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Interpretationen - historisch-kritisch etc.

 
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Critic
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Anmeldungsdatum: 22.07.2003
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Beitrag(#1894931) Verfasst am: 04.01.2014, 06:20    Titel: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

In Ermangelung eines besseren Eingangsposts möchte ich diesen Thread mit einer Überlegung eröffnen, die sich aus einem Beitrag im Diskussionsthread zur Homosexualität ergeben hat.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
NoReply hat folgendes geschrieben:
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben:
Denke ich nicht. Religionen haben maßgeblich dazu beigetragen die Feindschaft gegen Homosexuelle zu etablieren. Die Bibel liefert klare Ansagen Gottes, wie mit homosexuellen Männern zu verfahren sei.

Woher willst du das wissen? Müsste dazu ja eine pre-religiöse homophile Gesellschaft gegeben haben und Homophobie sich erst mit der Religion entwickelt haben. Aber meines Wissens weiß man nichts über die Einstellung der Menschen zur Homosexualität vor dem Entstehen der Religionen.

Über die Einstellungen vor Entstehung der Religionen überhaupt weiß man natürlich in der Tat nichts, aber über die Zeit vor den abrahamitischen Religionen kann man durchaus plausible Vermutungen anstellen. Eine, von der ich gelesen habe, ist, dass homosexuelle Handlungen im Rahmen kanaanitischer Kulte stattgefunden haben könnten und ein guter Teil der Sexualvorschriften im AT, u.a. eben die Verdammung homosexueller Handlungen, der Abgrenzung von diesen Religionen gedient haben könnte. Wenn das so wäre, hätte ein guter Teil der Homophobie (allerdings nicht alles - die Römer sind mW auch ohne das auf die homophobe Schiene gekommen) tatsächlich dort ihren Ursprung (auch wenn BBs universale Deutung, dass Ausgrenzung von Minderheiten überal vorkommen kann, dadurch natürlich nicht falsch wird, sondern vielmehr die Grundlage dafür darstellt).

Allerdings böte die Erkenntnis dieses Ursprungs von Homophobie den abrahamitischen Religionen natürlich gleichzeitig die Möglichkeit, die entsprechenden Aussagen zu historisieren und für den heutigen Glauben für irrelevant zu erklären. Wie es in einigen liberaleren protestantischen, anglikanischen und altkatholischen Kirchen ja auch geschieht.
Wobei es wohl auch Personen geben dürfte, die bei der Gelegenheit, eines der göttlichen Gebote zu hinterfragen, bzw. den Text als solchen zu historisieren, dann auch die Religion als solche kompromittiert sehen - ob religiöse Fundamentalisten i.d.S., die danach streben, in Glauben und Erfüllung der Gebote noch perfekter zu werden, oder eben Leute, die die Religion ablehnen.

Denn: wo hört das auf? Wenn das Eine zwar "historisch" oder "traditionell", aber nicht "göttliches Gebot" ist, wie könnte man denn schließen, daß das Andere "wahr" ist? Man könnte beispielsweise argwöhnen, daß viele der Personen, auf die diese zurückgeführt wird, nicht existiert haben und so auch die Geschehnisse, mit denen sie in Verbindung gebracht werden, zweifelhaft sind. Oder auch, daß die Darstellung von Ereignissen "politisch" gefärbt ist, etwa durch Rivalitäten zwischen den beiden Staaten Israel und Juda, die die Legitimität des Anderen anzweifelten und die ihre zu untermauern versuchten; oder auch später, als es um die "richtige Auslegung" bei den Auseinandersetzungen im frühen Christentum ging. Was davon ist dann überhaupt noch "geoffenbarte Wahrheit" (insbesondere solche, die man ohne das Christentum nicht haben könnte), und was soll beispielsweise aus dieser Sicht noch als "Grundlegung des Glaubens" taugen?
_________________
"Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"

Dann bin ich halt bekloppt. Mit den Augen rollen

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Vobro
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Beitrag(#1894958) Verfasst am: 04.01.2014, 14:33    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
In Ermangelung eines besseren Eingangsposts möchte ich diesen Thread mit einer Überlegung eröffnen, die sich aus einem Beitrag im Diskussionsthread zur Homosexualität ergeben hat.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
NoReply hat folgendes geschrieben:
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben:
Denke ich nicht. Religionen haben maßgeblich dazu beigetragen die Feindschaft gegen Homosexuelle zu etablieren. Die Bibel liefert klare Ansagen Gottes, wie mit homosexuellen Männern zu verfahren sei.

Woher willst du das wissen? Müsste dazu ja eine pre-religiöse homophile Gesellschaft gegeben haben und Homophobie sich erst mit der Religion entwickelt haben. Aber meines Wissens weiß man nichts über die Einstellung der Menschen zur Homosexualität vor dem Entstehen der Religionen.

Über die Einstellungen vor Entstehung der Religionen überhaupt weiß man natürlich in der Tat nichts, aber über die Zeit vor den abrahamitischen Religionen kann man durchaus plausible Vermutungen anstellen. Eine, von der ich gelesen habe, ist, dass homosexuelle Handlungen im Rahmen kanaanitischer Kulte stattgefunden haben könnten und ein guter Teil der Sexualvorschriften im AT, u.a. eben die Verdammung homosexueller Handlungen, der Abgrenzung von diesen Religionen gedient haben könnte. Wenn das so wäre, hätte ein guter Teil der Homophobie (allerdings nicht alles - die Römer sind mW auch ohne das auf die homophobe Schiene gekommen) tatsächlich dort ihren Ursprung (auch wenn BBs universale Deutung, dass Ausgrenzung von Minderheiten überal vorkommen kann, dadurch natürlich nicht falsch wird, sondern vielmehr die Grundlage dafür darstellt).

Allerdings böte die Erkenntnis dieses Ursprungs von Homophobie den abrahamitischen Religionen natürlich gleichzeitig die Möglichkeit, die entsprechenden Aussagen zu historisieren und für den heutigen Glauben für irrelevant zu erklären. Wie es in einigen liberaleren protestantischen, anglikanischen und altkatholischen Kirchen ja auch geschieht.
Wobei es wohl auch Personen geben dürfte, die bei der Gelegenheit, eines der göttlichen Gebote zu hinterfragen, bzw. den Text als solchen zu historisieren, dann auch die Religion als solche kompromittiert sehen - ob religiöse Fundamentalisten i.d.S., die danach streben, in Glauben und Erfüllung der Gebote noch perfekter zu werden, oder eben Leute, die die Religion ablehnen.

Denn: wo hört das auf? Wenn das Eine zwar "historisch" oder "traditionell", aber nicht "göttliches Gebot" ist, wie könnte man denn schließen, daß das Andere "wahr" ist? Man könnte beispielsweise argwöhnen, daß viele der Personen, auf die diese zurückgeführt wird, nicht existiert haben und so auch die Geschehnisse, mit denen sie in Verbindung gebracht werden, zweifelhaft sind. Oder auch, daß die Darstellung von Ereignissen "politisch" gefärbt ist, etwa durch Rivalitäten zwischen den beiden Staaten Israel und Juda, die die Legitimität des Anderen anzweifelten und die ihre zu untermauern versuchten; oder auch später, als es um die "richtige Auslegung" bei den Auseinandersetzungen im frühen Christentum ging. Was davon ist dann überhaupt noch "geoffenbarte Wahrheit" (insbesondere solche, die man ohne das Christentum nicht haben könnte), und was soll beispielsweise aus dieser Sicht noch als "Grundlegung des Glaubens" taugen?


