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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#171073) Verfasst am: 27.08.2004, 19:29 Titel: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Lamarck und alle am Thema Interessierten,
ich eröffne hier mal einen neuen Thread zum Thema "Informationsbegriffe in der Biologie":
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Die Erfassung von Komplexität ist auch aus mathematischer Sicht noch unbefriedigend. |
Richtig! Die Frage ist nun, ob das wirklich überraschen kann. Ist es denn überhaupt möglich, einem Stück Materie ein Komplexitätsmaß (z.B. eine "Information" nach Shannon) zuzuschreiben? Hier schließt sich unwillkürlich die Frage an, auf welcher Ebene man quantifizieren soll - z.B. bei Lebewesen. Auf der "Organ-Ebene"? Auf der zellulären Ebene? Auf der Ebene der Biomoleküle? Oder auf der atomaren Ebene? Und: Läuft derjenige, der einer "Struktur" (genauer: einem Stück strukturierter Materie) einen Informations- bzw. Komplexitätsgehalt zuschreibt, jemals Gefahr, widerlegt zu werden?
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Natürlich ist es möglich, einem Stück Materie eine "Information" im Sinne von Shannon zuzuordnen. |
Formal kann man das schon, wenn man sich zuvor auf einen "Maßstab" und einer Reihe weiter Setzungen geeinigt hat. Aber handelt es sich hier überhaupt um eine objektive Eigenschaft? Welcher Maßstab ist denn "der richtige" - welche "Substrukturen" sind informationsrelevant, so daß man sagen könnte: "Dieses Stück Materie besitzt den Informationsgehalt 10²² bit"? Anders gefragt: Wie lang ist die Küstenlinie Großbritanniens?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Entropiebegriff spielt ja auch in der Chemie eine gewisse Rolle. Also formuliere hierzu einfach eine dezidierte Fragestellung und dann könnte das Ergebnis hierzu auch prinzipiell widerlegt werden  |
Also, dann mal konkreter: Reaktionsentropien kann man messen, weil es sich um eine intrinsische Eigenschaft von Reaktionssystemen handelt. Wie aber bestimmt man die Absolutentropie der Edukte, wenn es gar keinen "natürlichen Bezugspunkt" für die Messung gibt? Eine Messung ist hier unmöglich - man kann lediglich die Entropie der Edukte am absoluten Nullpunkt (S0) mithilfe des 3. Hauptsatzes der Thermodynamik willkürlich auf Null festsetzen, dann (IIRC über die Debye-Einstein-Beziehung) die Entropie ausrechnen und sich schließlich gemäß:
∂ S ∂ T p = Cp T
zu den Entropiedifferenzen weiterhangeln. Nun bedarf es bei der Entropie aber nur einer willkürlichen Festlegung, nämlich der von S0. Alle weiteren Entropie-Berechnungen lassen sich auf naturgesetzliche Beziehungen zurückführen. Bei der "Information" ist das aber ungleich schwieriger: Welches ist z.B. der adäquate Informationsbegriff? Nach Mahner und Bunge wird der Begriff "Information" mit mindestens 6 (!) unterschiedlichen Bedeutungen ausgestattet, die in der Biologie alle mehr oder weniger Verwendung finden. Welche Analyseebene ist die "richtige"? Welches sind diejenigen Merkmale, die es in die Informationsberechnung einzubeziehen gilt (Stichwort Küstenlinie)? Und was ist überhaupt ein Merkmal usw.?
Verstehen wir uns richtig: Freilich gibt es Systeme unterschiedlicher Komplexität. Und natürlich kann man ihr auch irgend einen quantitativen (Informations-) Gehalt zuordnen, nachdem man ein gutes Dutzend mehr oder minder willkürlicher Setzungen vorgenommen hat. Aber das Ergebnis gaukelt doch eine Präzision vor, die es gar nicht gibt; jeder hält eine andere Setzung für sinnvoll. Das Informationsgerede erinnert mich irgendwie an die Wahrscheinlichkeitsrechnereien der Kreationisten und ihre "validen" Voraussetzungen:
Mahner und Bunge hat folgendes geschrieben: | Einige Autoren haben (...) versucht, nicht nur den Informationsgehalt des genetischen Materials zu errechnen, sondern auch den Informationsgehalt ganzer Lebewesen. Dabei besteht die Methode zur Abschätzung des Informationsgehalts von Biosystemen im wesentlichen darin, die Zahl der binären Entscheidungsschritte anzugeben, die ein rationales Wesen benötigen würde, um ein Biosystem aus einen Bestandteilen zusammenzusetzen (...)
Das Problem mit diesem Verfahren besteht jedoch darin, daß es entscheidend davon abhängt, welche Ebene von Komponenten gewählt wird (...) Entsprechend variiert der Informationsgehalt (...) Doch wenn solche Zahlen ein Maß des Ordnungs- oder Negentropiegrads eines Systems zu einer bestimmten Zeit darstellen sollen, der eine intrinsische Eigenschaft des Systems ist, dann kann der Informationsgehalt nicht mit der Analyseebene variieren, sondern muß einen einzigen Wert annehmen. Deshalb sind solche Zahlen kein Maß für eine objektive Eigenschaft des betreffenden Systems (...) Jede Schätzung der Informationsmenge ist demnach trügerisch. Derartige Schätzungen sind kein Bestandteil biologischer Gesetzesaussagen, und jeder kann beliebige Werte vorschlagen, ohne befürchten zu müssen, jemals widerlegt zu werden (...) |
Mahner, M.; Bunge, M. (2000): Philosophische Grundlagen der Biologie. Springer, Berlin, 277.
Außerdem sollte man sich fragen, ob die Verwendung des Begriffs „Information“ außerhalb der Informatik/Nachrichtentechnik überhaupt sinnvoll ist. Ich denke, die unfruchtbare Debatte um "Teleologie" und "Teleonomie" ist als Folge der unheilvollen Ausdehnung des Informations-Begriffs auf die Biologie anzusehen, die zu mehr Verirrung und Verwirrungen geführt hat, als zur Klärung fundamentaler Fragen:
Mahner und Bunge hat folgendes geschrieben: | Angesichts dieser vielen Bedeutungen des Wortes ‚Information’ nimmt es nicht wunder, wenn es zu einem Allzweckwort geworden ist. Es klingt wissenschaftlich und scheint tiefere Einsichten anzudeuten. Doch in Wahrheit ist es oft nur ein Deckmantel für Ignoranz, gemäß der nützlichen Verschleierungsregel: ‚Wenn Du nicht weißt, was es ist, nenn’ es Information.’ |
Mahner, M.; Bunge, M. (a.a.O., 275)
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#171143) Verfasst am: 27.08.2004, 23:20 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Die Erfassung von Komplexität ist auch aus mathematischer Sicht noch unbefriedigend. |
Richtig! Die Frage ist nun, ob das wirklich überraschen kann. Ist es denn überhaupt möglich, einem Stück Materie ein Komplexitätsmaß (z.B. eine "Information" nach Shannon) zuzuschreiben? Hier schließt sich unwillkürlich die Frage an, auf welcher Ebene man quantifizieren soll - z.B. bei Lebewesen. Auf der "Organ-Ebene"? Auf der zellulären Ebene? Auf der Ebene der Biomoleküle? Oder auf der atomaren Ebene? Und: Läuft derjenige, der einer "Struktur" (genauer: einem Stück strukturierter Materie) einen Informations- bzw. Komplexitätsgehalt zuschreibt, jemals Gefahr, widerlegt zu werden?
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Natürlich ist es möglich, einem Stück Materie eine "Information" im Sinne von Shannon zuzuordnen. |
Formal kann man das schon, wenn man sich zuvor auf einen "Maßstab" und einer Reihe weiter Setzungen geeinigt hat. Aber handelt es sich hier überhaupt um eine objektive Eigenschaft? Welcher Maßstab ist denn "der richtige" - welche "Substrukturen" sind informationsrelevant, so daß man sagen könnte: "Dieses Stück Materie besitzt den Informationsgehalt 10²² bit"? Anders gefragt: Wie lang ist die Küstenlinie Großbritanniens?
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Gut, zunächst zur fraktalen Geometrie: Gebrochene Dimensionen sind mittlerweile so besonderes nichts mehr, inzwischen gibt es - übrigens sehr leistungsfähige - Verfahren der Datenkomprimierung, die auf fraktalen Algorithmen beruhen.
Das andere ist eine Systemfrage: Wenn Du eine CD brennst, dann bist Du daran interessiert, dass bestimmte Informationen - Deine dafür ausgewählten Dateien - auf das Medium kopiert werden. Den hierfür erforderlichen Speicherplatz kannst Du messen. Die Informationsgehalte Deines PCs inkl. Betriebssystem, Brennprogramm, Peripherie etc. interessieren Dich hierzu nicht - auch wenn diese für das Brennen notwendig sind.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Entropiebegriff spielt ja auch in der Chemie eine gewisse Rolle. Also formuliere hierzu einfach eine dezidierte Fragestellung und dann könnte das Ergebnis hierzu auch prinzipiell widerlegt werden  |
Also, dann mal konkreter: Reaktionsentropien kann man messen, weil es sich um eine intrinsische Eigenschaft von Reaktionssystemen handelt. Wie aber bestimmt man die Absolutentropie der Edukte, wenn es gar keinen "natürlichen Bezugspunkt" für die Messung gibt? Eine Messung ist hier unmöglich - man kann lediglich die Entropie der Edukte am absoluten Nullpunkt (S0) mithilfe des 3. Hauptsatzes der Thermodynamik willkürlich auf Null festsetzen, dann (IIRC über die Debye-Einstein-Beziehung) die Entropie ausrechnen und sich schließlich gemäß:
∂ S ∂ T p = Cp T
zu den Entropiedifferenzen weiterhangeln. Nun bedarf es bei der Entropie aber nur einer willkürlichen Festlegung, nämlich der von S0. Alle weiteren Entropie-Berechnungen lassen sich auf naturgesetzliche Beziehungen zurückführen. Bei der "Information" ist das aber ungleich schwieriger: Welches ist z.B. der adäquate Informationsbegriff? Nach Mahner und Bunge wird der Begriff "Information" mit mindestens 6 (!) unterschiedlichen Bedeutungen ausgestattet, die in der Biologie alle mehr oder weniger Verwendung finden. Welche Analyseebene ist die "richtige"? Welches sind diejenigen Merkmale, die es in die Informationsberechnung einzubeziehen gilt (Stichwort Küstenlinie)? Und was ist überhaupt ein Merkmal usw.?
Verstehen wir uns richtig: Freilich gibt es Systeme unterschiedlicher Komplexität. Und natürlich kann man ihr auch irgend einen quantitativen (Informations-) Gehalt zuordnen, nachdem man ein gutes Dutzend mehr oder minder willkürlicher Setzungen vorgenommen hat. Aber das Ergebnis gaukelt doch eine Präzision vor, die es gar nicht gibt; jeder hält eine andere Setzung für sinnvoll. Das Informationsgerede erinnert mich irgendwie an die Wahrscheinlichkeitsrechnereien der Kreationisten und ihre "validen" Voraussetzungen:
Mahner und Bunge hat folgendes geschrieben: | Einige Autoren haben (...) versucht, nicht nur den Informationsgehalt des genetischen Materials zu errechnen, sondern auch den Informationsgehalt ganzer Lebewesen. Dabei besteht die Methode zur Abschätzung des Informationsgehalts von Biosystemen im wesentlichen darin, die Zahl der binären Entscheidungsschritte anzugeben, die ein rationales Wesen benötigen würde, um ein Biosystem aus einen Bestandteilen zusammenzusetzen (...)
