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Geschichte als Dogma?

 
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Frank
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Anmeldungsdatum: 31.07.2003
Beiträge: 6643

Beitrag(#1722002) Verfasst am: 25.01.2012, 22:03    Titel: Geschichte als Dogma? Antworten mit Zitat

Tagesspiegel: Geschichte als Dogma

Zitat:

Der historische Erkenntnisprozess wird nicht durch juristische Festschreibungen, so gut gemeint sie auch sein mögen, gesteuert. Erkenntnis lebt vom Widerspruch. Auch die erfolgreiche Ächtung der Holocaustleugnung in Deutschland ist schließlich keine Reaktion auf die Gesetzgebung. In einer Demokratie kann niemand „ein richtiges, vom Staat verwaltetes Geschichtsbild“ wollen, sagt der ehemalige Verfassungsrichter Winfried Hassemer.

Leugnungsverbote führen die Rechtsordnung in unauflösbare Widersprüche, wenn sie beginnen muss, zu unterscheiden: Warum dürfen die stalinistischen Verbrechen oder auch die eigenen Kolonialverbrechen in Frankreich weiter abgestritten werden?


Ich finde eine berechtigte Frage. Was meint Ihr?
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Religionskritik-Wiesbaden
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Anmeldungsdatum: 04.11.2008
Beiträge: 10333
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag(#1722024) Verfasst am: 25.01.2012, 23:29    Titel: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

So ein bisschen Gedankensalat dazu.

1. Geschichte ist keine Wissenschaft. Sie schafft kein Wissen. Historiker bedienen sich lediglich wissenschaftlicher Methoden und 'versuchen' mit diesen Erklärungsmodelle für Abläufe in der Geschichte zu liefern.

2. Es gibt in der Geschichte 'unumstößliche' Fakten. Die Shoa gehört hier dazu. Zweifeln kann man nach meinem dafürhalten immer an den Zahlen, oder dem wer wie viel wusste, etc. anbringen, oder wer beteiligt war - aber an der Shoa ändert dies nichts. Wer aber versucht, die Shoa möglichst klein zu reden, die Zahlen möglichst niedrig zu setzen - steht nun mal einem riesigen Berg an Gegenbeweisen entgegen. Ein ernsthafter Historiker, der mit Quellen arbeitet, kann diese nicht ernsthaft ignorieren,
sehr wohl gibt es in der Zunft welche, die das machen, aber diese sind im wissenschaftlichen Betrieb isoliert.

3. Sollten nun Tatsachen wie die Shoa juristisch geschützt werden?
Da bin ich noch unentschieden. Die Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut.
Das aber, wie im Artikelzitat behauptet, Erkenntnis vom Widerspruch lebt, halte ich für dumm. Erkenntnis in der Forschung zum Dritten Reich und seiner Massenmorde braucht keinen Widerspruch durch interessierte Kreise (Nazis, in den Massenmord verstrickte Unternehmerdynastien, etc., etc.). Auch die Evolutionstheorie braucht keine Kreationisten. Niemand braucht Knüppel zwischen den Beinen. Der Autor geht wohl von Forschung aus, die so funktioniert wie die schöne freie Wirtschaft, wo mehrere Unternehmen ähnliche Produkte anbieten und am Ende der Verbraucher dann von der Angebotspalette profitiert. Der Herr Schuller scheint da doch etwas sehr schräg zu denken.
Sehr wohl kann es aber immer gut für die Forschung sein, ein Thema von unterschiedlichen Punkten aus zu betrachten, oder mit unterschiedlichen Teams zum selben Thema zu forschen.

4. Neben unumstößlichen Fakten bzw. Ereignissen gibt es vieles, was in der Geschichtswissenschaft gedeutet wird und dann bedauerlicherweise als Tatsache dargestellt wird. Das Geschichtsfernsehen wie es Guido Knopp bei uns öffentlich-rechtlich zelebriert - funktioniert so. Alles verschwimmt in einem Brei von Erzählungen und Rollenspieleinblendungen. Historische Ereignisse werden fast nur noch aus der Perspektive irgendwelcher Zeitzeugen erzählt. Historiker tauchen dann meist nur noch als Stichwortgeber auf - sind nur noch das Verbindungsstück zum nächsten Zeitzeugen.

