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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1874215) Verfasst am: 14.10.2013, 14:35 Titel: |
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Es wäre vielleicht mal interessant, die Kriterien dafür anzugeben und/oder zu sammeln, wann etwas als nicht existent gelten soll, und dann begründen, warum nicht.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874240) Verfasst am: 14.10.2013, 16:32 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Es wäre vielleicht mal interessant, die Kriterien dafür anzugeben und/oder zu sammeln, wann etwas als nicht existent gelten soll, und dann begründen, warum nicht. |
In der Erfahrungswissenschaft ist das entscheidende Kriterium, ob es irgendwelche wahrnehmbaren Anzeichen des Daseins gibt. Auf abstrakte Entitäten wie mathematische Objekte ist dieses Kriterium jedoch nicht anwendbar, da diese per definitionem weder direkt noch indirekt wahrnehmbar sind. Stattdessen wird von manchen Philosophen wie Quine wie folgt für die (Annahme der) Existenz mathematischer Abstrakta argumentiert:
1. Wir sollten uns ontologisch auf all und nur diejenigen Entitäten festlegen, deren Setzung für unsere besten wissenschaftlichen Theorien unabdingbar ist.
2. Mathematische Entitäten sind für unsere besten wissenschaftlichen Theorien unabdingbar.
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3. Folglich sollten wir uns ontologisch auf mathematische Entitäten festlegen.
Das entscheidende Kriterium ist hier nicht Wahrnehmbarkeit, sondern theoretische Unabdingbarkeit/Unverzichtbarkeit/Unentbehrlichkeit (Engl. indispensability).
Indispensability Arguments in the Philosophy of Mathematics: http://plato.stanford.edu/entries/mathphil-indis/
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1874247) Verfasst am: 14.10.2013, 16:56 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Es wäre vielleicht mal interessant, die Kriterien dafür anzugeben und/oder zu sammeln, wann etwas als nicht existent gelten soll, und dann begründen, warum nicht. |
Yep, guter Vorschlag. Gibt auch schon mindestens einen thread dazu.
Myron hat folgendes geschrieben: | In der Erfahrungswissenschaft ist das entscheidende Kriterium, ob es irgendwelche wahrnehmbaren Anzeichen des Daseins gibt. |
Diese Definition wirft heute mE viel zu kurz. Geht schon damit los: Was heißt "wahrnehmbar" und "Dasein" genau? Die Dafür nötige "Erkenntnistheorie" wird in der Moderne immer physikalischer und fällt letztlich zusammen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874282) Verfasst am: 14.10.2013, 19:01 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Myron hat folgendes geschrieben: | In der Erfahrungswissenschaft ist das entscheidende Kriterium, ob es irgendwelche wahrnehmbaren Anzeichen des Daseins gibt. |
Diese Definition wirft heute mE viel zu kurz. Geht schon damit los: Was heißt "wahrnehmbar" und "Dasein" genau? Die Dafür nötige "Erkenntnistheorie" wird in der Moderne immer physikalischer und fällt letztlich zusammen. |
Die Erkenntnistheorie enthält normative Elemente, die keine physikalische Theorie bereitstellen kann. Allein der zentrale Begriff der Rechtfertigung oder Begründung ist normativ. Die erkennnistheoretische Frage nach den (notwendigen/hinreichenden) Bedingungen der Rechtfertigung/Begründung einer Glaubung ist keine Tatsachenfrage. Eine rein deskriptive Epistemologie wäre nichts weiter als eine Psychologie der Glaubung, Glaubensveranlassung und Wissensbehauptung. Dagegen sucht die traditionelle, normative Epistemologie nach rationalen Gründen, die sich nicht auf bloße psychische oder soziale Ursachen reduzieren lassen. Die Vertreter der "naturalisierten Erkenntnistheorie" irren sich, wenn sie meinen, dass sich die normative Epistemologie vollständig durch die deskriptive Psychologie ersetzen lasse.
Das Wahrnehmbare/Beobachtbare vom Nichtwahrnehmbaren/Nichtbeobachtbaren klar abzugrenzen, ist hauptsächlich ein Problem des wissenschaftlichen Antirealismus, der auf dieser Unterscheidung beruht.
Da gibt es mehrere mögliche Definitionen:
"x ist beobachtbar/wahrnehmbar"
=def
(Man beachte, dass es zu jeder der folgenden Definitionen jeweils zwei Varianten gibt, welche zwischen gegenwärtiger, tatsächlicher und grundsätzlicher Wahrnehmbarkeit differenzieren: Alles gegenwärtig/tatsächlich Wahrnehmbare ist grundsätzlich wahrnehmbar; aber nicht alles gegenwärtig/tatsächlich Unwahrnehmbare ist grundsätzlich unwahrnehmbar.)
Der Begriff der Wahrnehmbarkeit wird aufsteigend immer weiter gefasst:
1. "x ist direkt und ohne technische Hilfsmittel mittels der Sinnesorgane menschlicher Lebewesen wahrnehmbar"
2. "x ist direkt oder indirekt sowie ohne technische Hilfsmittel mittels der Sinnesorgane menschlicher Lebewesen wahrnehmbar"
3. "x ist direkt sowie mit oder ohne technische Hilfsmittel mittels der Sinnesorgane menschlicher Lebewesen wahrnehmbar"
4. "x ist direkt oder indirekt sowie mit oder ohne technische Hilfsmittel mittels der Sinnesorgane menschlicher Lebewesen wahrnehmbar"
5. "x ist direkt und ohne technische Hilfsmittel mittels der Sinnesorgane menschlicher oder nichtmenschlicher Lebewesen wahrnehmbar"
6. "x ist direkt oder indirekt sowie ohne technische Hilfsmittel mittels der Sinnesorgane menschlicher oder nichtmenschlicher Lebewesen wahrnehmbar"
7. "x ist direkt sowie mit oder ohne technische Hilfsmittel mittels der Sinnesorgane menschlicher oder nichtmenschlicher Lebewesen wahrnehmbar"
8. "x ist direkt oder indirekt sowie mit oder ohne technische Hilfsmittel mittels der Sinnesorgane menschlicher oder nichtmenschlicher Lebewesen wahrnehmbar"
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874294) Verfasst am: 14.10.2013, 19:19 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: |
Das klingt, als müssten Naturalisten logische Empiristen/Positivisten sein und das semantische Verifikationsprinzip akzeptieren, dem zufolge unverifizierbare Aussagen sinnlos und somit wahrheitswertlos sind. Ich denke jedoch, dass Naturalisten keineswegs antimetaphysisch gesinnte logische Empiristen/Positivisten sein müssen. |
Ich denke, dass Naturalisten überhaupt keine Empiristen sein müssen. Das heißt, sie müssen weder radikale Empiristen sein, die glauben, dass alle Erkenntnis, alles Wissen aus der Erfahrung/Wahrnehmung statt, noch moderate Empiristen, die glauben, dass alle synthetische Erkenntnis, alles synthetische Wissen aus der Erfahrung/Wahrnehmung stammt.
