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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1693818) Verfasst am: 04.10.2011, 22:08 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Das ist falsch. Jede neue physikalische Theorie sollte die alten zutreffenden als Spezialfall enthalten. Das nennt sich Korrespondenzprinzip. Das trifft auch auf die Übergänge zwischen Newtonscher und Quantenphysik zu. |
Komisch, in dem Wiki-Artikel, den du zitierst, steht es anders:
Zitat: | Eines der großen Probleme des Theoriengebäudes der Physik besteht derzeit darin, dass seine beiden Säulen, die allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenphysik, in ihrer Beziehung zueinander das Korrespondenzprinzip nicht erfüllen. | Quelle | Dabei geht es aber nicht um den Grenzfall Newton in Quantentheorie und Grenzfall Newton in ART. Die Vereinigung dieser beiden Säulen ist auch Gegenstand aktueller Forschung. Wenn mich nicht alles täuscht, ist die Vereinigung der speziellen RT und der QT schon ne ganze ecke Weit. Die Gravitation bringt halt noch Probleme, aber da gibt es auch schon Hypothesen, die auch gerade mit z.B. dem LHC und Satellitengestützten Experimenten abgeklopft werden.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Die Video scheint auch nicht unumstritten zu sein. | Es zeigt nicht die Entstehung des Lebens nur eine Möglichkeit dessen. Ich habe es gepostet, weil es die Verbindung aus chemischen Systemen, Reaktionsgeschwindigkeiten und thermodynamischen Einflüssen und Evolution sehr schön veranschaulicht.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Ich muss die Biologie nicht heraushalten. Ich kann ja auch über die Gebiete der Wissenschaften ein Korrespondenzprinzip annehmen. Die Chemie ist gegründet auf die Physik. Die Biologie ist auf die Chemie gegründet und damit auch auf die Physik. Was menschliche Gesellschaften angeht, sind diese so ungemein komplex, dass es einfach unsinnig ist, alles auf die Physik zu reduzieren. Untersuchungen würden viel zu lange dauern und zu teuer werden. Aber ich würde erstmal behaupten, dass Gesellschaften, gerade die des Menschen, nicht nur durch die Menschen gebildet werden, sondern auch durch Ideen, durch ihre Vergangenheit und Kultur, durch ihre Beziehungen zu anderen Gesellschaften, durch den Zugang zu Ressourcen, durch geographische Gegebenheiten etc. pp.. Dadurch wird es so komplex, dass ein Top-Down Ansatz vielversprechender ist als ein Bottom-Up Ansatz. Der Bottom-Up Ansatz ist aber prinzipiell trotzdem möglich. |
Wenn ein Top-Down-Ansatz, wie du es nennst (was immer das sein soll) wissenschaftlich funktionieren soll, muß er erst einmal möglich sein. Daß Chemie auf Physik beruht, Biologie auf Chemie und Soziologie auf Biologie, bestreitet ja keiner, nur erschöpfen sie sich eben nicht darin, sondern gehen darüber hinaus, und das geht nur, weil es Emergenz auf den unterschiedlichen Ebenen gibt. | Dann zeig mir bitte einen chemischen Sachverhalt der über die Physik dahinter hinausgeht.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Fassen wir also zusammen: Du behauptest, alles ließe sich bis auf die unterste Ebene der Physik reduzieren, obwohl du dafür weder Beweise anbringen kannst, noch heute irgendjemand diese unterste Ebene der Physik kennt. | Möchtest du jetzt von mir, dass ich etwas vollständig reduziere? Ein Mensch kann naturgemäß nur soweit reduzieren, wie ihm die Physik bekannt ist. Jedesmal wenn etwas nicht reduziert werden kann, wird es im Rahmen einer Diplomarbeit, Doktorarbeit oder auch einer langjährigen Forscherkarriere versucht und auch geschafft.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Ich stell dagegen fest, daß es Reduzierungen gibt, daß sie gelegentlich möglich und manchmal sogar notwendig sind. Nie gehen diese Reduzierungen bis auf eine sogenannte unterste Ebene der physikalischen Objekte, denn eine solche Ebene kennen wir bisher nicht, wenn sie denn existiert. Viele Phänomene aus dem Bereich der Biologie lassen sich dagegen ohne Reduzierung auf die Physik erklären und mit Reduzierung nicht. Gleiches gilt für die Beziehung zwischen Biologie und Soziologie.
Ich denke, meine Position ist so unvernünftig nicht. | Bitte nenne mir einen nicht weiter reduzierbaren Sachverhalt, dessen Reduktion nicht auf der Ebene der Physik endet. Am besten aus der Biologie.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693827) Verfasst am: 04.10.2011, 22:17 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Ich denke, meine Position ist so unvernünftig nicht. | Bitte nenne mir einen nicht weiter reduzierbaren Sachverhalt, dessen Reduktion nicht auf der Ebene der Physik endet. Am besten aus der Biologie. |
He, ich denke, du gehst nicht wirklich ein auf meine Einwände, nicht wahr? Du willst doch nicht wirklich die Prinzipien der Darwinschen Evolutionstheorie in eine physikalische Formel packen, nur weil an Selektion wie an Mutation physikalische bzw chemische Prozesse beteiligt sind? Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, daß wir aneinander vorbei reden. Ist aber auch nicht von Bedeutung.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1693836) Verfasst am: 04.10.2011, 22:26 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Was menschliche Gesellschaften angeht, sind diese so ungemein komplex, dass es einfach unsinnig ist, alles auf die Physik zu reduzieren. Untersuchungen würden viel zu lange dauern und zu teuer werden. Aber ich würde erstmal behaupten, dass Gesellschaften, gerade die des Menschen, nicht nur durch die Menschen gebildet werden, sondern auch durch Ideen, durch ihre Vergangenheit und Kultur, durch ihre Beziehungen zu anderen Gesellschaften, durch den Zugang zu Ressourcen, durch geographische Gegebenheiten etc. pp.. |
Dazu muß ich noch gesondert etwas sagen. Gesellschaften werden also nur durch Menschen gebildet? Was sind denn Ideen deiner Ansicht nach, was ist Vergangenheit und Kultur?
