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Frage zum freien Willen und der Quantenphysik
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1691745) Verfasst am: 26.09.2011, 19:11    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Mein Punkt hier war, dass man Artefakte nicht auf ihre kausal-mechanische Grundlage reduzieren, d.h. durch komplette Beschreibung dieser sie nicht vollständig erklären kann. Man muss auch einen teleologischen Gesichtspunkt betrachten: wozu ist das gut, welche Funktion hat das, wozu wird das verwendet?

Zwei Einwände:
- Ein Fadenwurm ist kein Artefakt
- das mit der Teleologie "gildet nicht": Wenn ein Artefakt mit einem bestimmten Ziel konstruiert wurde, kann man natürlich diesen Kontext nicht eindeutig aus der Physik des Artefakts voraussagen, denn der Zweck wäre ja eher ein Epiphänomen des Schöpferhirns als eine Eigenschaft des Artefakts.

Im Beispiel des Fadenwurms gibt es ja sowieso keinen Zweck (der Fadenwurm hat keinen Schöpfer und auch keine Intentionen), man könnte also höchstens nach dem Nutzen bzw. noch besser nach dem Use Case einer bestimmten neuronalen Aktivität fragen. Zum Beispiel, eine Bewegung zu steuern. Daran sind aber wieder andere Komponenten beteiligt als nur das Nervensystem. Um also vollständig auf diesen Use Case schließen zu können, müßte man diese Komponenten mit in die Reduktion einschließen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn ich nicht weiß, für was ein Computer gemacht ist oder wofür ein Tisch verwendet wird, dann habe ich das Konzept "Tisch" bzw. "Computer" nicht hinreichend verstanden.

Der Reduktionist behauptet aber auch gar nicht, daß er aus Art und Anordnung der Moleküle eines Tisches die Gedanken von dessen Konstrukteur - also das Konzept - vollständig rückschließen kann, oder vielleicht gar die Kulturhistorie des Tisches. Der Reduktionist sagt nur, daß er aus Art und Lage der Tischmoleküle berechnen kann, was der Tisch tut, welche Eigenschaften er als Ganzes hat usw.

Ich glaube, der Fehler kommt daher, daß wir, wenn wir "Tisch" sagen, nicht nur das Objekt meinen, sondern implizit auch seinen gesamten Kontext.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Und die (abstraktere) Ebene der Funktion ist nicht die Ebene der Moleküle. Und, ja, ich bezweifele, dass die erste Ebene auf die zweite Ebene reduziert werden kann, insofern, als man sagen könnte, die Beschreibung auf der Molekülebene kann hypothetisch die Beschreibung auf der Funktionsebene vollständig ersetzen. Und in dem Sinne bin ich Anti-Reduktionist.

Ich möchte nochmal auf ein Beispiel zurückkommen, das den kulturellen Kontext extremer herausstellt: Die Voraussage der Eigenschaften von Wasser rein aus der Physik. Würdest Du da auch sagen, das geht prinzipiell nicht, weil man z.B. aus den Molekülen niemals voraussagen kann, welche Bedeutung Wasser für Menschen in der Wüste hat?
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
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Beitrag(#1691826) Verfasst am: 26.09.2011, 23:17    Titel: Antworten mit Zitat

Ein Lebewesen ist kein Artefakt, stimmt, aber Teleologie kann man auch bei Lebewesen anwenden, wenn man Zusammenhänge verstehen will, es braucht dazu keinen Schöpfer oder (bewusste) Intentionen.

Wozu sind Augen gut, wozu Krallen, was macht das Wesen mit seinen Geschlechtsorganen, welche Funktion hat all das, was wird damit erreicht, was sind die Vorteile all dessen?

Das sind doch Fragen, die interessant sind, nicht nur die Frage nach der physikalischen kausal-mechanischen Grundlage, der konkreten materiellen Zusammensetzung, auf die man eben nicht alles zurückführen kann, ('ableiten' ist was anderes als 'zurückführen' - für 'ableiten' benötigt man Zusatzwissen).

Die Funktion kann nicht auf Moleküle und deren Zusammensetzung zurückgeführt (= reduziert) werden, denn dies kann auch anders sein und dennoch die gewünschte Funktion gewährleisten.

Und daher kann man auch nicht die Beschreibung einer Funktion durch die Beschreibung einer spezifischen materiellen Realisierung dieser Funktion ersetzen.

Wie gesagt, das ist unabhängig davon, ob man aus der spezifischen materiellen Grundlage die Funktion mit zusätzlichem Wissen ableiten kann. Kann und tut man das, dann ist man wieder auf der höheren, abstrakteren Ebene der Funktion und nicht mehr auf der darunterliegenden Ebene der Materie, durch die diese Funktion realisiert wurde.

Bei Artefakten kommt noch zusätzlich der kulturelle Gebrauch des Artefaktes hinzu, (und nicht lediglich die Absicht des Schöpferhirnes), den man kennen muss, um das Artefakt hinreichend verstehen zu können.

Es ist mE auch kein 'Fehler', dass unsere Sprache nicht nur einzelne abgrenzbare Objekte, z.B. einen bestimmten Tisch, bezeichnet, es gehört einfach zu unserer Kommunikation dazu, (ist mE eine zum Verstehen wichtige Funktion), zu generalisieren und zu abstrahieren. Und diese Generalisierung kann nicht durch die Aufzählung von einzelnen Objekten, die 'Tisch' oder 'Computer' sein sollen, ersetzt werden. Außerdem ist es der Sprache immanent, dass diese Konzepte nicht statisch und eindeutig bestimmt sind, sondern das sind an den Rändern unscharfe Konzepte. Es mag in vielen Fällen strittig sein, ob dieses Objekt dort ein Tisch ist oder nicht - es gibt AFAIK keine eindeutige und allgemein akzeptierte Definition von 'Tisch'.

Und zu Deiner Frage mit dem Wasser: ja, in der Tat meine ich, dass ein Wissen über das Konzept 'Wasser' viel mehr beinhalten müsste als lediglich das Wissen um die chemische Zusammensetzung. Wenn jemand über Wasser nur wüsste, dass Wasser H2O ist, dann weiß er so gut wie gar nichts darüber. Auch wenn er zusätzlich wüsste, dass Wasser bei 0° Celsius friert und bei 100° Celsius verdampft, wäre das noch nicht besonders viel.