Damit will ich allerdings nicht sagen, dass sich der Naturalismus epistemologisch mit dem radikalen Rationalismus verträgt, dem nach alle Erkenntnis, alles Wissen aus der Vernunft/dem Verstand stammt. Was sie durchaus vertreten dürfen, ist ein moderater Rationalismus, der die apriorische Rechtfertigung synthetischer Glaubungen (d.i. Fürwahrhaltungen synthetischer Aussagesätze) und die apriorische Erkenntnis synthetischer Wahrheiten für möglich, aber weder für unfehlbar noch für empirisch unbezwingbar hält.
Allgemein bin ich der Meinung, dass die epistemologische Debatte zwischen den Empiristen und den (moderaten) Rationalisten als eine innernaturalistische Debatte zu betrachten ist und nicht als eine, die (ausschließlich) zwischen Naturalisten und Nichtnaturalisten stattfindet.
Ich lehne jedenfalls die Auffassung ab, dass der Empirismus ein wesentlicher Teil des Naturalismus ist.
Ich betone erneut, dass für mich gilt: Naturalismus ≠ Szientismus! Der Empirismus ist selbstverständlich ein wesentlicher Teil dessen, was ich als Empirioszientismus bezeichne: Erfahrungswissenschaft über alles – sowohl in ontologischer, epistemologischer, als auch methodologischer Hinsicht!
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874313) Verfasst am: 14.10.2013, 19:54 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Diese Definition wirft heute mE viel zu kurz. Geht schon damit los: Was heißt "wahrnehmbar" und "Dasein" genau? |
Der Begriff des Daseins, der Existenz ist einer unserer einfachsten Grundbegriffe, und ich bezweifle, dass er sich mittels anderer Begriffe definieren lässt, die noch einfacher und noch leichter verständlich sind.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1874328) Verfasst am: 14.10.2013, 20:26 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | In der Erfahrungswissenschaft ist das entscheidende Kriterium, ob es irgendwelche wahrnehmbaren Anzeichen des Daseins gibt. |
Myron hat folgendes geschrieben: | Das Wahrnehmbare/Beobachtbare vom Nichtwahrnehmbaren/Nichtbeobachtbaren klar abzugrenzen, ist hauptsächlich ein Problem des wissenschaftlichen Antirealismus, der auf dieser Unterscheidung beruht. |
Wie jetzt, ist es für den Realisten doch nicht so entscheidend, sondern nur für den Antirealisten?
Myron hat folgendes geschrieben: | Da gibt es mehrere mögliche Definitionen: ... |
Ja, und die Realisten können nicht sagen, welche gilt. Aber nehmen wir mal die allerweiteste:
Myron hat folgendes geschrieben: | 8. "x ist direkt oder indirekt sowie mit oder ohne technische Hilfsmittel mittels der Sinnesorgane menschlicher oder nichtmenschlicher Lebewesen wahrnehmbar" |
Selbst die kann ich sehr leicht widerlegen: Welche Rolle sollte es spielen, ob die Wahrnehmung durch ein Lebewesen geschieht?
Es ist zudem unklar, was "indirekt" bedeutet, besonders in nicht mesokosmischen Situationen. Zum Beispiel kann man aufgrund von Experimenten mit Eigenzuständen ein mathematisches Modell aufstellen, demzufolge ein Quantensystem in einem Überlagerungszustand vorgelegen haben muß. Dieser würde aber bei der Beobachtung zerstört. Ist der Quantenzustand real oder nicht? Falls Du Dich hier noch zu einem "Ja" durchringen kannst, kann man weiter gehen: Was ist mit dem virtuellen Photon in einem Doppelspaltexperiment? Undsoweiter.
Letztlich kommt man zu einem Punkt, wo die Definition von "indirekt wahrnehmbarem Dasein" gezwungenermaßen sehr ähnlich wird wie das, was Du oben zu abstrakten (!) Entitäten zitiert hast - wenn man denn unbedingt Ontologie betreiben will:
Myron hat folgendes geschrieben: | 1. Wir sollten uns ontologisch auf all und nur diejenigen Entitäten festlegen, deren Setzung für unsere besten wissenschaftlichen Theorien unabdingbar ist. ... |
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1874331) Verfasst am: 14.10.2013, 20:33 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Diese Definition wirft heute mE viel zu kurz. Geht schon damit los: Was heißt "wahrnehmbar" und "Dasein" genau? | Der Begriff des Daseins, der Existenz ist einer unserer einfachsten Grundbegriffe, und ich bezweifle, dass er sich mittels anderer Begriffe definieren lässt, die noch einfacher und noch leichter verständlich sind. |
Leider ist dieser Begriff eben doch nicht so einfach, das scheint uns nur so in unserer haptischen, mesokosmischen Welt. Ähnlich wie "Raum", "Zeit", "Materie" usw. - unsere intuitiven Konzepte sind einfach und gut, aber irgendwo fransen sie aus und werden falsch. In der modernen Physik taugen die intuitiven Begriffe nicht mehr und müssen durch korrektere, leider auch immer mathematischere ersetzt werden.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874357) Verfasst am: 14.10.2013, 21:48 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Das Wahrnehmbare/Beobachtbare vom Nichtwahrnehmbaren/Nichtbeobachtbaren klar abzugrenzen, ist hauptsächlich ein Problem des wissenschaftlichen Antirealismus, der auf dieser Unterscheidung beruht. |
Wie jetzt, ist es für den Realisten doch nicht so entscheidend, sondern nur für den Antirealisten? |
Im Gegensatz zum wissenschaftlichen Realismus steht und fällt der wissenschaftliche Antirealismus mit dieser Unterscheidung.
