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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1696578) Verfasst am: 14.10.2011, 08:36 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Du schreibst hier einen Beitrag. Ist das Dir zuzurechnen oder der Gesellschaft oder den kompletten Umständen seit dem Urknall? Wer schreibt den Beitrag, wer ist der Akteur? |
An dieser Stelle würde die Argumentation pro Determinismus überzeugender wirken, wenn sie so konsequent wäre, ihr Desillusionierungsprogramm auf den Diskurs auszuweiten, an dem sie teilnimmt, und auf alle konstruierten Attribute verzichtete, die in dieser Situation mitschwingen: Weder hat sich der Determinist für seinen Standpunkt entschieden, weil er die Wahl hatte, |
Wie denn auch, es gibt keine Wahl. Es ist übrigens kein Desillusionsprogramm. Die Illusion funktioniert ja, und wenn ich mir die indeterministischen Ideen anschaue ziemlich gut. Der Widerspruch zwischen freier Wahl und Präferenzen-gesteuerter Handlung ist nur scheinbar. Die "Freie Wahl" ist nur ein Name der eine Wahlfreiheit suggeriert.
zelig hat folgendes geschrieben: | noch ist der Standpunkt begründet, | Ich dachte ich lege die Gründe für meinen Standpunkt hier dar? Tu ich das nicht? |
Deine Erwiderung bestätigt und verstärkt somit meine Skepsis.
Deine Ansichten sind nach Deiner Meinung (nicht nach meiner) verursacht, und nicht begründet. Die angebliche Selbsttäuschung des Indeterministen und entsprechende Desillusionierung des Deterministen, die Du als Argumente für den Determinismus verwendest, ist also eine Pose, die keine ernsthaft Anwendung auf Dich selber als argumentierenden und (nach meiner Meinung, angeblich nicht nach Deiner:) begründenden Teilnehmer dieser Diskussion findet. Im Ernstfall verwendest Du genau die Begrifflichkeit, die Du als Ausdruck einer Täuschung betrachtest. Deswegen finde ich den Determinismus regelmäßig ab dieser Stelle der Diskussion wenig glaubwürdig.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1696654) Verfasst am: 14.10.2011, 13:56 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Du schreibst hier einen Beitrag. Ist das Dir zuzurechnen oder der Gesellschaft oder den kompletten Umständen seit dem Urknall? Wer schreibt den Beitrag, wer ist der Akteur? |
An dieser Stelle würde die Argumentation pro Determinismus überzeugender wirken, wenn sie so konsequent wäre, ihr Desillusionierungsprogramm auf den Diskurs auszuweiten, an dem sie teilnimmt, und auf alle konstruierten Attribute verzichtete, die in dieser Situation mitschwingen: Weder hat sich der Determinist für seinen Standpunkt entschieden, weil er die Wahl hatte, |
Wie denn auch, es gibt keine Wahl. Es ist übrigens kein Desillusionsprogramm. Die Illusion funktioniert ja, und wenn ich mir die indeterministischen Ideen anschaue ziemlich gut. Der Widerspruch zwischen freier Wahl und Präferenzen-gesteuerter Handlung ist nur scheinbar. Die "Freie Wahl" ist nur ein Name der eine Wahlfreiheit suggeriert.
zelig hat folgendes geschrieben: | noch ist der Standpunkt begründet, | Ich dachte ich lege die Gründe für meinen Standpunkt hier dar? Tu ich das nicht? |
Deine Erwiderung bestätigt und verstärkt somit meine Skepsis.
Deine Ansichten sind nach Deiner Meinung (nicht nach meiner) verursacht, und nicht begründet. Die angebliche Selbsttäuschung des Indeterministen und entsprechende Desillusionierung des Deterministen, die Du als Argumente für den Determinismus verwendest, ist also eine Pose, die keine ernsthaft Anwendung auf Dich selber als argumentierenden und (nach meiner Meinung, angeblich nicht nach Deiner:) begründenden Teilnehmer dieser Diskussion findet. Im Ernstfall verwendest Du genau die Begrifflichkeit, die Du als Ausdruck einer Täuschung betrachtest. Deswegen finde ich den Determinismus regelmäßig ab dieser Stelle der Diskussion wenig glaubwürdig. |
Der Indeterminismus ist nicht glaubwürdiger. Ich werde mich mal wieder an einem Beispiel versuchen: Du bist ein Mensch und ich bin ein Mensch. Ich denke dass deine und meine Entscheidungen kausal bedingt sind. Du denkst, dass deine und meine Entscheidungen indeterminiert sind. Von dem jeweiligen unserer Standpunkte aus gesehen, kommen Entscheidungen also auf die gleiche Art und Weise zustande. Ich ziehe daraus mal kühnerweise den Schluss, dass wir näherungsweise gleich sind, naja zumindest so ähnlich, dass wir der Einfachheit halber davon ausgehen können.
In einer Diskussion kommt es nun dazu, dass Menschen miteinander reden, die alle (aus meiner Sicht) kausal bedingt eine Meinung, Argumente und andere Eigenschaften mitbringen und darstellen. Dies tun sie, weil sie eine Präferenz für Diskussionen aufweisen.
Der, der die Diskussion anfängt bringt einen Parameter, der von den anderen Diskussionsteilnehmern nach ihren Erfahrungen und Möglichkeiten mit ihren Kenntnissen und Standpunkten abgeglichen und entsprechend ihren Präferenzen kontrolliert und bewertet wird. Daraus ergeben sich für jeden Teilnehmer veränderte Parameter, die einen anderen Output zur Folge haben. und so weiter. Ergebnis: eine lebhafte Diskussion.
Aus deiner Sicht kommt es zu einer Diskussion, weil die Menschen "frei wählen" daran teilzunehmen, sich ihre Meinungen komplett oder zum Teil unbeeinflusst bilden und gegenüberstellen. Ergebnis: eine lebhafte Diskussion.
Das Ergebnis ist und bleibt dasselbe, die Art, wie sich die Diskussion darstellt, ist dieselbe. Ich hoffe ich habe klarmachen können, dass kausale Zusammenhänge nicht einer lebhaften Diskussion entgegen stehen. Der Indeterminismus ist nicht Voraussetzung für eine Diskussion.
Es braucht also andere Parameter, an denen man erkennen kann, ob Indeterminismus vorherrscht oder eben Kausalität. Einer davon ist die Irreduzibilität als Kennzeichen für den Indeterminismus. Solch eine Irreduzibilität kam mir bisher nur einmal unter und zwar im Urknall so wie er bisher verstanden wird. Ab da bedingt sich alles kausal.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1696731) Verfasst am: 14.10.2011, 18:53 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Die Du definiert hast. |
Dann nochmal: Willensfreiheit in meinem Sinne besteht in der Fähigkeit, Umstände erkennen, abschätzen und reflektiert nach Gründen entscheiden zu können.
Darin kommt kein Determinismus oder Indeterminismus vor und keine Letztverursachung oder Letzturheberschaft. Und bedarfslogisch ist daran gar nichts, die Frage ist erst mal nur: ist das in unserer Welt per se unmöglich und wenn ja: wieso?
Ich habe mich nicht selber aus dem Nichts erschaffen und ich bin stark durch meine Erziehung / mein soziales Umfeld / meine Erfahrungen etc. beeinflusst / geprägt.
In meinen moralischen Entscheidungen spiegeln sich die Präferenzen der anderen / gesellschaftliche Normen wieder, aber es wäre ein Irrtum, zu meinen, deswegen wären meine moralischen Entscheidungen dadurch determiniert. Denn ich habe die Fähigkeit, Normen zu hinterfragen und die zu akzeptieren oder abzulehnen. Eine Norm aber, die ich reflektiert akzeptiere, (weil ich sie als sinnvoll / nützlich / gerecht oder dergleichen ansehe), ist dann kein äußerer Zwang mehr.
Dein Argument, dass eine Norm, die ich nicht selber geschaffen habe, deswegen einen äußeren Zwang darstelle, ist nicht richtig.
