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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#1694673) Verfasst am: 07.10.2011, 19:54 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | "Rahmen der Naturgesetze" bedeutet, dass die Naturgesetze und überhaupt die Gegebenheiten meine Freiheitsgrade einschränken. Ich kann nicht in 2 Minuten zur Wega reisen, ich kann mir keine Flügel wachsen lassen. |
Darüber, was Du nicht kannst, also über das Einschränkende der NG, sind wir uns ja einig.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Aber die Naturgesetze steuern mich nicht, das wäre ein völlig falsches Verständnis dessen, was Naturgesetze sind. |
Von "steuern" kann man wie gesagt nicht reden, da sie ja keinen Plan und keine Intention haben. Sie bestimmen jedoch das gesamte Geschehen vollständig, also inklusive der Entscheidungsprozesse in Gehirnen, die personale Modelle ausbilden.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Und natürlich habe ich Freiheitsgrade. Ein Windrad z.B. hat weniger Freiheitsgrade als ich, dessen Freiheitsgrad besteht nur in der Rotation um eine Achse. |
Würdest Du sagen, daß ein Programm auch einen Freiheitsgrad mehr hat, wenn es eine IF/ELSE Bedingung enthält?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | ... Der Unterschied zwischen einer Komplettverursachung durch Naturgesetze und einer Komplettverursachung durch Götter liegt einzig in der Personifizierung und vorgestellten räumlichen Trennung letzterer. Vielleicht hilft die Vorstellung, die Götter transsubstantiierten in Form von Naturgesetzen | Den Punkt verstehe ich überhaupt nicht. Was willst Du damit sagen? |
Daß der Begriff "fernsteuern" durch "determinieren" erstezt werden sollte. Wo genau ist der - für unsere Frage relevante - Unterschied, ob Götter oder Naturgesetze determinieren, was in Deinem Gehirn geschieht?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Aber nehmen wir mal an, ich wäre nicht evolutionär entstanden, sondern jemand (ein Gott oder wer auch immer), hätte mich konstruiert / erschaffen. Das würde dann an meinen Fähigkeiten nichts ändern. |
Genau, es würde an Deinen Entscheidungen und Handlungen nichts ändern. So what?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1694675) Verfasst am: 07.10.2011, 19:59 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Der Unterschied zwischen einer Komplettverursachung durch Naturgesetze und einer Komplettverursachung durch Götter liegt einzig in der Personifizierung und vorgestellten räumlichen Trennung letzterer. Vielleicht hilft die Vorstellung, die Götter transsubstantiierten in Form von Naturgesetzen | Tja, dann ist Dein Determinismus wohl nur eine Art von Pantheismus? |
Na gut, ich ergänze: ... und in der teleologischen Vorstellung ...
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1694678) Verfasst am: 07.10.2011, 20:02 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Ich übersetze das mal etwas salopp in die WF-Debatte: Kompatibilismus durch Mangel an Information |
Das ist aber nicht ganz korrekt. Zwar spielt es eine gewisse Rolle dabei, dass wir die Zukunft noch nicht kennen und die (zum Teil) erst durch unsere Entscheidungen schaffen / realisieren, aber auf der anderen Seite ist es so: nehmen wir mal an, wir würden die Zukunft exakt kennen, (also auch unsere eigenen Entscheidungen), und wir könnten die dann nicht ändern, müssten so entscheiden und handeln, wie wir wissen, wie wir entscheiden und handeln werden: dann hätten wir keinen freien Willen im kompatibilistischen Sinne.
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Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
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(#1694682) Verfasst am: 07.10.2011, 20:04 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Nur: es ging bei der Befragung nicht darum, den freien Willen im kompatibilistischen Sinne hinreichend zu definieren, (das ist zugegebenermaßen nicht so einfach), es ging eher darum, zu eruieren, wie viele Leute die imkompatibilistische Bedingung ("anders handeln können unter denselben Umständen") als notwendig ansehen. Bzw. anders gesagt: ob sie unter "ich hätte anders handeln können" das: "ich hätte auch unter denselben Umständen (= auch dieselben Gründe, Überlegungen, Wertungen etc.) anders handeln können" verstehen.
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Wenn das die Absicht war, dann hat man diese Absicht mit einer sehr unklaren Fragestellung torpediert.
Das vorgestellte Szenario geht davon aus, dass ich denke ich hätte auch anders handeln können. Wenn ich als Inkompatibilist diesen Gedanken fasse, dann verstehe ich etwas darunter das Antwortmöglichkeit b widergibt. (Obwohl sinnlos: Es hätte nichts anders sein können)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1694684) Verfasst am: 07.10.2011, 20:10 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... es ging eher darum, zu eruieren, wie viele Leute die imkompatibilistische Bedingung ("anders handeln können unter denselben Umständen") als notwendig ansehen. Bzw. anders gesagt: ob sie unter "ich hätte anders handeln können" das: "ich hätte auch unter denselben Umständen (= auch dieselben Gründe, Überlegungen, Wertungen etc.) anders handeln können" verstehen. |
Ja, wenn man den Leuten nur
(a) eine offensichtlich für alle Deterministen falsche Antwort,
(b) eine offensichlich für alle Deterministen richtige Antwort, die dann "kompatibilistisch" genannt wird
anbietet, dann ist das Ergebnis für (a) sogar noch erschreckend hoch.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Aber ich hatte das anders gemeint: man kann dann die angebliche Unfähigkeit "anders handeln zu können" nicht als Argument gegen Kompatibilismus verwenden. Könnte man nur, wenn damit "anders handeln können unter denselben Umständen" gemeint wäre, diese Deutung notwendigerweise anzunehmen wäre. |
Nö, das sehe ich anders. Ich laß mal wieder das "können" weg, das verwirrt uns Deterministen ja nur.
a. "anders handeln unter denselben Umständen" = Indeterminimsus
b. "anders handeln unter anderen Umständen" = Determinismus (K und IK)
So einfach scheint mir das.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#1694688) Verfasst am: 07.10.2011, 20:19 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | ... Kompatibilismus durch Mangel an Information | ... nehmen wir mal an, wir würden die Zukunft exakt kennen, ... und wir könnten die dann nicht ändern, müssten so entscheiden und handeln, wie wir wissen, wie wir entscheiden und handeln werden: dann hätten wir keinen freien Willen im kompatibilistischen Sinne. |
Ja, das sehe ich ebenso.
