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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1750278) Verfasst am: 05.05.2012, 14:58 Titel: Ist die Philosophie zur Aufklärung geeignet? |
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Durch die, meines Empfindens nach sehr interessante Diskussion in diesem Thread kam bei mir die Frage auf, ob die Philosophie nicht eher ungeeignet ist für die Aufklärung der Menschheit.
Die Philosophie hat über die Jahrhunderte Worte wie Transzendenz kreiert und steht damit der Dreifaltigkeit/Dreieinigkeit der christlichen Theologen in nichts nach.
Diese Worte sind sinnlose Bezeichnungen, denn entweder gibt es keine reale Entsprechung oder sie implizieren Widersprüche, die dazu führen, dass sich die Begriffe selbst ad absurdum führen.
Ist die Philosophie tatsächlich nötig? Oder ist sie ein doch nur ein Hindernis?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1750281) Verfasst am: 05.05.2012, 15:08 Titel: Re: Ist die Philosophie zur Aufklärung geeignet? |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Ist die Philosophie tatsächlich nötig? Oder ist sie ein doch nur ein Hindernis? |
Ich halte es für unangemessen, von "der" Philosophie zu sprechen. Insbesondere wenn du eine historische Perspektive einnimmst, was du ja tust, wenn du kritisch anmerkst, was Philosophen so für Begriffe entwickelt haben und was für Diskussionen sich daraus ergeben haben. Für einen solchen Zugang gibt einfach zu viele Ansätze, die unter dem Titel "Philosophie" laufen.
Zunächst einmal müsste man also klären, was Philosophie überhaupt ist oder sein soll. Und dann bzw. dabei lässt sich auch fragen, ob man sie denn "braucht".
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1750282) Verfasst am: 05.05.2012, 15:15 Titel: Re: Ist die Philosophie zur Aufklärung geeignet? |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Ist die Philosophie tatsächlich nötig? Oder ist sie ein doch nur ein Hindernis? |
Ich halte es für unangemessen, von "der" Philosophie zu sprechen. Insbesondere wenn du eine historische Perspektive einnimmst, was du ja tust, wenn du kritisch anmerkst, was Philosophen so für Begriffe entwickelt haben und was für Diskussionen sich daraus ergeben haben. Für einen solchen Zugang gibt einfach zu viele Ansätze, die unter dem Titel "Philosophie" laufen.
Zunächst einmal müsste man also klären, was Philosophie überhaupt ist oder sein soll. Und dann bzw. dabei lässt sich auch fragen, ob man sie denn "braucht". |
Ich meine alles, was über die Naturwissenschaften hinausgeht. Also tatsächlich die gesamte Philosophie inklusiver aller Strömungen, Richtungen, Schulen etc..
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1750283) Verfasst am: 05.05.2012, 15:20 Titel: Re: Ist die Philosophie zur Aufklärung geeignet? |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Ich meine alles, was über die Naturwissenschaften hinausgeht. |
D. h. alle Bemühungen, Erkenntnisse irgendwelcher Art zu gewinnen, die sich nicht auf naturwissenschaftliche Erklärungen reduzieren lassen? Also z. B. auch Literaturwissenschaften und dergleichen?
Zitat: | Also tatsächlich die gesamte Philosophie inklusiver aller Strömungen, Richtungen, Schulen etc.. |
Dann finde ich das Thema problematisch. Denn ich halte nicht alle Strömungen, Richtungen, Schulen etc. der Philosophie für gleich sinnvoll.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1750286) Verfasst am: 05.05.2012, 15:43 Titel: |
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Ich finde, daß die Philosophie, auch ihre heute als falsch oder irrational erkannten Ansätze, früher eine wesentliche und nützliche Rolle spielte, einfach weil zu diesen Zeiten die Reflektionsmethode der noch eher kümmerlichen wissenschaftlichen Methode oft überlegen war.
Heute dagegen sehe ich das eher kritisch: Die klassischen Kernfragen der Philosophie, insbsondere die auf ein stimmiges Weltmodell ausgerichteten, können heute nicht mehr von Philosophen bearbeitet werden, weil ihre Beantwortung zuviel naturwissenschaftliches Grundwissen erfordert. Ein rein philosophisch gebildeter Autor macht sich heute mE lächerlich, wenn er etwa über das Wesen von Zeit, Kausalität, Bewußtsein, Willensfreiheit oder dgl. schwadroniert.