Ob meine Entscheidung einen 'echten Freiheitsgrad' (= eine echt zufällige Komponente) enthält, ist mir egal, ich sehe nämlich nicht, wie eine solche meine Freiheit, selber entscheiden zu können, erhöhen (oder gar erst herstellen könnte). Die Frage nach der Willensfreiheit / Entscheidungsfreiheit / Handlungsfreiheit ist meiner Ansicht nach nicht die Frage, ob ein Wille, eine Entscheidung, eine Handlung als irgendwie merkwürdigerweise eigenständige Entitäten an sich 'frei' im Sinne von 'unabhängig vom Weltablauf' sein könnten. Diese Frage halte für per se für Unsinn, weil eben Wille / Entscheidungen / Handlungen gar keine solche eigenständigen Entitäten sind, das sind Prozesse.
step hat folgendes geschrieben: | Nochmal: Ich brauche eine solche Freiheit für mein Weltbild gar nicht, auch nicht für Verantwortung. Wenn Kausalketten wirklich innerhalb der Person originierten, wäre das nicht unbedingt besser, da sind wir uns einig. |
Naja, dann solltest Du aber auch auf den intuitiven Appell "Kausalketten starten außerhalb der Person, also hat die Person keinen Einfluss auf ihre Entscheidungen und Handlungen" verzichten. Denn das eine folgt nicht aus dem anderen.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dies ist übrigens der Grund, warum ich Kompatibilist bin: es ist bisher noch keinem Inkompatibilisten gelungen, ein logisch mögliches Konzept von Freiheit darzulegen, das dem meinigen überlegen wäre. ... |
Naja, "überlegen" würde wohl bedeuten, daß es aus Deiner Sicht besser geeignet sein müßte, um Deine Zeile damit zu erreichen, z.B. ein schuldbasiertes Verantwortungskonzept zu begründen. Das dürfte in der Tat kaum gelingen. |
"Überlegen" soll hier lediglich folgendes bedeuten: man stellt das konkrete Konzept des Kompatibilisten gegen das konkrete Konzept des Inkompatibilisten und lässt dann Dritte entscheiden, welches besser ihrem Begriff von 'Freiheit' entspricht. Solange es aber kein konkretes Konzept des Inkompatibilisten gibt, ("kontra-kausaler / indeterminierter freier Wille" ist kein konkretes Konzept - ist nur Wischi-Waschi), ist das nicht möglich. Der Inkompatibilist kann sich zwar darauf beschränken, immer nur unterschwellig an die Intuition zu appellieren, ("wenn Determinismus wahr ist, dann ist alles seit dem Urknall vorherbestimmt und also sind wir nicht frei"), aber das ist keine rationale Argumentation, da fehlt das Argument bzw. erst mal die explizite Darstellung des hier verwendeten Begriffes 'frei'.
step hat folgendes geschrieben: | Nochmal: Ich habe nicht behauptet, daß ich mehr Freiheit erstrebenswert finde - im Sinne echter Freiheitsgrade. Mein Ziel wäre eher, mehr präferentes und rationales Handeln zu erreichen, Leiden zu vermindern usw. - von mir aus auch die Simulationsfähigkeit von Optionen zu verbessern. |
Insofern zumindest sind wir uns dann einig.
step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Stellen wir uns jemanden mit Waschzwang vor. Ich fände es nun ein bisschen merkwürdig, zu sagen: "das ist nur dann Zwang, wenn es determinert hervorgerufen wird, aber kein Zwang, sondern frei, d.h. erhöht die Freiheit desjenigen, wenn es indeterminiert hervorgerufen wird". Meiner Ansicht nach ist es hierbei völlig egal, ob determiniert oder indeterminiert: in beiden Fällen ist es zwanghaftes Verhalten. |
Ein nicht determinierender Waschzwang ist für mich erstens nicht vorstellbar. Zweitens hat sozuagen (fast) jeder einen Waschzwang, nur eben keinen von der Gesellschaft und/oder ihm selbst als abnorm empfundenen. |
Mir ging es hier an der Stelle um das Konzept "Zwang". Determinierte Abläufe bedeuten nicht per se Zwang und indeterminierte (an irgend einer Stelle zufällige) Abläufe bedeuten nicht per se 'kein Zwang'.
Dass nun meine Entscheidungen und Handlungen durch meine Präferenzen, Abwägungen, Überlegungen und Bewertungen determiniert sind, bedeutet keinen Zwang, sondern das ist meiner Ansicht nach die grundlegende Voraussetzung für meine Freiheit.
Und umgekehrt, wenn das anders wäre, wenn meine Entscheidungen und Handlungen zum größten Teil durch indeterminierte Abläufe beeinflusst wären, dann wäre das eine Einschränkung meiner Freiheit, keineswegs aber eine Herstellung von Freiheit.
Ich habe mir nun mal ein kleines Bild für Determinismus ausgedacht.
Ich stehe mit einem Inkompatibilisten in einem Raum mit 100 Türen. Der Inkompatibilist sagt zu mir: "nun versuche mal, eine Tür zu öffnen". Ich öffne eine beliebige Tür und gehe wieder in den Raum zurück. Nun wiederholt sich das Spiel 100 mal, ich öffne beliebige Türen und gehe zurück in den Raum. Nach 100 Türen frage ich: "und, wo liegt nun der Witz?" Und der Inkompatibilist sagt: "die Sache ist die: alle Türen sind von Vorneherein verriegelt, es gibt an jeder Tür eine Lichtschranke, die die Tür, der Du Dich näherst, entriegelt, das heißt: Du konntest zu jedem Zeitpunkt nur diejenige Tür öffnen, die Du öffnen wolltest, an der Du gerade standest, Du hattest dann keine andere Option, keine echte Alternative". Ich sage: "toll, aber ich konnte doch dann jede Tür öffnen, die ich öffnen wollte?" Der Inkompatibilist sagt: "aber Du konntest jeweils alle anderen nicht öffnen, also warst Du nicht frei". Ich sage: "aber das ist doch Quatsch, wenn ich jede Tür öffnen kann, die ich will, dann bin ich doch bezüglich des Türöffnens komplett frei, zu tun, was ich will". Ich gehe zu einer neuen Tür, versuche die zu öffnen, aber das geht nicht, die Lichtschranke funktioniert vielleicht nicht. Ich sage: "hier, sieh mal, diese Tür kann ich nicht öffnen, egal, ob ich will oder nicht. Bezüglich dieser Tür kann ich also nicht tun, was ich will". Der Inkompatibilist sagt: "das ist doch völlig egal, in allen anderen Fällen warst Du gleich unfrei". Ich verstehe nicht, ich sehe das anders. Dann sage ich: "übrigens, ich habe vor dem Experiment mit dem technischen Operator gesprochen und ihn gebeten, den Mechanismus ausgeschaltet zu lassen, die Türen waren also nicht verriegelt außer der einen kaputten Tür. War ich also deswegen frei?" Und der Inkompatibilist sagt: "oh, ja, dann warst Du natürlich frei". Und verstehe seinen Freiheitsbegriff noch weniger, wieso sollte ich frei sein, wenn ich was tun kann, was ich gar nicht tun will? Der Inkompatibilist mag mir das aber nicht sagen, er sagt statt dessen: "das hier drehte sich ja eh nur um Handlungsfreiheit, die ist aber uninteressant, der Punkt ist: Du kannst nicht wollen, was Du willst". Ich sage: "wie meinst Du das genau? Gut, es gibt Fälle, in denen komme ich nicht gegen meine Phobie an, dann bleibe ich wegen meiner Agoraphobie zuhause, obwohl ich viel lieber raus gehen wollen würde, aber wenn ich meine Entscheidungen reflektiert nach Gründen treffe und mich also von vernünftigen Gründen leiten lasse, wieso kann ich dann nicht wollen, was ich will?" Aber das will der Inkompatibilist wieder nicht sagen. Und so kann ich nicht verstehen, worauf er eigentlich hinauswill.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1696766) Verfasst am: 14.10.2011, 20:43 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich habe mir nun mal ein kleines Bild für Determinismus ausgedacht.
Ich stehe mit einem Inkompatibilisten in einem Raum mit 100 Türen. Der Inkompatibilist sagt zu mir: "nun versuche mal, eine Tür zu öffnen". Ich öffne eine beliebige Tür ... |
Nein, Du öffnest nicht eine beliebige Tür, sondern eine determinierte. Aber vielleicht ist das ja egal hier, mal schauen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... und gehe wieder in den Raum zurück. Nun wiederholt sich das Spiel 100 mal, ich öffne beliebige Türen und gehe zurück in den Raum. Nach 100 Türen frage ich: "und, wo liegt nun der Witz?" Und der Inkompatibilist sagt: "die Sache ist die: alle Türen sind von Vorneherein verriegelt, es gibt an jeder Tür eine Lichtschranke, die die Tür, der Du Dich näherst, entriegelt, das heißt: Du konntest zu jedem Zeitpunkt nur diejenige Tür öffnen, die Du öffnen wolltest, an der Du gerade standest, Du hattest dann keine andere Option, keine echte Alternative". ... |
Willst Du damit andeuten, die Zukünfte bei einer Entscheidung seien so offen wie 100 offene Türen?
