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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#1832682) Verfasst am: 15.04.2013, 20:25 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | Ich nehme an, Myron denkt an Bayes' Theorem?
Ich denke, das ist wohl der richtige Weg. Zwar ist streng logisch keine Theorie wirklich widerlegbar, weil man sie immer durch Zusatzannahmen retten kann; dennoch wird durch jede ad hoc-Annahme (d.h. eine, fuer die es unabhaengig von der zu rettenden Theorie keine Bestaetigung gibt) die Wahrscheinlichkeit der Theorie geringer, bis sie irgendwann als praktisch widerlegt gelten kann. |
Das Bayes-Theorem kann aber selbst nur angewandt werden, wenn man für die bedingenden Größen (hier die ad-hoc-Annahmen) Wahrscheinlichkeiten kennt.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Domingo ungläubig
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 1167
Wohnort: Westkanada
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(#1832683) Verfasst am: 15.04.2013, 20:33 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Domingo hat folgendes geschrieben: | Ich nehme an, Myron denkt an Bayes' Theorem?
Ich denke, das ist wohl der richtige Weg. Zwar ist streng logisch keine Theorie wirklich widerlegbar, weil man sie immer durch Zusatzannahmen retten kann; dennoch wird durch jede ad hoc-Annahme (d.h. eine, fuer die es unabhaengig von der zu rettenden Theorie keine Bestaetigung gibt) die Wahrscheinlichkeit der Theorie geringer, bis sie irgendwann als praktisch widerlegt gelten kann. |
Das Bayes-Theorem kann aber selbst nur angewandt werden, wenn man für die bedingenden Größen (hier die ad-hoc-Annahmen) Wahrscheinlichkeiten kennt. |
Soll das heissen, ich kann mit allen moeglichen ad hoc-Annahmen kommen und niemand wird mir das Bayesianisch widerlegen koennen, solange keiner die Wahrscheinlichkeit der Zusatzannahmen kennt? Ich halte dies fuer fragwuerdig.
Ich denke eher, unser Hintergrundswissen kann uns eine grobe Wahrscheinlichkeit angeben (die ad hoch-Annahmen sind eben nirgendwo sonst belegt, also kann man ihnen eine niedere Wahrscheinlichkeit zuschreiben). Mehr braucht man mE eigentlich auch nicht. Wahrscheinlichkeiten berueckischtigen ja doch immer unseren gegenwaertigen Wissensstand, sind relative zu ihm. Und mindestens den werden wir wohl schon kennen...
Edit: Ich meine, wir *kennen* die Wahrscheinlichkeit einer Annahme immer - wenn wir sagen, wir wuerden sie nicht kennen, dann sagen wir eigentlich nur, dass die Wahrscheinlichkeit 0.5 ist. Dabei wird die Haeufung von Zusatzannahmen slebst so die Wahrshcienlichkeit senken - bei 2 Annahmen wird sie 0.25, usw. usf.
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pera auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 01.07.2009 Beiträge: 4256
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(#1832694) Verfasst am: 15.04.2013, 21:13 Titel: |
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Eher so:
„Die Ad-hoc-Hypothesen verschaffen neuen Theorien eine Atempause, und sie deuten die Richtung der zukünftigen Forschung an.“
http://de.wikipedia.org/wiki/Ad-hoc-Hypothese
@Domingo
Dein Edit: Wenn wir die Wahrscheinlichkeit einer Annahme nicht kennen, dann kennen wir sie nicht und das bedeutet wir können keine Aussage machen darüber wie wahrscheinlich es ist, dass diese Annahme zutrifft. Und nicht 0.5.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1832696) Verfasst am: 15.04.2013, 21:16 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | Soll das heissen, ich kann mit allen moeglichen ad hoc-Annahmen kommen und niemand wird mir das Bayesianisch widerlegen koennen, solange keiner die Wahrscheinlichkeit der Zusatzannahmen kennt? Ich halte dies fuer fragwuerdig. |
Ich jedenfalls sehe das so.
Domingo hat folgendes geschrieben: | ... die ad hoch-Annahmen sind eben nirgendwo sonst belegt, also kann man ihnen eine niedere Wahrscheinlichkeit zuschreiben ... |
Das ist aber keine sauber begründete Methode.
Domingo hat folgendes geschrieben: | Ich meine, wir *kennen* die Wahrscheinlichkeit einer Annahme immer - wenn wir sagen, wir wuerden sie nicht kennen, dann sagen wir eigentlich nur, dass die Wahrscheinlichkeit 0.5 ist. |
- Wenn sie 0.5 ist, hat sie in der Bayes-Formel keine Auswirkung.
- 0.5 stimmt auch i.a. nicht, bzw. nur in ganz bestimmten Fällen, z.B. beim Münzwurf oder bei Mann/Frau.
Domingo hat folgendes geschrieben: | Dabei wird die Haeufung von Zusatzannahmen slebst so die Wahrshcienlichkeit senken - bei 2 Annahmen wird sie 0.25, usw. usf. |
Ich denke nicht, daß das so funktioniert. Meines Erachtens muß man anders vorgehen und ganz auf die Wahrscheinlichkeit und erst recht auf die Wahrheit verzichten (außer in formalen Kontenten natürlich). Man sollte nur nach der Prognosequalität einer Theorie gehen. Und deren Überprüfung ist wiederum nur empirisch fundiert. Das bedeutet einen Verlust an ontologischer Sicherheit, quasi einen Verzicht auf Metaphysik.