Menschliche Gesellschaften werden natürlich ausschließlich von Menschen gebildet, und ihren Beziehungen zueinander und ihren Abhängigkeiten voneinander. Diese Menschen haben Vorstellungen, von sich, von anderen, von der Vergangenheit, und Träume von der Zukunft. All das bestimmt ihr Verhalten. Aber ihre Gesellschaften macht noch mehr aus, daß zwar unabhängig von den jeweils einzelnen Menschen, aber nicht von Menschen insgesamt.
Menschen bilden Figurationen, die länger existieren, als die einzelnen Menschen selbst. Menschen wachsen in diese Figurationen hinein, am Anfang unselbstängig, später immer selbständiger, bis sie dann die Figuration ausmachen, in die die nächste Generation hineinwächst. Die Figurationen prägt die Menschen, die in ihr leben, die sie bilden, aber die Figuration verändert sich auch mit den wechselnden Menschen, wenn auch langsamer, als die Menschen selbst. Unsere Sprache zeigt ziemlich gut, wie soetwas funktioniert, wie zB Dialekte weitergegeben, aber auch langsam verändert werden. Sprachen wie Ideen können nicht existieren ohne Menschen, die sie sprechen oder denken, und doch scheinen sie ein Eigenleben zu besitzen, sich mit anderer Geschwindigkeit und in anderen Zeitabläufen zu existieren als "ihre" Menschen.
Machtbeziehungen sind auch so eine Eigenschaft von Figurationen, die nicht Eigenschaften der vielen einzelnen Menschen sind, sondern ein Charakteristikum der Beziehungen zwischen ihnen, wobei es nicht um ein entweder-oder geht, sondern um ein mehr-oder-weniger. Niemand ist vollkommen machtlos, niemand ist allmächtig, mögen die Machtgefälle auch noch so groß sein.
Und schließlich gibt es Entwicklungsrichtungen von Figurationen. Wir erleben gerade einen Prozeß der zunehmenden Integration, der Ausweitung und Verstärkung von Interdependenzketten selbst über die Grenzen von Gesellschaften und Staaten hinweg (Stichwort: Globalisierung). Die verstärkt einerseits die wechselseitige Abhängigkeit (paradigmatisch zwischen an sich antogonistischen Staaten wie USA und China), andererseits vermehrt es aber auch Konflikte.
Manche dieser Entwicklungen sind uns bewußt, viele nicht, aber immer sind es ungeplante Prozesse, die aus dem geplanten Handeln der vielen einzelnen Menschen entstehen. Und obwohl diese Prozesse ausschließlich das Ergebnis der Handlungen vieler einzelner Menschen sind, ist jeder einzelne von uns ihnen in einer Weise ausgesetzt, die Naturgewalten nicht unähnlich ist.
Das alles läßt sich nicht nur nicht auf Physik reduzieren (obwohl jeder einzelne Mensch natürlich aus Atomen und Molekülen besteht), es geht auch über bloße Biologie weit hinaus, obwohl alle Menschen biologische Lebewesen sind und sich einige Eigentümlichkeiten menschlicher Gesellschaften sicherlich auch schon bei gruppenbildenden Primaten finden.
Vielleicht verstehst du nun etwas besser, warum mir diese Vorstellungen von Reduktionismus so fern liegen. Mich interessiert diese Welt im Ganzen, Physik, Biologie und Soziologie, die Welt der Dinge, der Lebewesen und der Menschen, mich interessiert die Entwicklung unserer Erkenntnisfähigkeit bis hin zu den modernen Wissenschaften, das Verhältnis von Glauben und Wissen, die Bedeutung von Fantasie und Weltanschauungen, und das Ganze in einer Weise, daß es einerseits realistisch und nachprüfbar ist und andererseits noch in einen durchaus begrenzten Kopf wie meinen paßt. |
Du hast mich überzeugt, dass du Ahnung von menschlichen Gesellschaften hast, viel mehr Ahnung als ich, was aber auch nicht schwer ist . Allerdings möchte ich die Frage nach der Entwicklung menschlicher Gesellschaften in Abhängigkeit von der [Edit] vorher: Nutzbarkeit, nun: Verfügbarkeit [/Edit] großer Nutztiere (Pferde, Rinder, Kamele) stellen. Damit will ich wirklich nur darauf hinaus, dass Gesellschaften mehr Einflüssen unterliegen, als nur Menschen.
Dass alles in einen Kopf passt, kannst du mittlerweile leider vergessen. Dazu ist es zuviel. Und es kommt vor allem auf die Details an.
Wenn eine Phosphatgruppe an einer bestimmten Stelle in einem bestimmten Protein darüber entscheidet, dass die Zelle stirbt, oder die fehlende Phosphatgruppe an der Stelle dazu führt, dass die Zelle sich zu einem Krebs auswächst, dann lassen sich biologische Phänomene wie Tumorentstehung auf chemische und physikalische Prozesse zurückführen und auch nur so verstehen.
Zitat: | He, ich denke, du gehst nicht wirklich ein auf meine Einwände, nicht wahr? Du willst doch nicht wirklich die Prinzipien der Darwinschen Evolutionstheorie in eine physikalische Formel packen, nur weil an Selektion wie an Mutation physikalische bzw chemische Prozesse beteiligt sind? |
Nein, ich persönlich will es nicht, ich denke nur es ist möglich und ich denke es wird gemacht, eben weil Selektion und Mutation physikalische Prozesse sind.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26545
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1693860) Verfasst am: 04.10.2011, 23:08 Titel: |
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@Marcellinus: Das Problem sind meiner Ansicht nach weniger irgendwelche Emergenzen, als die Komplexheit, die durch die gestaffelten Ebenen entsteht:
Weil das gerade woanders Thema war: Stell dir ein verteiltes SAP-System mit einer Lieferkette vor und betrachte den Vorgang einer weiteren Endkunden-Bestellung mit festem Lieferziel in der Zukunft bei leeren Lagern und Liefer- und Produktionsrückständen einschließlich der Neuermittling des Materialbedarfs und der -Verfügbarkeit mal bitte auf der physikalischen Ebene: Fang bitte beim Netzteil an....
