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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1751989) Verfasst am: 12.05.2012, 18:04 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | …wobei "Wissen" impliziert, daß es intesubjektiv überprüfbar ist. | Das ist bei durch Selbstbeobachtung (Introspektion) gewonnenem Selbstwissen nicht immer der Fall:
"In philosophy, ‘self-knowledge’ commonly refers to knowledge of one's particular mental states, including one's beliefs, desires, and sensations."
(http://plato.stanford.edu/entries/self-knowledge/) |
OK, aber solches "Wissen", also die "gefühlte Kenntnis eigener mentaler Zustände", ist kein allgemein verfügbares oder gar allgemein nutzbares Wissen, würde ich sagen.
Na gut, ein Meister der Reflektion könnte vielleicht eine Meditationsanleitung verfassen oder sowas.
Es gibt ja noch weitere Fälle, in denen manche Menschen etwas als "Wissen" bezeichnen, obwohl es völlig subjektiv und nicht überprüfbar ist - etwa wenn ein Gläubiger "ganz sicher weiß", daß Gott für ihn da ist.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1751992) Verfasst am: 12.05.2012, 18:22 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | ... Darüber hinaus ist die Philosophie, insbesondere die Metaphysik/Ontologie, durchaus ein eigenständiges Untersuchungsgebiet, sodass sie nicht als Magd oder Sklavin der Wissenschaft, sondern als deren Partnerin zu bezeichnen ist. |
Gerade auf dem Gebiet der Metaphysik und Ontologie ist mir leider kein verwertbares Ergebnis der Philosophie bekannt, ja nicht mal ein allgemein anerkanntes Ergebnis überhaupt. Von einem Partner würde ich aber gleichwertige Beiträge erwarten.
Myron hat folgendes geschrieben: | In epistemologischer Hinsicht geht es um die gute alte Debatte zwischen dem Empirismus und dem Rationalismus, und insbesondere um Kants berühmte Frage nach der Möglichkeit synthetischen Wissens a priori. Ist alles apriorische Wissen analytischer Natur, d.h. rein formales/logisches oder rein begriffliches/sprachliches/semantisches Wissen, oder gibt es zudem reines Vernunftwissen über translogische und transsemantische Seinstatsachen? ... |
"Kants Frage" ist gut - nmV beantwortet er sie auch gleich unter Voraussetzung desssen, was er zeigen will. Aber sei's drum.
Meinst Du, daß diese Frage reflektiv gelöst werden kann? Meiner Ansicht nach ist - je nach genauer Formulierung der Frage - das Problem ein reines Begriffsproblem oder aber durch die Naturwissenschaft zu beantworten, etwa indem man es reduziert auf die Frage, wie Gedanken / Begriffe funktionieren - denn es gibt ja empirisch gesehen keine "reine Vernunft".
Myron hat folgendes geschrieben: | ... unnotwendige besondere Seinstatsachen (z.B. die Tatsache, dass Angela Merkel die Bundeskanzlerin ist) ... |
Ist zwar hier OT, aber bei solchen Aussagen habe ich als Physiker schon mal ein Problem. Was genau bedeutet bei Dir "unnotwendig"? Doch wohl nicht mehr, als daß man es nicht aus einem sehr einfachen, allen bekannten Modell herleiten kann, oder?
Myron hat folgendes geschrieben: | Zeitgenössische Vertreter des Rationalismus wie Laurence BonJour behaupten auch nicht mehr, dass apriorisches Vernunftwissen über notwendige Tatsachen unfehlbar ist und nicht durch Erfahrungen/Wahrnehmungen widerlegt werden kann. Das spricht aber nicht gegen die Möglichkeit reinen Vernunftwissens, da unser Erfahrungswissen ja genauso fehlbar und widerlegbar ist. |
Hmm ... nach welchen Kriterien würdest Du (oder würden jene) denn einem "apriorischen Vernunftwissen" den Vorrang geben vor einer (prinzipiell fehlbar) empirisch wohlbelegten Theorie?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1751996) Verfasst am: 12.05.2012, 18:36 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Rationalisten, die die Möglichkeit synthetischen Wissens a priori behaupten und verteidigen, beziehen diese auf die Erkenntnis metaphysisch/ontologisch (d.h. nicht bloß nomologisch, naturgesetzlich) notwendiger Seinstatsachen. Sie behaupten nicht, dass sich unnotwendige besondere Seinstatsachen (z.B. die Tatsache, dass Angela Merkel die Bundeskanzlerin ist) durch reines Nachdenken ermitteln lassen. |
Sie behaupten auch nicht, dass dies im Fall naturnotwendiger allgemeiner Tatsachen, d.i. von Naturgesetzen möglich ist.
Wir müssen also unterscheiden zwischen
i. unnotwendigen besonderen Tatsachen/Wahrheiten.
ii. unnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten
iii. naturnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten
iv. seinsnotwendigen besonderen Tatsachen/Wahrheiten
v. seinsnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten.
Die zeitgenössischen (moderaten) Rationalisten behaupten nicht, dass sich i-iii durch die reine Vernunft, durch reine Vernunfteinsichten (rationale Intuitionen) erkennen lassen.
Myron hat folgendes geschrieben: |
Zeitgenössische Vertreter des Rationalismus wie Laurence BonJour behaupten auch nicht mehr, dass apriorisches Vernunftwissen über notwendige Tatsachen unfehlbar ist und nicht durch Erfahrungen/Wahrnehmungen widerlegt werden kann. |
Gemeint ist apriorisch-synthetisches Vernunftwissen. Dagegen kann apriorisch-analytisches (logisches/semantisches) Vernunftwissen als unfehlbar und empirisch unwiderlegbar gelten, was aber von den radikalen Empiristen bestritten wird.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1751998) Verfasst am: 12.05.2012, 18:37 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Das ist bei durch Selbstbeobachtung (Introspektion) gewonnenem Selbstwissen nicht immer der Fall: |
Kommt darauf an. Wenn man die Wittgensteinianer fragt, dann muss es auch für die Ergebnisse von Selbstbeobachtung notwendigerweise kommunizierbare Kriterien geben, wegen des Privatsprachenproblems.
Mal davon abgesehen stellt sich natürlich die Frage, ob die "Erforschung der eigenen Gefühle" überhaupt eine Disziplin der Philosophie ist. Ich hab' jedenfalls noch kein Seminar dazu gehabt...