"The distinction here between the observable and the unobservable reflects human sensory capabilities: the observable is that which can, under favourable conditions, be perceived using the unaided senses (for example, planets and platypuses); the unobservable is that which cannot be detected this way (for example, proteins and protons). This is to privilege vision merely for terminological convenience, and differs from scientific conceptions of observability, which generally extend to things that are detectable using instruments (Shapere 1982). The distinction itself has been problematized (Maxwell 1962, Churchland 1985, Musgrave 1985, Dicken & Lipton 2006), but if it is problematic, this is arguably a concern primarily for certain forms of antirealism, which adopt an epistemically positive attitude only with respect to the observable. It is not ultimately a concern for scientific realism, which does not discriminate epistemically between observables and unobservables per se."
http://plato.stanford.edu/entries/scientific-realism/
step hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Da gibt es mehrere mögliche Definitionen: ... |
Ja, und die Realisten können nicht sagen, welche gilt. Aber nehmen wir mal die allerweiteste:
Myron hat folgendes geschrieben: | 8. "x ist direkt oder indirekt sowie mit oder ohne technische Hilfsmittel mittels der Sinnesorgane menschlicher oder nichtmenschlicher Lebewesen wahrnehmbar" |
Selbst die kann ich sehr leicht widerlegen: Welche Rolle sollte es spielen, ob die Wahrnehmung durch ein Lebewesen geschieht?
Es ist zudem unklar, was "indirekt" bedeutet, besonders in nicht mesokosmischen Situationen. Zum Beispiel kann man aufgrund von Experimenten mit Eigenzuständen ein mathematisches Modell aufstellen, demzufolge ein Quantensystem in einem Überlagerungszustand vorgelegen haben muß. Dieser würde aber bei der Beobachtung zerstört. Ist der Quantenzustand real oder nicht? Falls Du Dich hier noch zu einem "Ja" durchringen kannst, kann man weiter gehen: Was ist mit dem virtuellen Photon in einem Doppelspaltexperiment? Undsoweiter. |
Mit "Wahrnehmung" meine ich "bewusste Wahrnehmung", d.i. "Empfindungen"; und zu Empfindungen sind nur Lebewesen fähig.
Ich nehme etwas x genau dann indirekt wahr, wenn ich etwas anderes y wahrnehme, das auf x hinweist und Rückschlüsse auf x ermöglicht (dank einer kausalen Verbindung von x and y). Einfache Beispiele sind das Sehen von Spiegelbildern oder von Tierspuren im Schnee. Und in der Naturwissenschaft ist das Wahrnehmen von Messergebnissen, die von technischen Geräten hervorgerufen und anzeigt werden, eine Art indirekter Wahrnehmung.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874361) Verfasst am: 14.10.2013, 22:01 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Leider ist dieser Begriff eben doch nicht so einfach, das scheint uns nur so in unserer haptischen, mesokosmischen Welt. Ähnlich wie "Raum", "Zeit", "Materie" usw. - unsere intuitiven Konzepte sind einfach und gut, aber irgendwo fransen sie aus und werden falsch. In der modernen Physik taugen die intuitiven Begriffe nicht mehr und müssen durch korrektere, leider auch immer mathematischere ersetzt werden. |
Der amerikanische Philosoph Wilfrid Sellars unterscheidet zwischen dem manifest image, dem augenscheinlichen, anschaulichen Bild (der Welt) und dem scientific image, dem wissenschaftlichen Bild (der Welt). Es steht außer Frage, dass sich aus Sicht der modernen Naturwissenschaft Letzteres von Ersterem unterscheidet und davon immer mehr abweicht. Das betrifft gewiss auch das Verständnis der physikalischen Grundbegriffe, aber nicht den ontologischen Grundbegriff der Existenz. Die Physiker können (vielleicht) empirisch herausfinden, was Raum, Zeit und Materie wirklich sind, aber nicht, was Existenz wirklich ist. Der Begriff der Existenz unterliegt keinem wissenschaftlichen Bedeutungswandel.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874365) Verfasst am: 14.10.2013, 22:20 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: |
Der Begriff des Daseins, der Existenz ist einer unserer einfachsten Grundbegriffe, und ich bezweifle, dass er sich mittels anderer Begriffe definieren lässt, die noch einfacher und noch leichter verständlich sind. |
Das soll allerdings nicht heißen, dass sich zu diesem Begriff gar nichts sagen lässt. Er mag undefinierbar sein, aber völlig unerläuterbar ist er nicht.
Wenn wir einem Gegenstand unseres Denkens oder Vorstellens Dasein/Existenz zuschreiben, dann sagen wir damit, dass sich seine Gegenständlichkeit nicht in bloßem Gedacht-, Vorgestellt- oder Gemeintsein erschöpft.
