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Was haltet Ihr von Nagels Buch? |
Ich habe es gelesen, das Buch ist grottenschlecht |
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Ich habe es gelesen und fand das Buch anregend aber mit Schwächen |
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Ich habe es gelesen und fand das Buch gut |
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Ich habe es nicht gelesen und werde es aufgrund der wirren Argumentation auch nicht tun |
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Ich möchte es lesen, muss mich wohl aber dazu zwingen |
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Ich möchte es lesen und freue mich schon sehr darauf |
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Nagel und das Thema seines Buch interessieren mich nicht die Bohne |
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Stimmen insgesamt : 20 |
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1881141) Verfasst am: 13.11.2013, 17:31 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Das Prinzip der Emergenz wurde ja bereits von Aristoteles formuliert:
"Das, was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet – nicht nach Art eines Haufens, sondern wie eine Silbe –, das ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner Bestandteile. Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a, und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde." |
Dass organisierte und strukturierte Gebilde mehr sind als bloße Haufen zusammengewürfelter Sachen, ist eine Binsenwahrheit, die niemand bestreitet. Was ich jedoch bestreite, ist, dass ein komplexes System in ontologischer Hinsicht mehr ist als eine Summe organisiert-strukturierter Elemente. Das bedeutet, dass sich Systeme nicht auf einer höheren Seinsebene befinden als ihre Elemente.
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Naastika RL rulez<->auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.11.2003 Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen
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(#1881144) Verfasst am: 13.11.2013, 17:42 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Das Prinzip der Emergenz wurde ja bereits von Aristoteles formuliert:
"Das, was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet – nicht nach Art eines Haufens, sondern wie eine Silbe –, das ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner Bestandteile. Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a, und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde." |
Dass organisierte und strukturierte Gebilde mehr sind als bloße Haufen zusammengewürfelter Sachen, ist eine Binsenwahrheit, die niemand bestreitet. Was ich jedoch bestreite, ist, dass ein komplexes System in ontologischer Hinsicht mehr ist als eine Summe organisiert-strukturierter Elemente. Das bedeutet, dass sich Systeme nicht auf einer höheren Seinsebene befinden als ihre Elemente. |
Und seine Existenz ist an die Existenz der Elemente gekoppelt.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1881163) Verfasst am: 13.11.2013, 19:17 Titel: |
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Naastika hat folgendes geschrieben: | Und seine Existenz ist an die Existenz der Elemente gekoppelt. |
yepp. Aber wie auch Myron schon schrieb, ist der Emergentismus nicht gerade unumstritten. Ich war mal auf einer Veranstaltung der Karl-Heim-Gesellschaft, da hat ein Mensch, der IIRC seine Habil über das Thema geschrieben hat, eine Kritik dieses Konzepts aus christlicher Sicht vorgetragen. Scheint schon so zu sein, dass zur Annahme der Erklärungskraft von 'Emergenz' eine gewisse Portion Glauben gehört. Das haben mir auch schon Menschen bestätigt, die wie ich einen nicht-reduktionistischen Emergentismus vertreten.
Aus der Sicht Nagels ist das schlicht keine Erklärung, sondern die Konstatierung eines 'brute facts', also nicht intelligibel.
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
Der Christengott ist immens schwach!
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1881169) Verfasst am: 13.11.2013, 19:29 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Naastika hat folgendes geschrieben: | Und seine Existenz ist an die Existenz der Elemente gekoppelt. |
yepp. Aber wie auch Myron schon schrieb, ist der Emergentismus nicht gerade unumstritten. Ich war mal auf einer Veranstaltung der Karl-Heim-Gesellschaft, da hat ein Mensch, der IIRC seine Habil über das Thema geschrieben hat, eine Kritik dieses Konzepts aus christlicher Sicht vorgetragen. Scheint schon so zu sein, dass zur Annahme der Erklärungskraft von 'Emergenz' eine gewisse Portion Glauben gehört. Das haben mir auch schon Menschen bestätigt, die wie ich einen nicht-reduktionistischen Emergentismus vertreten.
Aus der Sicht Nagels ist das schlicht keine Erklärung, sondern die Konstatierung eines 'brute facts', also nicht intelligibel. |
Setzt sich Nagel mit der Emergenztheorie auseinander oder tut er sie nur so ab, quasi als Störfaktor, mit dem er sich nicht befassen will?
Bzw.: Stellt Nagel die Emergenztheorie wenigstens korrekt dar?
Und was soll man von einer Kritik der Emergenztheorie aus christlicher Sicht (!??) halten - die zudem noch zu dem Schluss kommt, dass die Emergenz ein Glauben wäre?
Woran glaubt denn die Emergenztheorie und wie begründet diese ihren angeblichen Glauben?
Wie gesagt: Wie sieht die Auseinandersetzung aus, nicht die Schlussfolgerung, die Auseinandersetzung mit der Emergenztheorie?
Welche Argumente werden da vorgetragen?
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1881181) Verfasst am: 13.11.2013, 19:43 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Setzt sich Nagel mit der Emergenztheorie auseinander oder tut er sie nur so ab, quasi als Störfaktor, mit dem er sich nicht befassen will? |
nein, er kritisiert sie. Wie gesagt, aus seiner Sicht ermöglicht sie nicht, von einem intelligiblen Universum auszugehen.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Bzw.: Stellt Nagel die Emergenztheorie wenigstens korrekt dar? |
Mir wäre neu, dass es 'die' Emergenztheorie gibt, aber ich denke, dass Nagel durchaus korrekt darstellt.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Und was soll man von einer Kritik der Emergenztheorie aus christlicher Sicht (!??) halten |
Ein Argument ist ein Argument. Egal, wer es vorträgt.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | - die zudem noch zu dem Schluss kommt, dass die Emergenz ein Glauben wäre? |
Ich sprach von meinem Glauben (wie gesagt, ich vertrete einen nicht-reduktionistischen Emergentismus), die Charakterisierung stammt von einem Glaubensbruder im Emergentismus.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Woran glaubt denn die Emergenztheorie und wie begründet diese ihren angeblichen Glauben? |
Sie glaubt, dass mit 'Emergenz' etwas erklärt wäre.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Wie gesagt: Wie sieht die Auseinandersetzung aus, nicht die Schlussfolgerung, die Auseinandersetzung mit der Emergenztheorie? |
Müsste eigentlich in dem Buch stehen. Ich kann dir gerne die Seitenzahlen nennen oder bei Bedarf auch ein paar Zeilen posten. Aber, ganz unter uns, ich würde an deiner Stelle das Buch lesen, wenn ich etwas zur Diskussion beitragen möchte.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Welche Argumente werden da vorgetragen? |
Wie gesagt, aus Nagels Sicht, dass sie keine Erklärung ermöglicht, die intelligibel ist.
quotes gerichtet, hati
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
Der Christengott ist immens schwach!
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1881194) Verfasst am: 13.11.2013, 20:00 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: |
Emergenz ist durchaus nicht unumstritten. Im Weltbild Nagels erklärt sie nichts. |
Emergenz (im starken, ontologischen Sinn) erscheint Nagel "wie Magie" und "mysteriös".
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1881282) Verfasst am: 13.11.2013, 22:46 Titel: |
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Wen's interessiert:
Emergence in the IEP: http://www.iep.utm.edu/emergenc/
Emergence in the SEP: http://plato.stanford.edu/entries/properties-emergent/
"If we were pressed to give a definition of emergence, we could say that a property is emergent if it is a novel property of a system or an entity that arises when that system or entity has reached a certain level of complexity and that, even though it exists only insofar as the system or entity exists, it is distinct from the properties of the parts of the system from which it emerges."
