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Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums?

 
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Frank
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Anmeldungsdatum: 31.07.2003
Beiträge: 6643

Beitrag(#1715201) Verfasst am: 31.12.2011, 01:07    Titel: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

Unbestritten war der Protestantismus in England und den USA der wichtigste Katalysator für den Kapitalismus heutiger Prägung. Für diese Tatsache braucht man nicht notwendiger weise auf Max Weber zu verweisen. Aber wie steht es mit dem Katholizismus? War dieser nicht eher ein Stützfeiler des Feudalismus?

Manche Katholiken generieren sich derzeit als die größten Kapitalismuskritiker. Parole: "Katholische Soziallehre"? Wie sozial die katholische Kirche tatsächlich ist sieht man, wenn sie in der Rolle des Arbeitgebers agiert. Oder ihre (frühere) Unterstützung von Diktatoren in Südamerika.

Warum meinen Linke und SPD, Christen wären ihre idealen Partner in Fragen sozialer Gerechtigkeit?
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Die Fiktion
unsanft



Anmeldungsdatum: 15.02.2009
Beiträge: 2022
Wohnort: Düsseldorf

Beitrag(#1715203) Verfasst am: 31.12.2011, 01:19    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
Warum meinen Linke und SPD, Christen wären ihre idealen Partner in Fragen sozialer Gerechtigkeit?


Das ist die REM-Phase im Schlaf,

......Traumtänzereien, fernab einer über 2000 Jahre alten Realität.
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soulreaver
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Anmeldungsdatum: 08.11.2007
Beiträge: 649

Beitrag(#1715205) Verfasst am: 31.12.2011, 01:29    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
Unbestritten war der Protestantismus in England und den USA der wichtigste Katalysator für den Kapitalismus heutiger Prägung. Für diese Tatsache braucht man nicht notwendiger weise auf Max Weber zu verweisen. Aber wie steht es mit dem Katholizismus? War dieser nicht eher ein Stützfeiler des Feudalismus?

Manche Katholiken generieren sich derzeit als die größten Kapitalismuskritiker. Parole: "Katholische Soziallehre"? Wie sozial die katholische Kirche tatsächlich ist sieht man, wenn sie in der Rolle des Arbeitgebers agiert. Oder ihre (frühere) Unterstützung von Diktatoren in Südamerika.

Warum meinen Linke und SPD, Christen wären ihre idealen Partner in Fragen sozialer Gerechtigkeit?


Weil Christen aus religiösen Gründen ähnliche Forderungen haben wie Linke oder Keynesianer. Allerdings sind die Forderungen der Katholiken nach Begrenzung der Arbeitszeit (Sonntagsruhe, Familienidylle) nicht nur oberflächlich. Vielmehr entlarven sich die kirchlichen Träger selbst oft als Anwender und Profiteure von Lohndumping und Ausbeutung. Ist allerdings ähnlich inkonsequent wie bei Linke und SPD.
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26440
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Beitrag(#1715214) Verfasst am: 31.12.2011, 02:22    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
....Aber wie steht es mit dem Katholizismus? War dieser nicht eher ein Stützfeiler des Feudalismus?

Nein - die Katholiken haben nie an den Stützen des Kapitalismus gefeilt. scnr

Frank hat folgendes geschrieben:
.....
Warum meinen Linke und SPD, Christen wären ihre idealen Partner in Fragen sozialer Gerechtigkeit?

Ist überhaupt sowas von nich' mein Thema, deshalb frage ich nur:

Kann es sein, dass die Identität von Christentum und katholischer Kirche, von der Du implizit ausgehst, nicht existiert? Oder anderherum: Kann es sein, dass Linke und SPD, wenn sie sowas denken, von einem Christentum ausgehen, das mit dem gelebten der Kirchen wenig zu tun hat?

fwo
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Femina
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Beiträge: 1038

Beitrag(#1715216) Verfasst am: 31.12.2011, 02:49    Titel: Antworten mit Zitat

Den Kapitalismus hätte es gewiss auch ohne Christentum gegeben. Er ist einfach Ausdruck einer Eigenschaft von Menschen, sich selbst so viel wie möglich vom Kuchen abzuschneiden. In der Evolution hat das gewiss sehr häufig den Überlebensvorteil gebracht. Heute haben wir das nicht mehr nötig, weil eigentlich genug für alle da ist. Trotzdem können die Menschen nicht genug kriegen, weil sie noch darauf programmiert sind, alles für sich selbst zusammenzuraffen.

