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Ist die Philosophie zur Aufklärung geeignet?
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1751859) Verfasst am: 11.05.2012, 23:45    Titel: Antworten mit Zitat

Was meint Ihr eigentlich genau, wenn Ihr von 'Wissenschaft' redet, also: welche Gebiete rechnet Ihr darunter?
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Myron
Pansomatist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3625

Beitrag(#1751860) Verfasst am: 11.05.2012, 23:51    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
@Myron, kannst Du kurz den tieferen Grund nennen, warum es in der Philosophie keine objektiven Kriterien bzw. intersubjektive Überprügbarkeit gibt? (von der Logik einmal abgesehen)? Welchen Bezug hat sie zur Natur, zur Welt?


Objektiv festzustellen gibt es nur dort etwas, wo es objektive Tatsachen gibt. Viele Philosophen bestreiten, dass es ethische oder ästhetische Tatsachen gibt, und manche bestreiten, dass es metaphysische oder ontologische Tatsachen gibt. Der Antirealismus in Bezug auf normative ethische oder ästhetische Tatsachen erscheint auf den ersten Blick glaubwürdiger als der Antirealismus in Bezug auf nichtnormative/deskriptive metaphysische oder ontologische Tatsachen. Wenn man nun davon ausgeht, dass es objektive Tatsachen der letzteren Art gibt, dann liegt die erkenntnistheoretische Schwierigkeit ihrer Feststellung hauptsächlich darin, dass sie nicht mittels öffentlich zugänglicher Wahrnehmungsdaten zutage gefördert werden können. Empirische Feld- oder Laborforschung kann uns hier nicht weiterhelfen.
Und die Berufung auf (scheinbare) Vernunfteinsichten hat wenig Überzeugungskraft, wenn die anderen diese nicht nachvollziehen können oder sich ihrerseits auf (scheinbare) Vernunfteinsichten berufen, die den meinigen widersprechen. Im letzteren Fall habe entweder ich unrecht oder die anderen; aber wie können wir herausfinden, wer recht hat und wer nicht, wenn uns auch die Sinneswahrnehmung nicht weiterhelfen kann?

Das soll aber nicht heißen, dass in der Philosophie keinerlei transsubjektive Auswahl- oder Entscheidungskriterien zur Anwendung kommen. Denn wie in der Wissenschaft spielen in der (analytischen) Philosophie bei der Hypothesen- oder Theorienbewertung metatheoretische Kriterien eine Rolle. Dazu zählen Einfachheit, Fruchtbarkeit, Natürlichkeit, Einheitlichkeit, Ordentlichkeit, Vereinbarkeit mit dem gegebenen wissenschaftlichen Wissen, mit anderen philosophischen Theorien oder dem Common Sense, und Erklärungsvermögen. Gerade letzteres Kriterium ist von besonderer Wichtigkeit. Im Englischen spricht man von der "inference to the best explanation", in der Logik "Abduktion" genannt: http://plato.stanford.edu/entries/abduction/

Das Problem ist allerdings, dass die metatheoretischen/metaphilosophischen Auswahlkriterien selbst zur Diskussion stehen und auch diesbezüglich ein Meinungspluralismus herrscht.

"Worries about contemporary ontology begin as worries about its epistemology. Today’s ontologists are not conceptual analysts; few attend to ordinary usage of sentences like ‘chairs exist’. (Otherwise mereological nihilism would not be taken so seriously.) Their methodology is rather quasi-scientific. They treat competing positions as tentative hypotheses about the world, and assess them with a loose battery of criteria for theory choice. Match with ordinary usage and belief sometimes plays a role in this assessment, but typically not a dominant one. Theoretical insight, considerations of simplicity, integration with other domains (for instance science, logic, and philosophy of language), and so on, play important roles. Several epistemic worries then arise. The main ontological positions seem internally consistent and empirically adequate, so all the weight of theory-choice falls on the criteria; but are the criteria up to the task? What justifies the alleged theoretical insights? Are criteria that are commonly used in scientific theory choice (for example, simplicity and theoretical integration) applicable in metaphysics? How can these criteria be articulated clearly? And what hope is there that the criteria will yield a determinate verdict, given the paucity of empirical input?"

(Sider, Theodore. "Ontological Realism." In Metametaphysics: New Essays on the Foundations of Ontology, edited by David J. Chalmers, David Manley, and Ryan Wasserman, 384-423. Oxford: Oxford University Press, 2009. p. 385)


Zuletzt bearbeitet von Myron am 12.05.2012, 00:35, insgesamt einmal bearbeitet
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Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1751863) Verfasst am: 12.05.2012, 00:12    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was meint Ihr eigentlich genau, wenn Ihr von 'Wissenschaft' redet, also: welche Gebiete rechnet Ihr darunter?


Physik, Chemie, Biologie, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Geschichte und eingeschränkt auch Literatur- und Sprachwissenschaften. Hab bestimmt noch welche vergessen. Gemeint war jedenfalls bei mir Real-Wissenschaft. (Mathematik und Logik wären formale Wissenschaften). Hab aber bestimmt irgendwelche Wissenschaften jetzt vergessen (explitzit nicht genannt sind Rechtswissenschaft, Philosophie und Theologie).
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"A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Myron
Pansomatist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3625

Beitrag(#1751867) Verfasst am: 12.05.2012, 00:39    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:

Das soll aber nicht heißen, dass in der Philosophie keinerlei transsubjektive Auswahl- oder Entscheidungskriterien zur Anwendung kommen. Denn wie in der Wissenschaft spielen in der (analytischen) Philosophie bei der Hypothesen- oder Theorienbewertung metatheoretische Kriterien eine Rolle. Dazu zählen Einfachheit, Fruchtbarkeit, Natürlichkeit, Einheitlichkeit, Ordentlichkeit, Vereinbarkeit mit dem gegebenen wissenschaftlichen Wissen, mit anderen philosophischen Theorien oder dem Common Sense, und Erklärungsvermögen. Gerade letzteres Kriterium ist von besonderer Wichtigkeit. Im Englischen spricht man von der "inference to the best explanation", in der Logik "Abduktion" genannt: http://plato.stanford.edu/entries/abduction/