"»Sein« bedeutet zunächst als Existenz (Dasein) keine Qualität, keine dingliche Eigenschaft u. dgl., sondern die Meinung, daß ein Denkinhalt mehr bedeutet als ein bloßes Wort, eine bloße Vorstellung, Einbildung u. dgl., nämlich ein außer dem Denkakte und momentanen Erlebnis Vorfindbares, in einem allgemeinen, gesetzmäßigen Erlebniszusammenhange Enthaltenes. »A ist« bedeutet demnach: A ist der Name nicht eines Hirngespinstes, nicht eines Phantasiewesens, sondern der Name, Begriff eines zur Außen- oder Innenwelt Gehörenden, damit also dem bloßen Gedachtwerden selbständig Gegenüberstehenden, Unabhängigen, wenn auch deshalb noch nicht immer »Transzendente«. Der Existentialbegriff setzt schon die Wahrnehmung und Anerkennung bezw. Setzung einer Welt von Dingen, Eigenschaften und Beziehungen fester Art voraus. Das Existentialurteil (A ist, existiert. es gibt ein A) sagt aus, A sei der Begriff eines in der (Außen- oder Innen-)Welt Vorkommenden, Bestehenden, eines Gliedes des gesetzmäßigen Zusammenhanges möglicher Erlebnisse. In diesem Sinne kann alles Existenz haben: Physisches, Psychisches, Dinge, Eigenschaften, Beziehungen, wenn das Gedachte nur (mit Recht) mehr bedeutet als Gedachtes, insofern es eben bloß gedacht wird. Im engeren Sinne aber bedeutet Existieren, »Sein« noch mehr als das Mehr-als-gedachtwerden, es bedeutet das Für-sich-bestehen, ein Eigenes, Selbständiges, Wirkungsfähiges, eine Art Ich darstellen...."
SEIN: http://www.textlog.de/5080.html
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1874481) Verfasst am: 15.10.2013, 13:53 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Leider ist dieser Begriff eben doch nicht so einfach, das scheint uns nur so in unserer haptischen, mesokosmischen Welt. Ähnlich wie "Raum", "Zeit", "Materie" usw. - unsere intuitiven Konzepte sind einfach und gut, aber irgendwo fransen sie aus und werden falsch. In der modernen Physik taugen die intuitiven Begriffe nicht mehr und müssen durch korrektere, leider auch immer mathematischere ersetzt werden. | Der amerikanische Philosoph Wilfrid Sellars unterscheidet zwischen dem manifest image, dem augenscheinlichen, anschaulichen Bild (der Welt) und dem scientific image, dem wissenschaftlichen Bild (der Welt). Es steht außer Frage, dass sich aus Sicht der modernen Naturwissenschaft Letzteres von Ersterem unterscheidet und davon immer mehr abweicht. Das betrifft gewiss auch das Verständnis der physikalischen Grundbegriffe, ... |
Bis dahin stimme ich zu.
Myron hat folgendes geschrieben: | "... aber nicht den ontologischen Grundbegriff der Existenz. |
Natürlich, das ist ja auch ein rein philosophischer Begriff. Dem entspricht in der Physik nichts. Falls doch, was?
Myron hat folgendes geschrieben: | Die Physiker können (vielleicht) empirisch herausfinden, was Raum, Zeit und Materie wirklich sind, aber nicht, was Existenz wirklich ist. Der Begriff der Existenz unterliegt keinem wissenschaftlichen Bedeutungswandel. |
So wie der Begriff "Gott"?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874526) Verfasst am: 15.10.2013, 16:29 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | "... aber nicht den ontologischen Grundbegriff der Existenz. | Natürlich, das ist ja auch ein rein philosophischer Begriff. Dem entspricht in der Physik nichts. Falls doch, was? |
Existenz ist zwar keine physikalische Eigenschaft, aber natürlich stellen sich auch in der Physik Existenzfragen, z.B.: Wie viele Arten von Elementarteilchen gibt es? Existiert das Higgs-Boson? Existieren Strings? Gibt es mehrere Universen?
Die Physiker wollen wissen, was Teil der physischen Wirklichkeit ist und was nicht.
step hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Die Physiker können (vielleicht) empirisch herausfinden, was Raum, Zeit und Materie wirklich sind, aber nicht, was Existenz wirklich ist. Der Begriff der Existenz unterliegt keinem wissenschaftlichen Bedeutungswandel. |
So wie der Begriff "Gott"? |
Nein.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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pera auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 01.07.2009 Beiträge: 4256
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(#1874547) Verfasst am: 15.10.2013, 17:15 Titel: |
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Wenn ihr so weitermacht brauche ich das Buch gar nicht mehr zu kaufen...
Myron hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: |
Der Begriff des Daseins, der Existenz ist einer unserer einfachsten Grundbegriffe, und ich bezweifle, dass er sich mittels anderer Begriffe definieren lässt, die noch einfacher und noch leichter verständlich sind. |
Das soll allerdings nicht heißen, dass sich zu diesem Begriff gar nichts sagen lässt. Er mag undefinierbar sein, aber völlig unerläuterbar ist er nicht.
Wenn wir einem Gegenstand unseres Denkens oder Vorstellens Dasein/Existenz zuschreiben, dann sagen wir damit, dass sich seine Gegenständlichkeit nicht in bloßem Gedacht-, Vorgestellt- oder Gemeintsein erschöpft.
"»Sein« bedeutet zunächst als Existenz (Dasein) keine Qualität, keine dingliche Eigenschaft u. dgl., sondern die Meinung, daß ein Denkinhalt mehr bedeutet als ein bloßes Wort, eine bloße Vorstellung, Einbildung u. dgl., nämlich ein außer dem Denkakte und momentanen Erlebnis Vorfindbares, in einem allgemeinen, gesetzmäßigen Erlebniszusammenhange Enthaltenes. »A ist« bedeutet demnach: A ist der Name nicht eines Hirngespinstes, nicht eines Phantasiewesens, sondern der Name, Begriff eines zur Außen- oder Innenwelt Gehörenden, damit also dem bloßen Gedachtwerden selbständig Gegenüberstehenden, Unabhängigen, wenn auch deshalb noch nicht immer »Transzendente«. Der Existentialbegriff setzt schon die Wahrnehmung und Anerkennung bezw. Setzung einer Welt von Dingen, Eigenschaften und Beziehungen fester Art voraus. Das Existentialurteil (A ist, existiert. es gibt ein A) sagt aus, A sei der Begriff eines in der (Außen- oder Innen-)Welt Vorkommenden, Bestehenden, eines Gliedes des gesetzmäßigen Zusammenhanges möglicher Erlebnisse. In diesem Sinne kann alles Existenz haben: Physisches, Psychisches, Dinge, Eigenschaften, Beziehungen, wenn das Gedachte nur (mit Recht) mehr bedeutet als Gedachtes, insofern es eben bloß gedacht wird. Im engeren Sinne aber bedeutet Existieren, »Sein« noch mehr als das Mehr-als-gedachtwerden, es bedeutet das Für-sich-bestehen, ein Eigenes, Selbständiges, Wirkungsfähiges, eine Art Ich darstellen...."