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693906) Verfasst am: 05.10.2011, 07:45 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Du willst doch nicht wirklich die Prinzipien der Darwinschen Evolutionstheorie in eine physikalische Formel packen, nur weil an Selektion wie an Mutation physikalische bzw chemische Prozesse beteiligt sind? |
Nein, ich persönlich will es nicht, ich denke nur es ist möglich und ich denke es wird gemacht, eben weil Selektion und Mutation physikalische Prozesse sind. |
Es sind sicher physische Prozesse, aber herauskommt ein biologischer Zusammenhang.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693907) Verfasst am: 05.10.2011, 07:50 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Allerdings möchte ich die Frage nach der Entwicklung menschlicher Gesellschaften in Abhängigkeit von der [Edit] vorher: Nutzbarkeit, nun: Verfügbarkeit [/Edit] großer Nutztiere (Pferde, Rinder, Kamele) stellen. Damit will ich wirklich nur darauf hinaus, dass Gesellschaften mehr Einflüssen unterliegen, als nur Menschen.
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Es sind Beziehungen zwischen Menschen, und diese Menschen leben in einer bestimmten Geografie, domestizieren Tiere und Pflanzen, so vorhanden (dazu sehr interessant: Jared Diamond, Arm und Reich), benutzen Werkzeuge, erfinden Maschinen, kurz: die Entwicklung von Gesellschaften sind auch davon abhängig, welche materiellen Bedingungen sie umgeben, keine Frage.
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Friedrich Nietzsche
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693908) Verfasst am: 05.10.2011, 07:54 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | @Marcellinus: Das Problem sind meiner Ansicht nach weniger irgendwelche Emergenzen, als die Komplexheit, die durch die gestaffelten Ebenen entsteht:
Weil das gerade woanders Thema war: Stell dir ein verteiltes SAP-System mit einer Lieferkette vor und betrachte den Vorgang einer weiteren Endkunden-Bestellung mit festem Lieferziel in der Zukunft bei leeren Lagern und Liefer- und Produktionsrückständen einschließlich der Neuermittling des Materialbedarfs und der -Verfügbarkeit mal bitte auf der physikalischen Ebene: Fang bitte beim Netzteil an....
fwo |
Da kommen wir in den Bereich von Planbarkeit sozialer oder wirtschaftlicher Prozesse. Ich denke, wir könnten schon froh sein, wenn wir ein halbwegs zutreffendes Verständnis von der Entwicklung unserer Gesellschaften hätten, so wie sie entstanden sind. Ob beliebig komplexe Prozesse planbar sind, ist dagegen eine andere Frage. Manchmal ist die einzige Lösung das Reduzieren von Komplexität.
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es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26545
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1693911) Verfasst am: 05.10.2011, 08:08 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ....
Da kommen wir in den Bereich von Planbarkeit sozialer oder wirtschaftlicher Prozesse. Ich denke, wir könnten schon froh sein, wenn wir ein halbwegs zutreffendes Verständnis von der Entwicklung unserer Gesellschaften hätten, so wie sie entstanden sind. Ob beliebig komplexe Prozesse planbar sind, ist dagegen eine andere Frage. Manchmal ist die einzige Lösung das Reduzieren von Komplexität. |
Das verstehe ich jetzt nicht ganz und bevor ich weiterfrage: Meinst Du, dass auch im Computer bereits die Emergenz wirkt? Wenn ja, wie wurde er dann entwickelt?
fwo
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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693914) Verfasst am: 05.10.2011, 08:53 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ....
Da kommen wir in den Bereich von Planbarkeit sozialer oder wirtschaftlicher Prozesse. Ich denke, wir könnten schon froh sein, wenn wir ein halbwegs zutreffendes Verständnis von der Entwicklung unserer Gesellschaften hätten, so wie sie entstanden sind. Ob beliebig komplexe Prozesse planbar sind, ist dagegen eine andere Frage. Manchmal ist die einzige Lösung das Reduzieren von Komplexität. |
Das verstehe ich jetzt nicht ganz und bevor ich weiterfrage: Meinst Du, dass auch im Computer bereits die Emergenz wirkt? Wenn ja, wie wurde er dann entwickelt?
fwo |
Nimm Legosteine, und bau daraus einen Kran. Dazu brauchst du die Steine, und eine Bauanleitung. Steckt die Bauanleitung schon in den Steinen? Gut, es gibt solche Bausätze, aber im Allgemeinen wohl nicht. So entstehen alle unsere Werkzeuge, unsere Produkte. Wir nehmen Teile und stecken sie zu etwas zusammen, das mehr ist als die Summe seiner Teile, nämlich eine bestimmte neue Anordnung, eine Organisation, die in dieser Form Dinge erledigen kann, die die Bestandteile für sich nicht konnten. So entsteht Neues.
So sind auch Computer entstanden, in dem man Teile, die ursprünglich ganz anderen Zwecken dienten, zu etwas Neuem zusammengefügt hat. Damit ist auch klar, warum Computer nicht im Mittelalter entstehen konnten, oder warum das Telefon fast gleichzeitig von zwei Leuten entwickelt wurde. Man muß erst eine bestimmte Stufe erreichen, bis eine neue auch nur als Möglichkeit erscheint.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1693940) Verfasst am: 05.10.2011, 10:35 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Du willst doch nicht wirklich die Prinzipien der Darwinschen Evolutionstheorie in eine physikalische Formel packen, nur weil an Selektion wie an Mutation physikalische bzw chemische Prozesse beteiligt sind? |
Nein, ich persönlich will es nicht, ich denke nur es ist möglich und ich denke es wird gemacht, eben weil Selektion und Mutation physikalische Prozesse sind. |
Es sind sicher physische Prozesse, aber herauskommt ein biologischer Zusammenhang. |
Ja, natürlich. Die Bezeichnung "biologischer Zusammenhang" ist nur eine Bezeichnung für einen physikalischen Zusammenhang in einem Teilgebiet der Physik. Streng genommen ist die Chemie das Teilgebiet der Physik, in dem sich mit elektronischen Wechselwirkungen der Atome und Moleküle beschäftigt wird. Die Biologie ist ein weiteres Teilgebiet, ebenso wie die Kosmologie, die Thermodynamik und so weiter und so fort.