—
"Wenn wir genötigt wären, eine Definition von Emergenz anzugeben, könnten wir sagen, dass eine Eigenschaft emergent ist, wenn sie eine neuartige Eigenschaft eines Systems oder einer Entität ist, die entsteht, wenn das System oder die Entität eine bestimmte Komplexitätsebene erreicht hat, und dass sie, obgleich sie nur insofern existiert, als das System oder die Entität existiert, von den Eigenschaften der Teile desjenigen Systems verschieden ist, woraus sie hervorgeht."
[© meine Übers.]
(http://www.iep.utm.edu/emergenc/)
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1881311) Verfasst am: 13.11.2013, 23:14 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: |
"If we were pressed to give a definition of emergence, we could say that a property is emergent if it is a novel property of a system or an entity that arises when that system or entity has reached a certain level of complexity..."
—
"Wenn wir genötigt wären, eine Definition von Emergenz anzugeben, könnten wir sagen, dass eine Eigenschaft emergent ist, wenn sie eine neuartige Eigenschaft eines Systems oder einer Entität ist, die entsteht, wenn das System oder die Entität eine bestimmte Komplexitätsebene erreicht hat..."
[© meine Übers.]
http://www.iep.utm.edu/emergenc/ |
Eine stillschweigende Voraussetzung des Emergentismus ist, dass komplexe Objekte oder Systeme als Ganze Eigenschaftsträger sind, und dass emergente Eigenschaften als systemische Eigenschaften reale Eigenschaften sind. Doch bereits das bestreite ich, weil ich meine, dass nur einfache, nichtkomplexe Objekte oder Substanzen echte Eigenschaftsträger sind. Und wenn Systeme überhaupt keine realen Eigenschaften haben, dann haben sie auch keine emergenten Eigenschaften.
Was man stattdessen sagen könnte, ist, dass Systeme strukturelle Eigenschaften haben; doch eine strukturelle Systemeigenschaft ist genauso wenig real wie eine emergente Systemeigenschaft. Die gesamte Beschaffenheit und das gesamte Verhalten eines Systems werden allein durch die Eigenschaften und Beziehungen seiner grundlegenden und einfachen Bestandteile bestimmt. Da gibt es keine zusätzlichen, ganzheitlichen Eigenschaften des Systems als Ganzem. Entsprechend sind Leben und Erleben (Bewusstsein) keine realen Eigenschaften. Das bedeutet natürlich nicht, dass es weder Lebewesen noch "Erlebewesen" gibt, sondern nur, dass am Leben oder bei Bewusstsein zu sein nicht darin besteht, die Eigenschaft des Lebens oder des Bewusstseins zu besitzen.
(Eine Substanz ist genau dann im mereologischen Sinne einfach, wenn sie keine substanziellen Teile hat. Sie kann aber sehr wohl nichtsubstanzielle, d.i. räumliche oder zeitliche Teile haben. Eine einfache materielle Substanz muss also keineswegs 0-dimensional sein.)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1881330) Verfasst am: 13.11.2013, 23:41 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Ich kann dir gerne die Seitenzahlen nennen oder bei Bedarf auch ein paar Zeilen posten. Aber, ganz unter uns, ich würde an deiner Stelle das Buch lesen, wenn ich etwas zur Diskussion beitragen möchte. |
Ja, vielleicht lohnt sich das, auch für die Diskussion.
Seitenzahlen wären willkommen. (entweder hier oder per PN)
thx! |
okay, hier eine relevante Passage, anhand derer du beurteilen kannst, ob Nagel das Konzept der Emergenz korrekt wiedergibt, und wie er Emergenz einschätzt. Ich habe nur die kindle-Version, da stehen zwar Seitenzahlen, aber nicht im Text, daher sind die Angaben ungefähr, 54-56.
Zitat: | Still, this kind of higher-level theory, however empirically accurate, seems unsatisfactory as a final answer to the constitutive question. If emergence is the whole truth, it implies that mental states are present in the organism as a whole, or in its central nervous system, without any grounding in the elements that constitute the organism, except for the physical character of those elements that permits them to be arranged in the complex form that, according to the higher-level theory, connects the physical with the mental. That such purely physical elements, when combined in a certain way, should necessarily produce a state of the whole that is not constituted out of the properties and relations of the physical parts still seems like magic even if the higher-order psychophysical dependencies are quite systematic.
This dissatisfaction with an explanatory stopping place that relates complex structures to complex structures is what underlies the constant push toward reduction in modern science. It is hard to give up the assumption that whatever is true of the complex must be explained by what is true of the elements. That does not mean that new phenomena cannot emerge at higher levels, but the hope is that they can be analyzed through the character and interactions of their more elementary components. Such harmless emergence is standardly illustrated by the example of liquidity, which depends on the interactions of the molecules that compose the liquid. But the emergence of the mental at certain levels of biological complexity is not like this. According to the emergent position now being considered, consciousness is something completely new.
Because such emergence, even if systematic, remains fundamentally inexplicable, the ideal of intelligibility demands that we take seriously the alternative of a reductive answer to the constitutive question—an answer that accounts for the relation between mind and brain in terms of something more basic about the natural order. If such an account were possible, it would explain the appearance of mental life at complex levels of biological organization by means of a general monism according to which the constituents of the universe have properties that explain not only its physical but its mental character. |
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
Der Christengott ist immens schwach!
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1881343) Verfasst am: 13.11.2013, 23:52 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Hat nicht schon Darwin über den Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren gesprochen? Noch so ein Old-School-Ansatz, um "Qualia" auf Beobachtbares zu reduzieren. |
Selbst wenn es möglich ist, allein anhand des Verhaltens eines Tieres erfolgreich auf dessen Gemütszustände zu schließen, folgt daraus nicht, dass diese vom Beobachter richtig verstanden werden können, wenn er nicht aus eigener subjektiver Erfahrung gleiche oder ähnliche Gemütszustände kennt.
Wenn ich allein aus der Beobachtung der Nervenvorgänge in deinem Gehirn schließen kann, dass du gerade einen bestimmten Farbeindruck, z.B. eine Rotempfindung, hast, dann kann ich dein visuelles Erlebnis nicht richtig und nicht wirklich verstehen, wenn ich selbst keine Rotempfindungen kenne, d.h. wenn ich nicht weiß, wie es ist, etwas Rotes zu sehen, weil ich noch nie irgendwelche Rotempfindungen hatte. |
Oft sind wir uns im Deuten von Gemütszuständen ziemlich sicher. Wenn ich jemanden steche, dann schmerzt es. Wir sind uns dessen so sicher, daß wir eine Ehtik auf diesen angenommenen Gemütszuständen aufbauen. Ich steche niemanden, weil ich nicht gestochen werden will, weil ich weiß, daß es weh tut. Wenn es grundsätzlich unmöglich ist, zu wissen, wie es anderen geht, wäre so manche Ethik schlecht begründet.
Haben wir nicht Spiegelneuronen gerade zu dem Zweck, um Gemütszustände anderer besser zu verstehen? Manchmal versagen sie, wie bei obigem Humptata-Problem. Sollte man deswegen ein philosophisches Paradox auszurufen?
