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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1820966) Verfasst am: 02.03.2013, 21:55 Titel: |
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Mir ist gerade ein Malheur passiert.
Ich wollte einen Beitrag, der eindeutig in: "Diskussionen über Einzelfallentscheidungen des Teams II" gehört, dorthin verschieben. Leider habe ich eine falsche Kategorie verwischt, von wo ich nicht mehr moderieren kann.
Sobald ein Administrator da ist, kann der das nachholen.
Sorry.
Edit: Mittlerweile erledigt!
Zu Diskussionen über Einzelfallentscheidungen des Teams II bitte dalang --->
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Commander Vimes registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2013 Beiträge: 877
Wohnort: Ankh-Morpork
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(#1820978) Verfasst am: 02.03.2013, 22:45 Titel: |
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Es wäre malinteressant zu ergründen, warum gerade die osteuropäischen Länder immer wieder durch homophobe Gesetzgebung und solche Einzeläußerungen auffallen. Allein der Einfluss der katholischen Kirche kann es kaum sein; der ist in anderen Ländern auch nicht unbedingt geringer - und dennoch sind diese in dieser Hinsicht sehr viel weiter, toleranter und liberaler. Erklärungsansätze?
_________________ There is a rumour going around that I have found God. I think this is unlikely because I have enough difficulty finding my keys, and there is empirical evidence that they exist.
(Terry Pratchett)
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1820980) Verfasst am: 02.03.2013, 22:51 Titel: |
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Commander Vimes hat folgendes geschrieben: | Es wäre malinteressant zu ergründen, warum gerade die osteuropäischen Länder immer wieder durch homophobe Gesetzgebung und solche Einzeläußerungen auffallen. Allein der Einfluss der katholischen Kirche kann es kaum sein; der ist in anderen Ländern auch nicht unbedingt geringer - und dennoch sind diese in dieser Hinsicht sehr viel weiter, toleranter und liberaler. Erklärungsansätze? |
Was haben die Gemeinsam mit der Karibik?
Auch dort gibt es eine recht homophobe Gesetzgebung.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1821005) Verfasst am: 03.03.2013, 00:07 Titel: |
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Commander Vimes hat folgendes geschrieben: | Es wäre malinteressant zu ergründen, warum gerade die osteuropäischen Länder immer wieder durch homophobe Gesetzgebung und solche Einzeläußerungen auffallen. Allein der Einfluss der katholischen Kirche kann es kaum sein; der ist in anderen Ländern auch nicht unbedingt geringer - und dennoch sind diese in dieser Hinsicht sehr viel weiter, toleranter und liberaler. Erklärungsansätze? |
Feindseligkeit gegenüber Homosexuellen ist nicht nur in vom Katholizismus geprägten Ländern anzutreffen, sondern auch im größten osteuropäischen Land, in Russland, das jahrhundertelang von den Normen der orthodoxen Kirche geprägt wurde.
In den 70 Jahren seit der Revolution hat sich an dem patriarchalischen Männlichkeitskult nicht viel geändert. Wer schwul ist, gilt nicht als "richtiger Kerl", als "schwach" und wird verachtet. Auf der einen Seite wurde dieser Männlichkeitskult von Führungsfiguren wie Stalin intensiv gepflegt, zum anderen war er für zahlreiche Männer - auch ohne religiöse Beeinflussung - eine Kompensation für ihre Stellung als weitgehend machtlose "Rädchen im Getriebe" der hierarchisch organisierten Staatsordnung.
Dass sich ein Mitglied der "Pussy Riots" zu ihren lesbischen Neigungen bekannte, hat die Stellung dieser oppositionellen Künstlerinnengruppe in der öffentlichen Meinung nicht verbessert, in der noch starke Vorbehalte gegenüber Homosexuellen verbreitet sind.
Inwiefern sich in Polen in letzter Zeit angesichts der fortgeschrittenen Säkularisierung vor allem in städtischen Zentren etwas in Richtung Öffnung und Verbesserung der Lage von Schwulen und Lesben ergeben hat, mögen Kenner der Szene beurteilen.
Beiseite gesprochen: was in diesem Thread an Undifferenziertem gegenüber "den Polen" geäußert wurde - mein lieber Scholli Ich bin direkt froh, eine Seite zuvor und mittlerweile vor fast 6 Jahren (wie die Zeit vergeht) eine Lanze für herausragende kulturell-zivilisatorische Leistungen von Angehörigen des polnischen Volkes gebrochen zu haben.
