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hardi registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.07.2008 Beiträge: 179
Wohnort: Lübeck
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(#1780943) Verfasst am: 07.09.2012, 15:40 Titel: |
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Xamanoth hat folgendes geschrieben: |
Nur das mit dem angeblichen Verstoß gegen die Gewaltenteilung ist quatsch.
Es ist gerade ein Element der Gewaltenteilung, dass ein Richter (Judikative) nur über Straftaten urteilen kann, die von der Staatsanwaltschaft (Exekutive - welcher der Justizsenator vorsitzt) an ihn herangetragen werden. |
Es wird in dem Artikel ein systemischer Fehler angemahnt, dass die Exekutive von einem Vertreter der Legislative (Justizsenator) neben der Verwaltungsrechtlichen Weisungsbefugnis auch inhaltlich gelenkt wird, was in diesem Fall dazu führt, das Vergehen nicht vor der unabhängigen Judikative landen sondern eben von der interessenbeieinflussten Legislative akkut kaltgestellt werden kann.
_________________ und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein lichtlein her.
Frag nicht nach dem Sinn des Lebens, gib ihm einen!
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Xamanoth auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.04.2006 Beiträge: 7962
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(#1780946) Verfasst am: 07.09.2012, 16:08 Titel: |
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hardi hat folgendes geschrieben: |
Es wird in dem Artikel ein systemischer Fehler angemahnt, dass die Exekutive von einem Vertreter der Legislative (Justizsenator) neben der Verwaltungsrechtlichen Weisungsbefugnis auch inhaltlich gelenkt wird, was in diesem Fall dazu führt, das Vergehen nicht vor der unabhängigen Judikative landen sondern eben von der interessenbeieinflussten Legislative akkut kaltgestellt werden kann. |
Das ist kein systematischer Fehler.
Die Legislative ist das Landesparlament; der Justizsenator handelt als Vertreter der obersten Landesjustizbehörde als Exekutivorgan. Und das die Judikative im Strafrecht nur über das entscheiden kann, was die Exekutive an sie heranträgt, ist gerade Ausdruck des Gewaltenteilungsgrundsatzes.
Hierbei gibt es auch nur sehr vereinzelt Ermessensspielräume der Exekutive, § 230 StGB ist ein solcher Ausnahmefall.
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hardi registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.07.2008 Beiträge: 179
Wohnort: Lübeck
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(#1780952) Verfasst am: 07.09.2012, 16:27 Titel: |
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Xamanoth schrieb
Zitat: | [...]Die Legislative ist das Landesparlament; der Justizsenator handelt als Vertreter der obersten Landesjustizbehörde als Exekutivorgan.[...] |
In dem Artikel wird genau die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft von Politischen Kräften gefordert.
Zitat: | Eine Unabhängigkeit des Staatsanwalts vor staatlichen Anordnungen zur Strafverfolgung existiert in Deutschland nicht. Zu Recht fordert etwa der Deutsche Richterbund (DRB) seit vielen Jahren die Abschaffung des Weisungsrechts der Justizminister und sieht aufgrund dieser Weisungsgebundenheit das Vertrauen der Bevölkerung in die Staatsanwaltschaft als beeinträchtigt an. Aufgrund der Zulässigkeit einer Weisung der Justizverwaltung an die Staatsanwaltschaft, selbst im konkreten Einzelfall ein Verfahren einzustellen und keine Anklage zum Gericht zu erheben, ist zugleich auch eine Einflussnahme auf die unabhängige Justiz gegeben, deren Unabhängig jedoch verfassungsmäßig garantiert ist. |
Ich denke schon, dass der Artikel hier einen System-Fehler anmahnt, und nichts anderes habe ich gesagt.
_________________ und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein lichtlein her.
Frag nicht nach dem Sinn des Lebens, gib ihm einen!
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krypter unglaublich
Anmeldungsdatum: 29.03.2008 Beiträge: 383
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Desperadox Nischenprodukt
Anmeldungsdatum: 18.01.2012 Beiträge: 2246
Wohnort: Hamburg
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(#1781006) Verfasst am: 08.09.2012, 00:14 Titel: |
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Denen langt`s noch nicht mal, das sie schnibbeln dürfen, nein, es muß auch noch schön mittelalterlich zugehen und ordentlichlich weh tun.Null Kompromissbereitschaft.
_________________ SUUM CUIQUE
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Critic oberflächlich
Anmeldungsdatum: 22.07.2003 Beiträge: 16000
Wohnort: Arena of Air
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(#1781013) Verfasst am: 08.09.2012, 00:44 Titel: |
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Desperadox hat folgendes geschrieben: | Denen langt`s noch nicht mal, das sie schnibbeln dürfen, nein, es muß auch noch schön mittelalterlich zugehen und ordentlichlich weh tun.Null Kompromissbereitschaft. |
Also: Zeigt nicht damit die Ablehnung der Forderung nach Beibringung einer Religionsbescheinigung durch die Eltern davon, daß es sich nicht um eine "religiöse Tradition" handelt? Und zeigt nicht dieses Wehren wenigstens gegen medizinische Standards und Schmerzfreiheit auch, daß diese "schöne Tradition" evtl. auch mit den Zielen ausgeführt wird, die Maimonides nannte (Schmerz, Trauma, "heilige Sexualität"), aber insbesondere nicht auch, daß sie nicht kompatibel zum modernen Verständnis ist, sie auch nicht "humanisiert" werden kann?!
_________________ "Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"
Dann bin ich halt bekloppt.