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1751999) Verfasst am: 12.05.2012, 18:40 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
OK, aber solches "Wissen", also die "gefühlte Kenntnis eigener mentaler Zustände", ist kein allgemein verfügbares oder gar allgemein nutzbares Wissen, würde ich sagen. |
Nichtsdestoweniger ist auf Introspektion basierendes Selbstwissen echtes Wissen. Wenn ich hungrig oder traurig bin, dann weiß ich, dass ich hungrig/traurig bin. Introspektion (Selbstbeobachtung/-wahrnehmung) ist eine unserer natürlichen Erkenntnisquellen.
(Eine Erkenntnisquelle ist dasjenige, kraft dessen eine Fürwahrhaltung/Glaubung/Überzeugung gerechtfertigt ist, d.i. deren Rechtfertigungsgrund.)
Epistemology > Introspection: http://plato.stanford.edu/entries/epistemology/#INT
Introspection: http://plato.stanford.edu/entries/introspection/
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752005) Verfasst am: 12.05.2012, 19:00 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: |
Introspektion (Selbstbeobachtung/-wahrnehmung) ist eine unserer natürlichen Erkenntnisquellen.
(Eine Erkenntnisquelle ist dasjenige, kraft dessen eine Fürwahrhaltung/Glaubung/Überzeugung gerechtfertigt ist, d.i. deren Rechtfertigungsgrund.) |
"Als Erkenntnisquelle sehe ich das an, wodurch die Anerkennung der Wahrheit, das Urteil, gerechtfertigt ist." – Gottlob Frege
Unsere natürlichen Erkenntnisquellen:
1. Erfahrung/(sinnliche) Wahrnehmung:
1.1. Äußere Wahrnehmung (Perzeption)
1.2. Innere Wahrnehmung/Selbstwahrnehmung (Proprioception/Interoception/Introspektion)
2. Vernunft/Verstand (rationale Intuition)
3. Erinnerung (Gedächtnis)
4. (mündliche oder schriftliche) Zeugnisse /Zeugenaussagen
Supernaturalisten behaupten, dass es zusätzliche Erkenntnisquellen gibt:
5. Außer-/Übersinnliche Wahrnehmungen
6. Mystische/Religiöse Eingebungen oder Offenbarungen (sub-/irrationale Intuitionen)
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752010) Verfasst am: 12.05.2012, 19:07 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Das ist bei durch Selbstbeobachtung (Introspektion) gewonnenem Selbstwissen nicht immer der Fall: |
Kommt darauf an. Wenn man die Wittgensteinianer fragt, dann muss es auch für die Ergebnisse von Selbstbeobachtung notwendigerweise kommunizierbare Kriterien geben, wegen des Privatsprachenproblems. |
Wenn ich anderen mein introspektiv gewonnenes Selbstwissen sprachlich mitteile, dann ist dies für die anderen ein Zeugnis, eine Zeugenaussage.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Mal davon abgesehen stellt sich natürlich die Frage, ob die "Erforschung der eigenen Gefühle" überhaupt eine Disziplin der Philosophie ist. Ich hab' jedenfalls noch kein Seminar dazu gehabt... |
Bei der Introspektion als einer Erkenntnisquelle geht es um die Erkenntnis der eigenen inneren, geistig-seelischen Zustände oder Vorgänge. Diese umfassen Empfindungen, Gefühle und Gedanken.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1752035) Verfasst am: 12.05.2012, 20:17 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | So wie ich Myron (und auch viele Bücher über Philosophie) verstehe, geht es in der philosophischen Teildisziplin "Ästhetik" aber gerade nicht um die Aspekte, die Du ansprichst (das wäre Naturwissenschaft), sondern um hypothetische "normative" Aspekte der Ästhetik. Ähnlich auch bei Ethik. |
Psychologen können natürlich empirisch untersuchen und beschreiben, was die Menschen de facto als schön bzw. unschön empfinden und was nicht. Das allein beantwortet aber nicht die philosophische Frage nach dem Wesen des Schönen/Unschönen und der Rechtfertigung ästhetischer Urteile.
Aesthetic Judgment: http://plato.stanford.edu/entries/aesthetic-judgment/ |
Aber sind das nicht die Fragen: Was ist schön/unschön? und Warum ist wird etwas als schön/unschön empfunden und beurteilt? Diese werden nicht von Psychologen beantwortet, aber von Biologen und Mathematikern. Stichwort Symmetrie, "Ähnlichkeit" und Gesundheitszustand gerade in Bezug auf Gesichter. In Bezug auf Kunstwerke ist die Sache bestimmt komplizierter.
Oder ist mit Wesen der Schönheit nicht das Prinzip hinter der Schönheit gemeint? Entschuldigt meine Begriffsstutzigkeit, ich versuch aber tatsächlich den Unterschied zu verstehen.
Oder versucht die Philosophie normative Aspekte der Schönheit/Unschönheit zu definieren? Nach dem Motto: Das soll jetzt als schön empfunden werden. ?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1752036) Verfasst am: 12.05.2012, 20:22 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: |
OK, aber solches "Wissen", also die "gefühlte Kenntnis eigener mentaler Zustände", ist kein allgemein verfügbares oder gar allgemein nutzbares Wissen, würde ich sagen. |
Nichtsdestoweniger ist auf Introspektion basierendes Selbstwissen echtes Wissen. Wenn ich hungrig oder traurig bin, dann weiß ich, dass ich hungrig/traurig bin. Introspektion (Selbstbeobachtung/-wahrnehmung) ist eine unserer natürlichen Erkenntnisquellen.
(Eine Erkenntnisquelle ist dasjenige, kraft dessen eine Fürwahrhaltung/Glaubung/Überzeugung gerechtfertigt ist, d.i. deren Rechtfertigungsgrund.)