Theorien werden also anhand bestimmter theoretischer Vorzüge (theoretical virtues) und Nachteile beurteilt. Das entspricht einer Kosten-Nutzen-Analyse. Die beste und damit zu wählende Theorie ist demnach diejenige mit den meisten theoretischen Vorzügen und den wenigsten theoretischen Nachteilen.
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#1751883) Verfasst am: 12.05.2012, 02:09    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Eine Ethik auf naturwissenschaftlicher Basis wäre mitnichten eine Sichtweise in der Menschen auf einen Ware reduziert werden. Die Dinge, die heute mit Glück, Zufriedenheit etc. bezeichnet werden, werden in der Zukunft mittels Messungen bestimmt und in Formeln modelliert werden können. Mit komplexen Simulationsprogrammen wird es möglich sein "Kandidatenethiken" zu bestimmen. Dann wird es Gesellschaften geben, die diese ausprobieren werden. Je nach Funktionieren dieser Ethiken wird man Rangfolgen erstellen können und mehr über diese lernen, sodass am Ende durch eine systematische Suche eine Ethik gefunden werden kann, die am besten für die Menschen in den jeweiligen Umgebungen und Beziehungsgeflechten geeignet ist. Allerdings sind solche Modelle außerordentlich komplex und auch die Wichtung der individuellen Präferenzen wie Glücksbedürfnis etc. wird schwierig zu bestimmen sein.

Mal abgesehen davon, dass du offenbar Ethik mit Soziologie verwechselst (so wie weiter unten mit Massenpsychologie) und sich Gesellschaft nicht auf diese Weise planen lässt, setzt jedes ethische Experimentieren mit menschlicher Gesellschaft bereits eine Ethik voraus, weil sich vor jedem Experimentieren die Frage stellt, wie weit überhaupt mit menschlichem Leben herumexperimentiert werden kann und darf. Es gibt aber möglicherweise bereits ein historisches Beispiel für ethisch voraussetzungsloses Experimentieren mit menschlichem nacktem Leben. Hannah Arendt beschreibt in "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" die Shoah als eine Art Labor, in dem experimentell bewiesen werden sollte, dass das menschliche Leben letztlich keinen über die Biomasse hinausgehenden Eigenwert hat. Dazu passt, dass viele von Giorgio Agambens Beispielen für experimentellen Zugriff auf das nackte Leben aus den Konzentrationslagern stammen. Wenn du mich fragst, kann jedes (angeblich) ethisch voraussetzungslose Herumexperimentieren mit menschlichem Leben letztlich nur zu dem Schluss kommen, dass es gar keine Ethik gibt, dass im Umgang mit Menschen alles erlaubt ist und dass menschliches Leben keinen Wert hat. Aber natürlich bekommt man mit diesem Schluss nichts anderes heraus als das, was man als Prämissen in das Experiment hineingesteckt hat. Versteh' mich bitte nicht falsch: Ich will dir sicher nicht unterstellen, dass du Experimente von der Art der Shoah vor Augen hast. Was ich sage, ist: Dass du gerade solche Experimente nicht vor Augen hast, zeigt, dass du nicht ohne vor-empirische bzw. vor-experimentelle ethische Voraussetzungen arbeitest. Und auch diese Voraussetzungen lassen sich nicht wieder experimentell beweisen, weil auch dabei nur wieder das als Schluss herauskäme, was man als Prämissen in sie hineingesteckt hat.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#1751893) Verfasst am: 12.05.2012, 07:11    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
@Myron, kannst Du kurz den tieferen Grund nennen, warum es in der Philosophie keine objektiven Kriterien bzw. intersubjektive Überprügbarkeit gibt? (von der Logik einmal abgesehen)? Welchen Bezug hat sie zur Natur, zur Welt?

vielleicht ist ein Postscript aus dem Pigliucci-Artikel hilfreich (Hervorhebung von mir):

Zitat:
Postscript: As people have pointed out, Krauss has issued an apology of sorts, apparently forced by Dan Dennett. He still seems not to have learned much though. He confuses theology with philosophy (in part), keeps hammering at a single reviewer who apparently really annoyed him (in the New York Times), and more importantly just doesn't get the idea that philosophy of science is NOT in the business of answering scientific questions (we've got, ahem, science for that!). It aims, instead, at understanding how science works. Really, is that so difficult to understand, Prof. Krauss?


Das ist m.E. ne ziemliche schwache Argumentation. Die Frage, WIE Wissenschaft funktioniert (!), ist natürllich empirisch beantwortbar und letztlich wieder eine wissenschaftliche Frage. Wo die Wissenschaft an die Grenzen stößt ist eher bei der Rechtfertigung (!) wissenschaftlicher Standards nicht bei deren Erforschung.

vermutlich kann man hier 'works' unterschiedlich interpretieren. Einmal in dem Sinn, den Du kritisiert hast, also deskriptiv ('wie wird Wissenschaft betrieben?'). Könnte man aber nicht auch fragen, warum Wissenschaft überhaupt funktioniert? Diesen Sinn hast Du ja auch beschrieben.
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Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#1751895) Verfasst am: 12.05.2012, 07:33    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Als (aus Sicht der Biologie bedauerlicher) Nebeneffekt bewirkte das, dass die meisten Wissenschaftstheoretiker aus der Ecke der theoretischen Physik kommen. Es gibt gute Gründe, zu vermuten, dass diese Menschen biologische Phänomene schlecht modellieren können. Mayr schildert sehr anschaulich, wie es ihm nur grenzwertig gelang, Pauli Populationsdenken (das zentrale Element der Evolutionsbiologie, das die wenigsten Nicht-Biologen verstehen) zu vermitteln. 'Individuales Gas' wirkte noch am besten, und macht den zentralen Unterschied der untersuchten Systeme deutlich.

Das ist deine Sicht der Dinge.

ich referiere Mayr.

smallie hat folgendes geschrieben:
Du unterschlägst dabei Leute wie R. A. Fisher. Fisher war nicht nur ein Pionier der Statistik, er hat auch einiges für die Evolutionsbiologie getan. Zum Beispiel hat er 1937 die Ausbreitung von Genen in einer Population mittels einer Reaktions-Diffusions-Gleichung beschreiben. Siehe: The wave of advance of advantageous genes.