"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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Eifellady Weiße Haifelbestie
Anmeldungsdatum: 19.11.2003 Beiträge: 14403
Wohnort: Wildnis der Eifel
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(#1781037) Verfasst am: 08.09.2012, 09:24 Titel: |
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In der neuen "vorwärts" (Seite 23) wurde die Contra-Meinung zur Beschneidung von uns Laizisten veröffentlicht.
Zitat: | Contra Beschneidung
Nach Artikel 2 unseres Grundgesetzes hat jeder das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Zudem ist die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert, soweit es nicht die Rechte anderer verletzt.
Erst zu Beginn dieses Jahres wurden die Maßnahmen zum Kinderschutz verschärft, vor allem, um Kleinkinder besser vor Verwahrlosung, Gewalt und Missbrauch zu schützen.
Doch nun soll nach dem Willen vieler Bundespolitiker dieser Kinderschutz nicht mehr gelten, wenn es um religiöse Riten geht.
Eine religiös begründete und medizinisch obendrein risikohafte Beschneidung eines unmündigen Kindes verletzt eindeutig sein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Und unzweifelhaft ist es ein schmerzhafter und irreversibler Eingriff und eine Missachtung seiner eigenen Religionsfreiheit. Das Recht der Eltern auf religiöse Erziehung der Kinder dagegen gilt nur innerhalb der geltenden Gesetze. Kinderfeindliche religiöse Riten und das Elternrecht dürfen nicht höher gewertet werden als das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit.
So wie wir, die Laizisten in der SPD, sehen das offenbar auch die Richter am Kölner Landgericht, Kinderärzte, Kinderchirurgen, Kinderschutzorganisationen, der Bund der Kriminalbeamten und zahllose Rechtswissenschaftler. Auch die Mehrheit der Bevölkerung sowie viele Juden und Muslime lehnen diesen überkommenen Brauch ab. In den USA und in Israel gibt es jüdische Organisationen, die sich gegen die Beschneidung entscheiden. Diese berufen sich auch auf die Bibel, in der bei Levitikus 19,28 steht: „Für einen Toten dürft ihr keine Einschnitte auf eurem Körper anbringen.“ Symbolische Beschneidungen, wie schon in einigen jüdischen Gemeinden in Großbritannien üblich, wären eine Lösung. Jude ist schließlich der, dessen Mutter Jüdin ist, und man wird es nicht durch den sogenannten „Bundesschnitt“. Im Islam könnte man ebenso problemlos auf die Religionsmündigkeit der jungen Männer warten.
Die Legalisierung der religiös motivierten Beschneidung von Jungen könnte zur Folge haben, dass andere religiöse Riten, wie z. B. Mädchenbeschneidung, Prügelstrafe oder die Zwangsverheiratung auch (wieder) erlaubt werden müssten.
Es gehört zum Kern unserer Rechtskultur, dass die Grundrechte und unser Grundgesetz höher stehen als Traditionen und Rituale, wenn diese mit den Grundrechten in Konflikt kommen. Das muss auch so bleiben.
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_________________ Mein Account bei Facebook
Säkulare Sozialdemokrat_innen
Facebookgruppe der Säkularen Sozialdemokrat_innen
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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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(#1781064) Verfasst am: 08.09.2012, 12:13 Titel: DEMO für Religionsfreiheit und Zwangsbeschneidung |
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Ehrlich gesagt, schon das "Plakat" für die Demo (Messer, Schere) löst bei mir eine gewisse Kastrationsangst aus.
Morgen wird also demonstriert:
http://www.jg-berlin.org/kalender/details/auf-messers-schneide-i4715d-2012-09-09-11-00.html
Die Liste der Unterstützer ist lang, ca. dreißig Gruppen und Verbände.
Folgende Forderungen werden offenbar nicht erhoben:- Straflose Beschneidung von Jungen und Mädchen
- Abbinden von Mädchenfüßen bei chinesischen Familien muß legal sein
- Tattoos für Babies erlauben, wenn die Eltern nachweisen können, daß sie Rocker sind
- Menschenopfer gestatten, wenn die Täter Mexikaner mit aztekischen Wurzeln sind, da es ein jahrtausende alter Brauch ist
Es sollte aber nicht verwundern, wenn sich einzelne Demonstranten mit diesen Forderungen in den Protest einbringen sollten.
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Navigator2 unbefristet gesperrt
Anmeldungsdatum: 12.06.2008 Beiträge: 2546
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(#1781070) Verfasst am: 08.09.2012, 13:01 Titel: Re: DEMO für Religionsfreiheit und Zwangsbeschneidung |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | Ehrlich gesagt, schon das "Plakat" für die Demo (Messer, Schere) löst bei mir eine gewisse Kastrationsangst aus.
Morgen wird also demonstriert:
http://www.jg-berlin.org/kalender/details/auf-messers-schneide-i4715d-2012-09-09-11-00.html
Die Liste der Unterstützer ist lang, ca. dreißig Gruppen und Verbände.
Folgende Forderungen werden offenbar nicht erhoben:- Straflose Beschneidung von Jungen und Mädchen
- Abbinden von Mädchenfüßen bei chinesischen Familien muß legal sein
- Tattoos für Babies erlauben, wenn die Eltern nachweisen können, daß sie Rocker sind
- Menschenopfer gestatten, wenn die Täter Mexikaner mit aztekischen Wurzeln sind, da es ein jahrtausende alter Brauch ist
Es sollte aber nicht verwundern, wenn sich einzelne Demonstranten mit diesen Forderungen in den Protest einbringen sollten. |
Gibt es da schon eine Gegendemo?
Egal - den Haufen guck ich mir an.... kommt noch jemand?
nv.