Der Fehler an Deiner Analogie ist, daß in ihr die eigentliche Entscheidung in Deinem Gehirn, welche Tür Du versuchst, gar nicht zur Debatte steht, Du aber bezüglich "Freiheit" darauf referenzierst. Stattdessen konstruierst Du einen äußeren Zwang (die Verschlossenheit einiger Türen), die man höchstens als Einschränung der Handlungsfreiheit ansehen kann (egal ob man K. oder IK. ist).
Vielleicht kann ich es aus meiner Sicht korrigieren:
Alle Türen sind offen. Der Kompatibilist läßt einen Computer entscheiden, durch welche Tür er geht.
IK: Diese Entscheidung war nicht frei, da der Computer determiniert entschieden hat.
K: Das ist kein Widerspruch. Der Computer hat zwar determiniert entschieden, er unterlag aber dabei keinem äußeren Zwang.
IK: Gut, aber er hat doch nur so entschieden, weil er früher so und so programmiert wurde.
K: Das spielt keine Rolle:
AgentProvocateur, analog hat folgendes geschrieben: | Präferenzen und Entscheidungen sind nicht komplett durch Determinanten außerhalb des Computers determiniert.
Dass sie im Determinismus Teil einer Kausalkette sind, die soweit in die Vergangenheit führt, bis zu Zeitpunkten, an denen der Computer noch nicht existierte und sein Programm noch nicht lief, ist zwar richtig, aber was folgt nun daraus? Oder anders gefragt: was wäre dazu eine logisch mögliche Alternative, also eine die 'Freiheit' in Deinem Sinne gewährleisten würde?
Stellen wir uns nun mal vor, Determinismus wäre nicht wahr, es gäbe manchmal indeterminierte Ereignisse in unserer Welt. Dann würden Kausalketten entweder irgendwo ursachenlos anfangen oder sie würden sich ursachenlos verzweigen. Sagen wir weiter, der Computer wäre zum Teil rein zufällig programmiert worden.
Er hat sich aber nun so oder so nicht selber aus dem Nichts erschaffen, er wurde ohne sein Zutun programmiert, seinen Programmierer hat er sich nicht ausgesucht - und das ist sicher gemeinhin unstrittig; ich kenne zumindest niemanden, der was anderes behaupten würde.
Also spielt es überhaupt kein Rolle für die Frage nach der Freiheit der Computer-Entscheidungen jetzt (wenn die nicht eine - mE unplausible und gemeinhin nicht vertretene Annahme einer creatio ex nihilo - beinhaltet) ob die Umstände, die zu seiner Programmierung geführt haben, determiniert oder (teilweise) indeterminiert abliefen. |
IK: - ohne Worte -
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Höhlenbär saisonaler Einzelgänger
Anmeldungsdatum: 04.03.2007 Beiträge: 147
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(#1696818) Verfasst am: 15.10.2011, 01:35 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Willensfreiheit in meinem Sinne besteht in der Fähigkeit, Umstände erkennen, abschätzen und reflektiert nach Gründen entscheiden zu können. |
Lass hier den Willen weg, und du hast die Freiheit aus Kants transzendentalem Idealismus.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Darin kommt kein Determinismus oder Indeterminismus vor |
noch nicht vor, denn dieses Problem stellt sich auch reinsten Idealisten.
Zudem kommt auch noch kein bisschen der Realität vor, aber ich bestehe darauf, dass die Vernunft, in der Gründe bedacht werden, auch irgendwie realisiert wird. Oder möchte hier jemand irgendeinen Dualismus vertreten?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
und keine Letztverursachung oder Letzturheberschaft.
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Das ist nun aber bereits ohne Betrachtung der Realität doppelt falsch.
Zum einen in deinem Sinn, denn im Gegensatz zu mir möchtest du doch gerade die Freiheit als Letztverursacher behandeln.
Zum anderen in Kants Sinn, denn die Gründe in der Vernunft bilden auch Kausalketten, die man in einigen Unhinterfragbarkeiten enden lassen muss.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
die Frage ist erst mal nur: ist das in unserer Welt per se unmöglich und wenn ja: wieso?
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Die Frage nach der Freiheit ist eben nicht erstrangig für das Selbst-Verstehen. Wenn ihr Freiheits-Begeisterten bereit seit, ihre Wichtigkeit für tiefer zu hängen, sind wir Deterministen bereit, über ihre Bedeutung im Rahmen einer Ethik der Verantwortung zu diskutieren.
_________________ Macht ist geil. Humor ist Pflicht. Skepsis ist eine Tugend.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1696885) Verfasst am: 15.10.2011, 16:08 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... und gehe wieder in den Raum zurück. Nun wiederholt sich das Spiel 100 mal, ich öffne beliebige Türen und gehe zurück in den Raum. Nach 100 Türen frage ich: "und, wo liegt nun der Witz?" Und der Inkompatibilist sagt: "die Sache ist die: alle Türen sind von Vorneherein verriegelt, es gibt an jeder Tür eine Lichtschranke, die die Tür, der Du Dich näherst, entriegelt, das heißt: Du konntest zu jedem Zeitpunkt nur diejenige Tür öffnen, die Du öffnen wolltest, an der Du gerade standest, Du hattest dann keine andere Option, keine echte Alternative". ... |
Willst Du damit andeuten, die Zukünfte bei einer Entscheidung seien so offen wie 100 offene Türen? |
Nein, was ich sagen wollte: die Zukunft ist so offen wie die verriegelten Türen, die man alle jeweils öffnen kann, wenn man sie öffnen will. Man kann zwar zu jedem Zeitpunkt nur eine einzige Tür öffnen, aber das ist keine Einschränkung der Handlungsfreiheit, denn Handlungsfreiheit bedeutet ja: tun können, was man will.
Analog dazu sehe ich die Willensfreiheit. Im meinem Beispiel mit den Türen wird nun tatsächlich die Entscheidung selber nicht betrachtet, aber meiner Ansicht nach ist der Einwand: "ja, aber in der konkreten Situation X konntest Du nur so entscheiden und nicht anders" bei einer Entscheidung ebenso wenig stichhaltig wie bei Handlungsfreiheit.
Im Gegenteil sogar: wenn jemand in exakt derselben Situation mal so und mal so entscheiden würde, selbst wenn gute Gründe in dieser Situation letztlich für eine bestimmte Option sprechen, dann ist diese Entscheidung unverständlich, beruht letztlich auf Zufall.
D.h.: es kommt meiner Ansicht nach sowohl bei der Handlungsfreiheit als auch bei der Willensfreiheit darauf an, dass man sich für das entscheiden und das tun kann, was man letztlich will, mit dem man übereinstimmt, das als gute Lösung ansieht.
step hat folgendes geschrieben: | IK: - ohne Worte - |
Nach meinem Begriff von Freiheit spricht in der Tat nichts Prinzipielles dagegen, dass eine (hypothetische) zukünftige Maschine ebenso in diesem Sinne Willensfreiheit haben könnte, falls sie diejenigen Fähigkeiten hat, die ich als wesentlich für Willensfreiheit ansehe. "Sie kann nicht frei sei, weil sie eine Maschine ist" halte ich nicht für ein gutes Argument, weil da wieder die nähere Bestimmung dessen, was man unter 'frei' versteht, fehlt.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1696891) Verfasst am: 15.10.2011, 16:37 Titel: |
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Höhlenbär hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Willensfreiheit in meinem Sinne besteht in der Fähigkeit, Umstände erkennen, abschätzen und reflektiert nach Gründen entscheiden zu können. |
Lass hier den Willen weg, und du hast die Freiheit aus Kants transzendentalem Idealismus. |
Kant unterscheidet, soviel ich weiß, zwischen 'praktischer Freiheit' und 'transzendentaler Freiheit'. Mein kompatibilistisches Verständnis von Freiheit ist nun Ersterem ähnlich, aber hat mit Zweiterem nichts zu tun. Mit Kants 'transzendentaler Freiheit' kann nicht viel anfangen.
