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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1819000) Verfasst am: 23.02.2013, 12:11 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Worauf die Aufklärung beruht, nämlich auf der Vorstellung von der Sinnhaftigkeit, den Verstand zu gebrauchen, damit die besseren Gründe und nicht Willkür gelten möge, als "gute Sache" abzutun, kann ich schwer nachvollziehen. |
- bei der Formulierung "als 'gute Sache' abzutun" muß ich schon schwer schlucken. Bin halt nicht so der pathetishe Typ bei diesen Themen und bevorzuge daher auch bei positiven Dingen zurückhaltende Formulierungen.
- zudem ist ja relativ unumstritten, daß der Gebrauch des Verstandes beim fundierten Urteilen hilft. Strittig ist nmV eher, ob das rationale Abwägen per se zu einer konvergenten und insofern quasi-absoluten Moral führt, oder ob dies keineswegs der Fall ist. Letzteres ist - bis auf weiteres - meine Position.
zelig hat folgendes geschrieben: | Man muss meiner Meinung nach keinen Konsens darüber haben, welcher Natur eigentlich der Austausch von Argumenten ist, und kann dennoch über seine fundamentale Bedeutung für so ziemlich alles, was in unserer Gesellschaft geregelt wird, einig sein. Kurz gesagt, ich verstehe die Geringschätzung nicht, und ich hielte sie, falls sie Verbreitung fände, für eine Gefahr für eine aufgeklärte Gesellschaft. |
Ich empfinde keinerlei Geringschätzung in bezug auf den Nutzen des Argumentenaustauschs. Es scheint mir jedoch zuweilen, daß der Hinweis darauf, daß dieser Austausch keineswegs das Problem widersprechender Interessen und damit widersprechender Moralsysteme löst, als Geringschätzung interpretiert wird.
zelig hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich denke, das Entscheidende ist, sich auf gemeinsame Präferenzen zu einigen. | Wie soll die Einigung erfolgen? Mit welcher Methode? Hast Du den -friedlichen, da im Diskurs stattfindenden- Einigungsprozess nicht gerade abgewertet? |
Nein. Nicht in seiner Eignung zur Kompromissfindung zwischen Präferenzen.
zelig hat folgendes geschrieben: | Doch, der Prozess, den es bedeutet, diese Dinge auszuhandeln anstatt zu verordnen oder mit Gewalt durchzusetzen, und sie begründen zu müssen, stellt eine prinzipielle Verbesserung dar. |
Ja selbstverständlich. Aber man sollte sich ehrlicherweise bewußt sein, daß eine so entstandene Ethik eben nur ausgehandelt ist. Ihre Rückbindung ist rein methodischer Natur - Aufklärung besteht auch darin, dies anzuerkennen und auf eine "religio" (auch eine weltliche) zu verzichten. |
OK. Das finde ich jetzt irgendwie wichtig. Wir sind uns über den Wert der Methode, über ihre Unverzichtbarkeit, einig. Wir sind uns darin einig, daß es nur um eine ausgehandelte Ethik gehen kann, und daß diese Vorrang vor der "religio" hat. Solange wir uns darin einig sind, spielt der Dissenz in der Frage, welcher Natur eigentlich das ist, was da stattfindet, eine nachrangige Rolle. Und daher kann diese Frage auch nur einen nachrangigen Einfluss auf den Prozess selber haben. Das ist jedenfalls meine Auffassung. Und ich habe regelmäßig den Eindruck in Diskussionen mit Naturalisten, daß letztere Conclusio verworfen wird.
[In einer praktischen Ethik unter extremen Randbedingungen würde ich übrigens möglicherweise obigen Standpunkt nicht vertreten. Aber das möchte ich im Moment aussen vor lassen.]
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819015) Verfasst am: 23.02.2013, 12:37 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | OK. Das finde ich jetzt irgendwie wichtig. Wir sind uns über den Wert der Methode, über ihre Unverzichtbarkeit, einig. Wir sind uns darin einig, daß es nur um eine ausgehandelte Ethik gehen kann, und daß diese Vorrang vor der "religio" hat. Solange wir uns darin einig sind, spielt der Dissenz in der Frage, welcher Natur eigentlich das ist, was da stattfindet, eine nachrangige Rolle. Und daher kann diese Frage auch nur einen nachrangigen Einfluss auf den Prozess selber haben. Das ist jedenfalls meine Auffassung. Und ich habe regelmäßig den Eindruck in Diskussionen mit Naturalisten, daß letztere Conclusio verworfen wird. |
Vielleicht kommt dieser Eindruck daher, daß letztere "Conclusio" nur unter weiteren Voraussetzungen bzw. in erster Näherung gültig ist - was der Naturalist erkennt: Nämlich nur, wenn man die Präferenzen als etwas Gegebenes annimmt. Wenn man aber genauer hinschaut, sind die Präferenzen selbst eine Variable im System, denn ...
- das Wollen folgt dem Sein (Lebensumstände, Erziehung usw.)
- Präferenzen können aktiv verändert/gebildet werden (z.B. Therapien, Erziehung, Werbung ...)
Vielleicht meinst Du aber etwas ganz anderes, z.B. naturalistische Fehlschlüsse? Die sind allerdings kein Markenzeichen von Naturalisten, auch wenn sie in der Tat leider hin und wieder zu lesen sind. Nach dem Motto: "Die Frau soll Kinder gebären, denn die Evolution hat das so eingerichtet." So etwas ist natürlich kompletter logischer Unsinn.
Ich habe allerdings im Gegenteil oft den Eindruck, daß es Leuten mit "religio" sehr schwer fällt, dieses "Ausgehandelte Ethik hat Vorrang vor der religio" zu akzeptieren. Schließlich berührt das ja (meist) Fundamente der jeweiligen religio und gefährdet so die Statik des gesamten Sinngebungssystems.
zelig hat folgendes geschrieben: | [In einer praktischen Ethik unter extremen Randbedingungen würde ich übrigens möglicherweise obigen Standpunkt nicht vertreten. Aber das möchte ich im Moment aussen vor lassen.] |
Unter extremen Randbedingungen ist Ethik nicht möglich, da Ethik erfordert, daß man Zeit, Freiheit, Kompromißbereitschaft und Diskursmöglichkeiten hat. Unter extremen Bedingungen ist allenfalls individuelle Moral möglich, wobei ich unter "individueller Moral" hier ganz neutral das konsequente Handeln gemäß persönlichen Wertmaßstäben verstehe.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44685
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(#1819016) Verfasst am: 23.02.2013, 12:39 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Unter extremen Randbedingungen ist Ethik nicht möglich |
Ou...
