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Mit Wonne in den ersten Weltkrieg?

 
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Anmeldungsdatum: 12.06.2008
Beiträge: 2546

Beitrag(#1714182) Verfasst am: 24.12.2011, 10:32    Titel: Mit Wonne in den ersten Weltkrieg? Antworten mit Zitat

Hallo,

folgende Frage beschäftigt mich von Zeit zu Zeit, und jetzt denke ich gerade mal wieder daran, dieses zu thematisieren, und zwar die Frage:

Was hat die Menschen vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges so euphorisch und kriegslüstern(?) gemacht, und woher kam der allseitige Optimismus, dass man den Krieg nach wenigen Monaten schon gewonnen haben möge?

Gab es damals denn keine Erinnerung an die letzten Kriege, und daran, das Kriege unsägliches Leid verursachen?

Von meinem Standpunkt kann ich die Menschen von damals, die sich regelrecht euphorisch auf den Krieg freuten einfach nur als 'dumm' bezeichnen.

Was war es, was die Menschen damals in so großem Umfange 'dumm' gehalten oder gemacht hat. Es ist mir unverständlich, wie man, trotz 'Kriegspropaganda' so naiv sein kann, sich auf einen Krieg zu freuen.

Vielleicht hat ja von euch einer eine plausible Erklärung....

nv.
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Ralf Rudolfy
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Anmeldungsdatum: 11.12.2003
Beiträge: 26674

Beitrag(#1714183) Verfasst am: 24.12.2011, 11:03    Titel: Re: Mit Wonne in den ersten Weltkrieg? Antworten mit Zitat

Navigator2 hat folgendes geschrieben:
Hallo,

folgende Frage beschäftigt mich von Zeit zu Zeit, und jetzt denke ich gerade mal wieder daran, dieses zu thematisieren, und zwar die Frage:

Was hat die Menschen vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges so euphorisch und kriegslüstern(?) gemacht, und woher kam der allseitige Optimismus, dass man den Krieg nach wenigen Monaten schon gewonnen haben möge?

Gab es damals denn keine Erinnerung an die letzten Kriege, und daran, das Kriege unsägliches Leid verursachen?

Von meinem Standpunkt kann ich die Menschen von damals, die sich regelrecht euphorisch auf den Krieg freuten einfach nur als 'dumm' bezeichnen.

Was war es, was die Menschen damals in so großem Umfange 'dumm' gehalten oder gemacht hat. Es ist mir unverständlich, wie man, trotz 'Kriegspropaganda' so naiv sein kann, sich auf einen Krieg zu freuen.

Vielleicht hat ja von euch einer eine plausible Erklärung....

nv.

Erstens: man hat sich die Schrecken des Krieges des Industriezeitalters nicht in dem Ausmaß vorgestellt. Das Vorstellung vom Krieg war noch immer geprägt von 1870/71, von schneidigen Kavallerieangriffen und von den Vorstellungen der preußischen Heeresreformern einer Kriegführung, die im wesentlich nur die beteiligten Militärs etwas angeht. Die ersten Attacken wurden tatsächlich noch Kavallerieeinheiten geführt -- und endeten im Maschinengewehrfeuer.

Zweitens: das Militärische hatte im kollektiven Bewußtsein einen völlig anderen Stellenwert. Man dachte viel mehr in Kategirien von nationaler Größe und Ehre, und der Armee kam da eine Schlüsselrolle zu. Daß man auf ein großes Heer und eine Kriegmarine stolz war, war Allgemeingut und keineswegs nur eine Marotte des deutschen Kaisers. In Deutschland sonnte man sich zudem noch in der Erinnerung an den letzten Krieg und an den Sieg, der alljährlich am Sedantag begangen wurde. Sebastian Haffner beschreibt die Stimmung so, wie wenn heute Deutschland die Fußballweltmeisterschaft gewonnen hätte, und zwar jedes Jahr aufs neue.

Drittens: Krieg wurde nicht als Verbrechen angesehen, sondern als normales zu Gebote stehendes Mittel der Politik.
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Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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beachbernie
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Anmeldungsdatum: 16.04.2006
Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#1714243) Verfasst am: 24.12.2011, 20:17    Titel: Re: Mit Wonne in den ersten Weltkrieg? Antworten mit Zitat

Navigator2 hat folgendes geschrieben:
Hallo,

folgende Frage beschäftigt mich von Zeit zu Zeit, und jetzt denke ich gerade mal wieder daran, dieses zu thematisieren, und zwar die Frage:

Was hat die Menschen vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges so euphorisch und kriegslüstern(?) gemacht, und woher kam der allseitige Optimismus, dass man den Krieg nach wenigen Monaten schon gewonnen haben möge?