Warum sollte "rot" plötzlich in einer anderen Liga spielen, wie Schmerz oder Humptata-Liebhaberei? Aus unserer Empathiefähigkeit lassen sich ethische Normen ableiten. Aber was leitet man daraus ab, ob mein Rot anders ist als deins?
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: |
Da gibt es doch diesen alten Koan:
Zitat: | Erster Mönch: "Schau, die Forellen im Bach! Wie sie sich amüsieren!"
Zweiter Mönch: "Du bist nicht die Forellen im Bach. Woher weißt du, wie sie sich fühlen?"
Erster Mönch: "Du bist nicht ich, woher weißt du, was ich weiß?" |
Die haben das Problem damals schon gekannt.  |
da ich seit vielen Jahren dieses Beispiel sowohl in Ethik als auch in Biologie behandle, darfst du dir sicher sein, dass es mir wohl vertraut ist. Sogar so sehr, dass ich sehe, dass du es nicht vollständig zitiert hast, als auch dass sich dir der Sinn dieser Geschichte vermutlich auch nicht erschließt. |
Ich kenne das so:
Zitat: | Knowing Fish
One day Chuang Tzu and a friend were walking by a river. "Look at the fish swimming about," said Chuang Tzu, "They are really enjoying themselves."
"You are not a fish," replied the friend, "So you can't truly know that they are enjoying themselves."
"You are not me," said Chuang Tzu. "So how do you know that I do not know that the fish are enjoying themselves?"
http://users.rider.edu/~suler/zenstory/zenframe.html |
Wenn du ein vollständigere Version kennst, nur her damit. Mal sehen, ob sich der Sinn der Geschichte dabei verkehrt.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Ich versteh' das Problem nicht? |
lass doch einfach das Fragezeichen weg.
smallie hat folgendes geschrieben: | Wo ist das Problem, sollte ich 'gelb' tatsächlich anders empfinden, als du? |
Du verstehst das Problem wirklich nicht. Das Problem ist, ob das der Fall ist, nicht, was daraus folgt. |
Die Frage, ob etwas der Fall ist, läßt sich nur sinnvoll stellen, wenn etwas daraus folgt. Sonst ist es nur eine semantische Taschenspielerei. Worüber sich nichts sagen läßt, davon braucht man nicht zu sprechen.
Rot hat keinen anderen sinnlichen Stellenwert als Schmerz. Warum ist Schmerz nachvollziehbar - aber Rot eine unergründliche Erfahrung, die ein neues Weltbild erzwingt, in dem mind von Anfang an mit Materie einhergeht?
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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Mad Magic auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 08.09.2007 Beiträge: 2172
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(#1881348) Verfasst am: 13.11.2013, 23:56 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Was man stattdessen sagen könnte, ist, dass Systeme strukturelle Eigenschaften haben; doch eine strukturelle Systemeigenschaft ist genauso wenig real wie eine emergente Systemeigenschaft. Die gesamte Beschaffenheit und das gesamte Verhalten eines Systems werden allein durch die Eigenschaften und Beziehungen seiner grundlegenden und einfachen Bestandteile bestimmt. Da gibt es keine zusätzlichen, ganzheitlichen Eigenschaften des Systems als Ganzem. Entsprechend sind Leben und Erleben (Bewusstsein) keine realen Eigenschaften. Das bedeutet natürlich nicht, dass es weder Lebewesen noch "Erlebewesen" gibt, sondern nur, dass am Leben oder bei Bewusstsein zu sein nicht darin besteht, die Eigenschaft des Lebens oder des Bewusstseins zu besitzen. |
Könnte man dann nicht einfacher sagen: "Im Prinzip wissen wir REAL nichts" ?
Wir kennen ja nicht einmal alle grundlegenden und "einfachen" Bestandteile...
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1881352) Verfasst am: 14.11.2013, 00:01 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Hmmm, er hat ein ganzes Kapitel über Werte geschrieben, ich sehe nicht, was hier falsch verstanden wurde. |
Ich such mal raus, was ich meinte. |
Mach mal. Würde mich interessieren. |
Ich passe an der Stelle, wo ich doch noch mal gelesen habe, wie Nagel schreibt, (in der deutschen Ausgabe - sinngemäß), Werte seien etwas, was man in der Welt entdecken könne. Sie sind vorhanden, auch wenn der Geist sie gewissermaßen noch nicht entdeckt hat. Genau diese Art von Werterealismus meint er also.
Allerdings, wenn man es auf englisch liest, dann hört es sich irgendwie anders an, weil dort der Singular "value" verwendet wird. Nicht so, als ginge es um konkrete Werte, wie man es in der deutschen Version liest, sondern eher um die Tatsache, daß durch, oder mit dem Leben Wert in die Welt gekommen ist. Und das wäre wiederum erklärungsbedürftig in einer "neodarwinistisch-materialistischen Konzeption der Natur". Und so verstanden scheint mir die Aussage nicht so abwegig zu sein.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1881363) Verfasst am: 14.11.2013, 00:13 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | Wenn du ein vollständigere Version kennst, nur her damit. Mal sehen, ob sich der Sinn der Geschichte dabei verkehrt. |
sind wir uns wenigstens einig, dass das kein Koan ist?
Instruktiv finde ich diese Version incl. Erklärung.
Interessant und sprachlich schön finde ich die Version von Buber:
Zitat: | Chuang-tzu und Hui-tzu standen auf der Brücke, die über den Hao führt.
Chuang-tzu sagte: „Sieh, wie die Elritzen umherschnellen! Das ist die Freude der Fische.“
„Du bist kein Fisch“, sagte Hui-tzu, „wie kannst du wissen, worin die Freude der Fische besteht?“
„Du bist nicht ich“, antwortete Chuang-tzu, „wie kannst du wissen, daß ich nicht wisse, worin die Freude der Fische besteht?“
„Ich bin nicht du“, bestätigte Hui-tzu, „und weiß dich nicht. Aber das weiß ich, daß du kein Fisch bist; so kannst du die Fische nicht wissen.“
Chuang-tzu antwortete: „Kehren wir zu deiner Frage zurück. Du fragtest mich: 'Wie kannst du wissen, worin die Freude der Fische besteht?' Im Grunde wußtest du, daß ich weiß, und fragtest doch. Gleichviel. Ich weiß es aus meiner eignenFreude über dem Wasser.“
(Chuang-tzu XVII, 12; Übersetzung von Martin Buber)
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smallie hat folgendes geschrieben: | Die Frage, ob etwas der Fall ist, läßt sich nur sinnvoll stellen, wenn etwas daraus folgt. Sonst ist es nur eine semantische Taschenspielerei. Worüber sich nichts sagen läßt, davon braucht man nicht zu sprechen. |
Ich vermute, dass du eine idiosynkratische Variante von 'sinnvoll' verwendest. Wie begründest du, dass sich der Rest der Welt danach richten sollte, was dir sinnvoll erscheint?
smallie hat folgendes geschrieben: | Rot hat keinen anderen sinnlichen Stellenwert als Schmerz. Warum ist Schmerz nachvollziehbar - aber Rot eine unergründliche Erfahrung, die ein neues Weltbild erzwingt, in dem mind von Anfang an mit Materie einhergeht? |
Du hast wirklich nichts verstanden. Du kannst anstelle von 'rot' auch 'Schmerz' oder welche Eigenschaft auch immer einsetzen. Google doch wenigstens mal, was man unter 'Qualia' versteht.