5.
Zitat:
Leugnungsverbote führen die Rechtsordnung in unauflösbare Widersprüche, wenn sie beginnen muss, zu unterscheiden: Warum dürfen die stalinistischen Verbrechen oder auch die eigenen Kolonialverbrechen in Frankreich weiter abgestritten werden?


In Deutschland hat sich dereinst die Frau Wieczorek-Zeul auch nicht bei ihrem Namibia-Besuch für den Genozid 'entschuldigt', weil sie den dortigen Nachfahren damit nicht die Türen für Entschädigungszahlungen öffnen wollte.
Natürlich kann jemand die Kolonialverbrechen Frankreichs leugnen - aber den kann man doch dann schön bloß stellen. Das französische Geschichtsdenken hat aber auch leider Einzug in das achso viel gepriesene Deutsch-französische Geschichtsbuch gehalten. Aber vielleicht fürchten sich die Franzosen auch vor einer offiziellen Anerkennung dieser Schuld, da sie sich vor den rechtlichen Konsequenzen fürchten. Bei der Anerkennung eines Armeniergenozids ist dies natürlich leichter für sie.

Gedankensalat Ende.
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sehr gut
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#1722028) Verfasst am: 25.01.2012, 23:33    Titel: Antworten mit Zitat

»Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.«

Das "in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören" könnte zeigen worum es geht. Bei anderen Leugnungen wird dies wohl nicht erwartet.

Der Genozid der Sowjets, der Holodomor, wird in Russland geleugnet, in der Ukraine dagegen wird dessen Leugnung bestraft.

Und als Frankreich den Massenmord der Armenier durch die Türken/Osmanen als Genozid bezeichnete da wurde Erdogan 'ganz anders' - dieser Streit dreht sich um Dinge die vor fast 100 Jahren passiert sein sollen, da wird es wohl nicht nur um Gedenken der Opfer gehen sondern auch um Einflussnahme auf ein Land, ein schlechtes Image können sich Export/Tourismus-Nationen nicht erlauben. Um dies zu verhindern oder zu ermöglichen (je nach Seite) wird verboten oder als Genozid gekennzeichnet.
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Religionskritik-Wiesbaden
homo est creator Dei



Anmeldungsdatum: 04.11.2008
Beiträge: 10333
Wohnort: Wiesbaden

Beitrag(#1722039) Verfasst am: 25.01.2012, 23:46    Titel: Kein Genozid Antworten mit Zitat

sehr gut hat folgendes geschrieben:
(...)

Der Genozid der Sowjets, der Holodomor, wird in Russland geleugnet, in der Ukraine dagegen wird dessen Leugnung bestraft.
(...)


Eher Politizid:
Code:
Heinsohn
verwendet ja den Begriff des Politizids im verlinkten Artikel, der es auch eher trifft.
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sehr gut
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#1722040) Verfasst am: 25.01.2012, 23:54    Titel: Re: Kein Genozid Antworten mit Zitat

Religionskritik-Wiesbaden hat folgendes geschrieben:
sehr gut hat folgendes geschrieben:
(...)

Der Genozid der Sowjets, der Holodomor, wird in Russland geleugnet, in der Ukraine dagegen wird dessen Leugnung bestraft.
(...)


Eher Politizid:
Code:
Heinsohn
verwendet ja den Begriff des Politizids im verlinkten Artikel, der es auch eher trifft.

"Dieses gesamte Vorgehen wird von Heinsohn als Mischung von Politizid und Genozid bezeichnet, ..."

Politizid/Demozid: "...vorsätzliche Massentötungen von bestimmten Menschengruppen durch eine Regierung.."
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Telliamed
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Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1722061) Verfasst am: 26.01.2012, 00:57    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Religionskritik-Wiesbaden hat folgendes geschrieben:
So ein bisschen Gedankensalat dazu.