Gab es damals denn keine Erinnerung an die letzten Kriege, und daran, das Kriege unsägliches Leid verursachen?

Von meinem Standpunkt kann ich die Menschen von damals, die sich regelrecht euphorisch auf den Krieg freuten einfach nur als 'dumm' bezeichnen.

Was war es, was die Menschen damals in so großem Umfange 'dumm' gehalten oder gemacht hat. Es ist mir unverständlich, wie man, trotz 'Kriegspropaganda' so naiv sein kann, sich auf einen Krieg zu freuen.

Vielleicht hat ja von euch einer eine plausible Erklärung....

nv.



Man nennt diese Sinnestruebung "Patriotismus" und diejenigen, die davon so stark befallen sind, dass sie mit lautem Hurra in den Krieg ziehen, "nuetzliche Patridioten".
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beachbernie
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Anmeldungsdatum: 16.04.2006
Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#1714245) Verfasst am: 24.12.2011, 20:38    Titel: Re: Mit Wonne in den ersten Weltkrieg? Antworten mit Zitat

Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
Navigator2 hat folgendes geschrieben:
Hallo,

folgende Frage beschäftigt mich von Zeit zu Zeit, und jetzt denke ich gerade mal wieder daran, dieses zu thematisieren, und zwar die Frage:

Was hat die Menschen vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges so euphorisch und kriegslüstern(?) gemacht, und woher kam der allseitige Optimismus, dass man den Krieg nach wenigen Monaten schon gewonnen haben möge?

Gab es damals denn keine Erinnerung an die letzten Kriege, und daran, das Kriege unsägliches Leid verursachen?

Von meinem Standpunkt kann ich die Menschen von damals, die sich regelrecht euphorisch auf den Krieg freuten einfach nur als 'dumm' bezeichnen.

Was war es, was die Menschen damals in so großem Umfange 'dumm' gehalten oder gemacht hat. Es ist mir unverständlich, wie man, trotz 'Kriegspropaganda' so naiv sein kann, sich auf einen Krieg zu freuen.

Vielleicht hat ja von euch einer eine plausible Erklärung....

nv.

Erstens: man hat sich die Schrecken des Krieges des Industriezeitalters nicht in dem Ausmaß vorgestellt. Das Vorstellung vom Krieg war noch immer geprägt von 1870/71, von schneidigen Kavallerieangriffen und von den Vorstellungen der preußischen Heeresreformern einer Kriegführung, die im wesentlich nur die beteiligten Militärs etwas angeht. Die ersten Attacken wurden tatsächlich noch Kavallerieeinheiten geführt -- und endeten im Maschinengewehrfeuer.


Auch die "traditionelle" Kriegsfuehrung war recht messy, daran kann's eigentlich nicht gelegen haben. Insbesondere da es spezielle Einheiten zur medizinischen Versorgung der Verwundeten noch nicht so furchtbar lange gab und diese eigentlich erst im 1.Weltkrieg in nennenswertem Umfang zum Einsatz kamen. Vorher waren die Sterberaten unter den angeschossenen und somit erst mal nicht mehr verwendbaren "Helden" noch ungleich hoeher.
Es gab allerdings eine recht wirksame Gwehirnwaesche, die der Bevoelkerung half, die grausamen Realitaeten eines Krieges erfolgreich zu verdraengen und stattdessen ein stark ideologisch verzerrtes Bild vom Krieg wahrzunehmen.



Wobei das hier....

Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
Zweitens: das Militärische hatte im kollektiven Bewußtsein einen völlig anderen Stellenwert. Man dachte viel mehr in Kategirien von nationaler Größe und Ehre, und der Armee kam da eine Schlüsselrolle zu. Daß man auf ein großes Heer und eine Kriegmarine stolz war, war Allgemeingut und keineswegs nur eine Marotte des deutschen Kaisers. In Deutschland sonnte man sich zudem noch in der Erinnerung an den letzten Krieg und an den Sieg, der alljährlich am Sedantag begangen wurde. Sebastian Haffner beschreibt die Stimmung so, wie wenn heute Deutschland die Fußballweltmeisterschaft gewonnen hätte, und zwar jedes Jahr aufs neue.

Drittens: Krieg wurde nicht als Verbrechen angesehen, sondern als normales zu Gebote stehendes Mittel der Politik.



...bereits Ausdruck dieser Gehirnwaesche war.