Nur weil wir Menschen diese Gebiete namentlich voneinander abgrenzen, damit wir sie besser ordnen können (das halte ich im Übrigen für eine sehr gute Strategie), heißt es noch lange nicht, dass es tatsächlich voneinander getrennte Bereiche sind.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693944) Verfasst am: 05.10.2011, 10:53 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Ja, natürlich. Die Bezeichnung "biologischer Zusammenhang" ist nur eine Bezeichnung für einen physikalischen Zusammenhang in einem Teilgebiet der Physik. Streng genommen ist die Chemie das Teilgebiet der Physik, in dem sich mit elektronischen Wechselwirkungen der Atome und Moleküle beschäftigt wird. Die Biologie ist ein weiteres Teilgebiet, ebenso wie die Kosmologie, die Thermodynamik und so weiter und so fort.
Nur weil wir Menschen diese Gebiete namentlich voneinander abgrenzen, damit wir sie besser ordnen können (das halte ich im Übrigen für eine sehr gute Strategie), heißt es noch lange nicht, dass es tatsächlich voneinander getrennte Bereiche sind. |
Biologie ein Teilgebiet der Physik! Das sollte ein Physiker mal einem Biologen sagen! Nein, Scherz beiseite, ich halte das für den Ausdruck von Allmachtsfantasien. Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun.
Ich hab es schon mal gesagt, biologische Objekte sind natürlich auch physikalische Objekte, aber eben nicht nur, und damit definieren sie neben den nur-physikalischen Objekten eine eigene Klasse mit eigenen Eigenschaften. Die zu untersuchen ist Gegenstand und Existenzberechtigung der Biologie.
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Friedrich Nietzsche
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Landei Gesinnungspolizist
Anmeldungsdatum: 27.02.2011 Beiträge: 1180
Wohnort: Sandersdorf-Brehna
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(#1693952) Verfasst am: 05.10.2011, 11:24 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Ich hab es schon mal gesagt, biologische Objekte sind natürlich auch physikalische Objekte, aber eben nicht nur, und damit definieren sie neben den nur-physikalischen Objekten eine eigene Klasse mit eigenen Eigenschaften. Die zu untersuchen ist Gegenstand und Existenzberechtigung der Biologie. |
Das haben die Chemiker zuerst auch gesagt, und jetzt ist die "Physikalisierung" der Chemie in vollem Gange...
_________________ Der Islam gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Diese Gotteslehre eines unmoralischen Beduinen ist ein verwesender Kadaver, der unser Leben vergiftet. (Kemal Atatürk)
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26545
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1693958) Verfasst am: 05.10.2011, 11:55 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ....
Nimm Legosteine, und bau daraus einen Kran. Dazu brauchst du die Steine, und eine Bauanleitung. Steckt die Bauanleitung schon in den Steinen? Gut, es gibt solche Bausätze, aber im Allgemeinen wohl nicht. So entstehen alle unsere Werkzeuge, unsere Produkte. Wir nehmen Teile und stecken sie zu etwas zusammen, das mehr ist als die Summe seiner Teile, nämlich eine bestimmte neue Anordnung, eine Organisation, die in dieser Form Dinge erledigen kann, die die Bestandteile für sich nicht konnten. So entsteht Neues.
So sind auch Computer entstanden, in dem man Teile, die ursprünglich ganz anderen Zwecken dienten, zu etwas Neuem zusammengefügt hat. Damit ist auch klar, warum Computer nicht im Mittelalter entstehen konnten, oder warum das Telefon fast gleichzeitig von zwei Leuten entwickelt wurde. Man muß erst eine bestimmte Stufe erreichen, bis eine neue auch nur als Möglichkeit erscheint. |
Ok, das ist trivial - man braucht Wissen, um planen zu können. Und damit etwas planbar ist, muss ich die Eigenschaften der neuen Kombination aus meinem Wissen von den Komponenten ableiten können. Es gibt bei der technischen Entwicklung Computer keine neuen Eigenschaften dieses Systems, die nicht vorhersehbar waren - Zuse hätte sich bei einer derartigen Behauptung totgelacht, weil das ganze Ding mit seiner Komplexheit und seinen Möglichkeiten in seinem Kopf bereits simuliert war - wie weit er vorhergedacht hat, das haben die Leute, die sich systematisch mit Programmiersprachen beschäftigen, erst in den 80ern verstanden, als sie sich Zuses Plankalkül noch einmal angesehen haben. Allerdings ist es wegen der Komplexität des Vorgangs bereits illusorisch, auch "nur" eine Materialverfügbarkeitsprüfung, die diesen Namen verdient, auf der physikalischen Ebene verstehen zu wollen, auch wenn sie prinzipiell verständlich ist - sonst hätten wir diese Dosen nicht gebaut.
Wikipedia führt ja bereits im 2. Satz implizit den Unterschied zwischen starker und schwacher Emergenz ein:
Zitat: | Dabei lassen sich die emergenten Eigenschaften des Systems nicht – oder jedenfalls nicht offensichtlich – auf Eigenschaften der Elemente zurückführen, die diese isoliert aufweisen. | fett von mir
Mir scheint es ein bisschen so, dass Du uns die schwache Emergenz vorführst, um dann aber in der Argumentation von der starken auszugehen. An die glaube ich nicht.
Um mir die zu verkaufen, müsstest Du verständlich machen, warum in der Betrachtung von oben die Unmöglichkeit, eine Materialverfügbarkeitsprüfung auf der atomaren Ebene zu verstehen, auch jenseits der Anzahl der dazwischengeschalteten Ebenen und der Messproblematik etwas grundsätzlich anderes ist als die Unmöglichkeit, das Verhalten eines Säugers bis zu den Gedanken eines Menschen auf der atomaren Ebene zu verstehen.
fwo
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693959) Verfasst am: 05.10.2011, 11:56 Titel: |
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Landei hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Ich hab es schon mal gesagt, biologische Objekte sind natürlich auch physikalische Objekte, aber eben nicht nur, und damit definieren sie neben den nur-physikalischen Objekten eine eigene Klasse mit eigenen Eigenschaften. Die zu untersuchen ist Gegenstand und Existenzberechtigung der Biologie. |
Das haben die Chemiker zuerst auch gesagt, und jetzt ist die "Physikalisierung" der Chemie in vollem Gange... |
Das ist nun aber nichts wirklich neues, und die Chemie gibt es immer noch. Die Physikalische Chemie ist jetzt 120 Jahre alt.
