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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#1752873) Verfasst am: 15.05.2012, 18:50 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Thread 1: Der Physiker redet als Physiker mit Physikern.
Hier kann ihm die Metaphysik als Hilfswissenschaft dienen. So, wie beispielsweise in der Evolutionsbiologie mathematische Modelle sinnvoll sind, weil sie leichter prüfbar sind, kann eine explizite Darstellung der verwendeten Ontologie helfen, Experimente zu planen, Hintergründe bewusst zu machen und so weiter. Die eigentliche Arbeit muss der Physiker natürlich selber machen. |
Während aber die Mathematik als Hilfe in der ET tatsächlich hilfreich ist, gilt das nmV nicht für die Metaphysik in der (modernen) Physik. Ich versuche gerade mich zu erinnern, welches wichtige physikalische Experiment der letzten Jahrzehnte auf Anleitung der Ontologie - oder überhaupt der philosophischen Fakultät - geplant wurde ... irgendwie will mir keines einfallen. Schon zu Zeiten der Widerlegung des Äthers wurden die fiesen Fragen von den Physikern selbst gestellt. Wo war der Ontologe, der dazu aufrief, das Michelson-Morley-Experiment zu machen? oder nach dem Higgs-Boson zu suchen? Oder den kosmischen Hintergrund zu durchmustern? Wer warf die Interpretationsfragen der Quantenmechanik auf?
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Thread 2: Der Physiker bastelt ein Weltbild, das er auch dem Laienpublikum präsentiert.
Hier hat er die Pflicht, genau zu überlegen, was er eigentlich vertritt. Das sind dann aber eher keine physikalischen Fragen mehr, denn dann vertritt er ein Weltbild. Ontologie ist letztlich ein anderes Wort für Weltbild. |
Hier stimme ich Dir teilweise zu: Wenn der Physiker anfängt, im Fernsehen in klassischen Analogien zu sprechen oder einen Überbau zu konstruieren (z.B. naiven Realismus), dann betreibt er letztlich selbst Metaphysik. Das ist ein Grund, warum ich immer so drauf achte, z.B. die QM-Interpretationen nicht als Theorien zu bezeichnen.
Ich halte es daher für wichtig, den Jugendlichen bereits in der Schule beizubringen, was eine Theorie ist (ein Modell) und daß es keineswegs selbstverständlich ist, die Terme in der Theorie zu reifizieren - bzw. daß dies Metaphysik ist.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1752874) Verfasst am: 15.05.2012, 18:51 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wenn es nicht die Wissenschaft gibt, dann gibt es notgedrungen viele Wissenschaften mit gemeinsamen Charakteristika. |
oder Gegenstandsbereichen, die einen Methodenpluralismus, der über ganz allgemeine Charaktieristika hinausgeht, erfordern.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Philosophie ein entsprechender Status abgesprochen werden soll. Das hat sie nicht verdient. |
Selbstredend. Man könnte sie problemlos auch über die Naturwissenschaften stellen, die als Hilfswissenschaft nur die Kärrnerarbeit leistet.
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
Der Christengott ist immens schwach!
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1752875) Verfasst am: 15.05.2012, 18:55 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | ... verstehe ich unter philosophischer Physik ... den generellsten, abstraktesten ("beobachtungsfernsten") und spekulativsten (im positiven Sinne des Wortes!) Teil der theoretischen Physik. |
Lichtscheues Gesindel!
Im Ernst, gibt doch mal ein knackiges Beispiel für eine solche abstrakte physikalische Spekulation, die derzeit eher von Ontologen als von Physikern beackert wird. Am besten eine abstrakte Spekulation, die, wie El Schwalmo so schön schrieb, bei den Physikern zur Planung von Experimenten führt.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752876) Verfasst am: 15.05.2012, 18:56 Titel: |
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Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Wie gesagt, der ontologische Realismus ist sinnvoll, weil er erklärt, warum bestimmte Theorien und Weltbilder scheitern, warum Lamarck stirbt, wenn er einen Liter konzentrierte Schwefelsäure trinkt und warum es uns überhaupt gelingt, mit naturwissenschaftlichen Mitteln ein in sich stimmiges, kohärentes Theoriensystem zu generieren. |
"In summary, then, we need that postulate of an objective order of mind-independent reality for at least six important reasons.
* To preserve the distinction between true and false with respect to factual matters and to operate the idea of truth as agreement with reality.
* To preserve the distinction between appearance and reality, between our picture of reality and reality itself.
* To serve as a basis for inter-subjective communication.
* To furnish the basis for a shared project of communal inquiry.
* To provide the fallibilistic view of human knowledge.
* To sustain the causal mode of learning and inquiry and to serve as basis for the objectivity of experience.
The conception of a mind-independent reality accordingly plays a central and indispensable role in our thinking about communication and cognition. In both areas alike we seek to
offer answers to our questions about how matters stand in this 'objective realm' and the contrast between 'the real' and its 'merely phenomenal' appearances is crucial here. Moreover,
this is also seen as the target and telos of the truth-estimation process at issue in inquiry, providing for a common focus in communication and communal inquiry. The 'real world' thus constitutes the 'object' of our cognitive endeavors in both senses of this term—the objective at which they are directed and the purpose for which they are exerted. And so the commitment to a subexperimental reality becomes pivotal here, affording the existential matrix in which we move and have our being, and whose impact upon us is the prime mover for our cognitive efforts. All of these facets of the concept of reality are integrated and unified in the classical doctrine of truth as it corresponds to fact (adaequatio ad rem), a doctrine that only makes sense in the setting of a commitment to mind-independent reality."
