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Die deutsche Sprache auf Abwegen?
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Ahriman
Tattergreis



Anmeldungsdatum: 31.03.2006
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Beitrag(#1906923) Verfasst am: 09.03.2014, 12:54    Titel: Antworten mit Zitat

Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Ahriman hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Ich hatte meine Gedanken eher bei welche, die sich künstlich aufregen, wenn manches in der Sprache "geschliffen" wird. (Fälle, die nicht mehr richtig verwendet werden und al son Zeugs)

Na klar. Wozu braucht ein Handwerker all dieses komplizierte Werkzeug? Ein Hammer reicht doch vollauf!


Aber warum 20 verschiedene Feilen, und 40 diverse Schraubendreher?

Die Sprache ändert sich nun mal im Laufe der Jahre. Da fällt einiges unterm Tisch, was man früher für essenziell gehalten hätte. Schulterzucken


Wenn man einfach alles für richtig erklärt, wenn es nur oft genug falsch gemacht wurde, wird man die Sprache langfristig auf eine Verfallsform reduzieren, und ihr somit Ausdrucks- und Differenzierungsmöglichkeit nehmen.

In hundert Jahren hört sich das dann so an:
"Wo Weg Bahnhof?"
"Aufgehe drei Straße rechts, frage wieder."
Unsere ausländischen Mitbürger machen es uns ja vor, wie man mit einer vereinfachten auf Rudimente reduzierten Sprache durchs Leben kommt. Wir haben ja Leute im Forum, die würden am liebsten nur noch englisch sprechen. Denen empfehle ich dann Pidgin oder http://de.wikipedia.org/wiki/Basic_English
ist noch einfacher.
BILD kommt ja heute schon mit 800 Wörtern aus, das läßt sich gewiß noch vereinfachen.
Zitat:
Aber warum 20 verschiedene Feilen, und 40 diverse Schraubendreher?

Vielleicht wirst du lachen: Als Uhrmacher hatte ich bestimmt an die 20 verschiedene Feilen, Schraubenzieher so etwa zehn. Für eine fünfeinviertellinige Damenarmbanduhr braucht man halt ganz andere als für eine Standuhr mit Westminsterschlagwerk.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:File_cross-section.svg
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Ahriman
Tattergreis



Anmeldungsdatum: 31.03.2006
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Beitrag(#1906925) Verfasst am: 09.03.2014, 13:03    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Was Latein betrifft: Nein. Französisch ist komplizierter.

Oder auch primitiver. Franzosen reiten nicht, sie "gehen mit Pferd". Und die Russen haben sogar sechs Fälle, wenn ich mich richtig an meine Schulzeit erinnere,
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vrolijke
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Beitrag(#1906927) Verfasst am: 09.03.2014, 13:09    Titel: Antworten mit Zitat

Sprache ist wie Religion, ein geeignetes Mittel zum Kitten oder zum Trennen.

Man kann beides benutzen als gemeinsame Nenner.

Man kann beide auch benutzen als "Hüter der Kultur".

So kann man sich über eine gemeinsame Sprache freuen. So kann man sich alle gut verstehen.

Die "Hüter der echte Sprache" können es auch als Trennmittel einsetzen, um diejenigen abzuwehren, die die "echte" sprache nicht exakt richtig benutzen.

Für mich ist Sprache ein Mittel um miteinander zu komunizieren. Und ich freue mich, wenn jemand eine Sprache spricht, die ich auch (halbwegs) mächtig bin.
Haarspaltereien überlasse ich gerne andern.
_________________
Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm

Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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vrolijke
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Anmeldungsdatum: 15.03.2007
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Beitrag(#1906929) Verfasst am: 09.03.2014, 13:12    Titel: Antworten mit Zitat

Ahriman hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Was Latein betrifft: Nein. Französisch ist komplizierter.