Aber es gibt natürlich Bereiche der Philosophie, die auch heute noch Sinn machen und nicht so einfach durch Naturwissenschaft ersetzbar sind, etwa praktische Ethik. Und dann gibt es auch noch Bereiche, in denen die Philosophie selbst eigentlich "Natur"wissenschaft betreibt, etwa wenn es um Grammatik, Logik, Semantik, Sprache und dgl. geht, oder wenn Philosophie analytisch betrieben wird (experimentelle Philosophie usw.). Ich kenne sicher auch nicht alle Zweige der modernen Philosophie, muß ich zugeben.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1750291) Verfasst am: 05.05.2012, 16:25 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Ein rein philosophisch gebildeter Autor macht sich heute mE lächerlich, wenn er etwa über das Wesen von Zeit, Kausalität, Bewußtsein, Willensfreiheit oder dgl. schwadroniert. |
Ein rein philosophisch gebildeter Autor schreibt sowieso nur Kommentare zur kantischen Kategorientafel, die dann in irgendwelchen Bibliotheken eingelagert werden. Philosophen, die heute wirklich in der Diskussion sind, sind fast immer auch anderweitig belesen.
Dass ein Autor effektiv nur Themen bearbeiten kann, mit denen er sich auskennt, ist übrigens eine relative Trivialität.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1750293) Verfasst am: 05.05.2012, 16:42 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Philosophen, die heute wirklich in der Diskussion sind, sind fast immer auch anderweitig belesen. |
Wie ist denn das im Studium? Gehören da beispielsweise Relativitätstheorie, Quantenphysik, Evolutionsbiologie und Hirnforschung wenigstens ein paar Semester lang zum Pflichtprogramm?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1750298) Verfasst am: 05.05.2012, 17:32 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Wie ist denn das im Studium? Gehören da beispielsweise Relativitätstheorie, Quantenphysik, Evolutionsbiologie und Hirnforschung wenigstens ein paar Semester lang zum Pflichtprogramm? |
Wissenschaftstheorie gehört schon zum Pflichtprogramm, und da bekommt man natürlich auch naturwissenschaftliche Inhalte mit. Aber das ist nicht der Punkt. Philosophie ist ja auch für Quantenphysiker nicht Pflichtprogramm und trotzdem gehen manche von ihnen über die bloße naturwissenschaftliche Arbeit mit ihren Modellen hinaus weit in die philosophische Deutung hinein - andere hingegen eben nicht. Wer als Philosoph sich nicht mit Naturwissenschaft befasst hat, der kann eben in dem Bereich auch nicht mitreden. Und wer als Naturwissenschaftler sich nicht mit Philosophie befasst hat, der muss nicht glauben, eine vernünftige philosophische Deutung seiner wissenschaftlichen Modelle abliefern zu können. Und das muss er ja auch nicht können, um als Physiker mit ihnen arbeiten zu können. Aber wenn er in den Bereich der Philosophie übergeht, dann muss das eben auch den Anforderungen genügen, die in dem Bereich an die Theoriebildung gestellt werden. Oder zumindest sollte er diese Anforderungen kennen. Umgekehrt ist das ja auch nicht anders.
Mit "anderweitig belesen" meinte ich übrigens nicht nur naturwissenschaftlich. Ich selbst bin z.B. eher gesellschaftswissenschaftlich orientiert. Aber wenn ich von einem Thema keine Ahnung habe, dann schreib' ich dazu halt nichts.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1750300) Verfasst am: 05.05.2012, 17:44 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wie ist denn das im Studium? Gehören da beispielsweise Relativitätstheorie, Quantenphysik, Evolutionsbiologie und Hirnforschung wenigstens ein paar Semester lang zum Pflichtprogramm? |
Wissenschaftstheorie gehört schon zum Pflichtprogramm, und da bekommt man natürlich auch naturwissenschaftliche Inhalte mit. Aber das ist nicht der Punkt. Philosophie ist ja auch für Quantenphysiker nicht Pflichtprogramm und trotzdem gehen manche von ihnen über die bloße naturwissenschaftliche Arbeit mit ihren Modellen hinaus weit in die philosophische Deutung hinein - andere hingegen eben nicht. Wer als Philosoph sich nicht mit Naturwissenschaft befasst hat, der kann eben in dem Bereich auch nicht mitreden. Und wer als Naturwissenschaftler sich nicht mit Philosophie befasst hat, der muss nicht glauben, eine vernünftige philosophische Deutung seiner wissenschaftlichen Modelle abliefern zu können. Und das muss er ja auch nicht können, um als Physiker mit ihnen arbeiten zu können. Aber wenn er in den Bereich der Philosophie übergeht, dann muss das eben auch den Anforderungen genügen, die in dem Bereich an die Theoriebildung gestellt werden. Oder zumindest sollte er diese Anforderungen kennen. Umgekehrt ist das ja auch nicht anders.
