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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1753682) Verfasst am: 18.05.2012, 21:10 Titel: |
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Ja, sehe ich ebenso.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1753686) Verfasst am: 18.05.2012, 21:27 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Ich habe das auch deshalb eingewandt, weil ich mir unsicher bin, ob die Einschränkung des "Experiments" auf manipulative Situationen wirklich relevant ist. Aus dem Bauch heraus würde ich eher sagen, daß Beobachtungen das epistemologisch Entscheidende sind, und unter Beobachtungen gibt es solche mit mehr oder weniger manipulierten Kontexten.
Du schreibst "methodisch kontrollierte Manipulation des Beobachtungsgegenstandes". Ich neige dazu, nur von "methodisch kontrollierter Beobachtung" zu sprechen. Denn ein Versuchsaufbau muß nicht unbedingt eine klassische Manipulation des Objektes beinhalten, zudem möchte ich nicht gleich schon wieder eine Reifikation des Objektes vornehmen. |
Laut Eisler ist ein Experiment eine methodisch kontrollierte Beobachtung unter künstlich hergestellten Bedingungen, d.h. idealerweise unter Laborbedingungen. Man könnte also allgemeiner von einer Manipulation der Beobachtungssituation sprechen.
step hat folgendes geschrieben: |
Beispiel: Ein ferner Stern (bzw. sein Licht) wird mittels eines Fernrohrs beobachtet.
Methodische Kontrolle: Ja, etwa indem ich nur einen Ausschnitt vergrößere.
Manipulation des Objekts: Ich lenke das Licht durch die Linse auf einen Detektor. Reicht das nicht? |
Ich denke nicht. Astronomische Fernrohrbeobachtungen zähle ich nicht zu den Experimenten.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26440
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1753701) Verfasst am: 18.05.2012, 22:17 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | .... Astronomische Fernrohrbeobachtungen zähle ich nicht zu den Experimenten. |
So allgemein sehe ich das auch nicht, dass jede Beobanchtung ein Experiment ist.
Aber wenn die Fragestellung da ist, sehe ich keinen Unterschied darin, die Bedingungen, unter denen die Natur mir meine Frage beantwortet, kontrolliert herzustellen, oder mir den Vorgang zu suchen, in dem derartige Bedingungen bereits natürlicherweise vorkommen. Die beiden Gedankenexperimente sind für mich absolut gleichwertig, und ich empfinde es als nachrangig, ob ich das reale Experiment nun selbst ausführe oder es der Natur überlasse.
Das Experiment mit den kontrollierten Bedingungen stellt für mich immer nur eine gezielte Verringerung der Parameteranzahl zur Vereinfachung der Auswertung dar, die nicht nötig ist, wenn sich der Gegenstand bereits ohne mein Dazutun in auswertbarer Form beobachten lässt.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1753719) Verfasst am: 19.05.2012, 00:00 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Aber bitte ich schreibs gern nochmal auf: "Ein Experiment ist die Beobachtung einer Wechselwirkung." |
Ach so, das war schon die Definition. Na dann: Wie beobachtet man denn eine Wechselwirkung? Wie beobachtet man überhaupt eine Wirkung? Wenn ich zum Beispiel irgendeinen komischen Tanz ausführe und es daraufhin anfängt zu regnen, kann man das zwar vielleicht in irgendeinem Sinne als "Experiment" bezeichnen, aber sicher nicht im naturwissenschaftlichen Sinne, und ganz sicher wird damit nicht die Wahrheit über die Realität gezeigt. Was also unterscheidet die Beobachtung einer Wechselwirkung von irgendeiner Beobachtung? |
Die Signifikanz der Beobachtung? Signifikanz hier im statistischen Sinn gemeint.
Wenn Tom zehntausendmal tanzt und es regnet 9999 mal; wenn es immer trocken bleibt, falls Tom nicht tanzt, dann liegt ein Zusammenhang zwischen beidem nahe.
Wahrscheinlich hat Tom bei dem einen Ausreißer einfach nur einen fehlerhaften Schritt gemacht. Statt Regen fiel dann Chicxulub.
In der Medizin und in den "weichen" Wissenschaften begnügt man sich meist mit zwei Sigma, 95%, oder weniger. In der Physik kann man es sich leisten, drei, vier oder fünf Sigma zu fordern.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Das ist des Pudels Kern. Solange ich im Vorfeld keine mechanismische Theorie zur Verfügung habe, die einen kausalen Zusammenhang zwischen Phänomen A ("Regentanz") und B ("Regen") herstellt, liefert die Beobachtung nur Koinzidenzen, und ich kann schwerlich von einem Experiment sprechen. Experimenten geht also notwendigerweise eine Theorie voraus. |
Das kann man so sehen. Oder auch nicht.
Vor der Entdeckung der Pulsare gab es keine Theorie zu Pulsaren. Vor der Entdeckung von Dunkler Materie und Dunkler Energie gab es keine Theorie dazu. Welche "Theorie" stand hinter dem human genome project? Insofern hast du unrecht.
Man könnte aber auch sagen: Dunkle Materie und Dunkle Energie ergeben nur Sinn, wenn man sie als Abweichungen von einer theoriegeleiteten Erwartung sieht. Insofern hast du recht.
Myron bringt einen weiteren Aspekt zu dieser Fragestellung:
Myron hat folgendes geschrieben: | Was eine experimentelle Beobachtung von einer nichtexperimentellen Beobachtung unterscheidet, ist also der Aspekt der methodisch kontrollierten Manipulation des Beobachtungsgegenstandes. Das ist z.B. bei der Beobachtung des Weltalls nicht möglich. Abgesehen von Gravitationswellendetektoren, können die Kosmologen keine Experimentalforschung betreiben. |
(Steps Einwand zu den Detektoren ist berechtigt, gleichwohl denke ich:)
Da ist was dran, an Myrons Aussage. Ich will das mal ein bisschen breittreten.
Die Kosmologen und die "Paläo-Astronomen" befinden sich in der gleichen Lage wie die Historiker und die Paläontologen. Ein Historiker kann nicht die Varus-Schlacht noch einmal ablaufen lassen, um seine Hypothesen zu testen. Ein Paläontologe kann vielleicht sagen: "Grabt da und dort, in einer Sedimentschicht dieses bestimmten Alters, und ihr werdet dies und jenes finden, falls ihr was findet." Ein Astronom könnte sagen, warten wir auf die nächste Supernova in unserer Nachbarschaft oder auf die nächste Verschmelzung zweier Schwarzer Löchen, dann haben wir einen neuen Datensatz.
Soweit, so gut. Treiben wir das mal ins Extrem:
Was wird aus der Paläontologie, wenn alle Sedimentschichten in ferner Zukunft einmal ausgegraben wurden? Die Paläontologie wäre dann eine observativ-abgeschlossene Wissenschaft. Analoges gilt für die Astronomie: sobald unsere Beobachtungsgüte nicht mehr weiter gesteigert werden kann, aus technischen oder ökonomischen Gründen, ist die Astronomie observativ-abgeschlossen.
Im Fall der Astronomie ist das gar nicht mal so sehr Zukunftsmusik. 2009 haben drei Autoren gefordert, die Resultate der ESO-Planck-Mission nicht auf einen Schlag zu veröffentlichen.
Zitat: | The Virtues of Frugality - Why cosmological observers should release their data slowly
Cosmologists will soon be in a unique position. Observational noise will gradually be replaced by cosmic variance as the dominant source of uncertainty in an increasing number of observations. [...]
If there are features in the full data set that call for a new model, there will be no subsequent observations to test that model's predictions.
We give specific examples of the problem by discussing the pitfalls of model discovery by prior adjustment in the context of dark energy models and inflationary theories. We show how the gradual release of data can mitigate this difficulty, allowing anomalies to be identified, and new models to be proposed and tested.