(Rescher, Nicholas. Reality and Its Appearance. New York: Continuum, 2010. pp. 109-10)
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752877) Verfasst am: 15.05.2012, 18:58 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Mein lieber Scholli! Das ist ja gerade das Problem der Ontologie: Die klare Formulierung. |
Die Metaphysik/Ontologie großer Denker wie David Armstrong oder David Lewis ist klar formuliert.
David Lewis's Metaphysics: http://plato.stanford.edu/entries/lewis-metaphysics/
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#1752878) Verfasst am: 15.05.2012, 18:59 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Wenn der Physiker anfängt, im Fernsehen in klassischen Analogien zu sprechen oder einen Überbau zu konstruieren (z.B. naiven Realismus), dann betreibt er letztlich selbst Metaphysik. Das ist ein Grund, warum ich immer so drauf achte, z.B. die QM-Interpretationen nicht als Theorien zu bezeichnen.
Ich halte es daher für wichtig, den Jugendlichen bereits in der Schule beizubringen, was eine Theorie ist (ein Modell) und daß es keineswegs selbstverständlich ist, die Terme in der Theorie zu reifizieren - bzw. daß dies Metaphysik ist. |
Wie es scheint verkennst Du, worin der Sinn naturwissenschaflticher Modellierung besteht: etwas über die Strukturen dieser Welt heraus zu finden. Die Diskussion, ob ein Elektron eine Welle, ein Korpuskel oder eine Mischentität mit Quantennatur ist, ist zwar keine genuin naturwissenschaftliche, wohl aber die Voraussetzung dessen, was Naturwissenschaftler modellieren. Es dürfte auch wenig Sinn haben, in Milliarden Euro teuren Teilchenbeschleunigern nach Higgs-Bosonen zu fahnden, wenn es sich dabei nur um die mathematische Darstellung einer Symmetriebrechung handelt.
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#1752879) Verfasst am: 15.05.2012, 19:03 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | ... verstehe ich unter philosophischer Physik ... den generellsten, abstraktesten ("beobachtungsfernsten") und spekulativsten (im positiven Sinne des Wortes!) Teil der theoretischen Physik. |
Lichtscheues Gesindel!
Im Ernst, gibt doch mal ein knackiges Beispiel für eine solche abstrakte physikalische Spekulation, die derzeit eher von Ontologen als von Physikern beackert wird. Am besten eine abstrakte Spekulation, die, wie El Schwalmo so schön schrieb, bei den Physikern zur Planung von Experimenten führt. |
Siehe Higgs-Boson: Um die Brauchbarkeit der mathematischen Darstellung einer Symmetriebrechung zu bewerten, braucht man keine Milliarden Euro teuren Teilchenbeschleuniger. Nur wenn man davon ausgeht, dass bei ~ 180 MeV die materielle Eigenschaft eines Higgs-Bosons sichtbar wird, hat es einen Sinn, entsprechende Kollisionsexperimente zu planen.
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Zuletzt bearbeitet von Darwin Upheaval am 15.05.2012, 19:05, insgesamt einmal bearbeitet |
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752880) Verfasst am: 15.05.2012, 19:04 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: |
ich vermute, dass Myron sich von dem, was in diesem Buch beschrieben wird, genauso wenig beeindrucken lässt wie ich. Du kannst gerne einen Strohmann abfackeln, wenn Du unter 'Weltbild' so was wie 'Ideologie' verstehst und dann mit Ontologie gleichsetzt. |
Wenn ich von Metaphysik/Ontologie spreche, dann beziehe ich mich auf die analytische Philosophie und nicht auf postmoderne Philosophen wie Derrida.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1752882) Verfasst am: 15.05.2012, 19:08 Titel: |
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Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Wie es scheint verkennst Du, worin der Sinn naturwissenschaflticher Modellierung besteht: etwas über die Strukturen dieser Welt heraus zu finden. |
Ich wäre da bescheidener: ein gutes Modell (eine gute Simulation) der beobachtbaren Welt zu finden.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Die Diskussion, ob ein Elektron eine Welle, ein Korpuskel oder eine Mischentität mit Quantennatur ist, ist zwar keine genuin naturwissenschaftliche, wohl aber die Voraussetzung dessen, was Naturwissenschaftler modellieren. |
Nein, das ist keine Voraussetzung. Das Modell, das die besten Voraussagen macht, suggeriert zwar (über Realitätskriterien, die man reduzieren kann) eine hypothetische Realität (ebenso auch die Beobachtung übrigens), aber diese Suggestion ist freiwillig.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#1752883) Verfasst am: 15.05.2012, 19:13 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Die Diskussion, ob ein Elektron eine Welle, ein Korpuskel oder eine Mischentität mit Quantennatur ist, ist zwar keine genuin naturwissenschaftliche, wohl aber die Voraussetzung dessen, was Naturwissenschaftler modellieren. |
Nein, das ist keine Voraussetzung. Das Modell, das die besten Voraussagen macht, suggeriert zwar (über Realitätskriterien, die man reduzieren kann) eine hypothetische Realität (ebenso auch die Beobachtung übrigens), aber diese Suggestion ist freiwillig. |
Dann frage ich mich, wozu man überhaupt Teilchenbeschleuniger baut. (Ganz zu schweigen von dem Steuerzahler, vor dem man das nicht rechtfertigen könnte). Wir könnten das einfacher haben: wir konstruieren uns einen beliebigen Teilchenzoo, formulieren mathematische Symmetriegruppen, bis die Theorie "passt", und damit hat es sich.