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Navigator2 unbefristet gesperrt
Anmeldungsdatum: 12.06.2008 Beiträge: 2546
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(#1781071) Verfasst am: 08.09.2012, 13:12 Titel: Re: DEMO für Religionsfreiheit und Zwangsbeschneidung |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | Ehrlich gesagt, schon das "Plakat" für die Demo (Messer, Schere) löst bei mir eine gewisse Kastrationsangst aus.
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Das lese ich ja jetzt erst auf diesem Plakat ...."für Toleranz und Menschenrechte"...
Hey - ich wußte gar nicht, dass es ein Menschenrecht gibt, Kindern die Vorhaut wegzuschneiden und sie somit genital zu verstümmeln??????????????????
Vor allem sollen die Idioten mir mal erklären, wie sie das mit der Toleranz ihrer Kinder sehen, wenn die ihre Vorhaut behalten wollen - oder ob sie die überhaupt fragen, und sie darüber aufklären, dass ihnen jetzt ein äußertst schmerzhafter und unangenehmer Eingriff bevorsteht, der in lebenslanges Leiden, Infektion, Penisamputation und Tod münden kann....
Ich glaub, diese Demo lass ich mir morgen nicht entgehen...da werd ich dann einige Leute mal fragen müssen, was denn mit dem Menschenrecht von Kindern auf Unverletzlichkeit ihres Körpers ist.
Meine Fresse, was sind die bekloppt....
nv.
Zuletzt bearbeitet von Navigator2 am 08.09.2012, 13:16, insgesamt einmal bearbeitet |
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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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(#1781072) Verfasst am: 08.09.2012, 13:13 Titel: Re: Gleich im Info-Radio (via Internet oder UKW) |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | Gleich, um 12:22 Uhr und nochmal um 18:XY Uhr gibt es im Info-Radio ein Gespräch über das Für und Wider der Beschneidung von Jungen. Allerdings nicht mit den betroffenen Kindern, sondern mit Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte und Dr. Gil Yaron, Arzt und Journalist, Tel Aviv. |
Sehr interessante Sendung. Anhören!
Dr. Hartmann ist für die Möglichkeit der Beschneidung ab dem 14. Lebensjahr (Religionsmündigkeit). Dr. Yaron hat sich ja kürzlich in der FAZ geäußert, er wolle seinen Sohn erst beschneiden lassen, wenn dieser es verlange. Jetzt im Interview hat er durch die Blume gesagt, daß diese Haltung seine Ehe gefährdet habe, weil seine Frau und die Familie seiner Frau zuviel Streß machen. D.h. er wird seinen Sohn doch beschneiden, weil er dem familiären Druck nicht gewachsen ist.
Eine der wichtigsten Aussagen in der Sendung war von Dr. Yaron über den fundamentalen Unterschied zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und großen Teilen der jüdischen und muslimischen Gemeinden. Für die meisten Deutschen ist ein neugeborenes Kind ein Individuum mit unveräußerlichen Rechten. Es gehört sich selbst, nicht den fürsorgepflichtigen Eltern. Für viele Juden und Muslime ist ein Kind aber zuallererst Teil des Judentums bzw. der Umma, es gehört nicht in erster Linie sich selbst, sondern es gehört zur jeweiligen Gemeinschaft.
Dieser Aspekt ist sehr wichtig und er erklärt, warum ein tragfähiger Kompromiss nicht wahrscheinlich ist, sondern die Fronten hart bleiben. Auch Dr. Hartmann glaubt nicht, daß ein Kompromiss möglich ist, weil die Ansichten u.a. zwischen Kinderärzten und organisiertem Judentum zu weit auseinandergehen. Er rechnet mit einer Entscheidung des BVerfG.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22767
Wohnort: Germering
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(#1781074) Verfasst am: 08.09.2012, 13:42 Titel: Re: Gleich im Info-Radio (via Internet oder UKW) |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | Eine der wichtigsten Aussagen in der Sendung war von Dr. Yaron über den fundamentalen Unterschied zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und großen Teilen der jüdischen und muslimischen Gemeinden. Für die meisten Deutschen ist ein neugeborenes Kind ein Individuum mit unveräußerlichen Rechten. Es gehört sich selbst, nicht den fürsorgepflichtigen Eltern. Für viele Juden und Muslime ist ein Kind aber zuallererst Teil des Judentums bzw. der Umma, es gehört nicht in erster Linie sich selbst, sondern es gehört zur jeweiligen Gemeinschaft.
Dieser Aspekt ist sehr wichtig und er erklärt, warum ein tragfähiger Kompromiss nicht wahrscheinlich ist, sondern die Fronten hart bleiben. Auch Dr. Hartmann glaubt nicht, daß ein Kompromiss möglich ist, weil die Ansichten u.a. zwischen Kinderärzten und organisiertem Judentum zu weit auseinandergehen. Er rechnet mit einer Entscheidung des BVerfG. |
Das ist in der Tat ein ganz entscheidender Punkt! Die Argumente gegen Beschneidung basieren letztlich auf der Grundannahme einer individualistisch-freiheitlichen, aufgeklärten und offenen Gesellschaft. Wird dieser Grundwert nicht geteilt, gibt es letztlich keine Diskussionsgrundlage. Diese Situation haben wir übrigens zum Teil auch mit den christlichen Kirchen, sowie mit einigen politischen Ideologien.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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(#1781075) Verfasst am: 08.09.2012, 14:03 Titel: Re: Gleich im Info-Radio (via Internet oder UKW) |
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step hat folgendes geschrieben: | alex6 hat folgendes geschrieben: | Eine der wichtigsten Aussagen in der Sendung war von Dr. Yaron über den fundamentalen Unterschied zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und großen Teilen der jüdischen und muslimischen Gemeinden. Für die meisten Deutschen ist ein neugeborenes Kind ein Individuum mit unveräußerlichen Rechten. Es gehört sich selbst, nicht den fürsorgepflichtigen Eltern. Für viele Juden und Muslime ist ein Kind aber zuallererst Teil des Judentums bzw. der Umma, es gehört nicht in erster Linie sich selbst, sondern es gehört zur jeweiligen Gemeinschaft.