1. Geschichte ist keine Wissenschaft. Sie schafft kein Wissen. Historiker bedienen sich lediglich wissenschaftlicher Methoden und 'versuchen' mit diesen Erklärungsmodelle für Abläufe in der Geschichte zu liefern.


Laß das bloß nicht die Kollegen von der Historischen Fakultät hören! zwinkern

Zur Erklärung jetzt recht anregend ein Literaturtipp. Lesbar geschrieben, obwohl der Mann Philosoph ist, zwinkern und gar nicht mal umfangreich:

Robert Schnepf: Geschichte erklären. Grundprobleme und Grundbegriffe. Göttingen 2011.

Die Geschichte des Verbots der Holocaustleugnung in Deutschland und den anderen deutschsprachigen Ländern kann selbst nur historisch erklärt werden, wobei man mit dem Jahr des Schwurs von Buchenwald und des Potsdamer Abkommens beginnen müsste.

Leugnungsverbote in anderen Ländern haben ebenfalls ihre Geschichte, die ebenfalls aufgedröselt werden sollte.
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soulreaver
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Anmeldungsdatum: 08.11.2007
Beiträge: 649

Beitrag(#1722074) Verfasst am: 26.01.2012, 05:53    Titel: Re: Geschichte als Dogma? Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
Tagesspiegel: Geschichte als Dogma

Zitat:

Der historische Erkenntnisprozess wird nicht durch juristische Festschreibungen, so gut gemeint sie auch sein mögen, gesteuert. Erkenntnis lebt vom Widerspruch. Auch die erfolgreiche Ächtung der Holocaustleugnung in Deutschland ist schließlich keine Reaktion auf die Gesetzgebung. In einer Demokratie kann niemand „ein richtiges, vom Staat verwaltetes Geschichtsbild“ wollen, sagt der ehemalige Verfassungsrichter Winfried Hassemer.

Leugnungsverbote führen die Rechtsordnung in unauflösbare Widersprüche, wenn sie beginnen muss, zu unterscheiden: Warum dürfen die stalinistischen Verbrechen oder auch die eigenen Kolonialverbrechen in Frankreich weiter abgestritten werden?


Ich finde eine berechtigte Frage. Was meint Ihr?


Weil der Holocaust das Nonplusultra aller Menschheitsverbrechen darstellt. Allerdings halte ich grundsätzlich nichts von Meinungsverboten. Das Verbot der Holocaustleugnung oder - wie am Beispiel Frankreich und die Völkermordleugnung - sollte generell abgeschafft werden. Anstelle solcher Verbote sollten dagegen solche Leugner aufgefordert werden, ihre Anti-Thesen zu beweisen. Können sie das nicht, sollten diese Leute öffentlich als unglaubwürdig hingestellt werden.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#1722080) Verfasst am: 26.01.2012, 07:55    Titel: Re: Geschichte als Dogma? Antworten mit Zitat

soulreaver hat folgendes geschrieben:
Anstelle solcher Verbote sollten dagegen solche Leugner aufgefordert werden, ihre Anti-Thesen zu beweisen. Können sie das nicht, sollten diese Leute öffentlich als unglaubwürdig hingestellt werden.

Klar. In der Weimarer Republik hat's ja auch ganz fantastisch funktioniert, die Nazis und ihren Unsinn einfach nur immer wieder öffentlich zu diskreditieren...
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Fake
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Anmeldungsdatum: 11.11.2011
Beiträge: 3548

Beitrag(#1722102) Verfasst am: 26.01.2012, 10:42    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Religionskritik-Wiesbaden hat folgendes geschrieben:
Es gibt in der Geschichte 'unumstößliche' Fakten.
[...]
Die Meinungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut.

Hier stellt sich vorab die Frage, ob Fakten überhaupt der Meinungsfreiheit unterliegen. Die Meinungsfreiheit schützt Meinungen. Meinungen sind subjektive Wertungen. Faktenbehauptungen sind entweder objektiv wahr oder objektiv falsch. Eine Meinung kann man dazu doch eigentlich gar nicht haben.