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Zuletzt bearbeitet von Darwin Upheaval am 15.05.2012, 19:14, insgesamt einmal bearbeitet |
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752884) Verfasst am: 15.05.2012, 19:13 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Im Ernst, gibt doch mal ein knackiges Beispiel für eine solche abstrakte physikalische Spekulation, die derzeit eher von Ontologen als von Physikern beackert wird. |
"With respect to the ontological question, the problems are immediate and massive. What is the nature of space, time, matter, motion, force, and energy? These have all been hotly contested in the history of the subject, despite their foundational role in actual physical theories. Even classical mechanics was plagued by such ontological questions. I consider these questions in some depth in the following essays; and my main mission is to avoid verificationist and operationalist dismissals of very real issues. In general, l defend realist interpretations of these basic categories, even when it turns out that our concepts are quite inadequate to capture what is really going on out there. Our concept of motion, in particular, is very difficult to make sense of, and the very possibility of motion-as-we-conceive-it can be cast into serious doubt (Zeno lives!). The relation between space and matter is highly contentious. Matter itself is vanishingly elusive. Electric charge is utterly mysterious. Gravity baffles. The mathematics is as regular as clockwork, but the reality to which it applies defies our best efforts at comprehension. lt is not that we see reality as through a glass darkly; we don't see it at all, but we do have a marvelously precise mirage that can take its place. Physics does not give us a dim or distorted view of reality; it gives us a perfectly clear view of reality under a mathematical description—but only that. The 'ontological commitments' of physics are obscure, because we have so slight a grip on the real nature of what we postulate. And even when we think we know what we are talking about (as with space, matter, and motion) deep conceptual problems confront us. The reason there is—and always has been—a thriving philosophy of physics is that physics inherently raises hard philosophical questions that refuse to go gently into that good night. What, most primitively, is physics really about?"
(McGinn, Colin. "Introduction: Philosophy and Physics." In Basic Structures of Reality: Essays in Meta-Physics, 3-11. New York: Oxford University Press, 2011. p. 6)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1752886) Verfasst am: 15.05.2012, 19:14 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: |
ich vermute, dass Myron sich von dem, was in diesem Buch beschrieben wird, genauso wenig beeindrucken lässt wie ich. Du kannst gerne einen Strohmann abfackeln, wenn Du unter 'Weltbild' so was wie 'Ideologie' verstehst und dann mit Ontologie gleichsetzt. |
Wenn ich von Metaphysik/Ontologie spreche, dann beziehe ich mich auf die analytische Philosophie und nicht auf postmoderne Philosophen wie Derrida. |
ich weiß das, vielleicht solltest Du das Lamarck sagen.
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
Der Christengott ist immens schwach!
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752887) Verfasst am: 15.05.2012, 19:20 Titel: |
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"Quantum mechanics is, at least at first glance and at least in part, a mathematical machine for predicting the behaviors of microscopic particles — or, at least, of the measuring instruments we use to explore those behaviors — and in that capacity, it is spectacularly successful: in terms of power and precision, head and shoulders above any theory we have ever had. Mathematically, the theory is well understood; we know what its parts are, how they are put together, and why, in the mechanical sense (i.e., in a sense that can be answered by describing the internal grinding of gear against gear), the whole thing performs the way it does, how the information that gets fed in at one end is converted into what comes out the other. The question of what kind of a world it describes, however, is controversial; there is very little agreement, among physicists and among philosophers, about what the world is like according to quantum mechanics. [meine Betonung] Minimally interpreted, the theory describes a set of facts about the way the microscopic world impinges on the macroscopic one, how it affects our measuring instruments, described in everyday language or the language of classical mechanics. Disagreement centers on the question of what a microscopic world, which affects our apparatuses in the prescribed manner, is, or even could be, like intrinsically; or how those apparatuses could themselves be built out of microscopic parts of the sort the theory describes."
(http://plato.stanford.edu/entries/qm/)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#1752890) Verfasst am: 15.05.2012, 19:26 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Wie gesagt, der ontologische Realismus ist sinnvoll, weil er erklärt, warum bestimmte Theorien und Weltbilder scheitern, warum Lamarck stirbt, wenn er einen Liter konzentrierte Schwefelsäure trinkt und warum es uns überhaupt gelingt, mit naturwissenschaftlichen Mitteln ein in sich stimmiges, kohärentes Theoriensystem zu generieren. |
"In summary, then, we need that postulate of an objective order of mind-independent reality for at least six important reasons.
* To preserve the distinction between true and false with respect to factual matters and to operate the idea of truth as agreement with reality.
* To preserve the distinction between appearance and reality, between our picture of reality and reality itself.
* To serve as a basis for inter-subjective communication.
* To furnish the basis for a shared project of communal inquiry.
* To provide the fallibilistic view of human knowledge.
* To sustain the causal mode of learning and inquiry and to serve as basis for the objectivity of experience.