Das Problem mit diesem Verfahren besteht jedoch darin, daß es entscheidend davon abhängt, welche Ebene von Komponenten gewählt wird (...) Entsprechend variiert der Informationsgehalt (...) Doch wenn solche Zahlen ein Maß des Ordnungs- oder Negentropiegrads eines Systems zu einer bestimmten Zeit darstellen sollen, der eine intrinsische Eigenschaft des Systems ist, dann kann der Informationsgehalt nicht mit der Analyseebene variieren, sondern muß einen einzigen Wert annehmen. Deshalb sind solche Zahlen kein Maß für eine objektive Eigenschaft des betreffenden Systems (...) Jede Schätzung der Informationsmenge ist demnach trügerisch. Derartige Schätzungen sind kein Bestandteil biologischer Gesetzesaussagen, und jeder kann beliebige Werte vorschlagen, ohne befürchten zu müssen, jemals widerlegt zu werden (...) |
Mahner, M.; Bunge, M. (2000): Philosophische Grundlagen der Biologie. Springer, Berlin, 277. |
Die Informationsbegriffe von Mahner/Bunge mal dahingestellt: Ich habe nur zwei Informationsbegriffe: Der eine gehört zur Umgangssprache, der andere zur theoretischen Informatik. Als Stichwort möchte ich hier den Zusammenhang der Shannonschen Informationstheorie und der Kolmogorow-Komplexität zumindest erwähnen. Und was den Radikalen Konstruktivisten freut:
Zitat: | "Der Informationsbegriff ist nämlich etwas, was sich auf ein wissendes Subjekt bezieht, auf die Fragen, die dieses Subjekt hat, auf die Antworten, die es dafür gewinnt, aber er ist in objektiver Weise subjektbezogen, und für alle Subjekte, die dasselbe Wissen oder dieselben Methoden haben, Wissen zu erwerben, ist auch das Resultat dasselbe, und dieses ist der objektive Gehalt.“
v. Weizsäcker, C. F. (1972): Vorbereitete Diskussionsbemerkung. Nova Acta Leopoldina 37/1 (206), 503. |
Shannon hat übrigens sein Maß für Information als Entropie bezeichnet. Allerdings ist die thermodynamische Entropie nicht unbedingt mit der Informationsentropie gleichzusetzten: Während erstere die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Energiezuständen in der Materie behandelt, beschäftigt letztere sich mit der Wahrscheinlichkeitsbetrachtung sogenannter unspezifizierter Ereignisse. Dies hat eine interessante Konsequenz: Sind die betrachteten Ereignisse nicht an die mechanischen Grundgesetze gebunden, so braucht die Informationsentropie auch nicht dem 2. Hauptsatz zu gehorchen! Mit anderen Worten: Theoretisch ist es möglich, einen Computer zu betreiben, der keine Energie benötigt.
Du kannst natürlich hergehen und per definitionem 'Information' entsprechend festnageln, um damit eine informationstheoretische Interpretation der thermodynamischen Entropie zu ermöglichen. Dann bedeutet die Messung der Entropie - wie v. Weizsäcker oben aussagt - die Bestimmung der potentiellen Information des Experimentators.
Der Vollständigkeit halber: Nach dem bisher gesagtem könntest Du mit einigem Recht hergehen und Entropiezunahme mit Informationsabnahme gleichsetzen. Hier sprichst Du dann aber nur von aktueller Information, was nicht zu verwechseln ist mit eben der potentiellen Information.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Außerdem sollte man sich fragen, ob die Verwendung des Begriffs „Information“ außerhalb der Informatik/Nachrichtentechnik überhaupt sinnvoll ist. Ich denke, die unfruchtbare Debatte um "Teleologie" und "Teleonomie" ist als Folge der unheilvollen Ausdehnung des Informations-Begriffs auf die Biologie anzusehen, die zu mehr Verirrung und Verwirrungen geführt hat, als zur Klärung fundamentaler Fragen:
Mahner und Bunge hat folgendes geschrieben: | Angesichts dieser vielen Bedeutungen des Wortes ‚Information’ nimmt es nicht wunder, wenn es zu einem Allzweckwort geworden ist. Es klingt wissenschaftlich und scheint tiefere Einsichten anzudeuten. Doch in Wahrheit ist es oft nur ein Deckmantel für Ignoranz, gemäß der nützlichen Verschleierungsregel: ‚Wenn Du nicht weißt, was es ist, nenn’ es Information.’ |
Mahner, M.; Bunge, M. (a.a.O., 275) |
Die Frage von "Teleologie" und "Teleonomie" ist ein Scheinproblem. Weiter oben im Ursprungsthread habe ich mich ja über 'Ziel' geäußert. Und warum keine nachrichtentechnische Fragestellungen in der Biologie zulassen? Schließlich gibt es hier doch eindeutig Signale.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#171279) Verfasst am: 28.08.2004, 16:14 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Gut, zunächst zur fraktalen Geometrie: Gebrochene Dimensionen sind mittlerweile so besonderes nichts mehr, inzwischen gibt es - übrigens sehr leistungsfähige - Verfahren der Datenkomprimierung, die auf fraktalen Algorithmen beruhen.
Das andere ist eine Systemfrage: Wenn Du eine CD brennst, dann bist Du daran interessiert, dass bestimmte Informationen - Deine dafür ausgewählten Dateien - auf das Medium kopiert werden. Den hierfür erforderlichen Speicherplatz kannst Du messen. Die Informationsgehalte Deines PCs inkl. Betriebssystem, Brennprogramm, Peripherie etc. interessieren Dich hierzu nicht - auch wenn diese für das Brennen notwendig sind. |
Ja, klar. Aber meine Frage war, ob es sinnvoll ist, den Begriff der "Information" (hier: die Anzahl binärer Entscheidungen, die man braucht, um ein Computerprogramm zusammenzusetzen) auf materielle Systeme, wie z.B. Organismen, zu übertragen. Bei Computerprogrammen ist die Sache einfach: Es gibt nur eine "relevante Ebene", nämlich die der binären Impulse. Aber welche ist relevant, um die "Information" eines Menschen zu "messen"? Klar, Du kannst sagen: "Ich kann die Struktur des DNA-Moleküls bestimmen." Aber was hat die Struktur eines DNA-Moleküls noch mit der Struktur des Gehirns gemein? Wie mißt Du überhaupt die "Information" menschlicher Gehirne, und was könnte diese Information Sinnvolles über den Prozeß aussagen, der es entstehen ließ?
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Die Informationsbegriffe von Mahner/Bunge mal dahingestellt: Ich habe nur zwei Informationsbegriffe: Der eine gehört zur Umgangssprache, der andere zur theoretischen Informatik. |
Also sind wir uns darin einig, daß es keinen Sinn macht, diese Begriffe generell auf materielle Systeme oder gar auf Lebewesen auszudehnen?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Als Stichwort möchte ich hier den Zusammenhang der Shannonschen Informationstheorie und der Kolmogorow-Komplexität zumindest erwähnen. Und was den Radikalen Konstruktivisten freut:
Zitat: | "Der Informationsbegriff ist nämlich etwas, was sich auf ein wissendes Subjekt bezieht, auf die Fragen, die dieses Subjekt hat, auf die Antworten, die es dafür gewinnt, aber er ist in objektiver Weise subjektbezogen, und für alle Subjekte, die dasselbe Wissen oder dieselben Methoden haben, Wissen zu erwerben, ist auch das Resultat dasselbe, und dieses ist der objektive Gehalt.“
v. Weizsäcker, C. F. (1972): Vorbereitete Diskussionsbemerkung. Nova Acta Leopoldina 37/1 (206), 503. |
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Hier sind wir uns ausnahmsweise einmal völlig einig. Wissen und semantische Information existiert nicht ante res, sondern nur in hochevolvierten Gehirnen, die es denken können. Auch ein Buch, das keiner liest oder lesen kann, "enthält" keine Information, sondern ist nicht mehr als ein Stück strukturierte Materie.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Shannon hat übrigens sein Maß für Information als Entropie bezeichnet. Allerdings ist die thermodynamische Entropie nicht unbedingt mit der Informationsentropie gleichzusetzten: |
Nicht nur nicht "nicht unbedingt", sondern definitiv nicht! Entropie ist ja eine systemimmanente Größe, die einen festen Wert hat. Die "Shannon-Information" variiert dagegen mit der Analysenebene. Beides geht nicht zusammen. Die Diskrepanz hat vermutlich damit zu tun, daß die "Shannon-Information" nur unser individuelles Wissen darüber ausdrückt, wie wir uns die Entstehung eines Stücks Materie aus ihren Bestandteilen vorstellen. Die Entropie ist dagegen eine objektive physikalische Größe, die mit unserem "Wissensstand" nichts zu tun hat. Und was hier wiederum den hypothetischen Realisten freut: Wer Entropie und "Shannon-Information" gleichsetzt, verwechselt nach Mahner und Bunge eine ontologische Kategorie (Entropie) mit einer erkenntnistheoretischen (Information).
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Während erstere die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Energiezuständen in der Materie behandelt, beschäftigt letztere sich mit der Wahrscheinlichkeitsbetrachtung sogenannter unspezifizierter Ereignisse. |
Vermutlich meinst Du damit dasselbe wie ich oben: Man könnte sagen, daß es sich bei dem Wissen ("Information"), von dem wir glauben, daß es für die Entstehung eines Systems relevant ist, um etwas "unspezifisches", subjektives handelt, dem ein hypothetischer Realist keine ontologische Bedeutung beimißt. Dagegen ist die Entropie durchaus spezifisch für materielle Systeme bzw. für die Wahrscheinlichkeitsverteilung der einzelnen Mikrozustände.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Dies hat eine interessante Konsequenz: Sind die betrachteten Ereignisse nicht an die mechanischen Grundgesetze gebunden, so braucht die Informationsentropie auch nicht dem 2. Hauptsatz zu gehorchen! Mit anderen Worten: Theoretisch ist es möglich, einen Computer zu betreiben, der keine Energie benötigt. |
Den Gedanken nachzuvollziehen, fällt mir allerdings schwerer. Was sind in dem Zusammenhang die "betrachteten Ereignisse"? Und wer oder was sollte sie von den "mechanischen Grundgesetzen" abkoppeln?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Du kannst natürlich hergehen und per definitionem 'Information' entsprechend festnageln, um damit eine informationstheoretische Interpretation der thermodynamischen Entropie zu ermöglichen. Dann bedeutet die Messung der Entropie - wie v. Weizsäcker oben aussagt - die Bestimmung der potentiellen Information des Experimentators.