Nebenbei bemerkt halte ich diese Technik zur "Kriegshelden"generierung heute keinesfalls fuer ueberwunden, sondern das koennen wir auch heute in vielen kriegfuehrenden Nationen bewundern. Heute ist es allerdings, dank der ungleich wirksameren Moeglichkeiten, die unabhaengigen Medien zur Verfuegung stehen, erheblich aufwaendiger die wahre Natur des Krieges zu verschleiern und den Leuten stattdessen ein romantisierendes und von Dreck und Blut gereinigtes Zerrbild des Krieges ins Hirn zu waschen, aber nichtsdestotrotz wird das auch heute noch durchaus erfolgreich praktiziert, sodass sogar die allerkriegerischsten Laender mit reinen Freiwilligenarmeen auskommen.
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Telliamed
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Beitrag(#1714268) Verfasst am: 24.12.2011, 23:53    Titel: Antworten mit Zitat

Es gibt zwar Bilder, Berichte und erste Filmaufnahmen, die von einer Kriegsbegeisterung 1914 zeugen. Allerdings muss man davon ausgehen, dass auch hier eine Auswahl von interessierter regierungsnaher Seite zu propagandistischen Zwecken getroffen worden ist.

Siehe den zweiten Teil:

http://de.wikipedia.org/wiki/Augusterlebnis

Was man auch immer an dem Standardwerk auszusetzen haben mag: Heinrich August Winkler fasst in den entsprechenden Passagen seiner "Geschichte des Westens" über den Zeitraum 1914-1945 (2011) die entsprechenden Forschungen hierzu zusammen.

Die inzwischen in den letzten Jahren edierten Berichte über die Stimmung im Lande zeugen nämlich davon, dass diese Bilder nicht im entferntesten die Stimmung in der Gesamtbevölkerung wiedergaben. Sie war bei Kriegsentfesselung 1914 in der Masse eher nachdenklich und bedrückt. Wenn hier Vergleiche angestellt werden, so könnten sie auf die Situation Anfang September 1939 zutreffen. Als die Wehrmacht den Krieg gegen Polen begann und bald darauf Großbritannien und Frankreich in den Krieg eintraten, war die Stimmung in der Bevölkerung alles andere als begeistert, wie aus Berichten hervorgeht, sondern eher nachdenklich. Das änderte sich erst, als Siegesmeldungen und in der Folge die Päckchen der Besatzer eintrafen.
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Arashi
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Anmeldungsdatum: 18.05.2011
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Beitrag(#1714326) Verfasst am: 25.12.2011, 15:16    Titel: Antworten mit Zitat

Als ich mal was über Patriotismus fürs Studium recherchiert habe, habe ich in einem Buch auch gelesen, dass der Löwenteil der deutschen Bevölkerung nicht sehr begeistert war vom in den Krieg ziehen sondern eher mit der Unzufriedenheit über bescheidene Arbeitsbedingungen, fehlende politische Mitbestimmung und ökonomische Ungleichheiten im Reich beschäftigt waren. Deswegen sollen die deutschen Arbeiter zB. den französischen Arbeitern näher gestanden haben als der Reichsführung. Der große Patriotsmus kam demnach erst 1916 und 1917 so richtig auf, als klar wurde, dass der Krieg noch lange dauern wird ohne eine Entscheidungsmöglichkeit in Aussicht (woran natürlich alleine der Feind schuld war) und man durch staatliche Propaganda und Erzählungen der Kriegsversehrten nicht mehr den Unterschied machte zwischen französischem Arbeiter, der das gleiche Alltagsschicksal teilt und Adel/Bourgeoisie egal welcher Nationalität, sondern eben nur noch den Franzosen (Briten, Belgier, Russen ...) gemeinhin als Feindbild wahrgenommen hat.
Titel oder Autor weiß ich leider nicht mehr (und ist auch zu lange her, als dass ich es schnell nach schauen könnte). Ich weiß aber noch, dass in dem Buch auch Sachen standen an denen ich meine Zweifel hatte wenn ich genug Ahnung vom Thema hatte. Klingt also für mich einleuchtend, kann aber nicht sagen wie zuverlässig das ist. (Edit: Klingt für mich aus heutiger Sicht einleuchtend, aber moralische Fragen aus heutiger Sicht erklären zu wollen führt in der Geschichte mE oft zu den Ergebnissen, die man sehen will und nicht zu realistischen Erklärungen)
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beachbernie
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Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#1714344) Verfasst am: 25.12.2011, 18:41    Titel: Antworten mit Zitat