Ich verstehe das Problem nicht, auch nicht den Bezug zum Titel dieses Themas. Es gibt keine geoffenbarte göttliche Wahrheit. Bibeltreue Gläubige oder katholische Dogmatiker erklären einerseits, die gesamte Bibel entstamme göttlicher Offenbarung, obwohl sie in aller Regel ganze Teile daraus ablehnen. Historisch-kritische Exegese versucht den historischen Ursprüngen und Tatsachen nachzugehen, tiefenpsychologische Exegese dagegen den symbolischen "Wahrheitsgehalt" bestimmter Bilder oder Motive nachzuspüren.

Da es keine auf die Bibel zu gründende einheitliche Grundlage des Glaubens gibt, hat man nach und nach Dogmen entwickelt, die sich natürlich im Laufe der Zeit verselbständigt haben. Wobei gerade die kirchliche Dogmatik nach Theodor Reik natürlich als ein Ensemble von Zwangsideen betrachtet werden kann.

Wo ist da das Problem?
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"Es gibt so stumpfsinnige Menschen, dass jeder Gedanke, der auf der Oberfläche ihres Gehirns aufginge, sogleich aus Einsamkeit Selbstmord begehen würde." - Emile Cioran
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Critic
oberflächlich



Anmeldungsdatum: 22.07.2003
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Beitrag(#1895107) Verfasst am: 05.01.2014, 03:14    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Vobro hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe das Problem nicht, auch nicht den Bezug zum Titel dieses Themas. Es gibt keine geoffenbarte göttliche Wahrheit. Bibeltreue Gläubige oder katholische Dogmatiker erklären einerseits, die gesamte Bibel entstamme göttlicher Offenbarung, obwohl sie in aller Regel ganze Teile daraus ablehnen. Historisch-kritische Exegese versucht den historischen Ursprüngen und Tatsachen nachzugehen, tiefenpsychologische Exegese dagegen den symbolischen "Wahrheitsgehalt" bestimmter Bilder oder Motive nachzuspüren.

Da es keine auf die Bibel zu gründende einheitliche Grundlage des Glaubens gibt, hat man nach und nach Dogmen entwickelt, die sich natürlich im Laufe der Zeit verselbständigt haben. Wobei gerade die kirchliche Dogmatik nach Theodor Reik natürlich als ein Ensemble von Zwangsideen betrachtet werden kann.

Wo ist da das Problem?


Um noch ein bißchen nachzuschieben:

Aus nicht-religiöser Sicht ist das vielleicht schon so, aber wie wirkt es auf religiöse Menschen? Es wird natürlich solche geben, die das wissen, aber ignorieren, oder auch "Kulturchristen", die das nicht wissen, und eben halt nur in soweit "religiös" sind, "weil man das eben so macht" (sprich: an Weihnachten und maximal noch an Ostern in die Kirche, an Karfreitag Fisch, Hochzeit in Weiß, Kindertaufe, respektive halt die entsprechenden Inhalte in anderen Religionen). Aber stellt(e) diese Methode eben nicht auch eine "Krise der Theologie" dar? Etwa, daß man zum Beispiel zu rekonstruieren versucht, wie "Gebote" zustande gekommen sind, die Homosexualität betreffen, in wieweit Aussagen in Texten politische Befindlichkeitslagen und Legitimierungszwänge ausdrücken, wie es zur Einführung des Beschneidungsrituals kam et cetera.

Man könnte sogar fragen, in wieweit jemand, der zum Beispiel in einem Diskurs steht, daß Abraham, Mose und Co. nicht existiert haben (und demnach nicht durch Offenbarungen irgendwelche Gesetze von Gott Jahwe erhalten haben können), die Paradies- und Sintflut-Geschichten Allegorien sind, Parthenogenese beim Menschen nicht vorkommen kann et cetera, danach noch dieser Religion folgen oder letzthin sogar an den geschilderten Gott glauben kann*. Das kann auch eine Polemik jenes Autoren sein, im Rahmen der (strikten) Anwendung dieser Methode letztlich auch "Kerninhalte des Glaubens" zur Disposition gestellt zu sehen, aber es gibt zumindest auch Kritiken dieser Art:

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Ohne sie völlig abzulehnen, sieht der Neutestamentler Klaus Berger in der historisch-kritischen Methode, wie sie heute praktiziert wird, einige unhaltbare Grenzüberschreitungen:
- nicht überzeugende Kriterien für Echtheit und Unechtheit von Jesusworten
- die Erklärung, dass das Johannes-Evangelium historisch wertlos sei, hält er für bodenlos
- die Leugnung der Wunder sieht er als modernes weltanschauliches Diktat
- den „Ostergraben“ (Jesus sei ein einfacher Mensch gewesen und erst nach Ostern als Messias gesehen worden) hält er für ein plattes Postulat


Hätte sich also demnach im Sinne dieser Interpretation die Theologie nicht selbst das Wasser abgegraben? Oder überwindet die Theologie auch diese Krise, weil sie ja sowieso schon "per se" mit Gegenständen hantiert, die nicht bewiesen oder auch nicht beweisbar sind? Oder hat es nicht auch in der Ideengeschichte soviele (Um)Brüche gegeben, daß "Glaube/Religion früher" und "Glaube/Religion heute" doch sehr verschieden sind?


________________
* = Als Alternative, warum jemand Kirche dennoch als "irgendwie wichtig" ansehen könnte, drängt sich mir da so eine Skizze einer "Kirche ohne Religion" auf, in der man von Glaubensinhalten mehr oder weniger abgeht, sondern stattdessen die Kirchengemeinde als sozialen Ort ansieht und verallgemeinernd von den "positiven Aspekten einer Gemeinschaft" spricht.
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Fake
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Beitrag(#1895142) Verfasst am: 05.01.2014, 14:44    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Mit der historisch-kritischen Methode schaufelt die Religion ihr eigenes Grab. Denn wenn man eingesteht, dass es eine

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zeit vor den abrahamitischen Religionen

gegeben hat, dann gibt man damit zu, dass Gott eine Erfindung der Menschen ist. Je öfter der "ist nicht wörtlich zu verstehen" Joker gezogen wird, desto weniger bleibt übrig. Früher oder später lässt sich die zwangsläufige Schlussfolgerung, alles ist nicht wörtlich zu verstehen, nicht mehr vermeiden.

Mir ist letztlich egal, ob die Religionen an Widersprüchen zerbrechen oder sich in Bedeutungslosigkeit auflösen. Mich kümmert nur, auf welchem Weg sie mehr Schaden hinterlassen.
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Beitrag(#1895144) Verfasst am: 05.01.2014, 15:02    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
Mit der historisch-kritischen Methode schaufelt die Religion ihr eigenes Grab. Denn wenn man eingesteht, dass es eine

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zeit vor den abrahamitischen Religionen

gegeben hat, dann gibt man damit zu, dass Gott eine Erfindung der Menschen ist. Je öfter der "ist nicht wörtlich zu verstehen" Joker gezogen wird, desto weniger bleibt übrig. Früher oder später lässt sich die zwangsläufige Schlussfolgerung, alles ist nicht wörtlich zu verstehen, nicht mehr vermeiden.

Mir ist letztlich egal, ob die Religionen an Widersprüchen zerbrechen oder sich in Bedeutungslosigkeit auflösen. Mich kümmert nur, auf welchem Weg sie mehr Schaden hinterlassen.


Dass die Entstehung des Christentums sich in reale historische Ereignisse seinerzeit in Judäa einbettet, aus denen sie sozusagen als *Botschaft* an die ganze Menschheit gefiltert, extrahiert und gefriergetrocknet wurde, zeigt doch schon, dass auch eine Historisierung der Bibel dem Christentum selbst nicht den Garaus machen wird.