Selbst wenn man es schaffen würde, ein Kalkül zu definieren, daß die Welt formalisiert, so daß man etwas "beweisen" kann, so wäre doch die Auswahl dieses Kalküls immer noch eine "best practice" Methode.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Domingo ungläubig
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 1167
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(#1832732) Verfasst am: 16.04.2013, 01:10 Titel: |
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pera hat folgendes geschrieben: | Dein Edit: Wenn wir die Wahrscheinlichkeit einer Annahme nicht kennen, dann kennen wir sie nicht und das bedeutet wir können keine Aussage machen darüber wie wahrscheinlich es ist, dass diese Annahme zutrifft. Und nicht 0.5. |
Das halte ich eben fuer falsch, zumindest wenn wir ueber epistemische Wahrscheinlichkeit reden - und darueber reden wir nun einmal, wenn es darum geht, wie wir uns von Bekanntem aus ins Unbekannte vorantasten. Du und step sprecht hingegen immer von physikalischer Wahrscheinlichkeit (etwa mit der Muenze), die aber bei der Bewertung von Theorien irrelevant ist (wiel sie eben Wissen voraussetzt und nicht Unwissen).
@step:
Zitat: | Meines Erachtens muß man anders vorgehen und ganz auf die Wahrscheinlichkeit und erst recht auf die Wahrheit verzichten (außer in formalen Kontenten natürlich). Man sollte nur nach der Prognosequalität einer Theorie gehen. Und deren Überprüfung ist wiederum nur empirisch fundiert. |
Dem stimme ich im Grunde sogar zu. Es ging mir nur darum, das Problem (das vermutlich eher theoretischer als praktischer Natur ist, egeb ich zu ) anzugehen, dass man eigentlich jede Menge Theorien erfinden kann, die zu den Beobachtungen passen. Dann muss man wohl gem. Ockams Razor die einfachste (die mit den wenigsten Zusatzannahmen) waehlen. Wodurch wird aber die Gueltigkeit von Ockams Rasiermesser begruendet, wenn nicht in der Wahrscheinlichkeit, wie sie in Bayes' Theorem beschrieben wird?
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Domingo ungläubig
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 1167
Wohnort: Westkanada
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(#1832742) Verfasst am: 16.04.2013, 03:12 Titel: |
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Lasst mich noch ein bisschen am Wahrheits-/Wahrscheinlichkeitsfaden weiterspinnen, nur um der geistigen Gymnastik willen :
step hat folgendes geschrieben: |
Domingo hat folgendes geschrieben: | Ich meine, wir *kennen* die Wahrscheinlichkeit einer Annahme immer - wenn wir sagen, wir wuerden sie nicht kennen, dann sagen wir eigentlich nur, dass die Wahrscheinlichkeit 0.5 ist. |
- Wenn sie 0.5 ist, hat sie in der Bayes-Formel keine Auswirkung.
- 0.5 stimmt auch i.a. nicht, bzw. nur in ganz bestimmten Fällen, z.B. beim Münzwurf oder bei Mann/Frau.
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In umgekehrter Reihenfolge:
- 0.5 ist die epistemische Wahrscheinlichkeit, die besteht, wenn wir (gelinde gesagt) keine Ahnung haben. Wir haben dann genau 50% Wahrscheinlichkeit, uns zu irren, wenn wir uns fuer eine der beiden Moeglichkeiten entscheiden. Oder?
- 0.25 hat aber sehr wohl eine Auswirkung. Wenn nun die konkurrierenden Theorien A und B aus einer einzigen Annahme bestehen, A zu den Beobachtungen passt, B aber nicht, werden die Verteidiger von B eine Zusatzannahme C machen, mit der B dann ebenso gut zu ihnen passt wie A. Somit haben wir 0.5 fuer die 2 Zahlen, die mit den Beobachtungen zu tun haben - was an sich zu 0.5 als Gesamtergebnis fuehren wuerde -, und alles haengt an der Ausgangswahrscheinlichkeit der Theorien. Die ist nun 0.25 fuer B + C, und jeweils 0.25 fuer B - C, A + C und A - C. Also 0.5 fuer A insgesamt. Also ist A doppelt so wahrscheinlich wie B + C.
Moral der Geschichte: jede Zusatzannahme macht eine Theorie weniger wahrscheinlich.
Meint
Domingo
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1832790) Verfasst am: 16.04.2013, 13:16 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | - 0.5 ist die epistemische Wahrscheinlichkeit, die besteht, wenn wir (gelinde gesagt) keine Ahnung haben. Wir haben dann genau 50% Wahrscheinlichkeit, uns zu irren, wenn wir uns fuer eine der beiden Moeglichkeiten entscheiden. Oder? |
Nö, das leuchtet mir nicht ein. Eine Wahrscheinlichkeit von 50%, uns zu irren, haben wir mE nur dann, wenn wir eine gute Theorie über die Verteilung des Merkmals besitzen, oder wenn wir eine ausgezählte Stichprobe vorliegen haben.
Wie genau ist denn "epistemische Wahrscheinlichkeit" eigentlich definiert? Klingt irgendwie nach Philosophenkonstrukt ...
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1832866) Verfasst am: 16.04.2013, 17:31 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | Ich nehme an, Myron denkt an Bayes' Theorem?