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Friedrich Nietzsche
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1693960) Verfasst am: 05.10.2011, 12:04 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Ja, natürlich. Die Bezeichnung "biologischer Zusammenhang" ist nur eine Bezeichnung für einen physikalischen Zusammenhang in einem Teilgebiet der Physik. Streng genommen ist die Chemie das Teilgebiet der Physik, in dem sich mit elektronischen Wechselwirkungen der Atome und Moleküle beschäftigt wird. Die Biologie ist ein weiteres Teilgebiet, ebenso wie die Kosmologie, die Thermodynamik und so weiter und so fort.
Nur weil wir Menschen diese Gebiete namentlich voneinander abgrenzen, damit wir sie besser ordnen können (das halte ich im Übrigen für eine sehr gute Strategie), heißt es noch lange nicht, dass es tatsächlich voneinander getrennte Bereiche sind. |
Biologie ein Teilgebiet der Physik! Das sollte ein Physiker mal einem Biologen sagen! Nein, Scherz beiseite, ich halte das für den Ausdruck von Allmachtsfantasien. Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun.
Ich hab es schon mal gesagt, biologische Objekte sind natürlich auch physikalische Objekte, aber eben nicht nur, und damit definieren sie neben den nur-physikalischen Objekten eine eigene Klasse mit eigenen Eigenschaften. Die zu untersuchen ist Gegenstand und Existenzberechtigung der Biologie. |
Ich bin kein Physiker, ich hab eher in der biochemischen Ecke zu tun. Ich leide also deiner Meinung nach unter masochistischen Allmachtsphantasien . Inwiefern sind denn biologische Objekte mehr als nur-physikalische Objekte? Du müsstest da nun schonmal konkret werden, wenn du soetwas behauptest. Es geht mir auch nicht darum die Benamsung zu ändern oder der Biologie selbst ihre Daseinsberechtigung abzusprechen. Das ist nebenbei gesagt auch völlig unnötig. Die Wissenschaften differenzieren sich immer weiter aus, es gibt immer mehr Spezialgebiete, auch "grenzübergreifende". Da sind Einteilungen durchaus sinnvoll, man darf nur nicht den Fehler machen und diese mehr oder weniger willkürlichen menschlichen Kategorisierungen für natürliche halten.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26545
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1693961) Verfasst am: 05.10.2011, 12:06 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Landei hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Ich hab es schon mal gesagt, biologische Objekte sind natürlich auch physikalische Objekte, aber eben nicht nur, und damit definieren sie neben den nur-physikalischen Objekten eine eigene Klasse mit eigenen Eigenschaften. Die zu untersuchen ist Gegenstand und Existenzberechtigung der Biologie. |
Das haben die Chemiker zuerst auch gesagt, und jetzt ist die "Physikalisierung" der Chemie in vollem Gange... |
Das ist nun aber nichts wirklich neues, und die Chemie gibt es immer noch. Die Physikalische Chemie ist jetzt 120 Jahre alt. |
Dass es aufgrund der Handhabbarkeit und einer komplexheitsbedingten Unmöglichkeit der Betrachtung der untersten Ebene zweckmäßig ist, organisationsabhängig höhere Beschreibungebenen zu finden, ist aber nun kein Widerspruch zu einer prinzipiellen Erklärung der Welt durch die Physik. Das sag ich mal so als Biologe.
fwo
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Landei Gesinnungspolizist
Anmeldungsdatum: 27.02.2011 Beiträge: 1180
Wohnort: Sandersdorf-Brehna
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(#1693962) Verfasst am: 05.10.2011, 12:10 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: |
Dass es aufgrund der Handhabbarkeit und einer komplexheitsbedingten Unmöglichkeit der Betrachtung der untersten Ebene zweckmäßig ist, organisationsabhängig höhere Beschreibungebenen zu finden, ist aber nun kein Widerspruch zu einer prinzipiellen Erklärung der Welt durch die Physik. Das sag ich mal so als Biologe.
fwo |
Sicher, aber die Grenze der "komplexheitsbedingten Unmöglichkeit" verschiebt sich beständig, die Domäne der "high-level" Chemie und Biologie wird langsam kleiner.
_________________ Der Islam gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Diese Gotteslehre eines unmoralischen Beduinen ist ein verwesender Kadaver, der unser Leben vergiftet. (Kemal Atatürk)
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693963) Verfasst am: 05.10.2011, 12:13 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: |
Wikipedia führt ja bereits im 2. Satz implizit den Unterschied zwischen starker und schwacher Emergenz ein:
Zitat: | Dabei lassen sich die emergenten Eigenschaften des Systems nicht – oder jedenfalls nicht offensichtlich – auf Eigenschaften der Elemente zurückführen, die diese isoliert aufweisen. | fett von mir
Mir scheint es ein bisschen so, dass Du uns die schwache Emergenz vorführst, um dann aber in der Argumentation von der starken auszugehen. An die glaube ich nicht. |
Ich glaube überhaupt nicht!
Zitat: | Gegner der starken Emergenzthese argumentieren, dass viele ehedem als emergent erklärte Eigenschaften des menschlichen Bewusstseins sich durch die Kenntnis der Eigenschaften der Bestandteile des Gehirns (z. B. der Nervenzellen und der Synapsen) erklären ließen. Allerdings ist selbst bei vergleichsweise einfachen physikalischen Phänomenen, wie etwa Wetterereignissen, die vollständige Erklärung von Makrophänomenen auf der Ebene von Elementarteilchen praktisch so fernliegend, dass der Unterschied zwischen schwacher und starker Emergenz aktuell wenig Relevanz hat. |
So sehe ich das auch. Natürlich gelingt es uns gelegentlich, vorher als emergent gedachte Zusammenhänge auf Eigenschaften ihrer Bestandteile zu reduzieren, allerdings ist auch manchmal ein Trick dabei, indem man zu Eigenschaften der Teile erklärt, was doch erst auftritt, wenn viele von ihnen zusammenkommen. Am Ende kommt es nur darauf an, daß man eine überprüfbare Erklärung findet, wie auch immer. Insofern ist auch Emergenz nur ein Modell, aber eben eines, daß es uns ermöglicht, zu verstehen, warum wir Objekte untersuchen und ihr Verhalten nachprüfbar beschreiben können, ohne viel über ihre Bestandteile zu wissen. Hier übrigens noch mal ein interessanter Gedanke dazu.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1693964) Verfasst am: 05.10.2011, 12:14 Titel: |
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Wo wir gerade dabei sind: Guckst du hier.