Das meinte ich, als ich von idealem Gas sprach und dass man diese Formalismen in der Populationsgenetik anwendet.

smallie hat folgendes geschrieben:
Vielleicht hätte Mayr nur die Arbeiten von Fisher erwähnen müssen, und Pauli hätte verstanden.

Ups. Ich hätte dann das genaue Gegenteil erwartet (ich müsste zudem nachschauen, wann Mayr mit Pauli diskutierte, könnte vor 1937 gewesen sein). Wie viele unterschiedliche Phänotypen kann man in einem zwei-Allel-Modell konstruieren?

smallie hat folgendes geschrieben:
Mayr hat es zeitlebens nicht verdaut, daß Algebra plötzlich eine Rolle spielt in der Evolutionsbiologie.

Das ist eine spannende Geschichte. Die heilige Dreifaltigkeit der Populationsgenetik wurde immer in Form von 'ceremonial citations' (Mayr) oder nach dem 'father knows best'-Prinzip (Dobzhansky) erwähnt. Sie hatte einen enormen Einfluss auf die evolutionäre Synthese, obwohl (Simpson ausgenommen) wohl kaum ein führender Evolutionsbiologe verstand, was diese Rechnereien bedeuteten. Es war nur allen klar, dass die Modelle, die ja nur das Fegen von Allelen durch Populationen modellierten (was dem Prinzip entsprach, aus den Bilanzen einer Autofabrik etwas über die Fließbänder auszusagen). Auf diesen Modellen beruht auch die Definition von Evolution als 'Veränderung der Allelfrequenzen in Populationen'. Ist natürlich vollkommen korrekt, ist aber eher die Wirkung als die Ursache. Untersucht wird nur die Transmissionsgenetik, das eigentlich Interessante, die Entstehung neuer Gene und Eigenschaften, wird vorausgesetzt. Gerade EvoDevo zeigt, dass Evolution komplexer ist als die Modelle, welche die Populationsgenetik erstellt.

Versteh mich nicht falsch, Populationsgenetik ist richtig und wichtig, aber, und das ist der entscheidende Punkt, weniger zentral als lange behauptet wurde.
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step
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Beitrag(#1751912) Verfasst am: 12.05.2012, 10:15    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was meint Ihr eigentlich genau, wenn Ihr von 'Wissenschaft' redet, also: welche Gebiete rechnet Ihr darunter?

Ich verstehe darunter alle Methoden, die Wissen schaffen, deswegen heißt sie ja so. Das bedeutet nicht unbedingt nur Naturwissenschaft im typischen Sinne, sondern alles Wissen, wobei "Wissen" impliziert, daß es intesubjektiv überprüfbar ist.
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step
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Beitrag(#1751916) Verfasst am: 12.05.2012, 10:44    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
@Myron, kannst Du kurz den tieferen Grund nennen, warum es in der Philosophie keine objektiven Kriterien bzw. intersubjektive Überprügbarkeit gibt? (von der Logik einmal abgesehen)? Welchen Bezug hat sie zur Natur, zur Welt?
Objektiv festzustellen gibt es nur dort etwas, wo es objektive Tatsachen gibt. Viele Philosophen bestreiten, dass es ethische oder ästhetische Tatsachen gibt, und manche bestreiten, dass es metaphysische oder ontologische Tatsachen gibt.

Ja, sehe ich ebenso. Und gäbe es doch Tatsachen in diesen Feldern (genaugenommen Aussagen, die wir legitim "Tatsachen" nennen dürften), dann müßten sie überprüfbar sein.

Myron hat folgendes geschrieben:
... Und die Berufung auf (scheinbare) Vernunfteinsichten hat wenig Überzeugungskraft, wenn die anderen diese nicht nachvollziehen können oder sich ihrerseits auf (scheinbare) Vernunfteinsichten berufen, die den meinigen widersprechen.

Auch hier Zustimmung.

Myron hat folgendes geschrieben:
... Das soll aber nicht heißen, dass in der Philosophie keinerlei transsubjektive Auswahl- oder Entscheidungskriterien zur Anwendung kommen. Denn wie in der Wissenschaft spielen in der (analytischen) Philosophie bei der Hypothesen- oder Theorienbewertung metatheoretische Kriterien eine Rolle. Dazu zählen Einfachheit, Fruchtbarkeit, Natürlichkeit, Einheitlichkeit, Ordentlichkeit, Vereinbarkeit mit dem gegebenen wissenschaftlichen Wissen, mit anderen philosophischen Theorien oder dem Common Sense, und Erklärungsvermögen. Gerade letzteres Kriterium ist von besonderer Wichtigkeit. Im Englischen spricht man von der "inference to the best explanation", in der Logik "Abduktion" genannt: http://plato.stanford.edu/entries/abduction/

Das Problem ist allerdings, dass die metatheoretischen/metaphilosophischen Auswahlkriterien selbst zur Diskussion stehen und auch diesbezüglich ein Meinungspluralismus herrscht.

Ja, und offensichtlich sind diese Kriterien bisher nicht geeignet, einen wesentlichen Konsens herbeizuführen. Ja ich würde soar so weit gehen zu behaupten, daß selbst philosophische Publikationen, die nicht einmal diese Kriterien erfüllen, locker eine Chance auf Dissertation und Habilitation haben.