Dieser Aspekt ist sehr wichtig und er erklärt, warum ein tragfähiger Kompromiss nicht wahrscheinlich ist, sondern die Fronten hart bleiben. Auch Dr. Hartmann glaubt nicht, daß ein Kompromiss möglich ist, weil die Ansichten u.a. zwischen Kinderärzten und organisiertem Judentum zu weit auseinandergehen. Er rechnet mit einer Entscheidung des BVerfG. |
Das ist in der Tat ein ganz entscheidender Punkt! Die Argumente gegen Beschneidung basieren letztlich auf der Grundannahme einer individualistisch-freiheitlichen, aufgeklärten und offenen Gesellschaft. Wird dieser Grundwert nicht geteilt, gibt es letztlich keine Diskussionsgrundlage. Diese Situation haben wir übrigens zum Teil auch mit den christlichen Kirchen, sowie mit einigen politischen Ideologien. |
In diesem Zusammenhang: Dr. Hartmann betonte in dem Gespräch, daß das Elternrecht in Deutschland auch in anderer Hinsicht bewußt sinnvoll eingeschränkt ist. Es gibt in Deutschland kein Recht auf "Home Schooling", Kindern von Zeugen Jehovas wird temporär die Vormundschaft entzogen, wenn eine Bluttransfusion erforderlich ist, das Züchtigungsrecht ist ebenfalls abgeschafft.
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krypter unglaublich
Anmeldungsdatum: 29.03.2008 Beiträge: 383
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(#1781077) Verfasst am: 08.09.2012, 14:15 Titel: Re: Gleich im Info-Radio (via Internet oder UKW) |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | Dr. Yaron hat sich ja kürzlich in der FAZ geäußert, er wolle seinen Sohn erst beschneiden lassen, wenn dieser es verlange. Jetzt im Interview hat er durch die Blume gesagt, daß diese Haltung seine Ehe gefährdet habe, weil seine Frau und die Familie seiner Frau zuviel Streß machen. D.h. er wird seinen Sohn doch beschneiden, weil er dem familiären Druck nicht gewachsen ist |
... und zeigt damit schön auf, weshalb sich derartige archaische Riten so lange halten können. Auch ein gutes Argument dafür, die freiwillige Beschneidung erst ab Volljährigkeit zuzulassen, der mögliche familiäre Druck ist für Minderjährige noch viel schlimmer.
Gruß
krypter
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Eifellady Weiße Haifelbestie
Anmeldungsdatum: 19.11.2003 Beiträge: 14403
Wohnort: Wildnis der Eifel
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(#1781079) Verfasst am: 08.09.2012, 15:57 Titel: Re: Gleich im Info-Radio (via Internet oder UKW) |
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krypter hat folgendes geschrieben: | alex6 hat folgendes geschrieben: | Dr. Yaron hat sich ja kürzlich in der FAZ geäußert, er wolle seinen Sohn erst beschneiden lassen, wenn dieser es verlange. Jetzt im Interview hat er durch die Blume gesagt, daß diese Haltung seine Ehe gefährdet habe, weil seine Frau und die Familie seiner Frau zuviel Streß machen. D.h. er wird seinen Sohn doch beschneiden, weil er dem familiären Druck nicht gewachsen ist |
... und zeigt damit schön auf, weshalb sich derartige archaische Riten so lange halten können. Auch ein gutes Argument dafür, die freiwillige Beschneidung erst ab Volljährigkeit zuzulassen, der mögliche familiäre Druck ist für Minderjährige noch viel schlimmer.
Gruß
krypter |
Richtig. Der soziale Druck ist wirklich ein Übel.
_________________ Mein Account bei Facebook
Säkulare Sozialdemokrat_innen
Facebookgruppe der Säkularen Sozialdemokrat_innen
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astarte Foren-Admin
Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46493
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(#1781082) Verfasst am: 08.09.2012, 16:47 Titel: Re: Gleich im Info-Radio (via Internet oder UKW) |
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step hat folgendes geschrieben: | alex6 hat folgendes geschrieben: | Eine der wichtigsten Aussagen in der Sendung war von Dr. Yaron über den fundamentalen Unterschied zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und großen Teilen der jüdischen und muslimischen Gemeinden. Für die meisten Deutschen ist ein neugeborenes Kind ein Individuum mit unveräußerlichen Rechten. Es gehört sich selbst, nicht den fürsorgepflichtigen Eltern. Für viele Juden und Muslime ist ein Kind aber zuallererst Teil des Judentums bzw. der Umma, es gehört nicht in erster Linie sich selbst, sondern es gehört zur jeweiligen Gemeinschaft.