Wenn ich in der Wüste liege und am Verdursten bin, dann nutzt mir dieses Wissen gar nichts. Es wäre dann unglaublich viel hilfreicher, wenn ich a) wüsste, dass ich Wasser benötige, um meinen Durst zu lindern und so zu überleben und b) wüsste, wo ich Wasser finden kann.

Und nun gibt es gar nicht 'den Reduktionisten'.

Man unterscheidet (beschränken wir uns auf Biologie):

- ontologischen Reduktionismus (= jedes einzelne biologische System, auch Organismen, ist durch nichts als Moleküle und deren Interaktion realisiert)

- methodologischen Reduktionismus (= biologische Systeme werden am besten / erfolgreichsten durch Untersuchung der untersten Ebenen beschrieben)

- epistemischer Reduktionismus (= das Wissen einer höheren Ebene kann durch das Wissen einer niedrigeren Ebene völlig ersetzt werden, hier: die biologische Beschreibungsebene kann durch die physikalische Beschreibungsebene ersetzt werden)

Ontologischer Reduktionismus ist im Prinzip dasselbe wie Naturalismus, bzw. wer ontologischen Reduktionismus ablehnt, kann kein Naturalist sein.

Methodologischer Realismus kann in einzelnen Fällen richtig sein, ob er allgemein richtig ist, ist aber wohl ziemlich strittig.

Eigentlich interessant ist hier der der epistemische Reduktionismus. Ich bin epistemischer Anti-Reduktionist.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1691837) Verfasst am: 26.09.2011, 23:36    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und zu Deiner Frage mit dem Wasser: ja, in der Tat meine ich, dass ein Wissen über das Konzept 'Wasser' viel mehr beinhalten müsste als lediglich das Wissen um die chemische Zusammensetzung.

Das würde jeder Reduktionist unterschreiben. Es geht um die Eigenschaften von Wasser, die nicht Eigenschaften seiner Moleküle sind, z.B. Flüssigkeit, Farbe oder Dielektrizitätskonstante.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
- epistemischer Reduktionismus (= das Wissen einer höheren Ebene kann durch das Wissen einer niedrigeren Ebene völlig ersetzt werden, hier: die biologische Beschreibungsebene kann durch die physikalische Beschreibungsebene ersetzt werden)

Dazu müßte man ja im Falle von Wasser zeigen, daß es Eigenschaften hat, die man nicht aus seinen molekularen Bestandteilen voraussagen kann. Es zählen aber in diesem Fall natürlich keine Eigenschaften von Wüsten, Menschen oder dgl.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
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Beitrag(#1691838) Verfasst am: 26.09.2011, 23:40    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Und nun gibt es gar nicht 'den Reduktionisten'.

Man unterscheidet (beschränken wir uns auf Biologie):

- ontologischen Reduktionismus (= jedes einzelne biologische System, auch Organismen, ist durch nichts als Moleküle und deren Interaktion realisiert)

- methodologischen Reduktionismus (= biologische Systeme werden am besten / erfolgreichsten durch Untersuchung der untersten Ebenen beschrieben)

- epistemischer Reduktionismus (= das Wissen einer höheren Ebene kann durch das Wissen einer niedrigeren Ebene völlig ersetzt werden, hier: die biologische Beschreibungsebene kann durch die physikalische Beschreibungsebene ersetzt werden)

Ontologischer Reduktionismus ist im Prinzip dasselbe wie Naturalismus, bzw. wer ontologischen Reduktionismus ablehnt, kann kein Naturalist sein.

Methodologischer Realismus kann in einzelnen Fällen richtig sein, ob er allgemein richtig ist, ist aber wohl ziemlich strittig.

Eigentlich interessant ist hier der der epistemische Reduktionismus. Ich bin epistemischer Anti-Reduktionist.

Ich will euch ja nicht in eurer gelehrten Diskussion stören. Für das meiste bin ich einfach zu blöd, aber der markierte Satz scheint mir zweifelhaft, jedenfalls unter der Voraussetzung, daß Naturalismus nicht philosophisch verstanden wird (davon habe ich wieder keine Ahnung, und es ist mir auch egal) sondern praktisch, nämlich als die Vorstellung, daß es in dieser Welt natürlich zugeht.

Ontologischer Reduktionismus ist dagegen eine Aussage über das "Wesen" dieser Welt (also wieder Philosophie) und ich muß keine Aussage über das "Wesen" dieser Welt machen (was meiner Ansicht gar nicht möglich ist), um von einem praktische oder methodischen Naturalismus auszugehen. Daß Reduktionismus in der Praxis nicht funktioniert, dafür gibt es nun soviele Beispiele, daß darüber die Diskussion kaum noch lohnt (wohlgemerkt die praktische. Philosophisch kann man offenbar über die absurdesten Thesen am längsten diskutieren - Metaphysik eben).

Sorry, wollte euch nicht stören, aber weil ihr es unter Wissenschaft und Technik diskutiert und nicht unter Weltanschauungen, dachte ich mir, ich sag mal was. zwinkern
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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step
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Beitrag(#1691839) Verfasst am: 26.09.2011, 23:42    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein Lebewesen ist kein Artefakt, stimmt, aber Teleologie kann man auch bei Lebewesen anwenden, wenn man Zusammenhänge verstehen will, es braucht dazu keinen Schöpfer oder (bewusste) Intentionen.

Wozu sind Augen gut, wozu Krallen, was macht das Wesen mit seinen Geschlechtsorganen, welche Funktion hat all das, was wird damit erreicht, was sind die Vorteile all dessen?

Das sind aber keine intentionalen / teleologischen Zusammenhänge, keine Zwecke im allgemeinen Sinne, sondern nur kausale Zusammenhänge, die uns aufgrund des evolutionären Hintergrunds wie Zwecke erscheinen.

Der Pfau schlägt nicht deshalb ein Rad, um seine Frau zu beeindrucken, sondern er tut das, weil Pfauen, die das nicht tun, ausgestorben sind. (jetzt mal egal ob genau das so stimmt)
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1691841) Verfasst am: 26.09.2011, 23:52    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Daß Reduktionismus in der Praxis nicht funktioniert, dafür gibt es nun soviele Beispiele, daß darüber die Diskussion kaum noch lohnt ...