Das Christentum ist eher genauso wie der Kapitalisus auch ein Kind dieser Eigenschaft. Denn auch hier geht es für jeden Einzelnen darum, Vorteile zu erlangen. Und wen es zunächst nur der Vorteil ist, "ins Himmelreich" zu kommen. Durch die Ausbildung von Hierarchien in den christlichen Kirchen wird eine Parallele zum Kapitalismus noch deutlicher. In den oberen Rängen sitzen die Kapitalisten, in den unteren das Volk.
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Frank
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Anmeldungsdatum: 31.07.2003
Beiträge: 6643

Beitrag(#1715217) Verfasst am: 31.12.2011, 02:57    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Kann es sein, dass die Identität von Christentum und katholischer Kirche, von der Du implizit ausgehst, nicht existiert?


Du meinst das Christentum der Kuschelchristen, die man argumentativ nie fassen kann, da sie geschickt missliebigen Argumenten ausweichen, wenn es mal konkreter wird? Sprich das "wahre Christentum" ist immer ganz anders. Es wundert mich nicht, dass der Fisch zu einem Symbol des Christentums geworden ist, denn genau so sind Kuschelchristen für mich, glitschig und nicht zu fassen.


fwo hat folgendes geschrieben:

Oder anderherum: Kann es sein, dass Linke und SPD, wenn sie sowas denken, von einem Christentum ausgehen, das mit dem gelebten der Kirchen wenig zu tun hat?


was für ein Christentum soll dass denn sein? Das unverbindliche Christentum der Kuschelchristen? Oder meinst Du die Kulturchristen?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#1715247) Verfasst am: 31.12.2011, 11:49    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
Warum meinen Linke und SPD, Christen wären ihre idealen Partner in Fragen sozialer Gerechtigkeit?

Es kommt ja darauf an, von welchen Christen hier die Rede ist. Ich kann mir als Sozialist ohne weiteres vorstellen, z.B. mit Giorgio Agamben politisch zusammenzuarbeiten.

Die Aufarbeitung christlicher Themen ist in der Linken heute relativ beliebt. Neben Agamben gibt es ja z.B. auch von Slavoj Zizek oder Alain Badiou Veröffentlichungen zum Thema christliche Philosophie. Ganz ohne Grund ist das nicht. Und das heißt noch lange nicht, dass man sich mit den großen Kirchen verbrüdern würde. Zizek geht es sogar im Gegenteil eher darum, den Kirchen die Deutungshoheit zu entreißen. Übrigens hat schon Engels den Sozialismus mit dem Urchristentum verglichen.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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fwo
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Beiträge: 26440
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1715274) Verfasst am: 31.12.2011, 13:43    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
.....
was für ein Christentum soll dass denn sein? Das unverbindliche Christentum der Kuschelchristen? Oder meinst Du die Kulturchristen?

Wir leben hier in Deutschland. Und in Deutschland ist die Zahl derer, die sich als Christen sehen, aber große Differenzen zu den Kirchen haben, auch wenn sie noch nicht ausgetreten sind, relativ groß.

Es ist zwar klar, dass das aus Atheistensicht nicht unbedingt die Lieblingschristen sind (glitschig, glatt, nicht zu fassen... usw), aber es gibt sie und sie berufen sich nicht auf kirchliche Leitsätze oder kirchliche Praxis, sondern auf ihren Jesus, wie sie ihn verstehen.
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
.....Übrigens hat schon Engels den Sozialismus mit dem Urchristentum verglichen.