The conception of a mind-independent reality accordingly plays a central and indispensable role in our thinking about communication and cognition. In both areas alike we seek to
offer answers to our questions about how matters stand in this 'objective realm' and the contrast between 'the real' and its 'merely phenomenal' appearances is crucial here. Moreover,
this is also seen as the target and telos of the truth-estimation process at issue in inquiry, providing for a common focus in communication and communal inquiry. The 'real world' thus constitutes the 'object' of our cognitive endeavors in both senses of this term—the objective at which they are directed and the purpose for which they are exerted. And so the commitment to a subexperimental reality becomes pivotal here, affording the existential matrix in which we move and have our being, and whose impact upon us is the prime mover for our cognitive efforts. All of these facets of the concept of reality are integrated and unified in the classical doctrine of truth as it corresponds to fact (adaequatio ad rem), a doctrine that only makes sense in the setting of a commitment to mind-independent reality."
(Rescher, Nicholas. Reality and Its Appearance. New York: Continuum, 2010. pp. 109-10) |
Hut ab vor Deiner Belesenheit, und danke für den Hinweis!
Ich werde mich in das Buch einlesen, aber ich fürchte, "Lamarck" hätte es nötiger
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752896) Verfasst am: 15.05.2012, 19:41 Titel: |
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Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Ich werde mich in das Buch einlesen, aber ich fürchte, "Lamarck" hätte es nötiger |
"The 'real' world remains unknowable no matter how well we manage in the domain of our experience." – Ernst von Glasersfeld (Quelle: http://www.univie.ac.at/constructivism/EvG/papers/151.pdf)
Der RK geht also von der Kantianischen Annahme aus, dass die Sphäre der Phänomena und die Sphäre der Noumena (falls es diese überhaupt gibt) kategorisch voneinander getrennt sind und sich grundsätzlich nicht überschneiden, sodass letztere für uns grundsätzlich kognitiv-perzeptiv unerreichbar ist. Rescher ist anderer Meinung, und ich finde, er hat recht:
"[W]e have to do with reality when something presents itself as it actually and authentically is, be it a real truth or a real fact. In consequence, the fundamental distinction is not between the appearances available in our experience and that which is inaccessibly external to it, but rather between that which is correct within our experience and that which is somehow incorrect or misleading. lt would thus be wrongheaded to think of reality as a distinct sort of being different from 'the phenomenal realm' of what people take to be so. The crux is not the contrast between what is and what is thought to be, but rather between what is thought correctly and what is thought incorrectly and imperfectly.
In this context of consideration, reality just exactly is, and is nothing but, the condition of things that people purport when they avoid making mistakes and achieve the 'adaequatio ad rem' that the medievals saw as the hallmark of truth. Properly conceived, reality is by its very nature accessible to inquiry, albeit to an inquiry which in practice will often get matters wrong. Reality, that is to say, is not something inherently extra-experiential: a mysterious something outside our cognitive reach. Instead, it encompasses that sector of experience which involves the true facts of the matter. After all, there is no reason why things cannot be what they appear in various respects, and in these respects appear as they actually are. Save in the world of the paranoid, things can be as they appear to be.
But of course they need not be so. As the proverb says, appearances can be deceiving. Our clock looses [loses?] five minutes a day. Nevertheless on two occasions of the day it will be right on time. But if this circumstance somehow blinds us to this clock's flaws, we will be much deceived.
In distinguishing reality from mere appearance, what is fundamentally at issue is thus not an ontological distinction of different realms of being or thing-kinds, but an epistemological distinction between a correct and an incorrect view of things. Properly understood, the operative contrast is thus not that between reality and the phenomenon but between reality (veridical and authentic phenomena included) and what is misleading or incorrect. For reality can make its appearance in different guises—sometimes correctly and sometimes not. Appearance is not something different in kind and nature from reality, it is how reality presents itself. And reality is not by nature something different from appearance: it sometimes—and one would hope often—actuality [actually?] is what it appears to be."
(pp. 5-6)
"Regrettably, the contrast between appearance and reality is often identified—and thereby confused—with that between reality on the one side and mistaken or misleading appearance on the other. And this conflation will, effectively by definition, erect a Chinese Wall between reality and appearance. And this, rather paranoid, view of the matter must be put aside from the outset. To reemphasize: the philosophically significant contrast is not that between the real and the apparent as such, but rather that between the real and the merely apparent."
(p. 12)
"'Appearance' as philosophers use the term encompasses not just how things manifest themselves in sensory observation but the much broader range of how we take matter [matters?] to stand—how we accept them to be not just in sense-observation but in conceptual thought as well. On this basis it would be gravely fallacious to take the step—as is often done—to map the real/unreal distinction and the real/apparent distinction. For this mixes the sheep and the goats in heaping vertical appearance together with mere (i.e., non-vertical) appearance, thereby subscribing to the paranoid delusion that things are never what they seem to be.
Reality is not a distinct realm of being standing apart and separate from the manifold of what we know in the realm of appearance. Those 'appearances' will—insofar as correct—be appearances of reality that represent features thereof. And, accordingly, the contrast between Reality and Appearance is not one carried out in the ontological order of different sorts of
things. The realm of appearance is homogeneous with that of reality insofar as those appearances are correct.
The fact of it is that things sometimes—perhaps even frequently—are substantially as they appear to be. Reality and its appearance just are not two separate realms: there is nothing to prevent matters actually being as they are perceived and/or thought to be.