Ich finde, die Reduktion hat bisher auf vielen Gebieten großer Erfolge gefeiert. Warum leuchtet ein Stern? Wieso sind Pflanzen grün? Welche makroskopischen Eigenschaften haben chemische Verbindungen? Leitfähigkeit, Krankheiten, ..., die Liste ist endlos. Eigentlich fehlt nur noch ein einziges Gebiet, nämlich das der höchsten Komplexität: das Gehirn. Und da geht es auch vorwärts.
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Tom der Dino
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Beitrag(#1691844) Verfasst am: 27.09.2011, 00:06    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und zu Deiner Frage mit dem Wasser: ja, in der Tat meine ich, dass ein Wissen über das Konzept 'Wasser' viel mehr beinhalten müsste als lediglich das Wissen um die chemische Zusammensetzung.

Das würde jeder Reduktionist unterschreiben. Es geht um die Eigenschaften von Wasser, die nicht Eigenschaften seiner Moleküle sind, z.B. Flüssigkeit, Farbe oder Dielektrizitätskonstante.


Da komm ich gerade nicht mit. Wenn man die Eigenschaften der Moleküle kennt, kennt man auch die Eigenschaften der Wechselwirkungen der Moleküle. Daraus ergeben sich praktisch die anderen Eigenschaften wie Aggregatzustand, Farbe, Dielektrizitätskonstante etc. Oder habe ich da gerade einen falschen Faden aufgenommen?
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1691848) Verfasst am: 27.09.2011, 00:28    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Man unterscheidet (beschränken wir uns auf Biologie):

- ontologischen Reduktionismus (= jedes einzelne biologische System, auch Organismen, ist durch nichts als Moleküle und deren Interaktion realisiert)[....]

[...] der markierte Satz scheint mir zweifelhaft, jedenfalls unter der Voraussetzung, daß Naturalismus nicht philosophisch verstanden wird (davon habe ich wieder keine Ahnung, und es ist mir auch egal) sondern praktisch, nämlich als die Vorstellung, daß es in dieser Welt natürlich zugeht.

Naja, kannst Du auch so ausdrücken.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Daß Reduktionismus in der Praxis nicht funktioniert, dafür gibt es nun soviele Beispiele, daß darüber die Diskussion kaum noch lohnt (wohlgemerkt die praktische.

Du müsstest erst mal darlegen, was Du unter "Reduktionismus" verstehst. Das ist wie gesagt, nicht eindeutig / selbstverständlich. Ich schätze, dass step etwas anderes darunter versteht als Du, (wenngleich mir auch noch nicht klar ist, was eigentlich, ob er einen ontologischen und / oder einen methodologischen oder / oder einen epistemischen Reduktionismus vertritt).
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1691852) Verfasst am: 27.09.2011, 00:42    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und zu Deiner Frage mit dem Wasser: ja, in der Tat meine ich, dass ein Wissen über das Konzept 'Wasser' viel mehr beinhalten müsste als lediglich das Wissen um die chemische Zusammensetzung.

Das würde jeder Reduktionist unterschreiben. Es geht um die Eigenschaften von Wasser, die nicht Eigenschaften seiner Moleküle sind, z.B. Flüssigkeit, Farbe oder Dielektrizitätskonstante.

Wenn Dich ein Kind fragt: "was ist eigentlich Wasser?", dann würdest Du das dem sicher nicht so erklären. Es ist auch eine Eigenschaft von Wasser, (und nicht nur von uns, unabhängig von Wasser), dass wir es zum Überleben dringend benötigen. Wüsste ein Mensch das nicht, dann wüsste er entschieden zu wenig über Wasser.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
- epistemischer Reduktionismus (= das Wissen einer höheren Ebene kann durch das Wissen einer niedrigeren Ebene völlig ersetzt werden, hier: die biologische Beschreibungsebene kann durch die physikalische Beschreibungsebene ersetzt werden)

Dazu müßte man ja im Falle von Wasser zeigen, daß es Eigenschaften hat, die man nicht aus seinen molekularen Bestandteilen voraussagen kann. Es zählen aber in diesem Fall natürlich keine Eigenschaften von Wüsten, Menschen oder dgl.

Ja, aber selbst wenn man Wasser in diesem Sinne reduzieren kann, (Wasser == H2O), bedeutet das noch lange nicht, dass man alles ebenso in diesem Sinne reduzieren kann.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1691854) Verfasst am: 27.09.2011, 00:56    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein Lebewesen ist kein Artefakt, stimmt, aber Teleologie kann man auch bei Lebewesen anwenden, wenn man Zusammenhänge verstehen will, es braucht dazu keinen Schöpfer oder (bewusste) Intentionen.

Wozu sind Augen gut, wozu Krallen, was macht das Wesen mit seinen Geschlechtsorganen, welche Funktion hat all das, was wird damit erreicht, was sind die Vorteile all dessen?

Das sind aber keine intentionalen / teleologischen Zusammenhänge, keine Zwecke im allgemeinen Sinne, sondern nur kausale Zusammenhänge, die uns aufgrund des evolutionären Hintergrunds wie Zwecke erscheinen.

Der Pfau schlägt nicht deshalb ein Rad, um seine Frau zu beeindrucken, sondern er tut das, weil Pfauen, die das nicht tun, ausgestorben sind. (jetzt mal egal ob genau das so stimmt)

Eine teleologische Erklärung ist aber dabei mE unabdingbar für ein bessers Verständnis von Lebewesen.

Teleologie bedeutet mE nicht, dass das damit Beschriebene intentional hervorgebracht wurde, es einen Schöpfer, ein absichtlich hervorgebrachtes Ziel geben müsse.

Sinnesorgane, Krallen, Flügel, Gliedmaßen und Fortpflanzung erfüllen sehr wohl einen Zweck, sie sind zu etwas gut, zu etwas nützlich.

Wenn Du immer nur sagen würdest: "Krallen sind da, weil wenn Katzen keine Krallen hätten, sie ausgestorben wären", "Augen sind da, weil wenn Lebewesen keine Augen hätten, sie ausgestorben wären", Du also nur die kausalen Zusammenhänge darstellst, dann ist das keine Erklärung. Abgesehen davon, dass das nicht stimmt, es gibt ja Lebewesen ohne Krallen und Lebewesen ohne Augen.
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zelig
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Beitrag(#1691873) Verfasst am: 27.09.2011, 07:55    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe eine Frage. Müsste ein ontologischer Reduktionist, der Definition APs folgend, nicht letztlich der Auffassung sein, daß die Welt vollständig mathematisch beschreibbar ist? Oder sehe ich das falsch?