Epistemology > Introspection: http://plato.stanford.edu/entries/epistemology/#INT
Introspection: http://plato.stanford.edu/entries/introspection/ |
Zum gefetteten: Genau. Vor allem ist es echtes Wissen, weil diese Gefühle eine Art Readout körpereigener Messinstrumente sind. Das Gefühl Hungrig stellt sich ein, wenn [edit]<s>Mageninhalt</s> [/edit] oder Nährstoffe fehlen bzw. nicht in dem Maße wie sonst üblich zu sich genommen werden.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
Zuletzt bearbeitet von Tom der Dino am 12.05.2012, 21:47, insgesamt einmal bearbeitet |
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1752038) Verfasst am: 12.05.2012, 20:25 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | OK, aber solches "Wissen", also die "gefühlte Kenntnis eigener mentaler Zustände", ist kein allgemein verfügbares oder gar allgemein nutzbares Wissen, würde ich sagen. | Nichtsdestoweniger ist auf Introspektion basierendes Selbstwissen echtes Wissen. Wenn ich hungrig oder traurig bin, dann weiß ich, dass ich hungrig/traurig bin. Introspektion (Selbstbeobachtung/-wahrnehmung) ist eine unserer natürlichen Erkenntnisquellen.
(Eine Erkenntnisquelle ist dasjenige, kraft dessen eine Fürwahrhaltung/Glaubung/Überzeugung gerechtfertigt ist, d.i. deren Rechtfertigungsgrund.) |
Ja natürlich, eine Beobachtung an mir selbst ist auch eine Beobachtung. Jedoch: Wenn ich weiß, daß ich hungrig bin, nur weil ich mich hungrig fühle, hat das eher den Status einer (privaten) Beobachtung. Die Reichweite, die Bedeutung solchen Wissens ist daher typischerweise sehr gering. Zudem ist dieses Wissen üblicherweise sehr "flach", da es im Prinzip nur das Gefühl selbst (die Qualia) beschreibt, aber keinerlei tiefere Erklärung beinhaltet - etwa den Energievorrat bestimmter Zellen. Jegliche tiefere Erklärung wäre mit einer Theoriebildung verbunden, für die die wissenschaftliche Methode besser geeignet ist als die reflektive Methode.
Es gibt allerdings Fälle, in denen der zweite Kritikpunkt weniger schwer wiegt als in dem Hunger-Beispiel, etwa wenn ich meine Gründe für eine Entscheidung kenne, weil der Abwägungsprozeß bewußt ablief. Hier ist - jedenfalls im Moment - eine reflektive Beschreibung noch genauer als eine externe.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752053) Verfasst am: 12.05.2012, 21:20 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
OK, aber solches "Wissen", also die "gefühlte Kenntnis eigener mentaler Zustände", ist kein allgemein verfügbares oder gar allgemein nutzbares Wissen, würde ich sagen. |
Mitgeteiltes Selbstwissen ist sehr wohl öffentlich verfügbar und nutzbar.
step hat folgendes geschrieben: |
Es gibt ja noch weitere Fälle, in denen manche Menschen etwas als "Wissen" bezeichnen, obwohl es völlig subjektiv und nicht überprüfbar ist - etwa wenn ein Gläubiger "ganz sicher weiß", daß Gott für ihn da ist. |
Das hat aber nichts mit introspektiv gewonnenem Selbstwissen über die eigene psychische Befindlichkeit zu tun. Wenn ich weiß, dass ich Hunger habe, dann ist das Wissen über eine epistemisch objektive Tatsache betreffs eines ontisch subjektiven Phänomens (= das Hungergefühl).
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1752060) Verfasst am: 12.05.2012, 21:34 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | OK, aber solches "Wissen", also die "gefühlte Kenntnis eigener mentaler Zustände", ist kein allgemein verfügbares oder gar allgemein nutzbares Wissen, würde ich sagen. | Mitgeteiltes Selbstwissen ist sehr wohl öffentlich verfügbar und nutzbar. |
"Ich habe Hunger" ist zwar eine sinnvolle Information für Andere, aber dieses Wissen hat nur einen lokal und temporal extrem begrenzten, und zudem singulären Informationswert. Man sieht das auch daran, daß keinerlei singuläres Hungererlebnis in Wissenschaft oder Philosophie überdauert hat.
Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Es gibt ja noch weitere Fälle, in denen manche Menschen etwas als "Wissen" bezeichnen, obwohl es völlig subjektiv und nicht überprüfbar ist - etwa wenn ein Gläubiger "ganz sicher weiß", daß Gott für ihn da ist. | Das hat aber nichts mit introspektiv gewonnenem Selbstwissen über die eigene psychische Befindlichkeit zu tun. Wenn ich weiß, dass ich Hunger habe, dann ist das Wissen über eine epistemisch objektive Tatsache bezüglich eines ontisch subjektiven Phänomens. |
Da begibst Du Dich aber auf dünnes Eis - demjenigen selbst kommt es nämlich durchaus wie eine epistemisch objektive Tatsache vor. Um das zu widerlegen, reicht wiederum die reine Reflektion nicht aus, man benötigt externe Überprüfung oder andere wissenschaftliche Methoden. Umgekehrt könnte zwar das Hungergefühl echt, der Hunger selbst (was ist das eigentlich?) aber Illusion sein.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752071) Verfasst am: 12.05.2012, 22:15 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Gerade auf dem Gebiet der Metaphysik und Ontologie ist mir leider kein verwertbares Ergebnis der Philosophie bekannt, ja nicht mal ein allgemein anerkanntes Ergebnis überhaupt. Von einem Partner würde ich aber gleichwertige Beiträge erwarten. |
Definiere "verwertbar" und "gleichwertig"!
Es gibt metaphysische Theorien von wissenschaftswürdig hoher Qualität, und es gibt etliche sogenannte wissenschaftliche Theorien wie die Stringtheorie, die diversen Interpretationen der Quantenmechanik und die diversen kosmologischen Theorien, von denen auch keine allgemein anerkannt oder empirisch bestätigt ist. Oder denke an all die diversen und kontrovers diskutierten sozialwissenschaftlichen Theorien.
Es stimmt einfach nicht, dass in der Philosophie stets Dissens herrscht und in der Wissenschaft stets Konsens.
step hat folgendes geschrieben: | Meinst Du, daß diese Frage reflektiv gelöst werden kann? Meiner Ansicht nach ist - je nach genauer Formulierung der Frage - das Problem ein reines Begriffsproblem oder aber durch die Naturwissenschaft zu beantworten, etwa indem man es reduziert auf die Frage, wie Gedanken / Begriffe funktionieren - denn es gibt ja empirisch gesehen keine "reine Vernunft". |
So sehen das die Empiristen; aber die Rationalisten sehen es bekanntlich anders.