Aber jetzt kommt die fiesere Frage: Wenn A den Teil der Zukunft exakt kennt, der die nächste Entscheidung von Person B betrifft, B aber nicht, hat B dann einen FW im kompat. Sinne (a) generell? (b) nur aus Sicht von B, (c) gar nicht?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Zuletzt bearbeitet von step am 07.10.2011, 20:22, insgesamt einmal bearbeitet |
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1694690) Verfasst am: 07.10.2011, 20:21 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Aber die Naturgesetze steuern mich nicht, das wäre ein völlig falsches Verständnis dessen, was Naturgesetze sind. |
Von "steuern" kann man wie gesagt nicht reden, da sie ja keinen Plan und keine Intention haben. Sie bestimmen jedoch das gesamte Geschehen vollständig, also inklusive der Entscheidungsprozesse in Gehirnen, die personale Modelle ausbilden. |
Nein, das ist falsch. Naturgesetze bestimmen gar nichts. Ich bin ein Teil dieser Welt und Teile dieser Welt bestimmen, was abläuft. Aber natürlich bedeutet das nicht, dass ich gegen Naturgesetze verstoßen könnte.
Außerdem stimmt es nicht, dass Steuerung von Plänen und Intentionen abhängt. Ein Thermostat z.B. steuert die Raumtemperatur. Völlig egal, ob das Thermostat zufällig entstanden ist (so wie ein Boltzmann-Gehirn) oder nicht.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Und natürlich habe ich Freiheitsgrade. Ein Windrad z.B. hat weniger Freiheitsgrade als ich, dessen Freiheitsgrad besteht nur in der Rotation um eine Achse. |
Würdest Du sagen, daß ein Programm auch einen Freiheitsgrad mehr hat, wenn es eine IF/ELSE Bedingung enthält? |
Ich meine, dass unsere Fähigkeit zur Reflexion uns mehr Freiheitsgrade gibt als anderen Systemen, die diese Fähigkeit nicht haben.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | ... Der Unterschied zwischen einer Komplettverursachung durch Naturgesetze und einer Komplettverursachung durch Götter liegt einzig in der Personifizierung und vorgestellten räumlichen Trennung letzterer. Vielleicht hilft die Vorstellung, die Götter transsubstantiierten in Form von Naturgesetzen | Den Punkt verstehe ich überhaupt nicht. Was willst Du damit sagen? |
Daß der Begriff "fernsteuern" durch "determinieren" erstezt werden sollte. Wo genau ist der - für unsere Frage relevante - Unterschied, ob Götter oder Naturgesetze determinieren, was in Deinem Gehirn geschieht? |
Der Unterschied liegt in der Frage, wer jetzt und hier was kontrolliert. Naturgesetze kontrollieren nichts - siehe oben - nur konkrete Systeme kontrollieren etwas.
Da ich ein konkretes System bin, kann ich (zumindest hypothetisch) was kontrollieren. Die Frage wäre also, wieso ich das nicht könnte, (denn ich meine, ich kann das).
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Aber nehmen wir mal an, ich wäre nicht evolutionär entstanden, sondern jemand (ein Gott oder wer auch immer), hätte mich konstruiert / erschaffen. Das würde dann an meinen Fähigkeiten nichts ändern. |
Genau, es würde an Deinen Entscheidungen und Handlungen nichts ändern. So what? |
Dann wäre ich genauso frei. Meine Freiheit liegt an meinen Fähigkeiten, nämlich zu erkennen, zu reflektieren, nach Gründen selber entscheiden zu können und nicht daran, wie diese Fähigkeit entstanden ist. So that.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1694694) Verfasst am: 07.10.2011, 20:28 Titel: |
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Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Das vorgestellte Szenario geht davon aus, dass ich denke ich hätte auch anders handeln können. Wenn ich als Inkompatibilist diesen Gedanken fasse, dann verstehe ich etwas darunter das Antwortmöglichkeit b widergibt. |
Wenn Du nie denkst, dass etwas auch anders sein könnte, als es ist, dann müsstest Du eben c) ankreuzen. Was ich zwar absolut merkwürdig finde, denn jede Entscheidung beinhaltet meiner Ansicht nach notwendigerweise ein "was wäre, wenn?". Außerdem wäre es unglaublich hilfreich bei jeder Entscheidung, wenn man per se unmögliche von per se möglichen Alternativen unterscheiden könnte.
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | (Obwohl sinnlos: Es hätte nichts anders sein können) |
Wieso?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1694695) Verfasst am: 07.10.2011, 20:34 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Naturgesetze bestimmen gar nichts. Ich bin ein Teil dieser Welt und Teile dieser Welt bestimmen, was abläuft. |
Tja, da hilft wohl kein Weiterdiskutieren. Diese Ansicht erscheint mir als eine Art romantischer Schlupfloch-Determinismus.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Außerdem stimmt es nicht, dass Steuerung von Plänen und Intentionen abhängt. Ein Thermostat z.B. steuert die Raumtemperatur. Völlig egal, ob das Thermostat zufällig entstanden ist (so wie ein Boltzmann-Gehirn) oder nicht. |
Es muß nicht unbedingt eine Intention sein, da stimme ich zu. Aber schauen wir mal hier:
wikipedia hat folgendes geschrieben: | Steuern ist die gerichtete Beeinflussung (durch Information, Nachricht, Reiz, Input) des Verhaltens eines Systems von außen. [...] Prinzipiell gilt für alle Systeme, die von außen gesteuert werden können, dass sie zusammen mit dem externen Führungsglied ein Regelsystem höherer Ordnung darstellen können: Wird der Fahrer als Steuerglied außerhalb des Systems Auto betrachtet, liegt Steuerung vor, werden Auto und Fahrer in einem System integriert betrachtet, liegt Regelung vor. |
Wirken die Götter also von außen, steuern sie, wirken die Naturgesetze von innen, nennt man es regeln.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Naturgesetze kontrollieren nichts - siehe oben - nur konkrete Systeme kontrollieren etwas. |
Wieso ist die Physik mit den Naturgesetzen kein konkretes System?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Aber nehmen wir mal an, ich wäre nicht evolutionär entstanden, sondern jemand (ein Gott oder wer auch immer), hätte mich konstruiert / erschaffen. Das würde dann an meinen Fähigkeiten nichts ändern. | Genau, es würde an Deinen Entscheidungen und Handlungen nichts ändern. So what? | Dann wäre ich genauso frei. |
Genau, oder ebenso unfrei.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
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(#1694699) Verfasst am: 07.10.2011, 20:45 Titel: |
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Ich revidiere diese Aussage.