Andere Religionen zeigen, dass es völlig egal ist, ob *Weisheiten aus einer höheren Welt* an geschichtliche Ereignisse geknüpft sind oder nicht. Siehe nur den Buddhismus.

Im übrigen dienen bestimmte Historisierungen lediglich der Reinwaschung einer Religion, weshalb sie auch von vielen *Gläubigen* befürwortet wird. Somit hätte man hier sogar noch eine Stärkung der Religion.

Deshalb: um wirklich mit Religion fertig zu werden, müssen die Menschen ihre eigene, gesamtmenschliche, kollektive Vernunft erfahren, also erleben.

Dann werden sie merken, dass sie als Menschen - also als Menschheit - das Höchste sind. Aber das Höchste auf Erden und nicht im Himmel.

Alles andere ist und bleibt graues Theoretisieren. Nicht dass es an guten Theoretikern, die des Abstrakten mächtig sind, mangeln würde. Aber das, was in der Religion die *Gotteserfahrung* ist, das kann nur durch die Erfahrung der rationalen und über die kleine enge Gemeinschaft hinaus gehende Umsetzung des menschlichen Wissens & Könnens überschrieben werden.

So wird aus der bloßen Negation des Mythos das positive Gegenstück, bei dem die Welt vom Kopf auf die Füße gestellt und das Fantasma vom Realitätsprinzip abgelöst wird.

Anders wird Irrationalität - in welcher Form auch immer diese auftritt - nicht absterben können ...-
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Vobro
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Beitrag(#1895289) Verfasst am: 06.01.2014, 14:21    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
Vobro hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe das Problem nicht, auch nicht den Bezug zum Titel dieses Themas. Es gibt keine geoffenbarte göttliche Wahrheit. Bibeltreue Gläubige oder katholische Dogmatiker erklären einerseits, die gesamte Bibel entstamme göttlicher Offenbarung, obwohl sie in aller Regel ganze Teile daraus ablehnen. Historisch-kritische Exegese versucht den historischen Ursprüngen und Tatsachen nachzugehen, tiefenpsychologische Exegese dagegen den symbolischen "Wahrheitsgehalt" bestimmter Bilder oder Motive nachzuspüren.

Da es keine auf die Bibel zu gründende einheitliche Grundlage des Glaubens gibt, hat man nach und nach Dogmen entwickelt, die sich natürlich im Laufe der Zeit verselbständigt haben. Wobei gerade die kirchliche Dogmatik nach Theodor Reik natürlich als ein Ensemble von Zwangsideen betrachtet werden kann.

Wo ist da das Problem?


Um noch ein bißchen nachzuschieben:

Aus nicht-religiöser Sicht ist das vielleicht schon so, aber wie wirkt es auf religiöse Menschen? Es wird natürlich solche geben, die das wissen, aber ignorieren, oder auch "Kulturchristen", die das nicht wissen, und eben halt nur in soweit "religiös" sind, "weil man das eben so macht" (sprich: an Weihnachten und maximal noch an Ostern in die Kirche, an Karfreitag Fisch, Hochzeit in Weiß, Kindertaufe, respektive halt die entsprechenden Inhalte in anderen Religionen). Aber stellt(e) diese Methode eben nicht auch eine "Krise der Theologie" dar? Etwa, daß man zum Beispiel zu rekonstruieren versucht, wie "Gebote" zustande gekommen sind, die Homosexualität betreffen, in wieweit Aussagen in Texten politische Befindlichkeitslagen und Legitimierungszwänge ausdrücken, wie es zur Einführung des Beschneidungsrituals kam et cetera.

Man könnte sogar fragen, in wieweit jemand, der zum Beispiel in einem Diskurs steht, daß Abraham, Mose und Co. nicht existiert haben (und demnach nicht durch Offenbarungen irgendwelche Gesetze von Gott Jahwe erhalten haben können), die Paradies- und Sintflut-Geschichten Allegorien sind, Parthenogenese beim Menschen nicht vorkommen kann et cetera, danach noch dieser Religion folgen oder letzthin sogar an den geschilderten Gott glauben kann*. Das kann auch eine Polemik jenes Autoren sein, im Rahmen der (strikten) Anwendung dieser Methode letztlich auch "Kerninhalte des Glaubens" zur Disposition gestellt zu sehen, aber es gibt zumindest auch Kritiken dieser Art:

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Ohne sie völlig abzulehnen, sieht der Neutestamentler Klaus Berger in der historisch-kritischen Methode, wie sie heute praktiziert wird, einige unhaltbare Grenzüberschreitungen:
- nicht überzeugende Kriterien für Echtheit und Unechtheit von Jesusworten
- die Erklärung, dass das Johannes-Evangelium historisch wertlos sei, hält er für bodenlos
- die Leugnung der Wunder sieht er als modernes weltanschauliches Diktat
- den „Ostergraben“ (Jesus sei ein einfacher Mensch gewesen und erst nach Ostern als Messias gesehen worden) hält er für ein plattes Postulat


Hätte sich also demnach im Sinne dieser Interpretation die Theologie nicht selbst das Wasser abgegraben? Oder überwindet die Theologie auch diese Krise, weil sie ja sowieso schon "per se" mit Gegenständen hantiert, die nicht bewiesen oder auch nicht beweisbar sind? Oder hat es nicht auch in der Ideengeschichte soviele (Um)Brüche gegeben, daß "Glaube/Religion früher" und "Glaube/Religion heute" doch sehr verschieden sind?


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* = Als Alternative, warum jemand Kirche dennoch als "irgendwie wichtig" ansehen könnte, drängt sich mir da so eine Skizze einer "Kirche ohne Religion" auf, in der man von Glaubensinhalten mehr oder weniger abgeht, sondern stattdessen die Kirchengemeinde als sozialen Ort ansieht und verallgemeinernd von den "positiven Aspekten einer Gemeinschaft" spricht.


Du nimmst Klaus Berger doch wohl nicht ernst??? Der Knabe ist ein unbelehrbarerer Hardcore-Abergläubiger, der den Zölibat verteidigt, obwohl er selber niemals danach leben würde und auch nicht lebt. Der wortwörtlich an biblische Wunder glaubt, etc.

http://www.youtube.com/watch?v=3wW-wWX9vvo

Ich habe sein Buch "Darf man noch an Wunder glauben?" noch irgendwo im Regal stehen, der Mann hat ein äußerst merkwürdiges Realitätsverständnis.
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Fake
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Beitrag(#1895403) Verfasst am: 07.01.2014, 10:11    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Vobro hat folgendes geschrieben:
der Mann hat ein äußerst merkwürdiges Realitätsverständnis.

Er glaubt halt an Gott. Schulterzucken

Ich betone das, weil ich nicht mehr der Meinung bin, dass das für Theologen selbstverständlich ist. Bei vielen modernen Christen habe ich inzwischen den Eindruck, dass es ihnen fast peinlich ist Gott namentlich zu erwähnen. Wir bewegen uns langsam aber sicher in Richtung eines atheistischen Christentums.
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Arno Gebauer
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Anmeldungsdatum: 30.01.2005
Beiträge: 698

Beitrag(#1895467) Verfasst am: 07.01.2014, 16:09    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,


ich denke, dass man mit Interpretationen jeden historischen Blödsinn, Verstöße gegen
Menschenrechte, usw., usw. rechtfertigen kann und auch rechtfertigt, um eine Kontinuität
zur Gegenwart herzustellen. Unterlassungen, Umdeutungen, usw. sind sehr beliebt .
Das Interpretations-Mittel hat der Kirche immer geholfen, zu überleben, wenn sie die
Ursache größter Verbrechen gewesen ist. ( 2000 Jahre andauernde Hetze gegen Juden als
Jesusmörder und die Inthronisierung ihres Kandidaten Hitler, der den Holocaust dann
mit ihrer Zustimmung durchführte).
Richtigerweise hätten die Kirchen nach dem 2. Weltkrieg für immer verschwinden müssen.

