: Vielleicht könntest Du nochmal sagen, was Deines Erachtens Willensfreiheit mehr ist als rationale Abwägung - denn sonst könnte man ja weniger irreführend einfach den Begriff "Rationalität" oder "rationale Abwägung" verwenden.
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Beitrag(#1686046) Verfasst am: 12.09.2011, 11:09    Titel: Antworten mit Zitat

AP an Tom hat folgendes geschrieben:
Vielleicht aber habt Ihr auch ein kohärentes Konzept eines freien Willens. Dann bin ich ganz Ohr.

Ein kohärentes Konzept eines Willens (z.B. eines unfreien Willens) reicht auch aus.

AP an Tom hat folgendes geschrieben:
Ich habe kein Problem damit, wenn Du (oder jemand anderes) was anders sieht als ich. Absolut Eure Sache, Euer Bier - solange Ihr keine Forderungen daraus ableitet, die andere betreffen.

Zumindest mir geht es letztlich schon um konkrete gesellschaftliche Forderungen. Zum Beipsiel möchte ich, wie Du weißt, von einem schuld- und vergeltungsbasierenden Verantwortungskonzept weg, hin zu einem erwartungsbasierenden.

AP an Tom hat folgendes geschrieben:
Freier Wille in meine Sinne existiert. Und außerdem ist freier Wille in meinem Sinne das einzige, was für andere letztlich wesentlich ist.

Naja, solange das nur für Dich gilt und Du "keine Forderungen daraus ableite[s]t, die andere betreffen" ... zwinkern
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Beitrag(#1686083) Verfasst am: 12.09.2011, 13:04    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
In AP's letzten Erläuterungen zu seinem Verständnis von Willensfreiheit steht die Eigenschaft der Rationalität sehr stark im Fokus, also daß bei Entscheidungen rational abgewogen wird.

@AP: Vielleicht könntest Du nochmal sagen, was Deines Erachtens Willensfreiheit mehr ist als rationale Abwägung - denn sonst könnte man ja weniger irreführend einfach den Begriff "Rationalität" oder "rationale Abwägung" verwenden.

Nein, da gibt es wohl noch ein Missverständnis. Ich meine nicht, dass Willensfreiheit einfach nur rationale Abwägung ist, (und dass sie daher um so höher wäre, je rationaler sie durchgeführt wird), sondern die Fähigkeit zur rationalen Abwägung ist meiner Ansicht nach notwendige Voraussetzung für Willensfreiheit / Entscheidungsfreiheit. D.h. ein Entscheidungsprozess, den ich als frei ansehen würde, kann auch Emotionen, Intuitionen und so enthalten.

Eine spontane Entscheidung ohne lange über etwas nachzudenken, würde ich auch als frei ansehen. Solange man weiß, was man da tut und man damit einverstanden ist.

Übrigens hier mal ein Artikel, (allerdings auf englisch), mit dem ich ziemlich genau übereinstimme.

Ein anderer Punkt bei dieser Diskussion ist immer auch die Frage, wem oder was man den freien Willen zuordnet, bzw. was es bedeutet, wenn man 'ich' sagt. Und das sehe ich schlicht so: ich bin dieser Organismus hier (mitdemfingeraufmichzeig). Und kein Homunkulus in meinem Kopf oder dergleichen. D.h. es ergibt meiner Ansicht nach keinen Sinn, etwa zu sagen: "mein Gehirn entscheidet für mich".