Mit "rein" ist übrigens nicht psychologische, sondern epistemologische Reinheit im Sinne von Erfahrungs-/Wahrnehmungsunabhängigkeit gemeint.
Eine reine Vernunfterkenntnis ist eine apriorische Erkenntnis der Wahrheit einer Aussage, die allein vom richtigen Verständnis derselben abhängt. Das heißt, wenn ich eine Aussage richtig verstehe und mir ihre (notwendige) Wahrheit als selbstverständlich, als unmittelbar einleuchtend erscheint und sie sich mir damit unwiderstehlich als wahr aufdrängt, dann rechtfertigt diese scheinbare Vernunfteinsicht in die (notwendige) Wahrheit der betreffenden Aussage meinen Glauben an deren Wahrheit.
step hat folgendes geschrieben: | Ist zwar hier OT, aber bei solchen Aussagen habe ich als Physiker schon mal ein Problem. Was genau bedeutet bei Dir "unnotwendig"? Doch wohl nicht mehr, als daß man es nicht aus einem sehr einfachen, allen bekannten Modell herleiten kann, oder? |
Es gibt verschiedene Arten von Notwendigkeit:
i. logische Notwendigkeit
ii. ontologische/metaphysische Notwendigkeit (Seinsnotwendigkeit)
iii. nomologische Notwendigkeit (Naturnotwendigkeit)
Seinsnotwendig ist, was in allen ontologisch möglichen Welten der Fall oder wahr ist; und naturnotwendig ist, was in allen nomologisch möglichen Welten der Fall oder wahr ist, d.h. was in all denjenigen möglichen Welten der Fall oder wahr ist, worin die gleichen Naturgesetze herrschen wie in der wirklichen Welt.
Alles Seinsnotwendige ist naturnotwendig (naturgesetzlich notwendig), aber nicht alles Naturnotwendige ist seinsnotwendig.
Ich kenne keinen Rationalisten, der behauptet, dass die seinsunnotwendigen Naturgesetze apriorisch erkannt oder entdeckt werden können.
step hat folgendes geschrieben: | Hmm ... nach welchen Kriterien würdest Du (oder würden jene) denn einem "apriorischen Vernunftwissen" den Vorrang geben vor einer (prinzipiell fehlbar) empirisch wohlbelegten Theorie? |
Schwer zu sagen, aber wenn eine meiner (vermeintlichen) apriorisch-synthetischen (d.i. translogisch-transsemantisch apriorischen) Vernunfteinsichten einer wohlbestätigten erfahrungswissenschaftlichen Theorie widerspricht, dann werde ich zugeben, mich geirrt zu haben und die betreffende apriorische Überzeugung aufgeben.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752079) Verfasst am: 12.05.2012, 22:40 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Ja natürlich, eine Beobachtung an mir selbst ist auch eine Beobachtung. Jedoch: Wenn ich weiß, daß ich hungrig bin, nur weil ich mich hungrig fühle, hat das eher den Status einer (privaten) Beobachtung. Die Reichweite, die Bedeutung solchen Wissens ist daher typischerweise sehr gering. Zudem ist dieses Wissen üblicherweise sehr "flach", da es im Prinzip nur das Gefühl selbst (die Qualia) beschreibt, aber keinerlei tiefere Erklärung beinhaltet - etwa den Energievorrat bestimmter Zellen. Jegliche tiefere Erklärung wäre mit einer Theoriebildung verbunden, für die die wissenschaftliche Methode besser geeignet ist als die reflektive Methode. |
Durch innerliche Selbstwahrnehmung gewonnenes psychologisches Selbstwissen ist sowohl von großer praktischer (Über-)Lebensbedeutung für jeden von uns als auch von großer theoretischer Bedeutung für die Wissenschaft der Psychologie. Wissenschaftlich nutzbar wird an sich privates Selbstwissen freilich erst in Form sprachlich geäußerter Berichte über oder Beschreibungen von Selbstwahrnehmungen (introspective reports).
Solche Selbstbeobachtungsaussagen stellen Zeugenaussagen dar, und Gegner der introspektiven Psychologie als einer wissenschaftlichen Form von Psychologie betrachten jene mit großem Argwohn und verweisen auf die allgemeine erkenntnistheoretische Zweifelhaftigkeit von Zeugenaussagen.
Ungeachtet des epistemologischen Problems der Genauigkeit, Wirklichkeitstreue und Glaubwürdigkeit von Selbst- oder Fremdbeobachtungsaussagen halte ich Introspektionsberichte in der wissenschaftlichen Psychologie und insbesondere der Psychiatrie für unentbehrlich. Denn eine ausschließlich mit objektivistischen Methoden arbeitende, rein behavioristisch-neurologische Psychologie würde das Wesentliche und Eigentliche der Psyche schlichtweg ignorieren: die ontisch subjektiven, privaten Bewusstseinserscheinungen und ihre Anmutungsqualitäten ("Qualia").
Epistemological Problems of Testimony: http://plato.stanford.edu/entries/testimony-episprob/
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1752080) Verfasst am: 12.05.2012, 22:47 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Gerade auf dem Gebiet der Metaphysik und Ontologie ist mir leider kein verwertbares Ergebnis der Philosophie bekannt, ja nicht mal ein allgemein anerkanntes Ergebnis überhaupt. Von einem Partner würde ich aber gleichwertige Beiträge erwarten. | Definiere "verwertbar" und "gleichwertig"! |
Hmm ... war ja klar ... vielleicht so: "verwertbar" = jenseits der Zunft angewandt / genutzt
Myron hat folgendes geschrieben: | Es stimmt einfach nicht, dass in der Philosophie stets Dissens herrscht und in der Wissenschaft stets Konsens. |
So extrem habe ich das auch nicht behauptet. Aber welche metaphysischen / ontologischen Erkenntnisse gelten heute in der Philosophie als gefestigt und allgemein anerkannt?