Mit "anderweitig belesen" meinte ich übrigens nicht nur naturwissenschaftlich. Ich selbst bin z.B. eher gesellschaftswissenschaftlich orientiert. Aber wenn ich von einem Thema keine Ahnung habe, dann schreib' ich dazu halt nichts. |
Was sind denn die Anforderungen die an einen Philosophen gestellt werden?
Und was ist/sind die Aufgabe(n) der Philosophie?
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1750302) Verfasst am: 05.05.2012, 17:45 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Philosophen, die heute wirklich in der Diskussion sind, sind fast immer auch anderweitig belesen. |
Wie ist denn das im Studium? Gehören da beispielsweise Relativitätstheorie, Quantenphysik, Evolutionsbiologie und Hirnforschung wenigstens ein paar Semester lang zum Pflichtprogramm? |
Du studierst Philosophie ja eigentlich immer mit mindestens einem Nebenfach. Wie ist das eigentlich im Master bei Philosophie, gibt es da wie bei der Soziologie auch kein Nebenfach mehr?
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1750303) Verfasst am: 05.05.2012, 17:47 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Was sind denn die Anforderungen die an einen Philosophen gestellt werden?
Und was ist/sind die Aufgabe(n) der Philosophie? |
Zumindest Ethik und Wissenschaftstheorie wie auch Logik sind m.E. zentral der Philosophie zugehörig und gehören dort auch hin (was nicht bedeutet, dass unbedingt jeder Philosoph perfekt dafür qualifiziert ist; in all diesen Bereichen würden beispielsweise einige mathematische Grundkenntnisse nicht schaden). Philosophie ist für mich auch stark mit Interdisziplinarität verbunden; ein Teil der Aufgabe der Philosophie ist in meinen Augen eigentlich auch gerade interdisziplinere Ansätze zu unterstützen und anzuleiten. Im allgemeinen gilt es aber auch, dass in keinem der Bereiche empirische Arbeit ignoriert werden sollte (vllt. mal abgesehen von der Logik).
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1750304) Verfasst am: 05.05.2012, 17:49 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wie ist denn das im Studium? Gehören da beispielsweise Relativitätstheorie, Quantenphysik, Evolutionsbiologie und Hirnforschung wenigstens ein paar Semester lang zum Pflichtprogramm? | Wissenschaftstheorie gehört schon zum Pflichtprogramm, und da bekommt man natürlich auch naturwissenschaftliche Inhalte mit. |
Meines Wissens geht es da eher um methodische Fragen, also z.B. Falsifikation, Deduktion usw. - das ist natürlich auch interessant und wichtig.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Aber das ist nicht der Punkt. Philosophie ist ja auch für Quantenphysiker nicht Pflichtprogramm und trotzdem gehen manche von ihnen über die bloße naturwissenschaftliche Arbeit mit ihren Modellen hinaus weit in die philosophische Deutung hinein - andere hingegen eben nicht. |
Das ist richtig, jedoch ist die philosophische Deutung eben eindeutig nicht der Kernanspruch der Physik. Während das umgekehrt beim Modellieren der Welt durch die Philosophie - zumindest nach klassischem Verständnis - durchaus der Anspruch ist.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ... Aber wenn er in den Bereich der Philosophie übergeht, dann muss das eben auch den Anforderungen genügen, die in dem Bereich an die Theoriebildung gestellt werden. Oder zumindest sollte er diese Anforderungen kennen. |
Ja, da würde ich Dir im wesentlichen zustimmen. Vielleicht mit der Einschränkung, daß der Naturwissenschaftler eine philosophische Theorie - wenn er denn mal eine hinreichend wohldefinierte überhaupt zu fassen bekommt - zuweilen leicht widerlegen kann, und zwar mit Mitteln der externen Inkonsistenz, seinem Kerngebiet. Der Philosoph dagegen kann zwar - mit Mitteln der internen Inkonsistenz - eine philosophische Deutung eines Physikers widerlegen, dürfte sich aber schwer damit tun, eine physikalische Theorie des Physikers mit philosophischen Mitteln zu widerlegen.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Mit "anderweitig belesen" meinte ich übrigens nicht nur naturwissenschaftlich. Ich selbst bin z.B. eher gesellschaftswissenschaftlich orientiert. |
Das ist schon klar. Ich denke, TdD's "Angriff" richtete sich eher auf Teilgebiete der Philosophie, die deutlich weniger ... wie soll ich sagen ... pragmatische Relevanz, Bodenhaftung haben.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1750305) Verfasst am: 05.05.2012, 17:52 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Was sind denn die Anforderungen die an einen Philosophen gestellt werden?
Und was ist/sind die Aufgabe(n) der Philosophie? |
Ich denke, eine wichtige Anforderung an Philosophie ist interne Konsistenz.