Das war soetwas wie Christentum ohne Kirche.

fwo
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Tarvoc
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Beiträge: 44647

Beitrag(#1715279) Verfasst am: 31.12.2011, 13:59    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Das war soetwas wie Christentum ohne Kirche.

Gewissermaßen. Kirchliche Organisation hatte sich noch nicht herausgebildet. Der Fokus lag eher auf der Gemeinde.
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Frank
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Beitrag(#1715298) Verfasst am: 31.12.2011, 14:45    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Es ist zwar klar, dass das aus Atheistensicht nicht unbedingt die Lieblingschristen sind (glitschig, glatt, nicht zu fassen... usw), aber es gibt sie und sie berufen sich nicht auf kirchliche Leitsätze oder kirchliche Praxis, sondern auf ihren Jesus, wie sie ihn verstehen.


Das Christentum, wie wir es heute kennen, ist erst Jahrhunderte nach dem Tod des jüdischen Wubnderrabi Jesus (falls er denn tatsächlich existierte) untere Leitung von Kaiser Theodosius I. und Konstantin ausdefiniert worden. Und wenn einer die jüdische Sekte zu einer eigenen Religion gemacht hat war das Paulus.

"Jesus, wie sie ihn verstehen" hat also nichts mit dem Christentum zu tun, sondern ist höchstens christentümlich. "Paulus, wie sie ihn verstehen" wäre da weit näher dran.
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#1715300) Verfasst am: 31.12.2011, 15:07    Titel: Antworten mit Zitat

Paulus ist, was die "Theorie" angeht, in der Tat wichtiger als Jesus.
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wuffi
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Beitrag(#1715306) Verfasst am: 31.12.2011, 15:23    Titel: Antworten mit Zitat

Das Christentum stand immer in dem Zwiespalt der Jesusworte : Alles was ihr diesen Kleinen antut habt ihr mir getan . Und die des Paulus : (Kol 3,22) "Ihr Sklaven, seid gehorsam in allen Dingen euren irdischen Herren!"
(1 Tim 6,1): "Alle, die als Sklaven unter dem Joch sind, sollen ihre Herren aller Ehre wert halten.
In der Geschichte behielten die Oberhand immer die Paulusanhänger
Ernst Bloch , Jürgen Moltmann , Dorothee Sölle , die Befreiungstheologen uvm. nahmen die Gegenseite
ein. Ein wichtiges Buch zum Thema ist Blochs '' Atheismus im Christentum ''
In ''Prinzip Hoffnung '' schreibt er : „Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat“
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
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Beitrag(#1715308) Verfasst am: 31.12.2011, 15:39    Titel: Antworten mit Zitat

Etwas einseitige Paulus-Lesart, die du da hast. Falls du an einer anderen Perspektive interessiert bist, lies mal "Die Zeit, die bleibt" von Giorgio Agamben.
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sehr gut
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Beitrag(#1715334) Verfasst am: 31.12.2011, 17:35    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums?

Statt dem 'glitschigen' und kaum fassbaren "Christentum" würde ich eher »Kirche« sagen - wo der Kapitalismus aufkam übernahm er die weltliche Macht die vorher die Kirche hatte. Die »Kirche« ist für mich eine weltliche Macht, und wo deren Macht ist da ist die Kirche.

Im Gewand des Kapitalismus haben die Kathedralen neue Formen, er gibt neue Ziele als Lebensziele, neue Hoffnungen und Verzweiflungen, neue Erlösungen und Verdammnisse, neue Freiheiten und Zwänge, usw - aber der 'Geist' dahinter kann derselbe sein der düstere Mittelalterkirchen hat bauen lassen.
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#1715339) Verfasst am: 31.12.2011, 17:47    Titel: Antworten mit Zitat

sehr gut hat folgendes geschrieben:
wo der Kapitalismus aufkam übernahm er die weltliche Macht die vorher die Kirche hatte.