Dazu kommt mE noch das Problem, daß einige dieser Kriterien (z.B. Vereinbarkeit, best explanation, Fruchtbarkeit) anscheinend selbst wieder auf die Bindung an die reale Welt bzw. an Tatsachen rekurrieren.
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



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Beitrag(#1751917) Verfasst am: 12.05.2012, 10:48    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Dazu kommt mE noch das Problem, daß einige dieser Kriterien (z.B. Vereinbarkeit, best explanation, Fruchtbarkeit) anscheinend selbst wieder auf die Bindung an die reale Welt bzw. an Tatsachen rekurrieren.

wenn Du mich fragst, kommt 'Fakt' von 'facere'. Die Naturwissenschaften modellieren das Sein und versuchen, ein stimmiges Gesamtbild zu erstellen. Die Philosophen setzen schon einen Schritt früher an und frage, wie es eigentlich möglich ist, dass das funktioniert. Und hier sind wir dann bei der Ontologie.
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step
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Beitrag(#1751918) Verfasst am: 12.05.2012, 10:49    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
...
Das ist m.E. ne ziemliche schwache Argumentation. Die Frage, WIE Wissenschaft funktioniert (!), ist natürllich empirisch beantwortbar und letztlich wieder eine wissenschaftliche Frage.

Sehe ich ebenso.

Kival hat folgendes geschrieben:
Wo die Wissenschaft an die Grenzen stößt ist eher bei der Rechtfertigung (!) wissenschaftlicher Standards nicht bei deren Erforschung.

Bin mir nicht sicher, was genau Du hier mit Rechtfertigung meinst. Die einzige Rechtfertigung (in meinem verständnis des Wortes) der wissenschaftlichen Standards besteht mE in deren Effizienz bei der Erstellung voraussagefähiger Theorien. Wenn jemand eine Methode / Standards vorstellen würde, die das besser gewährleisten, sollte man die entsprechend austauschen.
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#1751919) Verfasst am: 12.05.2012, 10:52    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Bin mir nicht sicher, was genau Du hier mit Rechtfertigung meinst. Die einzige Rechtfertigung (in meinem verständnis des Wortes) der wissenschaftlichen Standards besteht mE in deren Effizienz bei der Erstellung voraussagefähiger Theorien. Wenn jemand eine Methode / Standards vorstellen würde, die das besser gewährleisten, sollte man die entsprechend austauschen.

nicht unbedingt. Es kann auch sein, dass die Analyse Probleme ergibt, ohne dass man etwas Besseres anzubeiten hat.

Dann sind wir wieder beim Thema Agnostizismus ;->
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step
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Beitrag(#1751920) Verfasst am: 12.05.2012, 10:55    Titel: Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Dazu kommt mE noch das Problem, daß einige dieser Kriterien (z.B. Vereinbarkeit, best explanation, Fruchtbarkeit) anscheinend selbst wieder auf die Bindung an die reale Welt bzw. an Tatsachen rekurrieren.
wenn Du mich fragst, kommt 'Fakt' von 'facere'.

Unterschlägst Du hier nicht das Partizip? zwinkern

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Die Naturwissenschaften modellieren das Sein und versuchen, ein stimmiges Gesamtbild zu erstellen. Die Philosophen setzen schon einen Schritt früher an und frage, wie es eigentlich möglich ist, dass das funktioniert. Und hier sind wir dann bei der Ontologie.

Tja, da bin ich eben anderer Meinung. Für mich ist diese Frage eine naturwissenschaftliche. Es geht mir aber hier nicht um die Zuständigkeit (Deine o.g. Frage muß nicht unbedingt der Physiker beantworten), sondern um die Fähigkeit, Antworten zu geben. Die gennante Frage könnte die Philosophie (oder wer auch immer) nämlich nur beantworten, wenn sie auf Tatsachen rekurriert und einen "Mechanismus" angibt, der erklärt, wie unsere Modellierung funktioniert.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1751922) Verfasst am: 12.05.2012, 10:57    Titel: Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Bin mir nicht sicher, was genau Du hier mit Rechtfertigung meinst. Die einzige Rechtfertigung (in meinem verständnis des Wortes) der wissenschaftlichen Standards besteht mE in deren Effizienz bei der Erstellung voraussagefähiger Theorien. Wenn jemand eine Methode / Standards vorstellen würde, die das besser gewährleisten, sollte man die entsprechend austauschen.
nicht unbedingt. Es kann auch sein, dass die Analyse Probleme ergibt, ohne dass man etwas Besseres anzubeiten hat.

Ich habe ja nicht behauptet, daß es eine 100%-ige Methode gibt.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#1751924) Verfasst am: 12.05.2012, 11:04    Titel: Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
wenn Du mich fragst, kommt 'Fakt' von 'facere'.

Im Wort Tat-Sache ist das sogar noch deutlicher...
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tom der Dino
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Anmeldungsdatum: 20.07.2011
Beiträge: 3949

Beitrag(#1751925) Verfasst am: 12.05.2012, 11:13    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Eine Ethik auf naturwissenschaftlicher Basis wäre mitnichten eine Sichtweise in der Menschen auf einen Ware reduziert werden. Die Dinge, die heute mit Glück, Zufriedenheit etc. bezeichnet werden, werden in der Zukunft mittels Messungen bestimmt und in Formeln modelliert werden können. Mit komplexen Simulationsprogrammen wird es möglich sein "Kandidatenethiken" zu bestimmen. Dann wird es Gesellschaften geben, die diese ausprobieren werden. Je nach Funktionieren dieser Ethiken wird man Rangfolgen erstellen können und mehr über diese lernen, sodass am Ende durch eine systematische Suche eine Ethik gefunden werden kann, die am besten für die Menschen in den jeweiligen Umgebungen und Beziehungsgeflechten geeignet ist. Allerdings sind solche Modelle außerordentlich komplex und auch die Wichtung der individuellen Präferenzen wie Glücksbedürfnis etc. wird schwierig zu bestimmen sein.

Mal abgesehen davon, dass du offenbar Ethik mit Soziologie verwechselst.

Du hast Recht. Aber der Unterschied zwischen den beiden scheint nicht sonderlich groß zu sein. Die Soziologie ist deskriptiv und dadurch auf Experimente/Beobachtungen angewiesen. Ethik möchte Anweisungen geben. Ist Ethik dann nicht nur die philosophische Variante von "angewandter" Soziologie?
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Am Anfang war ......das Experiment.
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Tom der Dino
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Anmeldungsdatum: 20.07.2011
Beiträge: 3949

Beitrag(#1751927) Verfasst am: 12.05.2012, 11:31    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
@Myron, kannst Du kurz den tieferen Grund nennen, warum es in der Philosophie keine objektiven Kriterien bzw. intersubjektive Überprügbarkeit gibt? (von der Logik einmal abgesehen)? Welchen Bezug hat sie zur Natur, zur Welt?
Objektiv festzustellen gibt es nur dort etwas, wo es objektive Tatsachen gibt. Viele Philosophen bestreiten, dass es ethische oder ästhetische Tatsachen gibt, und manche bestreiten, dass es metaphysische oder ontologische Tatsachen gibt.