Oder auch primitiver. Franzosen reiten nicht, sie "gehen mit Pferd". Und die Russen haben sogar sechs Fälle, wenn ich mich richtig an meine Schulzeit erinnere,


Solche Eigenheiten fallen einem eher in eine fremde Sprache auf. In die eigene hat man sich dran gewöhnt.

Niemand regt sich auf, wenn jemand Hunger "besitzt". (Haben)
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vrolijke
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Anmeldungsdatum: 15.03.2007
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Beitrag(#1906931) Verfasst am: 09.03.2014, 13:23    Titel: Antworten mit Zitat

Ahriman hat folgendes geschrieben:

In hundert Jahren hört sich das dann so an:
"Wo Weg Bahnhof?"
"Aufgehe drei Straße rechts, frage wieder."


Gut möglich. Wenn man sich damit verständigen kann.
Kann auch ganz anders verlaufen. Wer weiß das schon?

Wenn Du mal einen "deutschen" Text aus dem 15en Jahrhundert nimmst, wirst feststellen, dass Du den gar nicht lesen kannst.
Bist Du jetzt dümmer geworden? Können wir uns jetzt weniger "fein" ausdrücken? Fehlen uns jetzt welche Wörter?

Komisch. Scheint alles "ganz normal" zu funktionieren, obwohl wir die Sprache von damals nicht mehr beherschen.
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boomklever
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Anmeldungsdatum: 25.07.2006
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Beitrag(#1906949) Verfasst am: 09.03.2014, 16:21    Titel: Antworten mit Zitat

Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
So funktioniert nun mal die Weiterentwicklung von Sprachen. Manches wird reduziert, manches kommt neu hinzu.

Ach, ich hab überhaupt nichts gegen Entwicklung.

Aber zu sagen: "Oh, viele Leute haben Probleme mit dem Genitiv, also scheiß drauf" ist nicht das, was ich Entwicklung nenne würde.

Letzten Endes hat das auch nur bedingt was damit zu tun ob ich eine Entwicklung gut oder schlecht finde. Ich bekomme auch ein flaues Gefühl in der Magengegend wenn ich so ungehobelte Worte in der Alltagssprache wiederfinde wie "dissen" oder "chillen". Auch der deutschen Sprache ihre Entwicklung hinsichtlich des Genitivs, der immer mehr in Vergessenheit gerät, geht mir gegen den Strich. zwinkern Ich fürchte jedoch, dass wir uns bei einigen dieser Neuerungen ganz einfach damit abfinden müssen, dass diese nach und nach in die Standardsprache Einzug finden - ob es uns passt oder nicht. Das ist eben eine ganz natürliche Entwicklung. Als Einzelner kann man höchstens (bzw. immerhin) Akzente setzen, indem man eine Sprache pflegt, die man selbst schöner/angebrachter findet.

Zum Thema Schwierigkeitsgrad von Sprachen: Ich finde das wird viel zu stark bewertet. Wenn man vorhat, Experte in Sachen Grammatik einer bestimmten Sprache zu werden, dann mag es stimmen, dass Finnisch schwieriger als Italienisch ist oder Polnisch schwieriger als Englisch. Wenn man ganz einfach eine Sprache lernen will - und ja - ich halte es für hinderlich Grammatik zu pauken, um sich eine Sprache anzueignen - dann spielt die vermeintliche Komplexität einer Grammatik nur eine sehr untergeordnete Rolle. Um ein einfaches Beispiel heranzuziehen:

I give a book to the boy.
Ich gebe dem Jungen ein Buch.

Im Normalfall heißt es, dass das Deutsche eine wesentlich kompliziertere Grammatik hat als das Englische. Im obigen Beispiel gibt es im englischen Satz ein Subjekt (I), ein direktes Objekt (a book) und ein indirektes Objekt (the boy). Im Deutschen muss man außerdem auf die Kasus achten - Subjekt (ich), Dativ-Objekt (dem Jungen), Akkusativ-Objekt (das Buch) damit keine so abenteuerlichen Konstruktionen herauskommen wie "ich gebe der Junge ein Buch" - was man ja von ungeübten Sprechern in ähnlicher Weise oft hört.