Naja, eigentlich war es eher so, dass mit dem Kapitalismus und seinen neuen Produktionsformen auch neue Formen der Macht aufkamen, die die alten feudalen Formen zunehmend ablösten. Dies betraf aber eigentlich nicht nur das ("weltliche") Feudaleigentum der Kirche, sondern alles Feudaleigentum.
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#1715344) Verfasst am: 31.12.2011, 18:13    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
sehr gut hat folgendes geschrieben:
wo der Kapitalismus aufkam übernahm er die weltliche Macht die vorher die Kirche hatte.

Naja, eigentlich war es eher so, dass mit dem Kapitalismus und seinen neuen Produktionsformen auch neue Formen der Macht aufkamen, die die alten feudalen Formen zunehmend ablösten. Dies betraf aber eigentlich nicht nur das ("weltliche") Feudaleigentum der Kirche, sondern alles Feudaleigentum.

Geht es um die Macht, oder die Form in der sie auftritt?

Die Kirche stande ja für eine bestimmte Art der Macht, kann man da nicht sagen das die Kirche da ist wo diese bestimmte Macht ist (egal welche Form sie gerade annimmt) ?

Der Feudalismus ist eine Macht-Hierarchie, Bauern>Grundherren>Adlige, oder? Wieso sollte die Hierarchie die der Kapitalismus schafft etwas wesentlich anderes sein? Weil die Strukturen grösser geworden sind (weltweit handelnde Konzerne)?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#1715350) Verfasst am: 31.12.2011, 18:31    Titel: Antworten mit Zitat

sehr gut hat folgendes geschrieben:
Der Feudalismus ist eine Macht-Hierarchie, Bauern>Grundherren>Adlige, oder? Wieso sollte die Hierarchie die der Kapitalismus schafft etwas wesentlich anderes sein?

Die Frage ist nicht, wieso er etwas sein sollte, sondern was er ist. Hier nur ein paar Aspekte: Die Eigentumsordnung des Feudalismus basiert auf Grundeigentum, die des Kapitalismus auf Eigentum an Kapital. Ein Lohnarbeitsverhältnis ist auch etwas grundsätzlich anderes als ein Herrschafts-Knechtschafts-Verhältnis. Auch ist das Kapital mehr oder weniger darauf angewiesen, dass die Lohnarbeiter die von ihnen produzierten Güter im Großen und Ganzen wieder zurückkaufen. Deshalb spielt Lohnpolitik im Kapitalismus eine Rolle, während bei einem Herrschafts-Knechtschafts-Verhältnis feudaler Prägung davon überhaupt keine Rede sein kann. Und schließlich gibt es Machtformen, die es im Mittelalter noch gar nicht gab (z.B. Biomacht).
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Kival
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Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1715354) Verfasst am: 31.12.2011, 18:44    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das war soetwas wie Christentum ohne Kirche.

Gewissermaßen. Kirchliche Organisation hatte sich noch nicht herausgebildet. Der Fokus lag eher auf der Gemeinde.


Mein Eindruck war, dass Engels eigentlich kein realistisches Bild des Urchristentums hat(te). Muss das nochmal nachschauen, in welchem Werk ging es bei Engels ums Urchristentum?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#1715357) Verfasst am: 31.12.2011, 18:46    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Muss das nochmal nachschauen, in welchem Werk ging es bei Engels ums Urchristentum?

Das muss ich selbst nochmal nachschauen. Da ich im Moment nicht zuhause bin und im kommenden Monat viel zu tun habe, könnte das aber etwas dauern...
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Anmeldungsdatum: 23.12.2009
Beiträge: 1256

Beitrag(#1715423) Verfasst am: 01.01.2012, 12:46    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Etwas einseitige Paulus-Lesart, die du da hast. Falls du an einer anderen Perspektive interessiert bist, lies mal "Die Zeit, die bleibt" von Giorgio Agamben.

Das war nur ein Gedanke meiner Lesart , würde ich meine allseitige Lesart ausbreiten , könntest
du so auf 3 seiten scrollen , dazu habe ich keinen Bock und gehört auch nicht zum Thema .
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I.R
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Anmeldungsdatum: 08.10.2006
Beiträge: 9142

Beitrag(#1715425) Verfasst am: 01.01.2012, 13:12    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das war soetwas wie Christentum ohne Kirche.