Mich würde auch noch die etwas abgewandelte uralte Frage interessieren, ob es philosophische Theorien gibt und wie diese geprüft werden. Denn es geht ja bei Deiner Eingangsfrage auch um Qualität.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1750306) Verfasst am: 05.05.2012, 17:56 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Was sind denn die Anforderungen die an einen Philosophen gestellt werden? Und was ist/sind die Aufgabe(n) der Philosophie? |
Das lässt sich (wie übrigens bei anderen Wissenschaften auch) kaum im Rahmen eines Forenbeitrags umfassend zusammenfassen. Eine Besonderheit besteht darin, dass die Philosophie keinen festen vorgegebenen Gegenstandsbereich hat. In der Philosophie richtet sich das Denken auf sich selbst bzw. auf seine eigenen Voraussetzungen. Zunächst mal ist Philosophieren eher eine Tätigkeit als eine Lehre. Man kann nicht gleichzeitig in der selben Bewegung gemäß einer bestimmten Methode nach Antworten auf bestimmte Fragen suchen und seine Methodik und Fragestellung selbst wieder zum Gegenstand der Betrachtung machen. In dem Moment, wo ein Wissenschaftler die Arbeitsweisen und Fragestellungen seiner Disziplin selbst zum Thema seiner Betrachtung macht, fragt er bereits philosophisch, und im Studium der Philosophie lernt man, auf diese Weise zu fragen. Gerade deshalb ist es für Philosophen besonders wichtig, auch außerhalb der Philosophie noch irgendwo anders Kenntnisse zu haben.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1750310) Verfasst am: 05.05.2012, 18:06 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Meines Wissens geht es da eher um methodische Fragen, also z.B. Falsifikation, Deduktion usw. - das ist natürlich auch interessant und wichtig. |
Das ist schon lange nicht mehr so abstrakt. Wirklich adäquate Wissenschaftstheorie lässt sich heute praktisch kaum noch betreiben oder lehren, ohne auch auf die Inhalte der einzelnen Wissenschaften einzugehen. (Falls das überhaupt jemals möglich war.)
step hat folgendes geschrieben: | Das ist richtig, jedoch ist die philosophische Deutung eben eindeutig nicht der Kernanspruch der Physik. Während das umgekehrt beim Modellieren der Welt durch die Philosophie - zumindest nach klassischem Verständnis - durchaus der Anspruch ist. |
Ich würde eigentlich überhaupt nicht von einem "Modellieren der Welt durch die Philosophie" sprechen. Nicht, weil das nicht stattfände, sondern weil diese Redeweise schon zu viel voraussetzt.
Innerhalb dieser Redeweise müsste man eher sagen, dass die Philosophie das Modellieren modelliert. Aber eigentlich ist das auch noch ungenau, weil das suggeriert, dass es dabei nicht um Inhalte ginge. (Okay, bei manchen Philosophen ist das wirklich so. )
step hat folgendes geschrieben: | Vielleicht mit der Einschränkung, daß der Naturwissenschaftler eine philosophische Theorie - wenn er denn mal eine hinreichend wohldefinierte überhaupt zu fassen bekommt - zuweilen leicht widerlegen kann [...] |
Inwiefern (bzw. wovon) ist das eine Einschränkung? Wenn er es kann, dann wird sich das ja zeigen. Wobei in der Philosophie zum Teil auch recht harte Forderungen an eine Widerlegung gestellt werden (was sich z.B. in der Aufforderung ausdrückt, Autoren, gegen die man argumentiert, möglichst benevolent zu lesen, d.h. ihre Argumente so stark wie möglich aufzufassen).
step hat folgendes geschrieben: | Das ist schon klar. Ich denke, TdD's "Angriff" richtete sich eher auf Teilgebiete der Philosophie, die deutlich weniger ... wie soll ich sagen ... pragmatische Relevanz, Bodenhaftung haben. |
Kommt mir auch so vor, als würde er sich vor allem gegen den theologischen Ballast wenden, den wir immer noch mit uns herumschleppen.
Aber wie viele und welche Diskussionsteilnehmer in der von TdD verlinkten Diskussion waren eigentlich tatsächlich studierte oder in dem akademischen Bereich arbeitende Philosophen?