Dazu vielleicht noch dieser Text.
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Beitrag(#1686099) Verfasst am: 12.09.2011, 13:45    Titel: Antworten mit Zitat

In dem Text werden im Prinzip recht systematisch die beiden kompatibilistischen Ansätze dargestellt, die ich mal etwas provokativ zusammenfasse:

1. Wir definieren WF als Unterform von Handlungsfreiheit. WF = Abwesenheit akuter Einflüsse (zugunsten von langfristigen Einflüssen, Präferenzen)

2. Wir definieren WF als potenzielle Bestrafbarkeit. WF = jemand tut etwas Verbotenes, ohne eine andere Person als Verursacher vorweisen zu können

(1.) wird dann weiter ausgeführt, wobei lobenswerterweise auch kurz auf das Problem der gesamten Ursachenkette eingegangen wird, um schließlich bei folgender, recht defensiver Aussage zu landen:

Aaron Sloman hat folgendes geschrieben:
In this sense you are free to the extent that your decisions and actions are mainly determined by your desires, tastes, preferences, beliefs, hopes, fears, values, etc. rather than by other things.


Da stimme ich natürlich vollständig zu, das ist exakt, was man mit "ich kann tun, was ich will" meint, also mit der - unumstrittenen - Handlungsfreiheit. Will man noch genauer unterscheiden, könnte man im Sinne obiger Aussage von "Präferenzsteuerung" sprechen, das ist immer noch deutlich weniger irreführend als "Willensfreiheit", finde ich.
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Tom der Dino
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Beitrag(#1686140) Verfasst am: 12.09.2011, 15:46    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Aaron Sloman hat folgendes geschrieben:
In this sense you are free to the extent that your decisions and actions are mainly determined by your desires, tastes, preferences, beliefs, hopes, fears, values, etc. rather than by other things.


Da stimme ich natürlich vollständig zu, das ist exakt, was man mit "ich kann tun, was ich will" meint, also mit der - unumstrittenen - Handlungsfreiheit. Will man noch genauer unterscheiden, könnte man im Sinne obiger Aussage von "Präferenzsteuerung" sprechen, das ist immer noch deutlich weniger irreführend als "Willensfreiheit", finde ich.


Ah ok, jetzt ist es klar. Ich schließe mich an.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1686195) Verfasst am: 12.09.2011, 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

Ich verstehe unter 'Handlungsfreiheit' etwas anderes, da 'Handlungen' in meinem Sprachgebrauch immer auch etwas Äußeres sind. Gedanken und Überlegungen sind demnach keine Handlungen.

Wenn man aber 'Handlung' so definieren will: "jede absichtsvolle, zielgerichtete Aktivität"

- dann ist mein Begriff von 'Willensfreiheit' tatsächlich fast identisch mit dem der Handlungsfreiheit, (bzw. 'innere Handlungsfreiheit'): Das Handeln einer Person gilt als frei, wenn es ihr möglich ist, das zu tun, was sie will, also ihrer Natur, Interessen und Motiven zu folgen.

Ergänzend wäre wohl nur zu sagen, dass "ihre Natur, Interessen und Motiven" hier nicht als etwas völlig Statisches gedacht werden sollte, sondern überdacht / hinterfragt und evtl. teilweise selber oder mit Hilfe von anderen geändert werden kann.

Abgesehen davon, dass mir "Präferenzsteuerung" nicht gefällt, das trifft es mE nicht, ist "freier Wille" einfach der gebräuchliche philosophische Begriff für dieses Thema.

Und außerdem meine ich, dass mein Konzept davon das allgemeine Konzept des freien Willens im Wesentlichen hinreichend abdeckt.
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step
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Beitrag(#1686220) Verfasst am: 12.09.2011, 17:56    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe unter 'Handlungsfreiheit' etwas anderes, da 'Handlungen' in meinem Sprachgebrauch immer auch etwas Äußeres sind. Gedanken und Überlegungen sind demnach keine Handlungen.

Das kann man so sehen bzw. definieren, allerdings gibt es dann mE wieder ein Problem bei der oben diskutierten Einschränkung der "WF" auf überlegte Entscheidungen. Du selbst hattest geschrieben, daß für Dich auch spontane, nicht bedachte / überlegte Handlungen Ausdruck von WF seien, oder?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn man aber 'Handlung' so definieren will: "jede absichtsvolle, zielgerichtete Aktivität"

- dann ist mein Begriff von 'Willensfreiheit' tatsächlich fast identisch mit dem der Handlungsfreiheit, (bzw. 'innere Handlungsfreiheit'): Das Handeln einer Person gilt als frei, wenn es ihr möglich ist, das zu tun, was sie will, also ihrer Natur, Interessen und Motiven zu folgen.