Der Vollständigkeit halber: Nach dem bisher gesagtem könntest Du mit einigem Recht hergehen und Entropiezunahme mit Informationsabnahme gleichsetzen. Hier sprichst Du dann aber nur von aktueller Information, was nicht zu verwechseln ist mit eben der potentiellen Information. |
Wenn Du mit "aktueller Information" den "aktuellen Wissensstand" meinst, den wir bei der Entstehung eines Stücks strukturierter Materie für bedeutsam halten (ob es das tatsächlich ist, ist eine völlig andere Frage) könnte man das vermutlich so sagen.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Außerdem sollte man sich fragen, ob die Verwendung des Begriffs „Information“ außerhalb der Informatik/Nachrichtentechnik überhaupt sinnvoll ist. Ich denke, die unfruchtbare Debatte um "Teleologie" und "Teleonomie" ist als Folge der unheilvollen Ausdehnung des Informations-Begriffs auf die Biologie anzusehen, die zu mehr Verirrung und Verwirrungen geführt hat, als zur Klärung fundamentaler Fragen:
Mahner und Bunge hat folgendes geschrieben: | Angesichts dieser vielen Bedeutungen des Wortes ‚Information’ nimmt es nicht wunder, wenn es zu einem Allzweckwort geworden ist. Es klingt wissenschaftlich und scheint tiefere Einsichten anzudeuten. Doch in Wahrheit ist es oft nur ein Deckmantel für Ignoranz, gemäß der nützlichen Verschleierungsregel: ‚Wenn Du nicht weißt, was es ist, nenn’ es Information.’ |
Mahner, M.; Bunge, M. (a.a.O., 275) |
Die Frage von "Teleologie" und "Teleonomie" ist ein Scheinproblem. Weiter oben im Ursprungsthread habe ich mich ja über 'Ziel' geäußert. Und warum keine nachrichtentechnische Fragestellungen in der Biologie zulassen? Schließlich gibt es hier doch eindeutig Signale. |
Natürlich ist die Debatte ein Scheinproblem. Nämlich eines, das von Kategorienfehlern herrührt, die entstehen, wenn Begriffe wie "semantische Information" mit Passung, Struktur oder Funktionalität biologischer Merkmale vermengt werden. Auch bei der "Ziel-" und "Signal-Analogie" handelt es sich um Kategorienfehler: "Signale" setzen z.B. einen "Absender" sowie einen "Empfänger" voraus und so etwas wie eine "Botschaft", die vermittelt wird. Botschaften sind aber semantische Begriffe und keine biochemischen! Und Moleküle haben schlichtweg keinen "Absender" oder "Empfänger" - höchstens im metaphorischen Sinn.
Und ein "Ziel" setzt wiederum eine Intention voraus - eine Handlungsabsicht. Es genügt dabei nicht, einfach ex post facto festzustellen, daß man irgendwo "angekommen" ist, um zu behaupten, daß es so etwas wie ein "Ziel" gäbe.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#171500) Verfasst am: 29.08.2004, 01:35 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Gut, zunächst zur fraktalen Geometrie: Gebrochene Dimensionen sind mittlerweile so besonderes nichts mehr, inzwischen gibt es - übrigens sehr leistungsfähige - Verfahren der Datenkomprimierung, die auf fraktalen Algorithmen beruhen.
Das andere ist eine Systemfrage: Wenn Du eine CD brennst, dann bist Du daran interessiert, dass bestimmte Informationen - Deine dafür ausgewählten Dateien - auf das Medium kopiert werden. Den hierfür erforderlichen Speicherplatz kannst Du messen. Die Informationsgehalte Deines PCs inkl. Betriebssystem, Brennprogramm, Peripherie etc. interessieren Dich hierzu nicht - auch wenn diese für das Brennen notwendig sind. |
Ja, klar. Aber meine Frage war, ob es sinnvoll ist, den Begriff der "Information" (hier: die Anzahl binärer Entscheidungen, die man braucht, um ein Computerprogramm zusammenzusetzen) auf materielle Systeme, wie z.B. Organismen, zu übertragen. Bei Computerprogrammen ist die Sache einfach: Es gibt nur eine "relevante Ebene", nämlich die der binären Impulse. Aber welche ist relevant, um die "Information" eines Menschen zu "messen"? Klar, Du kannst sagen: "Ich kann die Struktur des DNA-Moleküls bestimmen." Aber was hat die Struktur eines DNA-Moleküls noch mit der Struktur des Gehirns gemein? Wie mißt Du überhaupt die "Information" menschlicher Gehirne, und was könnte diese Information Sinnvolles über den Prozeß aussagen, der es entstehen ließ? |
Du hast mich hier nicht ganz verstanden. Was ist hier für Dich adäquat: Die Bestimmung des Informationsgehalts (IG) der Datei oder der kompletten Computeranlage? Also wenn Du das untenstehende nicht beachtest, kannst Du ansonsten gleich IG = ∞ Bit setzen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Die Informationsbegriffe von Mahner/Bunge mal dahingestellt: Ich habe nur zwei Informationsbegriffe: Der eine gehört zur Umgangssprache, der andere zur theoretischen Informatik. |
Also sind wir uns darin einig, daß es keinen Sinn macht, diese Begriffe generell auf materielle Systeme oder gar auf Lebewesen auszudehnen? |
Nein. Ich könnte etwa umgangssprachlich sagen: "Mir ist heiß, ich habe Fieber!", um dann die Temperatur zu messen. Deswegen brauche ich noch keinen biologischen Temperaturbegriff, der physikalische genügt.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Als Stichwort möchte ich hier den Zusammenhang der Shannonschen Informationstheorie und der Kolmogorow-Komplexität zumindest erwähnen. Und was den Radikalen Konstruktivisten freut:
Zitat: | "Der Informationsbegriff ist nämlich etwas, was sich auf ein wissendes Subjekt bezieht, auf die Fragen, die dieses Subjekt hat, auf die Antworten, die es dafür gewinnt, aber er ist in objektiver Weise subjektbezogen, und für alle Subjekte, die dasselbe Wissen oder dieselben Methoden haben, Wissen zu erwerben, ist auch das Resultat dasselbe, und dieses ist der objektive Gehalt.“
v. Weizsäcker, C. F. (1972): Vorbereitete Diskussionsbemerkung. Nova Acta Leopoldina 37/1 (206), 503. | |
Hier sind wir uns ausnahmsweise einmal völlig einig. Wissen und semantische Information existiert nicht ante res, sondern nur in hochevolvierten Gehirnen, die es denken können. Auch ein Buch, das keiner liest oder lesen kann, "enthält" keine Information, sondern ist nicht mehr als ein Stück strukturierte Materie. |
Es geht hier nicht nur um Wissen oder semantische Information! Denk an die Unschärferelation.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Shannon hat übrigens sein Maß für Information als Entropie bezeichnet. Allerdings ist die thermodynamische Entropie nicht unbedingt mit der Informationsentropie gleichzusetzten: |
Nicht nur nicht "nicht unbedingt", sondern definitiv nicht! Entropie ist ja eine systemimmanente Größe, die einen festen Wert hat. Die "Shannon-Information" variiert dagegen mit der Analysenebene. Beides geht nicht zusammen. Die Diskrepanz hat vermutlich damit zu tun, daß die "Shannon-Information" nur unser individuelles Wissen darüber ausdrückt, wie wir uns die Entstehung eines Stücks Materie aus ihren Bestandteilen vorstellen. Die Entropie ist dagegen eine objektive physikalische Größe, die mit unserem "Wissensstand" nichts zu tun hat. Und was hier wiederum den hypothetischen Realisten freut: Wer Entropie und "Shannon-Information" gleichsetzt, verwechselt nach Mahner und Bunge eine ontologische Kategorie (Entropie) mit einer erkenntnistheoretischen (Information).
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Während erstere die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Energiezuständen in der Materie behandelt, beschäftigt letztere sich mit der Wahrscheinlichkeitsbetrachtung sogenannter unspezifizierter Ereignisse. |
Vermutlich meinst Du damit dasselbe wie ich oben: Man könnte sagen, daß es sich bei dem Wissen ("Information"), von dem wir glauben, daß es für die Entstehung eines Systems relevant ist, um etwas "unspezifisches", subjektives handelt, dem ein hypothetischer Realist keine ontologische Bedeutung beimißt. Dagegen ist die Entropie durchaus spezifisch für materielle Systeme bzw. für die Wahrscheinlichkeitsverteilung der einzelnen Mikrozustände. |
Auch nicht. Das ganze bedeutet zunächst einmal, dass die Informationsentropie gegenüber der thermodynamischen Entropie den allgemeineren Gegenstand bildet.
Wenn Du Dich hier aber bei den Eintrittswahrscheinlichkeiten beliebiger und dann inhaltlich nicht spezifizierter Ereignisse im Sinne der Thermodynamik ein wenig einschränkst, gelingt die Korrelation mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Energiezustände eines materiellen Systems! Für Entropie- und Informationsänderungen gelten dann
ΔS = kB ln 2 · Ipot
sowie
ΔS = - kB ln 2 · Iakt
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Dies hat eine interessante Konsequenz: Sind die betrachteten Ereignisse nicht an die mechanischen Grundgesetze gebunden, so braucht die Informationsentropie auch nicht dem 2. Hauptsatz zu gehorchen! Mit anderen Worten: Theoretisch ist es möglich, einen Computer zu betreiben, der keine Energie benötigt. |
Den Gedanken nachzuvollziehen, fällt mir allerdings schwerer. Was sind in dem Zusammenhang die "betrachteten Ereignisse"? Und wer oder was sollte sie von den "mechanischen Grundgesetzen" abkoppeln? |
Betrachte bsw. die Ereignisse in einem Computerspiel. Da kannst Du ein virtuelles Auto an die Wand fahren und trotzdem entsteht kein Sachschaden.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Du kannst natürlich hergehen und per definitionem 'Information' entsprechend festnageln, um damit eine informationstheoretische Interpretation der thermodynamischen Entropie zu ermöglichen. Dann bedeutet die Messung der Entropie - wie v. Weizsäcker oben aussagt - die Bestimmung der potentiellen Information des Experimentators.
Der Vollständigkeit halber: Nach dem bisher gesagtem könntest Du mit einigem Recht hergehen und Entropiezunahme mit Informationsabnahme gleichsetzen. Hier sprichst Du dann aber nur von aktueller Information, was nicht zu verwechseln ist mit eben der potentiellen Information. |
Wenn Du mit "aktueller Information" den "aktuellen Wissensstand" meinst, den wir bei der Entstehung eines Stücks strukturierter Materie für bedeutsam halten (ob es das tatsächlich ist, ist eine völlig andere Frage) könnte man das vermutlich so sagen. |
Ich hoffe, mit dem o. g. ist es klarer geworden.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Außerdem sollte man sich fragen, ob die Verwendung des Begriffs „Information“ außerhalb der Informatik/Nachrichtentechnik überhaupt sinnvoll ist. Ich denke, die unfruchtbare Debatte um "Teleologie" und "Teleonomie" ist als Folge der unheilvollen Ausdehnung des Informations-Begriffs auf die Biologie anzusehen, die zu mehr Verirrung und Verwirrungen geführt hat, als zur Klärung fundamentaler Fragen:
Mahner und Bunge hat folgendes geschrieben: | Angesichts dieser vielen Bedeutungen des Wortes ‚Information’ nimmt es nicht wunder, wenn es zu einem Allzweckwort geworden ist. Es klingt wissenschaftlich und scheint tiefere Einsichten anzudeuten. Doch in Wahrheit ist es oft nur ein Deckmantel für Ignoranz, gemäß der nützlichen Verschleierungsregel: ‚Wenn Du nicht weißt, was es ist, nenn’ es Information.’ |
Mahner, M.; Bunge, M. (a.a.O., 275) |
Die Frage von "Teleologie" und "Teleonomie" ist ein Scheinproblem. Weiter oben im Ursprungsthread habe ich mich ja über 'Ziel' geäußert. Und warum keine nachrichtentechnische Fragestellungen in der Biologie zulassen? Schließlich gibt es hier doch eindeutig Signale. |
Natürlich ist die Debatte ein Scheinproblem. Nämlich eines, das von Kategorienfehlern herrührt, die entstehen, wenn Begriffe wie "semantische Information" mit Passung, Struktur oder Funktionalität biologischer Merkmale vermengt werden. Auch bei der "Ziel-" und "Signal-Analogie" handelt es sich um Kategorienfehler: "Signale" setzen z.B. einen "Absender" sowie einen "Empfänger" voraus und so etwas wie eine "Botschaft", die vermittelt wird. Botschaften sind aber semantische Begriffe und keine biochemischen! Und Moleküle haben schlichtweg keinen "Absender" oder "Empfänger" - höchstens im metaphorischen Sinn.