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1750316) Verfasst am: 05.05.2012, 18:30 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Was sind denn die Anforderungen die an einen Philosophen gestellt werden? Und was ist/sind die Aufgabe(n) der Philosophie? |
Das lässt sich (wie übrigens bei anderen Wissenschaften auch) kaum im Rahmen eines Forenbeitrags umfassend zusammenfassen. Eine Besonderheit besteht darin, dass die Philosophie keinen festen vorgegebenen Gegenstandsbereich hat. In der Philosophie richtet sich das Denken auf sich selbst bzw. auf seine eigenen Voraussetzungen. Zunächst mal ist Philosophieren eher eine Tätigkeit als eine Lehre. Man kann nicht gleichzeitig in der selben Bewegung gemäß einer bestimmten Methode nach Antworten auf bestimmte Fragen suchen und seine Methodik und Fragestellung selbst wieder zum Gegenstand der Betrachtung machen. In dem Moment, wo ein Wissenschaftler die Arbeitsweisen und Fragestellungen seiner Disziplin selbst zum Thema seiner Betrachtung macht, fragt er bereits philosophisch, und im Studium der Philosophie lernt man, auf diese Weise zu fragen. Gerade deshalb ist es für Philosophen besonders wichtig, auch außerhalb der Philosophie noch irgendwo anders Kenntnisse zu haben. |
Das bedeutet, dass Philosophie ein "Hirn-interner Prozess" ist, der je nach Kenntnissen außerhalb der Philosophie beeinflusst wird? Je mehr naturwissenschaftliche Vorbildung besteht umso mehr würde die Philosophie ins pragmatische gehen? Und umso mehr der Philosoph esoterisch vorbelastet ist umso mehr würde dessen Philosophie Widersprüche legitimieren?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1750317) Verfasst am: 05.05.2012, 18:36 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Das bedeutet, dass Philosophie ein "Hirn-interner Prozess" ist, der je nach Kenntnissen außerhalb der Philosophie beeinflusst wird? |
Was heißt "Hirn-intern"? Philosophie ist ein Diskurs (bzw. ein Sammelname für eine Reihe von Diskursen). Und natürlich wird dieser Diskurs durch die Vorkenntnis seiner Teilnehmer beeinflusst.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Je mehr naturwissenschaftliche Vorbildung besteht umso mehr würde die Philosophie ins pragmatische gehen? |
Kommt darauf an, was du hier mit "pragmatisch" meinst. Pragmatismus ist erstmal selbst der Name einer bestimmten philosophischen Richtung, die z.B. von Richard Rorty vertreten wird.
Dass ein Philosoph, der auch naturwissenschaftlich vorgebildet ist, bei der philosophischen Beschäftigung mit der jeweiligen Naturwissenschaft vermutlich sachadäquater argumentieren wird als einer, der das nicht ist, ist natürlich trivialerweise richtig.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Und umso mehr der Philosoph esoterisch vorbelastet ist umso mehr würde dessen Philosophie Widersprüche legitimieren? |
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verstehe, was "esoterisch" in diesem Kontext bedeutet.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1750328) Verfasst am: 05.05.2012, 19:08 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Das bedeutet, dass Philosophie ein "Hirn-interner Prozess" ist, der je nach Kenntnissen außerhalb der Philosophie beeinflusst wird? |
Was heißt "Hirn-intern"? Philosophie ist ein Diskurs (bzw. ein Sammelname für eine Reihe von Diskursen). Und natürlich wird dieser Diskurs durch die Vorkenntnis seiner Teilnehmer beeinflusst. | Achso, ich dachte Philosophie ist vorrangig individuell.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Je mehr naturwissenschaftliche Vorbildung besteht umso mehr würde die Philosophie ins pragmatische gehen? |
Kommt darauf an, was du hier mit "pragmatisch" meinst. Pragmatismus ist erstmal selbst der Name einer bestimmten philosophischen Richtung, die z.B. von Richard Rorty vertreten wird.
Dass ein Philosoph, der auch naturwissenschaftlich vorgebildet ist, bei der philosophischen Beschäftigung mit der jeweiligen Naturwissenschaft vermutlich sachadäquater argumentieren wird als einer, der das nicht ist, ist natürlich trivialerweise richtig. | Wieso ist denn die Argumentation eines nicht naturwissenschaftlich vorgebildeten im Sinne einer Gegenposition überhaupt möglich? Die Folgerungen, die man tatsächlich treffen kann, ergeben sich doch aus den Experimenten und sind im Rahmen der wissenschaftlichen Debatte erschöpfend behandelt. Wozu beschäftigen sich dann noch Philosophen damit? Sollte die "adäquate Wissenschaftstheorie" die du ansprachst nicht komplett von den Naturwissenschaften übernommen werden?