Ich denke, das ist wohl der richtige Weg. Zwar ist streng logisch keine Theorie wirklich widerlegbar, weil man sie immer durch Zusatzannahmen retten kann; dennoch wird durch jede ad hoc-Annahme (d.h. eine, fuer die es unabhaengig von der zu rettenden Theorie keine Bestaetigung gibt) die Wahrscheinlichkeit der Theorie geringer, bis sie irgendwann als praktisch widerlegt gelten kann. |
"The idea that the probability calculus provides the key to understanding the relation of confirmation is central to Bayesianism, the dominant view within contemporary confirmation theory. An examination of Bayesianism will not be undertaken here. Instead, we will simply take note of the explication of the concept of evidence which the Bayesian offers. At the outset of the present section, we noted that evidence confirms a theory just in case that evidence makes the theory more likely to be true; evidence disconfirms a theory just in case the evidence renders the theory less likely to be true. The Bayesian takes these platitudes at face value and offers the following probabilistic explication of what it is for E to be evidence for H:
E is evidence for H if and only if Prob(H/E) > Prob(H).
That is, E is evidence for H just in case the conditional probability of H on E is greater than the unconditional probability of H. Thus, the fact that the suspect's blood is on the knife is evidence for the hypothesis that the suspect committed the murder if and only if the probability that the suspect committed the murder is greater given that his blood is on the knife than it would be otherwise.
Similarly
E is evidence against H if and only if Prob(H/E) < Prob(H).
That is, E is evidence against H just in case the conditional probability of H on E is less than the unconditional probability of H. Thus, the fact that the suspect's fingerprints are not on the knife is evidence against the hypothesis that the suspect committed the murder if and only if the probability that the suspect committed the murder is lower given the absence of his fingerprints on the knife than it would be otherwise. Within this probabilistic model, verification (in the sense of conclusive confirmation) would involve bestowing probability 1 on an hypothesis while falsification would involve bestowing probability 0 on it."
http://plato.stanford.edu/entries/evidence/
Bayesian Epistemology: http://plato.stanford.edu/entries/epistemology-bayesian/
Interpretations of Probability > Logical Probability: http://plato.stanford.edu/entries/probability-interpret/#LogPro
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1832872) Verfasst am: 16.04.2013, 18:25 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | E is evidence for H if and only if Prob(H/E) > Prob(H).
That is, E is evidence for H just in case the conditional probability of H on E is greater than the unconditional probability of H. |
Ja, genau. Und das kann man eben nur auswerten, wenn man Prob(H/E) kennt. Man hat also mit diesem semantischen Spielchen zwischen "evidence" und "conditional probability" nichts gewonnen in bezug auf die Frage, wie wahrscheinlich eine Theorie denn nun wahr ist.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#1832899) Verfasst am: 16.04.2013, 19:32 Titel: |
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Man kann das Problem vielleicht ganz gut mit der "beads task" veranschaulichen.
Der Versuchsleiter (VL) wählt zufällig eine der beiden Urnen, der Proband weiß aber nicht welche. Dann zieht der VL nach und nach Kugeln aus der gewählten Urne und der Proband soll einschätzen aus welcher Urne sie stammen. Die Aufgabe kann der Proband eigentlich nur lösen, wenn der die Farbverhältnisse in beiden Urnen und deren Basiswahrscheinlichkeit kennt.
Man kann sich jetzt vorstellen, die beiden Urnen repräsentieren das Zutreffen (Urne A) bzw. Nichtzutreffen (Urne B) einer Theorie. Eine grüne Kugeln steht für eine bestätigende Beobachtung, eine Gelbe für eine widersprechende Beobachtung.
_________________ posted by Babyface
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Domingo ungläubig
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 1167
Wohnort: Westkanada
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(#1832907) Verfasst am: 16.04.2013, 19:58 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Domingo hat folgendes geschrieben: | - 0.5 ist die epistemische Wahrscheinlichkeit, die besteht, wenn wir (gelinde gesagt) keine Ahnung haben. Wir haben dann genau 50% Wahrscheinlichkeit, uns zu irren, wenn wir uns fuer eine der beiden Moeglichkeiten entscheiden. Oder? |
Nö, das leuchtet mir nicht ein. Eine Wahrscheinlichkeit von 50%, uns zu irren, haben wir mE nur dann, wenn wir eine gute Theorie über die Verteilung des Merkmals besitzen, oder wenn wir eine ausgezählte Stichprobe vorliegen haben.
Wie genau ist denn "epistemische Wahrscheinlichkeit" eigentlich definiert? Klingt irgendwie nach Philosophenkonstrukt ... |
Ist sie vermutlich auch... Und doch leuchtet sie mir vollkommen ein. Nimm mal einen schlechten Schueler (S), der nix gelernt hat. Die Klassenarbeit besteht aus einer Reihe von Fragen, auf die man nur mit Ja oder Nein antworten kann. S antortet die Fragen nur durch Herumraten, da er ja keine Ahnung hat. Ich behaupte mal, er wird mit ungefaehr 50% der Antworten richtig liegen. Leuchtet Dir das ein?
Bei der naechsten Klassenarbeit weiss S immer noch gar nichts, doch diesmal geht es darum, fuer jede Frage eine von 4 Antworten zu waehlen. S raet nochmal herum. Ich behaupte mal, diesmal wird er bei 25% der Antowrten richtig liegen. Leuchtet Dir das ein?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1832912) Verfasst am: 16.04.2013, 20:05 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | ... Eine Wahrscheinlichkeit von 50%, uns zu irren, haben wir mE nur dann, wenn wir eine gute Theorie über die Verteilung des Merkmals besitzen, oder wenn wir eine ausgezählte Stichprobe vorliegen haben. ... | ... Nimm mal einen schlechten Schueler (S), der nix gelernt hat. |
Das heißt immerhin, wir haben schon eine gute Theorie über den Wissensstand dieses Schülers.