Genau, das ist fast identisch mit

Aaron Sloman hat folgendes geschrieben:
In this sense you are free to the extent that your decisions and actions are mainly determined by your desires, tastes, preferences, beliefs, hopes, fears, values, etc. rather than by other things.


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ergänzend wäre wohl nur zu sagen, dass "ihre Natur, Interessen und Motiven" hier nicht als etwas völlig Statisches gedacht werden sollte, sondern überdacht / hinterfragt und evtl. teilweise selber oder mit Hilfe von anderen geändert werden kann.

Richtig, wobei "selber ändern" eine begrifflich diffizile Geschichte ist, da hierfür vorübergehend die Integrität der Person aufgegeben werden muß. Aber das ist ein anderes Thema und ich kann mit dem Ausdruck leben.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Abgesehen davon, dass mir "Präferenzsteuerung" nicht gefällt, das trifft es mE nicht, ...

Aber jemand, der gemäß dem Zitat von Sloman oben "frei" ist, handelt doch im wesentlichen gerade präferenzgesteuert. Ich finde, das zeigt sehr gut, daß diese Art Handlungsfreiheit deterministisch ist, sie kann daher nicht mit den vielen anderen Definitionen und intuitiven Fehleinschätzungen von WF (siehe den von Dir verlinkten Text) verwechselt werden.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... ist "freier Wille" einfach der gebräuchliche philosophische Begriff für dieses Thema.

Thema ist gut ... der Begriff ist halt sehr mißverständlich. Es ist ein bißchen so, als würde man den Begriff "Gott" retten wollen und, da es den traditionellen Gott nicht gibt, in der modernen Philosophie einfach das Universum oder die Naturgesetze als "Gott" bezeichnen, weil der Begriff "philosophisch gebräuchlich" ist für das Thema Letztfragen.

Aber sehen wir es mal positiv: Können wir uns auf die oben zitierte Beschreibung von Freiheit einigen?
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1686269) Verfasst am: 12.09.2011, 19:10    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe unter 'Handlungsfreiheit' etwas anderes, da 'Handlungen' in meinem Sprachgebrauch immer auch etwas Äußeres sind. Gedanken und Überlegungen sind demnach keine Handlungen.

Das kann man so sehen bzw. definieren, allerdings gibt es dann mE wieder ein Problem bei der oben diskutierten Einschränkung der "WF" auf überlegte Entscheidungen. Du selbst hattest geschrieben, daß für Dich auch spontane, nicht bedachte / überlegte Handlungen Ausdruck von WF seien, oder?

Naja, ich meinte damit Entscheidungen, die schon immer bewusst sein / werden müssen. Mit 'spontan' meinte ich eher emotional, intuitiv.

Daher sehe da kein Problem.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... ist "freier Wille" einfach der gebräuchliche philosophische Begriff für dieses Thema.

Thema ist gut ... der Begriff ist halt sehr mißverständlich.

Ja, na gut, der Begriff ist zugegebenermaßen etwas unglücklich. Man sollte ihn einfach als Label für das damit gemeinte Konzept verstehen.

step hat folgendes geschrieben:
Es ist ein bißchen so, als würde man den Begriff "Gott" retten wollen und, da es den traditionellen Gott nicht gibt, in der modernen Philosophie einfach das Universum oder die Naturgesetze als "Gott" bezeichnen, weil der Begriff "philosophisch gebräuchlich" ist für das Thema Letztfragen.

Hm, nee, ich finde, das ist so nicht vergleichbar. 'Gott' ist eh ein schwer fassbares Konzept. Es gibt ja z.B. auch den Pantheismus, das wäre ja dann das Universum als Gott.