Myron hat folgendes geschrieben: | ... sie sich mir damit unwiderstehlich als wahr aufdrängt ... |
Irgendwie sind Philosophen ... emotionaler als Naturwissenschaftler ... "unwiderstehlich"
Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Hmm ... nach welchen Kriterien würdest Du (oder würden jene) denn einem "apriorischen Vernunftwissen" den Vorrang geben vor einer (prinzipiell fehlbar) empirisch wohlbelegten Theorie? | Schwer zu sagen, aber wenn eine meiner (vermeintlichen) apriorisch-synthetischen (d.i. translogisch-transsemantisch apriorischen) Vernunfteinsichten einer wohlbestätigten erfahrungswissenschaftlichen Theorie widerspricht, dann werde ich zugeben, mich geirrt zu haben und die betreffende apriorische Überzeugung aufgeben. |
Und warum?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1752085) Verfasst am: 12.05.2012, 23:05 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Schwer zu sagen, aber wenn eine meiner (vermeintlichen) apriorisch-synthetischen (d.i. translogisch-transsemantisch apriorischen) Vernunfteinsichten einer wohlbestätigten erfahrungswissenschaftlichen Theorie widerspricht, dann werde ich zugeben, mich geirrt zu haben und die betreffende apriorische Überzeugung aufgeben. |
Und warum? |
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1752091) Verfasst am: 12.05.2012, 23:20 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Du unterschlägst dabei Leute wie R. A. Fisher. Fisher war nicht nur ein Pionier der Statistik, er hat auch einiges für die Evolutionsbiologie getan. Zum Beispiel hat er 1937 die Ausbreitung von Genen in einer Population mittels einer Reaktions-Diffusions-Gleichung beschreiben. Siehe: The wave of advance of advantageous genes. |
Das meinte ich, als ich von idealem Gas sprach und dass man diese Formalismen in der Populationsgenetik anwendet. |
Die Räuber-Beute-Gleichung - praktisch eine einfache, ortsunabhängige Reaktions-Diffusionsgleichung - wendet genau die selben Formalismen an. Mit Erfolg.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Vielleicht hätte Mayr nur die Arbeiten von Fisher erwähnen müssen, und Pauli hätte verstanden. |
Ups. Ich hätte dann das genaue Gegenteil erwartet (ich müsste zudem nachschauen, wann Mayr mit Pauli diskutierte, könnte vor 1937 gewesen sein). Wie viele unterschiedliche Phänotypen kann man in einem zwei-Allel-Modell konstruieren? |
Vier?
OK, ich glaube deinen Einwand zu verstehen: Fisher sagt nichts über die biochemischen Vorgänge, die zu neuen Phänotypen führen. Es sagt nichts dazu, ab wann neue Phänotypen neue Arten bilden. Gebirge, Inseln, Klimazonen, Kontinentalverschiebung - das kommt alles im Modell nicht vor. Einwand angenommen. Am Rande erwähnt: Fisher hat das nicht mal in der Fläche, sondern nur in 1D modelliert.
Was ich nicht verstehe: warum sollten sich EvoDevo und Selektionsmathematik ins Gehege kommen? Sobald neue Gene auftreten, aus welchem Grund auch immer, verbreiten sie sich nach den Modellen der Selektionsmathematik.
Aber das ist ein anderer Thread. Mal sehen, ob ich die Kurve zurück kriege zur unreasonable effectivness of math.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Mayr hat es zeitlebens nicht verdaut, daß Algebra plötzlich eine Rolle spielt in der Evolutionsbiologie. |
Das ist eine spannende Geschichte. [...] Es war nur allen klar, dass die Modelle, die ja nur das Fegen von Allelen durch Populationen modellierten (was dem Prinzip entsprach, aus den Bilanzen einer Autofabrik etwas über die Fließbänder auszusagen). Auf diesen Modellen beruht auch die Definition von Evolution als 'Veränderung der Allelfrequenzen in Populationen'. Ist natürlich vollkommen korrekt, ist aber eher die Wirkung als die Ursache. Untersucht wird nur die Transmissionsgenetik, das eigentlich Interessante, die Entstehung neuer Gene und Eigenschaften, wird vorausgesetzt. |
Siehe oben.
Das eigentlich Interessante? Da hab ich nochmal eine Reaktions-Diffusions-Gleichung für dich.
Wie der Leopard seine Flecken bekam
Woher hat ein Leopard seine Flecken oder ein Zebra seine Streifen? Alan Turing hat in den Fünfzigern vorgeschlagen, diese Muster folgten einer Reaktions-Diffusions-Gleichung. Der Verdacht auf zwei chemische Reaktionspartner lag nahe. Nach 60 Jahren meint man nun, sie gefunden zu haben.
Zitat: | Public release date: 19-Feb-2012
Researchers from King's College London have provided the first experimental evidence confirming a great British mathematician's theory of how biological patterns such as tiger stripes or leopard spots are formed.
The study, funded by the Medical Research Council and to be published online in Nature Genetics, not only demonstrates a mechanism which is likely to be widely relevant in vertebrate development, but also provides confidence that chemicals called morphogens, which control these patterns, can be used in regenerative medicine to differentiate stem cells into tissue.
The findings provide evidence to support a theory first suggested in the 1950s by famous code-breaker and mathematician Alan Turing, whose centenary falls this year. He put forward the idea that regular repeating patterns in biological systems are generated by a pair of morphogens that work together as an 'activator' and 'inhibitor'.
http://www.eurekalert.org/pub_releases/2012-02/kcl-spt021712.php |
Das ist, um El Schwalmos Bild aufzugreifen, ein Beispiel dafür, wie man aus einer Bilanz auf das Fließband schließt.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752092) Verfasst am: 12.05.2012, 23:26 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Aber welche metaphysischen / ontologischen Erkenntnisse gelten heute in der Philosophie als gefestigt und allgemein anerkannt? |
Tja, ich verfüge diesbezüglich leider über keine objektive Statistik, und ich kann dir, vom generellen Antisupernaturalismus abgesehen, auch ad hoc keinen theoretisch spezielleren Ismus nennen, der von der Mehrheit der zeitgenössischen Philosophen als wahr anerkannt wird.
Dennoch sieht der große Philosoph und Metaphysiker David Armstrong Anlass zu zaghaftem Optimismus:
"Philosophy, or at any rate analytic philosophy, has changed greatly during the time that I have been a student of the subject. For the most part, it has been changed for the better. One of the changes for the better has been the way philosophers have increasingly found it possible to co-operate with each other. Of course, they argue and criticize each other just as much as they ever did. But often today they find colleagues who they can agree with quite closely about the general approach in some area. Sometimes they even 'get the same result', for all the world as if they were scientists! It seems that our unruly discipline is becoming a little more of a discipline."