Arashi hat folgendes geschrieben:
Als ich mal was über Patriotismus fürs Studium recherchiert habe, habe ich in einem Buch auch gelesen, dass der Löwenteil der deutschen Bevölkerung nicht sehr begeistert war vom in den Krieg ziehen sondern eher mit der Unzufriedenheit über bescheidene Arbeitsbedingungen, fehlende politische Mitbestimmung und ökonomische Ungleichheiten im Reich beschäftigt waren. Deswegen sollen die deutschen Arbeiter zB. den französischen Arbeitern näher gestanden haben als der Reichsführung. Der große Patriotsmus kam demnach erst 1916 und 1917 so richtig auf, als klar wurde, dass der Krieg noch lange dauern wird ohne eine Entscheidungsmöglichkeit in Aussicht (woran natürlich alleine der Feind schuld war) und man durch staatliche Propaganda und Erzählungen der Kriegsversehrten nicht mehr den Unterschied machte zwischen französischem Arbeiter, der das gleiche Alltagsschicksal teilt und Adel/Bourgeoisie egal welcher Nationalität, sondern eben nur noch den Franzosen (Briten, Belgier, Russen ...) gemeinhin als Feindbild wahrgenommen hat.
Titel oder Autor weiß ich leider nicht mehr (und ist auch zu lange her, als dass ich es schnell nach schauen könnte). Ich weiß aber noch, dass in dem Buch auch Sachen standen an denen ich meine Zweifel hatte wenn ich genug Ahnung vom Thema hatte. Klingt also für mich einleuchtend, kann aber nicht sagen wie zuverlässig das ist. (Edit: Klingt für mich aus heutiger Sicht einleuchtend, aber moralische Fragen aus heutiger Sicht erklären zu wollen führt in der Geschichte mE oft zu den Ergebnissen, die man sehen will und nicht zu realistischen Erklärungen)



Ich denke man muss hier etwas differenzieren.

Es stimmt, dass sich die Kriegsbegeisterung der deutschen Arbeiterschaft in Grenzen hielt, was daran gelegen haben mag, dass sie in grosser Zahl sozialistischen (internationalistischen) Ideen anhing und sie dies in gewissem Umfang gegen den Hurra-Patriotismus der ersten Kriegswochen immunisierte. Hinzu kommt, dass sie den ueberwiegenden Teil der Mannschaftsdienstgrade stellte und es ihnen schon irgendwo daemmerte, dass sie vor allem die Arschkarte des beginnenden Krieges gezogen hatten.

Dem stand vor allem das Buergertum gegenueber, dem man zum Grossteil die preussisch-militaristische Denke im Sinne von RRs "Zweitens" ins Hirn gewaschen hatte und von denen tatsaechlich viele in patridiotischer Glueckseligkeit faehnchenwedelnd am Strassenrand standen als die Reichswehr "ins Feld zog" und dessen Soehne sich in grosser Zahl freiwillig zur Armee meldeten. Die Bilder kriegsbegeisterter Menschen im Deutschland zu Beginn des 1.Weltkrieges, die wir aus unserem Geschichtsbuch kennen, waren naemlich alles andere als gestellt und bilden sehr wohl die Realitaet zumindest in einem Teilbereich der damaligen deutschen Gesellschaft ab, die ja auch in anderer Hinsicht tief gespalten war.
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lydialilalu
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Anmeldungsdatum: 18.03.2008
Beiträge: 7

Beitrag(#1714346) Verfasst am: 25.12.2011, 19:33    Titel: Antworten mit Zitat

Also da muss ich unsere Altvorderen doch etwas in Schutz nehmen: Wie hätten die ahnen sollen, dass Krieg nicht wirklich gut ist - wo er doch mit kirchlichem Segen einherging????
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Critic
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Anmeldungsdatum: 22.07.2003
Beiträge: 16338
Wohnort: Arena of Air

Beitrag(#1714351) Verfasst am: 25.12.2011, 19:56    Titel: Antworten mit Zitat

lydialilalu hat folgendes geschrieben:
Also da muss ich unsere Altvorderen doch etwas in Schutz nehmen: Wie hätten die ahnen sollen, dass Krieg nicht wirklich gut ist - wo er doch mit kirchlichem Segen einherging????


Oder aber ein anderer Gedanke: "Warum sollten die Menschen in Kriegen kämpfen wollen, die nichts mit ihnen zu tun hatten und die sie nicht verstanden?"

Und gerade zu Weihnachten gab es ja diese Geschichte, daß 1914 Soldaten beider Seiten, die nur wenige Meter voneinander entfernt in den Schützengräben lagen, sich während der obligaten Schießpause, während der die letzten Leichen weggeräumt wurden, ziemlich spontan "verbrüderten". Man spielte Fußball miteinander, tauschte Fressalien und Briefe. Der Krieg hatte so oder so auch Freunde und Beziehungen auseinandergerissen, andererseits schoß man sich auch weniger aus persönlichem Haß, sondern weil es ein Job war. So zumindest eine mögliche Perspektive. Das war natürlich den Vorgesetzten nicht recht, man versetzte die Soldaten, damit es nicht zu weiteren ähnlichen Szenen der "Illoyalität" kam.
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"Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"

Dann bin ich halt bekloppt. Mit den Augen rollen

"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#1714362) Verfasst am: 25.12.2011, 20:53    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
lydialilalu hat folgendes geschrieben:
Also da muss ich unsere Altvorderen doch etwas in Schutz nehmen: Wie hätten die ahnen sollen, dass Krieg nicht wirklich gut ist - wo er doch mit kirchlichem Segen einherging????