Wenn es absolute Zufälle gibt, dann hätte es auch anders laufen können.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1694700) Verfasst am: 07.10.2011, 20:46 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... es ging eher darum, zu eruieren, wie viele Leute die imkompatibilistische Bedingung ("anders handeln können unter denselben Umständen") als notwendig ansehen. Bzw. anders gesagt: ob sie unter "ich hätte anders handeln können" das: "ich hätte auch unter denselben Umständen (= auch dieselben Gründe, Überlegungen, Wertungen etc.) anders handeln können" verstehen. |
Ja, wenn man den Leuten nur
(a) eine offensichtlich für alle Deterministen falsche Antwort,
(b) eine offensichlich für alle Deterministen richtige Antwort, die dann "kompatibilistisch" genannt wird
anbietet, dann ist das Ergebnis für (a) sogar noch erschreckend hoch. |
Verstehe ich nicht. Wie gesagt, ging es darum, zu eruieren, was Leute meinen, wenn sie sagen: "ich hätte auch anders entscheiden und handeln können". Die beiden zur Verfügung stehenden Optionen waren: a): die (inkompatibilistische) Interpretation: "anders entscheiden / handeln können unter denselben Umständen" und b) die (kompatibilistische) Interpretation: "anders handeln können unter anderen Umständen".
Selbstverständlich wurden diese Optionen aber in der Umfrage nicht so benannt und außerdem ist es richtig, dass ein ledigliches "anders handeln können unter anderen Umständen" die notwendige und hinreichende Bedingungen für Kompatibilismus nicht exakt abbildet. Nur ist das kein guter Einwand gegen die Befragung, denn es wurde die klar inkompatibilistische Antwort viel weniger gewählt.
Mal anders gefragt: wenn Du wissen willst, was Leute darunter verstehen, wenn sie sagen: "das hätte ich auch anders machen können", wie würdest Du die Fragen / die Fragestellung formulieren?
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Aber ich hatte das anders gemeint: man kann dann die angebliche Unfähigkeit "anders handeln zu können" nicht als Argument gegen Kompatibilismus verwenden. Könnte man nur, wenn damit "anders handeln können unter denselben Umständen" gemeint wäre, diese Deutung notwendigerweise anzunehmen wäre. |
Nö, das sehe ich anders. Ich laß mal wieder das "können" weg, das verwirrt uns Deterministen ja nur. |
Wieso und inwiefern siehst Du das anders?
step hat folgendes geschrieben: | a. "anders handeln unter denselben Umständen" = Indeterminimsus
b. "anders handeln unter anderen Umständen" = Determinismus (K und IK)
So einfach scheint mir das. |
Ja, natürlich.
Aber das war doch nicht der Punkt bei der Befragung. Es ging darum, was man gemeinhin unter "ich hätte auch anders handeln können" versteht.
Oder mal ganz anders: wenn Du, so wie einige andere Inkompatibilisten, behaupten willst, ein "anders handeln können unter denselben Umständen" sei eine notwendige Voraussetzung für Willensfreiheit, dann solltest Du mal ein Argument dafür bringen. Es reicht nicht, einfach zu behaupten, die meisten anderen Leute sähen das auch so, denn das stimmt nicht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1694703) Verfasst am: 07.10.2011, 20:50 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Aber jetzt kommt die fiesere Frage: Wenn A den Teil der Zukunft exakt kennt, der die nächste Entscheidung von Person B betrifft, B aber nicht, hat B dann einen FW im kompat. Sinne (a) generell? (b) nur aus Sicht von B, (c) gar nicht? |
Das Wissen von A über die zukünftige Entscheidung von B hätte keinen Einfluss auf die Willensfreiheit (im kompat. Sinne) von B.
Wieso sollte es auch? Und wieso ist die Frage fies?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#1694708) Verfasst am: 07.10.2011, 20:57 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wenn A den Teil der Zukunft exakt kennt, der die nächste Entscheidung von Person B betrifft, B aber nicht, hat B dann einen FW im kompat. Sinne (a) generell? (b) nur aus Sicht von B, (c) gar nicht? | Das Wissen von A über die zukünftige Entscheidung von B hätte keinen Einfluss auf die Willensfreiheit (im kompat. Sinne) von B. |
OK. Was ist, wenn B weiß, daß A es weiß?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1694709) Verfasst am: 07.10.2011, 20:58 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Naturgesetze bestimmen gar nichts. Ich bin ein Teil dieser Welt und Teile dieser Welt bestimmen, was abläuft. |
Tja, da hilft wohl kein Weiterdiskutieren. Diese Ansicht erscheint mir als eine Art romantischer Schlupfloch-Determinismus. |
Ja, an der Stelle haben wir anscheinend einen solchen Dissens, dass ich noch nicht mal im Ansatz verstehen kann, wo der eigentlich liegt. Es sind nicht die Naturgesetze, die die Raumtemperatur steuern, (und somit bestimmt), es ist das Boltzmann-Thermostat. Es sind nicht die Naturgesetze, die meine Entscheidungen und Handlungen bestimmen, ich bin es, der das tut, (im Rahmen meiner Möglichkeiten). Es sind nicht die Naturgesetze, die mein Auto antreiben, es ist der Motor.
Ich habe noch nicht mal den Hauch einer Ahnung, was daran nun 'romantisch' sein könnte. Sprich: keine Ahnung, was Du eigentlich sagen willst.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1694711) Verfasst am: 07.10.2011, 21:03 Titel: |
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Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: |
Ich revidiere diese Aussage.
Wenn es absolute Zufälle gibt, dann hätte es auch anders laufen können. |
Wenn was anders gewesen wäre, dann hätte es auch anders laufen können.
Dazu braucht es keinen Zufall, es braucht nur andere Rahmenbedingungen.
Und die hätten anders sein können. Wenn nicht: wieso nicht?
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1694712) Verfasst am: 07.10.2011, 21:08 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wenn A den Teil der Zukunft exakt kennt, der die nächste Entscheidung von Person B betrifft, B aber nicht, hat B dann einen FW im kompat. Sinne (a) generell? (b) nur aus Sicht von B, (c) gar nicht? |
Das Wissen von A über die zukünftige Entscheidung von B hätte keinen Einfluss auf die Willensfreiheit (im kompat. Sinne) von B. |
OK. Was ist, wenn B weiß, daß A es weiß? |
Dann wird - je nach Bedeutung der Entscheidung - B dieses Wissen in seine Entscheidung einbeziehen. Was das Wissen von A über die Entscheidung von B - kommt auf die Umstände, den konkreten Fall an - hinfällig machen kann.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#1694717) Verfasst am: 07.10.2011, 21:28 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mal anders gefragt: wenn Du wissen willst, was Leute darunter verstehen, wenn sie sagen: "das hätte ich auch anders machen können", wie würdest Du die Fragen / die Fragestellung formulieren? |
Wie gesagt, mir gefällt schon an der Aussage nicht, daß sie - genaugenommen - bereits Optionen impliziert ("können"). Ich finde die Fragen von N&K besser, selbst wenn man ihre Interpretation nicht teilt. Vielleicht hätte ich auch gefragt:
"Welche Vervollständigung passt am besten? "Ich hätte anders gehandelt, ...