(Armstrong, D. M. A World of States of Affairs. Cambridge: Cambridge University Press, 1997. Preface, xii)
Andererseits äußerst er sich angesichts des in epistemologisch-methodologischer Hinsicht unüberwindlich scheinenden Pluralismus konkurrierender Thesen und Theorien auch eher pessimistisch:
"One moral that I draw is that in the fields of philosophy and religion there is no knowledge. We can only know what our beliefs are. For consider: In these fields there is no consensus of opinion about what is true. People who are intellectually competent to discuss these matters, who have genuinely studied the considerations for and against some view—the existence of God or the existence of universals—who know the arguments, who have read and understood the books and the articles—find themselves in complete disagreement. Surely we should not claim knowledge in these matters. We all have our hopes. Perhaps some of us do have knowledge about these difficult matters. But how can we have any rational assurance that we do have knowledge? It is prudent, and suitable to our nature, to claim no more than belief."
(Armstrong, D. M. "A Naturalist Program: Epistemology and Ontology." Proceedings and Addresses of the American Philosophical Association 73, no. 2 (November 1999): 77-89. p. 82)
Er rät seinen philosophischen (und theologischen) Kollegen also, aus Bescheidenheit und Aufrichtigkeit auf Wissens- und Gewissheitsansprüche zu verzichten und sich mit dem Anspruch auf vernünftige Glaubwürdigkeit oder Vertretbarkeit ihrer Thesen/Theorien zufriedenzugeben.
step hat folgendes geschrieben: |
Myron hat folgendes geschrieben: | Schwer zu sagen, aber wenn eine meiner (vermeintlichen) apriorisch-synthetischen (d.i. translogisch-transsemantisch apriorischen) Vernunfteinsichten einer wohlbestätigten erfahrungswissenschaftlichen Theorie widerspricht, dann werde ich zugeben, mich geirrt zu haben und die betreffende apriorische Überzeugung aufgeben. |
Und warum? |
Weil ich als Naturalist nach dem Motto verfahre: In dubio pro experientia/perceptione!
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752093) Verfasst am: 12.05.2012, 23:39 Titel: |
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Wann wird im FGH endlich ein Philosophie-Unterforum eingerichtet?!
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752096) Verfasst am: 13.05.2012, 00:01 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: |
Und die Berufung auf (scheinbare) Vernunfteinsichten hat wenig Überzeugungskraft, wenn die anderen diese nicht nachvollziehen können oder sich ihrerseits auf (scheinbare) Vernunfteinsichten berufen, die den meinigen widersprechen. Im letzteren Fall habe entweder ich unrecht oder die anderen; aber wie können wir herausfinden, wer recht hat und wer nicht, wenn uns auch die Sinneswahrnehmung nicht weiterhelfen kann? |
Empiristen wenden überdies gegen Berufungen auf Vernunfteinsichten ein, dass sich dahinter oft gefühlsgelenkte Vorurteile oder dogmatische Haltungen verbergen, die zu einer Erkenntnistäuschung führen, deren sich das Subjekt oft nicht oder nicht voll bewusst ist.
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1752098) Verfasst am: 13.05.2012, 00:09 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Wir müssen also unterscheiden zwischen
i. unnotwendigen besonderen Tatsachen/Wahrheiten.
ii. unnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten
iii. naturnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten
iv. seinsnotwendigen besonderen Tatsachen/Wahrheiten
v. seinsnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten. |
Mir fallen da dutzend Möglichkeiten ein, was diese sechs Sätze bedeuten könnten. Gingen wir sammeln, hier im Forum, kämen noch hunderte dazu.
Solange du keine Beispiele lieferst, für deine sechs Fälle, kann ich dir nicht mal widersprechen.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752111) Verfasst am: 13.05.2012, 01:26 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Wir müssen also unterscheiden zwischen
i. unnotwendigen besonderen Tatsachen/Wahrheiten.
ii. unnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten
iii. naturnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten
iv. seinsnotwendigen besonderen Tatsachen/Wahrheiten
v. seinsnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten. |
Mir fallen da dutzend Möglichkeiten ein, was diese sechs Sätze bedeuten könnten. Gingen wir sammeln, hier im Forum, kämen noch hunderte dazu.
Solange du keine Beispiele lieferst, für deine sechs Fälle, kann ich dir nicht mal widersprechen. |
Ich habe einen Punkt vergessen: naturnotwendige besondere Tatsachen. Allgemeine Aussagen sind im logischen Sinne All-Aussagen, d.i. Aussagen über ganze Arten von Dingen (oder Stoffen), während besondere Aussagen Aussagen über bestimmte einzelne Dinge oder Gruppen von Dingen sind.
Die folgenden Beispiele sind mir ad hoc eingefallen:
Wir müssen also unterscheiden zwischen
i. unnotwendigen besonderen Tatsachen/Wahrheiten.
"Joachim Gauck ist Bundespräsident."
ii. unnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten
"Fußballmannschaften bestehen aus 11 Spielern."
iii. naturnotwendigen besonderen Tatsachen/Wahrheiten
"Die Raumstation ISS umkreist die Erde mit Unterlichtgeschwindigkeit."
iv. naturnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten
"Flugkörper haben keine Überlichtgeschwindigkeit."
v. seinsnotwendigen besonderen Tatsachen/Wahrheiten
"Die Quadratwurzel aus 16 ist 4."
vi. seinsnotwendigen allgemeinen Tatsachen/Wahrheiten.
"Nichts Farbiges ist zugleich völlig rot und völlig schwarz."
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1752125) Verfasst am: 13.05.2012, 09:13 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Aber welche metaphysischen / ontologischen Erkenntnisse gelten heute in der Philosophie als gefestigt und allgemein anerkannt? | ... "One moral that I draw is that in the fields of philosophy and religion there is no knowledge. We can only know what our beliefs are. For consider: In these fields there is no consensus of opinion about what is true. - (Armstrong, D. M. ...) |
Na also, geht doch.
Myron hat folgendes geschrieben: | Er rät seinen philosophischen (und theologischen) Kollegen also, aus Bescheidenheit und Aufrichtigkeit auf Wissens- und Gewissheitsansprüche zu verzichten und sich mit dem Anspruch auf vernünftige Glaubwürdigkeit oder Vertretbarkeit ihrer Thesen/Theorien zufriedenzugeben. |
Ich könnte jetzt auch noch auf diesen "schwächeren" Begriffen Vertretbarkeit und Glaubwürdigkeit herumhacken ... aber ich will es mal dabei bewenden lassen, daß zumindest der Begriff "Wissen" nicht paßt.
Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Schwer zu sagen, aber wenn eine meiner (vermeintlichen) apriorisch-synthetischen (d.i. translogisch-transsemantisch apriorischen) Vernunfteinsichten einer wohlbestätigten erfahrungswissenschaftlichen Theorie widerspricht, dann werde ich zugeben, mich geirrt zu haben und die betreffende apriorische Überzeugung aufgeben. | Und warum? | Weil ich als Naturalist nach dem Motto verfahre: In dubio pro experientia/perceptione! |
Kannst Du das noch näher ausführen? Was hat Naturalismus damit zu tun? Warum mißtraust Du (im Zweifel) Deinen apriorischen Vernunfteinsichten? Ich vermute, wenn wir da weiter bohren, kommt raus, daß man konsequenterweise bei der naturwissenschaftlichen Methode landet.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1752127) Verfasst am: 13.05.2012, 10:05 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Weil ich als Naturalist nach dem Motto verfahre: In dubio pro experientia/perceptione! |
Auch ein Naturalist verfährt nicht in jedem Falle nach diesem Motto. Und das hat noch nicht mal unbedingt was mit "apriorischen Vernunfteinsichten" zu tun.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1752151) Verfasst am: 13.05.2012, 12:35 Titel: |
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Hi Tarvoc!
Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Myron hat folgendes geschrieben: |
Weil ich als Naturalist nach dem Motto verfahre: In dubio pro experientia/perceptione!
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Auch ein Naturalist verfährt nicht in jedem Falle nach diesem Motto. Und das hat noch nicht mal unbedingt was mit "apriorischen Vernunfteinsichten" zu tun.
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Die Bearbeitung AKA Methodik ist das Problem:
Und es hat einen besonderen Grund, warum niemand eine halbwegs brauchbare Philosophie hinbekommt, wenn er nicht gleichzeitig über einen gewissen naturwissenschaftlichen Hintergrund verfügt. Nicht umsonst hatte Wittgenstein Kenntnisse im Ingenieurwesen. Ohne Naturwissenschaften keinen Materialismus, keinen Naturalismus, keine evolutionäre Erkenntnistheorie, ja - nicht einmal einen Radikalen Konstruktivismus ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1752179) Verfasst am: 13.05.2012, 14:46 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | nicht einmal einen Radikalen Konstruktivismus ... . |
Ich dachte, Du sprichst von brauchbarer Philosophie.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1752203) Verfasst am: 13.05.2012, 15:57 Titel: |
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Hi Kival!
Kival hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
nicht einmal einen Radikalen Konstruktivismus ... .
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Ich dachte, Du sprichst von brauchbarer Philosophie.
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Naturellement: Nicht jeder kann mir den Musen schmusen ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752218) Verfasst am: 13.05.2012, 17:00 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Ich könnte jetzt auch noch auf diesen "schwächeren" Begriffen Vertretbarkeit und Glaubwürdigkeit herumhacken ... aber ich will es mal dabei bewenden lassen, daß zumindest der Begriff "Wissen" nicht paßt. |
Ich bin mir da nicht so sicher. Gewiss, unfehlbares synthetisches Wissen gibt es in der Philosophie genauso wenig wie in der Wissenschaft. Armstrong ist Naturalist, und die meisten Naturalisten sind Empiristen, wobei zwischen den moderaten und den radikalen Empiristen zu unterscheiden ist:
1. Der moderate Empirismus besteht in der Ansicht, dass synthetisches, ontisches Wissen nicht aporiorisch, durch reine, erfahrungsunabhängige Vernunft- oder Verstandeseinsichten zu erlangen ist, sondern nur analytisches, logisch-mathematisches oder semantisches Wissen, das entweder formale Strukturen oder begrifflich-sprachliche Definitionen und Konventionen betrifft, aber keine davon unabhängig bestehenden Seinstatsachen.
2. Der radikale Empirismus besteht in der Ansicht, dass weder synthetisches, ontisches noch analytisches, logisch-mathematisches oder semantisches Wissen apriorisch, durch reine, erfahrungsunabhängige Vernunft- oder Verstandeseinsichten zu erlangen ist.
Er behauptet also, dass die reine Vernunft überhaupt keine autonome Erkenntnisquelle ist und all unser Wissen letztlich auf Erfahrung/Wahrnehmung beruht.
Ich halte sowohl den moderaten als auch den radikalen Empirismus für falsch, weil ich apriorisch-synthetisches Wissen nicht für grundsätzlich unerreichbar halte. Ich glaube beispielsweise, apriorisch zu wissen, dass sich ein und dasselbe Ding nicht zur selben Zeit gänzlich an zwei verschiedenen Orten befinden kann.
Der radikale Empirismus scheitert vor allem mit dem Versuch einer empiristischen (psychologistischen oder physikalistischen) Reduktion und Deduktion der Logik und der Mathematik, vor allem der höheren, einschließlich der transfiniten Arithmetik und Mengenlehre.
step hat folgendes geschrieben: |
Myron hat folgendes geschrieben: | Weil ich als Naturalist nach dem Motto verfahre: In dubio pro experientia/perceptione! |
Kannst Du das noch näher ausführen? Was hat Naturalismus damit zu tun? Warum mißtraust Du (im Zweifel) Deinen apriorischen Vernunfteinsichten? |
Wie gesagt, die meisten (ontologischen) Naturalisten sind Empiristen, was aber nicht bedeutet, dass man als (ontologischer) Naturalist Empirist sein muss. Die ontologische Annahme, dass die Natur die gesamte Wirklichkeit ist, ist eines und die epistemologische Annahme, dass Wahrheiten über die Natur nur mittels der Sinneswahrnehmung entdeckt werden können, etwas anderes.
Mit "Im Zweifel für die Erfahrung/Wahrnehmung!" meine ich, dass ich, wenn eine (vermeintliche) translogische, transmathematische oder transsemantische Vernunfterkenntnis einer gesicherten Erfahrungserkenntnis widerspricht, bereit bin, jene zugunsten dieser aufzugeben.
Vereinbarkeit mit dem erfahrungswissenschaftlichen Wissen ist eine naturalistische Grundforderung in der Philosophie und insbesondere der Metaphysik/Ontologie.