Die Frage nach dem freien Willen ist die, inwiefern Menschen frei / autonom / selbstbestimmt entscheiden, überlegen, reflektieren können. Und diese Frage ist sehr alt, siehe z.B. bei den Stoikern. Die zugrundeliegende Frage hat sich mE seitdem nicht geändert, es ist immer noch dasselbe Thema.

step hat folgendes geschrieben:
Aber sehen wir es mal positiv: Können wir uns auf die oben zitierte Beschreibung von Freiheit einigen?

Ja, zusammen mit dem, was ich oben gesagt habe.
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Steffen Rehm
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Wohnort: bei Berlin

Beitrag(#1686522) Verfasst am: 12.09.2011, 23:35    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
.

Ein anderer Punkt bei dieser Diskussion ist immer auch die Frage, wem oder was man den freien Willen zuordnet, bzw. was es bedeutet, wenn man 'ich' sagt. Und das sehe ich schlicht so: ich bin dieser Organismus hier (mitdemfingeraufmichzeig). Und kein Homunkulus in meinem Kopf oder dergleichen. D.h. es ergibt meiner Ansicht nach keinen Sinn, etwa zu sagen: "mein Gehirn entscheidet für mich".

.


Als Illusion wird nicht nur der Begriff „Freiheit“ oft angezweifelt, auch das Wort „Ich“ wird von manchen Kognitionsforschern mit Skepsis betrachtet, weil man bisher keine Spur von einem „Ich“ im Gehirn gefunden hat. Mit dem Wort „llusion" werden die unverstandenen Phänomene einfach vom Tisch gewischt und es bleibt ein blinder Fleck zurück.
„Ich“ habe den Eindruck, daß das „Ich“ mit der Freiheit gekoppelt ist und man nur beide zusammen verstehen kann. Was ist ein „Ich“? Meine Definition lautet:
Das „Ich“ kann durch seine Grenzen beschrieben werden. Als Grenzen sehe ich meinen Wohnort, mein Alter, mein Gewicht, meine Haut, die Grenzen meiner Kraft, Geduld, meines Wissens, auch innerliche Grenzen der Organe usw., jedes „Ich“ ist in komplexen Grenzen zu definieren.
Das „Ich“ verfügt in Grenzen über die Präferenzen, und das „Ich“ verfügt über das, was Aristoteles von freien Handlungen fordert: Wissen.

Auch das Wissen gehört wie „Freiheit“ und „Ich“ zu den ungelösten Grenz-Rätseln und man wird wohl am Besten alle drei zusammen analysieren.
Das schillernde Wort „Bewußtsein“ kann in dem Zusammenhang auftauchen. Bewußtsein ist ein Sein mit Wissen, und dieses menschliche Wissen ist nicht ein „Abbild“ der Realität sonder eher wie ein „Video“, indem es zeitlich geordnet ist und bewegte Bilder, Melodien und alle Arten von Sequenzen speichern kann, z.B. Gedichte, Schachpartien, Reiseerlebnisse usw.
Es ist ein rätselhaftes Wissen, das auch den Umgang mit Symbolen und Sprache möglich macht und zur Bildung von Präferenzen und sinnvollen Entscheidungen beiträgt.
Die Hirnforschung hat mit dem Konzept der „neuronalen Netze“ schon einen Ansatz zur Erklärung des menschlichen Wissens, aber der reicht noch nicht zur
Modellierung, wie Wissen im Gedächtnis organisiert ist.
In der Informationswissenschaft sieht man das Rätsel des menschlichen Wissens darin, dass mit ihm ein „assoziativer“ Aufruf von Gedächtnisinhalten möglich ist. Dieser „assoziative Aufruf“ kann mit den digitalen Speichern der Computer nicht simuliert werden, bei denen unter einer bestimmten Adresse immer nur eine festgelegte Information aufgerufen werden kann.
Deshalb kann man bei Computern nicht von Sinn und Freiheit sprechen, Computer sind Rechensklaven ohne Verständnis von Sinn. Wahrscheinlich bezweifeln viele kluge Leute die Freiheit, weil sie im Computer ein Modell des menschlichen Verstandskastens sehen wollen und keinerlei Freiheit in seiner digital-determinierten Tätigkeit finden.
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VanHanegem
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Beitrag(#1686600) Verfasst am: 13.09.2011, 01:49    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Keine Ahnung, was Du mit 'freiem-Willen-Model' meinst. Der Frage bist Du ja beflissentlich ausgewichen.