Über das Atomgewicht von Blei kann man nicht unterschiedlicher Meinung sein. Mann kann zu unterschiedlichen Messergebnissen kommen. Das ist aber keine Frage von Freiheit. Ein Physiker kann seine Messergebnisse gegenüber einen anderen Physiker nicht mit der Meinungsfreiheit begründen. Er muss sie schon wissenschaftlich begründen.

Ähnlich ist es mit dem Holocaust. Eine Meinung kann man zu seiner historischen Bedeutung haben. Zu der Frage ob er stattgefunden hat oder nicht aber nicht.

Wenn es um die Frage geht ob ein Fakt wahr oder falsch ist, also um den Verifizierungsprozess, dann wäre wohl die Freiheit der Lehre und Forschung einschlägig. Aber sobald das Ergebnis feststeht, dürfte sich das Thema erledigt haben, bis neue tatsächliche Zweifel an dem Fakt auftreten.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#1722134) Verfasst am: 26.01.2012, 12:51    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
Über das Atomgewicht von Blei kann man nicht unterschiedlicher Meinung sein. Mann kann zu unterschiedlichen Messergebnissen kommen.

Naja. Das eigentliche Problem besteht doch darin, eine klare Grenze zwischen diesen und anderen Fällen zu ziehen.
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sehr gut
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
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Beitrag(#1722148) Verfasst am: 26.01.2012, 13:35    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Das eigentliche Problem besteht doch darin, eine klare Grenze zwischen diesen und anderen Fällen zu ziehen.

Wenn es denn um die "Fälle" geht und nicht um die Auswirkungen von Leugnung bzw der Erklärung eines Genozids.

Zumindest bei dem fast 100 Jahre zurückliegenden Armenien-Genozid scheint es weniger um Gedenken zu gehen, da wird die aufstrebende und 'bockige' Macht Türkei auch mit denunziert.
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Fake
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Anmeldungsdatum: 11.11.2011
Beiträge: 3548

Beitrag(#1722182) Verfasst am: 26.01.2012, 16:02    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Fake hat folgendes geschrieben:
Über das Atomgewicht von Blei kann man nicht unterschiedlicher Meinung sein. Mann kann zu unterschiedlichen Messergebnissen kommen.

Naja. Das eigentliche Problem besteht doch darin, eine klare Grenze zwischen diesen und anderen Fällen zu ziehen.

Richtig. Und das ist der Job von Fachleuten (Historiker, Physiker, Mediziner... je nach Thema). Erst wenn die mit ihrer Arbeit fertig sind, können andere damit beginnen, sich Meinungen zu bilden.

Beispiel: der Contergan-Skandal Anfang der 60er Jahre. Damals konnten die Gerichte den Fall zunächst nicht entscheiden, weil die Wirkung des Medikamentes und die Kausalität für die Missbildungen nicht bekannt waren. Die rechtliche Bewertung konnte erst nach der naturwissenschaftlchen Erklärung des Sachverhaltes erfolgen.
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Porphyroeides
Schatten



Anmeldungsdatum: 21.02.2008
Beiträge: 2022
Wohnort: Heidelberg

Beitrag(#1722193) Verfasst am: 26.01.2012, 16:13    Titel: Re: Geschichte als Dogma? Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
Tagesspiegel: Geschichte als Dogma

Zitat:

Der historische Erkenntnisprozess wird nicht durch juristische Festschreibungen, so gut gemeint sie auch sein mögen, gesteuert. Erkenntnis lebt vom Widerspruch. Auch die erfolgreiche Ächtung der Holocaustleugnung in Deutschland ist schließlich keine Reaktion auf die Gesetzgebung. In einer Demokratie kann niemand „ein richtiges, vom Staat verwaltetes Geschichtsbild“ wollen, sagt der ehemalige Verfassungsrichter Winfried Hassemer.

Leugnungsverbote führen die Rechtsordnung in unauflösbare Widersprüche, wenn sie beginnen muss, zu unterscheiden: Warum dürfen die stalinistischen Verbrechen oder auch die eigenen Kolonialverbrechen in Frankreich weiter abgestritten werden?