Interpretationen verhindern einen Neustart und Neuanfang. Es geht im alten Stil mit gleichen
Fehlern weiter.

Viele Grüße
Arno Gebauer
_________________
Trennung von Staat und Kirche !
Die geistigen Brandstifter des Holocausts waren die Kirchen! Sie haben viele Jahrhunderte lang gegen die Juden gehetzt!
Nie mehr Zeit und Geld für reiche Kirchen!!!!
Keine Kinder mehr in Kirchenhände!
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Vobro
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Anmeldungsdatum: 10.11.2011
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Beitrag(#1895495) Verfasst am: 07.01.2014, 19:07    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
Vobro hat folgendes geschrieben:
der Mann hat ein äußerst merkwürdiges Realitätsverständnis.

Er glaubt halt an Gott. Schulterzucken

Ich betone das, weil ich nicht mehr der Meinung bin, dass das für Theologen selbstverständlich ist. Bei vielen modernen Christen habe ich inzwischen den Eindruck, dass es ihnen fast peinlich ist Gott namentlich zu erwähnen. Wir bewegen uns langsam aber sicher in Richtung eines atheistischen Christentums.


Er glaubt eben nicht einfach nur an Gott, sondern an den christlichen, sich in Jesus Christus offenbarenden, teilweise sterbenden und teilweise wieder auferstandenen Gott.

Aufgeklärtere Theologen wissen genau, dass diese theologischen Einseitigkeiten und Engführungen unsinnig sind.

Klaus Berger weiß das nicht. Er glaubt daran dass Jesus die Wunder, die ihm nachträglich untergeschoben wurden, tatsächlich vollbracht hat.
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Beitrag(#1895780) Verfasst am: 09.01.2014, 10:20    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Vobro hat folgendes geschrieben:

Aufgeklärtere Theologen wissen genau, dass diese theologischen Einseitigkeiten und Engführungen unsinnig sind.

"Aufgeklärter Theologe" ist ein Paradoxon. Wer die Gründsätze der Aufklärung auf Theologie überträgt, kann kein Theologe mehr sein. Denn es bleibt schlicht und ergreifend nichts von der Theologie übrig.

Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass es eine Reinform der Religion gibt, die im Laufe der Zeit durch, wie du es nennst Einseitigkeiten und Engführungen nur verwässert wurde und die man durch genügend wissenschaftliche Arbeit wieder zutage fördern könne. Natürlich gibt es einen historischen Kern. Aber der enthält halt keine höheren Wahrheiten. Was die Religion zur Religion macht ist exakt das, was hinterher dazu erfunden wurde. Die Menge dessen, was Religion ist, ist in der Menge dessen, was unsinnig ist, vollständig enthalten.

Du kannst es gerne im Selbstversuch testen. Stell dir eine aufgeklärte Religion vor und frage dich dann, ob ihre Kernelemente den Grundsätzen der Aufklärung (=einer kritischen Überprüfung) standhalten. Bereits nach Prüfung der Hypothese "Gott existiert" ist der Versuch beendet. Aufklärung und Theologie sind bereits sprachlich unvereinbare Gegensätze.
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Vobro
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Beitrag(#1895802) Verfasst am: 09.01.2014, 13:44    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
Vobro hat folgendes geschrieben:

Aufgeklärtere Theologen wissen genau, dass diese theologischen Einseitigkeiten und Engführungen unsinnig sind.

"Aufgeklärter Theologe" ist ein Paradoxon. Wer die Gründsätze der Aufklärung auf Theologie überträgt, kann kein Theologe mehr sein. Denn es bleibt schlicht und ergreifend nichts von der Theologie übrig.

Man sollte sich nicht der Illusion hingeben, dass es eine Reinform der Religion gibt, die im Laufe der Zeit durch, wie du es nennst Einseitigkeiten und Engführungen nur verwässert wurde und die man durch genügend wissenschaftliche Arbeit wieder zutage fördern könne. Natürlich gibt es einen historischen Kern. Aber der enthält halt keine höheren Wahrheiten. Was die Religion zur Religion macht ist exakt das, was hinterher dazu erfunden wurde. Die Menge dessen, was Religion ist, ist in der Menge dessen, was unsinnig ist, vollständig enthalten.

Du kannst es gerne im Selbstversuch testen. Stell dir eine aufgeklärte Religion vor und frage dich dann, ob ihre Kernelemente den Grundsätzen der Aufklärung (=einer kritischen Überprüfung) standhalten. Bereits nach Prüfung der Hypothese "Gott existiert" ist der Versuch beendet. Aufklärung und Theologie sind bereits sprachlich unvereinbare Gegensätze.



Das sehe ich etwas anders. Wenn eine Religion sich in der Lage zeigt, human- und naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu integrieren, kann man sie durchaus als aufgeklärt bezeichnen. Aufklärung bedeutet ja nicht, dass einer dem anderen erklärt, wie er die Dinge zu betrachten hat, sondern seine Überzeugungen durch eigenständiges Nachdenken immer wieder neu kritisch zu überprüfen. Nichts anderes geschieht in den Naturwissenschaften auch. Weder in der Religion, noch in den Naturwissenschaften gibt es ewig gültige Wahrheiten.

Eugen Drewermann z.B. hat seine riesigen Bände zur modernen Biologie, Kosmologie und Neurologie nur geschrieben, weil er sich der Aufklärung verpflichtet fühlt, nicht der Beibehaltung althergebrachter theologischer Traditionen. Ich teile Drewermanns persönlichen Glauben natürlich nicht, weil ich religiös ungläubig bin, aber was er als aufklärerische Standardwerke (Hagen Rether nennt sie so) in die Theologie eingebracht hat, ist grandios und einzigartig.

Bei Drewermann ist Gott eben keine objektive Tatsache der Weltwirklichkeit, sondern, wie Hoimar v. Ditfurth es einmal bezeichnet hat, Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung. Da wird der Glaube als Ich-Funktion verstanden, nicht als das Abarbeiten vollkommen grotesker Glaubenssätze in infantiler Abhängigkeit vermeintlich höherer Instanzen.

>>

DREWERMANN: Es ist geradewegs zu begrüßen, dass Neurologen die philosophische und psychologische Aufklärung des 18. und 20. Jahrhunderts nun auch mit biologischen Methoden fortsetzen und den magischen Gebrauch des Religiösen und dessen dogmatischen Objektivismus durch entsprechende Erklärungsmodelle obsolet machen. Auch theologisch ist das nur zu wünschen: Gott ist kein Ding, kein Gegenstand der Welt, auch kein Ort oder Erregungsmuster in unserem Gehirn. Die Religionen aber kann man davon kaum freisprechen, dass sie mit allen möglichen rituellen oder sakramentalen Praktiken auf dem Weg der Massenpsychologie die Menschen beeinflussen wollen. Gott aber sollte ein Ort der persönlichen Freiheit sein.

Dazu ein kleiner Auszug aus einem Interview mit Bild der Wissenschaft, Ausgabe 7/2005:

bdw: Wie sehen Sie das Verhältnis von Gehirn und Glauben?