Und ein "Ziel" setzt wiederum eine Intention voraus - eine Handlungsabsicht. Es genügt dabei nicht, einfach ex post facto festzustellen, daß man irgendwo "angekommen" ist, um zu behaupten, daß es so etwas wie ein "Ziel" gäbe. |
Das muß nicht unbedingt mit Kategorienfehler zusammenhängen. Semantik entsteht ja auch erst. Und für Moleküle mit "Absender und Empfänger" gab es 1999 einen Nobelpreis.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Tso Wang Vergiß es
Anmeldungsdatum: 21.09.2003 Beiträge: 1433
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(#171512) Verfasst am: 29.08.2004, 09:08 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hallo Lamarck,
ja, für Günter Blobel, der den intrazellulären Mechanismus des sog. Protein-Targeting entschlüsselt hat.
Solche 'Postleit-Mechanismen' gibt es übrigens nicht nur intrazellulär, sondern auch außerhalb der Zelle. Membranständige Glykoverbindungen (z.B. Lektine) stellen ebenfalls so etwas wie eine 'Adresse' dar, mit Hilfe derer z.B. die Organzugehörigkeit einer Zelle bestimmt wird (eine gesunde Leberzelle hält sich im 'Leberzellverband' auf und wandert nicht in die Niere).
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Zuletzt bearbeitet von Tso Wang am 29.08.2004, 12:50, insgesamt einmal bearbeitet |
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Tso Wang Vergiß es
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(#171546) Verfasst am: 29.08.2004, 12:48 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Natürlich ist es möglich, einem Stück Materie eine "Information" im sinne von Shannon zuzuordnen |
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Formal kann man das schon, wnn man sich zuvor auf einen "Maßstab" und einer Reihe weiterer Setzungen geeinigt hat. |
Das Problem des Shannonschen Informationsbegriffs mag darin begründet liegen, daß sein Informationsbegriff herzlich wenig mit dem alltagssprachlichen Terminus 'Bedeutung' zu tun hat.
Für Shannon ging es lediglich darum, Informationsbits (Daten) zu übertragen (er arbeitete für die amerikanische Telefongesellschaft AT&T).
Ob diese Daten 'Bedeutung' hatten, war für ihn sekundär. Während eines Telefongespräches können viele Daten übertragen werden, ohne daß ihnen eine besondere 'Bedeutung' zukommt (man könnte beispielsweise aus dem Bauch heraus irgendwelche Buchstaben in den Telefonhörer sprechen: aksjdz kdks skio djw iejnsi qohduem).
Tor Nörretranders schreibt dazu in 'Spüre die Welt':
[...]Wie die Entropie bei gegebener Temperatur ein Ausdruck für die Anzahl der Möglichkeiten ist, wie die Moleküle arrangiert sein könnten, ohne daß ein Unterschied entsteht, der es wert wäre, registriert zu werden, so ist Information ein Ausdruck für die Anzahl der Möglichkeiten, wie die Buchstaben arrangiert sein könnten, ohne daß für die Übertragung ein anderes Kabel notwendig wird.
Die Thermodynamik handelt von Makrozuständen, an denen die Menschen interessiert sind: Wärme. Die Informationstheorie handelt von Makrozuständen, an denen Telefongesellschaften interessiert sind: Zeichen.
Dennoch, Shannons Informationsbegriff ist ungewöhnlich. Jede Vorstellung von Bedeutung ist aus ihm ausgeblendet, er handelt von Bedeutung nur insofern, als sie vorhanden sein könnte, aber nicht notwendigerweise vorhanden sein muß. Gegenüber dem Alltagsverständnis von Information ist es ein ärmlicher Begriff. Andererseits ist er sehr präzise, und eine gewisse Leere mag als Preis akzeptabel sein, wenn dadurch begriffliche Präzision gewonnen wird.
Nun ist aber Shannons Begriff der Information nicht immer sehr präzise. Er ist entschieden subjektiv, da er besagt, wie überrascht man von einer Mitteilung sein kann. Er sagt aus, ein "a" habe einen gewissen Überraschungswert, weil wir wissen, daß 25 andere Buchstaben möglich gewesen wären, aber tatsächlich war es also ein "a".
Wenn man nun nicht wüßte, daß es sich um einen von 26 Buchstaben handelt? Wie groß wäre die Information von "a" dann? Darüber sagt Shannons Informationsbegriff nichts aus.
Information wird erst dann definiert, wenn feststeht, wer mit wem in welchem Zusammenhang spricht. Man kann Information in Shannons Sinne erst definieren, wenn man weiß, welcher gemeinsamen Voraussetzung sich Sender und Empfänger stillschweigend bedienen. Shannon hat also ein seltsames Manöver vorgenommen. Erst wirft er alles, was mit Bedeutung zu tun hat, über Bord, dann definiert er Information als etwas, das von einem so fundamentalen Zusammenhang abhängig ist, daß dieser überhaupt nicht erwähnt wird.
Wenn man nicht weiß wie viele Mikrozustände einem Makrozustand entsprechen, kann man von Information gar nicht reden. Erst wenn man definiert hat, was Makro- und was Mikrozustand ist, weiß man wie groß die Information ist. wie bei der Entropie.
Information ist sehr nahe mit Entropie verwandt. Die Entropie eines gegebenen Makrozustandes wird gemessen durch die Anzahl der Mikrozustände, denen er entspricht. Je mehr es sind, desto größer ist die Entropie. Von Information kann man erst sprechen, wenn man weiß von welchem Mikrozustand die Rede ist.[...]
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"[...]warum steht in den Physikbüchern nie, daß ein Begriff wie Entropie keinerlei Sinn ergibt, wenn man nicht gleichzeitig sagt, an welchen Makrozustand man denkt? Warum lernen Schüler und Studenten Wärmelehre, Thermodynamik, ohne daß ihnen gesagt wird, daß Maxwell und Boltzmann sich immer darauf bezogen haben, wie wir die Welt beschreiben? Weil Physiker immer davon ausgehen, daß Menschen an Wärme interessiert sind." (Tor Nörretranders)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
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(#171567) Verfasst am: 29.08.2004, 14:31 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Lamarck,
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Die Informationsbegriffe von Mahner/Bunge mal dahingestellt: Ich habe nur zwei Informationsbegriffe: Der eine gehört zur Umgangssprache, der andere zur theoretischen Informatik. |
Also sind wir uns darin einig, daß es keinen Sinn macht, diese Begriffe generell auf materielle Systeme oder gar auf Lebewesen auszudehnen? |
Nein. Ich könnte etwa umgangssprachlich sagen: "Mir ist heiß, ich habe Fieber!", um dann die Temperatur zu messen. Deswegen brauche ich noch keinen biologischen Temperaturbegriff, der physikalische genügt. |
Temperatur ist eine objektive (intrinische) Größe materieller Systeme. Sie steht mit weiteren physikalischen Größen in naturgesetzlicher Beziehung, wie z.B. der Energie. Aber kann Shannon-Information eine intrinsische Größe materieller Systeme sein? Welche Bedeutung hat z.B. für Dich die Aussage, ein Mensch bestünde aus 10²³ bit Information? Was sagt das denn Objektives über das "System Mensch" aus? Daß ein Mensch mithilfe 10²³ binärer Entscheidungen zusammengebastelt werden könnte?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Zitat: | "Der Informationsbegriff ist nämlich etwas, was sich auf ein wissendes Subjekt bezieht, auf die Fragen, die dieses Subjekt hat, auf die Antworten, die es dafür gewinnt, aber er ist in objektiver Weise subjektbezogen, und für alle Subjekte, die dasselbe Wissen oder dieselben Methoden haben, Wissen zu erwerben, ist auch das Resultat dasselbe, und dieses ist der objektive Gehalt.“
v. Weizsäcker, C. F. (1972): Vorbereitete Diskussionsbemerkung. Nova Acta Leopoldina 37/1 (206), 503. | |
Hier sind wir uns ausnahmsweise einmal völlig einig. Wissen und semantische Information existiert nicht ante res, sondern nur in hochevolvierten Gehirnen, die es denken können. Auch ein Buch, das keiner liest oder lesen kann, "enthält" keine Information, sondern ist nicht mehr als ein Stück strukturierte Materie. |
Es geht hier nicht nur um Wissen oder semantische Information! Denk an die Unschärferelation. |
Sorry, was hat (semantische oder Shannon-) "Information" mit der Unschärferelation zu tun? Wie willst Du Ort und Impuls eines Teilchens mit dem Informationsbegriff der Nachrichtentechnik zusammenkoppeln?
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Vermutlich meinst Du damit dasselbe wie ich oben: Man könnte sagen, daß es sich bei dem Wissen ("Information"), von dem wir glauben, daß es für die Entstehung eines Systems relevant ist, um etwas "unspezifisches", subjektives handelt, dem ein hypothetischer Realist keine ontologische Bedeutung beimißt. Dagegen ist die Entropie durchaus spezifisch für materielle Systeme bzw. für die Wahrscheinlichkeitsverteilung der einzelnen Mikrozustände. |
Auch nicht. Das ganze bedeutet zunächst einmal, dass die Informationsentropie gegenüber der thermodynamischen Entropie den allgemeineren Gegenstand bildet.
Wenn Du Dich hier aber bei den Eintrittswahrscheinlichkeiten beliebiger und dann inhaltlich nicht spezifizierter Ereignisse im Sinne der Thermodynamik ein wenig einschränkst, gelingt die Korrelation mit der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Energiezustände eines materiellen Systems! Für Entropie- und Informationsänderungen gelten dann
ΔS = kB ln 2 · Ipot
sowie
ΔS = - kB ln 2 · Iakt |
Das klingt ja alles sehr seriös und wissenschaftlich, aber was ist denn z.B. die "Eintrittswahrscheinlichkeit" der Entstehung eines Gehirns?