Ich bin nun kein Idealist und ich möchte auch nicht die 'Freiheit als Letztverursacher' behandeln, weil ich mir darunter überhaupt nichts vorstellen kann. Vielleicht kannst Du nun mal nachvollziehbar erläutern, was damit gemeint ist / gemeint sein könnte.
Höhlenbär hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | die Frage ist erst mal nur: ist das in unserer Welt per se unmöglich und wenn ja: wieso?
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Die Frage nach der Freiheit ist eben nicht erstrangig für das Selbst-Verstehen. Wenn ihr Freiheits-Begeisterten bereit seit, ihre Wichtigkeit für tiefer zu hängen, sind wir Deterministen bereit, über ihre Bedeutung im Rahmen einer Ethik der Verantwortung zu diskutieren. |
Eigentlich gibt es gemeinhin wenig Streit darüber, dass praktische Freiheit in Kants Sinne (ober die kompatibilistische Freiheit) in unserer Welt möglich und gegeben ist. Frage wäre, ob Du a) das dennoch bestreiten möchtest (und wenn ja: wieso?) und b) falls Du das nicht bestreiten möchtest, aber praktische Freiheit als nicht ausreichend für 'echte' Freiheit ansiehst, welche zusätzlichen Anforderungen genau Du an 'echte' Freiheit stellst und wieso.
Über eine 'Ethik der Verantwortung' darfst Du Dich natürlich auch gerne auslassen.
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Steffen Rehm registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.07.2011 Beiträge: 160
Wohnort: bei Berlin
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(#1696906) Verfasst am: 15.10.2011, 18:46 Titel: |
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Nebenbei: Im April 1968 verkündete der Vorsitzende des Staatsrates der DDR feierlich eine „sozialistische“ Verfassung. Artikel 19 Absatz 2 und 3 daraus enthielten folgendes:
(2) Achtung und Schutz der Würde und Freiheit der Persönlichkeit sind Gebot für alle staatlichen Organe, alle gesellschaftlichen Kräfte und jeden einzelnen Bürger.
(3) Frei von Ausbeutung, Unterdrückung und wirtschaftlicher Abhängigkeit hat jeder Bürger gleiche Rechte und vielfältige Möglichkeiten, seine Fähigkeiten in vollem Umfang zu entwickeln und zu seinem eigenen Nutzen in der sozialistischen Gemeinschaft ungehindert zu entfalten. So verwirklicht er Freiheit und Würde seiner Persönlichkeit. Die Beziehungen der Bürger werden durch gegenseitige Achtung und Hilfe, durch die Grundsätze sozialistischer Moral geprägt.
Zum Vergleich das Grundgesetz der BRD:
Art 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt
und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Ja, Papier ist geduldig und gut für Propagandalügen. Es waren aber wahrscheinlich keine Dummköpfe, die an den Formulierungen mitgewirkt und den Wert der Freiheit herausgestellt haben.
Wenn demnächst technische Simulationen mit „freien“ Maschinen möglich sind, müßte man denen wohl auch eine „Würde der Persönlichkeit“ zugestehen.
Die Gefahr dabei zeigt Kubricks „2001-Odyssee im Weltraum“: Der superschlaue Computer HAL ist die Bevormundung durch Menschen satt und entsorgt seine Vorgesetzten. Dabei zeigt er auch Gefühle, die seine Entscheidungen mitbeeinflussen.
_________________ Die Erkenntnis der Grenze ist die Grenze der Erkenntnis
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1696919) Verfasst am: 15.10.2011, 19:58 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... D.h.: es kommt meiner Ansicht nach sowohl bei der Handlungsfreiheit als auch bei der Willensfreiheit darauf an, dass man sich für das entscheiden und das tun kann, was man letztlich will, mit dem man übereinstimmt, das als gute Lösung ansieht. |
"Ich kann tun, was ich will" (also Handlungsfreiheit) hat für mich zwei Bedeutungen:
- ich tue, was ich will
- nichts zwingt mich, gegen meine Präferenzen zu handeln
Beide Bedeutungen machen aus meiner Sicht einen gewissen Sinn, da Handlung und Präferenz/Wille zwei unterschiedliche Dinge sind, die nicht unbedingt zusammenpassen.
"Ich kann mich entscheiden, wofür ich will" (also Deine "Willensfreiheit") hat für mich die Bedeutungen
- ich entscheide gemäß meiner Präferenz, oder
- ich kann entscheiden, was ich präferiere
Diese Bedeutungen machen jedoch aus meiner Sicht keinen Sinn, da Entscheidung und Präferenz aneinander gebunden sind. Wenn ich eine Entscheidung treffe, so ist das immer präferent. Und ich kann auch nicht entscheiden, was ich präferiere.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1697151) Verfasst am: 16.10.2011, 19:30 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... D.h.: es kommt meiner Ansicht nach sowohl bei der Handlungsfreiheit als auch bei der Willensfreiheit darauf an, dass man sich für das entscheiden und das tun kann, was man letztlich will, mit dem man übereinstimmt, das als gute Lösung ansieht. |
"Ich kann tun, was ich will" (also Handlungsfreiheit) hat für mich zwei Bedeutungen:
- ich tue, was ich will
- nichts zwingt mich, gegen meine Präferenzen zu handeln
Beide Bedeutungen machen aus meiner Sicht einen gewissen Sinn, da Handlung und Präferenz/Wille zwei unterschiedliche Dinge sind, die nicht unbedingt zusammenpassen. |
Diese Unterscheidung ergibt so erst mal keinen Sinn für mich. Unter Handlungsfreiheit verstehe ich lediglich dies: "ich kann in einer konkreten Situation S so handeln, wie ich in der konkreten Situation S handeln will, (mich in S letztlich entschieden habe, H zu tun)". (Man könnte das evtl. noch so erweitern: "wenn es mir nicht gelingt, in S H zu tun und ich erneut überlege und zu dem Ergebnis komme, die vorher nicht bedachte Option H* sei ebenso akzeptabel wie H und ich H* ausführen kann, dann ist das keine wesentliche Einschränkung meiner Handlungsfreiheit").
step hat folgendes geschrieben: | "Ich kann mich entscheiden, wofür ich will" (also Deine "Willensfreiheit") hat für mich die Bedeutungen
- ich entscheide gemäß meiner Präferenz, oder
- ich kann entscheiden, was ich präferiere
Diese Bedeutungen machen jedoch aus meiner Sicht keinen Sinn, da Entscheidung und Präferenz aneinander gebunden sind. Wenn ich eine Entscheidung treffe, so ist das immer präferent. Und ich kann auch nicht entscheiden, was ich präferiere. |
Damit allerdings habe ich Probleme. Erst mal mit der Einzahl "Präferenz". Menschen haben viele Präferenzen, die unabhängig voneinander sein können und bei einer Entscheidung müssen all diese (sich eventuell gar widersprechende) Präferenzen "unter einen Hut gebracht" werden.
Zweitens sind die Präferenzen (und deren Bewertungen) von Menschen nicht fix, nicht vorgegeben, sondern die sind veränderlich und zwar nicht lediglich durch äußere Umstände, sondern auch durch sie selber. Was nun nicht bedeutet, dass man jede Präferenz beliebig / willkürlich ändern könnte, aber bestimmte Präferenzen kann man ändern, andere, die man nicht ändern kann, kann man zumindest zurückstellen.