(b) wenn die Umstände entsprechend anders gewesen wären.
(a) auch wenn die Umstände dieselben gewesen wären."
Falls (b):
(b1) Meine Entscheidung wäre primär frei
(b2) Meine Entscheidung wäre primär durch die Umstände bestimmt"
Ist aber auch nicht ganz genau - hab jetzt aber auch leider keine Zeit mehr für heute.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Oder mal ganz anders: wenn Du, so wie einige andere Inkompatibilisten, behaupten willst, ein "anders handeln können unter denselben Umständen" sei eine notwendige Voraussetzung für Willensfreiheit, dann solltest Du mal ein Argument dafür bringen. |
Also ich sehe das inzwischen so:
- FW in dem gerade von Dir angesprochenen Sinne gibt es eindeutig nicht
- andere Dinge "freier Wille" zu nennen, ist irrführend.
Also bin ich dafür, diesen Begriff gar nicht mehr zu verwenden, sondern von "präferentem Handeln", "rationalen Abwägungen", "Abwesenheit sozialer/psychischer Zwänge" und dgl. zu sprechen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1694719) Verfasst am: 07.10.2011, 21:30 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wenn A den Teil der Zukunft exakt kennt, der die nächste Entscheidung von Person B betrifft, B aber nicht, hat B dann einen FW im kompat. Sinne (a) generell? (b) nur aus Sicht von B, (c) gar nicht? | Das Wissen von A über die zukünftige Entscheidung von B hätte keinen Einfluss auf die Willensfreiheit (im kompat. Sinne) von B. | OK. Was ist, wenn B weiß, daß A es weiß? | Dann wird - je nach Bedeutung der Entscheidung - B dieses Wissen in seine Entscheidung einbeziehen. Was das Wissen von A über die Entscheidung von B - kommt auf die Umstände, den konkreten Fall an - hinfällig machen kann. |
Ja, die Entscheidung von B könnte dadurch eine Zufallskomponente bekommen.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1694729) Verfasst am: 07.10.2011, 22:00 Titel: |
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Seid ihr jetzt irgendwie weiter gekommen, in der Frage von Determinismus oder Indeterminismus ebenso wie dem Maß an Heteronomie oder Autonomie menschlichen Verhaltens?
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1694731) Verfasst am: 07.10.2011, 22:05 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mal anders gefragt: wenn Du wissen willst, was Leute darunter verstehen, wenn sie sagen: "das hätte ich auch anders machen können", wie würdest Du die Fragen / die Fragestellung formulieren? |
Wie gesagt, mir gefällt schon an der Aussage nicht, daß sie - genaugenommen - bereits Optionen impliziert ("können"). Ich finde die Fragen von N&K besser, selbst wenn man ihre Interpretation nicht teilt. Vielleicht hätte ich auch gefragt:
"Welche Vervollständigung passt am besten? "Ich hätte anders gehandelt, ...
(b) wenn die Umstände entsprechend anders gewesen wären.
(a) auch wenn die Umstände dieselben gewesen wären."
Falls (b):
(b1) Meine Entscheidung wäre primär frei
(b2) Meine Entscheidung wäre primär durch die Umstände bestimmt" |
Aber das ergibt überhaupt keinen Sinn für mich. Wieso 'frei' und von was 'frei'?
Die Frage für mich als Kompatibilisten muss immer sein: inwiefern kann ich (als Person - und nicht merkwürdigerweise "ich als reines Bewusstsein, Selbstmodell oder dergleichen") meine Entscheidungen und Handlungen steuern / kontrollieren? Welchen Sinn ergibt es, einfach alles unter "Umstände" subsummmieren zu wollen und gleichzeitig dabei implizit so zu tun, als ob ich etwas von den "Umständen" ontologisch Getrenntes wäre, irgendwie ein cartesischer Homunkulus, der außerhalb der Welt subsistieren würde, der von der Welt und dem Weltgeschehen unabhängig wäre? Da ich naturalistischer Monist bin, ergibt das für mich überhaupt keinen Sinn. Nur völlig unverständlichen Unsinn.
Wäre ja was anderes, wenn man nun Fatalismus oder Epiphänomenalismus propagieren würde, aber zumindest Fatalismus bekomme ich mit meinem Naturalismus nicht unter einen Hut, jedoch auch mit Epiphänomenalismus (bewusste Vorgänge, Begründungen, Rechtfertigungen, Argumente etc. seien völlig irrelevant, da auswirkungslos) habe ich ein kleines Problem, was aber dann logischer Art ist. Könnte zwar theoretisch sein, ist aber leider selbstwidersprüchlich und selbstaufhebend. Daraus folgte gar nichts außer Chaos.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Oder mal ganz anders: wenn Du, so wie einige andere Inkompatibilisten, behaupten willst, ein "anders handeln können unter denselben Umständen" sei eine notwendige Voraussetzung für Willensfreiheit, dann solltest Du mal ein Argument dafür bringen. |
Also ich sehe das inzwischen so:
- FW in dem gerade von Dir angesprochenen Sinne gibt es eindeutig nicht
- andere Dinge "freier Wille" zu nennen, ist irrführend.
Also bin ich dafür, diesen Begriff gar nicht mehr zu verwenden, sondern von "präferentem Handeln", "rationalen Abwägungen", "Abwesenheit sozialer/psychischer Zwänge" und dgl. zu sprechen. |
Nun, das Problem hier ist aber dann, dass Du die allgemeine Bedeutung eines Konzeptes nicht ad hoc bestimmen kannst. Es ist genau im Geneteil so, dass man sich hüten sollte, wenn man die allgemeine Bedeutung der Konzepte nicht genau kennt, diese einfach so als 'Illusion' abzutun. Denn das ist dann völlig missverständlich. Außer aber, man sagt genau dazu, was man damit meint. Also z.B.: "ein freier Wille in dem Sinne, dass man unter exakt denselben Umständen sowohl das eine als auch das andere tun könne, ist eine Illusion".
Und erst wenn Du die Bedeutung in Deinem Sinne geändert hast, kannst Du den Begriff 'Willlensfreiheit' einfach so verwenden, dass er genau das bedeutet, was Du darunter verstehst. Vorher nicht und vorher sollte das auch kein anderer tun.