Appearance can in principle be something self-contained and self-sufficient: when appearing there is there need not be something that appears. When it appears to one that that [there?] is a pink elephant in your corner there need not be a something in that corner which appears as an elephant to me. Appearances may not only be deceiving, they may also be illusionary. In the sphere of appearance things can go seriously awry. And yet while matters can go wrong here, they need not do so. Things can indeed be as they appear. Total paranoia is clearly unwarranted. There is no reason that is, why appearance and reality cannot agree in this or that detail."
(pp. 14-5)
(Rescher, Nicholas. Reality and Its Appearance. New York: Continuum, 2010.)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1752897) Verfasst am: 15.05.2012, 19:43 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Wie es scheint verkennst Du, worin der Sinn naturwissenschaflticher Modellierung besteht: etwas über die Strukturen dieser Welt heraus zu finden. |
Ich wäre da bescheidener: ein gutes Modell (eine gute Simulation) der beobachtbaren Welt zu finden.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Die Diskussion, ob ein Elektron eine Welle, ein Korpuskel oder eine Mischentität mit Quantennatur ist, ist zwar keine genuin naturwissenschaftliche, wohl aber die Voraussetzung dessen, was Naturwissenschaftler modellieren. |
Nein, das ist keine Voraussetzung. Das Modell, das die besten Voraussagen macht, suggeriert zwar (über Realitätskriterien, die man reduzieren kann) eine hypothetische Realität (ebenso auch die Beobachtung übrigens), aber diese Suggestion ist freiwillig. |
hmmm, ich vermute, ich verstehe, warum Du meinst, keine Ontologie zu benötigen. Aus meiner Sicht läuft das auf freiwilligen Erkenntnisverzicht hinaus.
Ich stelle mir vor, jemand fordert Geld für 'Big Science' und im Parlament sagt ein Physiker: 'Es ist uns ziemlich schnurzegal, wie die Welt beschaffen ist, das sollen die Ontologen klären, wir möchten nur schauen, ob das Modell der Wirklichkeit, über die wir uns weiter keine Gedanken machen, mit dem, was mir mit der neuen Maschine messen können, vereinbar ist. Warum uns das interessiert? Keine Ahnung, wir hätten halt gerne Modelle einer Welt, über die wir uns weiter keine Gedanken machen.'
Als Steuerzahler würde ich dann das Portemonnaie zu machen.
Ups, sehe gerade, Darwin Upheaval hat das auch schon gepostest, aber vielleicht hilft 'doppelt gemoppelt'.
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
Der Christengott ist immens schwach!
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1752898) Verfasst am: 15.05.2012, 19:48 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: |
Eine Ontologie ist eine Antwort auf die Frage, wie man sich (s)eine Welt vorstellt. Auch wenn Du radikaler Konstruktivist bist, trifft das auf Deine Position zu.
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Die "Antwort auf die Frage wie man sich (s)eine Welt vorstellt", ist keine Wissenschaft. |
sie ist die Grundlage der Wissenschaft. |
Nein, die Grundlage der Wissenschaft ist Neugier. Alles andere ist Quark, was man ganz leicht daran sieht, daß vermutlich jeder Wissenschaftler sein eigenes Weltbild hat (und davon ist vermutlich keines mit deinem oder dem von Myron identisch), und trotzdem zu realistischen Ergebnissen kommen. Nie vergessen: Newton war Alchimist!
Statt zu diskutieren, wie Wissenschaft aus philosophischer Sicht sein sollte, solltet ihr lieber untersuchen, wie Wissenschaften wirklich sind und wie sie sich entwickelt haben. Aber was rede ich, macht ruhig weiter. Am Gang der wissenschaftlichen Entwicklung, wie der sozialen Entwicklung der Gesellschaften, in denen sie stattfindet, ändert das nichts.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1752899) Verfasst am: 15.05.2012, 19:53 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Nein, die Grundlage der Wissenschaft ist Neugier. |
stimmt. Wenn Philosophen nicht neugierig wären, hättest Du ein Argument.
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752901) Verfasst am: 15.05.2012, 20:00 Titel: |
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Kein geistig gesunder Mensch bestreitet die Wirklichkeit seiner Erlebnisse, seiner Bewusstseinsinhalte (Empfindungen, Spürungen, Fühllungen, Stimmungen, Denkungen, Vorstellungen, Wollungen). Was die Frage nach einer außerbewussten, bewusstseinsjenseitigen und -unabhängigen Wirklichkeit betrifft, so sind folgende Standpunkte möglich:
1. Ich und meine subjektiven Bewusstseinsinhalte sind das einzig Wirkliche.
1.1. Ich bin ein körperloser Geist, ein von seinen Bewusstseinsinhalten verschiedener Bewusstseinsträger (eine "spirituelle Substanz").
1.2. Ich bin nichts weiter als die Menge oder der Fluss meiner Erlebnisse (ein "spiritueller Prozess", der sein eigenes Subjekt ist).
2. Die bewussten Wesen (ich und alle anderen) und ihre jeweiligen subjektiven Bewusstseinsinhalte sind das einzig Wirkliche.
(Bewusste Wesen gehören entweder zur ontologischen Kategorie 1.1 oder zu 1.2.)
3. Die bewussten Wesen und ihre jeweiligen subjektiven Bewusstseinsinhalte sind nicht das einzig Wirkliche: Es gibt eine objektive, transpsychische Wirklichkeit.
(Bewusste Wesen sind dann möglicherweise selbst materielle und nicht immaterielle Substanzen.)