Oder aber ein anderer Gedanke: "Warum sollten die Menschen in Kriegen kämpfen wollen, die nichts mit ihnen zu tun hatten und die sie nicht verstanden?"

»Natürlich, das einfache Volk will keinen Krieg. Warum sollte irgendein armer Landarbeiter im Krieg sein Leben aufs Spiel setzen wollen, wenn das Beste ist, was er dabei herausholen kann, dass er mit heilen Knochen zurückkommt. [...]
Aber schließlich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer leicht, das Volk zum Mitmachen zu bringen, ob es sich nun um eine Demokratie, eine faschistische Diktatur, um ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur handelt. Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land.«

Hermann Göring - Interview in seiner Gefängniszelle, 18. April 1946, Nürnberger Tagebuch S.270
http://de.wikiquote.org/wiki/Hermann_G%C3%B6ring
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satsche
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Anmeldungsdatum: 30.07.2006
Beiträge: 2091
Wohnort: Südhessen

Beitrag(#1714480) Verfasst am: 27.12.2011, 00:12    Titel: Antworten mit Zitat

Eine gewisse Rolle wird wohl auch gespielt haben, dass nach jahrzehntelangem Frieden „den Leuten“ buchstäblich „das Fell gejuckt hat“. Schließlich war so etwas Ominöses wie die Ehre zu „verteidigen“…

Eine größere Rolle wird gespielt haben, dass der Militarismus eine weit verbreitete (Ersatz-) Religion war. Schließlich war so etwas Ominöses wie die deutsche Ehre zu „verteidigen“ und dabei durfte die Neutralität nichtbeteiligter Staaten souverän missachtet werden…

Und: Wann kam eigentlich der Begriff „Weltkrieg“ zuerst auf?
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vrolijke
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Anmeldungsdatum: 15.03.2007
Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart

Beitrag(#1714486) Verfasst am: 27.12.2011, 00:21    Titel: Antworten mit Zitat

satsche hat folgendes geschrieben:
Eine gewisse Rolle wird wohl auch gespielt haben, dass nach jahrzehntelangem Frieden „den Leuten“ buchstäblich „das Fell gejuckt hat“. Schließlich war so etwas Ominöses wie die Ehre zu „verteidigen“…

Eine größere Rolle wird gespielt haben, dass der Militarismus eine weit verbreitete (Ersatz-) Religion war. Schließlich war so etwas Ominöses wie die deutsche Ehre zu „verteidigen“ und dabei durfte die Neutralität nichtbeteiligter Staaten souverän missachtet werden…

Und: Wann kam eigentlich der Begriff „Weltkrieg“ zuerst auf?


Bis zum ersten Weltkrieg war Belgien z.B. ein neutrales Land.
Da sind sie einfach durchmarschierd. Motzen
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Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
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Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

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sehr gut
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#1714488) Verfasst am: 27.12.2011, 00:31    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
satsche hat folgendes geschrieben:
Eine gewisse Rolle wird wohl auch gespielt haben, dass nach jahrzehntelangem Frieden „den Leuten“ buchstäblich „das Fell gejuckt hat“. Schließlich war so etwas Ominöses wie die Ehre zu „verteidigen“…

Eine größere Rolle wird gespielt haben, dass der Militarismus eine weit verbreitete (Ersatz-) Religion war. Schließlich war so etwas Ominöses wie die deutsche Ehre zu „verteidigen“ und dabei durfte die Neutralität nichtbeteiligter Staaten souverän missachtet werden…

Und: Wann kam eigentlich der Begriff „Weltkrieg“ zuerst auf?