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1819042) Verfasst am: 23.02.2013, 13:29 Titel: Hauptsache ausgehandelt? |
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step hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | OK. Das finde ich jetzt irgendwie wichtig. Wir sind uns über den Wert der Methode, über ihre Unverzichtbarkeit, einig. Wir sind uns darin einig, daß es nur um eine ausgehandelte Ethik gehen kann, und daß diese Vorrang vor der "religio" hat. Solange wir uns darin einig sind, spielt der Dissenz in der Frage, welcher Natur eigentlich das ist, was da stattfindet, eine nachrangige Rolle. Und daher kann diese Frage auch nur einen nachrangigen Einfluss auf den Prozess selber haben. Das ist jedenfalls meine Auffassung. Und ich habe regelmäßig den Eindruck in Diskussionen mit Naturalisten, daß letztere Conclusio verworfen wird. |
Vielleicht kommt dieser Eindruck daher, daß letztere "Conclusio" nur unter weiteren Voraussetzungen bzw. in erster Näherung gültig ist - was der Naturalist erkennt: Nämlich nur, wenn man die Präferenzen als etwas Gegebenes annimmt. Wenn man aber genauer hinschaut, sind die Präferenzen selbst eine Variable im System, denn ...
- das Wollen folgt dem Sein (Lebensumstände, Erziehung usw.)
- Präferenzen können aktiv verändert/gebildet werden (z.B. Therapien, Erziehung, Werbung ...)
Vielleicht meinst Du aber etwas ganz anderes, z.B. naturalistische Fehlschlüsse? Die sind allerdings kein Markenzeichen von Naturalisten, auch wenn sie in der Tat leider hin und wieder zu lesen sind. Nach dem Motto: "Die Frau soll Kinder gebären, denn die Evolution hat das so eingerichtet." So etwas ist natürlich kompletter logischer Unsinn.
Ich habe allerdings im Gegenteil oft den Eindruck, daß es Leuten mit "religio" sehr schwer fällt, dieses "Ausgehandelte Ethik hat Vorrang vor der religio" zu akzeptieren. Schließlich berührt das ja (meist) Fundamente der jeweiligen religio und gefährdet so die Statik des gesamten Sinngebungssystems.
zelig hat folgendes geschrieben: | [In einer praktischen Ethik unter extremen Randbedingungen würde ich übrigens möglicherweise obigen Standpunkt nicht vertreten. Aber das möchte ich im Moment aussen vor lassen.] |
Unter extremen Randbedingungen ist Ethik nicht möglich, da Ethik erfordert, daß man Zeit, Freiheit, Kompromißbereitschaft und Diskursmöglichkeiten hat. Unter extremen Bedingungen ist allenfalls individuelle Moral möglich, wobei ich unter "individueller Moral" hier ganz neutral das konsequente Handeln gemäß persönlichen Wertmaßstäben verstehe. |
Und der Inhalt des Ausgehandelten spielt keine Rolle? Hauptsache eine Gruppe ist sich einig?
Damit - mit deiner "ausgehandelten Ethik" - kannst du jede Verbrechermoral heiligen.
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#1819052) Verfasst am: 23.02.2013, 14:00 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Unter extremen Randbedingungen ist Ethik nicht möglich | Ou... | Ah, Notstandsgesetze. Carl Schmitt. Wusst' ich's doch ...- |
Äh - wie bitte? Was dachtest Du, daß Du wüßtest?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819056) Verfasst am: 23.02.2013, 14:09 Titel: Re: Hauptsache ausgehandelt? |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Und der Inhalt des Ausgehandelten spielt keine Rolle? |
Wie meinen? Der Inhalt ist das Wesentliche, denn er soll ja gerade die Präferenzen der Beteiligten widerspiegeln. Aber anders als bei Deinem Modell soll der Inhalt eben nicht ideologisch von Dir (oder dem Papst) vorgegeben werden.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Hauptsache eine Gruppe ist sich einig? |
Das ist die Hauptsache für die Methode. Die Methode soll dazu führen, daß - um mal mit einem Deiner Begriffe zu operieren - die geäußerten Bedürfnisse der aufgeklärten Gruppenmitglieder möglichst gleichgewichtet einfließen, daß es also zu einer Art reflektiertem Optimierungsprozeß kommt. Das Ergebnis ist nicht unbedingt voraussagbar.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Damit - mit deiner "ausgehandelten Ethik" - kannst du jede Verbrechermoral heiligen. |
Letztlich ja, wenn die Gruppe merheiltich aus "Verbrechern" besteht ... bedenke aber, daß sich eine Verbrechermoral viel leichter durch eine Ideologie heiligen läßt, wenn ihre Festlegung nur von einigen Klerikern oder einem Zentralkommitee abhängt.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
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(#1819072) Verfasst am: 23.02.2013, 14:41 Titel: Re: Hauptsache ausgehandelt? |
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step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Und der Inhalt des Ausgehandelten spielt keine Rolle? |
Wie meinen? Der Inhalt ist das Wesentliche, denn er soll ja gerade die Präferenzen der Beteiligten widerspiegeln. Aber anders als bei Deinem Modell soll der Inhalt eben nicht ideologisch von Dir (oder dem Papst) vorgegeben werden.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Hauptsache eine Gruppe ist sich einig? |
Das ist die Hauptsache für die Methode. Die Methode soll dazu führen, daß - um mal mit einem Deiner Begriffe zu operieren - die geäußerten Bedürfnisse der aufgeklärten Gruppenmitglieder möglichst gleichgewichtet einfließen, daß es also zu einer Art reflektiertem Optimierungsprozeß kommt. Das Ergebnis ist nicht unbedingt voraussagbar.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Damit - mit deiner "ausgehandelten Ethik" - kannst du jede Verbrechermoral heiligen. |
Letztlich ja, wenn die Gruppe merheiltich aus "Verbrechern" besteht ... bedenke aber, daß sich eine Verbrechermoral viel leichter durch eine Ideologie heiligen läßt, wenn ihre Festlegung nur von einigen Klerikern oder einem Zentralkommitee abhängt. |
Ach so, und da ich jetzt weg muss, hier noch kurz ein paar wichtige Anmerkungen von anderen Autoren:
Zitat: | Gerhard Schönrich weist darauf hin, dass das Universalisierungsprinzip der Diskursethik keinen Ansatz zur Konfliktlösung bietet, wenn ein grundsätzlicher Dissens besteht. „Wenn die Zustimmung zur Nebenfolge nicht gegeben werden kann, dann ist sie der inneren Logik des Universalisierungsprinzips (U) zufolge der Norm insgesamt zu versagen.“ [103] Der Grund liegt in der auch von der Diskursethik anerkannten Selbstgesetzgebung des Menschen. Eine Norm ist nur universal, wenn der einzelne ungehindert seine Stellungnahme vertreten kann.[104] Damit besteht auch die Möglichkeit, sich der gemeinsamen Lösung zu entziehen. (...)
Jean-François Lyotard stellt zur Diskursethik kommentierend fest: „Der Konsens ist ein veralteter und suspekter Wert geworden. Ganz anders die Gerechtigkeit. Man muß daher zu einer Idee und Praxis der Gerechtigkeit gelangen, die nicht an jene des Konsenses gebunden ist.“
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Diskursethik&oldid=112710948
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819102) Verfasst am: 23.02.2013, 16:10 Titel: Re: Hauptsache ausgehandelt? |
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Zitat: | Gerhard Schönrich weist darauf hin, dass das Universalisierungsprinzip der Diskursethik keinen Ansatz zur Konfliktlösung bietet, wenn ein grundsätzlicher Dissens besteht. |
Das ist richtig, meine Rede. Deswegen ist die Diskursethik eigentlich überhaupt kein ethisches Universalisierungsprinzip, sondern nur ein methodisches Universalisierungsprinzip. Das macht sie aber nicht schlecht, man muß sich nur darüber im Klaren sein.