Domingo hat folgendes geschrieben: | Die Klassenarbeit besteht aus einer Reihe von Fragen, auf die man nur mit Ja oder Nein antworten kann. S antortet die Fragen nur durch Herumraten, da er ja keine Ahnung hat. Ich behaupte mal, er wird mit ungefaehr 50% der Antworten richtig liegen. Leuchtet Dir das ein? |
Jawohl. Da wir eine gute Theorie über den Wissensstand von S, sowie eine gute Theorie über das Raten haben, können wir eine Wahrscheinlichkeit zuweisen.
Domingo hat folgendes geschrieben: | Bei der naechsten Klassenarbeit weiss S immer noch gar nichts, doch diesmal geht es darum, fuer jede Frage eine von 4 Antworten zu waehlen. S raet nochmal herum. Ich behaupte mal, diesmal wird er bei 25% der Antowrten richtig liegen. Leuchtet Dir das ein? |
Ja, tut es. Gleicher Grund wie oben.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Domingo ungläubig
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 1167
Wohnort: Westkanada
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(#1832915) Verfasst am: 16.04.2013, 20:08 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | E is evidence for H if and only if Prob(H/E) > Prob(H).
That is, E is evidence for H just in case the conditional probability of H on E is greater than the unconditional probability of H. |
Ja, genau. Und das kann man eben nur auswerten, wenn man Prob(H/E) kennt. Man hat also mit diesem semantischen Spielchen zwischen "evidence" und "conditional probability" nichts gewonnen in bezug auf die Frage, wie wahrscheinlich eine Theorie denn nun wahr ist. |
Wir haben eine Theorie (T) and die Beobachtungen (E[vidence]). Bayes' Theorem lautet nun:
P(T/E) = P(T) x P(E/T) / etc. pp. (kennst Du schon)
Nun habe ich bei meinem Beispiel einfach vorausgesetzt, dass E gleich gut zu zwei verschiedenen Theorien passt, also alleine kein Entscheidungskriterium darstellt. Daher P(E/T) = 0.5. So kann es nur an P(T) haengen - also daran, wie wahrscheinlich T an und fuer sich ist. Und da kommt Ockams Rasiermesser zu Hilfe, wie ich ihn ober erklaert habe: jede zusaetzliche Annahme halbiert P(T).
Also ich finde das voellig einleuchtend Und es wird zumindest in Disziplinen angewandt (etwa Archaeologie, hab ich gehoert), wo man nur wenig E hat und E auch nicht gleich nach Belieben prodizieren kann. Physiker werden hingegen wohl kaum Interesse an Wahrshcienlichkeitsrechnung haben...
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#1832919) Verfasst am: 16.04.2013, 20:16 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | ... So kann es nur an P(T) haengen - also daran, wie wahrscheinlich T an und fuer sich ist. Und da kommt Ockams Rasiermesser zu Hilfe, wie ich ihn ober erklaert habe: jede zusaetzliche Annahme halbiert P(T). |
Nein, eine zusätzliche Annahme halbiert nur dann, wenn diese Annahme bekanntermaßen gleichwahrscheinlich wie ihr Gegenteil ist.
Hier übrigens noch ein konstruktiver Vorschlag (Nobelpreis dürft Ihr Euch teilen ):
Statt die (unbekannten und fragwürdigen) Wahrscheinlichkeiten von Zusatzannahmen heranzuziehen, könnte man folgendermaßen vorgehen: Von zwei Theorien (mit beliebign Zusatzannahmen) ist bei gleicher überprüfbarer Voraussagekraft diejenige beser, die ihre Voraussagen einfacher berechnet.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1832922) Verfasst am: 16.04.2013, 20:21 Titel: |
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EDIT: Mist, gibt es schon:
K. Kelly: Efficient Convergence Implies Ockham’s Razor. In Claudio Delrieux (Editor): Proceedings of the 2002 International Workshop on Computational Models of Scientific Reasoning and Applications. Bogart, GA: CSREA.
K.Kelly: A New Solution to the Puzzle of Simplicity. Philosophy of Science, 74, 561–573, 2007
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Domingo ungläubig
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 1167
Wohnort: Westkanada
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(#1832924) Verfasst am: 16.04.2013, 20:22 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Das heißt immerhin, wir haben schon eine gute Theorie über den Wissensstand dieses Schülers.
[...]
Jawohl. Da wir eine gute Theorie über den Wissensstand von S, sowie eine gute Theorie über das Raten haben, können wir eine Wahrscheinlichkeit zuweisen.
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Die gute Theorie uebers Raten haben wir schon, es nennt sich "Wahrscheinlichkeitstheorie Und der Wissensstand von S ist doch derselbe wie der Wissensstand eines Wissenschaftlers, der gar nicht weiss, wie er sich zwischen zwei Theorien entscheiden soll - also wohl... raten muss?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1832932) Verfasst am: 16.04.2013, 20:29 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Da wir eine gute Theorie über den Wissensstand von S, sowie eine gute Theorie über das Raten haben, können wir eine Wahrscheinlichkeit zuweisen. | Die gute Theorie uebers Raten haben wir schon, es nennt sich "Wahrscheinlichkeitstheorie |
Nicht ganz. Aber egal.
Domingo hat folgendes geschrieben: | Und der Wissensstand von S ist doch derselbe wie der Wissensstand eines Wissenschaftlers, der gar nicht weiss, wie er sich zwischen zwei Theorien entscheiden soll - also wohl ... raten muss? |
Vorsicht! Daraus folgt nur, daß der Wissenschaftler mit 50% die eine Theorie rät und mit 50% die andere, nichts jedoch über deren Wahrheitsgehalt - außer Du steckst das herein.