Ich habe kein Problem damit, dass du nicht verstehst, was Nagel umtreibt. Ich frage mich nur, warum du meinst, eine Diskussion führen zu sollen.
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
Der Christengott ist immens schwach!
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1881369) Verfasst am: 14.11.2013, 00:24 Titel: |
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Mad Magic hat folgendes geschrieben: | Könnte man dann nicht einfacher sagen: "Im Prinzip wissen wir REAL nichts" ?
Wir kennen ja nicht einmal alle grundlegenden und "einfachen" Bestandteile... |
Es steht in der Tat nicht fest, dass alle Elementarteilchen des Standardmodells einfache Dinge sind, die nicht aus noch kleineren Dingen zusammengesetzt sind.
(Oft werden Elementarteilchen als Punktpartikel, d.h. als ausdehnungslose, 0-dimensionale Gebilde dargestellt, was in meinen Augen aber nichts weiter als eine mathematische Idealisierung ist. Auf jeden Fall bedeutet mereologische Einfachheit nicht unbedingt räumliche Unausgedehntheit.)
Übrigens, wenn ich von einfachen Substanzen spreche, dann meine ich damit nicht unbedingt winzige Elementarteilchen oder Korpuskeln. Eine einfache Substanz kann so groß sein wie die gesamte physische Welt, und vielleicht ist diese als Ganze tatsächlich die einzige Substanz, die es gibt – was bedeuten würde, dass Elementarteilchen nichts weiter als örtliche Eigenschaftsbündel sind. (Das entspricht dann Spinozas Weltbild.)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1881373) Verfasst am: 14.11.2013, 00:29 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Nicht so, als ginge es um konkrete Werte, wie man es in der deutschen Version liest, sondern eher um die Tatsache, daß durch, oder mit dem Leben Wert in die Welt gekommen ist. Und das wäre wiederum erklärungsbedürftig in einer "neodarwinistisch-materialistischen Konzeption der Natur". Und so verstanden scheint mir die Aussage nicht so abwegig zu sein. |
Eine relevante Passage scheint mir die folgende zu sein (109f):
Zitat: |
So I am in agreement with Street that, from a Darwinian perspective, the hypothesis of value realism is superfluous—a wheel that spins without being attached to anything. From a Darwinian perspective our impressions of value, if construed realistically, are completely groundless. And if that is true for our most basic responses, it is also true for the entire elaborate structure of value and morality that is built up from them by practical reflection and cultural development—just as scientific realism would be undermined if we abandoned a realistic interpretation of the perceptual experiences on which science is based. Even a system based on the maintenance of coherence or consistency among one’s responses does not need the idea of mind-independent truth about value (as opposed to logic), if the responses that provide its original content refer to nothing beyond themselves.
Nevertheless I remain convinced that pain is really bad, and not just something we hate, and that pleasure is really good, and not just something we like. That is just how they glaringly seem to me, however hard I try to imagine the contrary, and I suspect the same is true of most people. That doesn’t mean our visceral responses are infallible, any more than our prereflective visual perceptions are. They are merely the starting points for the exploration of a domain that may require extensive practical and moral reasoning to understand. On the Darwinian account, this must be regarded as an illusion—perhaps an illusion of objectivity that is itself the product of natural selection because of its contribution to reproductive fitness. Indeed, the disposition to ascribe an illusory objectivity to plainly contingent, response-dependent norms, of language and custom for example, seems to be typical of humans, and quite useful. However, in my case the scientific credentials of Darwinism, and these other examples, are not enough to dislodge the immediate conviction that objectivity is not an illusion with respect to basic judgments of value. |
So richtig überzeugend finde ich das nicht. Nagels Auffassungen von 'Wert' scheint mir noch weniger begründet zu sein als seine Aussagen zu Evolution (die nicht viel taugen).
Fazit scheint mir in allen Bereichen zu sein, dass Nagel von einer intelligiblen Welt träumt, die Lösung in den Naturwissenschaften sucht (weil er sich gegen einen Gott sperrt) und dann Erweiterungen vorschlägt. Die erklären aber auch nicht, was ihn bewegt. Keine Ahunung, warum er Teleologie befriedigender findet als Emergenz.
Ein Theologe hat ihm ziemlich deutlich gezeigt, warum sein Ansatz weit hinter dem theistischen herhinkt (wobei ich davon ausgehe, dass auch der theistische nichts taugt, die Lösung liegt in der Erkenntnis, dass sich das Universum einen feuchten Dreck darum schert, ob es für uns intelligibel ist, Nagel ist, wie die Theologen, ein typisches Beispiel der fallacia de velle ad esse):
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
Der Christengott ist immens schwach!
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#1881496) Verfasst am: 14.11.2013, 14:10 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Die Frage ist: Wem nützt das Buch? Dem Erkenntnistheoriker, dem Wissenschaftler? Wohl kaum. Die Position ist schlecht begründet und heuristisch steril. Zu meinen, man könne etwas prinzipiell nicht erklären, ist schlechte Philosophie, bestenfalls weltanschaulich motiviert. Es nützt ausschließlich denen, die meinen, ihre Vorurteile gegen Evolution seien philosophisch tiefgründig. |
Nagels Buch ist zumindest insofern nützlich, als es uns Materialisten ermahnt, uns nicht allzu selbstgerecht und selbstzufrieden dem dogmatischen Schlummer hinzugeben. |
Nunja, was heißt "dogmatischer Schlummer"? Ich benötige keine Ermahnung von Immaterialisten, ich weiß selbst, dass die materialistische Position fallibel ist. Nur wenn mir jemand heute schon sagt, der Materialismus sei "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch", dann kann ich nur müde mit den Achseln zucken und ihm entgegnen, dass seine Alternative dann genauso falsch wäre, weil sie das Problem ebenso wenig erklären kann.
Myron hat folgendes geschrieben: | Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Dass es neuronale Korrelate von Bewusstseinszuständen gibt, ist starkes ein Indiz für den psychophysischen Monismus; der Dualismus dagegen hat kein (positives) Argument vorzuweisen. |
Wenn ich ein Dualist wäre |
Zum Glück bist Du keiner
Myron hat folgendes geschrieben: | , würde ich betonen, dass der psychophysische Korrelationismus sowohl mit dem Attributs- als auch dem Substanzdualismus vereinbar ist. |
Dann würde ich vermutlich betonen, dass der Substanzdualismus nicht erklären kann, warum Nieren kein Bewusstsein ausscheiden.
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1881614) Verfasst am: 14.11.2013, 19:35 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Rot hat keinen anderen sinnlichen Stellenwert als Schmerz. Warum ist Schmerz nachvollziehbar - aber Rot eine unergründliche Erfahrung, die ein neues Weltbild erzwingt, in dem mind von Anfang an mit Materie einhergeht? |
Du hast wirklich nichts verstanden. Du kannst anstelle von 'rot' auch 'Schmerz' oder welche Eigenschaft auch immer einsetzen. |
Genau durch diesen Tausch von 'rot' und 'Schmerz' komme ich doch zu meinem Argument. Nach einem Tausch kommen zwei völlig unterschiedliche Sätze heraus.
- Weil Schmerz und andere innere Zustände nachvollziehbar sind, haben wir Menschen- und Tierrechte.
- Weil Rot nie nachvollziehbar ist, brauchen wir ein anderes Weltbild, das von Anfang an mind beinhaltet.