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=705546#705546
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1821011) Verfasst am: 03.03.2013, 00:17 Titel: |
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Commander Vimes hat folgendes geschrieben: | Es wäre malinteressant zu ergründen, warum gerade die osteuropäischen Länder immer wieder durch homophobe Gesetzgebung und solche Einzeläußerungen auffallen. Allein der Einfluss der katholischen Kirche kann es kaum sein; der ist in anderen Ländern auch nicht unbedingt geringer - und dennoch sind diese in dieser Hinsicht sehr viel weiter, toleranter und liberaler. Erklärungsansätze? |
Osteuropa ist zunächst einmal vor allem auch durch die orthodoxe Kirche geprägt. In dieser Allgemeinheit wird man vermutlich zu keinem Ergebnis kommen, da sich die osteuropäischen Nationen auch hinsichtlich ihrer Homophobie unterscheiden. Auf Anhieb habe ich da keine Daten, aber ich würde z. B. vermuten, dass es neben Polen vor allem Weißrussland und Russland sind, die starke homophobe Tendenzen aufweisen. Wie ist es aber in Ungarn, Tschechien oder den baltischen Staaten?
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1821017) Verfasst am: 03.03.2013, 00:24 Titel: |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | Commander Vimes hat folgendes geschrieben: | Es wäre malinteressant zu ergründen, warum gerade die osteuropäischen Länder immer wieder durch homophobe Gesetzgebung und solche Einzeläußerungen auffallen. Allein der Einfluss der katholischen Kirche kann es kaum sein; der ist in anderen Ländern auch nicht unbedingt geringer - und dennoch sind diese in dieser Hinsicht sehr viel weiter, toleranter und liberaler. Erklärungsansätze? |
Was haben die Gemeinsam mit der Karibik?
Auch dort gibt es eine recht homophobe Gesetzgebung. |
Die sind ziemlich Evangelikal.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Commander Vimes registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2013 Beiträge: 877
Wohnort: Ankh-Morpork
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(#1821029) Verfasst am: 03.03.2013, 00:49 Titel: |
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Ich behaupte doch nicht, dass die Kirche daran keinen ANteil hat.Aber in anderen Ländern wie z.B.Italien oder Spanien ist der Einfluss der Kirche ebenfalls sehr hoch.
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(Terry Pratchett)
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Critic oberflächlich
Anmeldungsdatum: 22.07.2003 Beiträge: 16361
Wohnort: Arena of Air
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(#1821039) Verfasst am: 03.03.2013, 04:25 Titel: |
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Commander Vimes hat folgendes geschrieben: | Ich behaupte doch nicht, dass die Kirche daran keinen ANteil hat.Aber in anderen Ländern wie z.B.Italien oder Spanien ist der Einfluss der Kirche ebenfalls sehr hoch. |
Ich kann mich gegenwärtig nicht an den Namen erinnern, aber jemand hat sinngemäß die These formuliert, daß die Macht der Religion heute historisch begründet sei.
Dieser These nach wäre es demnach besser gewesen, gäbe es vielleicht einige dieser extremen Stimmen nicht, wenn die katholische Kirche in Polen oder die orthodoxe Kirche in Rußland über die Jahrzehnte eine größere Bedeutung gehabt hätten.
Ein historisches Analogon könnte der "Hexenwahn" zu Beginn der Neuzeit sein: Während dieser zunächst einmal in katholischen Ländern losgetreten wurde, ebbte er dort - auch auf Betreiben kirchlicher Autoritäten - irgendwann wieder ab, während er in protestantischen Ländern, in denen der katholischen Kirche keine nennenswerte Autorität mehr zugestanden wurde, die Hexenverfolgung noch eine ganze Zeitlang weiter betrieben wurde.
Nehmen wir nun etwa Italien zum Vergleich: In Italien war die Religion zwar vergleichsweise mächtig, wurde aber eher in Richtung einer "Volksfrömmigkeit" transformiert. Und in der Tat sind homosexuelle Handlungen in Italien seit Ende des 19.Jh. nicht mehr strafbar. (In Polen eigentlich seit den 1930er Jahren auch nicht, sie galt aber bis 1991 als Krankheit. Diese Auffassung dürfte indessen auch abgefärbt haben und die Vorstellungen vieler Leute bis heute beeinflussen.)