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Domingo ungläubig
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 1167
Wohnort: Westkanada
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(#1832935) Verfasst am: 16.04.2013, 20:31 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | eine zusätzliche Annahme halbiert nur dann, wenn diese Annahme bekanntermaßen gleichwahrscheinlich wie ihr Gegenteil ist.
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Und das "wissen" wir nach meiner Ansicht, wenn wir keine aeusseren Kriterien haben, um die eine oder andere zu unterscheiden (*). Wann wissen wir es nach Deiner Ansicht?
(*) Wenn wir Kriterien haben, dann koennen wir bestimmen, dass die Wahrscheinlichkeit nicht halbiert, sondern nach einer anderen Ratio verringert wird. Nat. ist mein Beispiel nur das einfachste, das ich konstruieren kann.
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pera auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 01.07.2009 Beiträge: 4256
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(#1832943) Verfasst am: 16.04.2013, 20:57 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Domingo hat folgendes geschrieben: | Und der Wissensstand von S ist doch derselbe wie der Wissensstand eines Wissenschaftlers, der gar nicht weiss, wie er sich zwischen zwei Theorien entscheiden soll - also wohl ... raten muss? |
Vorsicht! Daraus folgt nur, daß der Wissenschaftler mit 50% die eine Theorie rät und mit 50% die andere, nichts jedoch über deren Wahrheitsgehalt - außer Du steckst das herein. |
Das ist ein wichtiger Punkt. Es könnten z.B. beide Theorien falsch sein, dann kannst du deine Methode vergessen. Das ist ein Unterschied zu den Fragen an den unwilligen Schüler, da ist eine von zwei oder vier richtig. Das setzt du voraus und nur deshalb wunderst du dich nicht wenn dieser 25% oder 50%
richtige Antworten produziert.
Ich fürchte dein Plan funktioniert so nicht.
(Und, zeig mir mal zwei halbwegs mächtige Theorien in der Physik, die beide haargenau gleich wahrscheinlich sind, und bei denen der Physiker vor der Entscheidung steht: die oder die. So er wirklich müsste wird er sich wohl entscheiden, aber wird sicher keine Münze werfen, sondern aufgrund von persönlicher Vorliebe, Einfachheit, der Tatsache dass er an einer mitgewirkt hat, die eine oder andere wählen)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1832946) Verfasst am: 16.04.2013, 21:12 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | eine zusätzliche Annahme halbiert nur dann, wenn diese Annahme bekanntermaßen gleichwahrscheinlich wie ihr Gegenteil ist.
| Und das "wissen" wir nach meiner Ansicht, wenn wir keine aeusseren Kriterien haben, um die eine oder andere zu unterscheiden (*). Wann wissen wir es nach Deiner Ansicht? |
Habe ich oben schon geschrieben: Wenn wir
- eine gute Theorie für die Annahme haben, oder
- wenn wir eine gute Stichprobe für die Häufigkeit der Annahme haben.
Beides war von Dir p.d. ausgeschlossen, daher können wir - ohne weiteres - keine Wahrscheinlichkeitsaussage treffen.
Der zweite Punkt ist übrigens selbst wieder epistemologisch nicht unproblematisch, aber das ist wieder ein anderes Problem.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1832948) Verfasst am: 16.04.2013, 21:14 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Das heißt immerhin, wir haben schon eine gute Theorie über den Wissensstand dieses Schülers.
[...]
Jawohl. Da wir eine gute Theorie über den Wissensstand von S, sowie eine gute Theorie über das Raten haben, können wir eine Wahrscheinlichkeit zuweisen.
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Die gute Theorie uebers Raten haben wir schon, es nennt sich "Wahrscheinlichkeitstheorie Und der Wissensstand von S ist doch derselbe wie der Wissensstand eines Wissenschaftlers, der gar nicht weiss, wie er sich zwischen zwei Theorien entscheiden soll - also wohl... raten muss? |
Ich glaub, du musst nochmal die Stochastikveranstaltung wiederholen.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1832950) Verfasst am: 16.04.2013, 21:17 Titel: |
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@pera: Ja, genau.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Domingo ungläubig
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 1167
Wohnort: Westkanada
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(#1833005) Verfasst am: 17.04.2013, 01:38 Titel: |
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pera hat folgendes geschrieben: |
Ich fürchte dein Plan funktioniert so nicht.