Ja, sehe ich ebenso. Und gäbe es doch Tatsachen in diesen Feldern (genaugenommen Aussagen, die wir legitim "Tatsachen" nennen dürften), dann müßten sie überprüfbar sein.


Können wir das Thema Ästhetik etwas vertiefen? So wirklich versteh ich nicht, warum das ausschließlich eine philosophische Teildisziplin sein soll. Die Schönheit (das sinnliche Empfunden werden) von menschlichen Gesichtern z.B. lässt sich messen und erklären und bewegt sich damit innerhalb der Naturwissenschaft. Warum sollte es bei Kunstwerken keine experimentell bestimmbaren Parameter geben?
_________________
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
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Beitrag(#1751928) Verfasst am: 12.05.2012, 11:40    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
@Myron, kannst Du kurz den tieferen Grund nennen, warum es in der Philosophie keine objektiven Kriterien bzw. intersubjektive Überprügbarkeit gibt? (von der Logik einmal abgesehen)? Welchen Bezug hat sie zur Natur, zur Welt?
Objektiv festzustellen gibt es nur dort etwas, wo es objektive Tatsachen gibt. Viele Philosophen bestreiten, dass es ethische oder ästhetische Tatsachen gibt, und manche bestreiten, dass es metaphysische oder ontologische Tatsachen gibt.
Ja, sehe ich ebenso. Und gäbe es doch Tatsachen in diesen Feldern (genaugenommen Aussagen, die wir legitim "Tatsachen" nennen dürften), dann müßten sie überprüfbar sein.
Können wir das Thema Ästhetik etwas vertiefen? So wirklich versteh ich nicht, warum das ausschließlich eine philosophische Teildisziplin sein soll. Die Schönheit (das sinnliche Empfunden werden) von menschlichen Gesichtern z.B. lässt sich messen und erklären und bewegt sich damit innerhalb der Naturwissenschaft. Warum sollte es bei Kunstwerken keine experimentell bestimmbaren Parameter geben?

Das bezweifelt glaube ich niemand. Hier ging es nmV aber primär um das Selbstverständnis der Philosophie. So wie ich Myron (und auch viele Bücher über Philosophie) verstehe, geht es in der philosophischen Teildisziplin "Ästhetik" aber gerade nicht um die Aspekte, die Du ansprichst (das wäre Naturwissenschaft), sondern um hypothetische "normative" Aspekte der Ästhetik. Ähnlich auch bei Ethik.

Nochmal, damit es nicht zu Mißverständnissen kommt: Ich denke nicht, daß die Philsophie gültige normative Aussagen machen kann. Aber ich finde Myrons Definition dennoch plausibel und stimme seiner Aussage zu.

Aus meiner Sicht war die Philosophie klassisch angetreten, um Letztfragen (sowohl faktischer, metaphysischer, wie auch normativer Natur) gültig zu beantworten. Dieser Ansatz ist gescheitert. Die heutige Philosophie hat sich mehr aufs begleitende (mit Verzögerung) Verarbeiten der durch die Wissenschaft entstehenden Deutungsprobleme, Kränkungen usw. verlegt.
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Beitrag(#1751941) Verfasst am: 12.05.2012, 12:43    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Aber der Unterschied zwischen den beiden scheint nicht sonderlich groß zu sein.

Das dürfte mit Verlaub eher daran liegen, dass deine Ahnung von der Thematik nicht sonderlich groß ist. zwinkern

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Die Schönheit (das sinnliche Empfunden werden) von menschlichen Gesichtern [...]

Philosophische Ästhetik ist nicht Schönheitslehre. Die Frage, was das Schöne ist, ist nur eine Teilfrage der Ästhetik.
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Beitrag(#1751948) Verfasst am: 12.05.2012, 13:13    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Philosophische Ästhetik ist nicht Schönheitslehre. Die Frage, was das Schöne ist, ist nur eine Teilfrage der Ästhetik.


...und die andere Hälfte ist die Frage nach dem Hässlichen. zwinkern
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Tarvoc
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Beitrag(#1751954) Verfasst am: 12.05.2012, 13:36    Titel: Antworten mit Zitat

pera hat folgendes geschrieben:
...und die andere Hälfte ist die Frage nach dem Hässlichen. zwinkern

Nein. Aber nicht schlecht geraten. zwinkern
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tom der Dino
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Beitrag(#1751960) Verfasst am: 12.05.2012, 13:47    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Aber der Unterschied zwischen den beiden scheint nicht sonderlich groß zu sein.

Das dürfte mit Verlaub eher daran liegen, dass deine Ahnung von der Thematik nicht sonderlich groß ist. zwinkern

Dessen bin ich mir durchaus bewusst Smilie Deswegen auch "scheint". Laut Wikipedia
wikipedia hat folgendes geschrieben:
erforscht die Soziologie alle Aspekte des sozialen Zusammenlebens der Menschen in Gemeinschaften und Gesellschaften. Sie fragt nach Sinn und Strukturen des sozialen Handelns (Handlungstheorie) sowie nach den die Handlungen regulierenden Werten und Normen. Ihre Untersuchungsobjekte sind die Gesellschaft als Ganzes ebenso wie ihre Teilbereiche: soziale Systeme, Institutionen, Organisationen und Gruppen. Überdies befasst sich die Soziologie mit der gesellschaftlichen Integration und Desintegration, mit sozialer Ungleichheit, sozialen Konflikten und sozialem Wandel.


wikipedia hat folgendes geschrieben:
Das Ziel der Ethik ist die Erarbeitung von allgemeingültigen Normen und Werten.