Ich finde eine berechtigte Frage. Was meint Ihr?


Es finden keine richtigen Debatten mehr statt, und man versucht sich hilflos mit Verboten zu helfen.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#1722195) Verfasst am: 26.01.2012, 16:21    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
Richtig. Und das ist der Job von Fachleuten (Historiker, Physiker, Mediziner... je nach Thema).

Du kriegst auch keine scharfe Grenze zwischen Fachleuten und Nicht-Fachleuten hin. Ist ein Holocaustleugner, der an einer Uni zwanzig Jahre Geschichte studiert hat, nun ein Fachmann für Geschichte oder nicht?

sehr gut hat folgendes geschrieben:
Wenn es denn um die "Fälle" geht und nicht um die Auswirkungen von Leugnung bzw der Erklärung eines Genozids.

Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Ich halte die Holocaustleugnung selbstverständlich auch für einen eindeutigen Fall der Leugnung einer feststehenden Tatsache. Und ich bin auch für ein Verbot.
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Fake
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Anmeldungsdatum: 11.11.2011
Beiträge: 3548

Beitrag(#1723320) Verfasst am: 30.01.2012, 10:11    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Fake hat folgendes geschrieben:
Richtig. Und das ist der Job von Fachleuten (Historiker, Physiker, Mediziner... je nach Thema).

Du kriegst auch keine scharfe Grenze zwischen Fachleuten und Nicht-Fachleuten hin. Ist ein Holocaustleugner, der an einer Uni zwanzig Jahre Geschichte studiert hat, nun ein Fachmann für Geschichte oder nicht?

Ich würde ihm zumindest einen Kompetenzvorschuss geben. Letztlich kommt es aber darauf an, wie er seinen Standpunkt inhaltlich inhaltlich begründet.

Ich wollte letztlich auf den Unterschied zwischen Abstimmung und Diskussion hinaus. Für eine Abstimmung reicht eine Meinung. Die muss auch nicht begründet sein oder werden. Ich kann einfach "dafür" oder "dagegen" sein.

In einer Diskussion ist eine Meinung zu wenig. In einer Diskussion muss der Standpunkt begründet werden. Das wird mir zu oft verwischt. Immer mehr Menschen scheinen zu glauben, sie könnten mit einer Meinung mitdiskutieren. Das darf man ihnen nicht durchgehen lassen. Man muss sie zwingen, ihnen Standpunkt zu begründen.

In einer Diskussion sollten Fachleute den Nichtfachleuten tendenziell überlegen sein. Deswegen sollten sie in der Lage sein, andere auf ihre (= die richtige) Seite zu ziehen. Deswegen halte ich die Kombination aus Diskussion und Abstimmung für den best möglichen Kompromiss zu Entscheidungsfindung.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#1723330) Verfasst am: 30.01.2012, 11:05    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
Immer mehr Menschen scheinen zu glauben, sie könnten mit einer Meinung mitdiskutieren. Das darf man ihnen nicht durchgehen lassen. Man muss sie zwingen, ihnen Standpunkt zu begründen.

Was du nicht sagst. Wie willst du das denn machen? Ihnen eine Waffe an den Kopf halten?
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Xamanoth
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Anmeldungsdatum: 07.04.2006
Beiträge: 7962

Beitrag(#1723356) Verfasst am: 30.01.2012, 12:04    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich halte die Holocaustleugnung selbstverständlich auch für einen eindeutigen Fall der Leugnung einer feststehenden Tatsache. Und ich bin auch für ein Verbot.


Ich nicht. Ich wäre sogar dafür, den Holocaust zu glorifizieren straffrei zu halten.
Aber natürlich kann man das mit guten Gründen anders sehen.
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Vobro
Privatnachdenker



Anmeldungsdatum: 10.11.2011
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Beitrag(#1723378) Verfasst am: 30.01.2012, 12:36    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Xamanoth hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich halte die Holocaustleugnung selbstverständlich auch für einen eindeutigen Fall der Leugnung einer feststehenden Tatsache. Und ich bin auch für ein Verbot.