Dieser Aspekt ist sehr wichtig und er erklärt, warum ein tragfähiger Kompromiss nicht wahrscheinlich ist, sondern die Fronten hart bleiben. Auch Dr. Hartmann glaubt nicht, daß ein Kompromiss möglich ist, weil die Ansichten u.a. zwischen Kinderärzten und organisiertem Judentum zu weit auseinandergehen. Er rechnet mit einer Entscheidung des BVerfG. |
Das ist in der Tat ein ganz entscheidender Punkt! Die Argumente gegen Beschneidung basieren letztlich auf der Grundannahme einer individualistisch-freiheitlichen, aufgeklärten und offenen Gesellschaft. Wird dieser Grundwert nicht geteilt, gibt es letztlich keine Diskussionsgrundlage. Diese Situation haben wir übrigens zum Teil auch mit den christlichen Kirchen, sowie mit einigen politischen Ideologien. |
Glaube ich auch. Die Idee, dass Kinder nicht Eigentum der Eltern sind, hat sich auch hier noch nicht lange, dann recht zögerlich und noch lange nicht bei allen Leuten in allem durchgesetzt. Siehe Ohrlöcher, und viele andere Erziehungsfragen oder Erwartungen an die Kinder.
alex6 hat folgendes geschrieben: | In diesem Zusammenhang: Dr. Hartmann betonte in dem Gespräch, daß das Elternrecht in Deutschland auch in anderer Hinsicht bewußt sinnvoll eingeschränkt ist. Es gibt in Deutschland kein Recht auf "Home Schooling", Kindern von Zeugen Jehovas wird temporär die Vormundschaft entzogen, wenn eine Bluttransfusion erforderlich ist, das Züchtigungsrecht ist ebenfalls abgeschafft. |
Genau. Und alle Eltern glauben bzw glaubten, das musste sein, und ist das Beste, und sie lieben ihre Kinder, und üben keine unnötige Gewalt aus.
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vrolijke Bekennender Pantheist
Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46435
Wohnort: Stuttgart
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(#1781083) Verfasst am: 08.09.2012, 16:55 Titel: Re: Gleich im Info-Radio (via Internet oder UKW) |
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astarte hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | alex6 hat folgendes geschrieben: | Eine der wichtigsten Aussagen in der Sendung war von Dr. Yaron über den fundamentalen Unterschied zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und großen Teilen der jüdischen und muslimischen Gemeinden. Für die meisten Deutschen ist ein neugeborenes Kind ein Individuum mit unveräußerlichen Rechten. Es gehört sich selbst, nicht den fürsorgepflichtigen Eltern. Für viele Juden und Muslime ist ein Kind aber zuallererst Teil des Judentums bzw. der Umma, es gehört nicht in erster Linie sich selbst, sondern es gehört zur jeweiligen Gemeinschaft.
Dieser Aspekt ist sehr wichtig und er erklärt, warum ein tragfähiger Kompromiss nicht wahrscheinlich ist, sondern die Fronten hart bleiben. Auch Dr. Hartmann glaubt nicht, daß ein Kompromiss möglich ist, weil die Ansichten u.a. zwischen Kinderärzten und organisiertem Judentum zu weit auseinandergehen. Er rechnet mit einer Entscheidung des BVerfG. |
Das ist in der Tat ein ganz entscheidender Punkt! Die Argumente gegen Beschneidung basieren letztlich auf der Grundannahme einer individualistisch-freiheitlichen, aufgeklärten und offenen Gesellschaft. Wird dieser Grundwert nicht geteilt, gibt es letztlich keine Diskussionsgrundlage. Diese Situation haben wir übrigens zum Teil auch mit den christlichen Kirchen, sowie mit einigen politischen Ideologien. |
Glaube ich auch. Die Idee, dass Kinder nicht Eigentum der Eltern sind, hat sich auch hier noch nicht lange, dann recht zögerlich und noch lange nicht bei allen Leuten in allem durchgesetzt. Siehe Ohrlöcher, und viele andere Erziehungsfragen oder Erwartungen an die Kinder. |
Die meisten wollen doch nur, "dass es den Kindern später mal besser geht", und anderes verlogenes Zeugs.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1781085) Verfasst am: 08.09.2012, 17:06 Titel: Re: Gleich im Info-Radio (via Internet oder UKW) |
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step hat folgendes geschrieben: | alex6 hat folgendes geschrieben: | Eine der wichtigsten Aussagen in der Sendung war von Dr. Yaron über den fundamentalen Unterschied zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und großen Teilen der jüdischen und muslimischen Gemeinden. Für die meisten Deutschen ist ein neugeborenes Kind ein Individuum mit unveräußerlichen Rechten. Es gehört sich selbst, nicht den fürsorgepflichtigen Eltern. Für viele Juden und Muslime ist ein Kind aber zuallererst Teil des Judentums bzw. der Umma, es gehört nicht in erster Linie sich selbst, sondern es gehört zur jeweiligen Gemeinschaft.
Dieser Aspekt ist sehr wichtig und er erklärt, warum ein tragfähiger Kompromiss nicht wahrscheinlich ist, sondern die Fronten hart bleiben. Auch Dr. Hartmann glaubt nicht, daß ein Kompromiss möglich ist, weil die Ansichten u.a. zwischen Kinderärzten und organisiertem Judentum zu weit auseinandergehen. Er rechnet mit einer Entscheidung des BVerfG. |
Das ist in der Tat ein ganz entscheidender Punkt! Die Argumente gegen Beschneidung basieren letztlich auf der Grundannahme einer individualistisch-freiheitlichen, aufgeklärten und offenen Gesellschaft. Wird dieser Grundwert nicht geteilt, gibt es letztlich keine Diskussionsgrundlage. Diese Situation haben wir übrigens zum Teil auch mit den christlichen Kirchen, sowie mit einigen politischen Ideologien. |
Entscheidend aber falsch. Die tolle deutsche Mehrheitsgesellschaft betrachtet Kinder auch nicht in erster Linie als autonome Individuen, sondern als formbare Erziehungsobjekte. Hier mag zwar der Aspekt einer religiösen Gemeinschaft fehlen, in den die Kinder reingezwungen werden sollen, aber dafür finden die meisten Eltern ohne Probleme einen Ersatz...