Damit meine ich die Marotte einer gewissen religiös angehauchten Fraktion, den Menschen als ein von freiem Willen beseeltes Wesen darstellen zu wollen. Da bin ich der falsche Ansprechpartner, ich lasse diese Fraktion lieber selbst zu wort kommen:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
WF in meinem Sinne existiert. Ich habe zumindest noch niemals in meinem ganzen Leben ein rationales Argument dafür gehört, dass sie nicht existieren würde und ich habe schon viele Diskussionen darüber geführt.

oder so:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wie oben schon gesagt, ist WF meiner Ansicht nach für viele Leute grundlegend für ihr Selbstverständnis (dass sie keine Marionetten sind, sondern ihr Schicksal selber [in Grenzen] beeinflussen können). Und das gilt auch für mich, sehe ich auch so, ist mir wichtig.

Wieso sollte ich Modell definieren, das ich schon in seinen Grundzügen ablehne?


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du scheinst mal wieder den Gegensatz: Freiheit <-> Determinismus zu setzen. Der aber zu begründen ist, da nicht per se plausibel. Normalerweise ist dieser Gegensatz so: Freiheit <-> Zwang / Fremdbestimmung.

Determinismus muß nicht sein. Auch zur Beschreibung stochastischen Verhaltens ist das freie-Willen-Modell (FWM) überflüssig bis kontraproduktiv.
Wenn Du das Ganze an einer Schimäre "Zwang/Fremdbestimmung" aufhängst müßtest Du diese erst mal definieren. In Frage kommen da körperliche/Geistige Gelüste, Suchten, sonstige Formen der Konditionierung (auch kulturell oder durch Erziehung bzw. Gehirnwäsche), Nötigung, oder subtilere Formen von Drohung. Deine Definition wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet, wie Dein folgender Beitrag schön zeigt:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wo die Grenze zwischen 'freier Entscheidung' und 'unfreier Entscheidung' liegt, wird nicht eindeutig bestimmbar sein, nur lebenspraktisch im Einzelfall, (wenn z.B. vor Gericht entschieden wird, ob jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt zurechnungsfähig war oder nicht). Oder aber per genereller Daumenregel, (z.B. volljährig ist man mit 18, strafmündig mit 14).

Das Hirngespinst "Entscheidungsfreiheit" wird auch nicht dadurch real, daß eine mit jeder Menge historisch gewachsenem religiösem Ballast untersetzte Gesetzgebung einen Richter beauftragt darüber zu befinden. Der Hinweis auf die starren Altersgrenzen zeigt dagegen schön, daß am FWM über formaljuristische Spitzfindigkeiten hinaus nix dran ist.


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und Du willst doch nicht ernsthaft fragen, wofür ein von Dir ausgedachtes Modell XY, das Du noch nicht mal darlegen willst, taugen soll? Diese Frage kann man ohne die Fähigkeit zum Gedankenlesen wohl kaum beantworten.

Diese Fähigkeit brauchst Du nicht, das FWM ist eine Erfindung von Dir und Deinesgleichen. Ich habe damit nix am Hut



AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Der Grund ist der: es ist zentral für das Selbstverständnis von Menschen, dass sie keine Puppen sind, dass sie ihr Schicksal durch die Entscheidungen, die sie treffen, kontrollieren können, dass sie sich entschließen können, sorgfältig durchdachte statt irrationaler oder gedankenloser Entscheidungen zu treffen, dass sie keine Sklave ihrer Emotionen sind, dass sie sich korrigieren und verbessern können, dass ihre Handlungen ihre Persönlichkeit demonstrieren, dass sie verantwortlich sind für die Entscheidungen, die sie treffen.