SEIN: http://www.textlog.de/5080.html |
Das habe ich jetzt gelesen, kann aber dennoch kein Kriterium ableiten, welches mir sagt, ob z.B. der Begriff "Menge" mehr ist als nur Gedachtes. Ob also Menge existiert.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1874558) Verfasst am: 15.10.2013, 18:01 Titel: |
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pera hat folgendes geschrieben: | Das habe ich jetzt gelesen, kann aber dennoch kein Kriterium ableiten, welches mir sagt, ob z.B. der Begriff "Menge" mehr ist als nur Gedachtes. Ob also Menge existiert. |
Warum scheint denn eine Menge für Dich etwas zu sein, was in Frage steht zu existieren?
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874561) Verfasst am: 15.10.2013, 18:14 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: |
Warum scheint denn eine Menge für Dich etwas zu sein, was in Frage steht zu existieren? |
Mengen sind abstrakte, nichtraumzeitliche Objekte, und als solche passen sie nicht ins naturalistische Weltbild, dem nach alles Wirkliche Teil der konkreten Welt von Raum und Zeit ist.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1874562) Verfasst am: 15.10.2013, 18:16 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | "... aber nicht den ontologischen Grundbegriff der Existenz. | Natürlich, das ist ja auch ein rein philosophischer Begriff. Dem entspricht in der Physik nichts. Falls doch, was? | Existenz ist zwar keine physikalische Eigenschaft, aber natürlich stellen sich auch in der Physik Existenzfragen, z.B.: Wie viele Arten von Elementarteilchen gibt es? Existiert das Higgs-Boson? Existieren Strings? Gibt es mehrere Universen? |
Ja, und die Antwort ist, wenn man den Begriff der Existenz denn unbedingt retten will, mE sehr ähnlich zu dem, was Du oben als Kriterium für abstrakte Entitäten zitiert hast, z.B.:
Strings existieren genau dann, wenn sie in unseren besten Theorien vorkommen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874564) Verfasst am: 15.10.2013, 18:21 Titel: |
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pera hat folgendes geschrieben: | Das habe ich jetzt gelesen, kann aber dennoch kein Kriterium ableiten, welches mir sagt, ob z.B. der Begriff "Menge" mehr ist als nur Gedachtes. Ob also Menge existiert. |
"Der Begriff der Existenz hat die Funktion, ein Gedachtes, ein in irgendwelcher Intention Gemeintes als nicht bloß Gemeintes, sondern eben Seiendes, d.i. die Intention möglicherweise Erfüllendes zu charakterisieren. Die Vorstellung ist keine leere, keine absurde oder falsche Vorstellung, sondern eine wahre, gegenständliche, eine Vorstellung, die nach idealer Möglichkeit gesprochen, in einer Wahrnehmung adäquate Erfüllung finden könnte."
(Husserl, Edmund. Allgemeine Erkenntnistheorie: Vorlesung 1902/03. Hrsg. v. Elisabeth Schuhmann. Dordrecht: Kluwer, 2001. S. 139)
Wahrnehmbarkeit oder Erfahrbarkeit mag als Existenzkriterium für konkrete Entitäten dienen, aber im Fall von abstrakten Entitäten nützt es nichts, da diese grundsätzlich unwahrnehmbar/unerfahrbar sind. Doch selbst im Fall bestimmter konkreter Entitäten wie anderer physischer Welten, die von der unsrigen raumzeitlich und ursächlich vollständig getrennt sind, wären empirische Kriterium nicht anwendbar. Es könnte auch sein, dass höhere Dimensionen für uns grundsätzlich unwahrnehmbar sind.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1874565) Verfasst am: 15.10.2013, 18:24 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: |
Warum scheint denn eine Menge für Dich etwas zu sein, was in Frage steht zu existieren? |
Mengen sind abstrakte, nichtraumzeitliche Objekte, und als solche passen sie nicht ins naturalistische Weltbild, dem nach alles Wirkliche Teil der konkreten Welt von Raum und Zeit ist. |
Ich glaube, ein Naturalist wird es schwer haben diese Auffassung zu verteidigen, wenn die Natur sowohl in im Großen als auch im Winzigen keine Raumzeitkoordinaten im klassischen Sinn aufweist. Die Raumzeit scheint laut Grundlagenforschung sich eher als eine begrenzte Region in der Realität zu entpuppen. Es ist aber schon schwierig diesen Umstand in der Umgangssprache zu formulieren. Die Region beinhaltet bereits eine räumliche Vorstellung.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1874567) Verfasst am: 15.10.2013, 18:36 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: |
Warum scheint denn eine Menge für Dich etwas zu sein, was in Frage steht zu existieren? |
Mengen sind abstrakte, nichtraumzeitliche Objekte, und als solche passen sie nicht ins naturalistische Weltbild, dem nach alles Wirkliche Teil der konkreten Welt von Raum und Zeit ist. |
Ich hab ja schon seit Beginn der Diskussion das Gefühl komplett abgehängt zu sein, ich versuch trotzdem mal eine Frage dazu.