Interessante Diskussion übrigens.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1691877) Verfasst am: 27.09.2011, 08:23    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Daß Reduktionismus in der Praxis nicht funktioniert, dafür gibt es nun soviele Beispiele, daß darüber die Diskussion kaum noch lohnt (wohlgemerkt die praktische.

Du müsstest erst mal darlegen, was Du unter "Reduktionismus" verstehst. Das ist wie gesagt, nicht eindeutig / selbstverständlich. Ich schätze, dass step etwas anderes darunter versteht als Du, (wenngleich mir auch noch nicht klar ist, was eigentlich, ob er einen ontologischen und / oder einen methodologischen oder / oder einen epistemischen Reduktionismus vertritt).

Reduktionismus ist die Vorstellung, daß nach der alles in dieser Welt durch seine (kleinsten) Bestandteile bestimmt wird und auch nur von ihnen aus erklärbar ist. Nun ist aber ganz offensichtlich, daß es dann bis heute keine gültigen Erklärungen gäbe, denn wir wissen bis heute nicht, was die kleinsten Bausteine dieser Welt sind. Man kann also mit einigem Recht sagen, daß Wissenschaft nur deshalb überhaupt möglich ist, weil diese Welt nicht reduktionistisch ist.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1691878) Verfasst am: 27.09.2011, 08:28    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Daß Reduktionismus in der Praxis nicht funktioniert, dafür gibt es nun soviele Beispiele, daß darüber die Diskussion kaum noch lohnt ...

Ich finde, die Reduktion hat bisher auf vielen Gebieten großer Erfolge gefeiert. Warum leuchtet ein Stern? Wieso sind Pflanzen grün? Welche makroskopischen Eigenschaften haben chemische Verbindungen? Leitfähigkeit, Krankheiten, ..., die Liste ist endlos. Eigentlich fehlt nur noch ein einziges Gebiet, nämlich das der höchsten Komplexität: das Gehirn. Und da geht es auch vorwärts.

Ich halte das für einen Irrtum. Natürlich kann man Systeme gelegentlich aus ihren Bestandteilen erklären, aber der Reduktionismus behauptet ja mehr, nömlich daß man bei dieser Reduktion selbst das Allergrößte aus den Eigenschaften des Allerkleinsten erklären kann. Das scheitert zum einen daran, daß wir das "Allerkleinste" bis heute nicht kennen, und es ziemlich ungewiß ist, ob wir es je kennen werden, zum anderen daran, daß wir schon seit Jahrhunderten erfolgreich Wissenschaft betreiben. Wenn die Reduktionisten Recht hätten, wäre das nicht möglich.
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Tom der Dino
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Beiträge: 3949

Beitrag(#1691884) Verfasst am: 27.09.2011, 08:51    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein Lebewesen ist kein Artefakt, stimmt, aber Teleologie kann man auch bei Lebewesen anwenden, wenn man Zusammenhänge verstehen will, es braucht dazu keinen Schöpfer oder (bewusste) Intentionen.

Wozu sind Augen gut, wozu Krallen, was macht das Wesen mit seinen Geschlechtsorganen, welche Funktion hat all das, was wird damit erreicht, was sind die Vorteile all dessen?

Das sind aber keine intentionalen / teleologischen Zusammenhänge, keine Zwecke im allgemeinen Sinne, sondern nur kausale Zusammenhänge, die uns aufgrund des evolutionären Hintergrunds wie Zwecke erscheinen.

Der Pfau schlägt nicht deshalb ein Rad, um seine Frau zu beeindrucken, sondern er tut das, weil Pfauen, die das nicht tun, ausgestorben sind. (jetzt mal egal ob genau das so stimmt)

Eine teleologische Erklärung ist aber dabei mE unabdingbar für ein bessers Verständnis von Lebewesen.

Teleologie bedeutet mE nicht, dass das damit Beschriebene intentional hervorgebracht wurde, es einen Schöpfer, ein absichtlich hervorgebrachtes Ziel geben müsse.

Sinnesorgane, Krallen, Flügel, Gliedmaßen und Fortpflanzung erfüllen sehr wohl einen Zweck, sie sind zu etwas gut, zu etwas nützlich.

Wenn Du immer nur sagen würdest: "Krallen sind da, weil wenn Katzen keine Krallen hätten, sie ausgestorben wären", "Augen sind da, weil wenn Lebewesen keine Augen hätten, sie ausgestorben wären", Du also nur die kausalen Zusammenhänge darstellst, dann ist das keine Erklärung. Abgesehen davon, dass das nicht stimmt, es gibt ja Lebewesen ohne Krallen und Lebewesen ohne Augen.


Teleologie benötigt immer einen Designer oder jemanden/etwas das die Idee vor der Existenz hatte. Teleologie kommt dadurch auch ohne Kausalität aus. Das was du meinst nennt sich Teleonomie. Zumindest sagt das Wikipedia.
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Tom der Dino
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Anmeldungsdatum: 20.07.2011
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Beitrag(#1691885) Verfasst am: 27.09.2011, 08:59    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Daß Reduktionismus in der Praxis nicht funktioniert, dafür gibt es nun soviele Beispiele, daß darüber die Diskussion kaum noch lohnt (wohlgemerkt die praktische.

Du müsstest erst mal darlegen, was Du unter "Reduktionismus" verstehst. Das ist wie gesagt, nicht eindeutig / selbstverständlich. Ich schätze, dass step etwas anderes darunter versteht als Du, (wenngleich mir auch noch nicht klar ist, was eigentlich, ob er einen ontologischen und / oder einen methodologischen oder / oder einen epistemischen Reduktionismus vertritt).

Reduktionismus ist die Vorstellung, daß nach der alles in dieser Welt durch seine (kleinsten) Bestandteile bestimmt wird und auch nur von ihnen aus erklärbar ist. Nun ist aber ganz offensichtlich, daß es dann bis heute keine gültigen Erklärungen gäbe, denn wir wissen bis heute nicht, was die kleinsten Bausteine dieser Welt sind. Man kann also mit einigem Recht sagen, daß Wissenschaft nur deshalb überhaupt möglich ist, weil diese Welt nicht reduktionistisch ist.