Vielleicht ist diese These auch in sofern zu deuten, wie stark die Religion mit den jeweiligen Gewalten verbunden war.
Italien war erst während des 19.Jahrhunderts als einheitlicher Nationalstaat entstanden. Die Einheitsbewegung vertrat liberale Ideale, die feudalistischen Vorstellungen von einem Gottesgnadentum usw. widersprachen (wobei die Umsetzung derartiger Vorstellungen sich allerdings über mehrere Jahrzehnte hinzog). Und nicht zuletzt, weil der Papst zu der Zeit selbst noch Territorialherrscher war, dessen Kirchenstaat im Rahmen der italienischen Einheit zu bestehen aufhörte. Die Päpste erkannten die neuen Verhältnisse nicht an und verurteilten liberale Vorstellungen und demokratische Reformen (Link). Von daher mag ein kirchlicher Protest gegen Reformen eher ignoriert worden sein.
Analog stand die Kirche in Spanien auch auf der Seite der Machthaber, zunächst der "katholischen Könige", wobei die Inquisition als eines der, wenn nicht das wichtigste Machtmittel galt, und später auch zu einem Teil auf Seiten der Franco-Diktatur (Link1, Link2).
Wenn wir andererseits Polen betrachten, war die Kirche eher in Opposition gegen die kommunistischen Machthaber bzw. unterstützte sie die Oppositionsbewegung moralisch, so daß sie zunächst einmal in höherer Achtung stand und auch wieder eine hohe Durchdringung der Gesellschaft erreichte. Heute bezeichnen sich 87% der Polen als "römisch-katholisch". Nach der "Wende" seien auch kirchliche Medien entstanden, sprich: Presse, Radio etc.. Wie der polnische Bischof Pieronek meint, hätten dabei allerdings Extremmeinungen (sprich "Radio Maryja") eine überstarke Bedeutung erhalten. Zu den Mythen gehört es dabei, daß die katholische Soziallehre eine Handreichung für den Aufbau einer menschlicheren Gesellschaft biete. So wurde in Polen auch die _Ersetzung eines atheistischen Regimes durch ein anderes_ kritisiert, nicht nur den "Konsumismus", sondern auch sogenannte "familienfeindliche Ideologien", ein liberales Verständnis zur Sexualität usw.. (siehe verschiedene Beiträge, etwa von Diarmuid Martin oder Tadeusz Pieronek, hier).
_________________ "Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"
Dann bin ich halt bekloppt.
"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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sünnerklaas Mietzekatzenkater - treibt den Kessel
Anmeldungsdatum: 30.09.2006 Beiträge: 11052
Wohnort: Da, wo noch Ruhe ist
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(#1821072) Verfasst am: 03.03.2013, 12:52 Titel: |
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AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: | Walesa will Homosexuelle hinter Mauer verbannen
Zitat: | Homosexuelle sollen nach Ansicht des früheren polnischen Arbeiterführers Lech Walesa im Parlament in der letzten Reihe sitzen - oder gleich hinter einer Mauer. Der Friedensnobelpreisträger will nicht, dass seine "Kinder und Enkel von dieser Minderheit verwirrt werden". |
Der Typ hat wohl zu oft zu Wojtyla gebetet... |
Klassische "Kirchen-Sprech". Die "Verwirrung in der Herde" führt dazu, dass diese dem "Hirten" (lat.: Pastor) nicht mehr gehorcht. Deshalb muss der "Hirte" (lat.: Pastor) die Hunde holen, um die Herde wieder in den Griff zu bekommen, sonst bekommt er wiederum Ärger mit seinem "Oberhirten" und die mit ihrem "Obersten Hirten" . Mit dem Einsatz von "Stab" und "Stecken" erfolgt dann im Zweifelsfall die Zurechtweisung und Sanktionierung "verwirrter" Schäflein.
_________________ "Bullshit ist eine dritte Kategorie zwischen Wahrheit und Lüge" (Harry Frankfurt)
Ausser Hypochondrie habe ich alle Krankheiten.
Ich fordere: JEDEM VOLLPFOSTEN SEIN EIGENES "Mimi-Mimi!"