DREWERMANN: Religion entsteht aus Fragen, die das vordere Stirnhirn stellt, dessen Verschaltungen sich unter ständigen Lernerfahrungen im Rahmen kultureller Vorgaben prägen. Schon die Idee scheint methodisch absurd, man könnte ein so komplexes Phänomen wie das religiöse Bewusstsein auf die Wirkung einzelner Hirnstrukturen zurückführen. Ganz grob müsste man wahrscheinlich sagen: Die Religion besteht darin, mit den Mitteln der Assoziationscortices, vor allem des vorderen Stirnhirns, auf Fragen der Daseinsbegründung zu antworten, indem sie die Ängste des limbischen Systems, besonders des Mandelkerns, mit Mitteln des limbischen Systems und der rechten Hirnhälfte zu beruhigen versucht: mittels symbolischer Bilder und Vorstellungen. Religion ist gebunden an die Aktivierung so gut wie aller Teile unseres Gehirns. Und mindestens so komplex wie der Vorgang des Lesens von bild der wissenschaft.

bdw: Mit magnetischen, elektrischen oder biochemischen Hirnstimulationen lassen sich tief greifende, von den Menschen häufig sehr spirituell gedeutete und metaphysisch interpretierte Erlebnisse hervorrufen. Ist das ein Zugang zu Gott mit neurologischen Mitteln?

DREWERMANN: Das Spiel des Zufalls mag beantworten, warum es einen Menschen gibt. Doch wonach ein Individuum fragt, ist die Berechtigung seiner Existenz als eines Einzelnen. Gerade dieses wissenschaftlich Unableitbare ist das menschlich Problematische. Es gibt auf die Frage „Warum existiere ich?“ nach Überzeugung der Religion eigentlich nur eine paradoxe Antwort: „Es muss dich nicht geben aufgrund einer apriorischen Notwendigkeit. Aber es soll dich geben, weil ich möchte, dass du bist.“ Die Begründung unseres Lebens ergibt sich als eine absolute Freiheit, die Liebe ist.

bdw: Evolutionsbiologen argumentieren neuerdings dafür, dass Religion eine nützliche Illusion ist. Theologen ignorieren solche Argumente häufig oder weisen sie brüsk zurück. Ist der Darwinismus nicht eine Herausforderung für die Theologie?

DREWERMANN: Vor allem der Soziobiologe Edward O. Wilson hat vor Jahren schon darauf hingewiesen, dass es einen Überlebensvorteil bieten kann, wenn nachdenklich gewordene Lebewesen sich einen Gott vorstellen, der ihnen ein ewiges Leben und ein unsterbliches Glück garantiert. Mir scheint, dass in diesen reduktionistischen Erklärungsversuchen übersehen wird, wie tief die Infragestellung der menschlichen Existenz wirklich reicht. Wir Menschen stellen Fragen an die Natur, auf welche diese niemals eine Antwort geben kann.

bdw: Auch die Genetiker sprechen inzwischen von Gottes- oder Spiritualitäts-Genen.

DREWERMANN: Es muss absurd erscheinen, wenn Genetiker wie Dean Hammer Gott zu einer Funktion bestimmter Gene erklären wollen. Das menschliche Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Neuronen, die Großhirnrinde allein aus 20 Milliarden. Dabei lassen sich zwischen den Neuronen bis zu 10 000 Verknüpfungen bilden. Dem steht gegenüber, dass die Informationsmenge des Genoms nur aus drei Milliarden Basenpaaren besteht, ungefähr 750 Megabyte. Dagegen wären etwa 1,25 Millionen Megabyte nötig, um die Verbindungen des Großhirns zu kodieren. Also kann Religion nicht genetisch bestimmt sein, sondern entsteht im Gehirn durch dessen Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt. -


Auch noch ganz interessant: Die Welt - "Das Gehirn bringt Gott hervor"

http://www.welt.de/print-wams/article87017/Das-Gehirn-bringt-Gott-hervor.html
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Beitrag(#1895803) Verfasst am: 09.01.2014, 13:48    Titel: Antworten mit Zitat

@Fake: Du hast ein etwas zu klar umrissenes Bild von Glauben eines Theologen. Geh mal davon aus, dass auch die rkK, für die Spinoza ein Ketzer war, ihn heute als Pastor gewähren lassen würde - lehren dürfte er wahrscheinlich nicht.

Bei den Protestanten dürfte er wahrscheinlich sogar das. Ich habe zu dem Thema auch schon mal einen Rabbi, präziser: eine Rabbinerin gehört, die meinte, es würde sich nicht nur mit ihrem Berufsstand vertragen Atheist zu sein, sondern das sei im Grunde sogar die beste Einstellung. (Damit ist sie mit Sicherheit nicht in der Mitte der Rabbis, sie sagt auch nichts darüber wie häufig diese Position da zu finden sein dürfte, aber sie zeigt auf die mögliche Bandbreite.)

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Beitrag(#1895822) Verfasst am: 09.01.2014, 18:00    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Vobro hat folgendes geschrieben:
Das sehe ich etwas anders. Wenn eine Religion sich in der Lage zeigt, human- und naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu integrieren, kann man sie durchaus als aufgeklärt bezeichnen. Aufklärung bedeutet ja nicht, dass einer dem anderen erklärt, wie er die Dinge zu betrachten hat, sondern seine Überzeugungen durch eigenständiges Nachdenken immer wieder neu kritisch zu überprüfen.

Kritische Überprüfung von was denn? Ich sehe nur zwei sich wechselseitig ausschließende Möglichkeiten:

a) es wird alles kritisch überprüft -> Naturwissenschaft, Philosophie
b) es bleibt ein "mystischer Kern" -> keine kritische Überprüfung, Religion


Vobro hat folgendes geschrieben:
Weder in der Religion, noch in den Naturwissenschaften gibt es ewig gültige Wahrheiten.

Falsch. Religionen sind voll davon.

Vobro hat folgendes geschrieben:
Bei Drewermann ist Gott eben keine objektive Tatsache der Weltwirklichkeit, sondern, wie Hoimar v. Ditfurth es einmal bezeichnet hat, Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung. Da wird der Glaube als Ich-Funktion verstanden, nicht als das Abarbeiten vollkommen grotesker Glaubenssätze in infantiler Abhängigkeit vermeintlich höherer Instanzen.

Dann ist Drewermann ein Atheist. Schulterzucken

Was ich ihm unterstellen muss, ist aber intellektuelle Unredlichkeit. Warum zieht er nicht die offensichtlichen Schlüsse aus seinen Erkenntnissen? Warum spricht er trotz allem noch eine religiöse Sprache?

Vobro hat folgendes geschrieben:
Es gibt auf die Frage „Warum existiere ich?“ nach Überzeugung der Religion eigentlich nur eine paradoxe Antwort: „Es muss dich nicht geben aufgrund einer apriorischen Notwendigkeit. Aber es soll dich geben, weil ich möchte, dass du bist.“ Die Begründung unseres Lebens ergibt sich als eine absolute Freiheit, die Liebe ist.

Das ist doch billigstes Eso-Geschwurbel. Michael Schmidt-Salomon hat mal sinngemäß über die Liebe gesagt: "Liebe leuge ich ja gar nicht. Ich würde sie allerdings Liebe nennen und nicht Gott." Drewermann springt hier auf den Zug auf, dass Naturwissenschaft keinen Sinn stiften könne und daher eine Existenzberechtigung der Religionen verbleibe. Meinetwegen. Aber dann soll er (bzw. die Religionen) doch bitteschön auch mal Sinn stiften. Darauf wartet doch die Menschheit seit 10.000 Jahren. Offensichtlich kann es die Religion genauso wenig. Was also soll dann der Zirkus?