Ein System, das vorgegebene und vom System selber nicht änderbare Präferenzen hat, ist mE gegenüber einem System, das Präferenzen einer Revision unterziehen und die ändern kann, unfreier.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1697158) Verfasst am: 16.10.2011, 20:01 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | "Ich kann mich entscheiden, wofür ich will" (also Deine "Willensfreiheit") hat für mich die Bedeutungen
- ich entscheide gemäß meiner Präferenz, oder
- ich kann entscheiden, was ich präferiere
Diese Bedeutungen machen jedoch aus meiner Sicht keinen Sinn, da Entscheidung und Präferenz aneinander gebunden sind. Wenn ich eine Entscheidung treffe, so ist das immer präferent. Und ich kann auch nicht entscheiden, was ich präferiere. |
Damit allerdings habe ich Probleme. Erst mal mit der Einzahl "Präferenz". Menschen haben viele Präferenzen, die unabhängig voneinander sein können und bei einer Entscheidung müssen all diese (sich eventuell gar widersprechende) Präferenzen "unter einen Hut gebracht" werden. |
Geschenkt. Ich verstehe das selbst auch eher so, daß "Präferenz" ein - durchaus auch inkosistentes - Sammelsurium an Bewertungsfunktionen ist.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Zweitens sind die Präferenzen (und deren Bewertungen) von Menschen nicht fix, nicht vorgegeben, sondern die sind veränderlich ... |
Ja, natürlich.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... und zwar nicht lediglich durch äußere Umstände, sondern auch durch sie selber. Was nun nicht bedeutet, dass man jede Präferenz beliebig / willkürlich ändern könnte, aber bestimmte Präferenzen kann man ändern, andere, die man nicht ändern kann, kann man zumindest zurückstellen. |
Hmm ... ich dachte die Person nach Deiner Definition sei (u.a.) ihre Präferenzen. Ich kann mir schon vorstellen, daß Präferenzen selbst auch durch Entscheidungsvorgänge geändert werden, also durch andere, irgendwie mächtigere Präferenzen. Oder auch durch Lernen. Das ändert aber mE nichts Grundlegendes.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ein System, das vorgegebene und vom System selber nicht änderbare Präferenzen hat, ist mE gegenüber einem System, das Präferenzen einer Revision unterziehen und die ändern kann, unfreier. |
Ich würde das eher Lernfähigkeit oder Intelligenz nennen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#1699611) Verfasst am: 27.10.2011, 11:41 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Nein, Du öffnest nicht eine beliebige Tür, sondern eine determinierte. ...
[...] |
"und täglich grüßt das Murmeltier" ... noch immer - oder schon wieder ...
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1699700) Verfasst am: 27.10.2011, 18:53 Titel: |
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Ach ... ihr zwei Kläffer seid doch eh nicht satisfaktionsfähig bei diesem Thema.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Steffen Rehm registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.07.2011 Beiträge: 160
Wohnort: bei Berlin
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(#1699955) Verfasst am: 28.10.2011, 22:50 Titel: |
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Ich hatte just den Eindruck bekommen, daß die gegensätzlichen Meinungen sich doch ein wenig angenähert haben und nur zu unterschiedlichen Formulierungen und Missverständnissen führen, weil ein paar Begriffe schwer zu fassen sind. Präferenz als „inkonsistentes Sammelsurium an Bewertungsfunktionen“ ist für mich immer noch ein unklarer Nebelbegriff, und ich sehe auch im Gehirn nicht einen Apparat, der nur Bewertungen berechnet, das ist mir zu simpel bzw. erklärt nicht wirklich die unverstandenen Vorgänge hinter der Stirn.
Wie ist es z. B. mit den Gefühlen, die sicher eine Bewertungsfunktion haben und großen Einfluß auf die Entscheidungen ausüben, fallen die auch unter „Präferenz“?
Dann wäre so ein Sammelsurium-Begriff, der alles in einen Hut steckt, doch wohl besser zu vermeiden, um präzise Vorstellungen von den „höheren geistigen“ Tätigkeiten in einer allgemeinen Ausdrucksweise zu entwickeln. Gefühle und Verstand sind die beiden Quellen, die sich zur Entscheidung verbinden, beides mögen Bewertungsfunktionen sein, aber damit ist nicht jene wesentliche Tätigkeit erklärt, die zum bewußten (=freien) Sein erforderlich ist: die Gestaltbildung.
Die „höheren geistigen“ Vorgänge sind gestaltbildende Vorgänge. Ausgehend von den Sinnesorganen kommt es in der Hirnrinde zu einer ständigen Gestaltung der Welt. Das Nervensystem erzeugt im Cortex, wenn man bei Sinnen ist, eine perfekte Darstellung der Umwelt, in welcher man aktuell handelt, in jedem Augenblick neu, um jede Änderung der Umwelt innerlich zu erfassen.
Physiker können über die Mathematik Einsicht in gestaltbildende Vorgänge erhalten.
Einen Zugang zu gestaltbildenden Prozessen in der Sprache der Mathematik gab es schon lange vor Euklid (Pyramiden). Eine Erweiterung der euklidschen Geometrie zu einer Geometrie der Natur gibt es erst seit wenigen Jahrzehnten, seidem es Computer gibt.
Seitdem konnten die „Chaos-Theoretiker“ von den flinken Rechenmaschinen viel lernen, vor allem einen Grundsatz: Die Iteration ist die Mutter der Gestaltbildung.
Die Iteration von Algorithmen, die ständige Wiederholung von nichtlinearen Gleichungen, hinter diesen mathematischen Formulierungen fanden einige Mathematiker den Schlüssel zur Gestaltbildung, speziell zur Gestaltbildung der Natur, z. B. in Spiralen, Verästelungen, Bifurkationen, Symmetrien, und vor allem in Ähnlichkeiten.
Eine mathematische Frage zur Erklärung von Bewußtsein und Freiheit wäre demnach, mit welcher pausenlosen Iteration die Gestalt der Welt in der Hirnrinde erzeugt wird, wenn man bei Bewußtsein ist?
_________________ Die Erkenntnis der Grenze ist die Grenze der Erkenntnis
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1700026) Verfasst am: 29.10.2011, 12:13 Titel: |
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Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | Präferenz als „inkonsistentes Sammelsurium an Bewertungsfunktionen“ ist für mich immer noch ein unklarer Nebelbegriff, ... |
Ich finde ihn immerhin deutlich klarer als "freier Wille".
Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | ... und ich sehe auch im Gehirn nicht einen Apparat, der nur Bewertungen berechnet, das ist mir zu simpel bzw. erklärt nicht wirklich die unverstandenen Vorgänge hinter der Stirn. Wie ist es z. B. mit den Gefühlen, die sicher eine Bewertungsfunktion haben und großen Einfluß auf die Entscheidungen ausüben, fallen die auch unter „Präferenz“? |
Na klar. "Bewertungsfunktion" ist ein allgemeiner Begriff, die Bewertung muß nicht immer rational oder bewußt ablaufen. Der Fokus in der Diskussion auf die rationale Bewertung kamm vor allem dadurch zustande, daß einige "Freier-Wille"-Vertreter die Rationalität einer Entscheidung als ein wesentliches Kriterium für die "Freiheit" dieser Entscheidung ansehen.
Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | Die „höheren geistigen“ Vorgänge sind gestaltbildende Vorgänge. Ausgehend von den Sinnesorganen kommt es in der Hirnrinde zu einer ständigen Gestaltung der Welt. Das Nervensystem erzeugt im Cortex, wenn man bei Sinnen ist, eine perfekte Darstellung der Umwelt, in welcher man aktuell handelt, in jedem Augenblick neu, um jede Änderung der Umwelt innerlich zu erfassen. |
Die Erzeugung eines Modells der Welt (und die Erzeugung des Subjekts) durch das Gehirn ist ja nun zum einen alles andere als perfekt in diesem Sinne. Im Gegenteil gibt es sogar Beispiele für evolutionäre Vorteile durch verfälschende Modellierung (Ausblenden von "Unwichtigem", Werkzeuge als Organe, Wahrnehmung von Scheinkräften als echte Kräfte, systematische oder teleologische Überinterpretationen, Verdrängung von Unangenehmem, ... die Liste ist endlos). Letztlich ist die naturwissenschaftliche Methode so etwas wie der Versuch, diesen intuitiven Falschmodellierungen systematisch zu entkommen.
Zum zweiten gibt es Hinweise, daß auch die "niederen" Gehirnfunktionen Modelle der Umwelt ausbilden - auch wenn uns diese nicht bewußt werden. Man könnte sagen, daß bereits ein einfaches Wahrnehmungs-Reaktions-Schema, etwa bei einem Regenwurm oder einer Stubenfliege - einen simplen Modellierungsvorgang darstellt.
Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | ... Eine mathematische Frage zur Erklärung von Bewußtsein <s>und Freiheit</s> wäre demnach, mit welcher pausenlosen Iteration die Gestalt der Welt in der Hirnrinde erzeugt wird, wenn man bei Bewußtsein ist? |
Ja, das ist eine interessante Frage in der Kognitionswissenschaft.
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Steffen Rehm registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.07.2011 Beiträge: 160
Wohnort: bei Berlin
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(#1700885) Verfasst am: 31.10.2011, 18:12 Titel: |
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Mit „perfekt“ meinte ich nicht „fehlerfrei“ oder „wahr“, sondern „äußerst nützlich“.