Die wahrgenommene, vermeintliche Schwierigkeit ist der falschen Lernmethode geschuldet: Stures Auswendiglernen von Vokabellisten und der Versuch, diese durch erlernte Grammatikregeln zu vernünftigen Sätzen zusammenzufügen ist zum Scheitern verurteilt. Im wirklichen Leben ist es einfach nicht möglich nach den Mustern wie wir sie in der Schule lernen eine Sprache anzuwenden. Ich will gegenüber einem englischsprachigen Bekannten zum Ausdruck bringen, dass ich dem Jungen gestern das Buch gab. Dazu muss ich also folgende Überlegung anstellen: Ich habe dem Jungen gestern das Buch gegeben...

- I have the boy yesterday the book given
Hilfs- und Hauptverb können nicht getrennt werden...
- I have given the boy yesterday the book
Satzstellung: Zeitangaben gehören ans Ende...
- I have given the boy the book yesterday
Irgendwas stimmt hier nicht...
- I have given the book the boy yesterday?
Nee...
- I have given the book to the boy yesterday
Ah, aber mit Zeitangabe muss hier das simple past stehen...
- I gave the book to the boy yesterday

Gesprächspausen, die für solche Überlegungen nötig sind macht kein Gesprächspartner lange mit. In einer künstlichen Umgebung wie dem Klassenzimmer oder einem Grammatiktest ist das natürlich kein Problem - sofern man sich an sämtliche Regeln erinnern kann. In realen Situation kann das nur zu Frust führen. Genau das ist der Grund warum das isolierte Lernen von Vokabeln und Grammatik nichts bringt und für die meisten quälend langweilig ist (i.d.R. diejenigen, die irgendwann frustriert das Handtuch werfen und behaupten, sie hätten kein Talent für Sprachen). Wir alle haben auf alle Fälle wenigstens ein Minimaltalent für Sprachen, da wir alle ja bereits mindestens eine erfolgreich gelernt haben. Und auf die gleiche Art und Weise wie wir unsere Muttersprache gelernt haben sollten wir auch versuchen weitere Sprachen zu lernen:
- nicht Grammatik und Vokabeln lernen, sondern Wörter in ganzen Sätzen im Zusammenhang

und vor allem: viel, viel Input! Ein Baby wird den ganzen Tag über mit Sätzen in seiner "Muttersprache" bombardiert - manchmal auch von mehreren Sprachen wenn das Kind zwei- oder mehrsprachig aufwächst. Als Kind lernen wir eine Sprache ganz einfach und natürlich.

Und wenn wir so eine Sprache lernen dann macht es auch keinen Unterschied ob eine Sprache keine Kasus (mehr) hat (oder wenigstens die Substantive nicht mehr nach Kasus dekliniert - wie das Englische) oder 15 davon hat, wie das Finnische. Ob eine Sprache höchst agglutinierend ist (Türkisch) oder fusional (Deutsch). Es macht einfach keinen Unterschied ob ich mir merke, dass der Satz
- ich habe ihm das Buch gegeben

das englische Äquivalent
- I gave him the book/I gave the book to him

das französische Äquivalent
- je lui ai donné le livre

das niederländische Äquivalent
- ik heb hem het boek gegeven

hat. Alle diese Sätze haben letztlich denselben Schwierigkeitsgrad, außer natürlich wenn ich in einer Sprache bereits entsprechende Vorkenntnisse besitze oder die Zielsprache große Ähnlichkeit mit einer Sprache hat, die ich bereits kenne.