Ich nicht. Ich wäre sogar dafür, den Holocaust zu glorifizieren straffrei zu halten.
Aber natürlich kann man das mit guten Gründen anders sehen.


Wir haben Gedanken- und Meinungsfreiheit und das ist das ist ein äußerst kostbares Gut.

Kann man jemandem verbieten, seine Meinung zu sagen? Auch wenn es die Holocaustleugung ist, es würde gegen das Recht der freien Meinungsäußerung verstoßen. Meinungsäußerung ist nicht automatisch das, was man als Volksverhetzung bezichnet.

Ich erkläre einen Holocaustleugner entweder für schlichtweg dumm oder für ideologisch verblendet, aber ich persönlich würde einem solchen Menschen seine Meinungsäußerung nicht verbieten wollen, sehe dafür auch keine Rechtsgrundlage, die mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung vereinbart werden kann.

Aber das ist die persönliche oder private Ebene, etwas anderes wäre es natürlich, wenn jemand z.B. als Lehrer im Geschichtsunterricht die Holocaustleugnung vortragen würde, das müßte natürlich geahndet werden.
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Fake
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Anmeldungsdatum: 11.11.2011
Beiträge: 3548

Beitrag(#1723383) Verfasst am: 30.01.2012, 12:49    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Fake hat folgendes geschrieben:
Immer mehr Menschen scheinen zu glauben, sie könnten mit einer Meinung mitdiskutieren. Das darf man ihnen nicht durchgehen lassen. Man muss sie zwingen, ihnen Standpunkt zu begründen.

Was du nicht sagst. Wie willst du das denn machen? Ihnen eine Waffe an den Kopf halten?

Nein, aber ich würde z.B. nicht begründeten Meinungen die Teilhabe an Entscheidungsprozessen verwehren. Wer seine Meinung nicht sachlich begründen kann, nimmt nicht an der Abstimmung teil.

Nicht begründete Meinungen fallen nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit.

Davon zu unterscheiden sind natürlich reine Geschmacksfragen. Ich spreche hier nur von Meinungen, die einen objektiv überprüfbaren Kern haben. Dabei sind keine hohen Anforderungen an die Qualität Begründung zu stellen. Irgendeine sachliche Begründung würde ich gelten lassen. Aber die muss schon sein.
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
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Beitrag(#1723392) Verfasst am: 30.01.2012, 13:04    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
Nicht begründete Meinungen fallen nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit.

Und wer entscheidet wann etwas "begründet" ist? Gibt es da irgendeine schwarze+rote Liste von Wissensquellen(und damit auch einen Zensor)?

Für mich ist z.B. die Pulverisierung der 3 Stahltürme vom 11. September 2001 (ohne das dem nachgeholfen wurde) eine absurde Geschichte - ist sie "begründet" weil die Story der Massenmedien dies so aufzeigt? Oder gilt der Verweis auf 1660 Architekten/Ingenieure die diese Geschichte anzweifeln als Begründung?
Würde auch 1 Fachmann reichen? Muß man selbst Fachmann sein?
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Xamanoth
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Anmeldungsdatum: 07.04.2006
Beiträge: 7962

Beitrag(#1723398) Verfasst am: 30.01.2012, 13:25    Titel: Re: Fakten, Fakten, Fakten - gibt es seltenst in bunten Blättern am Kiosk Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:

Nicht begründete Meinungen fallen nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit.

Falsch.

Zitat:
Davon zu unterscheiden sind natürlich reine Geschmacksfragen. Ich spreche hier nur von Meinungen, die einen objektiv überprüfbaren Kern haben. Dabei sind keine hohen Anforderungen an die Qualität Begründung zu stellen. Irgendeine sachliche Begründung würde ich gelten lassen. Aber die muss schon sein.