Perfekte Arbeit leistet der tätige Geist ständig, wenn er Dinge blitzschnell wiedererkennt, z.B. Gesichter von Schulkameraden, die er vierzig Jahre nicht gesehen hat, eine Melodie, die er schon einmal gehört hat und die tägliche Orientierung gelingt meistens perfekt, ungeachtet der Mängel, der Täuschungen und Irrtümer, die diese Orientierung mit sich bringt.
Um Ausschnitte der Welt zu begreifen, muß deren unfassbar große Komplexität auf ein Maß reduziert werden, das sehr klein ist, dem bewußten Auffassungsvermögen bzw. der Kanalkapazität des Bewußtseins, ca. 10-20 bit pro Sekunde, angepasst.
Diese starke Reduktion entspricht wohl dem, was step mit „Modell“ zum Ausdruck bringt, die Wirklichkeit ist uns nur in stark vereinfachten Modellen zugänglich.
Man kann solche Vereinfachung als Mangel bezeichnen, aber ihre Ergebnisse sind dennoch hilfreich für das Denken, die Kommunikation und die Wissenschaft, z. B. die Mathematik.
Wenn in der Umgangssprache von „freiwillig“ geredet wird, kann jeder verstehen, was gemeint ist, jeder hat ein inneres Modell von „freiwillig“, aber keine exakte Erklärung der Phänomene, die damit verbunden sind.
Der Naturwissenschaftler versucht darüber hinaus eine optimale Erklärung in einem mathematischen Modell zu finden. Das macht Sinn: Die mathematischen Symbole verwandeln riesige, unüberschaubare Komplexe in kleine Häppchen, die der menschliche Geist verdauen kann. Das sollte auch mit dem Komplex „Bewußtsein“ möglich sein.
Eine enorme Reduktion von komplexer Realität auf simple Strichzeichnungen kann man in jedem Schaltplan, in jeder Landkarte, jeder Karrikatur sehen.
Fazit: Das menschliche Gehirn ist recht vielseitig in der Komprimierung von Komplexität zu innerlichen „Modellen“, muss es sein, um alles bewußt „auf die Reihe“ zu bringen und ein „animal symbolicum“ (E.Cassirer) zu sein, das komplexen Sinn mit Sprache zum komprimierten Ausdruck bringen kann.
Ein mathematisches Modell müsste erklären bzw. anschaulich machen, wie solche Komprimierung eines innerlichen Modells möglich ist, oder: wie der Karrikaturist in unserem Oberstübchen arbeitet. Wenn dieses Modell mit pausenloser Iteration eines Algorithmus hergestellt wird, um den aktuellen Umweltzuständen und eigenen Reaktionen Gestalt zu geben, dann müsste es als rhythmischer Vorgang physiologisch im Gehirn in Erscheinung treten,denn iterative Vorgänge sind zumeist rhythmische Vorgänge, step by step, und solche physiologischen Rhythmen lassen sich im Nervensystem nachweisen, speziell im Cortex.
_________________ Die Erkenntnis der Grenze ist die Grenze der Erkenntnis
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Chattox registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.01.2012 Beiträge: 8
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(#1718863) Verfasst am: 14.01.2012, 14:24 Titel: |
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So, nachdem ich hier jetzt den passenden Thread gefunden habe, will ich meine Gedanken noch mal etwas genauer ausführen:
Meine Frage/mein Gedanke ist folgender, in wiefern wir auch nur im geringsten Maße frei sind, und damit meine ich unsere Gedanken.
Die Vertreter des vorherrschenden Kompatibilismus orientieren sich an Hume:
Zitat: | Laut Hume werden alle freien Handlungen durch Entscheidungen verursacht, die aufgrund von Wünschen, Überzeugungen und Charaktereigenschaften getroffen werden.
Nach Hume bedeutet "freier Wille" nicht die Fähigkeit, unter exakt gleichen inneren und äußeren Bedingungen jeweils eine andere Entscheidung treffen zu können. Vielmehr versteht er darunter eine hypothetische Fähigkeit, eine andere Entscheidung treffen zu können, wenn der Mensch psychologisch durch andere Wünsche oder Überzeugungen anders disponiert gewesen wäre. |
Meine Frage ist jetzt, wenn man davon ausgeht, dass wir in einer bestimmten Situation nur etwas ganz bestimmtes tun können. (Ob das jetzt durch Neigungen, Erfahrungen oder teilweise Zufall zustande kommt ist da erst mal egal), muss man dann nicht auch konsequenterweise den Gedanken fortführen und sagen, wir denken aktuell nur das was wir denken können?
Soll heißen, es ist sogar eine Illusion, dass unser Denken frei ist und auch das bildet sich ganz automatisch durch Präferenzen, Erfahrung usw. usw. aber wir werden im Grunde nur Gedacht weil wir zwar bewusst denken, aber in diesem Moment eben nur genauso denken können wie wir es tun?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1718877) Verfasst am: 14.01.2012, 16:01 Titel: |
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Und wer soll Deine Frage beantworten, die Anhänger oder die Gegner des "Freien Willens"? Und hast Du - etwa in diesem thread - irgendeine für Dich befriedigende Antwort gefunden? Mehrere Leute haben zu diesem Thema ja schon ihr Bestes gegeben in diesem Forum ...
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Chattox registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.01.2012 Beiträge: 8
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(#1718899) Verfasst am: 14.01.2012, 17:55 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Und wer soll Deine Frage beantworten, die Anhänger oder die Gegner des "Freien Willens"? Und hast Du - etwa in diesem thread - irgendeine für Dich befriedigende Antwort gefunden? Mehrere Leute haben zu diesem Thema ja schon ihr Bestes gegeben in diesem Forum ... |
Die Gegner des freien Willens.
Also die Kompatibilisten oder auch Inkompatibilisten.
Eben Leute, die der Meinung sind, dass wir in einem bestimmten Moment immer nur das tun können, was wir tun. (Klar, theoretisch hätten wir auch etwas anderes tun können, sofern wir einen andere Willen (Andere Neigungen, andere Prägung etc. worauf der Wille aufbaut) gehabt hätten.
Meine Frage ist da also, wenn unsere Handlung komplett determiniert ist, ob man dann konsequenter weise nicht auch darauf schließen sollte, das meine Gedanken determiniert sind, ich also aktuell nur denken kann was ich denke. Denn hätte ich die Möglichkeit jetzt etwas anderes zu denken, hätte ich ja auch die Möglichkeit anders zu handeln. (Denn mein Denken beeinflusst mein Handeln) Was aber eben nur theoretisch möglich ist, sonst wäre es keine Kompatibilistische Position.
Gefunden habe ich zu dieser Frage im Forum bislang noch nichts.
LG, Chattox
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1718906) Verfasst am: 14.01.2012, 18:22 Titel: |
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Chattox hat folgendes geschrieben: | Meine Frage ist jetzt, wenn man davon ausgeht, dass wir in einer bestimmten Situation nur etwas ganz bestimmtes tun können. (Ob das jetzt durch Neigungen, Erfahrungen oder teilweise Zufall zustande kommt ist da erst mal egal), muss man dann nicht auch konsequenterweise den Gedanken fortführen und sagen, wir denken aktuell nur das was wir denken können? |
Klar. Jede Situation, jedes Ding, jeder Sachverhalt, jede Entität, jeder Prozess etc. ist immer mit sich selber identisch. Wie könnte man sich das anders auch nur vorstellen?
Chattox hat folgendes geschrieben: | Soll heißen, es ist sogar eine Illusion, dass unser Denken frei ist und auch das bildet sich ganz automatisch durch Präferenzen, Erfahrung usw. usw. aber wir werden im Grunde nur Gedacht weil wir zwar bewusst denken, aber in diesem Moment eben nur genauso denken können wie wir es tun? |
Kommt hier wohl darauf an, was Du unter "frei" und was Du unter "wir" verstehst.
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Steffen Rehm registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.07.2011 Beiträge: 160
Wohnort: bei Berlin
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(#1718915) Verfasst am: 14.01.2012, 18:51 Titel: |
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Ich bin so frei, meine Meinung zu äußern, obwohl Chattox nur eine Bestätigung seiner Meinung wünscht.
Mir ist es nicht egal, ob ich ein determinierter Roboter bin oder ein kreativer Mensch, der seine Zukunft nicht dem Zufall oder irgenwelchen Automaten überläßt sondern selbst gestaltend in den Lauf der Welt eingreift.