Beide Sätze gehen nicht zusammen. Entweder der eine ist falsch, oder der andere, oder beide. Oder du baust dir irgendeine Trennung zwischen Schmerz und Rot. Was ist deine Wahl?
Ich behaupte, das ist ein Dilemma, das Nagel schlicht übersehen hat.
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1881622) Verfasst am: 14.11.2013, 19:45 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | :?: Genau durch diesen Tausch von 'rot' und 'Schmerz' komme ich doch zu meinem Argument. Nach einem Tausch kommen zwei völlig unterschiedliche Sätze heraus.
- Weil Schmerz und andere innere Zustände nachvollziehbar sind, haben wir Menschen- und Tierrechte.
- Weil Rot nie nachvollziehbar ist, brauchen wir ein anderes Weltbild, das von Anfang an mind beinhaltet. |
das ist hinsichtlich der Frage, die Nagel umtreibt, eine Etüde in Irrelevanz. Genauer, lies mal, was er zum ersten Punkt schreibt.
smallie hat folgendes geschrieben: | Beide Sätze gehen nicht zusammen. Entweder der eine ist falsch, oder der andere, oder beide. Oder du baust dir irgendeine Trennung zwischen Schmerz und Rot. Was ist deine Wahl? |
Dass das zwei Seiten einer Medaille sind: Das Universum soll intelligibel sein. Das umfasst beide Bereiche.
Du machst den zweiten Schritt vor dem ersten und diskutierst Pragmatik, wo wir doch erst bei Epistemologie sind.
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
Der Christengott ist immens schwach!
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1881646) Verfasst am: 14.11.2013, 21:26 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Genau durch diesen Tausch von 'rot' und 'Schmerz' komme ich doch zu meinem Argument. Nach einem Tausch kommen zwei völlig unterschiedliche Sätze heraus.
- Weil Schmerz und andere innere Zustände nachvollziehbar sind, haben wir Menschen- und Tierrechte.
- Weil Rot nie nachvollziehbar ist, brauchen wir ein anderes Weltbild, das von Anfang an mind beinhaltet. |
das ist hinsichtlich der Frage, die Nagel umtreibt, eine Etüde in Irrelevanz.Genauer, lies mal, was er zum ersten Punkt schreibt. |
Ganz fürchterliches Zeug schreibt er dazu:
Zitat: | Of course natural facts are what make some value judgments true, in the sense that they are the facts that provide reasons for and against action. In that sense the fact that you will run over a dog if you don’t step on the brakes makes it the case that you should step on the brakes. But the general moral truth that licenses this inference—namely that it counts in favor of doing something that it will avoid grievous harm to a sentient creature—is not made true by any fact of any other kind. It is nothing but itself. |
Tsk. Vierzig Jahre Altruismus-Diskussion einfach übergangen. "Reziprozität" - hat Nagel nicht einmal erwähnt. Nicht mal Rabbie Hillel scheint er zu kennen. Das ist armselig.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Beide Sätze gehen nicht zusammen. Entweder der eine ist falsch, oder der andere, oder beide. Oder du baust dir irgendeine Trennung zwischen Schmerz und Rot. Was ist deine Wahl? |
Dass das zwei Seiten einer Medaille sind: Das Universum soll intelligibel sein. Das umfasst beide Bereiche. |
Ach, jetzt reden wir auf einmal von zwei Bereichen. Gerade vorher war es noch ein Bereich, in dem man beliebig tauschen durfte.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Du machst den zweiten Schritt vor dem ersten und diskutierst Pragmatik, wo wir doch erst bei Epistemologie sind. |
Du findest also Menschen- und Tierrechte epistemologisch schlecht begründet?
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1881673) Verfasst am: 14.11.2013, 22:43 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | Tsk. Vierzig Jahre Altruismus-Diskussion einfach übergangen. "Reziprozität" - hat Nagel nicht einmal erwähnt. Nicht mal Rabbie Hillel scheint er zu kennen. Das ist armselig. |
ich vermute, dass du, falls du Nagels Ansatz kennst, die Antwort in dem finden könntest, was du zitiert hast.
Nur nebenbei, wie begründest du Altruismus? Und noch was: Ich unterrichte seit Jahren das Fach Ethik. Es gibt eine pralle Fülle an ethischen Konzepten, die alles eins gemeinsam haben: Keines ist allgemein anerkannt. Keine Ahnung, warum du meinst, es sei ein Argument, das Fähnlein 'Altruismus' hochzuhalten und zu behaupten, der Fisch sei nun geschuppt.
A propos Fisch: Sind wir nun einig über das, was du als 'Koan' interpretiertest, und der für deine Argumentation nichts bringt?
smallie hat folgendes geschrieben: | Du findest also Menschen- und Tierrechte epistemologisch schlecht begründet? |
Ich finde sie nicht besser begründet als andere (ist allerdings keine epistemologische Frage, wir waren bei Nagel, da macht das allerdings Sinn). Vor allem hast du so keine Chance, gegen Nagel eine Schnitte zu machen.
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#1881745) Verfasst am: 15.11.2013, 02:32 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Hat nicht schon Darwin über den Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren gesprochen? Noch so ein Old-School-Ansatz, um "Qualia" auf Beobachtbares zu reduzieren. |
Selbst wenn es möglich ist, allein anhand des Verhaltens eines Tieres erfolgreich auf dessen Gemütszustände zu schließen, folgt daraus nicht, dass diese vom Beobachter richtig verstanden werden können, wenn er nicht aus eigener subjektiver Erfahrung gleiche oder ähnliche Gemütszustände kennt.
Wenn ich allein aus der Beobachtung der Nervenvorgänge in deinem Gehirn schließen kann, dass du gerade einen bestimmten Farbeindruck, z.B. eine Rotempfindung, hast, dann kann ich dein visuelles Erlebnis nicht richtig und nicht wirklich verstehen, wenn ich selbst keine Rotempfindungen kenne, d.h. wenn ich nicht weiß, wie es ist, etwas Rotes zu sehen, weil ich noch nie irgendwelche Rotempfindungen hatte. |
Oft sind wir uns im Deuten von Gemütszuständen ziemlich sicher. Wenn ich jemanden steche, dann schmerzt es. Wir sind uns dessen so sicher, daß wir eine Ehtik auf diesen angenommenen Gemütszuständen aufbauen. Ich steche niemanden, weil ich nicht gestochen werden will, weil ich weiß, daß es weh tut. Wenn es grundsätzlich unmöglich ist, zu wissen, wie es anderen geht, wäre so manche Ethik schlecht begründet. |
Eigentlich geht es um etwas anderes: Wie schafft es das Gehirn, neuronale Aktivität in bewusstes Erleben zu "transformieren"?
Mein Lieblingsbeispiel: Warum empfindest Du jene Hirnaktivität, die Dir einen "Orgasmus" beschert, als angenehm, jene, die Dir Schmerzen bereitet, dagegen nicht? Wüssten wir nicht bereits aus Erfahrung, was die Empfindung "Schmerz" bedeutet, könnten wir nicht nachempfinden, was es heißt, Schmerzen zu empfinden. Kennten wir nur die Empfindung "Orgasmus", würden wir per Analogieschluss vermuten, dass sich "Schmerz" nur graduell von "Orgasmus" unterscheidet, würden aber nie auf die Idee kommen, dass das eine qualitativ ganz andere Erfahrung ist.