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1821219) Verfasst am: 03.03.2013, 22:09 Titel: |
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Was Tschechien betrifft, so konnte es 2006 als erstes postkommunistisches Land ein Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Homosexueller aufweisen. Prag erweist sich im europäischen Vergleich als Hochburg der Toleranz.
In dem Bericht hier wird der traditionell geringere Einfluss der christlichen Kirchen (im Plural) dafür verantwortlich gemacht. Tschechien sei dem Beispiel Deutschlands gefolgt.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/europaheute/1518186/
In der DDR war der Paragraph 175 bereits 1968 gefallen. Homosexualität war meiner Erinnerung nach kaum ein Thema der Debatten, es gab traditionelle Vorbehalte wie überall. Doch außerhalb der Szenegruppen erfuhr man kaum davon.
http://www.stedefeldt.de/Homo%20in%20der%20DDR.htm
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1821225) Verfasst am: 03.03.2013, 22:21 Titel: |
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Telliamed hat folgendes geschrieben: | Was Tschechien betrifft, so konnte es 2006 als erstes postkommunistisches Land ein Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Homosexueller aufweisen. Prag erweist sich im europäischen Vergleich als Hochburg der Toleranz.
In dem Bericht hier wird der traditionell geringere Einfluss der christlichen Kirchen (im Plural) dafür verantwortlich gemacht. Tschechien sei dem Beispiel Deutschlands gefolgt. |
Tschechien ist das am wenigsten religiöse Land Europas, noch vor Schweden. Es ist also zumindest richtig, dass die christlichen Kirchen dort heute vergleichsweise wenig Einfluss haben. Wie das traditionell (also historisch) aussah, weiß ich zugegebenermaßen nicht so genau.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Critic oberflächlich
Anmeldungsdatum: 22.07.2003 Beiträge: 16361
Wohnort: Arena of Air
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(#1821795) Verfasst am: 06.03.2013, 05:05 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | Telliamed hat folgendes geschrieben: | Was Tschechien betrifft, so konnte es 2006 als erstes postkommunistisches Land ein Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Homosexueller aufweisen. Prag erweist sich im europäischen Vergleich als Hochburg der Toleranz.
In dem Bericht hier wird der traditionell geringere Einfluss der christlichen Kirchen (im Plural) dafür verantwortlich gemacht. Tschechien sei dem Beispiel Deutschlands gefolgt. |
Tschechien ist das am wenigsten religiöse Land Europas, noch vor Schweden. Es ist also zumindest richtig, dass die christlichen Kirchen dort heute vergleichsweise wenig Einfluss haben. Wie das traditionell (also historisch) aussah, weiß ich zugegebenermaßen nicht so genau. |
Mag sein, daß den Tschechen die besondere Religions- und politische Geschichte zum Teil noch in den Knochen steckt:
In Böhmen entstand Anfang des 15.Jh. die Hussitenbewegung, die einerseits reformatorisch (z.B. gegen den Ablaßhandel der katholischen Kirche gerichtet) war, andererseits aber auch eine Freiheitsbewegung war (wobei diese sich auch nicht nur auf die Verteidigung des "eigenen" Landes beschränkte, sondern selbst Krieg führte). Kaiserliche und kirchliche Politik war die Bekämpfung - bis hin zu regelrechten Kreuzzügen - bzw. Spaltung dieser Bewegung durch Zugeständnisse an moderate Hussiten, während radikalere Strömungen gleichzeitig - zum Teil auch mit Unterstützung der moderaten - weiter verfolgt wurden. Im Nachhinein entwickelten sich einzelne Teile der Hussiten dann zum Beispiel in Richtung der Protestanten, während andererseits auch ein starkes Nationalbewußtsein kultiviert wurde. Nach dem Krieg in Böhmen, der die erste Phase des Dreißigjährigen Krieges darstellt, setzte eine besonders gewaltsame Rekatholisierungskampagne ein (Link).
Ein anderer Punkt könnte sein, in wieweit Tschechien sich im österreichisch-ungarischen Kaiserreich als solchem (nicht) abgebildet fand: Obwohl Böhmen jahrhundertelang ein Staat aus eigenem Recht gewesen war, war es zur österreichischen Reichshälfte zugeordnet und die Tschechen kaum repräsentiert (Link).