We advocate that observers plan for the frugal release of data from future cosmic variance limited observations.
http://arxiv.org/abs/0909.2649 |
Die Schlußfolgerung aus dem Artikel teile ich nicht. Die Sparsamkeit läßt sich jederzeit auch absichtlich herstellen wenn man nur einen Teil der Daten betrachtet.
Das Prinzip dahinter ist jedoch zwingend. Sollten wir vorher keine grand unified theory finden, müssten wir immer größere und größere Beschleuniger, Teleskope, etc. bauen. Theoretisch mag das möglich sein. Praktisch würde es verdammt teuer werden.
In ferner Zunkunft, wenn unsere Möglichkeiten ausgereizt sind, könnte es durchaus sein, daß sich die Physik der Philosophie nähert. Die Physik hätte dann nur mehr Modelle anzubieten, deren Stimmigkeit nicht mehr überprüfbar wäre.
Im Nachsatz noch ein kleiner Einwand zu Myrons:
Zitat: | Abgesehen von Gravitationswellendetektoren, können die Kosmologen keine Experimentalforschung betreiben. |
Wer weiß? Kosmologie ist die Betrachtung großräumiger Strukturen. Paradoxerweise hängen die großräumigen Strukturen von den Eigenschaften mikroskopischer Partikel ab. Ein besseres Verständnis des Teilchenzoos könnte auch den Kosmologen helfen. Heutzutage kann man Kosmologie nicht mehr ohne Teilchenphysik verstehen, Teilchenphysik ist - noch - experimentell zugänglich.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1753748) Verfasst am: 19.05.2012, 10:16 Titel: |
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@smallie: Ich bestreite ja nicht, daß die observative Abgeschlossenheit ein Problem für die Entwicklung neuer Theorien wäre. Im Gegenteil, gerade ich habe ja darauf hingewisen, daß Beobachtungen das eigentlich Entscheidende sind - und nicht die Manipulation des "Objektes". Der Vorteil manipulativer Beobachtungen gegenüber einfachen Beobachtungen, also der Vorteil dedizierter Versuchsaufbauten, ist ein rein technisch-gradueller: Man kann so unter Umständen Wirkungsquerschnitte erhöhen, Störgrößen ausblenden usw.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1753750) Verfasst am: 19.05.2012, 10:35 Titel: |
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Hi Darwin Upheaval!
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Postulieren lässt sich allerdings so einiges - und sei es der Weihnachtsmann. Das aber hat Lamarck nun in der Tat nicht nötig, oder?
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Dergleichen zu postulieren befindet niemand für nötig, der sich aus rationalen Gründen dem Naturalismus verschrieben hat.
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Welche rationalen Gründe?
In diesem Zusammenhang: Der postulierte Weihnachtsmann bezog sich auf Rescher:
Zitat: |
"In summary, then, we need that postulate of an objective order of mind-independent reality for at least six important reasons."
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Und was sind nun diese wichtigen [sic!] Gründe, die Rescher nun veranlasst, Objektivität für eine bewusstseinsunabhängige Realität einzufordern? Eigentlich hat er nur einen Grund (die anderen fünf sind letztlich nur Derivate hiervon): Die Möglichkeit der Unterscheidung zwischen wahr und falsch. Nun, das ist zweifellos richtig. Aber Rescher missbraucht dies als zirkuläre Logik ("we need that postulate ...")! Ebenso zu beachten ist, das Rescher notwendig von einem absoluten Wahrheitsbegriff ausgehen muss:
Realität := absolute Wahrheit
Jetzt müsste Rescher 'nur' noch zeigen, wie er dahin kommt. Hierzu aber hat er noch nicht einmal den allerkleinsten Schritt unternommen. Er wäre auch der erste ... .
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Dem Solipsismus kannst Du allerdings nicht mit einer Hypothese entkommen.
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Was bedeutet in diesem Kontext das Wörtchen "entkommen"? Dass der Solipsismus nicht widerlegbar ist, habe ich nie bestritten. Gleichwohl sind grundsätzlich nicht widerlegbare Positionen aus intellektuellen Gründen nicht besonders attraktiv, zumal der Solipsmus ("alles, was existiert, sind meine eigenen Gedanken und Vorstellungen" - damit ist er übrigens auch eine ontologische These!) vollkommen willkürlich gewählt ist.
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Du bestreitest das Solipsismus-Problem nicht, Du ignorierst es einfach. Solange Du dieses Problem nicht ausräumen kannst, kannst Du nicht von einem objektiven Wahrheitsbegriff - absolute Wahrheit - ausgehen. Es existieren dann bestenfalls relative Wahrheiten, die aus der Verbindung von Sätzen mit anderen Sätzen hervorgehen (mithin Deduktion im weiteren Sinne). Oder, wenn Du es so willst: Es geht um die schönere Geschichte ... .
Das "grundsätzlich nicht widerlegbare Positionen aus intellektuellen Gründen nicht besonders attraktiv" sind, stimmt nicht. Aber das solltest Du gleichwohl zunächst mal Rescher nahelegen. So zum Beispiel. Mir fallen da nämlich noch so andere Personen ein, die etwa meinen, auch ein Nichtraucher sei ein Raucher, ein Ungläubiger ein Gläubiger, eine Person, die die Existenz von Metaphysik bestreitet, gleichwohl ein Metaphysiker ... .
Es existieren eine Menge grundsätzlich nicht widerlegbarer Positionen, die recht interessant sind, etwa Entscheidungsprobleme (NP-Vollständigkeit etc.). Grundsätzlich nicht widerlegbar ist bislang auch jene Position, die davon ausgeht, es gibt keine letzte Nachkommastelle der Kreiszahl π. Wenn es diese nicht gibt, kannst Du Dich dieser auch nicht beliebig annähern; Du kannst nur beliebig viele Nachkommastellen errechnen. Du kannst nicht einmal davon ausgehen, dass Du die Ziffer zufällig errätst und Du dies bloß nicht wissen kannst. Analog absolute Wahrheit, analog absolute Realität. Löse das Solipsismus-Problem und der Radikale Konstruktivismus ist erledigt.
BTW: Ich benötige für meine Ontologie-/Metaphysik-Kritik selbstverständlich nicht unbedingt den Radikalen Konstruktivismus; wenn er auch recht hilfreich ist. So gibt es keine Sätze, die nach den üblichen Definitionen nicht auch ontologische Sätze sind. Insoweit schneidet hier Ockhams Rasiermesser. Nicht genug damit, besteht die Haupttätigkeit der Ontologie darin, heimlich ungedeckte Schecks auszustellen (TTV: Tarnen, täuschen & verpissen). Ein redlicher Denker sieht davon ab.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Denn was solltest Du davon haben, wenn Du sagst, irgendetwas wäre erklärungsmächtiger und aus diesem Grund wäre dies nun vorzuziehen?
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Erklärungsmächtige Hypothesen sind immer den nicht erklärungsmächtigen vorzuziehen, das sollte Deine SIG ("nothing ... makes sense except in the light of...") hinreichend deutlich machen.
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Schon aus ökonomischen Gründen ("Deine Erklärung sei einfach, aber nicht zu einfach!"). Der Tenor stand allerdings in einem gewissen Zusammenhang mit dem Solipsismus. Wenn prinzipiell jegliche Philosophie im Solipsismus Platz findet, warum soll dann beispielsweise der Hypothetische Realismus 'erklärungsmächtiger' als der Solipsismus sein?
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Kratzt dies auch nur am geringsten am Problem des Solipsismus?!
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Ich sehe hier eher ein Scheinproblem gemäß dem Motto: "Der Naturalismus scheitert am Problem des 'Intelligent Designs', weil es noch niemandem gelungen ist, 'Design' zu widerlegen." Auch wenn (oder gerade weil) Du den Solipsismus nicht widerlegen kannst, desavouiert er sich doch als These hinreichend selbst.