Zur Definition von Freiheit muß ich immer wieder auf Aristoteles verweisen, der schrieb: „Eine Handlung ist frei, wenn sie ohne Zwang und mit Wissen ausgeführt wird.“
Aristoteles hatte eine klare Vorstellung von Freiheit, denn zu seiner Zeit waren die Menschen geteilt in „Freie“ und Sklaven, und der Unterschied war jedem geläufig.
„Die Gedanken sind frei“ ist ein schönes Lied aus der Revolution von 1848 und es sagt, daß auch dem Sklaven oder Knastinsassen noch die Freiheit des Denkens bleibt, die einem (gesunden) Menschen nicht genommen werden kann.
Es ist unsinnig, wenn man mit physikalischem Wissen abstreiten will, was eigentlich jedem Menschen selbstverständlich ist, und zwar aus folgendem Grund:
Jeder Mensch ist ein einmaliges Ereignis, seine Handlungen sind einmalig. Für einmalige Ereignisse ist ein Kausalzusammenhang prinzipiell unerkennbar; denn Kausalität erkennen wir aus dem Induktionsprinzip, d.h. dass jedes Mal auf ein bestimmtes Ereignis A ein bestimmtes Ereignis B folgt. Diese Voraussetzung der Wiederholung ist bei einmaligen Ereignissen nicht gegeben.
Völlig ratlos müssen die Verleugner der Freiheit vor der Tatsache stehen, daß Künstler, Erfinder und kreative Menschen Neues erschaffen, vom Faustkeil bis zum GPS-System,
bei Neuigkeiten kann von Kausalität nicht die Rede sein.
Pressefreiheit, Reisefreiheit, Religionsfreiheit usw, das sind wichtige Facetten der Gesellschaft, die sollen weiter im Grundgesetz verankert bleiben
_________________ Die Erkenntnis der Grenze ist die Grenze der Erkenntnis
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1718920) Verfasst am: 14.01.2012, 19:09 Titel: |
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Ich bin in fast allen Punkten gegenteiliger Meinung.
Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | Zur Definition von Freiheit muß ich immer wieder auf Aristoteles verweisen, der schrieb: „Eine Handlung ist frei, wenn sie ohne Zwang und mit Wissen ausgeführt wird.“ | Was genau ist "Zwang"? Wann ist "Wissen" genug Wissen?
Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | „Die Gedanken sind frei“ ist ein schönes Lied aus der Revolution von 1848 und es sagt, daß auch dem Sklaven oder Knastinsassen noch die Freiheit des Denkens bleibt, die einem (gesunden) Menschen nicht genommen werden kann. | Wann ist ein Mensch gesund? Denk mal einen Gedanken, der nicht kausal bedingt ist. Das ist unmöglich.
Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | Es ist unsinnig, wenn man mit physikalischem Wissen abstreiten will, was eigentlich jedem Menschen selbstverständlich ist, und zwar aus folgendem Grund:
Jeder Mensch ist ein einmaliges Ereignis, seine Handlungen sind einmalig. Für einmalige Ereignisse ist ein Kausalzusammenhang prinzipiell unerkennbar; denn Kausalität erkennen wir aus dem Induktionsprinzip, d.h. dass jedes Mal auf ein bestimmtes Ereignis A ein bestimmtes Ereignis B folgt. Diese Voraussetzung der Wiederholung ist bei einmaligen Ereignissen nicht gegeben. |
Die Erkennbarkeit von Kausalzusammenhängen ist uns manchmal möglicherweise unmöglich, allerdings nicht der Kausalzusammenhang selbst. Wenn der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Orkan auslöst, ist der Zusammenhang, trotzdem wir den Schmetterling deduktiv nicht erfassen können, kausal.
Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | Völlig ratlos müssen die Verleugner der Freiheit vor der Tatsache stehen, daß Künstler, Erfinder und kreative Menschen Neues erschaffen, vom Faustkeil bis zum GPS-System, bei Neuigkeiten kann von Kausalität nicht die Rede sein. |
Doch, genau da muss man von Kausalität reden. Warum hat denn niemand im 16. Jahrhundert einen funktionierenden CD-Player gebaut? Oder eine Dampfmaschine? Warum mussten Erfindungen erst gemacht werden, damit andere darauf aufbauende gemacht werden konnten?
Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | Pressefreiheit, Reisefreiheit, Religionsfreiheit usw, das sind wichtige Facetten der Gesellschaft, die sollen weiter im Grundgesetz verankert bleiben |
Zustimmung, aber Gesellschaften können auch ohne diese Freiheiten funktionieren. Sie machen die Gesellschaften angenehmer und nivellieren Unterschiede in Beschränkungen und Möglichkeiten.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Steffen Rehm registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.07.2011 Beiträge: 160
Wohnort: bei Berlin
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(#1718948) Verfasst am: 14.01.2012, 20:17 Titel: |
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@dino
Ich halte nichts von engen Definitionen bei weiten Begriffen und gebe Dir lieber ein Beispiel:
Was ich hier schreibe, mache ich ohne Zwang und mit Wissen, kurz gesagt: freiwillig oder eigenwillig, und ich nehme an, dass Du das beim Lesen merkst, dass hier kein Automat auf Deine Buchstabenkombinationen eine berechnete Antwort liefert, sondern ein streitlustiger Zausel Dir die Augen öffnen will. Eine gesunde Reaktion, aber Gründe dafür kann ich nicht angeben, Deine Meinung könnte mir auch Wurscht sein oder mich von meinen Irrtümern überzeugen, ich bin, wie ich mich kenne, unberechenbar!
Genau so unberechenbar ist auch die Wirkung von Schmetterlingen, die einen Orkan nicht kausal auslösen, sondern am Rand von Chaos dazu in der Lage sein könnten. Es existiert aber kein einziger empirischer Hinweis darauf, dass so etwas jemals passiert ist.
Die Frage, warum vor der Erfindung des Handy erst H.Hertz die Maxwellschen Gleichungen in einem experimentellen Aufbau realisieren mußte, der Entwicklungsgedanke kann nur durch die Evolutionstheorie beantwortet werden,
Und nun das Wichtigste: „Gesellschaften können auch ohne Freiheiten existieren,“ ja, das kennen wir, Diktaturen müssen die Freiheit unterdrücken, und dazu ist die Verleugnung der Freiheit, wie sie sogar bei Hirnforschern und Physikern in Mode ist, die ideale Voraussetzung.
Wo es „wissenschaftlich“ keine Freiheit gibt, kann man nicht ernsthaft von ihrer Unterdrückung sprechen.
Konsequent müsste ich eigentlich Freiheitsstrafen für Verleugner des höchsten menschlichen Wertes beantragen, vielleicht mit Hilfe der „Piraten“.
_________________ Die Erkenntnis der Grenze ist die Grenze der Erkenntnis
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1718959) Verfasst am: 14.01.2012, 21:06 Titel: |
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Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | Wo es „wissenschaftlich“ keine Freiheit gibt, kann man nicht ernsthaft von ihrer Unterdrückung sprechen. |
Was wird denn in Diktaturen unterdrückt? Zum Beispiel zwingen sie Dich, irgendetwas zu unterlassen, obwohl Du es sonst tun würdest (z.B. den Diktator offen kritisieren). Die Freiheit, um die es dabei geht, ist die Handlungsfreiheit, die wird beschränkt. Und die wird auch von niemand ernsthaft bezweifelt.
Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | Konsequent müsste ich eigentlich Freiheitsstrafen für Verleugner des höchsten menschlichen Wertes beantragen ... |
Es galt auch mal als konsequent, weltliche Höllenstrafen zu beantragen für Verleugner des höchsten Wertes (Gott).
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1718962) Verfasst am: 14.01.2012, 21:14 Titel: |
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Chattox hat folgendes geschrieben: | Gefunden habe ich zu dieser Frage im Forum bislang noch nichts. |
Das ist ... erstaunlich!
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1718963) Verfasst am: 14.01.2012, 21:16 Titel: |
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Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | @dino
Ich halte nichts von engen Definitionen bei weiten Begriffen [...] Und nun das Wichtigste: „Gesellschaften können auch ohne Freiheiten existieren,“ ja, das kennen wir, Diktaturen müssen die Freiheit unterdrücken, und dazu ist die Verleugnung der Freiheit, wie sie sogar bei Hirnforschern und Physikern in Mode ist, die ideale Voraussetzung.