Ich hoffe, dass ich das in etwa so rübergebracht habe wie ich es meine. Viele dieser "Weisheiten" habe ich von der exzellenten AJATT-Seite.
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Ahriman
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Beitrag(#1906967) Verfasst am: 09.03.2014, 18:47    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Wenn Du mal einen "deutschen" Text aus dem 15en Jahrhundert nimmst, wirst feststellen, dass Du den gar nicht lesen kannst.

Stimmt. Wenn jetzt Walter von der Vogelweide daherkäme, wir müßten uns einen Philologen als Dolmetscher holen.
Aber darum geht es ja wohl nicht. Wichtig ist auch hier die richtige Sprache am richtigen Platz. Wenn jemand eine öffentliche Rede hält und dabei die Grammatik verhunzt, das wird man gern tolerieren, wenn er einen Migrationshintergrund hat. Aber einem Deutschen, der in Deutschland aufwuchs und in Deutschland das Abitur machte und womöglich auch eine Hochschule besuchte - dem verzeihe ich solche Fehler höchstens am Stammtisch, nicht aber am Rednerpult auf einem Parteitag o.dergl. Wer die Sprache gewissermaßen als Handwerkszeug gebraucht (v.a. Schriftsteller, Journalisten und Politiker) sollte damit eine ordentliche saubere Arbeit abliefern - um bei dem Bild zu bleiben. Das erwarten wir ja auch vom Klempner oder Schreiner und sind stocksauer, wenn da einer murkst. Noch ist der Genitiv nicht abgeschafft!

Notabene: Zufällig fiel mir heute Vormittag auf: Sogar Karl May hat "wie" und "als" verwechselt, gleich zweimal in einem Satz. War der nicht mal Schullehrer? Lachen
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vrolijke
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Beitrag(#1906969) Verfasst am: 09.03.2014, 19:10    Titel: Antworten mit Zitat

Ahriman hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Wenn Du mal einen "deutschen" Text aus dem 15en Jahrhundert nimmst, wirst feststellen, dass Du den gar nicht lesen kannst.

Stimmt. Wenn jetzt Walter von der Vogelweide daherkäme, wir müßten uns einen Philologen als Dolmetscher holen.
Aber darum geht es ja wohl nicht.

Doch, darum geht es hier. Sprache lebt, und ändert sich andauernd. Nicht immer in Deinem Sinne.
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Ahriman
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Beitrag(#1906971) Verfasst am: 09.03.2014, 19:18    Titel: Antworten mit Zitat

Noch eine kleine Betrachtung: Ich bin ab dem vierten Lebensjahr in Chemnitz aufgewachsen, ich habe den schlimmsten sächsischen Dialekt gesprochen, den es wohl gibt. (Das kann ich heute noch, aber dabei komme ich mir vor, als spräche ich eine Fremdsprache. Lachen ) Zur Verzweiflung meines Vaters, der aus Flensburg kam. Meine Mama war aus Hohenstein-Ernstthal, Karl Mays Geburtsort. Wie die sprach könnt ihr euch wohl denken.
Nun, meine Schulkameraden kannten keinen Genitiv, den gab es nicht. "Wem seine Schuhe sind das?" Mit der Grammatik hatte auch ich es nicht. Dativ, Genitiv, Akkusativ, Plusquamperfekt (hihi, kicher, was für'n komisches Wort!) diese blöden Wörter gingen mir links rein und rechts raus. Trotzdem aber hatte ich (ab welchem Schuljahr weiß ich nicht mehr) beim Deutschaufsatz keinerlei Probleme mit "dem" und "den", irgendwie wußte ich es so aus dem Bauch raus, aber ich kannte keine Grammatik-Regel. Im Deutschen hatte ich dann immer mindestens einen Zweier.
Warum? Weil ich alles gelesen habe, was ich unter die Nase kriegte. Und so schnell wie ich konnte nur noch mein Freund Claus lesen, mit dem ich mir im Deutschaufsatz die Einser teilte. Wir haben die Bücher gefressen, zum Glück hatte mein Vater weit über tausend, und meine älteren Brüder hatten auch welche. Wir redeten Sächsisch und beherrschten die Schriftsprache.
Daraus resultiert heute ein unbewußtes Verhalten meinerseits: Wenn einer (Ausländer und Migranten natürlich ausgenommen) mir gegenüber Sprachschnitzer macht kommt sofort der "begründete Anfangsverdacht" auf, der Kerl ist dumm, ungebildet. Er liest nicht, er guckt nur Glotze.
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beachbernie
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Anmeldungsdatum: 16.04.2006
Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#1906993) Verfasst am: 09.03.2014, 20:01    Titel: Antworten mit Zitat