Drewermann ist ein bekannter Buchautor. Er hat uns also offenbar etwas zu sagen. Da er sich selber nicht Psychologen oder Naturwissenschaftler bezeichnet, scheint er selber seinen Schwerpunkt woanders zu sehen. Also bitteschön Herr Drewermann: wo ist denn ihre Antwort auf die großen Fragen? Ich brauche keinen Theologen, der mit etwas über Hirnforschung erzählt. Das können andere besser. Vom einem Theologen möchte ich etwas über Gott hören. Und zwar Antworten. Fragen habe ich selber. Drewermann hält es vielleicht für wissenschaftlich, sich hinter "kritischen Fragen" zu verstecken. Ich finde das nur feige.
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Beitrag(#1895825) Verfasst am: 09.01.2014, 18:08    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
@Fake: Du hast ein etwas zu klar umrissenes Bild von Glauben eines Theologen.

Klarer als viele Theologen offenbar. Das heißt aber nicht, dass ich Unrecht habe. zwinkern

fwo hat folgendes geschrieben:
eine Rabbinerin gehört, die meinte, es würde sich nicht nur mit ihrem Berufsstand vertragen Atheist zu sein, sondern das sei im Grunde sogar die beste Einstellung.

Das würde ich gar nicht bestreiten. Ganz im Gegenteil: ich gehe davon aus, dass Atheismus für jeden Beruf die beste Einstellung ist. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass sich jede Gesellschaft irgendwann zwischen Wissen und Glauben entscheiden muss. Es mag vorteilhaft sein, auf ein Leben nach dem Tod hoffen zu können. Wenn man aber eine kritische Menge an Bildung überschritten hat, kann man sowas nicht mehr hoffen. Und in dem Moment ist auch der Priester überflüssig geworden. Wissen zu predigen ist wie... hmmm... Quatsch halt.
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fwo
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Beitrag(#1895837) Verfasst am: 09.01.2014, 19:43    Titel: Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
@Fake: Du hast ein etwas zu klar umrissenes Bild von Glauben eines Theologen.

Klarer als viele Theologen offenbar. Das heißt aber nicht, dass ich Unrecht habe. zwinkern ....

Doch, genau das heißt es. Denn der Glaube des Theologen ist seiner, den er persönlich hat, zu dem er sich bekennt. Den kennt nur er.

Der ist nicht unbedingt identisch mit dem, den er eigentlich laut seiner Kirche haben sollte, und auf den Du dich beziehst. Darauf, dass zumindest die großen christlichen Kirchen in Europa heute auch größere Freiheiten gewähren als früher, bin ich schon eingegangen. Auch Kuschelchristen sind Christen, solange sie sich selbst zu dem Verein zählen. Das nur so zur Logik der Einteilung. Ansonsten kannst Du mit ihnen streiten, soviel Du willst, bin ich bei einigen Themen immer gerne mit dabei.

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Zuletzt bearbeitet von fwo am 09.01.2014, 19:45, insgesamt einmal bearbeitet
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kereng
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Beitrag(#1895838) Verfasst am: 09.01.2014, 19:43    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Vobro hat folgendes geschrieben:
Bei Drewermann ist Gott eben keine objektive Tatsache der Weltwirklichkeit, sondern, wie Hoimar v. Ditfurth es einmal bezeichnet hat, Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung. Da wird der Glaube als Ich-Funktion verstanden, nicht als das Abarbeiten vollkommen grotesker Glaubenssätze in infantiler Abhängigkeit vermeintlich höherer Instanzen.

Dann hat nach Drewermann ein "Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung" die Welt erschaffen?
Oder würde Drewermann sagen: "Gott hat die Welt nicht erschaffen"?

Ich weiß, dass an viele Götter geglaubt wird, die nicht die Welt erschaffen haben, aber beim christlichen Gott gehört zur Definition, dass er der Schöpfer ist.
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Beitrag(#1895852) Verfasst am: 09.01.2014, 20:15    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Fake hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
@Fake: Du hast ein etwas zu klar umrissenes Bild von Glauben eines Theologen.

Klarer als viele Theologen offenbar. Das heißt aber nicht, dass ich Unrecht habe. zwinkern ....

Doch, genau das heißt es. Denn der Glaube des Theologen ist seiner, den er persönlich hat, zu dem er sich bekennt. Den kennt nur er.

Der ist nicht unbedingt identisch mit dem, den er eigentlich laut seiner Kirche haben sollte, und auf den Du dich beziehst. Darauf, dass zumindest die großen christlichen Kirchen in Europa heute auch größere Freiheiten gewähren als früher, bin ich schon eingegangen. Auch Kuschelchristen sind Christen, solange sie sich selbst zu dem Verein zählen. Das nur so zur Logik der Einteilung. Ansonsten kannst Du mit ihnen streiten, soviel Du willst, bin ich bei einigen Themen immer gerne mit dabei.


Auf jeden Fall hat Drewermann Recht, wenn er sagt, dass Religiösität keine Frage der Erkenntnistheorie ist. In diesem Punkt ist er weiter als viele andere Religionskritiker.

Gut finde ich, dass Drewermann aus dem Sauverein namens Katholische Kirche ausgetreten ist.

Er wäre sonst auch nicht glaubwürdig.
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Beitrag(#1895955) Verfasst am: 10.01.2014, 11:01    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

kereng hat folgendes geschrieben:
Vobro hat folgendes geschrieben:
Bei Drewermann ist Gott eben keine objektive Tatsache der Weltwirklichkeit, sondern, wie Hoimar v. Ditfurth es einmal bezeichnet hat, Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung. Da wird der Glaube als Ich-Funktion verstanden, nicht als das Abarbeiten vollkommen grotesker Glaubenssätze in infantiler Abhängigkeit vermeintlich höherer Instanzen.

Dann hat nach Drewermann ein "Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung" die Welt erschaffen?
Oder würde Drewermann sagen: "Gott hat die Welt nicht erschaffen"?

Ich weiß, dass an viele Götter geglaubt wird, die nicht die Welt erschaffen haben, aber beim christlichen Gott gehört zur Definition, dass er der Schöpfer ist.


Sehr gut! Ganz genau! Coole Sache, das...

@ fwo:
Das mit den individuellen Freiheiten sehe ich doch auch. Ich meine allerdings, dass sich das eher im Randbereich von Religion abspielt. Ob Jesus Linksträger oder Rechtsträger war, mag jeder für sich entscheiden. Aber Dinge wie die Existenz eines personalen Gottes, die Schöpfung der Welt, die Vergebung der Sünden und ein Leben nach dem Tod muss man als Christ glauben oder man ist keiner.

Individueller Glaube umfasst nicht die Definitionshoheit über Jahrtausende alte Religionen. Jeder kann frei wählen, was er glauben möchte. Aber was er dann ist, kann er nicht entscheiden. Das kann nur anhand von objektiven Kriterien bestimmt werden. Niemand kann einem Vegetarier verbieten Fleisch zu essen. Aber wenn er es oft und gerne tut, ist er irgendwann keiner mehr.
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Zumsel
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Beitrag(#1895956) Verfasst am: 10.01.2014, 11:07    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
kereng hat folgendes geschrieben:
Vobro hat folgendes geschrieben:
Bei Drewermann ist Gott eben keine objektive Tatsache der Weltwirklichkeit, sondern, wie Hoimar v. Ditfurth es einmal bezeichnet hat, Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung. Da wird der Glaube als Ich-Funktion verstanden, nicht als das Abarbeiten vollkommen grotesker Glaubenssätze in infantiler Abhängigkeit vermeintlich höherer Instanzen.