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Die Natur ist es, die 'Design' schafft. Das nenne ich 'natürliches Design'. Findet der Umweg beispielsweise über den Menschen und innerhalb zwangsläufiger kausaler Limitierungen statt, nenne ich dies künstliches 'Design'. Gelingt es mir, dieses künstliches Design aufgrund der Handschrift auf den spezifischen Urheber zurückzuführen, nenne ich dies spezifisches 'Design' (Mensch, Termite, Koralle ...). Tatsächlich ist es dann eine interessante Frage, ob 'natürliches Design' nicht doch eigentlich spezifisches 'Design' ist. Anhand der hier dargestellten Selbstbezüglichkeit siehst Du wohl schon, wie ich das Problem löse: Wer hierzu einen Weihnachtsmann postuliert, ist begründungspflichtig: Aus Nichtwissen folgt eben kein Wissen, sondern nichts weiter. Gerne darfst Du aber behaupten, der Solipsismus stelle zwar ein Problem dar, aber er existiert nicht. Der Unterschied zwischen fehlschlüssigem Nichtwissen und Ignoranz ist hier aber folgender: Aus jeglicher Philosophie geht der Solipsismus in Deduktion hervor und ich komme durch diese Wand nicht hindurch; die absolute Wahrheit ist unerreichbar.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
- Gewiss nicht. Du hältst dies nur unbegründet für die hübschere Geschichte und nichts weiter. |
Er ist nicht nur hübscher, er ist auch weniger willkürlich gewählt.
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Das "weniger willkürlich" musst Du zeigen. Aber bis dahin sind wir wohl gezwungen, gemeinsam der letzten Nachkommastelle von π nachzutrauern, oder?
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Wie erwähnt muss selbst der radikale Konstruktivist den Solipsismus hinter sich lassen und in einer "Ontologie als ob" Zuflucht suchen, wenn er so etwas wie Naturwissenschaft betreiben möchte.
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Über den Ontologie-Begriff sehen wir gnädig hinweg: So ist es. Damit bildet das Solipsismus-Problem aber ein Werkzeug für den Radikalen Konstruktivisten.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
[Zusatz: Außerdem existieren metatheoretische Argumente für den ontologischen Realismus, wie etwa die Bewährung und das Scheitern von Hypothesen sowie die Tatsache, dass die verschiedenen naturwissenschaftlichen Theorien wie Puzzlestücke eineinander passen, was anderweitig kaum zu erklären ist, als durch die Annahme, dass es uns gelingt, einen Teil der transsubjektiven Wirklichkeit konsistent zu erfassen:
Zitat: | Different techniques of detection, such as those employed in light microscopy and transmission electron microscopy, make use of very different sorts of physical processes, and these operations are described theoretically in terms of correspondingly different causal mechanisms. (For similar examples, see Salmon 1984, pp. 217–219, and Franklin 1986, pp. 166–168, 1990, pp. 103–115.)
The argument from corroboration thus runs as follows. The fact that one and the same thing is apparently revealed by distinct modes of detection suggests that it would be an extraordinary coincidence if the supposed target of these revelations did not, in fact, exist. The greater the extent to which detections can be corroborated by different means, the stronger the argument for realism in connection with their putative target. |
Chakravartty, A. (2011) Scientific Realism. In: Zalta, E.N. (Ed.) The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2011 Edition).
http://plato.stanford.edu/entries/scientific-realism/
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Eine gewisse Eigenart der SEP scheint zu sein, dass sie nicht umhin kommt, sich gewisser Werturteile zu enthalten. Ein Argument ist nicht deshalb 'stärker', weil es auf gewisse Weise mit den Ziel verbunden wird, sondern eine Argumentationskette obsiegt gegenüber einer anderen aus bestimmten inneren Gründen.
Deine 'metatheoretische' Argumentation greift ebenfalls nicht; sie bildet selbstverständlich nur relative Wahrheiten ab. Es ist selbstverständlich nützlich, dies als konsistent mit einen Teil der transsubjektiven Wirklichkeit anzusehen. Aber der zugehörige Wahrheitsbegriff wird auch hier nicht Top-down, sondern Bottom-up entwickelt. Als Mittel zum (subjektiv motivierten) Zweck.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
[/Zusatz]
Davon abgesehen ist der radikale Konstruktivismus selbstwiderlegend: Die Ergebnisse der Neurobiologie legen zwar nahe, dass das Gehirn als autonomes System sich seine Erlebniswelt selbst konstruiert, aber die Radikalität ("die Erlebniswelt ist vollständig! subjektiv") ist nicht mehr empirisch begründet. Denn wie könnten die Resultate der Neurobiologie etwas intersubjektiv Gültiges über das Gehirn aussagen, wenn die Erlebniswelt - und damit auch die Ergebnisse der Wissenschaft - nichts objektives über die Welt aussagen? Die vermeintlich empirische Begründung des radikalen Konstruktivismus ist damit nur eine Scheinbegründung, weswegen er unter dem Strich lediglich willkürlich (ad hoc) gewählt ist. Er greift damit auf eine metaphysische Annahme zurück, die er gemäß seines Programms ablehnt - und sich damit selber desavouiert. Q.e.d.
Wendel, H.J. (1990) Moderner Relativismus: Zur Kritik antirealistischer Sichtweisen des Erkenntnisproblems. Mohr Siebeck.
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Na, Wendel fehlte noch. Aber benutze doch die Suchfunktion; ich habe die rekordverdächtige Anzahl der Zirkelschlüsse, die allein der zitierte Abschnitt enthält, doch mehrfach erwähnt. Auch das Strohmännlein feiert fröhliche Urständ. Aber gemach: Wie kann Wedel behaupten, dass (eigene oder fremde) Gehirn sei ein autonomes System, wenn sein eigenes Gehirn autonom ist? Wenn die Erlebniswelt vom Selbst konstruiert wird, wie lässt sich dann gerechtfertigt behaupten, die Erlebniswelt sei nicht vollständig! subjektiv? Usw. usf. - Du kannst gerne mehr haben. Aber fällt Dir der generelle Fehler der Argumentation auf - nämlich des Kaisers selbstreferentielle neue Kleider?
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Mit anderen Worten:
Zitat: | Konsequent sind nur der Solipsismus und der hypothetische Realismus.
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Nein. Konsequent kann nur der Radikale Konstruktivismus sein. Dies deswegen, weil diese Philosophie den Solipsismus nicht ausschließt. Mithin kann der Radikale Konstruktivismus auch den Solipsismus enthalten; der Solipsismus im Solipsismus wäre halt auch nur Solipsismus, der Rest der bekannten Philosophien versteckt sich schlotternd vor Angst hinter dem Ofen ... .
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Der Radikale Konstruktivismus hält diese basale Hypothese für unendscheidbar [..]
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Entscheidbar (im Sinne eines formal gültigen Beweises und einer tragfähigen Letztbegründung) ist gar nichts! Das erkennt der hypothetische Realist doch genauso an. Dies sollte und darf uns nicht davon abhalten, Hypothesen und Modelle zu konstruieren, die sich bewähren müssen.
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Formal gültige Beweise brauchen hier nicht problematisiert werden; es geht in der Tat um das Problem Letztbegründungen. Hier zeigt der Radikale Konstruktivismus dem Hypothetischen Realismus nur auf, wo es hackt.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
[..] und entscheidet sich folglich bewusst willkürlich gegen den Solipsismus, ohne dieses Problem jedoch aus dem Auge zu verlieren.
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Dazu kann ich (abgesehen von dem Zusatz "willkürlich") eigentlich nur sagen: Willkommen im Verein des hypothetischen Realismus!
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Von wegen dem "Es hackt!": Das 'Wollen' ist doch das entscheidende Moment!