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Der einzige Plan, den ich je hatte, war, eine formale Rechtfertigung von Ockams Prinzip zu bieten (um damit der Unschaerfe des Falsifikationsbegriffes zu begegnen, falls es noetig sein sollte - ok, es ist offenbar ganz unnoetig...). Daher versuchte ich, auf Bayessche Art den Grundsatz zu beweisen, dass ad hoc-Annahmen die a-priori-Wahrscheinlichkeit einer Theorie senken. Keine ad hoc-Annahmen liegen in den von step beschriebenen Faellen vor:
Zitat: | Habe ich oben schon geschrieben: Wenn wir
- eine gute Theorie für die Annahme haben, oder
- wenn wir eine gute Stichprobe für die Häufigkeit der Annahme haben. |
Dann wird eben die a-priori-Wahrscheinlichkeit der Theorie samt Annahme erhoeht. Der casus belli war, dass ich bei fehlenden Kriterien von einer Wahrscheinlichkeit von 0.5 ausging. Aber dann
Zitat: | Beides war von Dir p.d. ausgeschlossen, daher können wir - ohne weiteres - keine Wahrscheinlichkeitsaussage treffen. |
Ich lerne gerne dazu, also frage ich (keine rhetorische Frage, es interessiert mich wirklich): Wann koennen wir dann eine Wahrscheinlichkeitsaussage treffen? Mit anderen Worten, wann ist (um auf Deine zitierten Kriterien zurueckzukommen) eine Theorie bzw. Stichprobe "gut" genug, dass wir Zahlen in die Bayessche Formel hineinfuegen koennen?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1833040) Verfasst am: 17.04.2013, 10:14 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | Wann koennen wir dann eine Wahrscheinlichkeitsaussage treffen? Mit anderen Worten, wann ist (um auf Deine zitierten Kriterien zurueckzukommen) eine Theorie bzw. Stichprobe "gut" genug, dass wir Zahlen in die Bayessche Formel hineinfuegen koennen? |
Nehmen wir den Fall mit Stichprobe: Wo wir da die Grenze ziehen, hat etwas mit Signifikanz zu tun. Wir könnten z.B. sagen: Wir möchten eine Signifikanz x. Daraus können wir ableiten, wie groß unsere Stichprobe sein muß. Was wir damit erhalten (und zwar mit oder ohne Bayes), ist eine "Konfidenz", also ein - letztlich wieder empirisch fundiertes - Vertrauenslevel in unsere Theorie bezüglich ihrer Prognose.
Diese Vorgehensweise scheint mir einigermaßen sauber, hat allerdings (für Philosophen) den Nachteil, daß sie nichts über die Wahrheit einer Theorie aussagt, auch nicht über ihre wahrscheinliche Wahrheit. Sondern nur darüber, wie gut wir nach bisherigem empirischen Stand auf die berechneten Prognosen vertrauen können. Es spricht also bis hierher nichts dagegen, daß auch eine andere Theorie, auch mit Zusatzannahmen, ein ähnliches Konfidenzlevel erreicht.
Daher muß man, um zwischen solchen Theorien qualitativ zu unterscheiden, andere Methoden verwenden:
- entweder man dehnt den Prognosebereich und die empirische Fundierung weiter aus, so daß eine Theorie falsifiziert wird
- oder man wählt ein pragmatisches Kriterium für die Güte ansonsten vergleichbar mächtiger Theorien - mein Vorschlag war idZ die algorhithmische Einfachheit des entsprechenden Simulators
Aus der Theorie der Berechnungskomplexität kann man dann übrigens, wie oben angedeutet, eine Art Rechtfertigung von Occam's Razor ableiten. Über die Wahrscheinlichkeiten geht das mE nicht.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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fwo Caterpillar D9
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(#1833056) Verfasst am: 17.04.2013, 11:41 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | ....
Aus der Theorie der Berechnungskomplexität kann man dann übrigens, wie oben angedeutet, eine Art Rechtfertigung von Occam's Razor ableiten. Über die Wahrscheinlichkeiten geht das mE nicht. |
Das mit den Wahrscheinlichkeiten halte ich auch aus einer anderen Blickrichtung für eine fixe Idee: Wahrscheinlichkeiten sind numerische Werte, die auf dem Versuch einer rein mathematischen Beschreibung des Problems beruhen.
Das geht beim Würfel, besonders beim idealen Würfel hervorragend. Du hast da einen Ereignisgenarator, der dir - gleich verteilt - x sauber voneinander getrennte Ereignisse liefert. Aber unsere Welt besteht nicht aus Würfeln, sondern wir haben Prozesse, die umkehrbar sind, andere sind es nicht, wir haben welche mit voneinander unterscheidbaren Zuständen, andere wageln irgendwo in einem x-dimensionalen Kontinuum umher. Kurz: Wer da mit einer Würfeltheorie daherkommt, kann nicht anders als scheitern.
Also auf die Theorie verzichten und die Wahrscheinlichkeiten einfach aus den Häufigkeiten in der Gesamtheit ableiten? Ist im Moment praktikabel. Aber ich brauch die Theorie, um wenigstens ansatzweise sicherzustellen, dass ich mein Objekt überhaupt in allen Parametern erfasst habe, die am Zustandekommen meiner gezählten Zustände beteiligt sind, sogar um zu begründen, warum ich überhaupt die Zustände genommen habe, die ich ausgezählt habe und dass es sich überhaupt um zählbare Zustaände handelt und nicht um Fehlleistungen unseres natürlichen oder technischen Sensoriums.
Dazu kommt noch als weiteres Problem die Komplexität der Welt: Wenn wir uns einen ganz kleinen Teilaspekt auf der untersten Ebene herausgreifen, wird der für uns untersuchbar und in der Konsequenz auch irgendwann wahrscheinlich beschreibbar - wenn wir versuchen, aus dem Wissen aus den untersten Ebenen die darüberliegenden zu erklären, bekommen wir Schwierigkiten: Wir stellen irgendwann fest, dass unsere Vorhersagen um so ungenauer werden, wenn nicht gänzlich unmöglich, je präziser wir den Gegenstand beschreiben wollen - man stelle sich einmal spaßeshalber ein qunatentheoretisches Modell Kim Il Uns vor.