Die Sache wird jedoch dadurch erschwert, dass nicht immer klar ist, an welchen wissenschaftlichen Theorien sich die Philosophen orientieren sollen. Ein Paradebeispiel sind die diversen Interpretationen der Quantenmechanik. Einerseits ist die Quantenmechanik die experimentell bestbestätigte physikalisch-mathematische Theorie, die wir haben, aber andererseits ist nach wie vor unklar, welches Weltbild daraus abzuleiten ist. Das ist das Problem der Unterbestimmtheit von Theorien durch die Beobachtungs- oder Experimentaldaten.
Dieser ungünstige Umstand bedeutet, dass ein naturalistischer Metaphysiker seine Theorie nicht unbedingt aufgeben muss, wenn sie z.B. einer bestimmten Interpretation der Quantenmechanik widerspricht.
"I am not ready to take lessons in ontology from quantum physics as it is now. First I must see how it looks when it is purified of instrumentalist frivolity and dares to say something not just about pointer readings but about the constitution of the world; and when it is purified of doublethinking deviant logic and—most of all—when it is purified of supernatural tales about the power of the observant mind to make things jump. If, after all that, it still teaches nonlocality, I shall submit willingly to the best of authority."
(Lewis, David. Philosophical Papers, Vol. II. New York: Oxford University Press, 1986. Introd., xi)
step hat folgendes geschrieben: |
Ich vermute, wenn wir da weiter bohren, kommt raus, daß man konsequenterweise bei der naturwissenschaftlichen Methode landet. |
Was ist denn "die naturwissenschaftliche Methode"? Die Metaphysik/Ontik ist keine empirische Disziplin, sodass ihre Methodik nicht in Beobachtungen, Experimenten oder Tests bestehen kann.
Zuletzt bearbeitet von Myron am 13.05.2012, 17:37, insgesamt einmal bearbeitet |
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752225) Verfasst am: 13.05.2012, 17:11 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ohne Naturwissenschaften keinen Materialismus, keinen Naturalismus, keine evolutionäre Erkenntnistheorie, ja - nicht einmal einen Radikalen Konstruktivismus ... . |
Der Materialismus/Naturalismus ist so alt wie die Philosophie (der präsokratische Atomismus Leukipps und Demokrits), während die Naturwissenschaft im modernen Sinn erst im 16./17. Jahrhundert entstanden ist.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1752241) Verfasst am: 13.05.2012, 17:33 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Ich halte sowohl den moderaten als auch den radikalen Empirismus für wahr falsch, weil ich apriorisch-synthetisches Wissen nicht für grundsätzlich unerreichbar halte. Ich glaube beispielsweise, apriorisch zu wissen, dass sich ein und dasselbe Ding nicht zur selben Zeit gänzlich an zwei verschiedenen Orten befinden kann. |
Kommt das evtl. daher, daß Deine Definition von Identität, von "gänzlich" usw. bereits - bewußt oder intuitiv - Annahmen über die Lokalität beinhaltet?
Anders ausgedrückt: Angenommen es gäbe doch etwas, das gleichzeitig an zwei Orten wäre. Dann würdest Du einfach sagen: "Es ist also nicht gänzlich an einem Ort". Du hast also eigentlich eine Tautologie produziert, keine Erkenntnis.
In der Quantenphysik gibt es übrigens tatsächlich Zustände, die kohärente Überlagerungen aus verschiedenen Ortszuständen darstellen, z.B. links oder rechts von einer Trennwand. Man kann nun sagen: Dies ist ein Ding gleichzeitig an zwei Orten. Man kann aber auch sagen: "Wenn es eine Überlagerung ist, ist es ja nicht gänzlich an einem Ort". Das ist reine Sprachakrobatik.
Myron hat folgendes geschrieben: | Mit "Im Zweifel für die Erfahrung/Wahrnehmung!" meine ich, dass ich, wenn eine (vermeintliche) translogische, transmathematische oder transsemantische Vernunfterkenntnis einer gesicherten Erfahrungserkenntnis widerspricht, bereit bin, jene zugunsten dieser aufzugeben. Vereinbarkeit mit dem erfahrungswissenschaftlichen Wissen ist eine naturalistische Grundforderung in der Philosophie und insbesondere der Metaphysik/Ontologie. |
Ja, aber warum ist das eine zentrale Forderung?
Myron hat folgendes geschrieben: | Die Sache wird jedoch dadurch erschwert, dass nicht immer klar ist, an welchen wissenschaftlichen Theorien sich die Philosophen orientieren sollen. Ein Paradebeispiel sind die diversen Interpretationen der Quantenmechanik. Einerseits ist die Quantenmechanik die experimentell bestbestätigte physikalisch-mathematische Theorie, die wir haben, aber andererseits ist nach wie vor unklar, welches Weltbild daraus abzuleiten ist. Das ist das Problem der Unterbestimmtheit von Theorien durch die Beobachtungs- oder Experimentaldaten. |
Hierzu möchte ich betonen, daß es sich bei den genannten Interpretationen derzeit nicht um Theorien handelt. Deshalb kann man sie schlecht als Beispiel dafür verwenden, daß unklar sei, an welche Theorien sich Philosophen halten sollten. Die Unklarheit entsteht eigentlich erst, wenn man mehr als die Theorie will, also z.B. eine metaphysische Ontologie.
Myron hat folgendes geschrieben: | Dieser ungünstige Umstand bedeutet, dass ein naturalistischer Metaphysiker seine Theorie nicht unbedingt aufgeben muss, wenn sie z.B. einer bestimmten Interpretation der Quantenmechanik widerspricht. |
Er hat gar keine Theorie. Und wenn er eine hätte, würde sie entweder keiner QM-Interpertation widersprechen, oder allen.
Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich vermute, wenn wir da weiter bohren, kommt raus, daß man konsequenterweise bei der naturwissenschaftlichen Methode landet. | Was ist denn "die naturwissenschaftliche Methode"? Die Metaphysik/Ontik ist keine empirische Disziplin, sodass ihre Methodik nicht in Beobachtungen, Experimenten oder Tests bestehen kann. |
Es ging in diesem Unterpunkt aber nicht um Metaphysik/Ontik, sondern um den Grund dafür, daß Du im Zweifel die Vernunfterkentnis gegenüber der empirisch abgesicherten verwerfen würdest.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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