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Der Hypothetische Realismus kann nicht anders, als das prinzipiell Gleiche tun, wie schon aus den Begrifflichkeiten hervorgeht: Eine hypothetische Realität ist eben ebenso eine reale Hypothese. |
Bingo! Aus diesem Blickwinkel kann ich Deine Kritik am hypothetischen Realismus beim besten Willen nicht verstehen. Du kommst ja selbst nicht daran vorbei, dir eine "Realität als ob" zu stricken, beispielsweise wenn Du über "Evolution" sprichst.
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Ähem: Nein!
Eine Hypothese ist eine Hypothese, ist eine Hypothese ... . Du gelangst vom Feld der Hypothese nicht ins Feld der Realität. Du kannst hypothetisieren, das Feld der Hypothese wäre hypothetisch das Feld der Realität, aber damit hast Du das Holo-Deck natürlich noch lange nicht verlassen. Die Notwendigkeit (nicht Zwangsläufigkeit!) zu einer "Realität als ob" bildet für den Radikalen Konstruktivisten in der Tat kein Problem.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Dem hypothetischen Stadium entkommt sie nicht und sei der Wunsch nach absoluter Sicherheit - die Realität - noch so groß.
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"Absolute Sicherheit" - ist das wieder der übliche Pappkamerad? Um es mal in Deiner Terminologie auszudrücken: Der hypothetische Realismus ist eine viable/brauchbare/nützliche/erklärungsmächtige/plausible Hypothese, mehr aber auch ncht. Ich habe nie den Anspruch verfochten, eine "absolute Wahrheit" zu vertreten.
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Was für ein Pappkamerad ist denn der "übliche Pappkamerad"? Und üblich bei wem?
Wenn Du Dich in 'meiner' Terminologie ausdrückst, klinkt es in der Tat radikalkonstruktivistisch. Du solltest dies öfters tun, findest Du nicht?
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Es bleibt nur die Dramaturgie des Inhalts, die gefällt oder nicht:
"Hast Du die schwarze Katze der Realität in Deiner dunklen Rumpelkammer der Hypothesen gefunden?" - "Nein, aber ich vermute es!"
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Die Entscheidungsfindung fällt allerdings nicht schwer, da wir es in der dunklen Rumpelkammer laut und deutlich miauen hören
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Das sind nur die armen Seelen der Ontik, die da zur Geisterstunde herumspucken ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
Zuletzt bearbeitet von Lamarck am 19.05.2012, 12:13, insgesamt einmal bearbeitet |
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1753766) Verfasst am: 19.05.2012, 12:04 Titel: |
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Hi Myron!
Myron hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Mein lieber Scholli! Das ist ja gerade das Problem der Ontologie: Die klare Formulierung. |
Die Metaphysik/Ontologie großer Denker wie David Armstrong oder David Lewis ist klar formuliert.
David Lewis's Metaphysics: http://plato.stanford.edu/entries/lewis-metaphysics/
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Interessant - der eigentliche Text fängt unter Hinweis traditioneller Konzeptionierung an mit "What is there?" Das ist analytische Philosophie, das ist philosophischer Naturalismus, das ist Quines Paper "On what there is"von 1948 in Review of Metaphysics.
Aber zum Problem der klaren Formulierung: Welche Fragestellung ist denn keine ontologische Fragestellung?
Myron hat folgendes geschrieben: |
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: |
ich vermute, dass Myron sich von dem, was in diesem Buch beschrieben wird, genauso wenig beeindrucken lässt wie ich. Du kannst gerne einen Strohmann abfackeln, wenn Du unter 'Weltbild' so was wie 'Ideologie' verstehst und dann mit Ontologie gleichsetzt.
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Wenn ich von Metaphysik/Ontologie spreche, dann beziehe ich mich auf die analytische Philosophie und nicht auf postmoderne Philosophen wie Derrida.
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Der Punkt war hier nun gewiss nicht die genaue Disziplin ... .
Myron hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Myron hat folgendes geschrieben: |
Hier sind die Inhaltsverzeichnisse von fünf aktuellen Lehrbüchern: [..]
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Na, zumindest hast Du ordentlich Humor ... .
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Was findest du daran lustig?
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Du kippst "die Inhaltsverzeichnisse von fünf aktuellen Lehrbüchern" ins Forum? - Also, das hat schon was ... .
(Wegen mir brauchst Du so etwas nicht zu machen - schließlich habe ich auch so einiges im Regal stehen bzw. auf dem Kindle)
In den "fünf aktuellen Lehrbüchern" fehlt allerdings dringend noch ein Rezept für leckeren Apfelkuchen. Schließlich ist das doch die Frage der Ontologie, findest Du nicht?
Ontologische Frage: "Was gibt es?" - Ontologische Antwort: "Gedeckter Apfelkuchen!"
Möchtest Du hierzu nicht versuchen, 'Platons Bart' abzuschneiden?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#1753816) Verfasst am: 19.05.2012, 15:11 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Du kippst "die Inhaltsverzeichnisse von fünf aktuellen Lehrbüchern" ins Forum? - Also, das hat schon was ... .
(Wegen mir brauchst Du so etwas nicht zu machen - schließlich habe ich auch so einiges im Regal stehen bzw. auf dem Kindle)
In den "fünf aktuellen Lehrbüchern" fehlt allerdings dringend noch ein Rezept für leckeren Apfelkuchen. Schließlich ist das doch die Frage der Ontologie, findest Du nicht? |
Nunja, Polemik ist zwar das Salz in der Suppe, aber ohne Suppe (= beweiskräftiges Argument) wird Polemik ungenießbar.
Zur Information, Du hattest, ohne Dich eines Arguments zu bedienen, auf ein fragwürdiges Carnap-Bekenntnis (offenbar wollte hier das Ei klüger sein als die Henne ) verwiesen, um damit deutlich zu machen, dass Ontologie überholt sei. Das nennt man üblicherweise ein "Autoritätsargument", zumal Carnaps Position von der Dynamik der modernen Naturwissenschaften und Wissenschaftsphilosophie überrollt wurde. Angesichts dessen ist doch die Darlegung der Inhaltsverzeichnisse moderner Philosophiebücher ein probates Mittel, um deutlich zu machen, dass heute nach Carnaps Kritik kein Hahn mehr kräht, wohingegen die Ontologie (aus gutem Grund) in voller Blüte steht.
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Ontologische Frage: "Was gibt es?" - Ontologische Antwort: "Gedeckter Apfelkuchen!"
Möchtest Du hierzu nicht versuchen, 'Platons Bart' abzuschneiden? |
Ich vermute, nicht nur Platons Bärtchenkrauler hätte was dagegen
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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pera auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 01.07.2009 Beiträge: 4256
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(#1753818) Verfasst am: 19.05.2012, 15:28 Titel: |
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Folgerung aus diesem Thread.
Die Philosophie stellt Fragen, kann sie aber nur selten beantworten.
Wobei es größtenteils Fragen sind, die es ohne Philosophie gar nicht gegeben hätte.
(Aber sie müht sich redlich.)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753846) Verfasst am: 19.05.2012, 16:21 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Vielleicht habe ich es überlesen, aber ich finde, Du solltest Deine eigene Position zum Thema Realismus mal klar ansagen. |
Ich bin im Grunde hypothetischer Realist, jedenfalls in einem gewissen Sinne. Ich bevorzuge aus bestimmten Gründen auch eher den Ausdruck "spekulativer Realismus" statt "hypothetischer Realismus". Den Schlagabtausch zwischen hypothetischem Realismus und radikalem Konstruktivismus, der hier z.T. läuft, mache ich aber in der Regel gar nicht erst mit (obwohl ich ihn regelmäßig mitlese), weil es mir stark so scheint, dass sich beide Positionen inhaltlich gar nicht wesentlich unterscheiden, sondern nur andere Akzente setzen.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1753857) Verfasst am: 19.05.2012, 17:14 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Vielleicht habe ich es überlesen, aber ich finde, Du solltest Deine eigene Position zum Thema Realismus mal klar ansagen. |
Ich bin im Grunde hypothetischer Realist, jedenfalls in einem gewissen Sinne. |
Dann nheme ich an, Du lehnst die Stömungen zwischen "naivem" und "ontologischem" Realismus, wie etwa von AP oder Myron vorgetragen, ab?