Wo wäre der Unterschied zwischen angewandter Soziologie und Ethik außer in der Methode?

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
Die Schönheit (das sinnliche Empfunden werden) von menschlichen Gesichtern z.B.[...]

Philosophische Ästhetik ist nicht Schönheitslehre. Die Frage, was das Schöne ist, ist nur eine Teilfrage der Ästhetik.

Du hast das fettgedruckte vergessen.
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Tom der Dino
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Beitrag(#1751964) Verfasst am: 12.05.2012, 14:18    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
@Myron, kannst Du kurz den tieferen Grund nennen, warum es in der Philosophie keine objektiven Kriterien bzw. intersubjektive Überprügbarkeit gibt? (von der Logik einmal abgesehen)? Welchen Bezug hat sie zur Natur, zur Welt?
Objektiv festzustellen gibt es nur dort etwas, wo es objektive Tatsachen gibt. Viele Philosophen bestreiten, dass es ethische oder ästhetische Tatsachen gibt, und manche bestreiten, dass es metaphysische oder ontologische Tatsachen gibt.
Ja, sehe ich ebenso. Und gäbe es doch Tatsachen in diesen Feldern (genaugenommen Aussagen, die wir legitim "Tatsachen" nennen dürften), dann müßten sie überprüfbar sein.
Können wir das Thema Ästhetik etwas vertiefen? So wirklich versteh ich nicht, warum das ausschließlich eine philosophische Teildisziplin sein soll. Die Schönheit (das sinnliche Empfunden werden) von menschlichen Gesichtern z.B. lässt sich messen und erklären und bewegt sich damit innerhalb der Naturwissenschaft. Warum sollte es bei Kunstwerken keine experimentell bestimmbaren Parameter geben?

Das bezweifelt glaube ich niemand. Hier ging es nmV aber primär um das Selbstverständnis der Philosophie. So wie ich Myron (und auch viele Bücher über Philosophie) verstehe, geht es in der philosophischen Teildisziplin "Ästhetik" aber gerade nicht um die Aspekte, die Du ansprichst (das wäre Naturwissenschaft), sondern um hypothetische "normative" Aspekte der Ästhetik. Ähnlich auch bei Ethik.
Ich versteh nicht, was diese hypothetischen "normativen" Aspekte der Ästhetik und auch der Ethik sind und inwiefern sie sich von den den Aspekten, die ich ansprach, unterscheiden.

step hat folgendes geschrieben:
Nochmal, damit es nicht zu Mißverständnissen kommt: Ich denke nicht, daß die Philsophie gültige normative Aussagen machen kann. Aber ich finde Myrons Definition dennoch plausibel und stimme seiner Aussage zu.
Der Kosten-Nutzen Analyse? Werden die Kosten, die durch die aufwändigeren? mehrdimensionalen Rechnungen z.B. zu den Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten anfallen, von dem Nutzen der Stringtheorie aufgefangen? Vielleicht. Aber selbst wenn nicht, sollte das Modell näher an der Wirklichkeit sein, ist es zu bevorzugen. Egal wie hoch die Kosten sind. Wenn man diesem Rechnung trägt, indem man den Nutzen in der Rechnung stärker gewichtet, entspricht es der naturwissenschaftlichen Vorgehensweise. Oder hab ich wieder etwas falsch verstanden?

step hat folgendes geschrieben:
Aus meiner Sicht war die Philosophie klassisch angetreten, um Letztfragen (sowohl faktischer, metaphysischer, wie auch normativer Natur) gültig zu beantworten. Dieser Ansatz ist gescheitert. Die heutige Philosophie hat sich mehr aufs begleitende (mit Verzögerung) Verarbeiten der durch die Wissenschaft entstehenden Deutungsprobleme, Kränkungen usw. verlegt.
Ist das nicht auch etwas womit sich Theologie herumschlagen muss?
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step
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Beitrag(#1751967) Verfasst am: 12.05.2012, 15:12    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... geht es in der philosophischen Teildisziplin "Ästhetik" aber gerade nicht um die Aspekte, die Du ansprichst (das wäre Naturwissenschaft), sondern um hypothetische "normative" Aspekte der Ästhetik. Ähnlich auch bei Ethik.
Ich versteh nicht, was diese hypothetischen "normativen" Aspekte der Ästhetik und auch der Ethik sind und inwiefern sie sich von den den Aspekten, die ich ansprach, unterscheiden.

- Soziologie, Religionswissenschaft: Welche Normen gibt es, wie entstehen sie, welche Folgen haben sie für Individuum und Gemeinschaft usw.
- (traditionelle) Philosophie / Ethik / Theologie: Welche Normen sind die richtigen, und warum?

Die Unterschiede liegen aus meiner Sicht zum einen in der Herangehensweise (Sein vs. Sollen, neutral vs. appellativ, ...), zum zweiten in der Begründungsmethode (axiomatische Setzungen dessen, was man zeigen will, sind in der Wissenschaft eher verpönt, in Philosophie und Theologie zumindest traditionell weit verbreitet).

Die Diskussion, ob man ein "optimales Sollen" aus dem Sein ableiten kann, hatten wir ja woanders schon. Wenn das überhaupt geht, wäre es ein System mit sehr vielen Veränderlichen, schon allein weil unser Sein veränderlich ist, weil unser Wollen vom Sein und vom Sein der Anderen abhängt, und weil das Sollen das Wollen berücksichtigen muß.

Für den Moment sehe ich es daher so, daß die Ethik auf fundamental "willkürliche" Elemente angewiesen ist, die unsere gemeinsam entwickelten Ziele repräsentieren - also eine Art Diskurs oder politischer Prozeß.

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Aus meiner Sicht war die Philosophie klassisch angetreten, um Letztfragen (sowohl faktischer, metaphysischer, wie auch normativer Natur) gültig zu beantworten. Dieser Ansatz ist gescheitert. Die heutige Philosophie hat sich mehr aufs begleitende (mit Verzögerung) Verarbeiten der durch die Wissenschaft entstehenden Deutungsprobleme, Kränkungen usw. verlegt.
Ist das nicht auch etwas womit sich Theologie herumschlagen muss?