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22767
Wohnort: Germering
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(#1781087) Verfasst am: 08.09.2012, 17:18 Titel: Re: Gleich im Info-Radio (via Internet oder UKW) |
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Kival hat folgendes geschrieben: | Die tolle deutsche Mehrheitsgesellschaft betrachtet Kinder auch nicht in erster Linie als autonome Individuen, sondern als formbare Erziehungsobjekte. ... |
Ja, in diesem Punkt gibt es auch hier noch viel zu tun. Besonders schlimm finde ich, wenn Eltern die unbestritten vorhandene Formbarkeit des Kindes nicht primär zu dessen Entwicklung zur Selbständigkeit nutzen, sondern - bewußt oder unbewußt - zur Projektion eigener Interessen oder Frustrationen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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hardi registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.07.2008 Beiträge: 179
Wohnort: Lübeck
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(#1781088) Verfasst am: 08.09.2012, 17:30 Titel: Re: Gleich im Info-Radio (via Internet oder UKW) |
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step hat folgendes geschrieben: | Kival hat folgendes geschrieben: | Die tolle deutsche Mehrheitsgesellschaft betrachtet Kinder auch nicht in erster Linie als autonome Individuen, sondern als formbare Erziehungsobjekte. ... |
Ja, in diesem Punkt gibt es auch hier noch viel zu tun. Besonders schlimm finde ich, wenn Eltern die unbestritten vorhandene Formbarkeit des Kindes nicht primär zu dessen Entwicklung zur Selbständigkeit nutzen, sondern - bewußt oder unbewußt - zur Projektion eigener Interessen oder Frustrationen. |
Genau diese Koppelung bringt Christen dazu, sich auf die Seite der Beschneider zu stellen, weil sie befürchten, als nächstes gehts der Taufe an den Kragen. Somit wird ein veröffentlichen solcher Positionen kontraproduktiv wirken.
_________________ und wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein lichtlein her.
Frag nicht nach dem Sinn des Lebens, gib ihm einen!
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esme lebt ohne schützende Gänsefüßchen.
Anmeldungsdatum: 12.06.2005 Beiträge: 5667
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(#1781092) Verfasst am: 08.09.2012, 18:59 Titel: |
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Weil hier so oft der Vergleich mit dem Ohrlochstechen kommt, will ich dazu mal was schreiben.
Ich habe mit 4 Jahren Ohrlöcher gestochen bekommen, was damals allgemein so üblich war.
1) Ich trage seit vielen Jahren keine Ohrringe mehr, man sieht die Löcher kaum, ohne danach zu suchen, sie wachsen aber auch nicht zu.
2) Meine Eltern würden das heute nicht mehr so machen.
3) Ich habe mich zu der Zeit unter der Bettdecke versteckt, wenn Impfungen oder andere Nadeln drohten und bin generell schmerzempfindlich, ich habe mir aber völlig problemlos das zweite Ohrloch stechen lassen. Den Vergleich mit den Schmerzen bei einer Vorhautentfernung empfinde ich daher als völlig daneben. Dasselbe gilt für die möglichen Nebenwirkungen.
4) Zur selben Zeit hat meine Kinderärztin meiner Mutter erklärt, dass mein linkes Ohr ein kleines bißchen mehr absteht als das rechte und dass das unbedingt operiert gehört, weil ich sonst meine Mutter später dafür hassen würde. Meine Mutter hat mich genommen, die Praxis verlassen und Kinderarzt gewechselt. Ich hatte keine weiteren Probleme mit diesem Thema.
5) In meiner Klasse gab es mit 12 nur ein Mädchen ohne Ohrlöcher, die ihre Eltern anflehte, das auch zu haben, da das Tragen von Clips wehtut und alle anderen Mädchen Ohrringe hatten. Ihr Vater verweigerte das, da er auf dem Standpunkt stand, dass der Körper grundsätzlich nicht verändert werden soll und sie daher bis 18 von ihm keine Zustimmung zu derartigen Dingen bekommt.
Es ist schwierig zu sagen, was nun die Moral ist, aber diejenigen hier, die vom Verklagen der Eltern reden, haben keinen Schimmer, wie abwegig das ist, wenn das Verhältnis gut ist und die Eltern halt das gemacht haben, was üblich war.
Weiters ist mir ein unflexibler Standpunkt wie in Punkt 5) auch sehr suspekt, da dem Kind damit jede Entscheidungsfähigkeit abgesprochen wird, die ein Erwachsener hat.
Darüberhinaus geht in dieser Diskussion ständig unter, dass Menschen nicht ein völlig konsistentes Weltbild haben, da sie über die Kollision von Werten manchmal noch nie nachgedacht haben. Vielleicht hätte ich keine Ohrlöcher bekommen, wenn das unmittelbar nach dem Kinderarztereignis diskutiert worden wäre.
Derselbe Effekt, der jetzt in Deutschland auftritt, dass das "Spannungsverhältnis" zwischen dem Gewohnheitsrecht der Beschneidung und den Menschenrechten der Kinder ins Bewußtsein tritt, spielt sich auch im Kopf der einzelnen Menschen ab.
Nur weil ein Jude oder Moslem sein Kind als Teil der Glaubensgemeinschaft sieht, heißt das nicht, dass er mit einer individualistischen freiheitlichen Rechtsordnung nichts am Hut hat. Erst jetzt, wo die Wertekollision thematisiert wird, muss hier überhaupt eine Entscheidung getroffen werden, und das Problem für den Religiösen besteht darin, dass er weder auf seine Grundrechte noch auf seine religiöse Tradition emotional verzichten kann und sich verraten sieht, weil er bisher durch die Rechtspraxis den Eindruck hatte, dass es keinen Widerspruch gibt.