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Ich bevorzuge aus bestimmten Gründen auch eher den Ausdruck "spekulativer Realismus" statt "hypothetischer Realismus". |
Soll mir recht sein, da kommt das Spekulative noch stärker zum Ausdruck.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Den Schlagabtausch zwischen hypothetischem Realismus und radikalem Konstruktivismus, der hier z.T. läuft, mache ich aber in der Regel gar nicht erst mit (obwohl ich ihn regelmäßig mitlese), weil es mir stark so scheint, dass sich beide Positionen inhaltlich gar nicht wesentlich unterscheiden, sondern nur andere Akzente setzen. |
Sie unterscheiden sie sich mE nur in der metaphysischen Deutung, nicht in irgendeiner prüfbaren Voraussage.
quote repariert. vrolijke
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753862) Verfasst am: 19.05.2012, 17:37 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Dann nheme ich an, Du lehnst die Stömungen zwischen "naivem" und "ontologischem" Realismus, wie etwa von AP oder Myron vorgetragen, ab? |
Ich müsste mir nochmal genau ansehen, welche Positionen mit diesen Labels genau verknüpft sind, aber auf den ersten Blick kommt mir der Ausdruck "ontologischer Realismus" wie eine Tautologie in adjectio vor.
Naiven Realismus lehne ich in der Tat ab, weil ich glaube, dass gerade die Naivität den spekulativen (bzw. reflexiven) Zugang versperrt.
step hat folgendes geschrieben: | Soll mir recht sein, da kommt das Spekulative noch stärker zum Ausdruck. |
Ganz genau. Obwohl ich das wahrscheinlich anders meine als du. Ich kann z.B. die Hypothese aufstellen, dass vor meiner Tür ein Einhorn steht. Spekulation betreibe ich, sobald ich über diese Hypothese nachdenke.
step hat folgendes geschrieben: | Sie unterscheiden sie sich mE nur in der metaphysischen Deutung, nicht in irgendeiner prüfbaren Voraussage. |
Ich glaube noch nicht mal das (mal davon abgesehen, dass ich schon diese Ausdrucksweise für problematisch halte).
Es ist zum Beispiel interessant, dass in der Debatte zwischen Lamarck und Darwin Upheaval immer mal wieder der eine dem anderen vorwirft, eigentlich "das selbe" zu machen wie er selbst und das nur falsch darzustellen.
Am Rande bemerkt halte ich den Solipsismus übrigens nicht für unwiderlegbar. Das ist aber nochmal ein anderes Thema...
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 19.05.2012, 17:49, insgesamt einmal bearbeitet |
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1753865) Verfasst am: 19.05.2012, 17:48 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Am Rande bemerkt halte ich den Solipsismus übrigens nicht für unwiderlegbar. Das ist aber nochmal ein anderes Thema... |
Descartes?
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753866) Verfasst am: 19.05.2012, 17:51 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | Descartes? |
Was ist mit dem? (Nein, ich glaube nicht, dass man Gott braucht, um den Solipsismus zu widerlegung.)
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1753867) Verfasst am: 19.05.2012, 17:55 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Kival hat folgendes geschrieben: | Descartes? |
Was ist mit dem? (Nein, ich glaube nicht, dass man Gott braucht, um den Solipsismus zu widerlegung.) |
Schuldigung, war sehr knapp: Sollte ungefähr heißen: Du gehörst aber nicht zu denen, die glauben Descartes Argumentation wäre wirklich ein Beweis gegen den Solipsismus, oder? Aber eigentlich habe ich da leicht Dinge durcheinander geworfen; was ja eher typisch für moderne Descartes-Jünger ist, dass diese glauben, die Existenz des Ichs sei tatsächlich durch Descartes bewiesen...
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753868) Verfasst am: 19.05.2012, 18:04 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | Aber eigentlich habe ich da leicht Dinge durcheinander geworfen; was ja eher typisch für moderne Descartes-Jünger ist, dass diese glauben, die Existenz des Ichs sei tatsächlich durch Descartes bewiesen... |
Nicht in dem Sinne, wie sie das gerne hätten. Aber das denkende Ich ist ja ohnehin das, was der Solipsist noch am wenigsten bezweifelt. Descartes hat auch nicht versucht, den Solipsismus zu widerlegen, sondern die radikale Skepsis.
Der Solipsismus ist im Grunde selbst eine nach-cartesianische Position, die die Gewissheit des ego cogito (zumindest in irgendeiner Weise) anerkennt und lediglich alles andere zur bloßen Illusion erklärt.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1753872) Verfasst am: 19.05.2012, 18:12 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Kival hat folgendes geschrieben: | Aber eigentlich habe ich da leicht Dinge durcheinander geworfen; was ja eher typisch für moderne Descartes-Jünger ist, dass diese glauben, die Existenz des Ichs sei tatsächlich durch Descartes bewiesen... |
Nicht in dem Sinne, wie sie das gerne hätten. Aber das denkende Ich ist ja ohnehin das, was der Solipsist noch am wenigsten bezweifelt. Descartes hat auch nicht versucht, den Solipsismus zu widerlegen, sondern die radikale Skepsis.
Der Solipsismus ist im Grunde selbst eine nach-cartesianische Position, die die Gewissheit des ego cogito (zumindest in irgendeiner Weise) anerkennt und lediglich alles andere zur bloßen Illusion erklärt. |
In diesem Sinne ist der Solipsismus natürlich leicht widerlegbar, in dem Sinne, dass die Sicherheit der Existenz des Ichs eben nicht bewiesen ist. Wundert mich immer wieder, dass das noch so stark geglaubt wird, wobei schon Nietzsche darauf hingewiesen hatte, dass Descartes Schluss auf einer rein sprachlichen Konvention beruht.... nunja, führt aber hier vermutlich zu weit ab. Was meintest Du, als Du sagtest, Solipsismus wäre widerlegbar: Dass nichteinmal die solipsistische Position beweisbar ist, oder dass du die Existenz von anderen Personen als beweisbar erachtest?
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753879) Verfasst am: 19.05.2012, 18:51 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | Was meintest Du, als Du sagtest, Solipsismus wäre widerlegbar: Dass nichteinmal die solipsistische Position beweisbar ist, oder dass du die Existenz von anderen Personen als beweisbar erachtest? |
Es lässt sich zeigen, dass sich der Solipsismus überhaupt nicht vertreten lässt. Z.B. über Wittgensteins Privatsprachenargument oder verwandte Überlegungen. Und das ist auch nur eine Möglichkeit.
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1753931) Verfasst am: 19.05.2012, 22:14 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | @smallie: Ich bestreite ja nicht, daß die observative Abgeschlossenheit ein Problem für die Entwicklung neuer Theorien wäre. Im Gegenteil, gerade ich habe ja darauf hingewisen, daß Beobachtungen das eigentlich Entscheidende sind - und nicht die Manipulation des "Objektes". Der Vorteil manipulativer Beobachtungen gegenüber einfachen Beobachtungen, also der Vorteil dedizierter Versuchsaufbauten, ist ein rein technisch-gradueller: Man kann so unter Umständen Wirkungsquerschnitte erhöhen, Störgrößen ausblenden usw. |
Beobachtungen sind das Entscheidende - darauf können wir uns gerne einigen.