Wenn sich herausstellt, dass Leute mehrheitlich unter den Konzepten 'freier Wille' und 'moralische Verantwortung' etwas mit Determinismus / Naturgesetzen Verträgliches ansehen, dann gibt es erst mal gar keinen Grund, diese umdefinieren zu wollen. Dass Dir das nicht passt, ist dabei völlig irrelevant.
Es mag aber nun sein, dass es gute, plausible Gründe für Inkompatibilismus gibt. Nur müssen die dann mal vorgebracht werden.
Es ist aber nun per se überhaupt nicht plausibel, dass jemand in seinen Entscheidungen und Handlungen freier wäre, wenn die in derselben Situation (= gleiche Gründe, Bewertungen, Abwägungen, Überlegungen etc.) mal so und mal so ausfallen würden. Das erscheint mir im Gegenteil sehr unplausibel.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1694736) Verfasst am: 07.10.2011, 22:16 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Seid ihr jetzt irgendwie weiter gekommen, in der Frage von Determinismus oder Indeterminismus ebenso wie dem Maß an Heteronomie oder Autonomie menschlichen Verhaltens? |
Nein, kein Stück.
Es stehen sich immer noch folgende beiden unvereinbaren Ansichten gegenüber:
1. Aus Determinismus folgt komplette Heteronomie (in Wirklichkeit bestimmen Naturgesetze alle Abläufe komplett, es gibt also gar keine Entscheidungen und Handlungen, es gibt auch gar keine Personen, alles nur Illusionen [fragt sich dann aber, wer diese Illusionen hat, wem die erscheinen?])
2. Aus Determinismus folgt nicht komplette Heteronomie, Determinismus wiederspricht nicht einer Autonomie, Personen sind zwar Teil des Weltgeschehens, aber das bedeutet nicht, dass sie außerhalb des Weltgeschehens existieren würden, d.h. das bedeutet nicht, dass das (außerhalb der Person existierende) Weltgeschehen Personen komplett determinieren würde und also Personen keinen Einfluss auf das Weltgeschehen hätten, (genau genommen kann es das gar nicht bedeuten, das wäre ein Widerspruch in sich)
Aber so richtig festnageln kann ich das immer noch noch nicht, denn aus kompletter Heteronomie folgte meiner Ansicht nach unweigerlich Fatalismus. Merkwürdigerweise aber wird das nun anscheinend abgestritten.
Das ist noch mein Problem hier, das bekomme ich nicht zusammen.
Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 07.10.2011, 22:27, insgesamt einmal bearbeitet |
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1694741) Verfasst am: 07.10.2011, 22:24 Titel: |
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Wenn ein Problem zu kompliziert erscheint, muß man Komplexität reduzieren, also das Problem zerlegen. Mein Vorschlag: Wir beginnen mit Determinismus vs Indeterminismus.
Der Determinismus "geht davon aus, dass alle Ereignisse nach feststehenden Gesetzen ablaufen und sie durch diese vollständig bestimmt bzw. determiniert seien. Deterministen glauben, dass bei bekannten Naturgesetzen und dem vollständig bekannten Zustand eines Systems der weitere Ablauf aller Ereignisse prinzipiell vorherbestimmt ist und folglich kein echter Zufall bzw. ähnliche nicht-physische Phänomene existieren."
Ausgangspunkt dieser Theorie ist ein Weltbild, in der alle Objekte in ausschließlich kausalen Beziehungen zueinander stehen. Man geht von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen aus, die sich in Naturgesetzen beschreiben lassen, Begriffe, die im Zusammenhang der physikalisch-chemischen Naturwissenschaften entstanden sind. Da unser bekanntes Universum sich ausschließlich aus physikalischen Objekten zusammensetzt, wird daraus geschlossen, daß es für nichtkausale Ereignisse schlicht keinen Spielraum gibt. Das Universum läuft wie ein Uhrwerk ab, und damit ist zwangsläufig auch die Vorstellungen verbunden, daß das Ende dieser Entwicklung von vornherein feststeht, wenn auch nach gegenwärtigem Wissensstand nicht vorhersagbar.
Die Gegenposition, der physikalische Indeterminismus, geht davon aus, daß es einige Ereignisse gibt, die nicht-deterministisch ablaufen, und für das Eintreten einiger Ereignisse nur Wahrscheinlichkeiten angegeben werden können.
Beide Positionen werden hier als naturalistisch verstanden. Beide Positionen stimmen darin überein, daß die Objekte der klassischen Physik sich deterministisch verhalten, daß jeder beliebige physikalische Zustand auf natürlichem Wege zustande gekommen ist und daß sich bestimmte physikalische Zustände nicht exakt im voraus berechnen lassen.
Der Dissens besteht ausschließlich darin, daß die Deterministen sagen, dies sei unserem unvollständigen Wissen geschuldet, während die Indeterministen das darauf zurückführen, daß die Wirklichkeit selbst nicht deterministisch sei.
Die Frage ist nur, welche Bedeutung das für uns hat, denn auch eine deterministische Welt ist für uns nicht vorhersehbar. Jeder Einzelne von uns muß also bei jeder Entscheidung davon ausgehen, daß davon der weitere Gang der Ereignisse abhängt. Selbst wenn sich nachträglich herausstellen würde, daß alles so kommen mußte wie es kam, so doch nur, weil wir so gehandelt haben, wie wir gehandelt haben. Auch eine deterministische Welt hat für Fatalismus keinen Platz. Das Handeln jedes Einzelnen von uns ist unabdingbarer Teil der Ereignisse. Damit wird die Frage, ob diese Welt deterministisch ist oder nicht, zu einer rein akademischen.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#1694811) Verfasst am: 08.10.2011, 08:03 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Naturgesetze bestimmen gar nichts. Ich bin ein Teil dieser Welt und Teile dieser Welt bestimmen, was abläuft. |
Tja, da hilft wohl kein Weiterdiskutieren. Diese Ansicht erscheint mir als eine Art romantischer Schlupfloch-Determinismus. |
Ja, an der Stelle haben wir anscheinend einen solchen Dissens, dass ich noch nicht mal im Ansatz verstehen kann, wo der eigentlich liegt. Es sind nicht die Naturgesetze, die die Raumtemperatur steuern, (und somit bestimmt), es ist das Boltzmann-Thermostat. Es sind nicht die Naturgesetze, die meine Entscheidungen und Handlungen bestimmen, ich bin es, der das tut, (im Rahmen meiner Möglichkeiten). Es sind nicht die Naturgesetze, die mein Auto antreiben, es ist der Motor. |
Dies unterstützend könnte man sagen, dass Naturgesetze Eigenschaften der "Dinge" (inklusive dem Menschen) sind; sie sind ja nichts von ihnen Unabhängiges, das im luftleeren Raum schweben würde. Allerdings empfinde ich das notwendig nur auf eine mögliche Art ablaufende Weltgeschehen, das der Determinismus impliziert, als freiheitsuntergrabend.