Wie ist denn das mit 10 Schafen in einem Stall? Ist das nicht auch ne Menge, die aber raumzeitlich definiert ist?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874568) Verfasst am: 15.10.2013, 18:38 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Ja, und die Antwort ist, wenn man den Begriff der Existenz denn unbedingt retten will, mE sehr ähnlich zu dem, was Du oben als Kriterium für abstrakte Entitäten zitiert hast, z.B.:
Strings existieren genau dann, wenn sie in unseren besten Theorien vorkommen. |
Die physische Realität ist nicht physikabhängig, und die Existenz physischer Entitäten hängt nicht davon ab, dass sie von physikalischen Theorien postuliert wird. Wenn Strings existieren, dann verdanken sie ihre Existenz nicht einer physikalischen Theorie, sondern der physischen Realität.
Anders verhält es sich mit der folgenden Behauptung:
"Der Glaube an die Existenz von etwas ist nur dann gerechtfertigt, wenn es ein gesetzter Gegenstand einer wohlbestätigten (erfahrungs)wissenschaftlichen Theorie ist."
Hier haben wir es nicht mit einem Existenzkriterium, sondern mit einem Rechtfertigungskriterium zu tun.
Zuletzt bearbeitet von Myron am 15.10.2013, 18:39, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1874569) Verfasst am: 15.10.2013, 18:38 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: |
Warum scheint denn eine Menge für Dich etwas zu sein, was in Frage steht zu existieren? |
Mengen sind abstrakte, nichtraumzeitliche Objekte, und als solche passen sie nicht ins naturalistische Weltbild, dem nach alles Wirkliche Teil der konkreten Welt von Raum und Zeit ist. |
Ich hab ja schon seit Beginn der Diskussion das Gefühl komplett abgehängt zu sein, ich versuch trotzdem mal eine Frage dazu.
Wie ist denn das mit 10 Schafen in einem Stall? Ist das nicht auch ne Menge, die aber raumzeitlich definiert ist? |
Ich denke, es geht um die Menge selber. Nicht um eine Menge von Schafen.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1874574) Verfasst am: 15.10.2013, 18:47 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: |
Warum scheint denn eine Menge für Dich etwas zu sein, was in Frage steht zu existieren? |
Mengen sind abstrakte, nichtraumzeitliche Objekte, und als solche passen sie nicht ins naturalistische Weltbild, dem nach alles Wirkliche Teil der konkreten Welt von Raum und Zeit ist. |
Ich hab ja schon seit Beginn der Diskussion das Gefühl komplett abgehängt zu sein, ich versuch trotzdem mal eine Frage dazu.
Wie ist denn das mit 10 Schafen in einem Stall? Ist das nicht auch ne Menge, die aber raumzeitlich definiert ist? |
Ich denke, es geht um die Menge selber. Nicht um eine Menge von Schafen. |
Als abstraktes Gebilde macht nur die Leermenge Sinn. Alle anderen Mengen sind durch ihre Elemente definiert und besitzen damit Raumzeitkoordinaten. Oder hab ich's immer noch nicht kapiert?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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pera auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 01.07.2009 Beiträge: 4256
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(#1874578) Verfasst am: 15.10.2013, 19:03 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: |
Warum scheint denn eine Menge für Dich etwas zu sein, was in Frage steht zu existieren? |
Mengen sind abstrakte, nichtraumzeitliche Objekte, und als solche passen sie nicht ins naturalistische Weltbild, dem nach alles Wirkliche Teil der konkreten Welt von Raum und Zeit ist. |
Ich hab ja schon seit Beginn der Diskussion das Gefühl komplett abgehängt zu sein, ich versuch trotzdem mal eine Frage dazu.
Wie ist denn das mit 10 Schafen in einem Stall? Ist das nicht auch ne Menge, die aber raumzeitlich definiert ist? |
Ich denke, es geht um die Menge selber. Nicht um eine Menge von Schafen. |
Als abstraktes Gebilde macht nur die Leermenge Sinn. Alle anderen Mengen sind durch ihre Elemente definiert und besitzen damit Raumzeitkoordinaten. Oder hab ich's immer noch nicht kapiert? |
Wenn es so wäre, wie du schreibst Tom, dann bräuchte man den Begriff Menge gar nicht.
Wie Zelig sagt, geht es (mir) um den Begriff der Menge selbst.
Hier die Definition vom alten Cantor. (Es gibt noch andere)
Zitat: | Unter einer „Menge“ verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die „Elemente“ von M genannt werden) zu einem Ganzen. |
Die Elemente einer Menge können also zu den "konkreten Entitäten" (Schafe) oder zu den nur "gedachten" (Einhörner) gehören. Die Menge selber ist nach Myron kein "Teil der konkreten Welt von Raum und Zeit."
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874579) Verfasst am: 15.10.2013, 19:15 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: |
Mengen sind abstrakte, nichtraumzeitliche Objekte, und als solche passen sie nicht ins naturalistische Weltbild, dem nach alles Wirkliche Teil der konkreten Welt von Raum und Zeit ist. |
Ich glaube, ein Naturalist wird es schwer haben diese Auffassung zu verteidigen, wenn die Natur sowohl in im Großen als auch im Winzigen keine Raumzeitkoordinaten im klassischen Sinn aufweist. Die Raumzeit scheint laut Grundlagenforschung sich eher als eine begrenzte Region in der Realität zu entpuppen. Es ist aber schon schwierig diesen Umstand in der Umgangssprache zu formulieren. Die Region beinhaltet bereits eine räumliche Vorstellung. |
Eine Welt, auf die die Begriffe der Räumlichkeit und der Zeitlichkeit, der Ausdehnung und der Dauer nicht anwendbar sind, ist keine materielle/physische Welt. Die höchst allgemeine Behauptung, dass die konkrete Welt von Raum und Zeit die ganze Welt, die gesamte Wirklichkeit bildet, ist mit allen denkbaren physikalischen Entdeckungen bezüglich der grundlegenden Natur und Struktur von Raum und Zeit vereinbar.