Myrons Aussage
Myron hat folgendes geschrieben: | Astronomische Fernrohrbeobachtungen zähle ich nicht zu den Experimenten. |
kann ich nachvollziehen, wenn ich sie in meinen Rahmen übersetze. Siehe oben.
Ich persönlich hätt's anders formuliert und das Wort "Experiment" vermieden.
Ist eine archäologische oder paläontologische Ausgrabung ein Experiment oder nur eine Ausgrabung? Ist die Durchmusterung des Nachthimmels in diversen Frequenzen ein Experiment oder eine Katalogisierung? War es ein Experiment, als Becquerel zufällig Radioaktivität entdeckte, weil Uran auf photographischen Platten lag?
Mit solchen Fragen landet man schnell in einer unfruchtbaren Diskussion um Semantik. Am Ende streitet man dann darüber, ob Ostereier suchen ein Experiment ist. Leider führt das zu keiner guten Strategie, um Ostereier zu finden.
In dem Sinne hab ich noch ein Beispiel für deinen Vorteil dedizierter Versuchsaufbauten. Falls jemand das FOCAL-Projekt nicht kennt:
Zitat: | The FOCAL Mission: To the Sun’s Gravity Lens
One of the great missions for the 21st century could be FOCAL — a space probe sent to the Sun’s gravity lens some 550 AU out. [...]
As far as I know, the first person to apply the notion to spacecraft was Von Eshleman (Stanford University), who considered a space probe to 550 AU to exploit the potential magnifications available there.
http://www.centauri-dreams.org/?p=785 |
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1753972) Verfasst am: 20.05.2012, 00:29 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Grundsätzlich nicht widerlegbar ist bislang auch jene Position, die davon ausgeht, es gibt keine letzte Nachkommastelle der Kreiszahl π. Wenn es diese nicht gibt, kannst Du Dich dieser auch nicht beliebig annähern; Du kannst nur beliebig viele Nachkommastellen errechnen. Du kannst nicht einmal davon ausgehen, dass Du die Ziffer zufällig errätst und Du dies bloß nicht wissen kannst. Analog absolute Wahrheit, analog absolute Realität. Löse das Solipsismus-Problem und der Radikale Konstruktivismus ist erledigt. |
Darauf kann ich mir keinen rechten Reim machen.
Zitat: | Grundsätzlich nicht widerlegbar ist bislang auch jene Position, die davon ausgeht, es gibt keine letzte Nachkommastelle der Kreiszahl π. |
"Grundsätzlich nicht widerlegbar", das kann heißen:
- nicht beweisbar
- bewiesen
pi ist irrational und transzendent - das ist in der Mathematik bewiesen. Also hat pi keine letzte Stelle und die "letzten" Stellen sehen auch nicht aus wie: 3,14159265353333333333..."
Zitat: | Wenn es diese nicht gibt, kannst Du Dich dieser auch nicht beliebig annähern; Du kannst nur beliebig viele Nachkommastellen errechnen. |
Ein Mathematiker würde dir hier widersprechen.
Tatsächlich widersprichst du dir sogar selbst: nicht beliebig annähern aber beliebig viele Nachkommastellen errechnen. Das passt nicht. Nur beliebig viele? Nur? Reichen dir denn "beliebig viele" nicht?
Ein Programmierer hingegen würde dir zustimmen.
Und sagen: es gibt auf der ganzen Welt weder genügend Speicher, um pi auf alle Dezimalstellen abzuspeichern, noch gibt es einen Algorithmus, der das in endlicher Zeit schafft. Dann würde er sagen: "ich kann noch nicht mal nur beliebig viele Nachkommastellen abspeichern."
Ein anderer Programmierer würde sagen: "Was habt ihr mit den Nachkommastellen? Mein System betreibt symbolische Mathematik. Natürlich kann man pi nicht als Dezimal- oder Binärzahl hinschreiben, aber ich kann mit pi symbolisch rechnen, denn pi ist klar definiert."
Zitat: | Löse das Solipsismus-Problem und der Radikale Konstruktivismus ist erledigt. |
Ich kann mit Solipsismus nichts anfangen. Ich soll mir das alles nur einbilden, bin aber nicht in der Lage, mir pi als 3 einzubilden? Immer diese Sachzwänge, sogar im Solipsismus.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1753977) Verfasst am: 20.05.2012, 00:40 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: |
"Experiment (experimentum, Erfahrung, Versuch): willkürliche, planmäßige Beobachtung unter künstlich hergestellten Bedingungen; Herstellung von 'Wirkungen', um daraus die bestimmten Ursachen, von 'Ursachen', um die Wirkungen kennen zu lernen."
(Eisler, Rudolf. Wörterbuch der philosophischen Begriffe. 1904. http://www.textlog.de/3971.html) |
"Experiment (lat. experimentum), Versuch, heißt dasjenige Verfahren des Forschers, bei welchem er selbsttätig in den gewöhnlichen Gang der Erscheinungen eingreift und nach seiner Willkür die Naturkräfte unter Bedingungen mit- oder gegeneinander wirken läßt, unter denen sie gerade jetzt nicht oder vielleicht selten oder nie zusammengetroffen wären."
(Kirchner, Friedrich. Wörterbuch der philosophischen Grunbegriffe. 1907. http://www.textlog.de/1591.html)
"An experiment is an intentional manipulation of the relevant environment in order to test the predictions of a theory or, sometimes, just to see what happens."
("Experiment." In The Continuum Companion to the Philosophy of Science, edited by Steven French and Juha Saatsi, 419-420. London: Continuum, 2011. p. 419)
Das deutsche Wort für "Experiment" ist "Versuch".
"Der allgemeinste Ausdruck ist 'Erfahrung' (von 'erfahren', d. i. eig. 'durch Gehen erreichen', dann überhaupt 'erreichen'). Sowohl das, was wir bloß wahrnehmen, als was wir durch Beobachtungen und Versuche von den Dingen durch die Sinne erkennen, bezeichnet man als Erfahrungen; es mögen dies nun allgemeine (die man bisweilen schlechtweg Erfahrungen nennt) oder einzelne Wahrheiten sein. Beobachtung und Versuch sind eigentlich Mittel, durch die wir etwas erfahren; während aber die Beobachtung sich auf einen Gegenstand in jeder beliebigen Lage, sei es eine natürliche oder künstlich herbeigeführte, erstrecken kann, spricht man von einem Versuche nur dann, wenn vorher ein Körper in einen gewissen Zustand, in eine bestimmte Lage versetzt worden ist, um ihn in Hinsicht auf einen bestimmten Zweck zu beobachten. So hat man durch Versuche erfahren, daß in dem luftleeren Raume ein Tier nicht leben und ein Licht nicht brennen kann. Man könnte also einen Versuch auch eine künstlich herbeigeführte Erfahrung nennen. 'Wenn wir die Erfahrungen, welche von uns gemacht worden, die wir selbst oder andere zu gleicher Zeit mit uns machen, vorsätzlich wiederholen und die Phänomene, die teils zufällig, teils künstlich entstanden sind, wieder darstellen, so nennen wir dieses einen Versuch.' Goethe, Der Versuch als Vermittler von Objekt und Subjekt. 1793. – Oft versteht man unter 'Beobachtung' nicht die Tätigkeit des Beobachtens, sondern das Ergebnis dieser Tätigkeit; dann sind Beobachtungen solche Erfahrungen, die durch Anwendung größerer Sorgfalt und wissenschaftlicher Genauigkeit gewonnen werden. 'Beobachtung heißt Erfahrung, welche methodisch angestellt wird.' Kant 7, 248 (Grimm)."
(Eberhard, Johann August. Synonymisches Handwörterbuch. 1910. http://www.textlog.de/37969.html)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1753999) Verfasst am: 20.05.2012, 08:06 Titel: |
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Hi Darwin Upheaval!