Daraus: Zitat: | Ein Physiker aus Israel gewinnt den Nobelpreis für Chemie 2011. |
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693965) Verfasst am: 05.10.2011, 12:15 Titel: |
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Landei hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: |
Dass es aufgrund der Handhabbarkeit und einer komplexheitsbedingten Unmöglichkeit der Betrachtung der untersten Ebene zweckmäßig ist, organisationsabhängig höhere Beschreibungebenen zu finden, ist aber nun kein Widerspruch zu einer prinzipiellen Erklärung der Welt durch die Physik. Das sag ich mal so als Biologe.
fwo |
Sicher, aber die Grenze der "komplexheitsbedingten Unmöglichkeit" verschiebt sich beständig, die Domäne der "high-level" Chemie und Biologie wird langsam kleiner. |
Woraus schließt du das? Gibt es neuerdings weniger Chemiker und Biologen, oder wird die Physik "chemischer"?
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Friedrich Nietzsche
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1693966) Verfasst am: 05.10.2011, 12:17 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Natürlich gelingt es uns gelegentlich, vorher als emergent gedachte Zusammenhänge auf Eigenschaften ihrer Bestandteile zu reduzieren, allerdings ist auch manchmal ein Trick dabei, indem man zu Eigenschaften der Teile erklärt, was doch erst auftritt, wenn viele von ihnen zusammenkommen. Am Ende kommt es nur darauf an, daß man eine überprüfbare Erklärung findet, wie auch immer. Insofern ist auch Emergenz nur ein Modell, aber eben eines, daß es uns ermöglicht, zu verstehen, warum wir Objekte untersuchen und ihr Verhalten nachprüfbar beschreiben können, ohne viel über ihre Bestandteile zu wissen. |
Das kann ich unterschreiben.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693967) Verfasst am: 05.10.2011, 12:17 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Wo wir gerade dabei sind: Guckst du hier.
Daraus: Zitat: | Ein Physiker aus Israel gewinnt den Nobelpreis für Chemie 2011. | |
Niemand bestreitet die Nähe der beiden Fächer, wie gesagt seit 120 Jahren.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693975) Verfasst am: 05.10.2011, 12:44 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Ich bin kein Physiker, ich hab eher in der biochemischen Ecke zu tun. Ich leide also deiner Meinung nach unter masochistischen Allmachtsphantasien . Inwiefern sind denn biologische Objekte mehr als nur-physikalische Objekte? Du müsstest da nun schonmal konkret werden, wenn du soetwas behauptest. |
Ich bin weder Physiker noch Biologe, sondern komme eher aus der historisch-soziologischen Ecke, und da kann man schon froh sein, wenn man von Naturwissenschaftler überhaupt ernst genommen wird. Dieses Universum ist IMHO ein autonomer, sich selbst organisierender, ungeplanter Prozeß, in dessen Verlauf erst die physikalische Objekte entstanden sind, Atome, Moleküle, Sonnen, in denen weitere Elemente "ausgebrütet" wurden, schließlich Planeten.
Auf denen organisierten sich Moleküle zu Ketten und organische Materie entstand, ausschließlich aus Atomen und Molekülen, aber in einer Weise, daß neue Funktionen entstehen. Spätestens in biologischen Zellen haben die Bestandteile dann Formen angenommen, die ganz auf das Funktionieren in einem arbeitsteiligen Zusammenhang abgestimmt sind.
Der vorläufige Endpunkt dieser Entwicklung sind die Menschen und ihre Gesellschaften. Während ich das Verhalten vieler Tiere noch am Einzelwesen untersuchen kann, kann ich das Verhalten von Menschen nicht verstehen, wenn ich nicht die Gesellschaften untersuche, die sie miteinander bilden.
Man könnte also die Entwicklung unseres Universums als einen Prozeß beschreiben, in dem die Materie immer mehr Objekte mit einem höheren Organisationsgrad bildt, in dem die einzelnen Bestandteile funktionsteilig zusammenwirken. Das hat zwangsläufig zur Folge, daß die Untersuchung der Eigentümlichkeiten dieser Organisationsformen, sei es die Funktionsweise einer Zelle oder die einer menschlichen Gesellschaft immer größere Bedeutung bekommt.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Es geht mir auch nicht darum die Benamsung zu ändern oder der Biologie selbst ihre Daseinsberechtigung abzusprechen. Das ist nebenbei gesagt auch völlig unnötig. Die Wissenschaften differenzieren sich immer weiter aus, es gibt immer mehr Spezialgebiete, auch "grenzübergreifende". Da sind Einteilungen durchaus sinnvoll, man darf nur nicht den Fehler machen und diese mehr oder weniger willkürlichen menschlichen Kategorisierungen für natürliche halten. |
Ja, diese Kategorisierungen sind menschengemacht, aber sie sollten nicht willkürlich sein, sondern auf nachprüfbaren Eigenschaften der Untersuchungsgegenstände beruhen, wie auf den zur Verfügung stehenden Methoden ihrer Untersuchung. Da mögen sich die Grenzen auch einmal verschieben, verschwinden werden sie sicher nicht. So ist die Unterscheidung zwischen unbelebter und belebter Materie sicher nicht willkürlich, wo man die Grenze zieht, in gewisser Weise schon.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26545
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1693976) Verfasst am: 05.10.2011, 12:56 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ....Hier übrigens noch mal ein interessanter Gedanke dazu. |
Das überschneidet sich teilweise mit dem, was ich hier in meiner ersten Bemerkung hier angemerkt habe:
fwo hat folgendes geschrieben: | ....Der für mich wesentliche Unterschied bei diesem Ebenenwechsel besteht darin, dass die Historie plötzlich wichtig wird, d.h. wir haben kumulatorische Effekte..... |
Dann sind wir da aber nicht wirklich auseinander. Ich sehe auch keinen wirklichen Widerspruch zur Zweckmäßigkeit der Aufteilung unserer Forschung in unterschiedliche Gebiete oder Betrachtungsebenen. Und die prinzipielle Grenzaufweichung zwischen diesen Ebenen wird nicht dazu führen, dass auf diese Ebenen verzichtet werden kann, wir werden eher zusätzliche dazwischen einziehen.