_________________ Faulheit: der Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit. (Kant)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1694835) Verfasst am: 08.10.2011, 11:10 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: | ... könnte man sagen, dass Naturgesetze Eigenschaften der "Dinge" (inklusive dem Menschen) sind; sie sind ja nichts von ihnen Unabhängiges, das im luftleeren Raum schweben würde. |
Die Naturgesetze als solche existieren ja gar nicht im landläufigen Sinne, sondern sind nur ein Satz modellierter Beziehungen, die überprüfbar zwischen Elementarteilchen gelten. In unserer Welt hat dieser Satz von Beziehungen aber die Eigenschaft, sehr vollständig zu sein. Das führt einerseits zu Determinismus (unitär zeitentwickelnde Gesamtwellenfunktion) und andererseits zum (zumindest prinzipiellen) Reduktionismus. Um das zu bestreiten, müßte man eine der folgenden Aussagen plausibel machen:
- die unitäre Zeitentwicklung ist falsch (neue Physik), oder
- es gibt elementare Wechselwirkungen, die nicht durch physikalische Elementarwechselwirkungen realisiert sind (Irreduzibilität)
Nun zu den Eigenschaften: Meine Erachtens folgt aus obigem, daß eher die mesokosmischen "Dinge" (emergente) Eigenschaften oder Ausprägungen von Elementarteilchen und ihren Wechselwirkungen sind, als umgekehrt. Nehmen wir zum Beispiel eine andere, diesmal mesokosmische kausale Beziehung: Ein Katapult kann ein Loch in eine Mauer schießen. Jetzt ist es eher eine Eigenschaft des Katapults, Löcher in Mauern schießen zu können, als daß das Katapult eine Eigenschaft des Lochs wäre.
Natürlich könnte man auch ganz auf solche schlecht definierten Begriffe wie "Eigenschaft" verzichten und die scheinbare Gerichtetheit kausaler Beziehungen ignorieren - die Physik bietet solche Ansätze.
Katatonia hat folgendes geschrieben: | Allerdings empfinde ich das notwendig nur auf eine mögliche Art ablaufende Weltgeschehen, das der Determinismus impliziert, als freiheitsuntergrabend. |
Deshalb "wildert" der kompatibilistische Freiheitsbegriff ja auch meist unter anderen Eigenschaften von Entscheidungen, die mit dem Determinismus besser vereinbar sind: Rationalität, Unkenntnis, Abwesenheit sozialer / psychischer Zwänge u.ä.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1694841) Verfasst am: 08.10.2011, 11:37 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Es stehen sich immer noch folgende beiden unvereinbaren Ansichten gegenüber:
1. Aus Determinismus folgt komplette Heteronomie (in Wirklichkeit bestimmen Naturgesetze alle Abläufe komplett, es gibt also gar keine Entscheidungen und Handlungen, es gibt auch gar keine Personen, alles nur Illusionen [fragt sich dann aber, wer diese Illusionen hat, wem die erscheinen?]) |
Ich finde hier meine Ansicht nicht korrekt wiedergegeben.
- Entscheidungen gibt es genauso, wie es Programmabläufe in Computern oder wie es chemische Reaktionen gibt. Und das "Selbst", also das personale Gefühl, ist ein emergentes Phänomen bestimmter Gehirne, ein vereinheitlichstes Modell des Gehirns von Teilen von sich selbst, dem Körper usw., und natürlich gibt es solche emergenten Phänomene.
- "Heteronomie" finde ich auch unglücklich, denn es suggeriert, man habe hier eine Person und dort die Elementarteilchen, und diese würden die arme Person fernsteuern, was natürlich Unsinn ist. Nehmen wir ein Automobil. Wie der Name schon andeutet, ist es autonom, nämlich in dem Sinne, daß es anders als eine Kutsche nicht von außen geschoben oder gezogen werden muß. Schaut man jedoch genauer hin, nämlich auf den Motor, das Navi, die Kraftübersetzung usw., dann ist das Automobil gar nicht mehr autonom. Solange es jetzt nur um den Kauf von Zugpferden o.ä. geht, könnte man argumentieren, daß die Autonomie des Automobils eine brauchbare Beschreibung ist. Sobald aber aus der Autonomie des Automobils etwa abgeleitet werden sollte, daß es verschrottet wird, wenn es falsch fährt, wäre dies nicht mehr vertretbar. Dann werden die determinierenden Kausalketten (seien sie intern oder extern) wesentlich.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1694844) Verfasst am: 08.10.2011, 11:48 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: |
Dies unterstützend könnte man sagen, dass Naturgesetze Eigenschaften der "Dinge" (inklusive dem Menschen) sind; sie sind ja nichts von ihnen Unabhängiges, das im luftleeren Raum schweben würde. | Zustimmung.
Katatonia hat folgendes geschrieben: |
Allerdings empfinde ich das notwendig nur auf eine mögliche Art ablaufende Weltgeschehen, das der Determinismus impliziert, als freiheitsuntergrabend. |
Ich halte das für einen Irrtum. Diese Weltgeschehen, das sind auch wir. Der Unterschied zwischen Indeterminismus und Determinismus ist nur, daß einige Phänomene sich nicht-kausal verhalten, aus unserer Sicht also zufällig. Zufall ist aber nicht unbedingt eine Quelle von Freiheit. Freiheit ist eine Frage von Autonomie oder Heteronomie.
Diese Welt und ihre Entwicklung ist ein nach vorne offener, sich selbst organisierender Prozeß, deren Ergebnisse erst feststehen, wenn sie eingetreten sind, und wir sind ein Teil davon - ganz egal ob Determinismus oder nicht. Das Maß deiner und meiner Freiheit ist einerseits die Frage nach unseren Handlungsspielräumen und andererseits die Frage nach unserer inneren Freiheit zB von Zwängen.
Wenn du dir die Entwicklung des Lebens auf diesem Planeten ansiehst, ist es auch die Entwicklung hin zu einer immer größeren Autonomie gegenüber unserer Umwelt und wir Menschen sind sicher der bisherige Höhepunkt dieser Entwicklung. Aber diese Autonomie ist nie absolut, und es ist nicht nur eine Autonomie von etwas, sondern auch immer auch eine für etwas, in diesem Falle dient sie der Anpassung an unsere Umgebung, dient simpel gesprochen dem Überleben.