Ich hoffe natürlich schon, dass Deutschland die Menschenrechte des Kindes als wichtiger erachten wird, aber auch, wenn es einen faulen Kompromiß geben wird, sind die langfristigen Auswirkungen dieser Diskussion in den Köpfen der Betroffenen nicht mehr zurückzunehmen.
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astarte Foren-Admin
Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46493
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(#1781100) Verfasst am: 08.09.2012, 19:24 Titel: |
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esme hat folgendes geschrieben: | Weil hier so oft der Vergleich mit dem Ohrlochstechen kommt, will ich dazu mal was schreiben.
Ich habe mit 4 Jahren Ohrlöcher gestochen bekommen, was damals allgemein so üblich war.
1) Ich trage seit vielen Jahren keine Ohrringe mehr, man sieht die Löcher kaum, ohne danach zu suchen, sie wachsen aber auch nicht zu.
2) Meine Eltern würden das heute nicht mehr so machen.
3) Ich habe mich zu der Zeit unter der Bettdecke versteckt, wenn Impfungen oder andere Nadeln drohten und bin generell schmerzempfindlich, ich habe mir aber völlig problemlos das zweite Ohrloch stechen lassen. Den Vergleich mit den Schmerzen bei einer Vorhautentfernung empfinde ich daher als völlig daneben. Dasselbe gilt für die möglichen Nebenwirkungen.
4) Zur selben Zeit hat meine Kinderärztin meiner Mutter erklärt, dass mein linkes Ohr ein kleines bißchen mehr absteht als das rechte und dass das unbedingt operiert gehört, weil ich sonst meine Mutter später dafür hassen würde. Meine Mutter hat mich genommen, die Praxis verlassen und Kinderarzt gewechselt. Ich hatte keine weiteren Probleme mit diesem Thema.
5) In meiner Klasse gab es mit 12 nur ein Mädchen ohne Ohrlöcher, die ihre Eltern anflehte, das auch zu haben, da das Tragen von Clips wehtut und alle anderen Mädchen Ohrringe hatten. Ihr Vater verweigerte das, da er auf dem Standpunkt stand, dass der Körper grundsätzlich nicht verändert werden soll und sie daher bis 18 von ihm keine Zustimmung zu derartigen Dingen bekommt.
Es ist schwierig zu sagen, was nun die Moral ist, aber diejenigen hier, die vom Verklagen der Eltern reden, haben keinen Schimmer, wie abwegig das ist, wenn das Verhältnis gut ist und die Eltern halt das gemacht haben, was üblich war.
Weiters ist mir ein unflexibler Standpunkt wie in Punkt 5) auch sehr suspekt, da dem Kind damit jede Entscheidungsfähigkeit abgesprochen wird, die ein Erwachsener hat.
Darüberhinaus geht in dieser Diskussion ständig unter, dass Menschen nicht ein völlig konsistentes Weltbild haben, da sie über die Kollision von Werten manchmal noch nie nachgedacht haben. Vielleicht hätte ich keine Ohrlöcher bekommen, wenn das unmittelbar nach dem Kinderarztereignis diskutiert worden wäre.
Derselbe Effekt, der jetzt in Deutschland auftritt, dass das "Spannungsverhältnis" zwischen dem Gewohnheitsrecht der Beschneidung und den Menschenrechten der Kinder ins Bewußtsein tritt, spielt sich auch im Kopf der einzelnen Menschen ab.
Nur weil ein Jude oder Moslem sein Kind als Teil der Glaubensgemeinschaft sieht, heißt das nicht, dass er mit einer individualistischen freiheitlichen Rechtsordnung nichts am Hut hat. Erst jetzt, wo die Wertekollision thematisiert wird, muss hier überhaupt eine Entscheidung getroffen werden, und das Problem für den Religiösen besteht darin, dass er weder auf seine Grundrechte noch auf seine religiöse Tradition emotional verzichten kann und sich verraten sieht, weil er bisher durch die Rechtspraxis den Eindruck hatte, dass es keinen Widerspruch gibt.
Ich hoffe natürlich schon, dass Deutschland die Menschenrechte des Kindes als wichtiger erachten wird, aber auch, wenn es einen faulen Kompromiß geben wird, sind die langfristigen Auswirkungen dieser Diskussion in den Köpfen der Betroffenen nicht mehr zurückzunehmen. | '
Wichtige Gedankengänge. Wieder ein sehr guter Beitrag!
Zu 3) den Ohrlöchern habe ich hier schon mal was gesagt: http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1769432#1769432
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#1781107) Verfasst am: 08.09.2012, 19:55 Titel: |
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Ich war im Frühjahr dabei, als meine Nichte (10 Jahre alt) Ohrlöcher bekommen hat, weil sie sie unbedingt wollte. Es hat wohl ein bisschen gezwickt, aber besonders weh getan hat es nicht, sagte sie. Weil sie im Urlaub vergessen hatte regelmässig Ohrringe zu tragen, sind die Löcher inzwischen wieder zugewachsen. Sie möchte neue haben.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22767
Wohnort: Germering
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(#1781120) Verfasst am: 08.09.2012, 20:38 Titel: |
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esme hat folgendes geschrieben: | 5) In meiner Klasse gab es mit 12 nur ein Mädchen ohne Ohrlöcher ... |
Ja, Minderheit sein ist hart, selbst wenn man nur modische Minderheit ist. Es gibt auch Klassen, wo nur ein Mädchen kein iPhone hat. Ich finde es toll, wenn Kinder so selbstbewußt erzogen werden, daß sie nicht so heftig an Moden und Mainstream hängen. Aber deswegen meinem Kind Leid bereiten würde ich auch nicht wollen.