Bis zum ersten Weltkrieg war Belgien z.B. ein neutrales Land.
Da sind sie einfach durchmarschierd. Motzen

1. Ist man in den _neutralen_ Iran auch, in beiden Weltkriegen.

2. Nach den ~10 Millionen Toten(Halbierung der Bevölkerung) die der belgische König Leopold II vorher im Kongo verursacht hatte ...
"Leopold II. wurde in der Folge dieser Ereignisse zu einer der meistgehassten Personen Europas. Seine sterblichen Überreste wurden beim Trauerzug von der belgischen Bevölkerung ausgebuht."
http://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_II._%28Belgien%29#Verbrechen_und_Verlust_des_Kongo
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vrolijke
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Anmeldungsdatum: 15.03.2007
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Wohnort: Stuttgart

Beitrag(#1714489) Verfasst am: 27.12.2011, 00:34    Titel: Antworten mit Zitat

sehr gut hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
satsche hat folgendes geschrieben:
Eine gewisse Rolle wird wohl auch gespielt haben, dass nach jahrzehntelangem Frieden „den Leuten“ buchstäblich „das Fell gejuckt hat“. Schließlich war so etwas Ominöses wie die Ehre zu „verteidigen“…

Eine größere Rolle wird gespielt haben, dass der Militarismus eine weit verbreitete (Ersatz-) Religion war. Schließlich war so etwas Ominöses wie die deutsche Ehre zu „verteidigen“ und dabei durfte die Neutralität nichtbeteiligter Staaten souverän missachtet werden…

Und: Wann kam eigentlich der Begriff „Weltkrieg“ zuerst auf?


Bis zum ersten Weltkrieg war Belgien z.B. ein neutrales Land.
Da sind sie einfach durchmarschierd. Motzen

1. Ist man in den _neutralen_ Iran auch, in beiden Weltkriegen.

2. Nach den ~10 Millionen Toten(Halbierung der Bevölkerung) die der belgische König Leopold II vorher im Kongo verursacht hatte ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_II._%28Belgien%29#Verbrechen_und_Verlust_des_Kongo


Du glaubst nicht, was man uns in der Schule erzählt hat, was fürn guter König das war, der Kongo den belgischen Staat geschenkt hat.
Das hat den privat gehört! Geschockt

Ich schäme mich jetzt noch dafür, daß ich mit 8 jahr nicht genauer nachgefragt habe, von wem er das dann erworben hatte.
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#1714496) Verfasst am: 27.12.2011, 01:50    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
sehr gut hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
satsche hat folgendes geschrieben:
Eine gewisse Rolle wird wohl auch gespielt haben, dass nach jahrzehntelangem Frieden „den Leuten“ buchstäblich „das Fell gejuckt hat“. Schließlich war so etwas Ominöses wie die Ehre zu „verteidigen“…

Eine größere Rolle wird gespielt haben, dass der Militarismus eine weit verbreitete (Ersatz-) Religion war. Schließlich war so etwas Ominöses wie die deutsche Ehre zu „verteidigen“ und dabei durfte die Neutralität nichtbeteiligter Staaten souverän missachtet werden…

Und: Wann kam eigentlich der Begriff „Weltkrieg“ zuerst auf?


Bis zum ersten Weltkrieg war Belgien z.B. ein neutrales Land.
Da sind sie einfach durchmarschierd. Motzen

1. Ist man in den _neutralen_ Iran auch, in beiden Weltkriegen.

2. Nach den ~10 Millionen Toten(Halbierung der Bevölkerung) die der belgische König Leopold II vorher im Kongo verursacht hatte ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_II._%28Belgien%29#Verbrechen_und_Verlust_des_Kongo


Du glaubst nicht, was man uns in der Schule erzählt hat, was fürn guter König das war, der Kongo den belgischen Staat geschenkt hat.

Die Kritik und die Verachtung ob des 10-Millionen-Massakers am Ende seiner Herrschaft schien schnell vergessen zu sein, Jahre später baute man schon wieder Statuen von ihm
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simmon
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Anmeldungsdatum: 26.12.2011
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Beitrag(#1714548) Verfasst am: 27.12.2011, 16:29    Titel: Antworten mit Zitat

Nun sind die Deutschen damals nicht in Belgien einmarschiert um Menschenrechtsverletzungen an afrikanischen Schwarzen zu rächen - die deutsche Kolonialverwaltung tat sich ebenfalls schwer in der afrikanischen Bevölkerung gleichwertige Menschen zu sehen - sondern weil es der DEUTSCHE KRIEGSPLAN zwingend vorsah.

Der Marsch durch das neutrale Belgien sollte sicherstellen, dass Frankreich in wenigen Wochen besiegt wird und eventuelle Unterstützung durch England zu spät kommt (SCHLIEFFENPLAN). Alternativplanungen gab es nicht (mehr).