Gewissermaßen. Kirchliche Organisation hatte sich noch nicht herausgebildet. Der Fokus lag eher auf der Gemeinde.


Mein Eindruck war, dass Engels eigentlich kein realistisches Bild des Urchristentums hat(te). Muss das nochmal nachschauen, in welchem Werk ging es bei Engels ums Urchristentum?

In "Zur Geschichte des Urchristentums"
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VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 3180

Beitrag(#1715427) Verfasst am: 01.01.2012, 13:17    Titel: Antworten mit Zitat

Nicht nur. Der Bezug wird auch wieder durch Engels Ausführungen zu den Bauernkriegen (Münzer etc.) hergestellt:


Friedrich Engels hat folgendes geschrieben:
Die Ketzerei der Städte...wandte sich hauptsächlich gegen die Pfaffen, deren Reichtümer und politische Stellung... Der Form nach reaktionär ... forderte die bürgerliche Ketzerei Herstellung der urchristlichen einfachen Kirchenverfassung und Aufhebung des Priesterstandes.
Einen (davon) ganz verschiedenen Charakter hatte die Ketzerei, die der direkte Ausdruck der bäurischen und plebejischen Bedürfnisse war und sich fast immer an einen Aufstand anschloß... Sie verlangte die Herstellung der urchristlichen Gleichheitsverhältnisse unter den Mitgliedern der Gemeinde und seine Anerkennung als Norm auch für die bürgerliche Welt. Sie zog von der "Gleichheit der Kinder Gottes" den Schluß auf die bürgerliche Gleichheit...

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Cyborg
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Anmeldungsdatum: 28.08.2008
Beiträge: 136
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Beitrag(#1717005) Verfasst am: 07.01.2012, 16:52    Titel: Antworten mit Zitat

Der Kapitalismus ist ein recht "modernes" Phänomen und steht nicht unbedingt in Verbindung mit dem Christentum. Doch der Protestantismus diente gewiss als "moralische" Rechtfertigung des freien Marktes. Dessen berühmtester Theoretiker Adam Smith verfasste selbst theologische Schriften und diente somit als wichtigster Bezugspunkt, zumindest im angelsächsischen Raum. Die Katholische Kirche hingegen, samt ihrer historischen Unterstützung für den Feudalismus und Ständegesellschaft, lässt sich eher mit den Libertären vergleichen. Libertäre würden am liebsten alles privatisieren und ihre privaten Despotien schaffen. Das würde in etwa wie das Deutschland des späten 18. Jahrhunderts aussehen. Statt Fürsten hätte man halt Konzerne.
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unquest
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Anmeldungsdatum: 10.10.2010
Beiträge: 3326

Beitrag(#1718846) Verfasst am: 14.01.2012, 13:02    Titel: Antworten mit Zitat

In diesem Zusammenhang sind vielleicht zwei Länderrankings für die heutige Situation interessant.

Index of Economic Freedom nach den Kategorien
► Eigentumsrechte ► Korruptionsfreiheit ► Steuerliche Freiheit ► Staatsausgaben ► Geschäftsfreiheit ► Arbeitsfreiheit ► Währungsfreiheit ► Handelsfreiheit ► Investitionsfreiheit ► Finanzfreiheit

und

der Grad der Religionsfreiheit für Christen.

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Argeleb
Misanthropischer Humanist



Anmeldungsdatum: 02.01.2010
Beiträge: 2056

Beitrag(#1718862) Verfasst am: 14.01.2012, 14:06    Titel: Re: Ist der Kapitalismus ein Kind des Christentums? Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:

Warum meinen Linke und SPD, Christen wären ihre idealen Partner in Fragen sozialer Gerechtigkeit?