Es soll Menschen geben, die Schmerz empfinden, obwohl sich das nicht ohne Weiteres anhand der neuronalen Aktivität ablesen lässt. Umgekehrt gibt es Menschen, die objektiv "Schmerz" empfinden, bei denen aber im Bewusstsein davon nichts ankommt. Die Frage ist, warum. Oder: Wie wäre es, wenn wir Klänge "sehen" und Farben "hören" könnten? Es soll Menschen geben, die das können. Oder: Was würde passieren, würde man die elektrischen Signale der Netzhaut ins Hörzentrum und die elektrischen Signale der Hörschnecke in die Sehrinde umleiten? Würde man bei einem Neugeborenen durch einen operativen Eingriff die Sinne "vertauschen", würde er sich in der Welt zurecht finden? Usw. usf.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1881759) Verfasst am: 15.11.2013, 07:30 Titel: |
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Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Eigentlich geht es um etwas anderes: Wie schafft es das Gehirn, neuronale Aktivität in bewusstes Erleben zu "transformieren"? |
smallie geht es um noch etwas anderes: Warum ist 'Schmerz' so wichtig, dass man eine Ethik darauf gründen kann?
Nagel könnte das (falls sein Weltbild stimmt), smallie nicht, selbst wenn sein Weltbild stimmen würde.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1881966) Verfasst am: 15.11.2013, 18:40 Titel: |
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Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Eigentlich geht es um etwas anderes: Wie schafft es das Gehirn, neuronale Aktivität in bewusstes Erleben zu "transformieren"? |
Genau, und das ist eine schöne naturwissenschaftliche Aufgabe.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | smallie geht es um noch etwas anderes: Warum ist 'Schmerz' so wichtig, dass man eine Ethik darauf gründen kann? |
Ja, das ist auch eine interessante Frage, und ich denke, auch die kann man wissenschaftlich beantworten. Am einfachsten, indem man einen engen Bezug zwischen Schmerz und Präferenzen aufzeigt. Aber Achtung: Eine solche Antwort würde die "warum = wie kommt es"-Frage beantworten, sie hätte keinen normativen Charakter.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Nagel könnte das (falls sein Weltbild stimmt), smallie nicht, selbst wenn sein Weltbild stimmen würde. |
Das sehe ich genau andersherum. smallie könnte immerhin eine Antwort im o.g. Sinne erreichen, Nagel kann nichts beantworten, weil er einen wesentlichen Teil des Zusammenhang apriori ins Obskure zieht.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1881971) Verfasst am: 15.11.2013, 19:00 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | smallie geht es um noch etwas anderes: Warum ist 'Schmerz' so wichtig, dass man eine Ethik darauf gründen kann? |
Ja, das ist auch eine interessante Frage, und ich denke, auch die kann man wissenschaftlich beantworten. Am einfachsten, indem man einen engen Bezug zwischen Schmerz und Präferenzen aufzeigt. |
klar, aber das löst die Probleme nicht. Darf man einen Apalliker töten? Wie sieht es mit Schmerzblinden aus? Können Embryonen Schmerzen haben? Oder Tiere? Was wäre, wenn Tiere gar keinen Schmerz empfinden, sondern nur bestimmte Körperbewegungen ausführen, wenn bestimmte Neuronen aktiv sind, dass also die Emotion 'Schmerz' schlicht und ergreifend fehlt, weil deren Gehirn kein Bewusstsein erzeugt?
step hat folgendes geschrieben: | Aber Achtung: Eine solche Antwort würde die "warum = wie kommt es"-Frage beantworten, sie hätte keinen normativen Charakter. |
Also ist sie für die Begründung einer Norm nicht relevant, und genau das schrieb ich. Die Gegenbeispiele, die ich anführte, sind eigentlich nur Fingerübungen, weil sie den Kern der Argumentation nicht betreffen, nur Denkanstöße hinsichtlich 'so ganz konsistent bist du auch nicht, warum meinst du dann, deine Ethik so begründen zu sollen, machst du nicht real etwas ganz anderes?' geben sollen.
step hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Nagel könnte das (falls sein Weltbild stimmt), smallie nicht, selbst wenn sein Weltbild stimmen würde. |
Das sehe ich genau andersherum. smallie könnte immerhin eine Antwort im o.g. Sinne erreichen, Nagel kann nichts beantworten, weil er einen wesentlichen Teil des Zusammenhang apriori ins Obskure zieht. |
Das ist tatsächlich ein relevanter Einwand, denn Nagel sieht nicht, dass er mit dem Ansatz, mit dem er das Obskure in unserem Weltbild (letztlich Emergenzen, denn die sind obskur) aufheben möchte, das Obskure nur verschiebt.
Aber wenn Nagels Weltbild stimmen würde, dann 'gäbe' es Werte, Normen etc. in der Art und Weise, wie es Materie 'gibt', und das wäre eine Begründung, die tragfähiger wäre als alles, was im Weltbild von smallie jemals möglich wäre. Das Zentrale an Nagels Weltbild ist das Streben nach Intelligibilität, und wenn es die gäbe, wären Normen (letzt)begründbar, was meines Wissens bislang noch keine Ethik geschafft hat, selbst wenn das in der Geschichte der Ethik schon mehrfach behauptet, aber noch nie eingelöst wurde.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1881982) Verfasst am: 15.11.2013, 19:42 Titel: |
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El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Warum ist 'Schmerz' so wichtig, dass man eine Ethik darauf gründen kann? | Ja, das ist auch eine interessante Frage, und ich denke, auch die kann man wissenschaftlich beantworten. Am einfachsten, indem man einen engen Bezug zwischen Schmerz und Präferenzen aufzeigt. | klar, aber das löst die Probleme nicht. |
Nicht die letzt-normativen, aber die Frage nach der Natur von Ethik. Deine Frage impliziert ja geradezu, daß man eine Ethik auf etwas gründen "kann" - man kann natürlich auch etwas anderes nehmen.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | ... Was wäre, wenn Tiere gar keinen Schmerz empfinden, sondern nur bestimmte Körperbewegungen ausführen, wenn bestimmte Neuronen aktiv sind, dass also die Emotion 'Schmerz' schlicht und ergreifend fehlt, weil deren Gehirn kein Bewusstsein erzeugt? |
Zumindest diese Frage können wir mE wieder wissenschaftlich beantworten. Wir müssen verstehen, was Schmerz bzw. Bewußtsein ist. Daß wir letztlich immer nur ein Modell, eine gute Theorie haben, ist mE trivial, beispielsweise regt sich kaum einer darüber auf, daß wir eigentlich auch nicht wisen, daß da oben der Mond steht. Was, wenn es nur eine Lampe wäre? Nur daß im Falle des Bewußtseins regelmäßig die Pferde mit den mehr oder weniger verkappten Dualisten durchgehen.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Aber wenn Nagels Weltbild stimmen würde, dann 'gäbe' es Werte, Normen etc. in der Art und Weise, wie es Materie 'gibt', und das wäre eine Begründung, die tragfähiger wäre als alles ... |
Sehe ich nicht so. Denn sie würden ja im Obskuren bleiben. Nagel könnte niemals zeigen, daß und welche Normen es wären.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Das Zentrale an Nagels Weltbild ist das Streben nach Intelligibilität, ... |
Ja, kann man so sagen.