Nur noch eine Anmerkung in Sachen Allmachtsphantasien: Von einer grundsätzlichen Erklärbarkeit der Welt auf physikalischer Basis auszugehen, bedeutet nicht automatisch, auch davon auszugehen, dass wir das jemals schaffen. Und selbst wenn wir es schaffen, wird eine echte Kontrolle wegen der Kompexität und der weiterhin vorhandenen Messproblematik ausgeschlossen sein. Also werden auch dann der größte Teil der Erklärungen nur im Nachhinein möglich sein. Allmachtsphantasien stelle ich mir anders vor.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693977) Verfasst am: 05.10.2011, 12:59 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: |
Ok, das ist trivial - man braucht Wissen, um planen zu können. Und damit etwas planbar ist, muss ich die Eigenschaften der neuen Kombination aus meinem Wissen von den Komponenten ableiten können. Es gibt bei der technischen Entwicklung Computer keine neuen Eigenschaften dieses Systems, die nicht vorhersehbar waren - Zuse hätte sich bei einer derartigen Behauptung totgelacht, weil das ganze Ding mit seiner Komplexheit und seinen Möglichkeiten in seinem Kopf bereits simuliert war - wie weit er vorhergedacht hat, das haben die Leute, die sich systematisch mit Programmiersprachen beschäftigen, erst in den 80ern verstanden, als sie sich Zuses Plankalkül noch einmal angesehen haben. |
Das war bei dem ersten Menschen, der ein Rad gebaut hat, auch nicht anders. Er hat sich vermutlich das Ding erst vorgestellt, bevor er es gebaut hat. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß da etwas Neues entstanden ist, das bevor man es zumindest gedacht hat, nicht existierte. Und das Neue bestand in der Form, in der besonderen Anordnung seiner Bestandteile. So ist es auch beim Rad. Eines aus Holz läuft anders als eines aus Stein, aber daß es ein Rad ist und läuft, liegt nicht hauptsächlich am Material, sondern an der Form, und damit an der Funktion.
Ich sagte bereits, Emergenz ist ein Modell, aber was wäre die Alternative? Die Vorstellung, das Rad sei im Stein immer schon enthalten gewesen, man habe es nur "entdecken" müssen? Ich halte das für Metaphysik.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26545
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1693979) Verfasst am: 05.10.2011, 13:13 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ....
Das war bei dem ersten Menschen, der ein Rad gebaut hat, auch nicht anders. Er hat sich vermutlich das Ding erst vorgestellt, bevor er es gebaut hat. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß da etwas Neues entstanden ist, das bevor man es zumindest gedacht hat, nicht existierte. Und das Neue bestand in der Form, in der besonderen Anordnung seiner Bestandteile. So ist es auch beim Rad. Eines aus Holz läuft anders als eines aus Stein, aber daß es ein Rad ist und läuft, liegt nicht hauptsächlich am Material, sondern an der Form, und damit an der Funktion.
Ich sagte bereits, Emergenz ist ein Modell, aber was wäre die Alternative? Die Vorstellung, das Rad sei im Stein immer schon enthalten gewesen, man habe es nur "entdecken" müssen? Ich halte das für Metaphysik. |
Gegen Emergenz in dieser Bedeutung habe ich nichts. Emergenz wird nur sehr gerne auch als Mysterium gehandelt, als grundsätzliche Schwelle, die die Erkenntnis nie zu überschreiten im Stande ist. .....
fwo
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1693983) Verfasst am: 05.10.2011, 13:44 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Gegen Emergenz in dieser Bedeutung habe ich nichts. Emergenz wird nur sehr gerne auch als Mysterium gehandelt, als grundsätzliche Schwelle, die die Erkenntnis nie zu überschreiten im Stande ist. ..... |
Selbst Epiphänomenalisten haben i.a. nichts gegen Emergenz in dieser Bedeutung. Ich würde ohne Zögern die "Flüssigkeit" von Wasser als emergentes Phänomen bezeichnen, obwohl es komplett aus den Eigenschaften von H2O folgt. Ebenso unumstritten ist, daß für manche Zwecke eine Beschreibung auf höherer Ebene ausreichend / nützlich ist.
Heikel wird es aus meiner Sicht, wenn nicht einmal das, was AP "ontologischer Reduktionismus" (Naturalismus) nannte, unumstritten ist. Dann geht es nicht mehr um die sinnvollste Beschreibungsebene oder Methode, sondern um das (mE falsche) Postulat wesentlicher zusätzlicher "Zutaten" außer den physikalischen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693991) Verfasst am: 05.10.2011, 14:24 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ....
Das war bei dem ersten Menschen, der ein Rad gebaut hat, auch nicht anders. Er hat sich vermutlich das Ding erst vorgestellt, bevor er es gebaut hat. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß da etwas Neues entstanden ist, das bevor man es zumindest gedacht hat, nicht existierte. Und das Neue bestand in der Form, in der besonderen Anordnung seiner Bestandteile. So ist es auch beim Rad. Eines aus Holz läuft anders als eines aus Stein, aber daß es ein Rad ist und läuft, liegt nicht hauptsächlich am Material, sondern an der Form, und damit an der Funktion.
Ich sagte bereits, Emergenz ist ein Modell, aber was wäre die Alternative? Die Vorstellung, das Rad sei im Stein immer schon enthalten gewesen, man habe es nur "entdecken" müssen? Ich halte das für Metaphysik. |
Gegen Emergenz in dieser Bedeutung habe ich nichts. Emergenz wird nur sehr gerne auch als Mysterium gehandelt, als grundsätzliche Schwelle, die die Erkenntnis nie zu überschreiten im Stande ist. .....
fwo |
Ich bin kein Freund von Mysterien. Daß wir nicht alles wissen, ist keine besonders neue Erkenntnis, und daß das auch auf absehbare Zeit so bleiben wird, auch nicht. Für jede konkrete Erkenntnisschwelle gilt, sie ist solange (scheinbar) nicht überschreitbar, bis es einer tut. Oder wie Laughlin so schön schreibt: "Die Suche nach Neuem sieht immer wie ein hoffnungsloser Fall aus, bis einer eine Entdeckung macht. Wenn offenkundig gewesen wäre, was da war, hätte man nicht danach zu suchen brauchen."