In der Tat, allerdings leistet die noch teilweise Widerstand, etwa indem sie einfach am dogmatischen Ansatz festhält.
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Myron
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Beitrag(#1751970) Verfasst am: 12.05.2012, 15:51    Titel: Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:

wenn Du mich fragst, kommt 'Fakt' von 'facere'. Die Naturwissenschaften modellieren das Sein und versuchen, ein stimmiges Gesamtbild zu erstellen. Die Philosophen setzen schon einen Schritt früher an und frage, wie es eigentlich möglich ist, dass das funktioniert. Und hier sind wir dann bei der Ontologie.


Die Philosophen verwenden das Wort "Tatsache" entweder im Sinn von "wahre Aussage" oder im Sinn von "wirklicher Sachverhalt". (Ich verwende es im letzteren Sinn.) Der Wortbestandteil "Tat-" darf einen nicht dazu verleiten, anzunehmen, dass wir es sind, die die wahren Aussagen wahr und die wirklichen Sachverhalte wirklich machen.

In der zeitgenössischen Metaphysik spielt der Begriff <Wahrmacher> (<truthmaker>) eine große Rolle. Damit ist dasjenige in der Welt, der Wirklichkeit gemeint, das eine wahre Aussage wahr macht, wobei die Beziehung des Wahrmachens kein kausale, sondern einen logische Beziehung ist.

"We will work, then, with the following theory of the nature of truth:

p (a proposition) is true if and only if there exists a T (some entity in the world) such that T necessitates that p and p is true in virtue of T."


"Wir werden also mit der folgenden Theorie des Wesens der Wahrheit arbeiten:

A (eine Aussage) ist genau dann wahr, wenn ein T (eine bestimmte Entität in der Welt) existiert und es so ist, dass T logisch bedingt, dass (es der Fall ist, dass) A und A kraft T wahr ist."

[© meine Übers.]

(Armstrong, D. M. Truth and Truthmakers. Cambridge: Cambridge University Press, 2004. p. 17)

David Lewis formuliert die Theorie wie folgt:

"Statements divide into truths and falsehoods. Some of the truths are necessary truths; set those aside. The rest of the truths are contingent: they are truths that might have been false. Now ask: when a statement S is (contingently) true, what makes it true? It wouldn't seem right to say: 'Well, S just is true, and that's all there is to it'. Rather, we want to say that its truth is a relational property. The world—the totality of all the entities there actually are—makes S true. Or rather, since few truths purport to describe the entire world, some part of the world makes S true. Somewhere within the world, S has a 'truthmaker'. Something E exists such that, necessarily, if E exists then S is true. (Or perhaps several things exist, any one of which would have sufficed to make S true. Each and every cat—at least if it is a cat essentially—is a truthmaker for the statement that something is a cat.)"

"Aussagen teilen sich in Wahrheiten und Falschheiten. Einige der Wahrheiten sind notwendige Wahrheiten; lassen wir diese beiseite. Die übrigen Wahrheiten sind unnotwendig: Sie sind Wahrheiten, die falsch hätten sein können. Nun stellt sich die Frage: Wenn eine Aussage A (unnotwendigerweise) wahr ist, was macht sie wahr? Es erschiene nicht richtig zu sagen: 'A ist halt einfach wahr, und damit hat es sich.' Wir wollen vielmehr sagen, dass ihre Wahrheit eine relationale Eigenschaft ist. Die Welt—die Gesamtheit all dessen, das wirklich existiert—macht A wahr. Oder, besser gesagt, ein bestimmter Teil der Welt macht A wahr, da nur wenige Wahrheiten eine Beschreibung der gesamten Welt darstellen. Irgendwo innerhalb der Welt hat A einen 'Wahrmacher'. Ein Etwas E existiert und es ist so, dass es notwendigerweise der Fall ist, dass wenn E existiert, A wahr ist. (Oder es existieren vielleicht mehrere Dinge, von denen jedes ausgereicht hätte, um A wahr zu machen. Jede einzelne Katze—zumindest wenn sie wesensmäßig eine Katze ist—ist ein Wahrmacher der Aussage, dass etwas eine Katze ist.)"
[© meine Übers.]

(Lewis, David. "A World of Truthmakers." In Papers in Metaphysics and Epistemology, 215-220. Cambridge: Cambridge University Press, 1999. pp. 217-8 )


Facts: http://plato.stanford.edu/entries/facts/

Propositions: http://plato.stanford.edu/entries/propositions/

States of Affairs: http://plato.stanford.edu/entries/states-of-affairs/


Zuletzt bearbeitet von Myron am 12.05.2012, 16:50, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Myron
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Beitrag(#1751971) Verfasst am: 12.05.2012, 15:57    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
wenn Du mich fragst, kommt 'Fakt' von 'facere'.

Im Wort Tat-Sache ist das sogar noch deutlicher...


Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass das Bestehen von Tatsachen, d.h. die Wahrheit von Aussagen oder die Wirklichkeit von Sachverhalten, grundsätzlich von unserem Tun abhängt. Natürliche Tatsachen bestehen unabhängig von unserem Tun und Denken.
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Myron
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Beitrag(#1751972) Verfasst am: 12.05.2012, 16:00    Titel: Antworten mit Zitat

Tom der Dino hat folgendes geschrieben:

Können wir das Thema Ästhetik etwas vertiefen? So wirklich versteh ich nicht, warum das ausschließlich eine philosophische Teildisziplin sein soll. Die Schönheit (das sinnliche Empfunden werden) von menschlichen Gesichtern z.B. lässt sich messen und erklären und bewegt sich damit innerhalb der Naturwissenschaft. Warum sollte es bei Kunstwerken keine experimentell bestimmbaren Parameter geben?


Wer hat denn behauptet, dass ein Thema der Philosophie nicht zugleich ein Thema der Wissenschaft sein kann, oder umgekehrt?
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Myron
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Beitrag(#1751979) Verfasst am: 12.05.2012, 17:09    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
…wobei "Wissen" impliziert, daß es intesubjektiv überprüfbar ist.