Zitat: | Eine Norm ist nur universal, wenn der einzelne ungehindert seine Stellungnahme vertreten kann.[104] Damit besteht auch die Möglichkeit, sich der gemeinsamen Lösung zu entziehen. (...) |
Da ist mir nicht ganz klar, was gemeint ist. Stellungnahme = Entziehung? Zudem gibt es die Möglichkeit der Entziehung grundsätzlich in jedem moralischem System, außer bei vollständiger Kontrolle. Ich denke, ein häufiger Fehler liegt in der Annahme, ein auf Diskursethik basierendes Moralsystem sei anfälliger für Übertretungen. Ich halte diese Annahme für falsch.
Zitat: | Jean-François Lyotard stellt zur Diskursethik kommentierend fest: „Der Konsens ist ein veralteter und suspekter Wert geworden. Ganz anders die Gerechtigkeit. Man muß daher zu einer Idee und Praxis der Gerechtigkeit gelangen, die nicht an jene des Konsenses gebunden ist.“ |
Da habe ich aber doch erhebliche Bedenken. "Die Gerechtigkeit" - wer legt die fest? Letztlich rekurriert das wieder auf Interessen und Bedürfnisse und damit auf deren Diskurs bzw. Konsens.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1819114) Verfasst am: 23.02.2013, 16:28 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | [...]- das Wollen folgt dem Sein (Lebensumstände, Erziehung usw.) |
... Und das Sein folgt dem Wollen.
step hat folgendes geschrieben: |
Ich habe allerdings im Gegenteil oft den Eindruck, daß es Leuten mit "religio" sehr schwer fällt, dieses "Ausgehandelte Ethik hat Vorrang vor der religio" zu akzeptieren. Schließlich berührt das ja (meist) Fundamente der jeweiligen religio und gefährdet so die Statik des gesamten Sinngebungssystems. |
Da die Religion sich jedoch nach Deiner Analyse schon seit Jahren auf einem Rückzugsgefecht befindet, nimmt dieser Einfluß wohl ab, und wir könnten unser Augenmerk verstärkt auf den zunehmenden Einfluß naturalistisch gefärbter Schwächung zuwenden. Oder anders und exemplarisch gesprochen: Das eine soll meine Baustelle sein, das andere Deine.
step hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | [In einer praktischen Ethik unter extremen Randbedingungen würde ich übrigens möglicherweise obigen Standpunkt nicht vertreten. Aber das möchte ich im Moment aussen vor lassen.] |
Unter extremen Randbedingungen ist Ethik nicht möglich, da Ethik erfordert, daß man Zeit, Freiheit, Kompromißbereitschaft und Diskursmöglichkeiten hat. Unter extremen Bedingungen ist allenfalls individuelle Moral möglich, wobei ich unter "individueller Moral" hier ganz neutral das konsequente Handeln gemäß persönlichen Wertmaßstäben verstehe. |
Ich lese gerade Primo Levis "Ist das ein Mensch?". Ich stehe gerade unter dem Einfluß dieses Buches. Und ich weiß nicht, aber bin der Auffassung, wenn es keine Möglichkeit gibt in einem diskursiven Verfahren einen erniedrigenden und grausamen Umgang untereinander als ethisches Prinzip auszuschließen, dann müsste doch immer die von Höhlenbär genannte Menschlichkeit als unverzichtbares, nicht zu relativierendes Grundprinzip postuliert werden. Das war eigentlich der Punkt, an dem ich eingehakt habe, da man Beiträge hier im Thread als Argumentation lesen konnte, die die Rechfertigungsversuche von Eichmann beispielsweise gestützt hätte. Ich mag einfach nicht glauben, daß schlichtweg jedes moralische Prinzip zur Disposition steht.
edit: satz vervollständigt
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819116) Verfasst am: 23.02.2013, 16:49 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | [...]- das Wollen folgt dem Sein (Lebensumstände, Erziehung usw.) | ... Und das Sein folgt dem Wollen. |
Yep, auch das.
zelig hat folgendes geschrieben: | Da die Religion sich jedoch nach Deiner Analyse schon seit Jahren auf einem Rückzugsgefecht befindet, nimmt dieser Einfluß wohl ab, ... |
Ja, jedenfalls hierzulande.
zelig hat folgendes geschrieben: | ... und wir könnten unser Augenmerk verstärkt auf den zunehmenden Einfluß naturalistisch gefärbter ... |
Da sehe ich keine Symmetrie. Ich würde mein Augenmerk sowieso nicht nur auf Religionen, sondern auf alle Ideologien richten. Also alle Sinngebungssysteme, die unkritisierbare Prämissen vertreten, die gleichzeitig Auswirkungen auf die Moral haben sollen. Da sehe ich nicht in erster Linie den Naturalismus. Auch wenn sich vielleicht ein sagen wir rassistischer Ideologe durchaus auch als Naturalist bezeichnen könnte.
zelig hat folgendes geschrieben: | ... ich weiß nicht, aber bin der Auffassung, wenn es keine Möglichkeit gibt in einem diskursiven Verfahren einen erniedrigenden und grausamen Umgang untereinander als ethisches Prinzip auszuschließen, dann müsste doch immer die von Höhlenbär genannte Menschlichkeit als unverzichtbares, nicht zu relativierendes Grundprinzip postuliert werden. |
Klingt im ersten Moment nachvollziehbar, doch vermutlich nur deshalb, weil es in Wirklichkeit einen (mglw. unausgesprochenen) Konsens zwischen uns bzgl. dieses Punktes bereits gibt. Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits wäre, daß "Menschlichkeit" nicht wirklich ein ausreichendes Kriterium ist. Vielleicht verstehst Du sogar etwas Anderes darunter als ich. In Situationen, in denen es etwa um die Frage geht, ob sich ein Individuum aufgrund seiner persönlichen Moral gegen das Recht stellt, oder sich für jemanden opfert, oder eine Abtreibung verweigert/vornimmt, ist es unklar, was "Menschlichkeit" hier bedeutet. Es ist selbst Objekt des Diskurses bzw. Definitionsgegenstand der faktischen Moral.
zelig hat folgendes geschrieben: | Das war eigentlich der Punkt, an dem ich eingehakt habe, da man Beiträge hier im Thread als Argumentation lesen konnte, die die Rechfertigungsversuche von Eichmann beispielsweise gestützt hätte. Ich mag einfach nicht glauben, daß schlichtweg jedes moralische Prinzip zur Disposition steht. |
Und ich meine, daß es doch so ist, ob es uns nun gefällt oder nicht. Ich meine, wir müssen damit leben und das beste draus machen - es ist eine Bürde des aufgeklärten Menschen.