Ahriman hat folgendes geschrieben:
Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Ahriman hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Ich hatte meine Gedanken eher bei welche, die sich künstlich aufregen, wenn manches in der Sprache "geschliffen" wird. (Fälle, die nicht mehr richtig verwendet werden und al son Zeugs)

Na klar. Wozu braucht ein Handwerker all dieses komplizierte Werkzeug? Ein Hammer reicht doch vollauf!


Aber warum 20 verschiedene Feilen, und 40 diverse Schraubendreher?

Die Sprache ändert sich nun mal im Laufe der Jahre. Da fällt einiges unterm Tisch, was man früher für essenziell gehalten hätte. Schulterzucken


Wenn man einfach alles für richtig erklärt, wenn es nur oft genug falsch gemacht wurde, wird man die Sprache langfristig auf eine Verfallsform reduzieren, und ihr somit Ausdrucks- und Differenzierungsmöglichkeit nehmen.

In hundert Jahren hört sich das dann so an:
"Wo Weg Bahnhof?"
"Aufgehe drei Straße rechts, frage wieder."
Unsere ausländischen Mitbürger machen es uns ja vor, wie man mit einer vereinfachten auf Rudimente reduzierten Sprache durchs Leben kommt. Wir haben ja Leute im Forum, die würden am liebsten nur noch englisch sprechen. Denen empfehle ich dann Pidgin oder http://de.wikipedia.org/wiki/Basic_English
ist noch einfacher.
BILD kommt ja heute schon mit 800 Wörtern aus, das läßt sich gewiß noch vereinfachen.
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Aber warum 20 verschiedene Feilen, und 40 diverse Schraubendreher?

Vielleicht wirst du lachen: Als Uhrmacher hatte ich bestimmt an die 20 verschiedene Feilen, Schraubenzieher so etwa zehn. Für eine fünfeinviertellinige Damenarmbanduhr braucht man halt ganz andere als für eine Standuhr mit Westminsterschlagwerk.
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:File_cross-section.svg



Auch das ist ein keineswegs neues Phaenomen, dass die unterschiedlichen sozialen Schicht unterschiedliche "Slangs" entwickeln, wobei die Sprache der Unterschichtler meist erheblich einfacher strukturiert ist als die der Oberschichtler, d.h. durch eine oft grob vereinfachte Grammatik und einen erheblich geringeren aktiven Wortschatz gekennzeichnet ist.

Manche halten das fuer ein modernes Phaenomen, dabei gab es das schon immer. Dieser Irrtum hat seine Ursache in einer verzerrten Wahrnehmung, weil die "zivilisiertere" Sprache der frueheren Machteliten besser dokumentiert ist. Die Werke von Oberschichtsliteraten wie Schiller oder Goethe wurden in der klassischen Literatur quasi auf ewig festgehalten, waehrend die Dinge, die der analphabete Bauer, der die Kartoffeln anbaute, die die genannten Autoren assen, laengst ohne eine Spur zu hinterlassen verhallt sind.