Allem Anschein nach verstehe ich ja von der Informationismusthematik weit weniger als Du. Und mir entbirgt sich der Sinn des Unterfangens einfach nicht, ein materielles System mit einer "Shannon-Information" oder mit einer "Informationsentropie" auszustatten (von semantischer Information will ich gar nicht erst reden). Daher noch einmal: Was kann ein Physiker oder Chemiker mit der Aussage anfangen: "Die Shannon-Information des Cobalamin-Moleküls beträgt 10³ bit"? Daß es 1000 binärer Entscheidungen braucht, um die Modell-Atome zu einem Kalottenmodell des Cobalamins "zusammenzustecken"?
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Natürlich ist die Debatte ein Scheinproblem. Nämlich eines, das von Kategorienfehlern herrührt, die entstehen, wenn Begriffe wie "semantische Information" mit Passung, Struktur oder Funktionalität biologischer Merkmale vermengt werden. Auch bei der "Ziel-" und "Signal-Analogie" handelt es sich um Kategorienfehler: "Signale" setzen z.B. einen "Absender" sowie einen "Empfänger" voraus und so etwas wie eine "Botschaft", die vermittelt wird. Botschaften sind aber semantische Begriffe und keine biochemischen! Und Moleküle haben schlichtweg keinen "Absender" oder "Empfänger" - höchstens im metaphorischen Sinn.
Und ein "Ziel" setzt wiederum eine Intention voraus - eine Handlungsabsicht. Es genügt dabei nicht, einfach ex post facto festzustellen, daß man irgendwo "angekommen" ist, um zu behaupten, daß es so etwas wie ein "Ziel" gäbe. |
Das muß nicht unbedingt mit Kategorienfehler zusammenhängen. Semantik entsteht ja auch erst. Und für Moleküle mit "Absender und Empfänger" gab es 1999 einen Nobelpreis. |
Hat man mittlerweile auch herausgefunden, welche konspirative Botschaft Molekül A an Molekül B übermittelt hat? Welche "morphischen Felder" wurden zur Nachrichtenübermittlung benutzt, und welchen Dechiffriercode wählte das Empfänger-Molekül B?
Grüße
Martin
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
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(#171587) Verfasst am: 29.08.2004, 15:42 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Tso Wang,
[...]
Tso Wang hat folgendes geschrieben: | Das Problem des Shannonschen Informationsbegriffs mag darin begründet liegen, daß sein Informationsbegriff herzlich wenig mit dem alltagssprachlichen Terminus 'Bedeutung' zu tun hat.
Für Shannon ging es lediglich darum, Informationsbits (Daten) zu übertragen (er arbeitete für die amerikanische Telefongesellschaft AT&T). |
So sehe ich das auch. Letztlich geht es hier um einen nachrichtentechnischen Begriff, der außerhalb von Systemen, in denen binäre Impulse übertragen werden, keinen sinnvollen Aussagenbereich mehr umspannt.
Tso Wang hat folgendes geschrieben: | Tor Nörretranders schreibt dazu in 'Spüre die Welt':
Zitat: | [...]
Dennoch, Shannons Informationsbegriff ist ungewöhnlich. Jede Vorstellung von Bedeutung ist aus ihm ausgeblendet, er handelt von Bedeutung nur insofern, als sie vorhanden sein könnte, aber nicht notwendigerweise vorhanden sein muß. Gegenüber dem Alltagsverständnis von Information ist es ein ärmlicher Begriff. |
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Stimmt. Das gilt aber auch in den Naturwissenschaften. Einen Wissenschaftlicher interessiert es doch nicht, wieviele Möglichkeiten es gibt, die Elemente einer bestimmten Analysenebene zu permutieren, aus denen sich ein System zusammensetzt. Das sagt weder über das System noch über dessen Entstehungsvorgang auch nur das geringste aus.
Vor allen Dingen ist, wie schon gesagt, die Shannon-Information (im Gegensatz zur Entropie) keine intrinsische Eigenschaft des Systems. Denn ihr Wert hängt ja nicht nur von der Analysenebene ab, sondern auch von dem ihr zugrundegelegten "Hintergrundwissen". Genau das kritisiert Nörretranders ja auch, wenn er schreibt:
Tso Wang hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Nun ist aber Shannons Begriff der Information nicht immer sehr präzise. Er ist entschieden subjektiv, da er besagt, wie überrascht man von einer Mitteilung sein kann. Er sagt aus, ein "a" habe einen gewissen Überraschungswert, weil wir wissen, daß 25 andere Buchstaben möglich gewesen wären, aber tatsächlich war es also ein "a".
Wenn man nun nicht wüßte, daß es sich um einen von 26 Buchstaben handelt? Wie groß wäre die Information von "a" dann? Darüber sagt Shannons Informationsbegriff nichts aus.
Information wird erst dann definiert, wenn feststeht, wer mit wem in welchem Zusammenhang spricht. Man kann Information in Shannons Sinne erst definieren, wenn man weiß, welcher gemeinsamen Voraussetzung sich Sender und Empfänger stillschweigend bedienen. |
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Abgesehen davon, daß in der Natur schon die "Sender-/Empfänger-Analogie" neben der Spur ist, gibt es diesen "Überraschungswert" dort natürlich auch. In der Chemie und Biologie weiß man ja nicht wirklich, aus wieviele "Buchstaben" (z.B. Atom- und Molekülsorten) die Natur insgesamt "auswählen" kann bzw. unter welchen Randbedingungen welche Sorten mit welcher Wahrscheinlichkeit entstehen.
Nehmen wir z.B. an, es herrschten in bestimmten Bereichen der Urerde Randbedingungen, die die Entstehung eines ganz bestimmten Polypeptids weitaus wahrscheinlicher machten, als die Bildung aller anderen möglichen Sequenzvarianten. Im Extremfall ist die Entstehungswahrscheinlichkeit eines bestimmten Octapeptids bei einem bestimmten Syntheseweg annähernd 100%. Die "echte" Shannon-Information ist hier demnach nicht von der Zahl denkbarer Peptidsequenzen abhängig, sondern ehrlicherweise Null!
Tso Wang hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Shannon hat also ein seltsames Manöver vorgenommen. Erst wirft er alles, was mit Bedeutung zu tun hat, über Bord, dann definiert er Information als etwas, das von einem so fundamentalen Zusammenhang abhängig ist, daß dieser überhaupt nicht erwähnt wird. Wenn man nicht weiß wie viele Mikrozustände einem Makrozustand entsprechen, kann man von Information gar nicht reden. |
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Klar. Die "Shannon-Information" sagt über ein System nicht das Geringste aus. Sie sagt nur etwas darüber, wie wir uns die Entstehung des Systems vorstellen (könnten). Solch wissensabhängige Größen können bestenfalls für radikale Konstruktivisten eine objektive Bedeutung haben...
[Ach ja, hätte fast vergessen Dich zu fragen: könntest Du mir den ganzen Artikel mitsamt Quellenangabe schicken? Der würde mich sehr interessieren. Danke!]
Grüße
Martin
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Tso Wang Vergiß es
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(#171589) Verfasst am: 29.08.2004, 15:58 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hallo Martin,
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Hat man mittlerweile auch herausgefunden, welche konspirative Botschaft Molekül A an Molekül B übermittelt hat? |
Ja, die Botschaft 'tu, was du tun mußt', hahaha. Das Molekül A (Ribosom-mRNA-Komplex, mit den aus sie heraustretenden ersten Aminosäure-Signalsequenzen) wird vom Molekül B (SRP: Signal Recognition Particle) erkannt und daraufhin zum Endoplasmatischen Reticulum 'verfrachtet', wo die weitere Proteinsynthese fortgesetzt wird.
Zitat: | Welche "morphischen Felder" wurden zur Nachrichtenübermittlung benutzt,.. |
Das elektromagnetische Feld (in dem z.B. Coulombsche Kräfte, Van der Waals'sche Kräfte, Wasserstoffbrückenbindungen, Kovalente und Ionenbindungen 'zuhause' sind).
Zitat: | und welchen Dechiffriercode wählte das Empfänger-Molekül B? |
Die 'Botschaft' ist unchiffriert: Nächster Halt "Hannover Hauptbahnhof", übernächster Halt "Endoplasmatisches Reticulum", hihihi.
*scherzend*
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Ein bischen Spaß muß sein,
dann ist das Herz voll Sonnenschein..
(frei nach Roberto Blanko)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
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(#171598) Verfasst am: 29.08.2004, 16:09 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Tso Wang,
Tso Wang hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Hat man mittlerweile auch herausgefunden, welche konspirative Botschaft Molekül A an Molekül B übermittelt hat? |
Ja, die Botschaft 'tu, was du tun mußt', hahaha. Das Molekül A (Ribosom-mRNA-Komplex, mit den aus sie heraustretenden ersten Aminosäure-Signalsequenzen) wird vom Molekül B (SRP: Signal Recognition Particle) erkannt und daraufhin zum Endoplasmatischen Reticulum 'verfrachtet', wo die weitere Proteinsynthese fortgesetzt wird. |
Na toll...
Ich hoffe, auch meine Message ist beim "Empfänger" angekommen. Natürlich lassen sich solche Sprachbilder problemlos verwenden, wenn sie metaphorisch gemeint sind. Aber mit semantischer Information (sprich: Botschaftenübertragung) hat das alles nichts zu tun, wenn es um biochemische Begriffe - oder gar um Biophilosophie - geht.
Grüße
Martin
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Tso Wang Vergiß es
Anmeldungsdatum: 21.09.2003 Beiträge: 1433
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(#171601) Verfasst am: 29.08.2004, 16:13 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | [Ach ja, hätte fast vergessen Dich zu fragen: könntest Du mir den ganzen Artikel mitsamt Quellenangabe schicken? Der würde mich sehr interessieren. Danke!]
Grüße
Martin |
Hallo Martin,
wollte gerade antworten, bin aber gerade mal wieder mal vom Server gekickt worden (das Problem, wenn man 'live' schreibt). Den ganzen Text findest Du in dem von mir immer wieder empfohlenen Buch 'Spüre die Welt' von Tor Nörretranders (rororo), wobei die ersten vier Kapitel 'Maxwells Dämon', 'Information über Bord', 'Unendliche Algorithmen' und 'die Tiefe der Konplexität' in dieser Diskussion besonders interessant sind.
Aber auch in Kapitel 15 'die ungerade Linie' findest Du einiges wieder, das Du schon erwähnt hast ("wie lang ist die Küste Großbritanniens? /Mandelbrot, S. 548).
Gruß und ()
_________________ Geh' weiter
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Shadaik evolviert
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(#171602) Verfasst am: 29.08.2004, 16:13 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Natürlich lassen sich solche Sprachbilder problemlos verwenden, wenn sie metaphorisch gemeint sind. Aber mit semantischer Information (sprich: Botschaftenübertragung) hat das alles nichts zu tun, wenn es um biochemische Begriffe - oder gar um Biophilosophie - geht. |
Was genau ist der Unterschied zwischen der übermittelten Information "ACGTTGAC" und der - unbestreitbar semantischen - Information "Es regnet"?