Du kennst ja auch meine Haltung zur Schuldfrage. Insofern sehe ich das mit Eichmann so: Für unsere heutige Bewertung der Wünschbarkeit solcher Handlungen ist es irrelevant, ob er selbst das Gefühl hatte, konform mit einem moralischen Mainstream oder mit dem geltenden Recht zu handeln, oder /und ob er dieses Gefühl zurecht hatte. Es wäre nur von Interesse, wenn man vor allem an der Schuldfrage interessiert ist, und das bin ich nicht, auch wenn das in diesem Fall sehr hart klingen mag.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1819186) Verfasst am: 23.02.2013, 21:43 Titel: Re: Hauptsache ausgehandelt? |
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step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Und der Inhalt des Ausgehandelten spielt keine Rolle? |
Wie meinen? Der Inhalt ist das Wesentliche, denn er soll ja gerade die Präferenzen der Beteiligten widerspiegeln. |
Und der Inhalt der Präferenzen spielt keine Rolle? Hauptsache irgend welche Päferenzen?
step hat folgendes geschrieben: | Aber anders als bei Deinem Modell soll der Inhalt eben nicht ideologisch von Dir (oder dem Papst) vorgegeben werden. |
Was ist denn mein "Modell"?
step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Hauptsache eine Gruppe ist sich einig? |
Das ist die Hauptsache für die Methode. Die Methode soll dazu führen, daß - um mal mit einem Deiner Begriffe zu operieren - die geäußerten Bedürfnisse der aufgeklärten Gruppenmitglieder möglichst gleichgewichtet einfließen, daß es also zu einer Art reflektiertem Optimierungsprozeß kommt. Das Ergebnis ist nicht unbedingt voraussagbar. |
Also ein Mischmasch von irgend was. Die Frage ist aber doch, was das mit Moral zu tun hat, wenn nur irgend welche people einen Konsens über irgend was miteinander schließen. Ist Moral denn irgend was?
step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Damit - mit deiner "ausgehandelten Ethik" - kannst du jede Verbrechermoral heiligen. |
Letztlich ja, wenn die Gruppe merheiltich aus "Verbrechern" besteht |
Zum Beispiel. Das ist aber noch nicht einmal notwendig. Es wäre auch denkbar, dass sich eine Gruppe auf der Grundlage inhumaner Prinzipien einigt, welche gar nicht so von den einzelnen vertreten werden. Auch Nicht-Verbrecher können so eine in ihren Auswirkungen verbrecherische Ethik generieren.
step hat folgendes geschrieben: | ... bedenke aber, daß sich eine Verbrechermoral viel leichter durch eine Ideologie heiligen läßt, wenn ihre Festlegung nur von einigen Klerikern oder einem Zentralkommitee abhängt. |
Was hast du immer mit Zentralkommitees? Das ist doch nur eine Organisationsform kommunistischer Organisationen. Was darin an Inhalten vertreten wird, ist eine ganz andere Frage. Oder meinst du, Kommunisten neigen eher zu Verbrechen als bürgerliche Hansels?
Und was verstehst du unter Ideologie? Kleriker haben eine. Aber Kommunisten?
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step hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Gerhard Schönrich weist darauf hin, dass das Universalisierungsprinzip der Diskursethik keinen Ansatz zur Konfliktlösung bietet, wenn ein grundsätzlicher Dissens besteht. |
Das ist richtig, meine Rede. Deswegen ist die Diskursethik eigentlich überhaupt kein ethisches Universalisierungsprinzip, sondern nur ein methodisches Universalisierungsprinzip. Das macht sie aber nicht schlecht, man muß sich nur darüber im Klaren sein. |
Untauglich, aber nicht schlecht, oder wie?
Sobald antagonistische Widersprüche vorhanden sind, ist ein Diskurs ungeeignet, diese einer Lösung näher zu bringen, weil die Ebene hier eine ganz andere - nicht-argumentative und interessenbestimmte - ist.
step hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Eine Norm ist nur universal, wenn der einzelne ungehindert seine Stellungnahme vertreten kann.[104] Damit besteht auch die Möglichkeit, sich der gemeinsamen Lösung zu entziehen. (...) |
Da ist mir nicht ganz klar, was gemeint ist. Stellungnahme = Entziehung? Zudem gibt es die Möglichkeit der Entziehung grundsätzlich in jedem moralischem System, außer bei vollständiger Kontrolle. Ich denke, ein häufiger Fehler liegt in der Annahme, ein auf Diskursethik basierendes Moralsystem sei anfälliger für Übertretungen. Ich halte diese Annahme für falsch. |
Na, das ist doch eigentlich klar, wie das gemeint ist. Ein ethischer Diskurs ist nur dann frei und gleichberechtigt, wenn jeder Teilnehmer sich dem gemeinsamen Konsens verweigern kann (ohne durch dieses sich-entziehen als solches Nachteile zu erleiden).
Das heisst: die Frage ist nicht, wie der gemeinsame Konsens aussieht, sondern ob es überhaupt einen gibt.
step hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Jean-François Lyotard stellt zur Diskursethik kommentierend fest: „Der Konsens ist ein veralteter und suspekter Wert geworden. Ganz anders die Gerechtigkeit. Man muß daher zu einer Idee und Praxis der Gerechtigkeit gelangen, die nicht an jene des Konsenses gebunden ist.“ |
Da habe ich aber doch erhebliche Bedenken. "Die Gerechtigkeit" - wer legt die fest? Letztlich rekurriert das wieder auf Interessen und Bedürfnisse und damit auf deren Diskurs bzw. Konsens. |
Ich muss hier einmal zelig zustimmen. Die menschlichen Bedürfnisse, ohne die Gerechtigkeit nicht zu denken ist, können nicht beliebig zur Disposition stehen - auch nicht durch einen einen noch so gepflegten ethischen Diskurs. (Und ich glaube auch nicht, dass erst mal jemand hingehen muss, um jene Bedürfnisse festzulegen.) ...-!
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1819192) Verfasst am: 23.02.2013, 22:50 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
zelig hat folgendes geschrieben: | Das war eigentlich der Punkt, an dem ich eingehakt habe, da man Beiträge hier im Thread als Argumentation lesen konnte, die die Rechfertigungsversuche von Eichmann beispielsweise gestützt hätte. Ich mag einfach nicht glauben, daß schlichtweg jedes moralische Prinzip zur Disposition steht. |
Und ich meine, daß es doch so ist, ob es uns nun gefällt oder nicht. Ich meine, wir müssen damit leben und das beste draus machen - es ist eine Bürde des aufgeklärten Menschen.