El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | ... und wenn es die gäbe, wären Normen (letzt)begründbar, was meines Wissens bislang noch keine Ethik geschafft hat, selbst wenn das in der Geschichte der Ethik schon mehrfach behauptet, aber noch nie eingelöst wurde. |
Richtig, und es wird auch nicht eingelöst. Maximal kann man Methoden begründen, aus kontingenten Interessen / Präferenzen möglichst effizient eine Ethik abzuleiten. Anders ausgedrückt: Wir müssen endlich vom Gespenst des Sollens weg und uns dem Wollen zuwenden.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1881983) Verfasst am: 15.11.2013, 19:46 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Das Prinzip der Emergenz wurde ja bereits von Aristoteles formuliert:
"Das, was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet – nicht nach Art eines Haufens, sondern wie eine Silbe –, das ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner Bestandteile. Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a, und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde." |
Dass organisierte und strukturierte Gebilde mehr sind als bloße Haufen zusammengewürfelter Sachen, ist eine Binsenwahrheit, die niemand bestreitet. Was ich jedoch bestreite, ist, dass ein komplexes System in ontologischer Hinsicht mehr ist als eine Summe organisiert-strukturierter Elemente. Das bedeutet, dass sich Systeme nicht auf einer höheren Seinsebene befinden als ihre Elemente. |
Warum bestreitest du das?
1. Es gibt verschiedene *Seins-Ebenen*.
2. Die Entstehung höherer *Seins-Ebenen* hängt empirisch immer mit höheren Strukturen zusammen.
3. Es ist zumindest plausibel, dass deshalb höhere *Seins-Ebenen* untrennbar an höhere Strukturen (- gebaut aus einfacheren Elementen ohne höhere *Seins-Ebenen* -) gekoppelt sind.
Die Frage bzw. Anmerkung von Nagel ist so simpel wie uwebus-mäßig, was ich dem netter Weise von El Schwalmo zur Verfügung gestellten Zitat entnehme:
Nagel ist so vernagelt, dass er das Emergenz-Argument damit abtut dass er sich nicht vorstellen kann (!), dass aus niederen Strukturen höhere *Seins-Ebenen* folgen, ohne dass jene niederen Strukturen schon die höhere Eigenschaft in sich trügen. Punkt. Das war's schon mit Nagels Kritik an der Emergenz. Er kann sich das nicht vorstellen!
Nun denke ich, dass es uns relativ egal sein sollte, wie weit das Vorstellungsvermögen von Nagel emergiert ist. Das ist schlicht irrelevant und prä-philosophisch allemal.
Es ist zunächst einmal gar nicht wichtig, wie eine höhere Struktur die höhere *Seins-Ebenen* bewirkt und es ist auch nicht wichtig, ob es eine parlamentarische Mehrheit für die Emergenz-Theorie gibt von Leuten, die sich etwas vorstellen können.
Sondern wichtig ist allein der Denkansatz der ganz allgemeine Emergenz als solcher, welcher immerhin jene ganz allgemeine Empirie auf seiner Seite hat.
Oder anders gesagt: Es gibt schlicht und einfach unserer Beobachtung nach kein Bewusstsein, kein Fühlen und kein Denken ohne Gehirn.
Und im Gehirn müssen die Bausteine aus Materie in einer bestimmten Weise strukturiert sein. Die Bausteine als solche generieren nicht als Bausteine, sondern nur aufgrund bestimmter Organisationsformen den Output namens Bewusstsein usw.
Geht man einmal von einer solch enorm komplexen Struktur wie Bewusstsein weg zu - sagen wir - einem Fußball, so sind die Eigenschaften des Fußballs weniger abhängig von dem Stoff, aus dem er besteht, wohl aber von der Anordnung dieses Stoffs. Dieser Stoff muss geeignet sein, einen Fußball zu bilden, muss also fest, elastisch usw. sein bei bestimmten Temperaturen und Druckverhältnissen z.B. Wenn das der Fall ist, kann man daraus einen für ein Fußballspiel brauchbaren Fußball produzieren.
Das zeigt auch, dass die Bausteine selbst prinzipiell austauschbar sein können bei vielen Strukturen - vielleicht auch bei der Struktur Bewusstsein. Entscheidend, d.h. hinreichend sind eben nicht die Bausteine, was Nagel jedoch behauptet ... - pardon! ... als Theorie in den Raum stellt.
Nagel hat keinerlei Empirie auf seiner Seite. Die Emergenztheorie sehr wohl.
Außerdem hat die Emergenz auch sehr gute theoretische Argumente auf ihrer Seite, Nagel hat keine, oder sie sind jedenfalls in diesem kleinen aber feinen thread bisher noch nicht aufgetaucht.
Fazit: ungefähr 20 : 0 für die Emergenz gegen Nagel ...-!
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1882022) Verfasst am: 15.11.2013, 21:34 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: |
Dass organisierte und strukturierte Gebilde mehr sind als bloße Haufen zusammengewürfelter Sachen, ist eine Binsenwahrheit, die niemand bestreitet. Was ich jedoch bestreite, ist, dass ein komplexes System in ontologischer Hinsicht mehr ist als eine Summe organisiert-strukturierter Elemente. Das bedeutet, dass sich Systeme nicht auf einer höheren Seinsebene befinden als ihre Elemente. |
Warum bestreitest du das?
1. Es gibt verschiedene *Seins-Ebenen*.
2. Die Entstehung höherer *Seins-Ebenen* hängt empirisch immer mit höheren Strukturen zusammen.
3. Es ist zumindest plausibel, dass deshalb höhere *Seins-Ebenen* untrennbar an höhere Strukturen (- gebaut aus einfacheren Elementen ohne höhere *Seins-Ebenen* -) gekoppelt sind.
Die Frage bzw. Anmerkung von Nagel ist so simpel wie uwebus-mäßig, was ich dem zur netter Weise von El Schwalmo zur Verfügung gestellten Zitat entnehme:
Nagel ist so vernagelt, dass er das Emergenz-Argument damit abtut dass er sich nicht vorstellen kann (!), dass aus höheren Strukturen höhere *Seins-Ebenen* folgen. Punkt. Das war's schon mit Nagels Kritik an der Emergenz. Er kann sich das nicht vorstellen! |
Dass es unterschiedliche Grade struktureller Komplexität gibt, bedeutet nicht, dass es unterschiedliche Seins- oder Wirklichkeitsebenen oder -schichten gibt. Die einzige Seins- und Tunsebene eines Systems ist die Ebene seiner fundamentalen Elemente und deren Strukturen. Da ein System mit seinen organisiert-strukturierten und interagierenden Elementen identisch ist, kann es nicht auf einer höheren Ebene existieren als dasjenige, womit es identisch ist, nämlich seine grundlegenden Bestandteile. Die gegenteilige Behauptung ist schlichtweg unlogisch.
Auch die emergentistische Rede von "Abwärtsverursachung" (top-down/downward causation) erscheint mir widersinnig, der zufolge emergente Systemeigenschaften Vorgänge auf der Ebene der Systemelemente beeinflussen können.
"The question to be asked is a simple one: How do things that are identical with constituents of a whole have effects on the whole that includes themselves? It is no better to speak of top-down causality. There the question would arise, how does a whole thing that is constituted of its constituents cause something concerning what it is constituted by? The constituents that are being affected by the whole must be part of the cause upon themselves. Added to this is the obvious problem of apparent 'overdetermination' occurring at each and every level."