Fest steht, daß in der Entwicklung dieser Welt nichts feststeht bis es passiert ist. Je mehr sich das Leben auf diesem Planeten differenziert hat, umso vielfältiger sind die Entwicklungsmöglichkeiten, und wir sind nicht Objekt dieser Entwicklung, sondern Subjekt, wir sind ein Teil davon. Unsere Entscheidungen, unser Nachdenken, unser Abwägen ist Teil dieser Entwicklung. Unsere Fantasie ist zB die Fähigkeit zufällig Zusammenhänge herzustellen, wo uns Fakten fehlen. Welche Bedeutung hat es da, ob das ein "echtes" Zufallsgeschehen ist oder ein simuliertes wie in einem Computer.
Apropos Computer, ja wohl das Paradebeispiel eines deterministischen Gebildes, und doch kann man daraus ein bloßes Reiz-Reaktions-Ding bauen, oder ein Ding mit zahlreichen Handlungsoptionen. Die Frage ob die Welt dahinter "rein" deterministisch oder partiell indeterministisch ist, ist eine ontologische Frage, und die ist prinzipiell nicht endscheidbar und daher meiner Ansicht nach auch nicht von Bedeutung.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1694880) Verfasst am: 08.10.2011, 14:35 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Katatonia hat folgendes geschrieben: | Allerdings empfinde ich das notwendig nur auf eine mögliche Art ablaufende Weltgeschehen, das der Determinismus impliziert, als freiheitsuntergrabend. |
Deshalb "wildert" der kompatibilistische Freiheitsbegriff ja auch meist unter anderen Eigenschaften von Entscheidungen, die mit dem Determinismus besser vereinbar sind: Rationalität, Unkenntnis, Abwesenheit sozialer / psychischer Zwänge u.ä. |
Ja, und Erkenntnisfähigkeit, Reflexionsfähigkeit, Selbstkontrolle.
Inwiefern "wildert" der Kompatibilist? Dass diese Eigenschaften / Fähigkeiten notwendige Bedingungen für Willensfreiheit sind, wird normalerweise auch von Inkompatibilisten angenommen.
Es wäre wohl hilfreich, wenn Ihr beiden mal darstellen würdet, was Euer Freiheitsbegriff genau beinhaltet, wie man sich eine freie Entscheidung / bzw. Freiheit in Eurem Sinne vorstellen kann, was genau zusätzlich zu den o.g. Eigenschaften / Fähigkeiten hinzukommen muss.
Und auch, wieso man die Konzepte 'Willensfreiheit' und 'moralische Verantwortung', falls die landläufig nicht inkompatibilistisch sind, (und danach sieht es zurzeit aus), in Richtung Inkompatibilismus ändern sollte.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Es stehen sich immer noch folgende beiden unvereinbaren Ansichten gegenüber:
1. Aus Determinismus folgt komplette Heteronomie (in Wirklichkeit bestimmen Naturgesetze alle Abläufe komplett, es gibt also gar keine Entscheidungen und Handlungen, es gibt auch gar keine Personen, alles nur Illusionen [fragt sich dann aber, wer diese Illusionen hat, wem die erscheinen?]) |
Ich finde hier meine Ansicht nicht korrekt wiedergegeben.
- Entscheidungen gibt es genauso, wie es Programmabläufe in Computern oder wie es chemische Reaktionen gibt. Und das "Selbst", also das personale Gefühl, ist ein emergentes Phänomen bestimmter Gehirne, ein vereinheitlichstes Modell des Gehirns von Teilen von sich selbst, dem Körper usw., und natürlich gibt es solche emergenten Phänomene. |
Du redest hier aber nicht vom "Selbst", sondern vom "Selbstmodell".
step hat folgendes geschrieben: | - "Heteronomie" finde ich auch unglücklich, denn es suggeriert, man habe hier eine Person und dort die Elementarteilchen, und diese würden die arme Person fernsteuern, was natürlich Unsinn ist. |
Nein, das suggeriert 'Heteronomie' meiner Ansicht nach nicht. 'Heteronomie' bedeutet fremdgesteuert / fremdbestimmt. Und nun betrachtet man zwei Systeme (z.B. eine Person und die Welt minus diese Person) und schaut, inwiefern Fremdsteuerung und inwiefern Selbststeuerung / Selbstkontrolle / Selbstbestimmung besteht. Wobei beide Systeme aus Elementarteilchen bestehen, es gibt keinen Gegensatz "hier System, da Elementarteilchen". Alle Systeme sind aus der Sicht eines Naturalisten durch Elementarteilchen realisiert und ontologisch reduzierbar. Nur bedeutet das keineswegs, dass deswegen Systemeigenschaften irgendwie unwichtig / irrelevant / nicht wirklich wären.
Was Du mit Deinem Automobil-Beispiel zeigen wolltest, ist mir nicht klar geworden.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1694886) Verfasst am: 08.10.2011, 15:02 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Es wäre wohl hilfreich, wenn Ihr beiden mal darstellen würdet, was Euer Freiheitsbegriff genau beinhaltet, wie man sich eine freie Entscheidung / bzw. Freiheit in Eurem Sinne vorstellen kann, was genau zusätzlich zu den o.g. Eigenschaften / Fähigkeiten hinzukommen muss. |
Aus meiner Sicht ist der Begriff "Freiheit" nur sinnvoll als Freiheit von etwas ganz Bestimmtem. In Bezug auf den Willen möchte ich "Willensfreiheit" überhaupt nicht definieren, da da nichts mehr ist, was noch frei sein könnte (außer der Zufall im Indeterminismus). Und "Entscheidungsfreiheit" ist für mich eine spezielle Form der Handlungsfreiheit.
Handlungsfreiheit = Handlungen stimmen mit Präferenzen überein
Entscheidungsfreiheit = Entscheidungen stimmen mit Präferenzen überein
Das schließt jeweils akute physische / soziale / psychische Zwänge aus.