Das fett gedruckte ist mir nicht klar. Jedes System besteht aus Teilen. Wenn man sich pyroklastische Ströme anschaut, so sind diese laut Wiki Feststoff-Gasgemische. Dabei ist relativ unerheblich, aus welchem Material der Feststoff und das Gas bestehen. Im Labor kann man sogar Feststoff in Wasser tun und damit diese Ströme simulieren. In einem gewissen Bereich stimmen die Eigentschaften des Laborstromes mit dem in natura vorkommenden überein. Eine vollständige Reduktion auf die molekularen/atomaren/subatomaren Eigenschaften führt nicht zu mehr Erkenntnissen und ist dadurch nicht nötig. Trotzallem ist die Reduktion auf die wesentlichen Eigenschaften geeignet um das System zu charakterisieren.
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Beitrag(#1691901) Verfasst am: 27.09.2011, 09:55    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Sinnesorgane, Krallen, Flügel, Gliedmaßen und Fortpflanzung erfüllen sehr wohl einen Zweck, ...

Ich denke, "Zweck" ist hier umgangssprachlich üblich, aber eigentlich falsch. Ansonsten siehe TomDerDino

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... sie sind zu etwas ... nützlich.

Wenn Du "nützlich" im Sinne eines Use Case meinst, also wie es benutzt wird, dann stimme ich zu.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn Du immer nur sagen würdest: "Krallen sind da, weil wenn Katzen keine Krallen hätten, sie ausgestorben wären", "Augen sind da, weil wenn Lebewesen keine Augen hätten, sie ausgestorben wären", Du also nur die kausalen Zusammenhänge darstellst, dann ist das keine Erklärung.

Das sage ich nun aber nicht. Die kausalen Zusammenhänge beinhalten auch eine Erklärung dafür, wie es kommt, daß Lebewesen mit Augen in einer bestimmten Situation Selektionsvorteile hatten. Dabei würde man dann alerdings nicht das Auge reduzieren, sondern eher einen bestimmten Evolutionsschritt oder so.
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Beitrag(#1691904) Verfasst am: 27.09.2011, 10:05    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe eine Frage. Müsste ein ontologischer Reduktionist, der Definition APs folgend, nicht letztlich der Auffassung sein, daß die Welt vollständig mathematisch beschreibbar ist? Oder sehe ich das falsch?

AP würde das vermutlich verneinen, mit den folgenden Begründungen, von denen ich den ersten beiden zustimmen würde:

- wir haben bisher von den Elementarteilchen keine rein mathematische Beschreibung, daher fehlt die Vollständigkeit

- es könnte reine Epiphänomene geben, deren mathematische Modellierung wir dennoch nicht leisten können (Unberechenbarkeit), Du müßtest also zumindest ein "prinzipiell" hinzufügen

- jedes Phänomen hat seinen Bedeutungskontext. Der gehört, epistemisch gesehen, zu seinen Eigenschaften, kann aber nicht allein aus den Bestandteilen des Objekts berechnet werden.

Ein Problem habe ich nur mit dem letzten Argument, und zwar dem "Eigenschaften"-Teil, siehe die Diskussion.
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Beitrag(#1691910) Verfasst am: 27.09.2011, 10:17    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn Dich ein Kind fragt: "was ist eigentlich Wasser?", dann würdest Du das dem sicher nicht so erklären.

Natürlich nicht. Für ein Kind ist ja nicht die Reduktion der Eigenschaften von Wasser interessant, sondern eher einige Eigenschaften selbst, die UseCases des Wassers, seine Bedeutung für das Kind.

Es gibt aber auch Fälle, in denen sich Kinder für Reduktion von Phänomenen interessieren, z.B. warum der Himmel blau ist, warum die Banane krumm ist, warum man atmet oder warum der Regen in Tropfen fällt. Niemand sollte da heute mehr eine "schamanistische" Erklärung geben, also quasi so etwas wie das Gegenteil einer reduktionistischen Erklärung. Weil nur die reduktionistischen Erklärungen übertragbar sind (= mehr Wissen beinhalten).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es ist auch eine Eigenschaft von Wasser, (und nicht nur von uns, unabhängig von Wasser), dass wir es zum Überleben dringend benötigen.

Nein, ich würde sagen, das ist eher eine Eigenschaft des Menschen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
- epistemischer Reduktionismus (= das Wissen einer höheren Ebene kann durch das Wissen einer niedrigeren Ebene völlig ersetzt werden, hier: die biologische Beschreibungsebene kann durch die physikalische Beschreibungsebene ersetzt werden)
Dazu müßte man ja im Falle von Wasser zeigen, daß es Eigenschaften hat, die man nicht aus seinen molekularen Bestandteilen voraussagen kann. Es zählen aber in diesem Fall natürlich keine Eigenschaften von Wüsten, Menschen oder dgl.
Ja, aber selbst wenn man Wasser in diesem Sinne reduzieren kann, (Wasser == H2O), bedeutet das noch lange nicht, dass man alles ebenso in diesem Sinne reduzieren kann.

Ja, richtig. Ich wollte mit einem zustimmungsfähigen Beispiel anfangen, damit es leichter ist, bei den zunehmend komplexeren Fällen den wesentlichen Unterschied an die Wand zu nageln. Wenn wir uns beim Wasser einig wären, könnte man als nächstes fragen, wo der für diese Frage wesentliche Unterschied zum Fadenwurm liegt. Oder vielleicht noch einen Zwischenschritt einlegen.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1691916) Verfasst am: 27.09.2011, 10:44    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Reduktionismus ist die Vorstellung, daß nach der alles in dieser Welt durch seine (kleinsten) Bestandteile bestimmt wird und auch nur von ihnen aus erklärbar ist.


Das fett gedruckte ist mir nicht klar. Jedes System besteht aus Teilen. Wenn man sich pyroklastische Ströme anschaut, so sind diese laut Wiki Feststoff-Gasgemische. Dabei ist relativ unerheblich, aus welchem Material der Feststoff und das Gas bestehen. Im Labor kann man sogar Feststoff in Wasser tun und damit diese Ströme simulieren. In einem gewissen Bereich stimmen die Eigentschaften des Laborstromes mit dem in natura vorkommenden überein. Eine vollständige Reduktion auf die molekularen/atomaren/subatomaren Eigenschaften führt nicht zu mehr Erkenntnissen und ist dadurch nicht nötig. Trotzallem ist die Reduktion auf die wesentlichen Eigenschaften geeignet um das System zu charakterisieren.