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Du kippst "die Inhaltsverzeichnisse von fünf aktuellen Lehrbüchern" ins Forum? - Also, das hat schon was ... .
(Wegen mir brauchst Du so etwas nicht zu machen - schließlich habe ich auch so einiges im Regal stehen bzw. auf dem Kindle)
In den "fünf aktuellen Lehrbüchern" fehlt allerdings dringend noch ein Rezept für leckeren Apfelkuchen. Schließlich ist das doch die Frage der Ontologie, findest Du nicht?
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Nunja, Polemik ist zwar das Salz in der Suppe, aber ohne Suppe (= beweiskräftiges Argument) wird Polemik ungenießbar.
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Ich behaupte nur, stünde in der angeführten Literatur ein Kapitel 'Rezept für leckeren Apfelkuchen' würde dies aus konsistenten Gründen nicht weiter auffallen. Natürlich würde dieses Kapitel gleichwohl aufgrund einer gewissen Klarheit & Stringenz - logic, evidence & reason - besonders hervorstechen. Aber schaue Dir die strukturelle Organisation eines dieser "Ontologie-Leerbücher" einmal näher an und vergleiche diese methodisch etwa mit einem Lehrbuch einer mathematischen Disziplin. Damit Deine Suppe also so klar wie Kloßbrühe ist: http://www.physics.nyu.edu/sokal/nyu_forum.html
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Zur Information, Du hattest, ohne Dich eines Arguments zu bedienen, auf ein fragwürdiges Carnap-Bekenntnis (offenbar wollte hier das Ei klüger sein als die Henne ) verwiesen, um damit deutlich zu machen, dass Ontologie überholt sei.
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Oha ... ! Offenbar meinst Du jenes Salz:
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Es gibt immer Fragen, nur letzte Fragen gibt es nicht; Metaphysik ist nur schlechte Physik und Ontologie, so sie von Metaphysik unterschieden wird, nur Kryptomystik, die sich hinter sich selbst versteckt:
Zitat: |
"As regards those object-questions whose object do not occur in the exact sciences, critical analysis has revealed that they are pseudo-problems."
Carnap, Rudolf (1937): The Logical Syntax of Language. [Dt.: 1934] S. 278.
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Dass radikale Konstruktivisten Anleihen an den naiven Positivismus nehmen müssen, um die Ontologie zu desavouieren (und hierzu noch in der Ära des Postpositivismus auf Arbeiten aus dem Jahr 1937 rekurrieren müssen), nimmt nicht weiter wunder und wird somit einmal mehr ein "Schuss n den Ofen"...
Zitat: |
Carnap's rejection of ontology, and metaphysics more generally, has been widely criticized from a number of different angles. One common criticism is that it relies on a too simplistic conception of natural language that ties it too closely to science or to evidence and verification. In particular, Carnap's more general rejection of metaphysics used a verificationist conception of meaning, which is widely seen as too simplistic. Carnap's rejection of ontology has been criticized most prominently by Quine, and the debate between Carnap and Quine on ontology is a classic in this field.
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Hofweber, T. (2012) Logic and Ontology. In: Zalta, E.N. (Ed.) The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2012 Edition). http://plato.stanford.edu/entries/logic-ontology/
Um es in den Worten John Passmores zu sagen: "Der Positivismus ist so tot, wie eine philosophische Bewegung es überhaupt nur sein kann." (Selbiges gilt natürlich auch für den radikalen Konstruktivismus.)
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Möchtest Du mit mir in einen Suppen-Wettstreit treten - ich koche eine Carnaps-critical-analysis-Suppe und Du servierst Dein A-too-simplistic-conception-Gebräu ... ?
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Das nennt man üblicherweise ein "Autoritätsargument", zumal Carnaps Position von der Dynamik der modernen Naturwissenschaften und Wissenschaftsphilosophie überrollt wurde.
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Ich verwende übrigens nie das "Autoritätsargument", außer, ich bin die Autorität ... . Und "zumal" welchen Arguments ist Carnaps Position "überrollt" worden? - Bitte mehr Suppe im Salz ... .
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Angesichts dessen ist doch die Darlegung der Inhaltsverzeichnisse moderner Philosophiebücher ein probates Mittel, um deutlich zu machen, dass heute nach Carnaps Kritik kein Hahn mehr kräht, wohingegen die Ontologie (aus gutem Grund) in voller Blüte steht.
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Ich vermag hierin kein Argument zu erkennen. Papier ist bekanntlich geduldig.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Ontologische Frage: "Was gibt es?" - Ontologische Antwort: "Gedeckter Apfelkuchen!"
Möchtest Du hierzu nicht versuchen, 'Platons Bart' abzuschneiden?
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Ich vermute, nicht nur Platons Bärtchenkrauler hätte was dagegen
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Mir ist zwar nicht entgangen, dass hier ein gewisser Disput zwischen Dir und El Schwalmo besteht, der sich durch extreme Argumentationsdichte auszeichnet. Ich rede aber hiervon: Die rhetorische Figur von 'Platons Bart' stammt von Quine (dieser nun übrigens ein wesentlicher Kritiker von Carnap): 'Platons Bart' wird gestutzt von Ockhams Rasiermesser. Und meine Absicht ist es, desgleichen mit der wild umherwuchernden Ontologie zu tun; nach dem Schnitt wird nichts weiter zurückbleiben als die Quantorenlogik. Das ist hinreichend auch für Quines ontologische Frage selbst ("Was gibt es?") ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1754002) Verfasst am: 20.05.2012, 09:38 Titel: |
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Hi smallie!
smallie hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Grundsätzlich nicht widerlegbar ist bislang auch jene Position, die davon ausgeht, es gibt keine letzte Nachkommastelle der Kreiszahl π. Wenn es diese nicht gibt, kannst Du Dich dieser auch nicht beliebig annähern; Du kannst nur beliebig viele Nachkommastellen errechnen. Du kannst nicht einmal davon ausgehen, dass Du die Ziffer zufällig errätst und Du dies bloß nicht wissen kannst. Analog absolute Wahrheit, analog absolute Realität. Löse das Solipsismus-Problem und der Radikale Konstruktivismus ist erledigt.
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Darauf kann ich mir keinen rechten Reim machen.
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Grundsätzlich nicht widerlegbar ist bislang auch jene Position, die davon ausgeht, es gibt keine letzte Nachkommastelle der Kreiszahl π.
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"Grundsätzlich nicht widerlegbar", das kann heißen:
- nicht beweisbar
- bewiesen
pi ist irrational und transzendent - das ist in der Mathematik bewiesen. Also hat pi keine letzte Stelle und die "letzten" Stellen sehen auch nicht aus wie: 3,14159265353333333333..."
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Interessant: Du gehst offenbar von einer sehr technischen Sichtweise aus. Die Beweisart, die in der Mathematik üblich ist, besteht in der Regel aus informalen Beweisen, 'exakter' wären allerdings die formalen Beweise der Beweistheorie, die semantisch hinreichend sind für Maschinenbeweise. Will sagen: Top-down geht notwendig einher mit Semantik-Verlusten. Ich habe hier angerissen, was es bedeuten würde, stellte man am Beispiel von π den Anspruch an absoluter Wahrheit: Es geht nicht, eben weil π irrational und transzendent ist. Du darfst natürlich gerne fragen, was genau 'absolute Wahrheit' nun (nicht nur hier) bedeuten soll.
smallie hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Wenn es diese nicht gibt, kannst Du Dich dieser auch nicht beliebig annähern; Du kannst nur beliebig viele Nachkommastellen errechnen.
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Ein Mathematiker würde dir hier widersprechen.
Tatsächlich widersprichst du dir sogar selbst: nicht beliebig annähern aber beliebig viele Nachkommastellen errechnen. Das passt nicht. Nur beliebig viele? Nur? Reichen dir denn "beliebig viele" nicht?