3.1. Diese ist bewusstseinsabhängig.
3.2 Diese ist bewusstseinsunabhängig.
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(#1752909) Verfasst am: 15.05.2012, 20:35 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | "Quantum mechanics is, at least at first glance and at least in part, a mathematical machine for predicting the behaviors of microscopic particles — or, at least, of the measuring instruments we use to explore those behaviors — and in that capacity, it is spectacularly successful: in terms of power and precision, head and shoulders above any theory we have ever had. Mathematically, the theory is well understood; we know what its parts are, how they are put together, and why, in the mechanical sense (i.e., in a sense that can be answered by describing the internal grinding of gear against gear), the whole thing performs the way it does, how the information that gets fed in at one end is converted into what comes out the other. The question of what kind of a world it describes, however, is controversial; there is very little agreement, among physicists and among philosophers, about what the world is like according to quantum mechanics. [meine Betonung] Minimally interpreted, the theory describes a set of facts about the way the microscopic world impinges on the macroscopic one, how it affects our measuring instruments, described in everyday language or the language of classical mechanics. Disagreement centers on the question of what a microscopic world, which affects our apparatuses in the prescribed manner, is, or even could be, like intrinsically; or how those apparatuses could themselves be built out of microscopic parts of the sort the theory describes."
(http://plato.stanford.edu/entries/qm/) |
Ja, dem stimme ich einigermaßen zu. Es gibt wenig Übereinstimmung, sobald es an die metaphysische Deutung geht. Natürlich auch dann, wenn diese von Physikern versucht wird.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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(#1752910) Verfasst am: 15.05.2012, 20:45 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Aus meiner Sicht läuft das auf freiwilligen Erkenntnisverzicht hinaus. |
Wenn das so ist, hätte ich gerne die Erkenntnis präsentiert (und überprüfbar belegt), auf die ich hier verzichte.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Ich stelle mir vor, jemand fordert Geld für 'Big Science' und im Parlament sagt ein Physiker: 'Es ist uns ziemlich schnurzegal, wie die Welt beschaffen ist, das sollen die Ontologen klären, wir möchten nur schauen, ob das Modell der Wirklichkeit, über die wir uns weiter keine Gedanken machen, mit dem, was mir mit der neuen Maschine messen können, vereinbar ist. Warum uns das interessiert? Keine Ahnung, wir hätten halt gerne Modelle einer Welt, über die wir uns weiter keine Gedanken machen.' |
Das ist ziemlich daneben. Klar, Du sagst stattdessen "Wir bringen Euch die Wahrheit über das Sein des Seins" - das wollen die Leut hören.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Als Steuerzahler würde ich dann das Portemonnaie zu machen. |
Du bist ja auch Ontologe. Apropos: Die Ontologen und Metaphysiker werden vom Steuerzahler ja weit weniger üppig ausgestattet als die Physiker, scheinbar wirkt ihre Mission noch verdächtiger als die der Naturwissenschaftler. Die Theologen allerdings kriegen wieder mehr, die haben ja einen praktischen Nutzen für die Schafhirtenausbildung.
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(#1752911) Verfasst am: 15.05.2012, 20:46 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Nein, die Grundlage der Wissenschaft ist Neugier. | stimmt. Wenn Philosophen nicht neugierig wären, hättest Du ein Argument. |
Wieso, sind Philosophen keine Wissenschaftler?
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step registriert
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(#1752912) Verfasst am: 15.05.2012, 21:05 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Im Ernst, gibt doch mal ein knackiges Beispiel für eine solche abstrakte physikalische Spekulation, die derzeit eher von Ontologen als von Physikern beackert wird. |
"With respect to the ontological question, the problems are immediate and massive. ... The mathematics is as regular as clockwork, but the reality to which it applies defies our best efforts at comprehension. lt is not that we see reality as through a glass darkly; we don't see it at all, but we do have a marvelously precise mirage that can take its place. ..."
(McGinn, Colin. "Introduction: Philosophy and Physics." In Basic Structures of Reality: Essays in Meta-Physics, 3-11. New York: Oxford University Press, 2011. p. 6) |
Ich habe mir mal erlaubt, die aus meiner Sicht wesentlichen Sätze, denen ich übrigens durchaus zustimme, stehenzulassen. So wie es da einleitend steht, stützt es ja eher meine These, daß die klassisch-realistische oder generell die ontologische Herangehensweise bei der modernen Physik nicht zielführend ist und an ihre Stelle eine andere Sprache treten muß, letztlich die Formelsprache.