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Und umso mehr der Philosoph esoterisch vorbelastet ist umso mehr würde dessen Philosophie Widersprüche legitimieren? |
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verstehe, was "esoterisch" in diesem Kontext bedeutet. |
Damit wollte ich die Frage ausdrücken, ob jede Philosophie "gleichberechtigt" ist, unabhängig von den Grundvorraussetzungen, Hauptsache sie ist in sich konsistent. Esoterik ist in meinen Augen der Inbegriff des Widersprüchlichen und Unkonkreten, währen Naturwissenschaft so exakt ist, wie es nur geht.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1750331) Verfasst am: 05.05.2012, 19:19 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Achso, ich dachte Philosophie ist vorrangig individuell. |
In einem gewissen Sinne. Man könnte die Naturwissenschaften als "Konsenswissenschaften" bezeichnen, insofern sie sich bemühen, einen möglichst großen Konsens zwischen den Wissenschaftlern herzustellen. Hingegen würde ich die Philosophie zu den "Dissenswissenschaften" zählen. (Das sind allerdings adhoc-Begriffe.) Das heißt, allgemeiner Konsens aller Philosophen ist nicht vorrangiges Ziel der Philosophie und kann es auch gar nicht sein. Für Disziplinen wie z.B. Politikwissenschaft oder Soziologie gilt das übrigens genauso bzw. zumindest teilweise sogar noch mehr als für die Philosophie. Man kann das als "Vorrangigkeit des Individuellen" verstehen. Nur heißt das nicht, dass die Philosophen isoliert voneinander in ihren Kammern brüten würden. Auch in der Philosophie werden Diskurse geführt, nur halt z.T. mit anderer Zielsetzung. Und in der Tat geht es in der Philosophie auch um individuelle Weiterentwicklung - aber eben nicht nur. (Wobei das m.E. ohnehin ein recht allgemeines menschliches Ziel ist.)
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Wieso ist denn die Argumentation eines nicht naturwissenschaftlich vorgebildeten im Sinne einer Gegenposition überhaupt möglich? |
Was meinst du denn mit "möglich"? Man kann schließlich niemandem verbieten, irgendeinen Quatsch zu veröffentlichen. Das hat halt nur im Diskurs im Allgemeinen keinen Bestand.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Damit wollte ich die Frage ausdrücken, ob jede Philosophie "gleichberechtigt" ist, unabhängig von den Grundvorraussetzungen, Hauptsache sie ist in sich konsistent. |
Natürlich nicht.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1750332) Verfasst am: 05.05.2012, 19:25 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Das heißt, allgemeiner Konsens aller Philosophen ist nicht vorrangiges Ziel der Philosophie und kann es auch gar nicht sein. Für Disziplinen wie z.B. Politikwissenschaft oder Soziologie gilt das übrigens genauso bzw. zumindest teilweise sogar noch mehr als für die Philosophie. Man kann das als "Vorrangigkeit des Individuellen" verstehen. |
Ich bezweifel sehr stark, dass das in der Politikwissenschaft und Soziologie beabsichtigt ist (die Politikwissenschaft scheint übrigens vergelichsweise einheitlicher als die Soziologie zu sein).
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1750334) Verfasst am: 05.05.2012, 19:29 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | Ich bezweifel sehr stark, dass das in der Politikwissenschaft und Soziologie beabsichtigt ist. |
Was meinst du jetzt? Dass Konsens in diesen Wissenschaften nicht oder nicht unbedingt beabsichtigt ist, sage ich ja.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1750335) Verfasst am: 05.05.2012, 19:41 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Heute dagegen sehe ich das eher kritisch: Die klassischen Kernfragen der Philosophie, insbsondere die auf ein stimmiges Weltmodell ausgerichteten, können heute nicht mehr von Philosophen bearbeitet werden, weil ihre Beantwortung zuviel naturwissenschaftliches Grundwissen erfordert. Ein rein philosophisch gebildeter Autor macht sich heute mE lächerlich, wenn er etwa über das Wesen von Zeit, Kausalität, Bewußtsein, Willensfreiheit oder dgl. schwadroniert. |
Naja, Fragen wie die, was z. B. Kausalität ist bzw. was "Kausalität" bedeutet, sind aber doch keine physikalischen Fragen, sondern verlangen nach einer Begriffsanalyse, um beantwortet zu werden. Und das ist doch das Geschäft der Philosophie. Natürlich muss man, um das ernsthaft tun zu können, ein einigermaßen umfangreiches und fundiertes Wissen darüber haben, wie der Begriff gebraucht wird, man braucht hier also insbesondere Kenntnisse in den entsprechenden Wissenschaften. Aber egal, ob das nun ein wissenschaftlich gebildeter Philosoph tut oder ein philosophisch gebildeter Wissenschaftler, die Beantwortung solcher Fragen ist eben Philosophie.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1750337) Verfasst am: 05.05.2012, 19:49 Titel: |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Naja, Fragen wie die, was z. B. Kausalität ist bzw. was "Kausalität" bedeutet, sind aber doch keine physikalischen Fragen, sondern verlangen nach einer Begriffsanalyse, um beantwortet zu werden. |