Du kennst ja auch meine Haltung zur Schuldfrage. Insofern sehe ich das mit Eichmann so: Für unsere heutige Bewertung der Wünschbarkeit solcher Handlungen ist es irrelevant, ob er selbst das Gefühl hatte, konform mit einem moralischen Mainstream oder mit dem geltenden Recht zu handeln, oder /und ob er dieses Gefühl zurecht hatte. Es wäre nur von Interesse, wenn man vor allem an der Schuldfrage interessiert ist, und das bin ich nicht, auch wenn das in diesem Fall sehr hart klingen mag. |
Wenn Du die Schuld mal beiseite lässt, und stattdessen den Begriff Verantwortung wählst, ist das im Rahmen unserer Diskussion dann noch immer uninteressant?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819202) Verfasst am: 23.02.2013, 23:35 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Hauptsache irgend welche Pägferenzen? |
Ja, Präferenzen/Interessen/Bedürfnisse sind ja nun mal da. Wenn die nicht in Konflikt geraten könnten, bräuchten wir gar keine Ethik.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Die Frage ist aber doch, was das mit Moral zu tun hat, wenn nur irgend welche people einen Konsens über irgend was miteinander schließen. Ist Moral denn irgend was? |
Eine Kultur- und Evolutionstechnik, Konventionen zum allgemeinen Nutzen festzulegen.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Oder meinst du, Kommunisten neigen eher zu Verbrechen als bürgerliche Hansels? |
Nein, keineswegs.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Und was verstehst du unter Ideologie? Kleriker haben eine. Aber Kommunisten? |
Alle, die eine "Wahrheit" absolut setzen und es nicht dem Einzelnen überlassen, seine Interessen zu definieren.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | ... Deswegen ist die Diskursethik eigentlich überhaupt kein ethisches Universalisierungsprinzip, sondern nur ein methodisches Universalisierungsprinzip. Das macht sie aber nicht schlecht, man muß sich nur darüber im Klaren sein. | Untauglich, aber nicht schlecht, oder wie? |
Gut als methodisches Universalprinzip, untauglich als inhaltliches.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Ein ethischer Diskurs ist nur dann frei und gleichberechtigt, wenn jeder Teilnehmer sich dem gemeinsamen Konsens verweigern kann (ohne durch dieses sich-entziehen als solches Nachteile zu erleiden). |
Damit wäre aber auch der Nutzen des ethischen Konsenses gefährdet. Der besteht ja darin, daß man sich auf Andere in bezug auf bestimmte sozail-fundamentale Verhaltensweisen verlassen kann.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | "Die Gerechtigkeit" - wer legt die fest? Letztlich rekurriert das wieder auf Interessen und Bedürfnisse und damit auf deren Diskurs bzw. Konsens. | Ich muss hier einmal zelig zustimmen. Die menschlichen Bedürfnisse, ohne die Gerechtigkeit nicht zu denken ist, können nicht beliebig zur Disposition stehen - auch nicht durch einen einen noch so gepflegten ethischen Diskurs. (Und ich glaube auch nicht, dass erst mal jemand hingehen muss, um jene Bedürfnisse festzulegen.) ...-! |
Hier gebe ich Dir zum Teil recht - die (zumindest derzeitigen) Bedürfnisse sind ja de facto nicht völlig disponibel, sondern ergeben sich teilweise aus der Natur des Menschen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819205) Verfasst am: 23.02.2013, 23:52 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Wenn Du die Schuld mal beiseite lässt, und stattdessen den Begriff Verantwortung wählst, ist das im Rahmen unserer Diskussion dann noch immer uninteressant? |
Verantwortung ist für mich wichtig. Eichmann ist den Erwartungen heutiger (und teilweise auch damaliger) Mitmenschen nicht gerecht geworden. Wir wünschen heute nicht, daß sich Menschen wie Eichmann verhalten. Von Menschen, denne wir heute Verantwortung übertragen - eigentlich von allen Menschen - erwarten wir, daß sie sich gemäß anderer Werte verhalten.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1819316) Verfasst am: 24.02.2013, 16:27 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Wenn Du die Schuld mal beiseite lässt, und stattdessen den Begriff Verantwortung wählst, ist das im Rahmen unserer Diskussion dann noch immer uninteressant? |
Verantwortung ist für mich wichtig. Eichmann ist den Erwartungen heutiger (und teilweise auch damaliger) Mitmenschen nicht gerecht geworden. |
step hat folgendes geschrieben: | ... bei einer Maßnahme muß es eine Rolle spielen, ob wir meinen, daß man vom Täter in Zukunft konformes (verantwortliches) Verhalten erwarten kann, also auch, warum das im Tatfall nicht so war. |
(von mir gefettet.)
Es geht hier um die Vergangenheit. Und bezogen darauf war das Verhalten Eichmanns a) konform und b) unverantwortlich.
Ich weiß gar nicht, wie du ständig konformes und verantwortliches Verhalten gleichsetzen kannst. Eichmann hat seine Verantwortung völlig an die Obrigkeit abgegeben, hat ohne nachzudenken, jeden Befehl ausgeführt, hat allen Erwartungen seiner damaligen Gesellschaft, die ihm "zugewiesen" wurden wie du es immer ausdrückst, zu 100% entsprochen.
Zitat: | Mit seiner leicht gebeugten Haltung wirkt Adolf Eichmann wie ein ergebener Staatsdiener. Alles an ihm erinnert an einen perfekten Bürokraten. Sechs Jahre lang organisierte dieser Bürokrat, wie von ihm erwartet, die Zusammenführung, Ausplünderung und Deportation von "Menschenmaterial" zu den verschiedenen Bestimmungsorten.
http://www.spielfilm.de/kino/12098/ein-spezialist.html
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Ich denke, an diesem Beispiel wird sehr drastisch klar, was von einem Konformismus zu halten ist, der über jeder Verantwortung, über jeder Moral und über jeder Form von Gerechtigkeit stehen soll. (siehe das obige Zitat von Lyotard dazu!)
step hat folgendes geschrieben: | Wir wünschen heute nicht, daß sich Menschen wie Eichmann verhalten. Von Menschen, denne wir heute Verantwortung übertragen - eigentlich von allen Menschen - erwarten wir, daß sie sich gemäß anderer Werte verhalten. |
(von mir gefettet.)
Aber wünschen wir uns heute, dass Menschen sich konformistisch verhalten? Wünschen wir uns heute, dass Menschen keine eigene Verantwortung übernehmen, sondern diese sich "übertragen" lassen als Befehle von oben?
Und muss man nicht deshalb die Moral über den Konformismus stellen, was nur bedeuten kann, dass man Moral erst einmal formuliert - und zwar nicht als Konsens, sondern als Orientierung daran, was Menschen schadet und was ihnen wohltut im Sinne der Gesundheitsforschung z.B. und nicht als Konsens irgend welcher Debatten, die jederzeit in die Hose gehen können, sofern Lebensbedürfnisse pötzlich als debattierbar und damit disponierbar erscheinen?
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K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819341) Verfasst am: 24.02.2013, 17:53 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Es geht hier um die Vergangenheit. Und bezogen darauf war das Verhalten Eichmanns a) konform und b) unverantwortlich. |
Naja, also wir sind uns ja wohl einig, daß Eichmann nicht das tat, was wir uns wünschen, das er hätte tun sollen. Du mußt aber schon genauer sagen, was Du mit "unverantwortlich" meinst:
- er hatte keine Verantwortung bzw. diese abgegeben?