Dann hat nach Drewermann ein "Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung" die Welt erschaffen?
Oder würde Drewermann sagen: "Gott hat die Welt nicht erschaffen"?

Ich weiß, dass an viele Götter geglaubt wird, die nicht die Welt erschaffen haben, aber beim christlichen Gott gehört zur Definition, dass er der Schöpfer ist.


Sehr gut! Ganz genau! Coole Sache, das...

@ fwo:
Das mit den individuellen Freiheiten sehe ich doch auch. Ich meine allerdings, dass sich das eher im Randbereich von Religion abspielt. Ob Jesus Linksträger oder Rechtsträger war, mag jeder für sich entscheiden. Aber Dinge wie die Existenz eines personalen Gottes, die Schöpfung der Welt, die Vergebung der Sünden und ein Leben nach dem Tod muss man als Christ glauben oder man ist keiner.

Individueller Glaube umfasst nicht die Definitionshoheit über Jahrtausende alte Religionen. Jeder kann frei wählen, was er glauben möchte. Aber was er dann ist, kann er nicht entscheiden. Das kann nur anhand von objektiven Kriterien bestimmt werden. Niemand kann einem Vegetarier verbieten Fleisch zu essen. Aber wenn er es oft und gerne tut, ist er irgendwann keiner mehr.


"Moderne Christen" definieren Christsein durch eine ethische Grundhaltung. Die Religion wird von Mythen befreit und auf ihren ethischen Kern reduziert, das ist die Idee. Ob das Erfolg und Zkunft hat, hängt nicht unbedingt davon ab, ob es historisch plausibel ist.
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Fake
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Beitrag(#1895960) Verfasst am: 10.01.2014, 11:28    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:

"Moderne Christen" definieren Christsein durch eine ethische Grundhaltung. Die Religion wird von Mythen befreit und auf ihren ethischen Kern reduziert, das ist die Idee. Ob das Erfolg und Zkunft hat, hängt nicht unbedingt davon ab, ob es historisch plausibel ist.

Meinetwegen. Aber dann stellt sich irgendwann die Frage, ob noch eine "Religion" vorliegt. Das ist keine rein akademische Frage. Als Religion genießt das Christentum den besonderen Schutz des Art. 4 GG. Als bloße Ethik müsste sie sich im Lichte des Art. 3 GG genauso behandeln lassen wie alle anderen Ethikverbände auch. Keine Mystik = keine Privilegien.
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Vobro
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Beitrag(#1895975) Verfasst am: 10.01.2014, 12:46    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

kereng hat folgendes geschrieben:
Vobro hat folgendes geschrieben:
Bei Drewermann ist Gott eben keine objektive Tatsache der Weltwirklichkeit, sondern, wie Hoimar v. Ditfurth es einmal bezeichnet hat, Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung. Da wird der Glaube als Ich-Funktion verstanden, nicht als das Abarbeiten vollkommen grotesker Glaubenssätze in infantiler Abhängigkeit vermeintlich höherer Instanzen.

Dann hat nach Drewermann ein "Ausdruck einer bestimmten Lebenshaltung" die Welt erschaffen?
Oder würde Drewermann sagen: "Gott hat die Welt nicht erschaffen"?

Ich weiß, dass an viele Götter geglaubt wird, die nicht die Welt erschaffen haben, aber beim christlichen Gott gehört zur Definition, dass er der Schöpfer ist.


Nach Drewermann brauchte die Welt nicht erschaffen werden, sie ist geworden, und die Erkenntnisse darüber, wie das geschehen sein könnte, liefert ganz sicher nicht die Religion.

Ich habe seine stets an neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen orientierten theologischen Ansätze auch nur deshalb erwähnt, weil dem ein gänzlich anderes Verständnis von Religion zugrunde liegt, als man es durch die Vermittlung der Kirchen gewohnt ist.

Es ist nun einmal so, dass viele Menschen religiös sind. Auch unter den konfessionslosen sind sicher eine Menge irgendwie religiös Gläubige; konfessionslos bedeutet zunächst nur, dass sie nicht offiziell in eine Kirche eingebunden sind oder sein möchten. Deshalb ist es doch so wichtig, die Religion wissenschaftsfreundlich und möglichst realitätsnah zu gestalten. Im Grunde genommen ist Religion nach Drewermann nichts anderes, als die Ermöglichung einer Haltung eines Vertrauens, die sich aus der Natur nicht ableiten läßt.

Wie geht man mit der absoluten Infragestellung des Menschen um, der von der Natur zwar hervorgebracht, aber erkennbar weder gewollt wird, noch dass sich die Natur darum schert, was aus uns als Spezies oder als Einzelwesen wird.

Wie begründet sich Menschlichkeit im Raum einer Natur, die auf menschliche Interessen keinerlei Rücksicht nimmt, noch nehmen kann.

Was hat es mit der Selbstbegründung des Menschen überhaupt auf sich?

Nach Drewermann kann Religion sich nur dann beglaubigen, wenn sie auf solche Fragen ernstzunehmende und tragfähige Antworten bieten kann. Kann sie das nicht, ist sie schlichtweg überflüssig.

Ich habe mit Drewermanns persönlichem Glauben so manche Schwierigkeiten, da würde es in einem Dialog eine Menge kaum aufzulösender Differenzen geben, aber viele seiner Bücher dienen ganz hervorragend dazu, um jeder Form von Schöpfungstheologie und religiöser oder kirchlicher Dogmatik den endgültigen Garaus zu machen. Schade, dass das von den sogenannten "neuen Atheisten" kaum erkannt, geschweige denn gewürdigt wird.
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Beitrag(#1896426) Verfasst am: 13.01.2014, 10:36    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Vobro hat folgendes geschrieben:

Wie geht man mit der absoluten Infragestellung des Menschen um, der von der Natur zwar hervorgebracht, aber erkennbar weder gewollt wird, noch dass sich die Natur darum schert, was aus uns als Spezies oder als Einzelwesen wird.

Wie begründet sich Menschlichkeit im Raum einer Natur, die auf menschliche Interessen keinerlei Rücksicht nimmt, noch nehmen kann.

Was hat es mit der Selbstbegründung des Menschen überhaupt auf sich?

Diese Fragen stellen sich nicht mehr, denn du hast sie mit deinem ersten Satz schon beantwortet: die Natur schert sich nicht darum!

Wir kennen die Antwort. Vielleicht gefällt sie uns nicht. Das ändert aber nichts daran, dass sie abschließend, vollständig und wahr ist. Wer das weiß und trotzdem weiter fragt, verhält sich unseriös und vor allem unwissenschaftlich. Drewerman und andere bedienen sich zwar naturwissenschaftlicher Methoden und Argumente, drehen das Rad des Fortschritts aber dennoch in die falsche Richtung wenn sie mit ihren Fragen andeuten, dass es da noch "etwas mehr" gibt.

Menschlichkeit muss sich nicht begründen. Es gibt sie, weil sie zufällig entstanden ist. Es gibt mich, weil meine Eltern zufällig zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt Sex miteinander hatten.
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Vobro
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Beitrag(#1896438) Verfasst am: 13.01.2014, 11:42    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
Vobro hat folgendes geschrieben:

Wie geht man mit der absoluten Infragestellung des Menschen um, der von der Natur zwar hervorgebracht, aber erkennbar weder gewollt wird, noch dass sich die Natur darum schert, was aus uns als Spezies oder als Einzelwesen wird.

Wie begründet sich Menschlichkeit im Raum einer Natur, die auf menschliche Interessen keinerlei Rücksicht nimmt, noch nehmen kann.