Als im unmittelbaren Vorfeld des Kriegsausbruches es kurzzeitig zu der deutschen Illusion kam, man könne GB raushalten wenn man Belgien und Luxemburg in Ruhe lässt verlangte der Kaiser zum Entsetzen seines Generalstabschefs den ganzen Aufmarsch dann eben im Osten statt finden zu lassen - wofür es keine (aktuellen) Pläne gab. Die belgische und luxemburgerische Grenzverletzung war essentieller Bestandteil der deutschen Planung. Wilhelm II hatte dem belgischen König mal mit der Idee irritiert Belgien nach Niederwerfung Frankreichs mit französchem Gebiet für das Durchmarschrecht zu entschädigen - und auf die vorhersehbare Ablehnung mit Drohungen reagiert. Beide Länder wurden wenige Stunden vor dem Durchmarsch von der deutschen Absicht ultimativ in Kenntnis gesetzt (gerechtfertigt als Reaktion auf vorhergehende angebliche französische Verletzungen der Neutralität diesre Staaten - Frankreichs Strategie, Plan 17, beruhte allerdings auf Offensivaktionen in Lothringen, der linke Flügel an der belgischen Flanke war viel zu dünn besetzt um offensiv zu werden wie sich zeigte).

Zwei Bemerkungen zum Ausgangsthema:


Die (nicht für alle) überraschend lange Kriegsdauer liegt zu einem grossen Teil in einer Fehleinschätzung der technischen Veränderungen auf dem Schlachtfeld. Dass jeder noch so kühn, tapfer und rücksichtslos vorgetragene Angriff der Infanterie von wenigen Maschinengewehrschützen hinter Stacheldrahtverhauen vollkommen zusamm geschossen werden kann kam für alle Seiten mehr oder weniger überraschend. Desgleichen die Wirkung schwerer Kanonen, die unsichtbar weit hinter der Front verborgen lagen und die Soldaten in die Deckung zwang. Niemand wollte einen jahrelangen Schützengraben-Krieg - sowohl Deutsche als auch Franzosen und Russen sahen im Angriff die beste Strategie. Als diese Illusion zerbrochen war herrschte Ratlosigkeit vor. Daraus entstanden dann zynische Rechenspiele (Verdun), der Gaskrieg oder stures Ignorieren der Lage indem man eben statt mit tausenden mit zehntausenden ins Feuer rannte (Somme).
Man hatte die taktische Auswirkung der Defensive auf die Strategie falsch eingeschätzt. Franzosen gingen anfangs mit leuchten roten Hosen in die Schlacht - als sei das Gewehr noch nicht erfunden...

Zur Hurra-Stimmung:
Natürlich war die nicht so verbreitet, wie man das (im Kaiserreich) darstellte. Die stärkste Fraktion im Reichstag, die SPD, stimmte beispielsweise den Kriegskrediten nicht aus Kriegslust zu sondern weil der Krieg eben tatsächlich stattfand und die Alternative zu einem deutschen Sieg eben ein Sieg der Alliierten wäre - was auch in den grössten Teilen der SPD als wenig patriotisch empfunden wurde.
Zum anderen war dem damaligen Zeitgenossen seit Jahren ziemlich klar, dass es "irgendwann" zum grossen Schlagabtausch kommen musste. Die Jahre vor Kriegsausbruch hatte ein Krise nach der anderen gesehen, in der die Grossmächte teilweise im letzten Augenblick vor dem Waffengang zurückschreckten. Es gab ein Wettrüsten und Diskussionen darüber wann der "richtige Zeitpunkt loszuschlagen" sei. Dass die bestehende Lage sich friedlich nicht lösen lasse scheint als selbstverständlich Überzeugung auf allen Seiten vorherrschende Meinung gewesen zu sein, und diese Perspektive bestimmte den Rahmen der Politik. Der Konflikt zwischen Österreich und Russland - scheinbar unlösbar. Der deutsch-britische Gegensatz in der Flottenfrage (und die dahinterstehende Frage wie Deutschland seine angestrebte "Weltmacht"-Position eigentlich definierte) war so grundsätzlich, dass er ebenfalls unlösbar schien. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich war durch 1871 und die Annektierung Elsass-Lothringens dermassen verdorben, dass in den mehr als 40 Jahren vor dem 1. WK überhaupt kein ernsthafter Versuch unternommen wurde das irgendwie zu ändern - es gab nicht einmal einen offiziellen Staatsbesuch des Kaisers im Nachbarland oä. Was die deutsche Perspektiven gegenüber Russland anging war man zwar zwischen Annäherung und Ablehnung hin- und hergerissen (wie zuvor gegenüber den Briten). Das führte aber zu einer schwankenden und verunsichernden Politik die nur Misstrauen schürte (ein Beispiel Googlestichwort Vertrag von BJÖRKÖ).

Spätestens seit der bosnischen Annektionskrise 1908 war klar, dass bei einer künftigen derartigen Konstellation die Russen nicht nachgeben werden.