Das ist bei durch Selbstbeobachtung (Introspektion) gewonnenem Selbstwissen nicht immer der Fall:

"In philosophy, ‘self-knowledge’ commonly refers to knowledge of one's particular mental states, including one's beliefs, desires, and sensations."

(http://plato.stanford.edu/entries/self-knowledge/)
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Tom der Dino
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Beitrag(#1751981) Verfasst am: 12.05.2012, 17:25    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Tom der Dino hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... geht es in der philosophischen Teildisziplin "Ästhetik" aber gerade nicht um die Aspekte, die Du ansprichst (das wäre Naturwissenschaft), sondern um hypothetische "normative" Aspekte der Ästhetik. Ähnlich auch bei Ethik.
Ich versteh nicht, was diese hypothetischen "normativen" Aspekte der Ästhetik und auch der Ethik sind und inwiefern sie sich von den den Aspekten, die ich ansprach, unterscheiden.

- Soziologie, Religionswissenschaft: Welche Normen gibt es, wie entstehen sie, welche Folgen haben sie für Individuum und Gemeinschaft usw.
- (traditionelle) Philosophie / Ethik / Theologie: Welche Normen sind die richtigen, und warum?

Die Unterschiede liegen aus meiner Sicht zum einen in der Herangehensweise (Sein vs. Sollen, neutral vs. appellativ, ...), zum zweiten in der Begründungsmethode (axiomatische Setzungen dessen, was man zeigen will, sind in der Wissenschaft eher verpönt, in Philosophie und Theologie zumindest traditionell weit verbreitet).
Achso, danke für die Aufklärung.

step hat folgendes geschrieben:
Die Diskussion, ob man ein "optimales Sollen" aus dem Sein ableiten kann, hatten wir ja woanders schon. Wenn das überhaupt geht, wäre es ein System mit sehr vielen Veränderlichen, schon allein weil unser Sein veränderlich ist, weil unser Wollen vom Sein und vom Sein der Anderen abhängt, und weil das Sollen das Wollen berücksichtigen muß.

Für den Moment sehe ich es daher so, daß die Ethik auf fundamental "willkürliche" Elemente angewiesen ist, die unsere gemeinsam entwickelten Ziele repräsentieren - also eine Art Diskurs oder politischer Prozeß.
Zustimmung. Das System ist zu komplex, als dass es heute bereits umfänglich genug modelliert werden kann.
Ich vermute allerdings, dass das Sollen aus dem Sein folgt. Weil das Sollen dem Wollen der dominanten Individuen entspricht.
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Myron
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Beitrag(#1751987) Verfasst am: 12.05.2012, 17:56    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
So wie ich Myron (und auch viele Bücher über Philosophie) verstehe, geht es in der philosophischen Teildisziplin "Ästhetik" aber gerade nicht um die Aspekte, die Du ansprichst (das wäre Naturwissenschaft), sondern um hypothetische "normative" Aspekte der Ästhetik. Ähnlich auch bei Ethik.


Psychologen können natürlich empirisch untersuchen und beschreiben, was die Menschen de facto als schön bzw. unschön empfinden und was nicht. Das allein beantwortet aber nicht die philosophische Frage nach dem Wesen des Schönen/Unschönen und der Rechtfertigung ästhetischer Urteile.

Aesthetic Judgment: http://plato.stanford.edu/entries/aesthetic-judgment/

step hat folgendes geschrieben:
Aus meiner Sicht war die Philosophie klassisch angetreten, um Letztfragen (sowohl faktischer, metaphysischer, wie auch normativer Natur) gültig zu beantworten. Dieser Ansatz ist gescheitert. Die heutige Philosophie hat sich mehr aufs begleitende (mit Verzögerung) Verarbeiten der durch die Wissenschaft entstehenden Deutungsprobleme, Kränkungen usw. verlegt.


Die Philosophie galt einst als Magd der Theologie, und heutzutage betrachten sie viele als Magd der Wissenschaft. Sie erschöpft sich jedoch weder in der Wissenschaftstheorie noch in Begriffsanalysen des wissenschaftlichen Vokabulars. Alle naturalistischen Philosophen verlangen als Minimalanforderung von philosophischen Thesen und Theorien, dass sie mit den wohlbestätigten erfahrungswissenschaftlichen Thesen und Theorien vereinbar sind. Darüber hinaus ist die Philosophie, insbesondere die Metaphysik/Ontologie, durchaus ein eigenständiges Untersuchungsgebiet, sodass sie nicht als Magd oder Sklavin der Wissenschaft, sondern als deren Partnerin zu bezeichnen ist.

In epistemologischer Hinsicht geht es um die gute alte Debatte zwischen dem Empirismus und dem Rationalismus, und insbesondere um Kants berühmte Frage nach der Möglichkeit synthetischen Wissens a priori. Ist alles apriorische Wissen analytischer Natur, d.h. rein formales/logisches oder rein begriffliches/sprachliches/semantisches Wissen, oder gibt es zudem reines Vernunftwissen über translogische und transsemantische Seinstatsachen?
Hier muss übrigens noch zwischen notwendigen und unnotwendigen (zufälligen) sowie allgemeinen (gesetzlichen) und besonderen Seinstatsachen unterschieden werden.
Rationalisten, die die Möglichkeit synthetischen Wissens a priori behaupten und verteidigen, beziehen diese auf die Erkenntnis metaphysisch/ontologisch (d.h. nicht bloß nomologisch, naturgesetzlich) notwendiger Seinstatsachen. Sie behaupten nicht, dass sich unnotwendige besondere Seinstatsachen (z.B. die Tatsache, dass Angela Merkel die Bundeskanzlerin ist) durch reines Nachdenken ermitteln lassen. Zeitgenössische Vertreter des Rationalismus wie Laurence BonJour behaupten auch nicht mehr, dass apriorisches Vernunftwissen über notwendige Tatsachen unfehlbar ist und nicht durch Erfahrungen/Wahrnehmungen widerlegt werden kann. Das spricht aber nicht gegen die Möglichkeit reinen Vernunftwissens, da unser Erfahrungswissen ja genauso fehlbar und widerlegbar ist.
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