Was hat es mit der Selbstbegründung des Menschen überhaupt auf sich?

Diese Fragen stellen sich nicht mehr, denn du hast sie mit deinem ersten Satz schon beantwortet: die Natur schert sich nicht darum!

Wir kennen die Antwort. Vielleicht gefällt sie uns nicht. Das ändert aber nichts daran, dass sie abschließend, vollständig und wahr ist. Wer das weiß und trotzdem weiter fragt, verhält sich unseriös und vor allem unwissenschaftlich. Drewerman und andere bedienen sich zwar naturwissenschaftlicher Methoden und Argumente, drehen das Rad des Fortschritts aber dennoch in die falsche Richtung wenn sie mit ihren Fragen andeuten, dass es da noch "etwas mehr" gibt.

Menschlichkeit muss sich nicht begründen. Es gibt sie, weil sie zufällig entstanden ist. Es gibt mich, weil meine Eltern zufällig zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt Sex miteinander hatten.


Dann ist ein Mensch lediglich das Produkt aus Genetik, also Biologie, und Soziologie, also Erziehung und kultureller Prägung? Wer Du als Person bist, ergibt sich doch nicht aus der Tatsache, wann Deine Eltern Dich gezeugt haben.

Menschlichkeit entsteht auch nicht einfach so zufällig, sie beruht, wie Du sehr wohl weißt, auf Vereinbarungen darauf, was darunter verstanden wird. Menschlichkeit ist kein objektiver Begriff, und die Frage, wie wir miteinander umgehen wollen, ist immer brandaktuell. Menschlichkeit hat etwas mit dem leider etwas inflationär gebrauchten Wertebegriff zu tun, und Werte müssen begründet werden.

Wie wir uns verhalten, miteinander umgehen, ergibt sich doch nicht aus dem Abspulen irgendwelcher biologischer Programme.
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Beitrag(#1896464) Verfasst am: 13.01.2014, 14:15    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Vobro hat folgendes geschrieben:
Wie wir uns verhalten, miteinander umgehen, ergibt sich doch nicht aus dem Abspulen irgendwelcher biologischer Programme.

Sondern?

Du brauchst diese Frage nicht zu beantworten, denn ich kann mir recht gut vorstellen was da käme. Und ich würde dir zustimmen, allerdings mit dem Hinweis, dass genau das letztlich nichts anders ist als Biologie + Soziologie.

Wenn du "biologische Programme" schreibst, dann liest sich das wie "nur biologische Programme". Eine derartige Abwertung ist mir fremd. Wenn ich "biologische Programme" schreibe, dann bin ich erfüllt von fast ehrfürchtigem Stauen über die unglaubliche Komplexität dieser Programme!

Genauso verstehe ich unter "Zufall" auch nicht "einfach nur Zufall" sondern eine höchst bemerkenswerte Verkettung von sehr sehr vielen Zufällen. Zufälle bleiben es dennoch. Und auch wenn sich nach ausreichend vielen Zufällen bestimmte Muster abzeichnen, ergibt sich daraus keine darüber schwebende Sinnebene.

DAS empfinde ich als Abwertung. Als ob irgendeine Sinnebene die Natur in ein noch besseres Licht rücken könnte. Als ob das, was uns in Erstaunen versetzt, auch nur ein Quäntchen erstaunlicher oder schöner wäre, wenn es einen "Sinn" hätte. Oder einen Schöpfer.
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Tarvoc
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Beitrag(#1896466) Verfasst am: 13.01.2014, 14:27    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
Wenn ich "biologische Programme" schreibe, dann bin ich erfüllt von fast ehrfürchtigem Stauen über die unglaubliche Komplexität dieser Programme!

Als ob deine emotionale Befindlichkeit zu diesem Thema von irgendeinem theoretischen Interesse wäre... Mit den Augen rollen
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Beitrag(#1896470) Verfasst am: 13.01.2014, 14:58    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
....
Wenn du "biologische Programme" schreibst, dann liest sich das wie "nur biologische Programme". Eine derartige Abwertung ist mir fremd. Wenn ich "biologische Programme" schreibe, dann bin ich erfüllt von fast ehrfürchtigem Stauen über die unglaubliche Komplexität dieser Programme!...

Au weia. Nach dem Satz solltest Du vielleicht die Hose wechseln.
Nur um das Bild mal mit Inhalt zu füllen: Gerade im Verhalten haben die menschlichen Programme nicht nur ungeheure Freiräume (nicht mit genetischem Coding erfüllte Anteile), die erst in der Individualentwicklung gefüllt werden müssen, damit der Mensch überhaupt funktionieren kann - er kann das nämlich nur in der Gemeinschaft und jede Gemeinschaft macht da eigene Programmvorgaben.

Da wir gerade in der Programmierung sind: Wir sollten die Programme, die in uns laufen, nicht mit der Schallplattenverwaltung vergleichen, die einige hier mal in einem Programmierkurs geschrieben haben. Da ist der Vergleich mit einem SAP-System bereits sinniger, auch, weil auch das, im Gegensatz zur Schallplattenverwaltung, von der Kommunikation lebt. Du kannst die Erziehung, das Aufwachsen eines Menschen ansatzmäßig mit dem Customizing eines SAP-Systems vergleichen - ein SAP-System mit leeren Customizing-Tabellen läuft so wenig wie ein Mensch, der ohne Kontakt im Keller aufwächst und rausgelassen wird, wenn die Sekundärbehaarung da ist.

Das nur so zur Veranschaulichung dessen, was die Programm in uns leisten, wenn man sie nicht mit Inhalten füllt.

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Beitrag(#1896473) Verfasst am: 13.01.2014, 15:17    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Gerade im Verhalten haben die menschlichen Programme nicht nur ungeheure Freiräume (nicht mit genetischem Coding erfüllte Anteile), die erst in der Individualentwicklung gefüllt werden müssen, damit der Mensch überhaupt funktionieren kann - er kann das nämlich nur in der Gemeinschaft und jede Gemeinschaft macht da eigene Programmvorgaben.

Ja und? Ich hab nichts anderes behauptet.
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Beitrag(#1896475) Verfasst am: 13.01.2014, 15:29    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Gerade im Verhalten haben die menschlichen Programme nicht nur ungeheure Freiräume (nicht mit genetischem Coding erfüllte Anteile), die erst in der Individualentwicklung gefüllt werden müssen, damit der Mensch überhaupt funktionieren kann - er kann das nämlich nur in der Gemeinschaft und jede Gemeinschaft macht da eigene Programmvorgaben.

Ja und? Ich hab nichts anderes behauptet.

Lachen Stimmt, Du hast nur den Schwerpunkt etwas anders gesetzt, mein lieber advocatus anguli.

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Beitrag(#1896476) Verfasst am: 13.01.2014, 15:42    Titel: Re: Interpretationen - historisch-kritisch etc. Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Fake hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Gerade im Verhalten haben die menschlichen Programme nicht nur ungeheure Freiräume (nicht mit genetischem Coding erfüllte Anteile), die erst in der Individualentwicklung gefüllt werden müssen, damit der Mensch überhaupt funktionieren kann - er kann das nämlich nur in der Gemeinschaft und jede Gemeinschaft macht da eigene Programmvorgaben.

Ja und? Ich hab nichts anderes behauptet.

Lachen Stimmt, Du hast nur den Schwerpunkt etwas anders gesetzt, mein lieber advocatus anguli.

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Und welchen (falschen ?) Schwerpunkt habe ich deiner Meinung nach gesetzt? Am Kopf kratzen
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