Also: daß nicht sein kann was nicht sein darf.
Ich glauben wir kommen den tatsächlichen Beweggründen Deiner Argumentation näher

Du bringst aber 2 Dinge durcheinander die nichts miteinander zu tun haben: ob das FWM als juristische Arbeitshypothese in einem demokratisch freiheitlichen Staat sinnvoll sei, das ist eine völlig andere Kiste.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1686605) Verfasst am: 13.09.2011, 03:31    Titel: Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
Wieso sollte ich Modell definieren, das ich schon in seinen Grundzügen ablehne?

Nun, Du könntest dann zumindest die von Dir abgelehnten Grundzüge explizit benennen und sagen, warum Du die ablehnst.

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
Wenn Du das Ganze an einer Schimäre "Zwang/Fremdbestimmung" aufhängst müßtest Du diese erst mal definieren. [...] Das Hirngespinst "Entscheidungsfreiheit" wird auch nicht dadurch real, daß eine mit jeder Menge historisch gewachsenem religiösem Ballast untersetzte Gesetzgebung einen Richter beauftragt darüber zu befinden.

Die meisten unserer (historisch gewachsenen) Alltagskonzepte sind unscharf und dennoch ist eine Verständigung darüber meist möglich, auch ohne dass man alle Begriffe bis ins letzte Detail unanfechtbar definieren muss oder gar kann.

Man mag das zwar bedauern, aber ändern könnte man das nur, wenn man eine bessere / sinnvollere / praktikablere Alternative dazu anzubieten hätte. Wenn nicht, ist das ein völlig irrelevanter Einwand.

Und jedes Konzept ist letztlich ein 'Hirngespinst'. Es gibt jedoch sinnvollere Konzepte und weniger sinnvolle Konzepte.

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
Ich habe damit nix am Hut

Womit hast Du denn was am Hut?

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
Du bringst aber 2 Dinge durcheinander die nichts miteinander zu tun haben: ob das FWM als juristische Arbeitshypothese in einem demokratisch freiheitlichen Staat sinnvoll sei, das ist eine völlig andere Kiste.

Diese Frage habe ich aber hier nicht behandelt.
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Steffen Rehm
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Beitrag(#1686690) Verfasst am: 13.09.2011, 12:39    Titel: Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
das FWM ist eine Erfindung von Dir und Deinesgleichen. Ich habe damit nix am Hut


Ich verstehe vanHanegems Ansicht so:
Alle Gesellschaftssysteme sind voller Zwänge, z. B. im Verkehrsbereich:
Tempolimit, Ampeln, Parkverbote usw. schränken die Freiheit der Individuen stark ein. Viele Menschen stehen im Berufsleben und im Familienleben permanent unter Zwängen und haben Nachteile, wenn sie von ihrer Freiheit, „nein“ gegenüber Vorgesetzten oder Ehepartnern zu sagen, Gebrauch machen.
Diesen Menschen mangelt es völlig an der Erfahrung ihrer Freiheit und deshalb können sie mit diesem „Hirngespinnst“ nicht einverstanden sein. Sie ignorieren dabei, daß die Handlungen von Künstlern, Erfindern, Dissidenten, Deserteuren und spielenden Kindern mit einem deterministischen Modell nicht in Einklang gebracht werden können.
Musterbeispiel für solche Zwangsexistenzen ist Adolf Eichmann, der sich völlig unschuldig fühlte, weil er immer nur Befehle ausgeführt hatte. „Eichmänner“ und „Eichfrauen“ gibts auch heute noch wie Sand am Meer. Für einen guten Monatslohn und „häuslichen Frieden“ nehmen sie ihr Sklavendasein in Kauf.
Die Ablehnung von Freiheit folgt dem Muster vom "Fuchs und den Trauben".
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