- er hatte Verantwortung, von ihm wurde also (offensichtlich in Fehleinschätzung) erwartet, daß er zu anderen moralischen Bewertungen und Handlungen kommt?
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Ich weiß gar nicht, wie du ständig konformes und verantwortliches Verhalten gleichsetzen kannst. |
Das kommt Dir nur so vor, weil Du an eine absolute Moral glaubst. In der Realität gibt es verschiedene Moralsysteme, die sich teilweise widersprechen und Handlungen unterschiedlich bewerten.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Eichmann hat seine Verantwortung völlig an die Obrigkeit abgegeben, hat ohne nachzudenken, jeden Befehl ausgeführt, hat allen Erwartungen seiner damaligen Gesellschaft, die ihm "zugewiesen" wurden wie du es immer ausdrückst, zu 100% entsprochen. |
Ja, das sehe ich auch so. Es wurde extra jemand ausgewählt, der extrem konformistisch war. Von dem man das erwarten konnte. Jemand, in dem außerdem keinerlei Konformitätsdruck durch konkurrierende Wertesysteme (z.B. Menschenrechte) wirkte.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Ich denke, an diesem Beispiel wird sehr drastisch klar, was von einem Konformismus zu halten ist, der über jeder Verantwortung, über jeder Moral und über jeder Form von Gerechtigkeit stehen soll. |
Äh - bin ich jetzt im falschen Film? Nochmal: Ich bin NICHT der Ansicht, daß man sich immer konform verhalten sollte! Und "konform" bedeutet auch nicht kriecherisch oder obrigkeitstreu, wie Du hier immer suggerieren willst. Ich meine jedoch, daß innerhalb eines Moralsystems (es gibt viele!) "gutes" Handeln äquivalent zu konformem Handeln ist. Denn das Moralsystem definiert ja gerade, was gut und böse ist.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wir wünschen heute nicht, daß sich Menschen wie Eichmann verhalten. Von Menschen, denne wir heute Verantwortung übertragen - eigentlich von allen Menschen - erwarten wir, daß sie sich gemäß anderer Werte verhalten. | (von mir gefettet.)
Aber wünschen wir uns heute, dass Menschen sich konformistisch verhalten? Wünschen wir uns heute, dass Menschen keine eigene Verantwortung übernehmen, sondern diese sich "übertragen" lassen als Befehle von oben? |
Äh - nein. Nochmal: Wir sind Teil mehrerer Moralsysteme. Einige davon sind eher artifiziell (z.B. Rechtsordnung, berufliche Hierarchie, Geschäftsverträge), andere sind eher fundamental-soziologischer Natur, z.B. unsere Haltung zu Kindern, Hilfsbereitschaft usw.. Und ich wünsche mir von den Angehörigen der Moralsysteme, denen auch ich angehöre, daß sie sich in bezug auf diese verläßlich verhalten.
Ich erwarte also zum Beispiel von ethischen Subjekten meiner Umgebung, daß sie bestimmte fundamentale Regeln des Zusammenlebens einhalten, z.B. daß ich mich auf Hilfsbereitschaft in der Not verlassen kann, oder darauf, daß mich niemand quält. Allen Leuten, von denen ich das erwarte, weise ich damit Verantwortung zu, ich verlasse mich auf sie. Ich würde daher von normalen Mitmenschen erwarten, daß, wenn sie aus einem konkurrierenden Moralsystem etwa die Anweisung bekommen, mich zu foltern, ihre Konformität zum Moralsystem der Mitmenschlichkeit stärker ist und sie es dementsprechend nicht tun.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Und muss man nicht deshalb die Moral über den Konformismus stellen ... |
Nein! Es geht nicht um Konformismus vs. Moral, sondern um "konform zu Moral1" vs. "konform zu Moral2". Man sollte daher mE korrekter formulieren: Wir wünschen / einigen uns (und versuchen daher unsere Kinder so zu erziehen), daß im Zweifelsfall bestimmte Grundwerte, nämlich die des fundamentalen Zusammenlebens, Priorität haben gegenüber anderen, zusätzlichen Moralsystemen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44685
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(#1819397) Verfasst am: 24.02.2013, 21:07 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Ich meine jedoch, daß innerhalb eines Moralsystems (es gibt viele!) "gutes" Handeln äquivalent zu konformem Handeln ist. |
Das kommt auf das "Moralsystem" an (wobei ich es witzig finde, dass du zwar an eine objektive Moral nicht glaubst, aber dafür an "Systeme").
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1819409) Verfasst am: 24.02.2013, 21:34 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Es geht hier um die Vergangenheit. Und bezogen darauf war das Verhalten Eichmanns a) konform und b) unverantwortlich. |
... Du mußt aber schon genauer sagen, was Du mit "unverantwortlich" meinst:
- er hatte keine Verantwortung bzw. diese abgegeben?
- er hatte Verantwortung, von ihm wurde also (offensichtlich in Fehleinschätzung) erwartet, daß er zu anderen moralischen Bewertungen und Handlungen kommt? |
Konformismus und Kadavergehorsam beginnen jeweils mit "K".
Was Eichmann unter Verantwortung verstand, kann man in den Verhörprotokollen nachlesen. Er kannte den Begriff gar nicht. Aber Konformismus, das kannte er.
step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Ich weiß gar nicht, wie du ständig konformes und verantwortliches Verhalten gleichsetzen kannst. |
Das kommt Dir nur so vor, ... |
Das beziehe ich auf folgendes:
step hat folgendes geschrieben: | ... bei einer Maßnahme muß es eine Rolle spielen, ob wir meinen, daß man vom Täter in Zukunft konformes (verantwortliches) Verhalten erwarten kann, also auch, warum das im Tatfall nicht so war. |
Darin kommt es mir allerdings so vor, als wenn du konformes und verantwortliches Verhalten synonymisierst. Im Falle von Eichmann wäre das grotesk, weil er nämlich eben genau das tat, was man von ihm erwartete. Es war das Gegenteil verantwortungsvollen Verhaltens.
"Verantworten" kommt übrigens von "antworten". Wer etwas bestimmtes tut, sollte als Grund dafür nicht einfach nur das Wollen anderer angeben, so wie der Bürokrat. Verantwortung setzt Moral und ein Bewusstsein für Gleichberechtigung voraus. Wo das fehlt, entsteht eine Lücke für den fremden Willen als Bereitschaft des absoluten Gehorsams.
step hat folgendes geschrieben: | ... weil Du an eine absolute Moral glaubst. |
An eine wissenschaftlich erforschbare Moral, genauer gesagt.
step hat folgendes geschrieben: | In der Realität gibt es verschiedene Moralsysteme, die sich teilweise widersprechen und Handlungen unterschiedlich bewerten. |
step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Ich denke, an diesem Beispiel wird sehr drastisch klar, was von einem Konformismus zu halten ist, der über jeder Verantwortung, über jeder Moral und über jeder Form von Gerechtigkeit stehen soll. |
Äh - bin ich jetzt im falschen Film? Nochmal: Ich bin NICHT der Ansicht, daß man sich immer konform verhalten sollte! Und "konform" bedeutet auch nicht kriecherisch oder obrigkeitstreu, wie Du hier immer suggerieren willst. Ich meine jedoch, daß innerhalb eines Moralsystems (es gibt viele!) "gutes" Handeln äquivalent zu konformem Handeln ist. Denn das Moralsystem definiert ja gerade, was gut und böse ist. |
(von mir gefettet.)