Wenn ich das richtig verstanden haben, ist das Funktionieren von pyroklastischen Strömen ziemlich unabhängig davon, woraus sie bestehen. Das bedeutet aber, daß aus den Eigenschaften ihrer Bestandteile das Funktionieren eines solchen Stroms nicht erklärt werden kann. Das aber behauptet der Reduktionismus. So gibt es zahlreiche Beispiele, wo das Funktionieren eines Systems sich nicht aus den Eigenschaften seiner Bestandteile ergibt, sondern aus deren Anordnung zueinander.

Wir kommen hier zum Stichwort "Emergenz", nichts Geheimnisvolles, nur die simple Tatsache, daß in einer bestimmten Weise angeordnete Elemente Eigenschaften haben können, die die einzelnen Elemente nicht haben. Die Härte von Stahl ist ein triviales Beispiel. Atome bestehen aus Einzelteilen, und trotzdem kann ich das Verhalten von Atomen beschreiben, ohne diese Einzelteile zu kennen. Anders herum besteht jedes Lebewesen aus einer bestimmten Anordnung von Atomen und Molekülen, und dem Zusammenspiel zwischen ihnen, und trotzdem würde niemand versuchen, für das biologische "Funktionieren" der Lebewesen eine physikalische Formel zu finden.
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Höhlenbär
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Anmeldungsdatum: 04.03.2007
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Beitrag(#1691919) Verfasst am: 27.09.2011, 10:49    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe eine Frage. Müsste ein ontologischer Reduktionist, der Definition APs folgend, nicht letztlich der Auffassung sein, daß die Welt vollständig mathematisch beschreibbar ist? Oder sehe ich das falsch?


Ich bezeichne mich (auf Anfrage) schon einmal als Determinist. Bei den anderen hier zur Debatte stehenden -ismen würde ich mir aber albern vorkommen, wenn ich sie als Etikett verpasst bekäme. Aus dem Determinismus kann man immerhin noch logisch zwingend die Unmöglichkeit von freiem Willen ableiten (um einmal kurz zum Thema ab zu schweifen zwinkern ). Die Reduktionismen sehe ich abgestuft weniger grundlegend, sondern eher pragmatisch.

Es könnte die Zeit gekommen sein, Synergie wieder stärker zu diskutieren. Dieses Wort war einmal dabei, sich als Oberbegriff für das Studium aller Arten von emergenten Phänomenen zu etablieren. Dann wurde er vom Kapitalismus für Firmenfusionen gekapert (ein weiterer seiner Kollateralschäden zwinkern ). Da der Kapitalismus gerade ziemlich diskreditiert ist, könnte man dieses Wort jetzt für ernste Diskussionen reklamieren.

Ein Artikel gefunden auf der Wikipedia-Seite zur Synergie,
Synergism Hypothesis hat folgendes geschrieben:
Zitat:

What sets the present era apart is the fact that the scientific enterprise seems to be in the process of bridging the theoretical chasm between holism and reductionism

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Tom der Dino
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Anmeldungsdatum: 20.07.2011
Beiträge: 3949

Beitrag(#1691926) Verfasst am: 27.09.2011, 11:19    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Reduktionismus ist die Vorstellung, daß nach der alles in dieser Welt durch seine (kleinsten) Bestandteile bestimmt wird und auch nur von ihnen aus erklärbar ist.


Das fett gedruckte ist mir nicht klar. Jedes System besteht aus Teilen. Wenn man sich pyroklastische Ströme anschaut, so sind diese laut Wiki Feststoff-Gasgemische. Dabei ist relativ unerheblich, aus welchem Material der Feststoff und das Gas bestehen. Im Labor kann man sogar Feststoff in Wasser tun und damit diese Ströme simulieren. In einem gewissen Bereich stimmen die Eigentschaften des Laborstromes mit dem in natura vorkommenden überein. Eine vollständige Reduktion auf die molekularen/atomaren/subatomaren Eigenschaften führt nicht zu mehr Erkenntnissen und ist dadurch nicht nötig. Trotzallem ist die Reduktion auf die wesentlichen Eigenschaften geeignet um das System zu charakterisieren.

Wenn ich das richtig verstanden haben, ist das Funktionieren von pyroklastischen Strömen ziemlich unabhängig davon, woraus sie bestehen. Das bedeutet aber, daß aus den Eigenschaften ihrer Bestandteile das Funktionieren eines solchen Stroms nicht erklärt werden kann. Das aber behauptet der Reduktionismus. So gibt es zahlreiche Beispiele, wo das Funktionieren eines Systems sich nicht aus den Eigenschaften seiner Bestandteile ergibt, sondern aus deren Anordnung zueinander.


Diese Argumentation läuft Gefahr überzudifferenzieren. Die Anordnung der Bestandteile zueinander ist im gewissen Sinne in den Eigenschaften der Bestandteile mitenthalten. So gehört der Abstand zum nächsten Teilchen durchaus zur Eigenschaft eines Teilchens. Daraus ergibt sich zum Teil der Druck, die Temperatur und die Beweglichkeit etc. Trennt man diese Eigenschaften ab und nennt sie emergent, ist das nur eine semantische Spielerei.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wir kommen hier zum Stichwort "Emergenz", nichts Geheimnisvolles, nur die simple Tatsache, daß in einer bestimmten Weise angeordnete Elemente Eigenschaften haben können, die die einzelnen Elemente nicht haben. Die Härte von Stahl ist ein triviales Beispiel. Atome bestehen aus Einzelteilen, und trotzdem kann ich das Verhalten von Atomen beschreiben, ohne diese Einzelteile zu kennen.

Atome sind ein schwieriges Beispiel. Wenn man tatsächlich nur beschreibt, ist das kein Problem, aber man schafft keine Zusammenhänge ohne die Kenntnis der inneren Struktur. So lassen sich die Schrägbeziehungen im Periodensystem der Elemente relativ leicht aus den subatomaren Strukturen erklären, während diese auf atomarer Ebene eher dogmatisch zu akzeptieren sind.
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Anders herum besteht jedes Lebewesen aus einer bestimmten Anordnung von Atomen und Molekülen, und dem Zusammenspiel zwischen ihnen, und trotzdem würde niemand versuchen, für das biologische "Funktionieren" der Lebewesen eine physikalische Formel zu finden.