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
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(#171603) Verfasst am: 29.08.2004, 16:32 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Shadaik,
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Natürlich lassen sich solche Sprachbilder problemlos verwenden, wenn sie metaphorisch gemeint sind. Aber mit semantischer Information (sprich: Botschaftenübertragung) hat das alles nichts zu tun, wenn es um biochemische Begriffe - oder gar um Biophilosophie - geht. |
Was genau ist der Unterschied zwischen der übermittelten Information "ACGTTGAC" und der - unbestreitbar semantischen - Information "Es regnet"? |
Semantische Information entsteht nur in unseren Gehirnen - für jemanden, der den Satz nicht versteht, handelt es sich um nichts weiter als einen Tintenklecks. Dahingegen reagieren Moleküle nicht aufgrund irgendwelcher Handlungsanweisungen, sondern aufgrund physico-chemischer Notwendigkeiten. Auch dann, wenn es längst keine Gehirne mehr gibt, die verstehen, was "ACGTTGAC" bedeutet, wird es vermutlich noch immer Gene geben, die in ein bestimmtes Protein übersetzt werden. Die "Translation" (wieder so ein Unbegriff ) erfolgt also nicht, weil da irgendeine "Information verschoben" wird, sondern deshalb, weil physico-chemische Gesetzmäßigkeiten am wirken sind.
Grüße
Martin
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
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(#171612) Verfasst am: 29.08.2004, 16:46 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Tso Wang,
Tso Wang hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | [Ach ja, hätte fast vergessen Dich zu fragen: könntest Du mir den ganzen Artikel mitsamt Quellenangabe schicken? Der würde mich sehr interessieren. Danke!] | wollte gerade antworten, bin aber gerade mal wieder mal vom Server gekickt worden (das Problem, wenn man 'live' schreibt). Den ganzen Text findest Du in dem von mir immer wieder empfohlenen Buch 'Spüre die Welt' von Tor Nörretranders (rororo), wobei die ersten vier Kapitel 'Maxwells Dämon', 'Information über Bord', 'Unendliche Algorithmen' und 'die Tiefe der Konplexität' in dieser Diskussion besonders interessant sind.
Aber auch in Kapitel 15 'die ungerade Linie' findest Du einiges wieder, das Du schon erwähnt hast ("wie lang ist die Küste Großbritanniens? /Mandelbrot, S. 548). |
Klingt ja sehr interessant, danke für den Tip! Kannst Du in ein paar Worten umschreiben, welche Philosophie der Mensch in seinem Buch vertritt? Ich weiß, das ist eine Zumutung
Grüße
Martin
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Shadaik evolviert
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(#171637) Verfasst am: 29.08.2004, 18:07 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Hi Shadaik,
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Natürlich lassen sich solche Sprachbilder problemlos verwenden, wenn sie metaphorisch gemeint sind. Aber mit semantischer Information (sprich: Botschaftenübertragung) hat das alles nichts zu tun, wenn es um biochemische Begriffe - oder gar um Biophilosophie - geht. |
Was genau ist der Unterschied zwischen der übermittelten Information "ACGTTGAC" und der - unbestreitbar semantischen - Information "Es regnet"? |
Semantische Information entsteht nur in unseren Gehirnen - für jemanden, der den Satz nicht versteht, handelt es sich um nichts weiter als einen Tintenklecks. Dahingegen reagieren Moleküle nicht aufgrund irgendwelcher Handlungsanweisungen, sondern aufgrund physico-chemischer Notwendigkeiten. Auch dann, wenn es längst keine Gehirne mehr gibt, die verstehen, was "ACGTTGAC" bedeutet, wird es vermutlich noch immer Gene geben, die in ein bestimmtes Protein übersetzt werden. Die "Translation" (wieder so ein Unbegriff ) erfolgt also nicht, weil da irgendeine "Information verschoben" wird, sondern deshalb, weil physico-chemische Gesetzmäßigkeiten am wirken sind. |
Wir haben ganz offensichtlich unterschiedliche Auffassungen von Informationen.
Für mich ist alles, was eine Reaktion (egal, ob psychisch, chemisch oder sonstwie) hervorzurufen im Stande ist übermittelte Information.
Ich vermute, du meinst mit "semantische Information" "kodierte Information". K.A:, wie es in den anderen Wissenschaften aussieht, aber in der lInguistik versteht die Semantik Begriffe als Informationspakete, nicht als einzelne Informationen.
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
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(#171858) Verfasst am: 30.08.2004, 09:10 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Shadaik,
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Wir haben ganz offensichtlich unterschiedliche Auffassungen von Informationen. Für mich ist alles, was eine Reaktion (egal, ob psychisch, chemisch oder sonstwie) hervorzurufen im Stande ist übermittelte Information. |
Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, den Begriff derart aufzuweiten. Letztlich wäre dann alles Information, z.B. auch der Fall eines Körpers im Schwerefeld eines Planeten. Natürlich kannst Du sagen, fallende Gegenstände "übermitteln" uns Information über Gravitationsfelder. Aber die Information "entsteht" hier nur im denkenden Gehirn. Gibt es kein Gehirn, existiert auch die Information nicht mehr. Nichtsdestotrotz fallen Körper noch immer in Schwerefeldern. Es ist daher - zumindest aus Sicht eines Realisten - problematisch, Information zu "verdinglichen" bzw. in die Dinge selbst hineinzulegen.
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Ich vermute, du meinst mit "semantische Information" "kodierte Information". K.A:, wie es in den anderen Wissenschaften aussieht, aber in der lInguistik versteht die Semantik Begriffe als Informationspakete, nicht als einzelne Informationen. |
Wie gesagt, semantische Information gibt es nur in der Nachrichtenübermittlung. Eine semantische Bedeutung können ja nur Begriffe für uns haben, aber nicht die Gegenstände an sich, die damit beschrieben werden. Für einen radikalen Konstruktivisten oder Solipsisten macht das keinen Unterschied - für den sind letztlich alle "Dinge" nur eigenwillige Kreationen (Wahnvorstellungen) seinen Gehirns - genauso wie abstrakte Begriffe. Existiert sein Gehirn nicht mehr, hören auch die Dinge für ihn auf zu existieren. In dessen Augen ist daher vermutlich alles Information. Aber wer (halbwegs) realistisch denkt und keine platonischen Idealismus vertreten möchte, kann das nicht akzeptieren.
Grüße
Martin
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
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(#171875) Verfasst am: 30.08.2004, 10:05 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Wir haben ganz offensichtlich unterschiedliche Auffassungen von Informationen. Für mich ist alles, was eine Reaktion (egal, ob psychisch, chemisch oder sonstwie) hervorzurufen im Stande ist übermittelte Information. |
Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, den Begriff derart aufzuweiten. Letztlich wäre dann alles Information, z.B. auch der Fall eines Körpers im Schwerefeld eines Planeten. |
Da stimme ich voll und ganz zu. Von "Information" zu sprechen ist genau dann sinnvoll, wenn das Ziel der "Information", der Empfänger, ein "Designtes Objekt" ist. Die Information löst dann beim Empfänger eine durch das Design bestimmte Reaktion aus. Die Reaktion selbst ist dann die "Bedeutung", die Semantik der übertragenen Information. Ob und wieviel Information in einer Nachricht enthalten ist, hängt vom Design des Empfängers ab. (Das Design bestimmt die Anzahl der Zustände des Zustrandsraumes, auf den dann die Shannonsche Formel angewendet wird). Das Design selber enthält keine Information, sondern ist die Voraussetzung dafür, dass man überhaupt von Information sprechen kann.
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Tso Wang Vergiß es
Anmeldungsdatum: 21.09.2003 Beiträge: 1433
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(#171877) Verfasst am: 30.08.2004, 10:09 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Hi Tso Wang,
Tso Wang hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | [Ach ja, hätte fast vergessen Dich zu fragen: könntest Du mir den ganzen Artikel mitsamt Quellenangabe schicken? Der würde mich sehr interessieren. Danke!] | wollte gerade antworten, bin aber gerade mal wieder mal vom Server gekickt worden (das Problem, wenn man 'live' schreibt). Den ganzen Text findest Du in dem von mir immer wieder empfohlenen Buch 'Spüre die Welt' von Tor Nörretranders (rororo), wobei die ersten vier Kapitel 'Maxwells Dämon', 'Information über Bord', 'Unendliche Algorithmen' und 'die Tiefe der Konplexität' in dieser Diskussion besonders interessant sind.
Aber auch in Kapitel 15 'die ungerade Linie' findest Du einiges wieder, das Du schon erwähnt hast ("wie lang ist die Küste Großbritanniens? /Mandelbrot, S. 548). |
Klingt ja sehr interessant, danke für den Tip! Kannst Du in ein paar Worten umschreiben, welche Philosophie der Mensch in seinem Buch vertritt? Ich weiß, das ist eine Zumutung
Grüße
Martin |
Hallo Martin,
In erster Linie werden in diesem Buch die Konsequenzen aus Libets Messungen der Gehirnaktivitäten vor ausgeführten Handlungen behandelt. Seine Philosophie? Schwierig zu sagen. Er beschreibt ähnliche Ansichten wie Buddhisten (S. 378 'Maxwells Selbst', das Nicht-Ich/anatta) und Daoisten (S.384 'Maxwells Selbst'/ wuwei) sie vertreten: Unser bewußtes Ich kann die Welt niemals vollständig erklären, geschweige denn sie kontrollieren.
Wir sind 'mehr' als unser bewußtes Ich (das lediglich eine Deutung, das Ergebnis eines Rechenprozesses, welches durch 'Aussortieren von Information'= Exformation entsteht, darstellt). Dieses 'mehr' bezeichnet Nörretranders als das Selbst '(Selbst 2'), über das das Ich ('Selbst 1') jedoch keinerlei Kontrolle hat (das 'Unbewußte' verarbeitet etwa 100 Millionen bit/sec, während das '´Bewußte' maximal 10-30 bit/sec verarbeiten kann; der Informationsstrom, der auf unseren Organismus ständig einströmt, muß also um ein Vielfaches durch Exformation 'reduziert' werden, damit im Bewußtsein ein Abbild der Welt entsteht).
Nörretranders empfiehlt in seinen Schlußworten:
Spüre die Welt
Sie spürt dich
Vielleicht würde Meister Eckhart sagen: Laß dich
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#171880) Verfasst am: 30.08.2004, 10:10 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Hi Shadaik,
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Wir haben ganz offensichtlich unterschiedliche Auffassungen von Informationen. Für mich ist alles, was eine Reaktion (egal, ob psychisch, chemisch oder sonstwie) hervorzurufen im Stande ist übermittelte Information. |
Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, den Begriff derart aufzuweiten. Letztlich wäre dann alles Information, z.B. auch der Fall eines Körpers im Schwerefeld eines Planeten. Natürlich kannst Du sagen, fallende Gegenstände "übermitteln" uns Information über Gravitationsfelder. Aber die Information "entsteht" hier nur im denkenden Gehirn. Gibt es kein Gehirn, existiert auch die Information nicht mehr. Nichtsdestotrotz fallen Körper noch immer in Schwerefeldern. Es ist daher - zumindest aus Sicht eines Realisten - problematisch, Information zu "verdinglichen" bzw. in die Dinge selbst hineinzulegen. |
Verstehe. Mir ist das um einiges zu anthropozentrisch, aber man kann diese Idee wohl vertreten.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#171914) Verfasst am: 30.08.2004, 11:49 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Shadaik,
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Hi Shadaik,
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Wir haben ganz offensichtlich unterschiedliche Auffassungen von Informationen. Für mich ist alles, was eine Reaktion (egal, ob psychisch, chemisch oder sonstwie) hervorzurufen im Stande ist übermittelte Information. |
Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, den Begriff derart aufzuweiten. Letztlich wäre dann alles Information, z.B. auch der Fall eines Körpers im Schwerefeld eines Planeten. Natürlich kannst Du sagen, fallende Gegenstände "übermitteln" uns Information über Gravitationsfelder. Aber die Information "entsteht" hier nur im denkenden Gehirn. Gibt es kein Gehirn, existiert auch die Information nicht mehr. Nichtsdestotrotz fallen Körper noch immer in Schwerefeldern. Es ist daher - zumindest aus Sicht eines Realisten - problematisch, Information zu "verdinglichen" bzw. in die Dinge selbst hineinzulegen. |
Verstehe. Mir ist das um einiges zu anthropozentrisch, aber man kann diese Idee wohl vertreten. |
vielleicht nur ein Nebenaspekt: Kreationisten wie Gitt verwenden den Informationsbegriff so, wie ihn Martin kritisiert hat und erhalten so einen Gottesbeweis. Wenn Dir Martins Erklärung zu anthropozentrisch ist, dann schau Dir vielleicht die von Klaus-Peter an.