Was wirklich neu ist, ist nur, dass es im Zeitalter von elektronischen Speichermedien und internet heutzutage moeglich ist auch jeden verbalen Furz, den ein irgendein Unterschichtler laesst, zu konservieren. Man darf gespannt sein wie sich das auf die weitere Sprachentwicklung auswirken wird. Ich teile dabei nicht den Kulturpessimismus anderer. Ich glaube nicht, dass das notwendigerweise zu einer "Degeneration" von Sprache fuehren wird. Das mag nur denen, die emotional in der "guten, alten Zeit" steckengeblieben sind, so vorkommen.
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esme
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Beitrag(#1907014) Verfasst am: 09.03.2014, 20:45    Titel: Antworten mit Zitat

Man lernt die Grammatik der neuen Sprache, weil ich eben keine Eltern mit dieser Muttersprache habe, die den ganzen Tag nichts besseres zu tun haben, als mir "Wo ist die esme? Daaaa ist die esme." in der neuen Sprache vorzusagen.

Das Erlernen der Regeln bewirkt, dass man sich ein Teil dieses Korrektivs von außen selbst mit Hilfe der Regeln machen kann. Ich kann also mit den gelernten Regeln selbstständig korrekte Sätze bilden und die dann eigenständig üben, damit sie automatisiert werden.

Und das geht selbstverständlich viel, viel schneller als nur von außen. Es erscheint langsamer, weil viel weniger Zeit in den Spracherwerb investiert wird, als ein kleines Kind das tut, das erstens in der Sprachumgebung ständig lebt und dessen Fehler zweitens weit weniger streng bewertet werden als die eines ausländischen Erwachsenen.

Als mein kleiner Bruder aufgeregt "Die Wasmasine sleudert son." verkündet hat, haben das alle total süß gefunden. Mit 50 Jahren in der Wäscherei im Ausland hat das dann eben nicht ganz denselben Effekt.

Und vor allem darf man als Erwachsener nunmal nichts nachsprechen. Wenn ich in Paris ein Croissant kaufe und die Antwort der Verkäuferin singend ein paar Mal wiederhole, wird das wieder niemand süß finden, sondern ich verstoße gegen eine gesellschaftliche Norm für Erwachsene.
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Da hat sich die Kirche beim Rückzugsgefecht noch einmal grandios verstolpert und jetzt wollen sie auch noch Haltungsnoten für die argumentative Brez'n, die sie da gerissen haben.
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boomklever
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Beitrag(#1907015) Verfasst am: 09.03.2014, 20:51    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube Du darfst das nicht zu wörtlich nehmen. zwinkern

Es ist schon möglich, sich eine gute Immersionsumgebung aufzubauen. Wichtig ist eben zu versuchen alles in der zu erlernenden Sprache zu tun was man sonst in seiner Mutter- oder in irgendeiner anderen Sprache tun würde. Das ist anfangs noch ein bisschen mühselig, wird aber mit der Zeit immer einfacher.
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vrolijke
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Beitrag(#1921814) Verfasst am: 12.05.2014, 10:56    Titel: Antworten mit Zitat

Eine Interessante Sendung über Sprache.
Als Manuskript, oder i-pod.

Zitat:
SWR2 Wissen: Aula Ich mach Facebook, und du?
Wie Migration die deutsche Sprache verändert
Sendung vom Sonntag, 11.5. | 8.30 Uhr | SWR2

Die Zuwanderung hat die deutsche Gesellschaft und mit ihr die Sprache wesentlich geprägt. Darüber mögen sich Sprachpuristen und Sprachhüter aufregen, es ist und bleibt eine Tatsache, die man unvoreingenommen betrachten sollte.

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Beitrag(#1921823) Verfasst am: 12.05.2014, 11:28    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Eine Interessante Sendung über Sprache.
Als Manuskript, oder i-pod.

Sehr interessant. Sowas hat es ja als Pidgin-Englisch in den britischen Kolonien schon mal gegeben. Da hat es wohl nur deshalb nicht auf das Englische eingewirkt, weil es halt nur in den Kolonien gesprochen wurde, nicht im Mutter/vaterland.
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