Keine Ahnung, aber wieso glaubst du, Linke und SPD würden sich für soziale Gerechtigkeit interessieren?
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22259

Beitrag(#1718874) Verfasst am: 14.01.2012, 15:35    Titel: Antworten mit Zitat

unquest hat folgendes geschrieben:
In diesem Zusammenhang sind vielleicht zwei Länderrankings für die heutige Situation interessant.

Index of Economic Freedom nach den Kategorien
► Eigentumsrechte ► Korruptionsfreiheit ► Steuerliche Freiheit ► Staatsausgaben ► Geschäftsfreiheit ► Arbeitsfreiheit ► Währungsfreiheit ► Handelsfreiheit ► Investitionsfreiheit ► Finanzfreiheit

Na, was "ökonomische Freiheit" mit "Freiheit" zu tun hat, kann man da schön am Ergebnis ablesen.
Und vor allem stellt sich wohl die Frage "Für wen?".
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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unquest
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Anmeldungsdatum: 10.10.2010
Beiträge: 3326

Beitrag(#1718885) Verfasst am: 14.01.2012, 16:51    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
unquest hat folgendes geschrieben:
In diesem Zusammenhang sind vielleicht zwei Länderrankings für die heutige Situation interessant.

Index of Economic Freedom nach den Kategorien
► Eigentumsrechte ► Korruptionsfreiheit ► Steuerliche Freiheit ► Staatsausgaben ► Geschäftsfreiheit ► Arbeitsfreiheit ► Währungsfreiheit ► Handelsfreiheit ► Investitionsfreiheit ► Finanzfreiheit

Na, was "ökonomische Freiheit" mit "Freiheit" zu tun hat, kann man da schön am Ergebnis ablesen.
Und vor allem stellt sich wohl die Frage "Für wen?".

Dann stell dir doch einfach mal vor, dass du auswandern müsstest. Ich denke schon, dass du tendenziell ein Land favorisieren würdest, das in dem Ranking weiter oben steht.
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22259

Beitrag(#1718894) Verfasst am: 14.01.2012, 17:34    Titel: Antworten mit Zitat

unquest hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
unquest hat folgendes geschrieben:
In diesem Zusammenhang sind vielleicht zwei Länderrankings für die heutige Situation interessant.

Index of Economic Freedom nach den Kategorien
► Eigentumsrechte ► Korruptionsfreiheit ► Steuerliche Freiheit ► Staatsausgaben ► Geschäftsfreiheit ► Arbeitsfreiheit ► Währungsfreiheit ► Handelsfreiheit ► Investitionsfreiheit ► Finanzfreiheit

Na, was "ökonomische Freiheit" mit "Freiheit" zu tun hat, kann man da schön am Ergebnis ablesen.
Und vor allem stellt sich wohl die Frage "Für wen?".

Dann stell dir doch einfach mal vor, dass du auswandern müsstest. Ich denke schon, dass du tendenziell ein Land favorisieren würdest, das in dem Ranking weiter oben steht.

Singapur zB? Never.
Und ich würde auch gewiss nicht eher nach Bahrain auswandern als nach Luxemburg, nach Kasachstan eher als nach Frankreich, nach Russland eher als nach Argentinien.

Die "Freiheit", die hier mit ökonomischer Freiheit gemeint ist, ist ziemlich offensichtlich auschließlich die Freiheit, aus Geld ohne Rücksicht auf andere noch mehr Geld zu machen, und hat daher mit dem, was ich unter "Freiheit" verstehe, herzlich wenig zu tun.

Offenbar wird ja zB eine stärkere staatliche Tätigkeit schon an sich als Negativfaktor für ökonomische Freiheit gewertet. Das heißt, auch wenn etwas der Bevölkerung zugute kommt, indem es zB gerade die Handlungsmöglichkeiten der Bürger erhöhen kann (also mMn freiheitsfördernd wirkt, wie öffentliche Bildungs- und Gesundheitssysteme), von ihr auch befürwortet und demokratisch beschlossen wird, wird es hier als negativ für "ökonomische Freiheit" gewichtet, bloß weil es höhere Staatsausgaben bewirkt. Absurd.
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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