Der Shannonsche Informationsbegriff hat sich leider ziemlich katastrophal auf die Verwendung des Begriffs 'Information' ausgewirkt. Shannon hatte zwar immer explizit betont, dass er 'Information' in einem technischen, streng definierten Sinn verwendet. Das hat aber leider nicht verhindert, dass viele Menschen was durcheinander brachten. Es wäre besser gewesen, Shannon hätte anstelle von 'Information' einen anderen Begriff verwendet.
Grüßle
Thomas
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#171957) Verfasst am: 30.08.2004, 13:14 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Wir haben ganz offensichtlich unterschiedliche Auffassungen von Informationen. Für mich ist alles, was eine Reaktion (egal, ob psychisch, chemisch oder sonstwie) hervorzurufen im Stande ist übermittelte Information. |
Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, den Begriff derart aufzuweiten. Letztlich wäre dann alles Information, z.B. auch der Fall eines Körpers im Schwerefeld eines Planeten. |
Da stimme ich voll und ganz zu. Von "Information" zu sprechen ist genau dann sinnvoll, wenn das Ziel der "Information", der Empfänger, ein "Designtes Objekt" ist. Die Information löst dann beim Empfänger eine durch das Design bestimmte Reaktion aus. Die Reaktion selbst ist dann die "Bedeutung", die Semantik der übertragenen Information. |
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Dir folgen kann. Meine Frage ist, ob materielle Systeme an sich eine "Bedeutung" haben, oder ob wir ihnen bloß eine Bedeutung beimessen. Irgend ein nicht ganz unbedeutender Mensch, auf den Anhänger des ID gerne bezug nehmen, hat mal gemeint, neben Materie und Energie sei Information die dritte "Daseinsform". Da frage ich doch gleich einmal gegen: Hat jemals irgendwer ein "Stück reine Information" gesehen? Wer die Frage bejahen möchte, muß auch erklären, woher die geheimnisvolle "Information" eigentlich kommt. Hat die etwa (Thomas hat das richtige Stichwort schon genannt) ein immaterieller Designer in die Materie hineingewurschtelt?
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#171964) Verfasst am: 30.08.2004, 13:27 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Shadaik,
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, den Begriff derart aufzuweiten. Letztlich wäre dann alles Information, z.B. auch der Fall eines Körpers im Schwerefeld eines Planeten. Natürlich kannst Du sagen, fallende Gegenstände "übermitteln" uns Information über Gravitationsfelder. Aber die Information "entsteht" hier nur im denkenden Gehirn. Gibt es kein Gehirn, existiert auch die Information nicht mehr. Nichtsdestotrotz fallen Körper noch immer in Schwerefeldern. Es ist daher - zumindest aus Sicht eines Realisten - problematisch, Information zu "verdinglichen" bzw. in die Dinge selbst hineinzulegen. |
Verstehe. Mir ist das um einiges zu anthropozentrisch, aber man kann diese Idee wohl vertreten. |
Warum anthropozentrisch? Nehmen wir an, Du faßt irgendeinen Gedanken oder erstellst ein wissenschaftliches Modell - gehst Du dann davon aus, daß der Gedanke und das Modell auch außerhalb Deiner Gedankenwelt existieren? Anthropozentrisch wäre es doch nur, wenn ich behaupten würde, daß nicht nur das Modell, sondern auch der Gegenstand, den das Modell beschreibt, nur eine Fiktion meines Geistes wäre. Im Gegensatz zu Lamarck behaupte ich nicht, daß Dinge aufhören zu existieren, sobald ich ablebe.
Grüße
Martin
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#172006) Verfasst am: 30.08.2004, 14:40 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Dir folgen kann. Meine Frage ist, ob materielle Systeme an sich eine "Bedeutung" haben, oder ob wir ihnen bloß eine Bedeutung beimessen. |
Ich bin der Meinung: Ja. materielle Systeme besitzen eine Bedeutung. Dies muss ich schon deshalb glauben, weil ich glaube, dass auch der Mensch ein materielles System ist, wenn auch ein sehr komplexes. Und da stellt sich die Frage: wo kommt die Bedeutung her?
Und da findet man in der Technik und Informatik viele Beispiele für Vorstufen von "Bedeutung", wobei man sich darüber streiten kann, ob man es schon "Bedeutung" nennen will oder noch nicht (aber darüber streite ich nicht).
Nehmen wir als Beispiel eine Schiffs-Schaufelrad-Dampfmaschine mit Stellhebel. Sie kennt die Bedeutungen: "Volle Kraft Voraus", "Volle Kraft Zurück", "Halbe Kraft Voraus", "Halbe Kraft zurück" und "Stehen". (Die Namen sind etwas, das wir ihnen geben, aber die Bedeutungen dahinter sind etwas Objektives, das sich im Verhalten der Maschine ausdrückt. Die Maschine zeigt, dass sie mich versteht, indem sie meine Kommandos ausführt.
Anderes Beispiel: Ein Zigarettenautomat. Für ihn haben Geldmünzen eine Bedeutung, was man daran sieht, dass er nur dann Zigaretten rausrückt, wenn man genügend viel Geld (und richtige Münzen) eingeworfen hat.
Die Information, die dahinter steckt, ist bei der Dampfmaschine nur 3 bit, beim Automaten ein paar Bit mehr, aber immer noch wenig im Vergleich zur dahinterstehenden Komplexität der Maschine (die den Signalen ihre Bedeutung verleiht).
Bedeutung ist keine "Daseinsform" in diesem Sinne, sondern eine "Qualität", eine "Gestalt", ein "Design". Die Anordnung der Teile der Maschine macht aus der reinen Materie etwas Neues, "Emergentes". Das ist kein Hokuspokus oder Spiritismus, sondern schlichte Struktur, die zur Materie einen Mehrwert hinzufügt (und die wieder Kraft ihrer Struktur auf die materielle Welt zurückwirkt). Dass ich diese vom Menschen Designten Systeme als Beispiele bringe, heisst natürlich nicht, dass sie immer Designer benötigen. Wir kennen ja einen Algorithmus, der auch "hirnlos" Design hervorbringen kann: Die Evolution. Die Frage an die Physik lautet: Wie sind die Naturgesetze beschaffen, dass so etwas wie Automaten oder Dampfmschinen möglich ist? Und: Lässt mir die heutuge Physik diese Freiheit (wenn nein, wäre sie unvollständig).
Wie gesagt, das ist mir erst klar geworden, als ich Poppers "Über Wolken und Uhren" las, aus "Objektive Erkenntnis".
Gruss
KP
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#172076) Verfasst am: 30.08.2004, 16:14 Titel: |
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Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich Dir folgen kann. Meine Frage ist, ob materielle Systeme an sich eine "Bedeutung" haben, oder ob wir ihnen bloß eine Bedeutung beimessen. |
Ich bin der Meinung: Ja. materielle Systeme besitzen eine Bedeutung. Dies muss ich schon deshalb glauben, weil ich glaube, dass auch der Mensch ein materielles System ist, wenn auch ein sehr komplexes. Und da stellt sich die Frage: wo kommt die Bedeutung her?
Und da findet man in der Technik und Informatik viele Beispiele für Vorstufen von "Bedeutung", wobei man sich darüber streiten kann, ob man es schon "Bedeutung" nennen will oder noch nicht (aber darüber streite ich nicht).
Nehmen wir als Beispiel eine Schiffs-Schaufelrad-Dampfmaschine mit Stellhebel. Sie kennt die Bedeutungen: "Volle Kraft Voraus", "Volle Kraft Zurück", "Halbe Kraft Voraus", "Halbe Kraft zurück" und "Stehen". (Die Namen sind etwas, das wir ihnen geben, aber die Bedeutungen dahinter sind etwas Objektives, das sich im Verhalten der Maschine ausdrückt. Die Maschine zeigt, dass sie mich versteht, indem sie meine Kommandos ausführt.
Anderes Beispiel: Ein Zigarettenautomat. Für ihn haben Geldmünzen eine Bedeutung, was man daran sieht, dass er nur dann Zigaretten rausrückt, wenn man genügend viel Geld (und richtige Münzen) eingeworfen hat.
Die Information, die dahinter steckt, ist bei der Dampfmaschine nur 3 bit, beim Automaten ein paar Bit mehr, aber immer noch wenig im Vergleich zur dahinterstehenden Komplexität der Maschine (die den Signalen ihre Bedeutung verleiht). |
Komisch, das Argumentationsmuster kommt mir irgendwie bekannt vor...
Du machst hier aus meiner Sicht den gleichen Fehler wie manche aus der ID-Riege, wenn Du die Struktur (AKA Komplexität) und/oder Funktionalität von Dingen genuin mit semantischer "Information" (Bedeutung) gleichsetzst. Die Analogien mit der Technik passen insofern nicht, als Artefakte bewußt hergestellt werden, um damit etwas Konkretes anzufangen. Aber selbst ein Konstrukt wie eine Dampfmaschine trägt keine "Information" in dem Sinne, daß da irgendein Schräubchen ein anderes mit einer "Botschaft" ausstattet. In Wahrheit abstrahieren wir die "Bedeutung" doch nur (gedanklich) von dem Gegenstand, den wir verwenden. Ein Faustkeil oder ein Motor, den niemand braucht oder nutzen kann, hat genauso wenig eine Bedeutung, wie ein Buch, das keiner zu lesen imstande ist.
[...]
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Die Anordnung der Teile der Maschine macht aus der reinen Materie etwas Neues, "Emergentes". Das ist kein Hokuspokus oder Spiritismus, sondern schlichte Struktur, die zur Materie einen Mehrwert hinzufügt (und die wieder Kraft ihrer Struktur auf die materielle Welt zurückwirkt). |
Mal ehrlich, wer fügt den "Mehrwert" zur Materie hinzu? Das ist doch immer derjenige, der sich eine zweckhafte Anwendung von Materie ausdenkt. Das Feuer hat an sich keine "Bedeutung", sondern höchstens die Nutzanwendung, die wir gedanklich mit dem Feuer assoziieren. Auch ein DNA-Molekül hat keine Bedeutung, höchstens die gedankliche Repräsentation dessen, was da in der Zelle abläuft.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Dass ich diese vom Menschen Designten Systeme als Beispiele bringe, heisst natürlich nicht, dass sie immer Designer benötigen. Wir kennen ja einen Algorithmus, der auch "hirnlos" Design hervorbringen kann: Die Evolution. |
Ja, klar. Und ich weiß natürlich, daß es nicht gerade wenig Menschen gibt, die das genauso sehen wie Du. Aber in meinen Augen ist die Informationsphilosophie ein ontologisch unsauberes Gebilde. Ganz zu schweigen von den Problemen, die man sich aufhalst, wenn man mit Menschen diskutiert, die auf der Basis dieser metaphysischen Verrenkung die Existenz eines supernaturalen "Designprinzips" folgern.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Wie gesagt, das ist mir erst klar geworden, als ich Poppers "Über Wolken und Uhren" las, aus "Objektive Erkenntnis". |
Naja, Popper hat viel wichtiges und richtiges geschrieben. Aber ich denke, man muß nicht in allem mit Popper einer Meinung sein...