Sachlich unzulängliche Vermischung von Tatsachen und Meinungen mit Tatsachenkern.
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satsche
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Anmeldungsdatum: 30.07.2006
Beiträge: 2091
Wohnort: Südhessen

Beitrag(#1732263) Verfasst am: 25.02.2012, 22:21    Titel: Re: Geschichte als Dogma? Antworten mit Zitat

Frank hat folgendes geschrieben:
Tagesspiegel: Geschichte als Dogma

Zitat:

Der historische Erkenntnisprozess wird nicht durch juristische Festschreibungen, so gut gemeint sie auch sein mögen, gesteuert. Erkenntnis lebt vom Widerspruch. Auch die erfolgreiche Ächtung der Holocaustleugnung in Deutschland ist schließlich keine Reaktion auf die Gesetzgebung. In einer Demokratie kann niemand „ein richtiges, vom Staat verwaltetes Geschichtsbild“ wollen, sagt der ehemalige Verfassungsrichter Winfried Hassemer.

Leugnungsverbote führen die Rechtsordnung in unauflösbare Widersprüche, wenn sie beginnen muss, zu unterscheiden: Warum dürfen die stalinistischen Verbrechen oder auch die eigenen Kolonialverbrechen in Frankreich weiter abgestritten werden?


Ich finde eine berechtigte Frage. Was meint Ihr?


Die Frage ist doch, ob uns nicht mit dem Dauerbrenner „Ächtung der Holocaustleugnung“ Sand in die Augen gestreut werden soll?

Bundespräsidentenimmunität??

»Staatenimmunität« !!

„…Ein Schrank im römischen Palazzo Cesi, dem Sitz der Militärjustiz, in dem die von den Alliierten in erster Stunde ermittelten Erkenntnisse von 695 Verbrechen (in 280 Fällen gegen »unbekannt«, aber in 415 gegen namentlich benannte Täter) gestapelt waren, wurde einfach mit den Türen zur Wand gedreht – bis 1994 jemand diesen »Schrank der Schande« (»L’armadio della vergogna«, Buch von Franco Giustolisi, der als erster darüber berichtete) von der Wand abrückte und öffnete…“

„…Das Urteil, das eine lange Tradition deutscher Unrechtsprechung fortführt, steht in eklatantem Widerspruch zu den im globalen Kontext gewachsenen Bemühungen, Staatsgrenzen zu lockern, internationales Recht, Menschenrechte und Ansprüche von Staatsbürgern zu stärken. Ganz abgesehen von der Tatsache, daß es gerade die Bundesrepublik Deutschland ist, die mit ökonomischer Macht heute die Aufhebung der Souveränität eines Staates wie Griechenland verlangt. Angesichts solch offensichtlicher Diskrepanzen darf sich niemand wundern, wenn im südlichen Ausland, wo der europäische Demokratie-Lack rasch abblättert, wieder ein abstoßendes Bild deutscher Arroganz und Macht entsteht…“

„…Ob man von Monti erwarten kann, daß er Kanzlerin Merkel bei ihrem nächsten Treffen auf die Gefahren für die Zukunft der Menschenrechte anspricht, die sich aus der deutschen de facto-Verneinung des »Menschenrechtes auf Leben« ergeben?“

http://www.sopos.org/aufsaetze/4f4206d1af4cb/1.phtml

Aktuell jedenfalls mit Blick auf die für Montag angesetzte Sondersitzung des Bundestages inklusive der von Schäuble angedrohten Weiterungen. Auch engagierte Medien werden sich hier zwischen Baum und Borke wiederfinden.

Unterstreichungen und Fettung von mir.
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Keiner hat das Recht zu gehorchen. Hannah A.
Das, was lebt, ist etwas anderes als das, was denkt. G. Benn
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Desperadox
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Anmeldungsdatum: 18.01.2012
Beiträge: 2246
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1732265) Verfasst am: 25.02.2012, 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

Was ist denn mit "der deutschen de facto-Verneinung des »Menschenrechtes auf Leben« " genau gemeint?Wem wird das Recht auf Leben abgesprochen?
Vielleicht habe ich den Text ja nicht vollständig verstanden. Schulterzucken
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SUUM CUIQUE
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