Genaugenommen tun wir das schon. Wir sind nur immer noch am Anfang des Weges. Das Beispiel des Fadenwurms kam auf, man kann aber auch einfacher mit Viren anfangen. Diese sind auf molekularer, chemischer Ebene einfacher zu verstehen. Die Chemie ist letztendlich nur ein Teilgebiet der Physik. Sie beschäftigt sich mit elektronischen (Im Sinne von Elektronen) Wechselwirkungen zwischen Atomen und Molekülen unter Einfluss anderer physikalischer Parameter wie Energie, Druck, Temperatur, Stoffmenge und so weiter und so fort.

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Edit: sub
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Höhlenbär
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Beiträge: 147

Beitrag(#1691930) Verfasst am: 27.09.2011, 11:34    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe eine Frage. Müsste ein ontologischer Reduktionist, der Definition APs folgend, nicht letztlich der Auffassung sein, daß die Welt vollständig mathematisch beschreibbar ist? Oder sehe ich das falsch?


Ich zitiere das noch einmal. Vorhin wollte ich schon bestätigen, dass Du das falsch siehst, habe es aber irgendwie vergessen... zwinkern

Etwas, das nur mathematisch beschrieben ist, bleibt immer in der Sphäre der Logik. Die Welt ist aber, was der Fall ist. Auch ontologische Reduktionisten können nicht hinter Wittgenstein zurück wollen. Zur vollständigen Beschreibung der Welt gehören also als zweite Sphäre alle Dokumente über zutreffende Sachverhalte, und eine Erkenntnistheorie zur Verbindung beider Sphären.
Das reduktionistische Projekt wäre nun sozusagen, den Gesamtumfang der Aussagen zu minimieren, und das ontologische dabei wäre, einen Satz von penetrant wiederkehrenden Befunden als Substrat der Realität anzunehmen.
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Beitrag(#1691940) Verfasst am: 27.09.2011, 12:22    Titel: Antworten mit Zitat

Höhlenbär hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe eine Frage. Müsste ein ontologischer Reduktionist, der Definition APs folgend, nicht letztlich der Auffassung sein, daß die Welt vollständig mathematisch beschreibbar ist? Oder sehe ich das falsch?


Ich zitiere das noch einmal. Vorhin wollte ich schon bestätigen, dass Du das falsch siehst, habe es aber irgendwie vergessen... zwinkern

Etwas, das nur mathematisch beschrieben ist, bleibt immer in der Sphäre der Logik. Die Welt ist aber, was der Fall ist. Auch ontologische Reduktionisten können nicht hinter Wittgenstein zurück wollen. Zur vollständigen Beschreibung der Welt gehören also als zweite Sphäre alle Dokumente über zutreffende Sachverhalte, und eine Erkenntnistheorie zur Verbindung beider Sphären.
Das reduktionistische Projekt wäre nun sozusagen, den Gesamtumfang der Aussagen zu minimieren, und das ontologische dabei wäre, einen Satz von penetrant wiederkehrenden Befunden als Substrat der Realität anzunehmen.


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Beitrag(#1691946) Verfasst am: 27.09.2011, 12:33    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe eine Frage. Müsste ein ontologischer Reduktionist, der Definition APs folgend, nicht letztlich der Auffassung sein, daß die Welt vollständig mathematisch beschreibbar ist? Oder sehe ich das falsch?

AP würde das vermutlich verneinen, mit den folgenden Begründungen, von denen ich den ersten beiden zustimmen würde:

- wir haben bisher von den Elementarteilchen keine rein mathematische Beschreibung, daher fehlt die Vollständigkeit

- es könnte reine Epiphänomene geben, deren mathematische Modellierung wir dennoch nicht leisten können (Unberechenbarkeit), Du müßtest also zumindest ein "prinzipiell" hinzufügen

- jedes Phänomen hat seinen Bedeutungskontext. Der gehört, epistemisch gesehen, zu seinen Eigenschaften, kann aber nicht allein aus den Bestandteilen des Objekts berechnet werden.

Ein Problem habe ich nur mit dem letzten Argument, und zwar dem "Eigenschaften"-Teil, siehe die Diskussion.


Ja. Das verstehe ich. Wenn man, Bewußtsein als ein Epiphänomen auffasst, dann, so vermute ich, würde aus der 2. Begründung mit einiger Plausibilität die 3. folgen. Bedeutung ist ja der Verweis auf eine Idee. Ich habe Schwierigkeiten nachzuvollziehen, wie man mit der Existenz von Epiphänomenen dem Reduktionismus anhängen kann.
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zelig
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Beiträge: 25405

Beitrag(#1691949) Verfasst am: 27.09.2011, 12:36    Titel: Antworten mit Zitat

Höhlenbär hat folgendes geschrieben:
Ich bezeichne mich (auf Anfrage) schon einmal als Determinist. Bei den anderen hier zur Debatte stehenden -ismen würde ich mir aber albern vorkommen, wenn ich sie als Etikett verpasst bekäme. Aus dem Determinismus kann man immerhin noch logisch zwingend die Unmöglichkeit von freiem Willen ableiten (um einmal kurz zum Thema ab zu schweifen ;-) ).


Hier kommt die Gretchenfrage: Wie hältst Du es mit dem Zufall?
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Höhlenbär
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Beitrag(#1691974) Verfasst am: 27.09.2011, 13:26    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Höhlenbär hat folgendes geschrieben:
Ich bezeichne mich (auf Anfrage) schon einmal als Determinist. Bei den anderen hier zur Debatte stehenden -ismen würde ich mir aber albern vorkommen, wenn ich sie als Etikett verpasst bekäme. Aus dem Determinismus kann man immerhin noch logisch zwingend die Unmöglichkeit von freiem Willen ableiten (um einmal kurz zum Thema ab zu schweifen zwinkern ).


Hier kommt die Gretchenfrage: Wie hältst Du es mit dem Zufall?