Das kommt auf das Moralsystem an und auf die Verhältnisse, durch die sich die Bedeutung eines Moralsystems verschieben oder sogar ins Gegenteil verkehren kann.
Die Frage ist doch: wem nützt eine bestimmte Moral?
step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Aber wünschen wir uns heute, dass Menschen sich konformistisch verhalten? Wünschen wir uns heute, dass Menschen keine eigene Verantwortung übernehmen, sondern diese sich "übertragen" lassen als Befehle von oben? |
Äh - nein. Nochmal: Wir sind Teil mehrerer Moralsysteme. Einige davon sind eher artifiziell (z.B. Rechtsordnung, berufliche Hierarchie, Geschäftsverträge), andere sind eher fundamental-soziologischer Natur, z.B. unsere Haltung zu Kindern, Hilfsbereitschaft usw.. Und ich wünsche mir von den Angehörigen der Moralsysteme, denen auch ich angehöre, daß sie sich in bezug auf diese verläßlich verhalten.
Ich erwarte also zum Beispiel von ethischen Subjekten meiner Umgebung, daß sie bestimmte fundamentale Regeln des Zusammenlebens einhalten, z.B. daß ich mich auf Hilfsbereitschaft in der Not verlassen kann, oder darauf, daß mich niemand quält. Allen Leuten, von denen ich das erwarte, weise ich damit Verantwortung zu, ich verlasse mich auf sie. Ich würde daher von normalen Mitmenschen erwarten, daß, wenn sie aus einem konkurrierenden Moralsystem etwa die Anweisung bekommen, mich zu foltern, ihre Konformität zum Moralsystem der Mitmenschlichkeit stärker ist und sie es dementsprechend nicht tun. |
Ich glaube nicht, dass man sich in dieser Frage auf die Moral aller Menschen verlassen kann, wenn der moralische Wind sich gedreht hat und die Bürokraten und Soldaten erneut anfangen, "ihre Pflicht zu tun". Um Moral wirklich nachhaltig zu etablieren, muss man die gesellschaftlichen Grundlagen der Amoral abschaffen, bei denen Menschen keine Menschen sondern lediglich Mittel, Objekte sind zum Zwecke der Herrschenden, welche noch stets ihre Handlanger und Bluthunde gefunden haben.
step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Und muss man nicht deshalb die Moral über den Konformismus stellen ... |
Nein! Es geht nicht um Konformismus vs. Moral, sondern um "konform zu Moral1" vs. "konform zu Moral2". Man sollte daher mE korrekter formulieren: Wir wünschen / einigen uns (und versuchen daher unsere Kinder so zu erziehen), daß im Zweifelsfall bestimmte Grundwerte, nämlich die des fundamentalen Zusammenlebens, Priorität haben gegenüber anderen, zusätzlichen Moralsystemen. |
Dann stimmst du mir also zu, dass Konformität stets nachrangig ist gegenüber dem, was in der Moral-Kiste drin ist. Warum nicht gleich so ...-?
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K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1819418) Verfasst am: 24.02.2013, 22:08 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich meine jedoch, daß innerhalb eines Moralsystems (es gibt viele!) "gutes" Handeln äquivalent zu konformem Handeln ist. |
Das kommt auf das "Moralsystem" an (wobei ich es witzig finde, dass du zwar an eine objektive Moral nicht glaubst, aber dafür an "Systeme"). |
Wo soll da der Widerspruch sein? Was soll das miteinander zu tun haben?
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1819420) Verfasst am: 24.02.2013, 22:21 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Aber wünschen wir uns heute, dass Menschen sich konformistisch verhalten? Wünschen wir uns heute, dass Menschen keine eigene Verantwortung übernehmen, sondern diese sich "übertragen" lassen als Befehle von oben? |
Äh - nein. Nochmal: Wir sind Teil mehrerer Moralsysteme. Einige davon sind eher artifiziell (z.B. Rechtsordnung, berufliche Hierarchie, Geschäftsverträge), andere sind eher fundamental-soziologischer Natur, z.B. unsere Haltung zu Kindern, Hilfsbereitschaft usw.. Und ich wünsche mir von den Angehörigen der Moralsysteme, denen auch ich angehöre, daß sie sich in bezug auf diese verläßlich verhalten.
Ich erwarte also zum Beispiel von ethischen Subjekten meiner Umgebung, daß sie bestimmte fundamentale Regeln des Zusammenlebens einhalten, z.B. daß ich mich auf Hilfsbereitschaft in der Not verlassen kann, oder darauf, daß mich niemand quält. Allen Leuten, von denen ich das erwarte, weise ich damit Verantwortung zu, ich verlasse mich auf sie. Ich würde daher von normalen Mitmenschen erwarten, daß, wenn sie aus einem konkurrierenden Moralsystem etwa die Anweisung bekommen, mich zu foltern, ihre Konformität zum Moralsystem der Mitmenschlichkeit stärker ist und sie es dementsprechend nicht tun. |
Ich glaube nicht, dass man sich in dieser Frage auf die Moral aller Menschen verlassen kann, wenn der moralische Wind sich gedreht hat und die Bürokraten und Soldaten erneut anfangen, "ihre Pflicht zu tun". Um Moral wirklich nachhaltig zu etablieren, muss man die gesellschaftlichen Grundlagen der Amoral abschaffen, bei denen Menschen keine Menschen sondern lediglich Mittel, Objekte sind zum Zwecke der Herrschenden, welche noch stets ihre Handlanger und Bluthunde gefunden haben. |
Deine Amoral ist nur eine andere Art von Moral. Aus Sicht deiner Moral eine schlechte zwar aber trotzdem nur eine weitere.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819423) Verfasst am: 24.02.2013, 22:56 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich meine jedoch, daß innerhalb eines Moralsystems (es gibt viele!) "gutes" Handeln äquivalent zu konformem Handeln ist. | Das kommt auf das "Moralsystem" an ... |
Hmm ... nein, ich denke, das gilt für jedes Moralsystem. Selbst eines, daß die Übertretung seiner eigenen Regeln fordert, hätte damit eine Art primäres Gesetz. Na gut, man könnte ein Moralsystem auch logisch paradox definieren, etwa so: "Handle stets anders, als Du handeln sollst" - aber das ist dann wirklich absurd.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | (wobei ich es witzig finde, dass du zwar an eine objektive Moral nicht glaubst, aber dafür an "Systeme"). |
Naja, "Systeme" meine ich hier nicht im engeren, fomalen Sinne. Aber es ist offensichtlich, daß die meisten Menschen Mitglieder mehrerer Gemeinschaften sind, die teilweise ihre eigenen Regeln haben:
- Menschheit
- Nation
- Familie
- Freunde / Peer group
- Arbeitskollegen
- vertragliche Partner
- Religions- und andere ideologische Gemeinschaften
- ...