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Es lässt sich selbstverständlich definieren, dass die Berechnung möglichst vieler Nachkommastellen von π auch die möglichst genaue Näherung von π beinhaltet. Da aber bei der Berechnung von π keine Regelmäßigkeiten bekannt sind (Normalität von π), gibt es keine Strategie, den Verlauf der Berechnung vorherzusagen (Entwicklung: Tendiert gegen x etc.), als eben über die Berechnung selbst. Damit besteht hier ein qualitativer Unterschied zwischen beliebig viele Nachkommastellen - gleichbedeutend mit beliebiger Annäherung [sic!] - und dem beliebig annähern können.
smallie hat folgendes geschrieben: |
Ein Programmierer hingegen würde dir zustimmen.
Und sagen: es gibt auf der ganzen Welt weder genügend Speicher, um pi auf alle Dezimalstellen abzuspeichern, noch gibt es einen Algorithmus, der das in endlicher Zeit schafft. Dann würde er sagen: "ich kann noch nicht mal nur beliebig viele Nachkommastellen abspeichern."
Ein anderer Programmierer würde sagen: "Was habt ihr mit den Nachkommastellen? Mein System betreibt symbolische Mathematik. Natürlich kann man pi nicht als Dezimal- oder Binärzahl hinschreiben, aber ich kann mit pi symbolisch rechnen, denn pi ist klar definiert."
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Und genau dies bildet die semantische Differenz, auf das sich mein 'nur' bezog ... .
smallie hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Löse das Solipsismus-Problem und der Radikale Konstruktivismus ist erledigt.
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Ich kann mit Solipsismus nichts anfangen. Ich soll mir das alles nur einbilden, bin aber nicht in der Lage, mir pi als 3 einzubilden? Immer diese Sachzwänge, sogar im Solipsismus.
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Genau: Diese 'Sachzwänge', resultierend aus den "synthetischen Urteilen a priori" bilden den Punkt.
Cheers,
Lamarck
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1754008) Verfasst am: 20.05.2012, 09:53 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | ... in order to test the predictions of a theory ... |
Das vorherige Vorhandensein einer Theorie ist zwar ein interessanter Aspekt, allerdings kann er auch bei einer gezielten Beobachtung (ohne klassische Manipulation des Objekts) zutreffen, etwa bei Himmelsdurchmusterungen oder Fossiliensuche.
Myron hat folgendes geschrieben: | ... spricht man von einem Versuche nur dann, wenn vorher ein Körper in einen gewissen Zustand, in eine bestimmte Lage versetzt worden ist, um ihn in Hinsicht auf einen bestimmten Zweck zu beobachten. ... |
Hier wieder mein Einwand, daß die Manipulation nicht wirklich definiert ist. Etwa würde obiges ebenso zutreffen auf ein Objekt, daß ich einfach nur unter ein Mikroskop lege. Beobachtung oder Experiment?
Myron hat folgendes geschrieben: | ... vorsätzlich wiederholen und ... wieder darstellen |
Auch das ist bei nichtmanipulierenden Beobachtungen möglich, etwa wenn man den kosmischen Hintergrund mehrfach durchmustert oder eine Genomanalyse zur Kontrolle mehrfach durchführt, oder nach weiteren Fossilien desselben Typs sucht.
Insgesamt bestätigen diese Definition mE, daß die gezielte Beobachtung das Entscheidende ist und nicht die Manipulation.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26440
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1754015) Verfasst am: 20.05.2012, 10:54 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | ....
Insgesamt bestätigen diese Definition mE, daß die gezielte Beobachtung das Entscheidende ist und nicht die Manipulation. |
Ich würde es auch nicht unbedingt an Definitionen festmachen wollen, die - von mir aus auch tolle Leute - gegeben haben, mir kommt es eher auf das an, was im Kopf dazu passiert, sodass wir uns insgesamt den Vorgang der Erkenntnissuche ansehen.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1754020) Verfasst am: 20.05.2012, 11:26 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | ... mir kommt es eher auf das an, was im Kopf dazu passiert, sodass wir uns insgesamt den Vorgang der Erkenntnissuche ansehen. |
Es gab/gibt ja Versuche, die naturwissenschaftliche Methode (sowohl Theoriebildung als auch Beobachtung) formal zu beschreiben. Zum Beispiel von Popper, seinen Gegnern und Nachfolgern. Leider sind viele dieser Ansätze durchtränkt von Ideologie (z.B. der spätere Popper, aber auch Kuhn, Feyerabend usw.) - manche driften sogar völlig in Gesellschaftstheorien ab.
Vielleicht ist hier im Forum jemand auf dem Laufenden, was der Stand der Technik bei formalen Theorien des Erkenntnisvorgangs ist - ich muß zugeben, daß ich das die letzten Jahrzehnte nicht mehr verfolgt habe, mit Ausnahme des folgenden Punktes.
Speziell was Beobachtung und Experiment betrifft, gibt es auch modernere formale Beschreibungen innerhalb der Quantenphysik. Da kann man dann anhand der einzelnen Produktzustände und Dekohärenzterme sehen, was es eigentlich bedeutet und mit welchen Unschärfen es behaftet ist, wenn wir von "Meßobjekt", "Umgebung" und "Beobachter" sprechen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1754035) Verfasst am: 20.05.2012, 12:02 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | ....
Insgesamt bestätigen diese Definition mE, daß die gezielte Beobachtung das Entscheidende ist und nicht die Manipulation. |
Genau. Das Experiment/ die Beobachtung ist die Antwort der Natur. Wobei die Frage noch nicht formuliert sein muss . Das besondere, weshalb die Philosophie auch nie an die Naturwissenschaft rankommen wird, ist, dass die Natur/Realität umfangreicher als das menschliche Wissen ist.
Das bedeutet durch Denken allein kann gar nicht alles erfasst werden.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1754060) Verfasst am: 20.05.2012, 15:47 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Insgesamt bestätigen diese Definition mE, daß die gezielte Beobachtung das Entscheidende ist und nicht die Manipulation. |
Doch, von einem wissenschaftlichen Versuch kann man nur dann sprechen, wenn das Beobachtete in irgendeiner Weise manipuliert oder präpariert worden ist, d.h. wenn die Wissenschaftler es nicht passiv in seinem natürlichen Geschehen oder Vorhandensein beobachten, sondern aktiv etwas damit machen, es beeinflussen, verändern oder hervorrufen. Einen Versuch als künstlich herbeigeführte Erfahrung zu bezeichnen, trifft den Kern der Sache.
Der Duden definiert "Versuch" als "das Schaffen von Bedingungen, unter denen sich bestimmte Vorgänge, die Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses sind, beobachten und untersuchen lassen".
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1754061) Verfasst am: 20.05.2012, 15:54 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Genau. Das Experiment/ die Beobachtung ist die Antwort der Natur. |
Beobachtung ist selbstverständlich Teil eines Versuchs, aber ein Versuch ist nicht bloß Beobachtung und Beschreibung, sondern ein absichtliches "Spiel" mit der Natur.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1754063) Verfasst am: 20.05.2012, 16:11 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Einen Versuch als künstlich herbeigeführte Erfahrung zu bezeichnen, trifft den Kern der Sache. |
Demnach wäre das Betrachten des Nachthimmels mittels eines Teleskops ein Versuch.
Myron hat folgendes geschrieben: | Der Duden definiert "Versuch" als "das Schaffen von Bedingungen, unter denen sich bestimmte Vorgänge, die Gegenstand des wissenschaftlichen Interesses sind, beobachten und untersuchen lassen". |
Meines Erachtens fällt darunter im Zweifelsfall jede Beobachtung, die im wissenschaftlichen Interesse durchgeführt wird.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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