Darüberhinaus wünschen die meisten Menschen für sich selbst und Andere weitere Eigenschaften, die Entscheidungen haben sollen: Rationalität, Informiertheit, Berechenbarkeit, moralische Normtreue usw. - die meisten dieser Eigenschaften jedoch haben für mich - über die Handlungsfreiheit hinaus - nicht viel mit "Freiheit" zu tun, eher sogar im Gegenteil. Daher möchte ich sie nicht "Willensfreiheit" nennen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Du redest hier aber nicht vom "Selbst", sondern vom "Selbstmodell". |
Ja natürlich, weil ich ja meine, daß das Selbst ein Modell ist. Wenn Deine Definition also meine Meinung beschreiben soll, darf sie nicht so tun, als sei das Selbst ein autonomes Wesen, oder identisch mit dem Menschen, den Andere wahrnehmen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Alle Systeme sind aus der Sicht eines Naturalisten durch Elementarteilchen realisiert und ontologisch reduzierbar. Nur bedeutet das keineswegs, dass deswegen Systemeigenschaften irgendwie unwichtig / irrelevant / nicht wirklich wären. |
Natürlich nicht. Z.B. ist die Eigenschaft eines Tsunamis, ganze Landstriche zu zerstören, keineswegs irrelevant, obwohl sie keine Eigenschaft der H2O-Moleküle ist. Und ebenso sind auch die Folgen einer menschlichen Entscheidung keineswegs irrelevant. Für die Relevanz der Folgen auf emergenter Ebene ist es in der Tat meist egal, ob die Entscheidung frei war oder nicht.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1694896) Verfasst am: 08.10.2011, 16:11 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Aus meiner Sicht ist der Begriff "Freiheit" nur sinnvoll als Freiheit von etwas ganz Bestimmtem. In Bezug auf den Willen möchte ich "Willensfreiheit" überhaupt nicht definieren, da da nichts mehr ist, was noch frei sein könnte (außer der Zufall im Indeterminismus). Und "Entscheidungsfreiheit" ist für mich eine spezielle Form der Handlungsfreiheit.
Handlungsfreiheit = Handlungen stimmen mit Präferenzen überein
Entscheidungsfreiheit = Entscheidungen stimmen mit Präferenzen überein
Das schließt jeweils akute physische / soziale / psychische Zwänge aus.
Darüberhinaus wünschen die meisten Menschen für sich selbst und Andere weitere Eigenschaften, die Entscheidungen haben sollen: Rationalität, Informiertheit, Berechenbarkeit, moralische Normtreue usw. - die meisten dieser Eigenschaften jedoch haben für mich - über die Handlungsfreiheit hinaus - nicht viel mit "Freiheit" zu tun, eher sogar im Gegenteil. Daher möchte ich sie nicht "Willensfreiheit" nennen. |
Dann hast Du wohl schlicht ein ganz anderes Konzept von 'Willensfreiheit' als die meisten anderen Leute, die meisten Inkompatibilisten mit einbegriffen - denn, wie gesagt, dass z.B. die Fähigkeit zu rationalen Abwägungen, (Selbst-)Kontrolle und Informiertheit (wer überhaupt nicht informiert ist, kann auch keine rationalen Entscheidungen treffen) notwendige Bedingungen für Willensfreiheit sind, darüber gibt es AFAIK normalerweise wenig Dissens zwischen Inkompatibilisten und Kompatibilisten.
"Berechenbarkeit" und "moralische Normtreue" sind jedoch kein Bestandteil dessen, was man so als Freiheit ansieht - aber nicht alles, was Leute sich von sich selbst und anderen wünschen, muss ja mit Freiheit zu tun haben.
So richtig verstanden habe ich Dein Konzept nun noch nicht, und auch nicht, wieso und wofür, wenn Dein Konzept so anders ist als das der meisten anderen, es eine Rolle spielen sollte?
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Du redest hier aber nicht vom "Selbst", sondern vom "Selbstmodell". |
Ja natürlich, weil ich ja meine, daß das Selbst ein Modell ist. Wenn Deine Definition also meine Meinung beschreiben soll, darf sie nicht so tun, als sei das Selbst ein autonomes Wesen, oder identisch mit dem Menschen, den Andere wahrnehmen. |
Wenn Du "Selbstmodell" meinst, dann solltest Du auch "Selbstmodell" sagen. "Das Selbst" verwende ich synonym zu "Person" - wenn überhaupt.
Die Person ist nun meiner Ansicht nach ein autonomes Wesen, das Selbstmodell aber ist selbstverständlich kein autonomes Wesen.
Und dass Modelle von anderen über mich nicht mit meinem Selbstmodell übereinstimmen ist wohl mehr als wahrscheinlich. Es würde mich sehr wundern, wenn die übereinstimmten.
step hat folgendes geschrieben: | Natürlich nicht. Z.B. ist die Eigenschaft eines Tsunamis, ganze Landstriche zu zerstören, keineswegs irrelevant, obwohl sie keine Eigenschaft der H2O-Moleküle ist. Und ebenso sind auch die Folgen einer menschlichen Entscheidung keineswegs irrelevant. Für die Relevanz der Folgen auf emergenter Ebene ist es in der Tat meist egal, ob die Entscheidung frei war oder nicht. |
Meinst Du jetzt 'frei' im Sinne von 'fähig zu einer informierten rationalen Entscheidung'? Natürlich spielt das eine Rolle, wenn man Entscheidungen und Handlungen bewertet. Zum Beispiel, wenn jemand, der nicht mündig ist, (also nicht hinreichend dazu fähig ist, eine informierte rationale Entscheidung zu treffen), einen Vertrag unterschreibt, dann wird dieser Vertrag ungültig sein. Das hat also Folgen. Okay, "meist egal" - das mag sein.
Wenn aber nicht in diesem Sinne von 'frei': wie sonst?
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#1694934) Verfasst am: 08.10.2011, 19:44 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Katatonia hat folgendes geschrieben: |
Allerdings empfinde ich das notwendig nur auf eine mögliche Art ablaufende Weltgeschehen, das der Determinismus impliziert, als freiheitsuntergrabend. |
Ich halte das für einen Irrtum. Diese Weltgeschehen, das sind auch wir. |
Ja, das ist mit meiner Aussage auch nicht bestritten. Natürlich nehmen Personen eine kausale Rolle im Weltgeschehen ein; unter Voraussetzung des Determinismus können sie jedoch nur jeweils eine einzig mögliche einnehmen.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Zufall ist aber nicht unbedingt eine Quelle von Freiheit. |
Ja.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Es wäre wohl hilfreich, wenn Ihr beiden mal darstellen würdet, was Euer Freiheitsbegriff genau beinhaltet, wie man sich eine freie Entscheidung / bzw. Freiheit in Eurem Sinne vorstellen kann, was genau zusätzlich zu den o.g. Eigenschaften / Fähigkeiten hinzukommen muss. |
Nach meiner Intuition ist eine notwendige Bedingung für Freiheit, dass sich der Weltverlauf durch Entscheidungen ontologisch verzweigen kann.
_________________ Faulheit: der Hang zur Ruhe ohne vorhergehende Arbeit. (Kant)
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