Es wäre dennoch interessant, ob und wie McGinn im weiteren Verlauf tatsächlich Hypothesen über die Natur der elektrischen Ladung, der Masse usw. begründet. Es gibt ja auch immer wieder Physiker die das versuchen, aber was ich da bisher gelesen habe, ist mehr oder weniger reine Spekulatius. Nach meiner Erfahrung entshen wirkliche Erkenntnisse - auch über solche Fragen - meist, sobald es gelungen ist, ein Phänomen weiter zu reduzieren, den Mechanismus dahinter zu enthüllen, die physikalische Symmetrie zu erkennen usw. - also reine Physik.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1752914) Verfasst am: 15.05.2012, 21:12 Titel: |
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Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Die Diskussion, ob ein Elektron eine Welle, ein Korpuskel oder eine Mischentität mit Quantennatur ist, ist zwar keine genuin naturwissenschaftliche, wohl aber die Voraussetzung dessen, was Naturwissenschaftler modellieren. |
Nein, das ist keine Voraussetzung. Das Modell, das die besten Voraussagen macht, suggeriert zwar (über Realitätskriterien, die man reduzieren kann) eine hypothetische Realität (ebenso auch die Beobachtung übrigens), aber diese Suggestion ist freiwillig. |
Dann frage ich mich, wozu man überhaupt Teilchenbeschleuniger baut. (Ganz zu schweigen von dem Steuerzahler, vor dem man das nicht rechtfertigen könnte). Wir könnten das einfacher haben: wir konstruieren uns einen beliebigen Teilchenzoo, formulieren mathematische Symmetriegruppen, bis die Theorie "passt", und damit hat es sich. |
Die Frage ist mehr als berechtigt. Darf ich eine Prognose wagen? Es ist der letzte, den man gebaut hat.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1752915) Verfasst am: 15.05.2012, 21:14 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Ja, dem stimme ich einigermaßen zu. Es gibt wenig Übereinstimmung, sobald es an die metaphysische Deutung geht. Natürlich auch dann, wenn diese von Physikern versucht wird. |
Und das verrückte ist, der Qualität von Wissenschaft und Forschung scheint das nicht zu schaden. Woran das wohl liegen mag?
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Friedrich Nietzsche
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1752918) Verfasst am: 15.05.2012, 21:29 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Ich habe mir mal erlaubt, die aus meiner Sicht wesentlichen Sätze, denen ich übrigens durchaus zustimme, stehenzulassen. So wie es da einleitend steht, stützt es ja eher meine These, daß die klassisch-realistische oder generell die ontologische Herangehensweise bei der modernen Physik nicht zielführend ist und an ihre Stelle eine andere Sprache treten muß, letztlich die Formelsprache. |
McGinn ist kein wissenschaftlicher Antirealist (Instrumentalist, Konventionalist, Konstruktivist oder Positivist), sondern ein Vertreter des epistemisch-strukturellen Realismus (und nicht des ontisch-strukturellen Realismus).
Structural Realism: http://plato.stanford.edu/entries/structural-realism/
"Even the deeply or necessarily unknowable has an intrinsic nature as robustly as the most easily known of things: epistemology never dictates ontology. So I am as realist about electric charge as l am about conscious experience. lt is just that we are profoundly ignorant of physical reality, not that there is no reality to be ignorant of. My 'structuralism' is epistemological not ontological."
(McGinn, Colin. "Two Types of Science." In Basic Structures of Reality: Essays in Meta-Physics, 142-164. New York: Oxford University Press, 2011. p. 157)
"I make no pretensions to originality in advocating the so-called 'structuralist' conception of physical knowledge. Who exactly originated this view is an interesting historical question, but traces of it can be found in Hertz and Poincare, and explicit statements abound in Russell and Eddington. Roughly speaking, it is the view that our knowledge of physics does not disclose the intrinsic nature of the entities postulated, but only their mathematically specified interrelations. The knowledge is 'abstract', leaving it an open question what physical reality is really like in itself. In other words, a deep ignorance lies at the heart of physics, despite its forrnal richness. I expound this position at several points in the essays that follow, so I will not say more now; in any case, the general shape of the view is quite well known. I shall be concerned mainly with its significance and interpretation; I take the view to have been convincingly established by others.
It is in part because of the attractions of the structuralist position that instrumentalism and conventionalism have been found appealing with respect to physical theories: for if we cannot really come to know what physical reality is like in itself, are not our theories merely conventionally adopted instruments for predicting what we can know, viz. observations? Structuralism thus leads easily to positivism. And positivism has dogged physics ever since the epistemological limits of physics began to become apparent (I would date that to the time of Newton). One of my questions will be how to avoid positivism while accepting structuralism (short answer: extreme principled agnostic realism). In addition to this question of the scope and limits of physical knowledge, there is also the question of the status of basic propositions of physics, such as Newton's laws of motion: are they empirical generalizations or a priori principles or something else? What about the conservation of energy? Is the traditional division between the a priori and the a posteriori even sustainable in the light of these kinds of propositions? Where does a priori metaphysics end and empirical physics begin?"
(McGinn, Colin. "Introduction: Philosophy and Physics." In Basic Structures of Reality: Essays in Meta-Physics, 3-11. New York: Oxford University Press, 2011. pp. 4-6)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1752919) Verfasst am: 15.05.2012, 21:31 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ja, dem stimme ich einigermaßen zu. Es gibt wenig Übereinstimmung, sobald es an die metaphysische Deutung geht. Natürlich auch dann, wenn diese von Physikern versucht wird. | Und das verrückte ist, der Qualität von Wissenschaft und Forschung scheint das nicht zu schaden. Woran das wohl liegen mag? |
Weil die "ontologische Unbestimmtheit" in irreduziblen Fällen anscheinend ein künstlicher Effekt ist, der nur dadurch zustande kommt, daß man ontologische Kategorien auf sie anwendet.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1752922) Verfasst am: 15.05.2012, 21:36 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Kein geistig gesunder Mensch bestreitet die Wirklichkeit seiner Erlebnisse, seiner Bewusstseinsinhalte (Empfindungen, Spürungen, Fühllungen, Stimmungen, Denkungen, Vorstellungen, Wollungen). Was die Frage nach einer außerbewussten, bewusstseinsjenseitigen und -unabhängigen Wirklichkeit betrifft, so sind folgende Standpunkte möglich:
1. Ich und meine subjektiven Bewusstseinsinhalte sind das einzig Wirkliche.
1.1. Ich bin ein körperloser Geist, ein von seinen Bewusstseinsinhalten verschiedener Bewusstseinsträger (eine "spirituelle Substanz").