Dementsprechend lässt sich in der Juli-Krise beobachten, dass die deutsche Diplomatie nicht vorrangig darauf konzentrierte den Krieg zwischen Österreich und Serbien zu verhindern - sondern ihn zu "lokalisieren", eine Einmischung Russlands zu verhindern und damit weitere Eskalation zum Weltkrieg wegen der Bündnislage (Österreich greift Serbien an, Russland macht als Schutzmachtz Serbiens gegen Ö-U und DR mobil - deswegen (Schlieffenplan, Zeitpunkt der russischen Mobilmachung entscheidend!) marschiert Deutschland ins neutrale Belgien ein... Irrsinn!!!). Österreich könne sich nicht leisten den Säbel einfach so wieder in die Scheide zu stecken wenn es sein Gesicht behalten will - auf dieser Ebene etwas äusserte sich Wilhelm II. in der Julikrise... Wer diese Haltung nachvollziehen und inhaltlich teilen kann hat mein Mitleid.

Es gab also im Jahre 1914 ein Klima der Unausweichlichkeit eines grossen Krieges von dem man sich die Wirkung eines reinigenden Gewitters erhoffte. Einer der Bestseller im Kaissreich in der Vorkriegszeit war bezeichnenderweise v. Bernhardis "Deutschland und der nächste Krieg"...
Da die Mehrheit der Leute eben mit einem kurzen Krieg rechnete, eher mit einem Feldzug, ein paar Schlachten unter Soldaten etc. gab es auch keine Vorstellungen von den Schrecken des Krieges, Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung etc. Es war im damaligen Zeitgeist nur eine Frage der Zeit bis der Krieg kommt und für einen deutschen Unteroffizier der Reserve (das Musterbeispiel im wilherlmischen Deutschland) gab es eher die Angst die Gelegenheit zur Auszeichnung und Frontbewährung, die "Bluttaufe", zu verpassen als die Angst im Niemandsland von Granatsplittern zerfetzt oder verkrüppelt zu werden, bzw. alleine durch die psychische Belastung des Trommelfeuers "die Nerven zu verlieren", wie es damals hiess - das war wirklich un-vor-stell-bar. Deutschland galt als "belagert" und eingekreist. Es hatte so gut wie keinen politischen Spielraum mehr, der einzige Freund war Österreich-Ungarn - eine Grossmacht im Zerfall, mit den östlichen Nachbarn rettungslos zerstritten.
Ein siegreicher Krieg schien besser als dieser brüchige und jederzeit gefährdete Friede. Diese Haltung findet sich, etwas anders begründet, genau so in Frankreich und Österreich, modifiziert und eher innenpolitisch begründet im Zarenreich.

Ein sehr gut lesbares einleitendes, dazu noch günstiges Buch zur Vorgeschichte des Krieges, den Plänen, Vorbereitungen und dem Verlauf der ersten Kriegswochen gibt Barbara Tuchmann, August 1914 - wenn man kein Problem damit hat, dass sie die Hauptverantwortung für den Kriegsausbruch Deutschland und Österreich-Ungarn anlastet (wobei Russlands Verantwortung auch nicht unterschätzt wird). Ich schreib das so, weil dieses Thema ja immer noch bei ein paar Leuten Emotionen auslöst...

Zur Planungsgeschichte auf deutscher Seite empfehlenswert der Aufsatz- und Dokumentenband von Hans Ehlert und Michael Epkenhans von Schöningh, Der Schlieffenplan. Analysen und Dokumente.
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Anmeldungsdatum: 12.06.2008
Beiträge: 2546

Beitrag(#1715406) Verfasst am: 01.01.2012, 01:53    Titel: Re: Mit Wonne in den ersten Weltkrieg? Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:


...bereits Ausdruck dieser Gehirnwaesche war.


Nebenbei bemerkt halte ich diese Technik zur "Kriegshelden"generierung heute keinesfalls fuer ueberwunden, sondern das koennen wir auch heute in vielen kriegfuehrenden Nationen bewundern. Heute ist es allerdings, dank der ungleich wirksameren Moeglichkeiten, die unabhaengigen Medien zur Verfuegung stehen, erheblich aufwaendiger die wahre Natur des Krieges zu verschleiern und den Leuten stattdessen ein romantisierendes und von Dreck und Blut gereinigtes Zerrbild des Krieges ins Hirn zu waschen, aber nichtsdestotrotz wird das auch heute noch durchaus erfolgreich praktiziert, sodass sogar die allerkriegerischsten Laender mit reinen Freiwilligenarmeen auskommen.


Ich vermute mal, dass das auch vielfach 'ökonomische' Gründe hat bei denjenigen, die sich in so einer Freiwilligenarmee verpflichten. Die Alternative zum Dienst in der Armee lautet bei denen wohl bittere Armut und Elend....

nv.
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