Der Physiker Carlo Rovelli hat einen Aufsatz mit dem (übersetzten) Titel "Das Verschwinden von Raum und Zeit" geschrieben. Doch wenn man genau liest, stellt man fest, dass Rovellis Universum keineswegs ein nichtraumzeitliches Universum ist. Der Titel sollte genauer lauten "Das Verschwinden von Raum und Zeit als absoluten und substanziellen Hintergrundbehältern". Sein Universum besteht aus raumzeitlich ausgedehnten dynamischen Feldern und Objektstrukturen, die nicht in eine substanzielle Raumzeit eingebettet sind. Sein Modell steht in keinerlei Widerspruch zu der allgemeinen metaphysischen Annahme, dass die raumzeitliche Welt die gesamte Wirklichkeit bildet. Es finden sich darin raumzeitliche ausgedehnte Felder und Objekte sowie raumzeitliche Beziehungen zwischen diesen.
"Einstein’s discovery is that Newtonian space and time and the gravitational field are the same entity. There is a tradition of expressing this discovery saying that 'there is no gravitational field: space and time become dynamical’'. I think that this is a convoluted and misleading way of thinking, which does not do justice to Einstein’s discovery, and has the additional flaw of becoming meaningless as soon as we take into account the fact that the gravitational field has quantum properties. The clean way of expressing Einstein’s discovery is to say that there are no space and time: there are only dynamical objects. The world is made by dynamical fields. These do not live in, or on, spacetime: they form and exhaust reality. One of these fields is the gravitational field."
(p. 27)
"Conceptually, what disappears with GR is the idea of space as the 'container' of the physical world. As mentioned, this disappearance is not so revolutionary after all: to some extent it amounts to return to the pre-Newtonian view of space as a relation between equal-status physical entities. …With or without such an explicit reference to God, for three centuries space has been regarded as the preferred Entity with respect to which all other entities are located. In the 20th and 21st centuries and with GR we have been learning that we do not need this frame to keep reality in place. Reality keeps itself in place. Objects interact with other objects, and this is reality. Reality is the net of these interactions. We do not need an external entity to hold this net. We do not need Space, to hold the universe."
(p. 32)
"GR [= general relativity] inherits from SR [= special relativity] the melting of space and time into spacetime. Therefore the relational nature of space revealed by GR extends to time as well. It follows that in GR there is no background spacetime and therefore in particular no time along which things happen. GR teaches us that we must abandon the idea that the flow of time is an ultimate aspect of reality. The best description we can give of the world is not in terms of time evolution. The dynamics of GR itself cannot be cleanly described in terms of evolution in time."
(p. 33)
"Some people find the absence of time difficult to accept. I think that this is just a sort of nostalgia for the old Newtonian notion of an absolute 'Time' along which everything flows, a notion already shown by SR to be inappropriate for understanding the real world."
(p. 35)
(Rovelli, Carlo. "The Disappearance of Space and Time." In The Ontology of Spacetime, edited by Dennis Dieks, 25-36. Vol. 1 of Philosophy and Foundations of Physics, edited by Dennis Dieks and Miklos Redei. Amsterdam: Elsevier, 2006.)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1874581) Verfasst am: 15.10.2013, 19:18 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ja, und die Antwort ist, wenn man den Begriff der Existenz denn unbedingt retten will, mE sehr ähnlich zu dem, was Du oben als Kriterium für abstrakte Entitäten zitiert hast, z.B.:
Strings existieren genau dann, wenn sie in unseren besten Theorien vorkommen. | Die physische Realität ist nicht physikabhängig, und die Existenz physischer Entitäten hängt nicht davon ab, dass sie von physikalischen Theorien postuliert wird. |
Moment, ich stelle hier kein absolutes Wahrheitskriterium oder sowas auf, sondern es ging um ein Kriterium, wann wir von realer Existenz sprechen. Theorien / Modelle (nicht nur Physik) sind nunmal das beste und Einzige, was wir überhaupt sagen können. Also macht es noch am ehesten Sinn zu sgen, daß etwas existiert, wenn es in guten Theorien vorkommt.
Myron hat folgendes geschrieben: | Wenn Strings existieren, dann verdanken sie ihre Existenz nicht einer physikalischen Theorie, sondern der physischen Realität. |
Um eine Ursache ging es auch nicht.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1874583) Verfasst am: 15.10.2013, 19:23 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Eine Welt, auf die die Begriffe der Räumlichkeit und der Zeitlichkeit, der Ausdehnung und der Dauer nicht anwendbar sind (*), ist keine materielle/physische Welt. ... |
(*) und in der es kein Innen ohne Außen und kein Bonbon ohne endliche lutschbare Hüllfläche gibt
Sorry, konnte nicht widerstehen
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1874591) Verfasst am: 15.10.2013, 19:32 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: |
Mengen sind abstrakte, nichtraumzeitliche Objekte, und als solche passen sie nicht ins naturalistische Weltbild, dem nach alles Wirkliche Teil der konkreten Welt von Raum und Zeit ist. |
Ich glaube, ein Naturalist wird es schwer haben diese Auffassung zu verteidigen, wenn die Natur sowohl in im Großen als auch im Winzigen keine Raumzeitkoordinaten im klassischen Sinn aufweist. Die Raumzeit scheint laut Grundlagenforschung sich eher als eine begrenzte Region in der Realität zu entpuppen. Es ist aber schon schwierig diesen Umstand in der Umgangssprache zu formulieren. Die Region beinhaltet bereits eine räumliche Vorstellung. |
Eine Welt, auf die die Begriffe der Räumlichkeit und der Zeitlichkeit, der Ausdehnung und der Dauer nicht anwendbar sind, ist keine materielle/physische Welt. Die höchst allgemeine Behauptung, dass die konkrete Welt von Raum und Zeit die ganze Welt, die gesamte Wirklichkeit bildet, ist mit allen denkbaren physikalischen Entdeckungen bezüglich der grundlegenden Natur und Struktur von Raum und Zeit vereinbar.