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#172281) Verfasst am: 31.08.2004, 00:41 Titel: |
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Hallo Martin,
damit ich nichts übersehe, fasse ich Deine Argumente gegen meine Auffassung mal kurz zusammen:
1. Ich argumentiere ähnlich wie ID-ler.
2. Artefakte werden bewusst herstellt, in Hinblick auf einen bestimmten Zweck. Natürliche Systeme nicht. Bei denen ist der Zweck nur durch Menschen hineingedacht.
Zu 1. ist ein klassisches ad-hominem und insofern nicht relevant.
Zu 2. Es ist mir selbstverständlich egal, ob der Zweck bewusst oder unbewusst eingebaut wird. Was interessiert (und weshalb ich die Analogien gezogen habe): Der Zweck einer Anordnung ist eine intrinsische Eigenschaft des untersuchten Systems: Ein Auto ist zum Fahren da, eine Zigarettenautomat zum Zigaretten ausgeben, ein Auge zum sehen und eine Schniedel zum Schnackseln. Die dahinterstehende Frage ist immer: Welches Problem löst dieses Design? Ein Faustkeil (in der Hand eines Menschen) löst das Problem, Tierhäute abzulösen und Schädel zu spalten, ein Schniedel löst das Problem, Samen gezielt zu applizieren, und ein Auge löst das Problem, das Licht zum Zwecke der Orientierung zu verwenden. Ob dieses Problem absichtlich oder unabsichtlich gelöst wird, ist irrelevant. Sollten ID-oten auch so argumentieren, dann wäre ihnen rechtzugeben. Der Fehlschluss der ID ist doch nur der, dass die aus der Existenz des Zweckes auf einen schliessen, dessen Zweck das ist. Und das ist ein ungültiger Schluss. Der Zweck, der in einem Design steckt, ist dagegen objektiv vorhanden. Feuer (in Deinem Beispiel) hat keine "Bedeutung". Eine Feuerstelle, ein Herd, oder ein Ofen dagegen schon. Ein Alien, der die Erde besucht und eine Feuerstelle vorfindet, kann aus dem Design der Anordnung herleiten, was der Zweck dieser Sache war.
Inwiefern die von mir vorgeschlagene Struktur "ontologisch unsauber" sein soll, leuchtet mir überhaupt nicht ein und konntest bisher nichtschlüssig begründen. Das ist ganz sauberer Funktionalismus bzw. Adaptionismus. Die Frage "wozu ist das Design gut" bzw. "Welches Problem löst dieses Design" ist eine saubere und fruchtbare Frage. Unabhängig davon, ob da ein Designer dahintersteckt. Der Schluss vom Design auf den Designer ist unsauber. Nicht jedoch der Schluss vom Designten Objekt auf die Fabrik, die es hergestellt hat: Wenn ich ein Auto finde, dann weiss ich dass es irgendwo ein Autofabrik geben muss oder gegeben haben muss. Wenn ich einen Vogel finde, dann weiss ich, dass es ein Ei gegeben haben muss. Wenn ich einen Menschen finde, weiss ich, dass er Eltern hat. Die DNA war der Bauanleitung ("die Information") nach der Menschen und Vögel gebaut werden. Und ähnlich wie die Dampfmaschine wesentlich komplizierter ist als die 5 Kommandos, die sie (als Information) versteht, ebenso ist die Menschenfabrik wesentlich komplexer als die DNA.
Dass (oder ob) man sich Probleme mit Kreationisten aufhalst, wenn man solche Thesen vertritt, ist mir nachgerade wurst. Ich sehe die Probleme nicht. Und wenn ich sie sähe, würde ich sie dennoch vertreten. Man kann jede Erkenntnis missbrauchen.
Gruss
KP
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#172333) Verfasst am: 31.08.2004, 09:36 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Hi Shadaik,
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll ist, den Begriff derart aufzuweiten. Letztlich wäre dann alles Information, z.B. auch der Fall eines Körpers im Schwerefeld eines Planeten. Natürlich kannst Du sagen, fallende Gegenstände "übermitteln" uns Information über Gravitationsfelder. Aber die Information "entsteht" hier nur im denkenden Gehirn. Gibt es kein Gehirn, existiert auch die Information nicht mehr. Nichtsdestotrotz fallen Körper noch immer in Schwerefeldern. Es ist daher - zumindest aus Sicht eines Realisten - problematisch, Information zu "verdinglichen" bzw. in die Dinge selbst hineinzulegen. |
Verstehe. Mir ist das um einiges zu anthropozentrisch, aber man kann diese Idee wohl vertreten. |
Warum anthropozentrisch? Nehmen wir an, Du faßt irgendeinen Gedanken oder erstellst ein wissenschaftliches Modell - gehst Du dann davon aus, daß der Gedanke und das Modell auch außerhalb Deiner Gedankenwelt existieren? Anthropozentrisch wäre es doch nur, wenn ich behaupten würde, daß nicht nur das Modell, sondern auch der Gegenstand, den das Modell beschreibt, nur eine Fiktion meines Geistes wäre. Im Gegensatz zu Lamarck behaupte ich nicht, daß Dinge aufhören zu existieren, sobald ich ablebe.
Grüße
Martin |
1. Ich gehe davon aus, dass es eine Realität gibt. Die Realität besteht aus Informationen.
2. Ich gehe weiter davon aus, dass die menschliche Wahrnehmung konstruiert ist, jedoch auf den Informationen aus der Realöität basiert. Die Gedankenwelt besteht mE aber nicht aus Informationen, sondern aus Interpretationen.
Materie und Energie etwa sind solche Interpretationen einer bestimmten Qualität einer bestimmten Information.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#172341) Verfasst am: 31.08.2004, 10:11 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi shadaik,
Shadaik hat folgendes geschrieben: |
1. Ich gehe davon aus, dass es eine Realität gibt. Die Realität besteht aus Informationen. |
was verstehst Du unter 'Realität'? Wenn Du darunter Dein mentales _Konstrukt_ verstehst, also die 'Welt für Dich', stimme ich Dir zu. Wenn Du darunter aber die 'an sich seiende Welt' verstehst, kann ich mir das nicht vorstellen. 'Da draußen' sind irgendwelche Reize für Deine Sinnesorgane, die zu Informationen _werden_, wenn Du sie rezipierst. Bestenfalls sind das _potenzielle_ Informationen.
shadaik hat folgendes geschrieben: | 2. Ich gehe weiter davon aus, dass die menschliche Wahrnehmung konstruiert ist, jedoch auf den Informationen aus der Realöität basiert. |
So sehe ich das auch.
shadaik hat folgendes geschrieben: | Die Gedankenwelt besteht mE aber nicht aus Informationen, sondern aus Interpretationen. |
Vielleicht besteht hier zwischen uns nur eine terminologische Differenz. Für mich ist das, was Du 'Information' nennst, eine Interpretation dessen, was 'die Welt' uns liefert, eingebaut in Konstrukte. 'Da draußen' gibt es nur Elementarteilchen etc.
shadaik hat folgendes geschrieben: | Materie und Energie etwa sind solche Interpretationen einer bestimmten Qualität einer bestimmten Information. |
Ich finde, dass anders herum ein Schuh daraus wird. 'Materie' und 'Energie' sind Konstrukte, mit denen wir Eigenschaften 'der Welt', die wir als Informationen nutzen können, konzeptuell erfassen. 'Die Welt' besteht nicht aus Information, sondern aus Dingen.
Grüßle
Thomas
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#174240) Verfasst am: 03.09.2004, 11:11 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | shadaik hat folgendes geschrieben: | Die Gedankenwelt besteht mE aber nicht aus Informationen, sondern aus Interpretationen. |
Vielleicht besteht hier zwischen uns nur eine terminologische Differenz. Für mich ist das, was Du 'Information' nennst, eine Interpretation dessen, was 'die Welt' uns liefert, eingebaut in Konstrukte. 'Da draußen' gibt es nur Elementarteilchen etc. |
Nein, Elementarteilchen sind bereits Interpretationen.
Ihc stimme dir abe rzu, dass hier ein terminologischer Unterschied zwischen uns besteht und wir ansonsten ein recht ähnliches Weltbild haben.
Zitat: | shadaik hat folgendes geschrieben: | Materie und Energie etwa sind solche Interpretationen einer bestimmten Qualität einer bestimmten Information. |
Ich finde, dass anders herum ein Schuh daraus wird. 'Materie' und 'Energie' sind Konstrukte, mit denen wir Eigenschaften 'der Welt', die wir als Informationen nutzen können, konzeptuell erfassen. 'Die Welt' besteht nicht aus Information, sondern aus Dingen. |
Nein, es ist IMHO nur unser Denken, das Informationen zu Dingen zusammensetzt.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#174248) Verfasst am: 03.09.2004, 11:31 Titel: Re: Informationsbegriffe in der Biologie? |
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Hi Shadaik,
Shadaik hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Ich finde, dass anders herum ein Schuh daraus wird. 'Materie' und 'Energie' sind Konstrukte, mit denen wir Eigenschaften 'der Welt', die wir als Informationen nutzen können, konzeptuell erfassen. 'Die Welt' besteht nicht aus Information, sondern aus Dingen. |
Nein, es ist IMHO nur unser Denken, das Informationen zu Dingen zusammensetzt. |
ich vermute, dass wir hier sehr klar definieren sollten. Natürlich setzt man 'Informationen' im Sinn von 'Perzepten' zu etwas um, das Du als 'Ding' bezeichnest.
Wenn man unter 'Erkennen' die IIRC von Stegmüller in die Diskussion eingebrachte dreistellige Relation
A erkennt B als C
zugrunde legt, wäre C das, was Du als 'Ding' bezeichnest, nämlich das, was in A durch Wechselwirkung mit B (hier 'Welt an sich', in der Terminologie der Philosophie, auf die ich mich stütze, 'Ding') 'entsteht'.
Solange Du sagst, dass 'Information' nicht B ist, sind wir uns einig. Was Du als 'Ding' bezeichnest, ist in meiner Terminologie ein 'Konstrukt'. Mein 'Ding' ist materiell, Deins nicht.
Grüßle
Thomas
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#174257) Verfasst am: 03.09.2004, 11:42 Titel: |
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A erkennt B als C
wäre bei mir:
Rezipient A interpretiert Informationsbündel B als Ding C.
Zur Materialität: Meine Dinge sind materiell, weil Materie ebenfalls auf der Ebene der Interpretation entsteht.
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