Auch pragmatisch: Egal, ob er quantenmechanisch existiert oder nicht, makroskopisch spielt er keine Rolle. Für makroskopische Effekte ist die Zahl der wechselwirkenden Quanten in astronomischen Größenordnungen, die Gesetzte der Überlagerung von Quantenzuständen wirken dabei immer in Richtung der Schärfung der Werteverteilung um den Mittelwert.
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step
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Beitrag(#1692006) Verfasst am: 27.09.2011, 14:16    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe eine Frage. Müsste ein ontologischer Reduktionist, der Definition APs folgend, nicht letztlich der Auffassung sein, daß die Welt vollständig mathematisch beschreibbar ist? Oder sehe ich das falsch?

AP würde das vermutlich verneinen, mit den folgenden Begründungen, von denen ich den ersten beiden zustimmen würde:

- wir haben bisher von den Elementarteilchen keine rein mathematische Beschreibung, daher fehlt die Vollständigkeit

- es könnte reine Epiphänomene geben, deren mathematische Modellierung wir dennoch nicht leisten können (Unberechenbarkeit), Du müßtest also zumindest ein "prinzipiell" hinzufügen

- jedes Phänomen hat seinen Bedeutungskontext. Der gehört, epistemisch gesehen, zu seinen Eigenschaften, kann aber nicht allein aus den Bestandteilen des Objekts berechnet werden.

Ein Problem habe ich nur mit dem letzten Argument, und zwar dem "Eigenschaften"-Teil, siehe die Diskussion.

Ja. Das verstehe ich. Wenn man, Bewußtsein als ein Epiphänomen auffasst, dann, so vermute ich, würde aus der 2. Begründung mit einiger Plausibilität die 3. folgen.

Das 3. Argument hatte ich aber anders gemeint, unabhängig vom zweiten. Das 2. basiert nur auf der Unberechenbarkeit aufgrund von zu hoher Komplexität, das 3. dagegen beruht darauf, daß man Eigenschaften des (realen) Kontextes zu den Eigenschaften des Objekts zählt. Zum Beispiel indem man argumentiert, aus dem H2O-Molekül könne man nicht ableiten, daß der Mensch in der Wüste Wasser benötige.

zelig hat folgendes geschrieben:
Bedeutung ist ja der Verweis auf eine Idee.

Ja, Bedeutung verweist auf einen Vorgang im Gehirn, nicht im Objekt.

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe Schwierigkeiten nachzuvollziehen, wie man mit der Existenz von Epiphänomenen dem Reduktionismus anhängen kann.

Solange ich den Schrei nach Wasser eines Menschen in der Wüste nicht als Epiphänomen von Wasser ansehe, sehe ich da kein Problem.
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step
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Beitrag(#1692009) Verfasst am: 27.09.2011, 14:26    Titel: Antworten mit Zitat

Höhlenbär hat folgendes geschrieben:
Etwas, das nur mathematisch beschrieben ist, bleibt immer in der Sphäre der Logik. Die Welt ist aber, was der Fall ist. Auch ontologische Reduktionisten können nicht hinter Wittgenstein zurück wollen. Zur vollständigen Beschreibung der Welt gehören also als zweite Sphäre alle Dokumente über zutreffende Sachverhalte, und eine Erkenntnistheorie zur Verbindung beider Sphären.
Das reduktionistische Projekt wäre nun sozusagen, den Gesamtumfang der Aussagen zu minimieren, und das ontologische dabei wäre, einen Satz von penetrant wiederkehrenden Befunden als Substrat der Realität anzunehmen.

Oje ... jedesmal wenn einer was von Ontologie schreibt und Philosophen dabei sind, ärgere ich mich darüber, weil es in eine Kette von Strohmännern, Mißverständnissen und Metaphysik ausartet.

Ich denke, AP hat einfach nur gemeint, daß eine Bedeutung von Reduktionismus ist, wenn man behauptet, das Objekt X bestehe aus nichts als seinen Bestandteilen Y und verhalte sich auch komplett dementsprechend. Also keine weiteren Zutaten, kein Dualismus usw. - er nennt das ontologischen Reduktionismus, das hat aber (trotz des Namens) mE erstmal nichts damit zu tun, welchen metaphysischen Realitätsstatus man dem Objekt oder seinen Bestandteilen zuweist.
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#1692066) Verfasst am: 27.09.2011, 17:12    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

Oje ... jedesmal wenn einer was von Ontologie schreibt und Philosophen dabei sind, ärgere ich mich darüber, weil es in eine Kette von Strohmännern, Mißverständnissen und Metaphysik ausartet.

Ich denke, AP hat einfach nur gemeint, daß eine Bedeutung von Reduktionismus ist, wenn man behauptet, das Objekt X bestehe aus nichts als seinen Bestandteilen Y und verhalte sich auch komplett dementsprechend. Also keine weiteren Zutaten, kein Dualismus usw. - er nennt das ontologischen Reduktionismus, das hat aber (trotz des Namens) mE erstmal nichts damit zu tun, welchen metaphysischen Realitätsstatus man dem Objekt oder seinen Bestandteilen zuweist.

Ich weiß nicht, was AP meint, aber Reduktionismus bedeutet IMO, daß sich die Eigenschaften von Objekt X vollständig auf die Eigenschaften seiner Bestandteile Y reduzieren lassen. Daß Objekt X ausschließlich aus den Bestandteilen Y besteht, wird auch von Nicht-Reduktionisten nicht bestritten. Die Frage ist nur, ob X Eigenschaften haben kann, die sich nicht auf die Ys reduzieren lassen.
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Beitrag(#1692081) Verfasst am: 27.09.2011, 17:52    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Daß Objekt X ausschließlich aus den Bestandteilen Y besteht, wird auch von Nicht-Reduktionisten nicht bestritten.

Nein, das ist eben nicht so, und deshalb hat AP's Kategorie eine gewisse Berechtigung. Es gibt z.B. Dualisten, die behaupten, der Mensch bestehe nicht nur aus seinen Molekülen un den daraus emergiert habenden Verhalten, Gedanken usw., sondern auch noch aus einem "Geist", einer "Seele" o.ä.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist nur, ob X Eigenschaften haben kann, die sich nicht auf die Ys reduzieren lassen.

Ja, AP hat ja auch nicht behauptet, das sei die einziege - oder auch nur die für ihn relevante - Bedeutung von "Reduktionismus".
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