Der Physiker Carlo Rovelli hat einen Aufsatz mit dem (übersetzten) Titel "Das Verschwinden von Raum und Zeit" geschrieben. Doch wenn man genau liest, stellt man fest, dass Rovellis Universum keineswegs ein nichtraumzeitliches Universum ist. Der Titel sollte genauer lauten "Das Verschwinden von Raum und Zeit als absoluten und substanziellen Hintergrundbehältern". Sein Universum besteht aus raumzeitlich ausgedehnten dynamischen Feldern und Objektstrukturen, die nicht in eine substanzielle Raumzeit eingebettet sind. Sein Modell steht in keinerlei Widerspruch zu der allgemeinen metaphysischen Annahme, dass die raumzeitliche Welt die gesamte Wirklichkeit bildet. Es finden sich darin raumzeitliche ausgedehnte Felder und Objekte sowie raumzeitliche Beziehungen zwischen diesen.
"Einstein’s discovery is that Newtonian space and time and the gravitational field are the same entity. There is a tradition of expressing this discovery saying that 'there is no gravitational field: space and time become dynamical’'. I think that this is a convoluted and misleading way of thinking, which does not do justice to Einstein’s discovery, and has the additional flaw of becoming meaningless as soon as we take into account the fact that the gravitational field has quantum properties. The clean way of expressing Einstein’s discovery is to say that there are no space and time: there are only dynamical objects. The world is made by dynamical fields. These do not live in, or on, spacetime: they form and exhaust reality. One of these fields is the gravitational field."
(p. 27)
"Conceptually, what disappears with GR is the idea of space as the 'container' of the physical world. As mentioned, this disappearance is not so revolutionary after all: to some extent it amounts to return to the pre-Newtonian view of space as a relation between equal-status physical entities. …With or without such an explicit reference to God, for three centuries space has been regarded as the preferred Entity with respect to which all other entities are located. In the 20th and 21st centuries and with GR we have been learning that we do not need this frame to keep reality in place. Reality keeps itself in place. Objects interact with other objects, and this is reality. Reality is the net of these interactions. We do not need an external entity to hold this net. We do not need Space, to hold the universe."
(p. 32)
"GR [= general relativity] inherits from SR [= special relativity] the melting of space and time into spacetime. Therefore the relational nature of space revealed by GR extends to time as well. It follows that in GR there is no background spacetime and therefore in particular no time along which things happen. GR teaches us that we must abandon the idea that the flow of time is an ultimate aspect of reality. The best description we can give of the world is not in terms of time evolution. The dynamics of GR itself cannot be cleanly described in terms of evolution in time."
(p. 33)
"Some people find the absence of time difficult to accept. I think that this is just a sort of nostalgia for the old Newtonian notion of an absolute 'Time' along which everything flows, a notion already shown by SR to be inappropriate for understanding the real world."
(p. 35)
(Rovelli, Carlo. "The Disappearance of Space and Time." In The Ontology of Spacetime, edited by Dennis Dieks, 25-36. Vol. 1 of Philosophy and Foundations of Physics, edited by Dennis Dieks and Miklos Redei. Amsterdam: Elsevier, 2006.) |
Ich verstehe das Zitat eher als Stellungnahme zu der alten Überlegung, ob der Raum erst durch Objekte konstituiert wird, oder, im Gegensatz dazu, als etwas Vorhandenes gedacht wird, worin sich die Dinge ausbreiten können.
Die Überlegung, die ich angesprochen habe, ist aber eher, wie man den Dingen, aufgrund der Möglichkeit sie in einem Raum-Zeitgefüge zu verorten, Existenz zusprechen (oder absprechen will), wenn die Realität Entitäten aufweist, bei denen diese Möglichkeit nicht gegeben ist.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1874598) Verfasst am: 15.10.2013, 19:43 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Ich hab ja schon seit Beginn der Diskussion das Gefühl komplett abgehängt zu sein, ich versuch trotzdem mal eine Frage dazu.
Wie ist denn das mit 10 Schafen in einem Stall? Ist das nicht auch ne Menge, die aber raumzeitlich definiert ist? |
Wenn die Menge jener 10 Schafe nichts weiter ist als die mereologische Summe jener 10 Schafe, dann hast du recht; denn dann sind die 10 Schafe mit der Menge identisch, und die Menge befindet sich folglich dort im Raum, wo sich die 10 Schafe befinden. Das heißt, wenn Mengen mereologische Summen sind, dann haben es hier nur mit 10 und nicht mit 11 Entitäten zu tun. Die Summe aus A und B, A+B, existiert, aber sie ist keine zusätzliche Entität, da A und B A+B sind, und A+B A und B ist. Wenn A und B konkrete Dinge sind, dann ist deren Summe A+B ebenfalls konkret.
Mengen als konkrete mereologische Summen sind durchaus Naturalismus-kompatibel.
Der modernen logisch-mathematischen Mengenauffassung nach, ist eine Menge jedoch von der Summe ihrer Mitglieder verschieden, sodass wir es in deinem Beispiel mit 11 Entitäten zu tun haben: 10 konkrete Entitäten (die Schafe) + 1 abstrakte Entität (die Menge der 10 Schafe).
Und die Schafmenge als abstraktes Objekt befindet sich nicht dort, wo sich ihre Mitglieder befinden, sondern sie befindet sich nirgendwo.
Allerdings behaupten einige wenige Philosophen doch tatsächlich, dass Mengen zumindest dann im Raum existieren, wenn ihre Mitglieder allesamt konkrete Objekte sind. Die Idee eines räumlich verorteten abstrakten Objekts ergibt für mich jedoch wenig Sinn, zumal es mir unmöglich erscheint, dass ein einziges ungeteiltes und unteilbares Objekt sich zugleich an räumlich getrennten Orten befinden kann. Bedenke, dass die zehn konkreten Schafe nicht alle ein und denselben Ort im Raum einnehmen.
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