Wir werden also bei der Theoretisierung der Welt nicht darum herumkommen, uns von der Praxis leiten zu lassen und dabei gleichzeitig bei Ebenenwechseln immer wieder fast von vorn anzufangen und die Vorhersagepräzision bereits im Ansatz zu verringern. Ein komplettes theoretisches Erschließen der Welt ist ein Witz. Vor diesem gewinnen Hintergrund Wahrscheinlichkeiten eine andere Bedeutung.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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step registriert
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(#1833076) Verfasst am: 17.04.2013, 13:07 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Das geht beim Würfel, besonders beim idealen Würfel hervorragend. Du hast da einen Ereignisgenarator, der dir - gleich verteilt - x sauber voneinander getrennte Ereignisse liefert. |
Ja, und daß wir das so sagen können, liegt wie gesagt daran, daß wir eine gute Theorie des Würfelns haben (oder wahlweise viel Würfelerfahrung).
fwo hat folgendes geschrieben: | Also auf die Theorie verzichten und die Wahrscheinlichkeiten einfach aus den Häufigkeiten in der Gesamtheit ableiten? Ist im Moment praktikabel. Aber ich brauch die Theorie, um wenigstens ansatzweise sicherzustellen, dass ich mein Objekt überhaupt in allen Parametern erfasst habe, die am Zustandekommen meiner gezählten Zustände beteiligt sind, sogar um zu begründen, warum ich überhaupt die Zustände genommen habe, die ich ausgezählt habe und dass es sich überhaupt um zählbare Zustaände handelt und nicht um Fehlleistungen unseres natürlichen oder technischen Sensoriums. |
Ja, selbstverständlich! Ich habe keineswegs gegen den Nutzen von Theorien argumentiert, ganz im Gegenteil. Man braucht sie zur Reduktion, also zur Berechnung und zur Erklärung (was letztlich dasselbe ist). Mir ging es nur darum, daß man die Wahrscheinlichkeit einer unüberprüften Zusatzannahme nicht einfach so zu 50% annehmen kann.
fwo hat folgendes geschrieben: | Dazu kommt noch als weiteres Problem die Komplexität der Welt: Wenn wir uns einen ganz kleinen Teilaspekt auf der untersten Ebene herausgreifen, wird der für uns untersuchbar und in der Konsequenz auch irgendwann wahrscheinlich beschreibbar - wenn wir versuchen, aus dem Wissen aus den untersten Ebenen die darüberliegenden zu erklären, bekommen wir Schwierigkiten: Wir stellen irgendwann fest, dass unsere Vorhersagen um so ungenauer werden, wenn nicht gänzlich unmöglich, je präziser wir den Gegenstand beschreiben wollen - |
Ja, deswegen haben wir ja auch gute Theorien auf emergenten Ebenen.
fwo hat folgendes geschrieben: | man stelle sich einmal spaßeshalber ein qunatentheoretisches Modell Kim Il Uns vor. |
Ist hier die Unschärfe schon in den Stammbaum eingeflossen?
fwo hat folgendes geschrieben: | Wir werden also bei der Theoretisierung der Welt nicht darum herumkommen, uns von der Praxis leiten zu lassen und dabei gleichzeitig bei Ebenenwechseln immer wieder fast von vorn anzufangen und die Vorhersagepräzision bereits im Ansatz zu verringern. Ein komplettes theoretisches Erschließen der Welt ist ein Witz. |
Damit kann ich leben. Solange man jedoch immer noch große Erfolge und Fortschritt bei neuen Theorien auf allen Ebenen sieht, kann ich diese Frage aber auch offenlassen.
fwo hat folgendes geschrieben: | Vor diesem gewinnen Hintergrund Wahrscheinlichkeiten eine andere Bedeutung. |
Ja? Welche denn?
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26504
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(#1833085) Verfasst am: 17.04.2013, 14:26 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | ....
fwo hat folgendes geschrieben: | Vor diesem gewinnen Hintergrund Wahrscheinlichkeiten eine andere Bedeutung. |
Ja? Welche denn? |
Ich habe Dir zwar geantwortet, befinde mich aber in meiner gesamten Ausführung nicht im Widerspruch zu Dir. Und diesen Satz hätte ich explizit an Domingo adressieren müssen. sorry
fwo
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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Domingo ungläubig
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 1167
Wohnort: Westkanada
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(#1833276) Verfasst am: 18.04.2013, 04:18 Titel: |
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Koenntest Du dennoch erklaeren, welche andere Bedeutung Wahrscheinlichkeiten bekommen?
Ich habe keine Zeit, eine wohlueberlegte Antwort zu Euren Beitraegen zu posten, das werde ich wohl erst am Wochenende koennen. Nur kurz: anscheinend habe ich mir in den Fuss geschossen, als ich das Schuelerbeispiel brachte. Ich vertrete ja die ganze Zeit eigentlich eine subjektivistische Auffassung von Wahrscheinlichkeit, waehrend das Beispiel frequentistsch (?) war... Fuer step, pera und Dich ist Wahrscienlichkeit anscheinend etwas objektiv Existierendes, daher ist es moeglich, sie nicht zu kennen. Fuer mich ist sie nur ein Gradmesser subjektiver Gewissheit, so kennen wir sie nat. immer, denn wir wissen immer, wie sehr wir auf etwas vertrauen. Natuerlich aendert sich die so definierte Wahrscheinlichkeit mit nahezu jeder hinzukommenden Information. Bayes rechnet nur aus, wie sich diese subjektive Gewissheit jeweils aendert.
Besonders seltsam kommt mir daher auch die Aussage vor, wir koennten nichts ueber die "wahrscheinliche Wahrheit" einer Theorie wissen. Das setzt doch voraus, dass es nicht nur so etwas wie "im objektiven Sinne wahr" gibt (da gehe ich noch mit), sondern auch "im objektiven Sinne wahrscheinlich wahr" - und das ist nun etwas sonderbar...