—
"Die zu beantwortende Frage lautet einfach: Wie können Dinge, die mit Bestandteilen eines Ganzen identisch sind, eine Wirkung auf das Ganze ausüben, das sie selbst einschließt? Von Abwärtsverursachung zu sprechen, macht die Sache nicht besser. Hier stellt sich die Frage, wie ein ganzes, aus seinen Bestandteilen bestehendes Ding etwas betreffend dessen bewirken kann, woraus es besteht. Die vom Ganzen beeinflussten Bestandteile müssen Teil der sich auf sich selbst auswirkenden Ursache sein. Hinzu kommt das offensichtliche Problem anscheinender 'Überbestimmung', die auf jeder Ebene auftritt."
[© meine Übers.]
(Martin, C. B. The Mind in Nature. Oxford: Oxford University Press, 2007. pp. 35-6)
Was wir in der Wirklichkeit finden, sind unterschiedlichste Muster, aber eben keine unterschiedlichen Ebenen oder Schichten. Es ist falsch, von Begriffshierarchien auf Wirklichkeitshierarchien zu schließen. Dass es unterschiedliche Ebenen der Verbegrifflichung, Beschreibung und Erklärung der einen allumfassenden Wirklichkeit gibt, steht außer Frage. Was ich in Frage stelle bzw. ausdrücklich verneine, ist, dass die verschiedenen theoretischen Niveaus verschiedenen ontologischen Niveaus entsprechen.
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Naastika RL rulez<->auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.11.2003 Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen
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(#1882030) Verfasst am: 15.11.2013, 21:44 Titel: |
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Es gibt zwar unterschiedliche Funktions- und Wirkungs-Weisen je nach Komplexität, aber keine sich daraus ergebenden unterschiedlichen Seins-Weisen.
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#1882048) Verfasst am: 15.11.2013, 22:29 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | klar, aber das löst die Probleme nicht. |
Nicht die letzt-normativen, aber die Frage nach der Natur von Ethik. |
ist das vielleicht Moral?
step hat folgendes geschrieben: | Deine Frage impliziert ja geradezu, daß man eine Ethik auf etwas gründen "kann" - man kann natürlich auch etwas anderes nehmen. |
Das ist doch die spannende Frage. Man kann zum Beispiel die geltenden Gesetze nehmen ;->
Vergiss nicht, dass Ethiken (genauer, das, was daraus folgt) auch Einschränkungen mit sich bringen. Wie willst du Menschen, die eine andere Ethik vertreten, davon überzeugen, was sie zu tun oder zu lassen haben, selbst wenn die gutwillig und diskursbereit sind? Daraus folgt, dass man die Ethik begründen können muss.
step hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | ... Was wäre, wenn Tiere gar keinen Schmerz empfinden, sondern nur bestimmte Körperbewegungen ausführen, wenn bestimmte Neuronen aktiv sind, dass also die Emotion 'Schmerz' schlicht und ergreifend fehlt, weil deren Gehirn kein Bewusstsein erzeugt? |
Zumindest diese Frage können wir mE wieder wissenschaftlich beantworten. |
Spannende Frage. Ich bin mir da nicht so sicher.
step hat folgendes geschrieben: | Wir müssen verstehen, was Schmerz bzw. Bewußtsein ist. Daß wir letztlich immer nur ein Modell, eine gute Theorie haben, ist mE trivial, beispielsweise regt sich kaum einer darüber auf, daß wir eigentlich auch nicht wisen, daß da oben der Mond steht. Was, wenn es nur eine Lampe wäre? Nur daß im Falle des Bewußtseins regelmäßig die Pferde mit den mehr oder weniger verkappten Dualisten durchgehen. |
Man muss kein Dualist sein, um hier ein Problem zu sehen. Ich vertrete einen nicht-reduktionistischen Emergentismus, aber ich sehe, dass ich bisher kein zwingendes Argument habe, mit dem ich begründen könnte, dass ein Tier 'Schmerzen' haben muss.
step hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Aber wenn Nagels Weltbild stimmen würde, dann 'gäbe' es Werte, Normen etc. in der Art und Weise, wie es Materie 'gibt', und das wäre eine Begründung, die tragfähiger wäre als alles ... |
Sehe ich nicht so. Denn sie würden ja im Obskuren bleiben. Nagel könnte niemals zeigen, daß und welche Normen es wären. |
Wenn Nagel Recht hätte, könnte er genau das zeigen. In etwa, wie man zeigen kann, dass ein Dreieck in der Ebene eine Winkelsummen von 180 Grad hat. Dieser Gedanke ist natürlich nicht neu, eine Ethik 'more geometrico' zu konstruieren ist älter als wir zusammen.
step hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | Das Zentrale an Nagels Weltbild ist das Streben nach Intelligibilität, ... |
Ja, kann man so sagen. |
Meiner Meinung nach ist das der Knackpunkt, aus dem alles folgt. Er sagt ja nicht 'neo-darwinism is almost certainly false' sondern '... conception of nature ...'. Letztlich ist er naturwissenschaftlich bis in die Knochen, aber sein Problem ist, dass er von ihr etwas einfordert, was sie nicht leisten kann, und versucht daher, sie 'aufzubohren'.
Nur nebenbei, wenn man Ethik auf Ergebnisse der Naturwissenschaften gründen will, hat man dasselbe Problem. Geht schon damit los, dass Naturwissenschaftler Philosophen sagen wollen, was Sache ist, und zwar auf dem Gebiet der Philosophie. Komisch, dass sie dann gar nicht merken, dass sie dann mindestens so dilettieren wie Philosophen, die beim Reagenzglasschwingen gute Tipps geben möchten.
step hat folgendes geschrieben: | El Schwalmo hat folgendes geschrieben: | ... und wenn es die gäbe, wären Normen (letzt)begründbar, was meines Wissens bislang noch keine Ethik geschafft hat, selbst wenn das in der Geschichte der Ethik schon mehrfach behauptet, aber noch nie eingelöst wurde. |
Richtig, und es wird auch nicht eingelöst. Maximal kann man Methoden begründen, aus kontingenten Interessen / Präferenzen möglichst effizient eine Ethik abzuleiten. |
Aber nicht mehr mit dem, was die Naturwissenschaften leisten können. Sonst bist du ganz schnell beim naturalistischen Fehlschluss.
step hat folgendes geschrieben: | Anders ausgedrückt: Wir müssen endlich vom Gespenst des Sollens weg und uns dem Wollen zuwenden. |
Vielleicht hilft dir Epikur weiter? Nein, im Ernst, Normenbegründung ist eine komplizierte Sache, und meist läuft das nach 'one man, one vote' im Rahmen einer Verfassung, die letztlich nicht mehr begründet ist, und von der Rainer Zufall entschieden hat, wie gut die ist, und das ist noch der Optimalfall.
Ich halte es hier mit Popper, der auch davon ausging, dass man 'piecemeal' macht, also sich durchwurstelt, ohne sich allzuviel Gedanken über eine (Letzt)Begründung zu machen. Solange das funktioniert, ist das okay.
Das Problem ist nur, wie man von dieser Warte aus einen Ansatz wie den von Nagel beurteilen will. Denn man setzt dann voraus, dass die eigene Auffassung korrekt ist. Du wirst aber einsehen, dass ein Mensch wie Nagel das nicht einsieht, und zwar mit bestem Recht. Daher streitest du dich dann nicht mit über Nagel über seine Auffassung von Ethik, sondern darüber, wie man begründet, dass (m)eine Ethik besser ist.
_________________ Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)
Der Christengott ist immens schwach!
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