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1821812) Verfasst am: 06.03.2013, 10:43 Titel: |
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Critic hat folgendes geschrieben: | Kival hat folgendes geschrieben: | Telliamed hat folgendes geschrieben: | Was Tschechien betrifft, so konnte es 2006 als erstes postkommunistisches Land ein Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft Homosexueller aufweisen. Prag erweist sich im europäischen Vergleich als Hochburg der Toleranz.
In dem Bericht hier wird der traditionell geringere Einfluss der christlichen Kirchen (im Plural) dafür verantwortlich gemacht. Tschechien sei dem Beispiel Deutschlands gefolgt. |
Tschechien ist das am wenigsten religiöse Land Europas, noch vor Schweden. Es ist also zumindest richtig, dass die christlichen Kirchen dort heute vergleichsweise wenig Einfluss haben. Wie das traditionell (also historisch) aussah, weiß ich zugegebenermaßen nicht so genau. |
Mag sein, daß den Tschechen die besondere Religions- und politische Geschichte zum Teil noch in den Knochen steckt:
In Böhmen entstand Anfang des 15.Jh. die Hussitenbewegung, die einerseits reformatorisch (z.B. gegen den Ablaßhandel der katholischen Kirche gerichtet) war, andererseits aber auch eine Freiheitsbewegung war (wobei diese sich auch nicht nur auf die Verteidigung des "eigenen" Landes beschränkte, sondern selbst Krieg führte). Kaiserliche und kirchliche Politik war die Bekämpfung - bis hin zu regelrechten Kreuzzügen - bzw. Spaltung dieser Bewegung durch Zugeständnisse an moderate Hussiten, während radikalere Strömungen gleichzeitig - zum Teil auch mit Unterstützung der moderaten - weiter verfolgt wurden. Im Nachhinein entwickelten sich einzelne Teile der Hussiten dann zum Beispiel in Richtung der Protestanten, während andererseits auch ein starkes Nationalbewußtsein kultiviert wurde. Nach dem Krieg in Böhmen, der die erste Phase des Dreißigjährigen Krieges darstellt, setzte eine besonders gewaltsame Rekatholisierungskampagne ein (Link).
Ein anderer Punkt könnte sein, in wieweit Tschechien sich im österreichisch-ungarischen Kaiserreich als solchem (nicht) abgebildet fand: Obwohl Böhmen jahrhundertelang ein Staat aus eigenem Recht gewesen war, war es zur österreichischen Reichshälfte zugeordnet und die Tschechen kaum repräsentiert (Link). |
Zur Ergänzung Deines - wie so oft - aufschlussreichen Beitrages:
Nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 waren die über die Protestanten siegreichen Habsburger daran interessiert, die Angehörigen nichtkatholischer religiöser Gemeinschaften zur Konversion zu zwingen. Die Folge dieser Unterdrückungspolitik war die Abwanderung tausender Protestanten und Angehöriger anderer nonkonformer Strömungen, darunter zahlreicher Handwerker, die ihre Fähigkeiten in der sächsischen Textilherstellung anwenden sollten. Bei Potsdam wurde von ihnen die tschechische Siedlung Nowawes gegründet, in Rixdorf (Berlin-Neukölln) sind auf dem tschechischen Friedhof die aus der Zeit des Hussitismus stammenden Kelche auf den Grabsteinen zu bewundern.
Wie Du auch schreibst, konnte jedoch der Katholizismus nicht zur alleinigen Staatskirche werden. Vor 1918 gab es keinen tschechischen Staat, und die bis 1938 existierende Tschechoslowakei war bereits eine relativ liberale Demokratie, geprägt durch die Persönlichkeit des Staatspräsidenten Thomas Garrigue Masaryk, in dessen Land die Emigranten aus den europäischen Diktaturen strömten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Tom%C3%A1%C5%A1_Garrigue_Masaryk
Nach 1945 wiederum ließen die Kommunisten in der Tschechoslowakei die katholische Kirche nicht zu einflussreich werden. Im Unterschied zur Solidarnosc-Bewegung in Polen, deren Führer Lech Walesa sich stark an die katholische Kirche anlehnte, ging die Bewegung der 1968er in der Tschechoslowakei nicht aus dem religiösen Lager hervor, sondern aus vorwiegend humanistisch und demokratisch gesinnten, wenn man so will, linken Intellektuellenkreisen, zum großen Teil aus der Kommunistischen Partei selbst.
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