Na ja. Ich würde (zumindest erstmal) nicht fragen, was Kausalität "ist" oder "bedeutet", sondern eher, wie man Kausalwirkungen feststellt. Wobei die Frage, was man dabei eigentlich feststellt, natürlich dazugehört.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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(#1750340) Verfasst am: 05.05.2012, 19:59 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Achso, ich dachte Philosophie ist vorrangig individuell. | In einem gewissen Sinne. Man könnte die Naturwissenschaften als "Konsenswissenschaften" bezeichnen, insofern sie sich bemühen, einen möglichst großen Konsens zwischen den Wissenschaftlern herzustellen. Hingegen würde ich die Philosophie zu den "Dissenswissenschaften" zählen. |
Das ist schön formuliert - und beschreibt auch sehr gut den typischen Ablauf philosophischer Diskurse: Die Philosophen reden aneinander vorbei und verstehen sich nicht. Natürlich kann man auch nicht entscheiden, wer die bessere Theorie hat.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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(#1750341) Verfasst am: 05.05.2012, 20:00 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Naja, Fragen wie die, was z. B. Kausalität ist bzw. was "Kausalität" bedeutet, sind aber doch keine physikalischen Fragen, sondern verlangen nach einer Begriffsanalyse, um beantwortet zu werden. | Na ja. Ich würde (zumindest erstmal) nicht fragen, was Kausalität "ist" oder "bedeutet", sondern eher, wie man Kausalwirkungen feststellt. Wobei die Frage, was man dabei eigentlich feststellt, natürlich dazugehört. |
Sehe ich ähnlich, würde jedoch sagen, daß das - anders als früher - inzwischen eine sehr physikalische Frage geworden ist.
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Tarvoc would prefer not to.
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(#1750344) Verfasst am: 05.05.2012, 20:08 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Die Philosophen reden aneinander vorbei und verstehen sich nicht. |
Erstens folgt das nicht aus dem, was ich geschrieben habe, und zweitens scheint das nur von Außen so.
step hat folgendes geschrieben: | Natürlich kann man auch nicht entscheiden, wer die bessere Theorie hat. |
Was? Auch das folgt ganz sicher nicht aus dem, was ich geschrieben habe. Philosophische Theorien setzen sich nicht zufällig durch. Nur weil die Kriterien vielfältiger sind als in der Physik, heißt das nicht, dass es keine gäbe.
step hat folgendes geschrieben: | Sehe ich ähnlich, würde jedoch sagen, daß das - anders als früher - inzwischen eine sehr physikalische Frage geworden ist. |
Es ist jedenfalls sicher keine "unphysikalische" Frage, falls du das meinst.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 05.05.2012, 20:20, insgesamt einmal bearbeitet |
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1750350) Verfasst am: 05.05.2012, 20:19 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Na ja. Ich würde (zumindest erstmal) nicht fragen, was Kausalität "ist" oder "bedeutet", sondern eher, wie man Kausalwirkungen feststellt. Wobei die Frage, was man dabei eigentlich feststellt, natürlich dazugehört. |
Sehe ich ähnlich, würde jedoch sagen, daß das - anders als früher - inzwischen eine sehr physikalische Frage geworden ist. |
Ja, aber ich finde, das liegt eher daran, dass der Begriff, seine Zusammenhänge und sein Gebrauch heute gerade in der Physik bzw. durch die Physik wesentlich komplexer sind als zu früheren Zeiten und dass eine entsprechende Begriffsanalyse, wie gesagt, all das eigentlich berücksichtigen muss, wenn sie nicht anachronistischem Geschwafel enden soll. Von daher nehme ich auch an, dass Physiker bzw. entsprechende Wissenschaftler solche Begriffe heute in der Regel besser analysieren könnten als viele Philosophen. Nur wird das vermutlich weniger explizit getan, sondern vielleicht eher in Form einer Reflexion auf die eigene physikalische Praxis. Und das scheint ja so auch zu funktionieren. Trotzdem kann man natürlich ein Interesse daran haben, die Bedeutung dieses Begriffs zu explizieren.
D. h. auch ich stimme Tarvoc zu. In erster Linie kommt es darauf an, sich klar zu machen, wie man mit dem Begriff angemessen umgeht. Nur ist die Frage, was der Begriff "Kausalität" bedeutet, doch zum einen nicht unsinnig, d. h. man kann durchaus daran interessiert sein, sie zu klären, und zum anderen finde ich, dass das eine angemessenere Formulierung der Frage ist, was denn das "Wesen" von Kausalität sei, auf die du dich bezogen hast. Und wenn man eine solche Frage stellt, dann betreibt man eben, wie ich finde, Philosophie.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1750355) Verfasst am: 05.05.2012, 20:41 Titel: |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | ... finde ich, dass das eine angemessenere Formulierung der Frage ist, was denn das "Wesen" von Kausalität sei, auf die du dich bezogen hast. Und wenn man eine solche Frage stellt, dann betreibt man eben, wie ich finde, Philosophie. |
Es stimmt, daß die klassische Deutungshoheit über die Begriffe "Zeit" und "Kausalität" bei der Philosophie liegt, das sieht man auch, wenn man sich die Definitionsgeschichte von "Kausalität" etwa bei wikipedia ansieht.