1.2. Ich bin nichts weiter als die Menge oder der Fluss meiner Erlebnisse (ein "spiritueller Prozess", der sein eigenes Subjekt ist).
2. Die bewussten Wesen (ich und alle anderen) und ihre jeweiligen subjektiven Bewusstseinsinhalte sind das einzig Wirkliche.
(Bewusste Wesen gehören entweder zur ontologischen Kategorie 1.1 oder zu 1.2.)
3. Die bewussten Wesen und ihre jeweiligen subjektiven Bewusstseinsinhalte sind nicht das einzig Wirkliche: Es gibt eine objektive, transpsychische Wirklichkeit.
(Bewusste Wesen sind dann möglicherweise selbst materielle und nicht immaterielle Substanzen.)
3.1. Diese ist bewusstseinsabhängig.
3.2 Diese ist bewusstseinsunabhängig. |
Ich mach dir einen Vorschlag: Natürlich gibt es eine reale Welt, und wir Menschen sind ein Teil davon. Aber wir waren noch nie da, nicht einmal auf Besuch. Wir sehen und reagieren auf Eigenschaften, die mit uns wechselwirken. Ob das alle sind, die es gibt, oder ob da noch andere sind, von denen wir vielleicht nie etwas mitbekommen werden, können wir nicht wissen.
Unser Wahrnehmung, wie alle unsere körperlichen und geistigen Fähigkeiten sind Produkt unserer biologischen und sozialen Evolution, wobei letztere bei keinem anderen Lebewesen, das wir kennen, so wichtig ist wie bei uns. Unsere Wahrnehmungsfähigkeit ist selbst ein Modell von dieser Welt, eine Konstruktion, optimiert auf Überleben, nicht auf Erkenntnis. Warum können wir Radioaktivität nicht wahrnehmen, warum spüren wir keine Sonnenwinde oder das Erdmagnetfeld? Weil all das nicht existiert, oder weil es für unsere biologische Entwicklung keine Rolle gespielt hat?
Auch unsere gedanklichen Modell von dieser Welt sind nie wahr und selten ganz falsch. Sie sind eine Melange aus Tatsachenbeobachtungen und Fantasievorstellungen, und das tückische ist: die Fantasien entdeckt man erst genau in dem Augenblick, wo man sie als solche erkennt. Die Modelle sind nicht das Produkt einzelner Menschen, sondern eine gemeinschaftliche Anstrengung der Menschen ihrer jeweiligen Zeit, und damit das Ergebnis des gesellschaftlichen Prozesses.
Der Prozeß des Wissenserwerbs, oder anders ausgedrückt der Entwicklung unseres Wissens hin zu immer realistischeren und weniger fantasiegeladenen Vorstellungen, ist ein nicht zu trennender Teil des gesellschaftlichen Prozesses überhaupt. Wie sonst wäre zu erklären, daß die biologische Evolutionstheorie von mindestens zwei Männern gleichzeitig entwickelt wurde, zwei Männer mit vollkommen unterschiedlichem weltanschaulichen Hintergrund, aber ähnlichen Erfahrungen mit der außermenschlichen Natur?
Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie ist philosophisch nicht zu leisten, und es ist ein Mißbrauch dieser Begriffe, wenn man ständig nur zu sagen versucht, wie Erkenntnis sein sollte, statt realistisch, sachbezogen zu beschreiben, wie sie sich entwickelt hat. Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie ist entweder Wissenssoziologie oder gar nicht.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1752925) Verfasst am: 15.05.2012, 21:41 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | "... In addition to this question of the scope and limits of physical knowledge, there is also the question of the status of basic propositions of physics, such as Newton's laws of motion: are they empirical generalizations or a priori principles or something else? What about the conservation of energy? Is the traditional division between the a priori and the a posteriori even sustainable in the light of these kinds of propositions? Where does a priori metaphysics end and empirical physics begin?" (McGinn, Colin. ... ) |
Gar nicht mal schlecht, die Fragestellung kenne ich aus der Physik, das haben sich auch Schrödinger & Co schon gefragt.
Allerdings denke ich, daß man, um beispielsweise die Natur der Energierhaltung besser zu verstehen, einfach mehr über Physik wissen bzw. forschen muß. Ein echtes Physikthema, das kann der Metaphysiker nicht durch Instrospektion oder Logik beantworten.
Und die letzten beiden Fragen, schön formuliert, zeigen wieder, was ich oben schrieb: Die Metaphysik entwirft Kategorien, die die Physik nicht braucht, um sich dann im Licht der fortgeschrittenen Physik zu fragen, ob sie da noch haltbar sind.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44648
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(#1752944) Verfasst am: 15.05.2012, 22:38 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Das Modell, das die besten Voraussagen macht, suggeriert zwar (über Realitätskriterien, die man reduzieren kann) eine hypothetische Realität (ebenso auch die Beobachtung übrigens), aber diese Suggestion ist freiwillig. |
Was bitte ist eine "freiwillige Suggestion"?
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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