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44685
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(#1819425) Verfasst am: 24.02.2013, 23:06 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Naja, "Systeme" meine ich hier nicht im engeren, fomalen Sinne. |
Aber schon als etwas in sich Geschlossenes. Und schon da beginnt die Absurdität, nicht erst bei irgendeiner Paradoxie.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1819426) Verfasst am: 24.02.2013, 23:13 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Naja, "Systeme" meine ich hier nicht im engeren, fomalen Sinne. |
Aber schon als etwas in sich Geschlossenes. Und schon da beginnt die Absurdität, nicht erst bei irgendeiner Paradoxie. |
Ein System muss nicht geschlossen sein. Auch in der Physik gibt es offene, geschlossene und abgeschlossene Systeme. Selbst bei den geschlossenen Systemen ist ein Energieaustausch möglich.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819432) Verfasst am: 24.02.2013, 23:32 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Konformismus und Kadavergehorsam beginnen jeweils mit "K". |
So einiges beginnt mit "K" - - und überhaupt, was hast Du immer mit Deinem Konformismus? Unterschätze meinen Nonkonformismus nicht!
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Die Frage ist doch: wem nützt eine bestimmte Moral? |
Das ist besonders dann interssant, wenn die Moral eben nicht diskursiv erstellt wurde, sondern hierarchisch vorgegeben.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Ich glaube nicht, dass man sich in dieser Frage auf die Moral aller Menschen verlassen kann, wenn der moralische Wind sich gedreht hat und die Bürokraten und Soldaten erneut anfangen, "ihre Pflicht zu tun". Um Moral wirklich nachhaltig zu etablieren, muss man die gesellschaftlichen Grundlagen der Amoral abschaffen, bei denen Menschen keine Menschen sondern lediglich Mittel, Objekte sind zum Zwecke der Herrschenden, welche noch stets ihre Handlanger und Bluthunde gefunden haben. |
Also ich habe ja kein besonders optimistisches Menschenbild, aber Deins ist wirklich extrem pessimistisch. Du meinst, selbst in einer aufgeklärten, offenen Gesellschaft würden die Menschen leicht zu Bluthunden werden, wenn ihnen nicht die "richtige" Moral nicht vorgegeben wird? Erinnert mich an ... ach, das errätst Du selbst.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Dann stimmst du mir also zu, dass Konformität stets nachrangig ist gegenüber dem, was in der Moral-Kiste drin ist. |
Nein, da hast Du was nicht verstanden. Ich bin nur dafür, sich auf eine primäre Moral-Kiste zu einigen und sich zu dieser konform zu verhalten.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819433) Verfasst am: 24.02.2013, 23:40 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Naja, "Systeme" meine ich hier nicht im engeren, fomalen Sinne. | Aber schon als etwas in sich Geschlossenes. Und schon da beginnt die Absurdität, nicht erst bei irgendeiner Paradoxie. | Ein System muss nicht geschlossen sein. |
Genau, diese moralischen Systeme haben graue Ränder, überlappen gegenseitig usw. - von mir aus können wir auch gern das Wort "System" vermeiden und von überlappender Mitgliedschaft in sozialen Gruppen sprechen. Ändert aber nichts an meinem Argument.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44685
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(#1819436) Verfasst am: 24.02.2013, 23:56 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Genau, diese moralischen Systeme haben graue Ränder, überlappen gegenseitig usw. |
Jetzt bin ich aber wirklich überrascht. Denn nehmen wir mal diese Aussage hier von dir:
step hat folgendes geschrieben: | Selbst eines, daß die Übertretung seiner eigenen Regeln fordert, hätte damit eine Art primäres Gesetz. Na gut, man könnte ein Moralsystem auch logisch paradox definieren, etwa so: "Handle stets anders, als Du handeln sollst" - aber das ist dann wirklich absurd. |
Auf eine solche Aussage kann man nur kommen, wenn man entweder deine "grauen Ränder" für nicht existent hält oder es zumindest für unmöglich hält, dass eine Ethik die Existenz ihrer eigenen "Ränder" selbst wieder anerkennen und thematisieren kann.
Letztlich geht es darum, dass eine Ethik eben nicht nur eine Summe von Regeln ist.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1819437) Verfasst am: 25.02.2013, 00:06 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Selbst [ein Moralsystem], daß die Übertretung seiner eigenen Regeln fordert, hätte damit eine Art primäres Gesetz. Na gut, man könnte ein Moralsystem auch logisch paradox definieren, etwa so: "Handle stets anders, als Du handeln sollst" - aber das ist dann wirklich absurd. | Auf eine solche Aussage kann man nur kommen, wenn man entweder deine "grauen Ränder" für nicht existent hält oder es zumindest für unmöglich hält, dass eine Ethik die Existenz ihrer eigenen "Ränder" selbst wieder anerkennen und thematisieren kann. |
Das leuchtet mir nicht ein.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44685
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(#1819439) Verfasst am: 25.02.2013, 00:09 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Das leuchtet mir nicht ein. |
Für eine Ethik, die ihre eigenen Grenzen thematisieren kann, ist gutes Handeln eben nicht mehr notwendig synonym mit Konformität zu ihren eigenen Regeln. Dabei geht es nicht darum, dass eine solche Ethik auch nach wie vor in gewissen Fällen Konformität zu bestimmten Regeln fordern kann. Deine Behauptung war aber, dass Konformität innerhalb einer Ethik notwendig synonym ist mit gutem Handeln, und zwar unabhängig von Inhalten und Umständen.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 25.02.2013, 00:11, insgesamt einmal bearbeitet |
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1819441) Verfasst am: 25.02.2013, 00:10 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Genau, diese moralischen Systeme haben graue Ränder, überlappen gegenseitig usw. |
Jetzt bin ich aber wirklich überrascht. Denn nehmen wir mal diese Aussage hier von dir:
step hat folgendes geschrieben: | Selbst eines, daß die Übertretung seiner eigenen Regeln fordert, hätte damit eine Art primäres Gesetz. Na gut, man könnte ein Moralsystem auch logisch paradox definieren, etwa so: "Handle stets anders, als Du handeln sollst" - aber das ist dann wirklich absurd. |
Auf eine solche Aussage kann man nur kommen, wenn man entweder deine "grauen Ränder" für nicht existent hält oder es zumindest für unmöglich hält, dass eine Ethik die Existenz ihrer eigenen "Ränder" selbst wieder anerkennen und thematisieren kann.
Letztlich geht es darum, dass eine Ethik eben nicht nur eine Summe von Regeln ist. |
Welche Aussage von step meinst du genau? Falls du seinen ersten Satz in dem Zitat meinst, geht das ganz leicht. Die Anerkennung und Thematisierung der Ränder ist dann nichts anders als die Formulierungen von Ausnahmen der Regeln bzw. die immer genauere Definition der Situation, in der eine bestimmte Handlung als optimal angesehen wird. Letzteres ist natürlich irgendwann zu kompliziert, weil ein Mensch nur sehr selten eine Situation so genau erkennen können.
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