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26504
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(#1833313) Verfasst am: 18.04.2013, 10:15 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | Koenntest Du dennoch erklaeren, welche andere Bedeutung Wahrscheinlichkeiten bekommen?
.....Ich vertrete ja die ganze Zeit eigentlich eine subjektivistische Auffassung von Wahrscheinlichkeit, waehrend das Beispiel frequentistsch (?) war... Fuer step, pera und Dich ist Wahrscienlichkeit anscheinend etwas objektiv Existierendes, daher ist es moeglich, sie nicht zu kennen. Fuer mich ist sie nur ein Gradmesser subjektiver Gewissheit, so kennen wir sie nat. immer, denn wir wissen immer, wie sehr wir auf etwas vertrauen. ..... |
@Domingo:
Auch nur kurz, weil ich im Moment gar nicht da bin: Das list sich für mich gerade, als hätte ein Philosoph in die Mathematik gekackt - und in der Tat, so kann man es wohl beschreiben.
Ich war so unvorsichtig, einfach mal in Wikipedia zu sehen und - siehe da - es gibt tatsächlich soetwas wie eine subjektivistische Wahrscheinlichkeit, mit der man. sehr bedingt, sogar rechenen kann.
Aber dazu mal etwas Grundsätzliches: Die Stochastik ist eine mathematische Disziplin. Die Mathematik lebt nicht nur von der Präzision ihrer Sprache, man kann sie sogar als Sprache beschreiben - und eine Präzision der Begriffe, die alltags- und damit philosophieuntauglich ist, ist auch den anderen Naturwissenschaften zu eigen - und sie sind auch so spezialisiert und weit getrieben, dass sie ohne diese Fachsprachen unmöglich werden.
Du streitest dich in diesem Forum - zumal bei diesem Thema - in der Regel mit Naturwissenschaftlern, für die Wahrscheinlichkeit ein Begriff aus ihrem bzw. aus dem mathematischen Werkzeugkasten ist, aber wir "vertreten" keine aleatorische oder ontische/objektive/statistische Wahrscheinlichkeit wir haben die Wahrscheinlichkeit so definiert, dass wir mit ihr das arbeiten können, was wir mit ihr arbeiten.
In diesem Zusammenhang und in dieser Gesprächsrunde ist es ähhh... zumindest unglücklich, den Begriff Wahrscheinlichkeit plötzlich anders zu definieren. Und da damit auch noch mathematisch operiert werden soll, wäre es besser gewesen, sich in der Mathematik eine neue Vokabel dafür auszudenken vielleicht Plausibilität (aber ist wohl zu spät dazu.).
Oder ganz kurz: Ich benutze den Wahrscheinlichkeitsbegriff anders als subjektivistisch und habe aus Gründen der Klarheit und oder Einfachheit des Denkens nicht vor das zu ändern.
fwo
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#1833326) Verfasst am: 18.04.2013, 10:43 Titel: |
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Domingo hat folgendes geschrieben: | Ich vertrete ja die ganze Zeit eigentlich eine subjektivistische Auffassung von Wahrscheinlichkeit, waehrend das Beispiel frequentistsch (?) war... Fuer step, pera und Dich ist Wahrscienlichkeit anscheinend etwas objektiv Existierendes, daher ist es moeglich, sie nicht zu kennen. |
Wie ich bereits oben schrieb, muß man nicht unbedingt die frequentistische Interpretation benutzen. Auch wenn man eine gute Theorie hat, kann man Wahrscheinlichkeiten berechnen (ohne Häufigkeiten tatsächlich zu zählen).
Domingo hat folgendes geschrieben: | Fuer mich ist sie nur ein Gradmesser subjektiver Gewissheit, so kennen wir sie nat. immer, denn wir wissen immer, wie sehr wir auf etwas vertrauen. Natuerlich aendert sich die so definierte Wahrscheinlichkeit mit nahezu jeder hinzukommenden Information. Bayes rechnet nur aus, wie sich diese subjektive Gewissheit jeweils aendert. |
"Subjektive Gewissheit" finde ich sehr gefährlich, weil sie ja nur angibt, wie sehr jemand auf etwas vertraut. Damit kann man (ohne weiteres) keinerlei begründete Voraussage machen. Es könnte völlig intuitiv sein, so wie viele Kreationisten-"Argumente".
Domingo hat folgendes geschrieben: | Besonders seltsam kommt mir daher auch die Aussage vor, wir koennten nichts ueber die "wahrscheinliche Wahrheit" einer Theorie wissen. Das setzt doch voraus, dass es nicht nur so etwas wie "im objektiven Sinne wahr" gibt (da gehe ich noch mit), sondern auch "im objektiven Sinne wahrscheinlich wahr" - und das ist nun etwas sonderbar... |
Ich habe den AUsdruck nur verwendet, um den Fehler aufzuzeigen, ich selbst glaube nicht an objektiv wahre Theorien, außer in formalen Kalkülen. Wir kamen ja vom Problem des Einflusses von Zusatzannahmen auf die "Richtigkeit" einer Theorie. Gerade ich bin es ja, der AUssagen über "objektive Wahrheit" zu vermeiden sucht. Ich habe eine ziemlich extrem relativistische / positivistische / pragmatische Deutung des Begriffs "Theorie", für mich ist eine gute Theorie einfach eine gut funktionierende Berechnungsvorschrift auf einer im Vergleich mit denm beschriebenen Phänomen reduzierten Ebene.
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