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Friedrich Nietzsche
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1693994) Verfasst am: 05.10.2011, 14:38 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Gegen Emergenz in dieser Bedeutung habe ich nichts. Emergenz wird nur sehr gerne auch als Mysterium gehandelt, als grundsätzliche Schwelle, die die Erkenntnis nie zu überschreiten im Stande ist. ..... |
Selbst Epiphänomenalisten haben i.a. nichts gegen Emergenz in dieser Bedeutung. Ich würde ohne Zögern die "Flüssigkeit" von Wasser als emergentes Phänomen bezeichnen, obwohl es komplett aus den Eigenschaften von H2O folgt. Ebenso unumstritten ist, daß für manche Zwecke eine Beschreibung auf höherer Ebene ausreichend / nützlich ist.
Heikel wird es aus meiner Sicht, wenn nicht einmal das, was AP "ontologischer Reduktionismus" (Naturalismus) nannte, unumstritten ist. Dann geht es nicht mehr um die sinnvollste Beschreibungsebene oder Methode, sondern um das (mE falsche) Postulat wesentlicher zusätzlicher "Zutaten" außer den physikalischen. |
Es gibt keine "Zutaten". Alles besteht aus physikalischen Objekten (im weitesten Sinne) und deren Anordnung, bzw. den Funktionsbeziehungen zwischen diesen. Und die können ganz schön komplex werden.
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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
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(#1694001) Verfasst am: 05.10.2011, 15:22 Titel: |
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Nachdem ich mich nun durch den ganzen Fred gekämpft habe (hätte ich ihn doch mal konsequent von Anfang an verfolgt!), sondere ich auch mal ein paar Gedanken zum ursprüngliche(re)n Thema ab, auch wenn es stark von meiner Vorstellung des Bewusstseins geprägt ist:
Ich denke, die Überlegungen zum freien Willen spiegeln nur den Graben zwischen Selbstbild (dem Ich) und der eigentlichen Person, also dem Organismus wieder. Um das deutlich zu machen, werde ich dem (unbewusst gebildeten, aber bewusst wahrgenommenen) Willen dem (bewusst gebildeten und wahrgenommenen) Plan entgegen stellen, das heißt, ich definiere den Willen als das, was nach unbewusstem Abwägen aller Präferenzen unterm Strich als in diesem Moment gewollt heraus kommt. "Plan" verwende ich hier einfach als ein Begriff, der sich vom Willen durch bewusste Entscheidungsfindung abgrenzt. Aber die Begrifflichkeiten sind letztendlich egal, so lange man mich versteht
Ich meine aus diesem Thread heraus lesen zu können, dass ein Wille von den/einigen Kompatibilisten dann als frei empfunden wird, wenn dessen Konsequenzen auch gewünscht werden. Ich kann darin jedoch keine klar definierte Freiheit erkennen, denn wovon diese Art des Wollens frei sein soll, erschließt sich daraus einfach nicht. Ich denke viel mehr, dass sich an dem so als "unfrei" definierten Willen wieder zeigt, dass das bewusste Selbstbild aus unzureichenden Informationen über den Organismus zurecht interpretiert werden muss und dieses dann auch und gerade aufgrund der unzulässigen Überbewertung der Vernunft immer wieder zu falschen Schlüssen bezüglich seiner eigenen Motive gelangt.
Natürlich gehe ich hierbei von diversen Prämissen aus:
- Das Bewusstsein ist nicht "Herrscher" über den Organismus, sondern nahezu völlig begrenzt auf Selbstreflexion und hat dazu nur in einen sehr kleinen Teil der Vorgänge des Gehirns "Einblick"
- Der Wille entsteht unbewusst, dem Bewusstsein können jedoch einige der zugrunde liegenden Zustände und Präferenzen und letztendlich der Wille selbst bewusst werden
- Das (Selbst-)Bewusstsein leitet aus den ihm zur Verfügung stehenden Informationen auf die Zukunft ausgerichtete mittel- bis langfristige Pläne ab, welche aufgrund der tendenziell eher logischen und rationalen Überlegungen von den assoziativen und selbstregulierenden Prozessen der unbewussten Willensfindung stark abweichen können.
Der Plan ist meines Erachtens nach also die Interpretation dessen, was nach Verständnis des Ichs mittel- bis langfristig gewollt werden "müsste". Der Wille ist das, was tatsächlich (hier und jetzt) gewollt wird. Das kann dann auch mal das Stück Torte sein, das dem Diät-Plan entgegen gesetzt ist.
Streicht man das Ich, also das Bewusstsein mit seiner mehr oder weniger freien Interpretation der Person, der es innewohnt, bleibt eine Person, die mit ihrem Willen immer konsistent ist. Hier irgendwie Freiheit zu definieren, ist daher unnötig.
Nun kann man seine Präferenzen tatsächlich durch bewusste Top-Down-Prozesse beeinflussen, wenn man es schafft, den unbewussten Rest mit ins Boot zu holen. Andernfalls gäbe es keine Menschen, die aus eigener Kraft eine Sucht besiegen. Das kann man sich aber m.E. nicht als Befehl eines Herrschers vorstellen, sondern vielmehr als die selektive Stärkung oder Schwächung bestimmter Assoziationen, die auf die Präferenzbildung einwirken können. Es ist ein selbst-initiiertes Umlernen. Die Präferenzbildung selbst ist dann wieder eher selbstregulierend, also bottom-up (denn hier treten die Assoziationen unbewusst gegeneinander an, werden abgewogen).
Natürlich gewinnt der Organismus, also die gesamte Person, dadurch eine größere Flexibilität, aber ich würde diese nicht mit dem Begriff der Willensfreiheit titulieren wollen. Genau genommen sehe ich in dieser gefühlten Freiheit vielmehr die "Selbstüberschätzung" des Ichs, das sich blind für seine eigenen Grenzen für die gesamte Person hält und dann meint, von innen heraus fremdgesteuert zu sein. Zum Beispiel durch die Hilfsvorstellung eines inneren Schweinehundes oder eines "schwachen Willens"
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