esme hat folgendes geschrieben: | Weiters ist mir ein unflexibler Standpunkt wie in Punkt 5) auch sehr suspekt, da dem Kind damit jede Entscheidungsfähigkeit abgesprochen wird, die ein Erwachsener hat. |
Sehe ich ähnlich.
esme hat folgendes geschrieben: | Nur weil ein Jude oder Moslem sein Kind als Teil der Glaubensgemeinschaft sieht, heißt das nicht, dass er mit einer individualistischen freiheitlichen Rechtsordnung nichts am Hut hat. Erst jetzt, wo die Wertekollision thematisiert wird, muss hier überhaupt eine Entscheidung getroffen werden, ... |
Das sehe ich allerdings anders. Er muß nur deshalb bisher keine Entscheidung treffen, weil er diesen Konflikt einfach verdrängen / ignorieren kann, solange es kein Gerichtsurteil gibt. Ethisch betrachtet würde ich aber erwarten, daß er ganz unabhängig von der Strafbewehrtheit diesen Konflikt sieht und sich im Zweifel für die Grundwerte und gegen die Tradition entscheidet. Auch bei meinen eigenen Traditionen sehe ich das so.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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(#1781122) Verfasst am: 08.09.2012, 20:48 Titel: Re: DEMO für Religionsfreiheit und Zwangsbeschneidung |
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Navigator2 hat folgendes geschrieben: | Ich glaub, diese Demo lass ich mir morgen nicht entgehen... |
Wenn ich rechtzeitig aufwache gehe ich vielleicht auch um 11 Uhr zum August-Bebel-Platz um mir das mal anzusehen.
Ich finde es ja gut, daß diese Auseinandersetzung stattfindet und dazu gehört auch, daß alle ihre Meinung kundtun können, gerne auch in Form einer Demo. Zumal ich mit den gleichen Leuten gemeinsam demonstrieren würde, wenn es zum Beispiel um Antisemitismus bzw. Islamfeindlichkeit ginge.
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astarte Foren-Admin
Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46493
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(#1781124) Verfasst am: 08.09.2012, 21:12 Titel: |
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Kramer hat folgendes geschrieben: |
Ich war im Frühjahr dabei, als meine Nichte (10 Jahre alt) Ohrlöcher bekommen hat, weil sie sie unbedingt wollte. Es hat wohl ein bisschen gezwickt, aber besonders weh getan hat es nicht, sagte sie. Weil sie im Urlaub vergessen hatte regelmässig Ohrringe zu tragen, sind die Löcher inzwischen wieder zugewachsen. Sie möchte neue haben. |
Ich war 13 als ich welche wollte, meine Tochter war 9. (edit: wie meine Kinder ihre Haare tragen wollten, haben sie schon früher bestimmt)
Das Ohrläppchen ist übrigens im Gegensatz zu genitalen Vorhäuten kein besonders empfindliches Gewebe, weswegen man dort oft Blutstropfen für Untersuchungen entnimmt.
Soviel ich weiß wachsen die aber nicht mehr vollständig zu, jedenfalls nicht, wenn sie mal verheilt waren. Sie ziehen sich aber so zusammen, dass man sie kaum oder gar nicht mehr sieht, wenn man länger keine Ohrringe trägt. Und vor allem bekommt man keine dickeren oder gar keine Ohrringe mehr durch.
Ab 7 Jahren gelten Kinder bei uns als eingeschränkt geschäftsfähig. Ich denke ab ca. diesem Alter kann man auch zustimmen oder ablehnen, ob man Ohrringe will. Natürlich sind Kinder beeinflussbar, aber da die Risiken und Folgen eines Loches im Ohrläppchen nicht gravierend sind, die einer Vorhautentfernung aber schon, und der soziale Druck nicht so hoch ist, die Kinder zu bewegen, das machen zu lassen, sehe ich da auch kein so großes Problem wie bei Vorhautbeschneidung.
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Die Fiktion unsanft
Anmeldungsdatum: 15.02.2009 Beiträge: 2022
Wohnort: Düsseldorf
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(#1781146) Verfasst am: 08.09.2012, 23:31 Titel: |
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Ohrlöcher und Vorhäute,
.....meine Zirkumzision hat nicht bloß ``gezwickt´´.
Ich hatte sie mit 16, als medizinische Notwendigkeit.
Vielleicht bin ich ja nen Weichei, aber ich empfand sie als äußerst schmerzhaft.
Trotz Narkose und 7 Tage im Krankenhaus.
,,,aber vielleicht sind Babys da wesentlich härter als ich.
Eigentlich sind mir Gläubige recht egal, aber wenn Körperverletzungen an Kindern dazu kommt, dann werden sie mir wirklich unsympathisch.
Ich hörte von Vergleichen mit der christlichen Taufe.
Mit 16 war das Wasser trocken und mir der Weg frei, diesen Glauben zu verlassen.
.....kriegen Juden und Moslems ihre Vorhaut zurück, wenn der Mensch den Glauben nicht möchte ??
Nonsens, geboren in menschlichen Köpfen.
Unsere Gesetzgebung wird sich beugen.
2012, Menschen waren auf dem Mond, Sonden auf dem Mars.
.....erstaunlich, das wir keine Hexen mehr verbrennen.
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astarte Foren-Admin
Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46493
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#1781151) Verfasst am: 09.09.2012, 00:45 Titel: |
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Ich finde die Debatte darüber, ob Babys sich an Schmerzen erinnern können ein wenig befremdlich. Als wäre Schmerz nur dann relevant, wenn man sich später an ihn erinnern kann. Dann kann man sich auch schmerzlindernde Therapien bei Sterbenden sparen, weil eine spätere Traumatisierung nicht befürchtet werden muss.
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