Wo es „wissenschaftlich“ keine Freiheit gibt, kann man nicht ernsthaft von ihrer Unterdrückung sprechen. |
Genau das ist dein Problem. Dein Begriff von Freiheit ist nicht differenziert genug. Wie step bereits schrieb, ist das was du im zweiten Teil meinst die Handlungsfreiheit. Diese hat aber nichts mit Akausalität zu tun.
Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | Die Frage, warum vor der Erfindung des Handy erst H.Hertz die Maxwellschen Gleichungen in einem experimentellen Aufbau realisieren mußte, der Entwicklungsgedanke kann nur durch die Evolutionstheorie beantwortet werden. |
Wie meinst du das? Ist das als Argument für die akausale Schöpfungsfähigkeit des Menschen gemeint?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Steffen Rehm registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.07.2011 Beiträge: 160
Wohnort: bei Berlin
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(#1718964) Verfasst am: 14.01.2012, 21:16 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Es galt auch mal als konsequent, weltliche Höllenstrafen zu beantragen für Verleugner des höchsten Wertes (Gott). |
und wenn Gott nicht mehr der höchste Wert ist, was ist dann an erster Stelle??Quantenphysik?? oder Freiheit??
_________________ Die Erkenntnis der Grenze ist die Grenze der Erkenntnis
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1718965) Verfasst am: 14.01.2012, 21:18 Titel: |
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Steffen Rehm hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Es galt auch mal als konsequent, weltliche Höllenstrafen zu beantragen für Verleugner des höchsten Wertes (Gott). |
und wenn Gott nicht mehr der höchste Wert ist, was ist dann an erster Stelle??Quantenphysik?? oder Freiheit?? |
? Wer baut denn die Bewertungshierarchie? Wieso höchster Wert? Muss es denn so etwas geben? und Wer sagt das?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Chattox registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.01.2012 Beiträge: 8
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(#1718969) Verfasst am: 14.01.2012, 21:39 Titel: |
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Ich habe doch nicht einmal gesagt, dass ich dieses Denken vertrete. Ich fand einfach die Frage interessant, ob nicht auch die Gedanken in Hinsicht eines Inkompatibilismus unfrei wären.
Hier mal ein Text, der beschreibt was es mit der Inkompatibilistischen Sicht und dem Verantwortungpessimismus meint.
Wie gesagt, es geht mir NICHT darum ob diese Ansicht stimmt, meine Frage ist nur, WENN die Inkompatibilistische Sicht wahr wäre, wären dann nicht auch unsere Gedanken unfrei, sprich wir denken nicht selber sondern "werden gedacht" also können nur denken wie wir es gerade tun?
Hier der Text:
Letzturheberschaft http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit
[...] Doch welche Schlüsse man aus dieser Tatsache ziehen kann, das hängt davon ab, ob man glaubt, dass Freiheit im Sinne von Willentlichkeit (kompatibilistische Freiheit) für Verantwortlichkeit ausreicht, oder ob man der Meinung ist, dass wirkliche Verantwortlichkeit Freiheit im Sinne von Letzturheberschaft (libertarianische Freiheit) voraussetzt. Obwohl sowohl die juristische als auch unsere Alltagspraxis für die erste Möglichkeit sprechen, meinen auch heute noch viele Philosophinnen und Philosophen, dass wir nur dann für etwas verantwortlich gemacht werden können, dass wir nur dann wirklich Belohung und Strafe verdienen, wenn wir im libertarianischen Sinne frei sind. Wegen der Stärke der Argumente gegen den Libertarianismus neigt ein Großteil dieser Philosophinnen und Philosophen jedoch dazu zu leugnen, dass wir jemals für etwas wirklich verantwortlich sind. Aber kann man wirklich der Meinung sein, dass wir für unsere Entscheidungen und Handlungen nie verantwortlich sind?
Gegen diese Position hat Peter Strawson folgendermaßen argumentiert (P. Strawson 1962). Wenn wir annehmen, dass wir nie frei und daher auch nie verantwortlich sind, dann bedeutet das nicht nur, dass wir die gesamte Praxis juristischer Verurteilung und Bestrafung neu überdenken müssen, dann gerät auch das alltägliche Verständnis unserer zwischenmenschlichen Beziehungen ins Wanken. Gegenüber unseren Mitmenschen nehmen wir nämlich ganz andere Einstellungen ein als unbelebten Dingen oder Maschinen gegenüber. Strawson nennt diese spezifisch personalen Einstellungen reaktive Einstellungen. Wir sind dankbar dafür, wenn uns jemand etwas Gutes tun; wir nehmen es übel, wenn er uns schadet oder nicht den nötigen Respekt entgegenbringt. Und nur Menschen können wir wirklich lieben und hassen. Nur mit Menschen können wir argumentieren; nur Menschen können wir zu überzeugen versuchen. Wenn wir jemandem etwas übel nehmen, setzt das aber voraus, dass wir ihn dafür verantwortlich machen können. Ich kann jemandem nicht übel nehmen, dass er mir auf den Fuß getreten ist, wenn ich feststelle, dass er gestoßen wurde und deshalb nichts dafür konnte. Und ich kann jemandem seine Taten nicht übel nehmen, wenn ich merke, dass er unter einer schweren psychischen Störung leidet, die es ihm grundsätzlich unmöglich macht, sein Verhalten zu kontrollieren. Diese Erkenntnis führt jedoch nicht nur im Einzelfall zu einer anderen Beurteilung des Verhaltens der betreffenden Person; sie führt dazu, dass ich meine Einstellung dieser Person gegenüber grundsätzlich ändere, dass ich beginne, sie nicht mehr als eine verantwortliche Person, sondern als einen Mitmenschen zu betrachten, der der Behandlung bedarf und dem gegenüber normale reaktive Einstellungen grundsätzlich unangemessen sind. Mit anderen Worten, ich beginne dieser Person gegenüber eine objektive Einstellung einzunehmen. Strawson sagt nun, dass es für uns eigentlich unmöglich ist, unseren Mitmenschen gegenüber immer nur die objektive Einstellung einzunehmen und niemals dankbar zu sein, nie jemandem etwas übel zu nehmen, keinen wirklich zu lieben oder wirklich zu hassen. Und selbst wenn es möglich wäre, wäre es in Strawsons Augen irrational, die normalen reaktiven Einstellungen aufzugeben. Denn dadurch würden wir mehr verlieren als gewinnen.
Gegen diese Argumentation hat Derk Pereboom eingewandt, dass man, wenn man der Meinung ist, dass niemand je wirklich verantwortlich sei, nicht alle, sondern nur einige reaktive Einstellungen aufgeben müsse. Empörung gehöre sicher zu den Einstellungen, die man legitimerweise nur Personen gegenüber haben könne, die wirklich verantwortlich sind. Aber das gilt nicht für Sich-verletzt-Fühlen und Besorgt- oder Beunruhigt-Sein. Auch bestimmte Aspekte des Vergebens werden durch die Annahme eines Verantwortlichkeitspessimismus nicht berührt. Und dasselbe gilt für Aspekte des Dankbarseins. Sicher wird es nicht länger möglich sein, sich schuldig zu fühlen oder Reue zu empfinden. Aber natürlich kann man auch als Verantwortlichkeitspessimist einsehen, dass man etwas Falsches getan hat, und man kann weiterhin traurig darüber sein, dass man es getan hat; man kann sogar seine Taten ernsthaft bedauern und sich vornehmen, sie nicht wieder zu begehen. Alles in allem: Für den Verantwortlichkeitspessimisten bleiben eine ganze Reihe reaktiver Einstellungen übrig, und diese sind, so Pereboom, für ein vernünftiges Zusammenleben völlig ausreichend. Außerdem meint Pereboom, dass die Aufgabe der Idee, wir seien wirklich verantwortlich, sogar zu einer Humanisierung unseres Zusammenlebens beitragen könne. Moralischer Zorn etwa verliert seine rationale Grundlage, wenn es keine Verantwortlichkeit gibt. Aber moralischer Zorn hat eine ganze Reihe negativer Auswirkungen. Er kann unsere Neigung erhöhen, anderen als Strafe psychische und physische Schmerzen zufügen, und im Extremfall kann er uns dazu bringen, vermeintlich Schuldige zu foltern oder sogar zu töten. Gerade destruktiver moralischer Zorn wird aber durch die Überzeugung verstärkt, andere verdienten eine ernsthafte Bestrafung. Wenn wir diese Annahme aufgeben, sollte dadurch also überschießender moralischer Zorn eingedämmt werden.
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