In der Moderne ist es allerdings zum einen so, daß die Definitionen solcher Begriffe der Physik hinterherhinken: Bei neuen Erkenntnissen (Relativität, CPT-Theorem, Quantentheorie usw.) werden sie angepaßt. Zum zweiten (und mE wesentlicheren) ist es so, daß die Deutung der physikalischen Theorien gar nicht mehr auf diese Begriffe angewiesen ist: Immer mehr zentrale physikalische Erkenntnisse (die eigentlich auch philosophisch interessant wären) lassen sich mit Sprache gar nicht mehr so einfach formulieren, eine Formel sagt es einfach besser. Im allgemeinen - und auch nach meiner Erfahrung - versteht heute ein Mathematiker den Physiker wesentlich besser als ein Philosoph, und zwar auch dann, wenn es um fundamentale Konzepte ("Wesen") von Zeit, Kausalität usw. geht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1750359) Verfasst am: 05.05.2012, 20:48 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Im allgemeinen - und auch nach meiner Erfahrung - versteht heute ein Mathematiker den Physiker wesentlich besser als ein Philosoph, und zwar auch dann, wenn es um fundamentale Konzepte ("Wesen") von Zeit, Kausalität usw. geht. |
Der Physiker spricht heute eben eher die Sprache der Mathematik als die der Philosophie. Und er fährt ja auch äußerst gut damit (wobei man durchaus fragen kann, inwieweit das auch anders möglich wäre). Leider sind manche Philosophen (aber längst nicht alle) etwas mathematikscheu, aber wenn du mich fragst, sollte sich gerade der Philosoph auch mit Mathematik beschäftigen. Zwischen den beiden Fächern gibt es nämlich weit mehr Überschneidungen und Ähnlichkeiten als man auf den ersten Blick glaubt.
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pera auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 01.07.2009 Beiträge: 4256
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(#1750361) Verfasst am: 05.05.2012, 20:53 Titel: Re: Ist die Philosophie zur Aufklärung geeignet? |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Durch die, meines Empfindens nach sehr interessante Diskussion in diesem Thread kam bei mir die Frage auf, ob die Philosophie nicht eher ungeeignet ist für die Aufklärung der Menschheit.
Die Philosophie hat über die Jahrhunderte Worte wie Transzendenz kreiert und steht damit der Dreifaltigkeit/Dreieinigkeit der christlichen Theologen in nichts nach.
Diese Worte sind sinnlose Bezeichnungen, denn entweder gibt es keine reale Entsprechung oder sie implizieren Widersprüche, die dazu führen, dass sich die Begriffe selbst ad absurdum führen.
Ist die Philosophie tatsächlich nötig? Oder ist sie ein doch nur ein Hindernis? |
So ganz würde ich die Philosophie nicht verdammen. Sicher gibt es viele Traktate von vielen Denkern, die abgesehen von selbstverliebten Schwurbeleien nichts beitragen zur Aufklärung der Menschheit oder Erweiterung des Wissens. Es ist aber auch schwer in dieser Disziplin, wo alles sagbare gesagt und alles denkbare gedacht ist, einen wenigstens originellen Beitrag zu leisten.
Doch wenn du der Philosophie eine Frage stellst, bekommst du zwar keine Antwort, aber noch fünf Fragen dazu, die selbstverständlich auf einem Niveau angesiedelt sind, welches für Nichtphilosophen unzugänglich ist.
Vielleicht liegt es daran, dass die Philosophie überhaupt keinen Gegenstand hat. Wird sie natürlich protestieren und sagen: Alles, alles ist Gegenstand philosophischer Betrachtung. Ja eben, könnte man antworten, deshalb mischt sie sich in Dinge ein, von denen sie nichts versteht, oder erfindet ein paar dazu (Transzendenz, Gott der Philosophen) um den Eindruck zu erwecken auch etwas geleistet zu haben.
Dennoch, ein paar Bücher habe ich mit Gewinn gelesen und manche haben einen Eindruck hinterlassen. Z.B. Descartes, Methode des richtigen Vernunftgebrauchs, sollte jeder Philosoph vor dem Abfassen eigener Schwurbeleien immer wieder lesen.
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