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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1915304) Verfasst am: 11.04.2014, 09:15 Titel: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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... soll Armin Müller-Stahl lt FAZ in einem Interview gesagt haben.
Seit der Flucht Janukowitschs, und erst recht seit der Einverleibung der Krim, fürchte ich mich davor, daß wir uns bereits auf dem Weg in einen Krieg befinden. In kleinen, jedoch nach Standard-Logik irreversiblen Schritten, zieht Europa in den Krieg. Weil der Krieg aber nur als eine sehr unrealistische, wenig wahrscheinliche Möglichkeit erscheint, diskutiert man politisch, militärisch und in den Feuilletons geradezu lustvoll so, als wäre die Krise sowas wie ein Fußballballturnier, nach dem man unabhängig vom Ausgang unbeschadet wieder nach Hause gehen könne.
Jemand wie ich (und Armin Müller-Stahl anscheinend auch), fürchten sich jedoch vor der Realität des Krieges, und die Schrecken, die er Bedeuten würde.
Sind wir eigentlich politisch im Tiefschlaf, setzen die im historischen und globalen Vergleich unglaublich privilegierten Verhältnisse als gottgegeben voraus? Sind wir zu fantasielos, um die Schrecken des Kieges zu fürchten? Warum erhebt sich keine öffentliche Stimme, die fordert, jetzt vom Pfad der Eskalation runterzukommen?
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1915313) Verfasst am: 11.04.2014, 11:11 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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zelig hat folgendes geschrieben: | ... soll Armin Müller-Stahl lt FAZ in einem Interview gesagt haben.
Seit der Flucht Janukowitschs, und erst recht seit der Einverleibung der Krim, fürchte ich mich davor, daß wir uns bereits auf dem Weg in einen Krieg befinden. In kleinen, jedoch nach Standard-Logik irreversiblen Schritten, zieht Europa in den Krieg. Weil der Krieg aber nur als eine sehr unrealistische, wenig wahrscheinliche Möglichkeit erscheint, diskutiert man politisch, militärisch und in den Feuilletons geradezu lustvoll so, als wäre die Krise sowas wie ein Fußballballturnier, nach dem man unabhängig vom Ausgang unbeschadet wieder nach Hause gehen könne.
Jemand wie ich (und Armin Müller-Stahl anscheinend auch), fürchten sich jedoch vor der Realität des Krieges, und die Schrecken, die er Bedeuten würde.
Sind wir eigentlich politisch im Tiefschlaf, setzen die im historischen und globalen Vergleich unglaublich privilegierten Verhältnisse als gottgegeben voraus? Sind wir zu fantasielos, um die Schrecken des Kieges zu fürchten? Warum erhebt sich keine öffentliche Stimme, die fordert, jetzt vom Pfad der Eskalation runterzukommen? |
Solche Sorgen treiben mich auch um.
Zunächst das "Wir": Wer ist das? Sind das "wir Deutschen", "wir Mitteleuropäer"? Ist es das gesamte Europa mit seinen Bewohnern von Norwegen bis zum Kosovo? Geht es jetzt speziell um den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, von dem "wir" geographisch überhaupt nicht weit entfernt sind, was im Zeitalter der Flugzeuge und Raketen sowieso keine größere räumliche Distanz bedeutet?
Es könnte gesagt werden: "Wir" befinden uns schon mitten im Krieg, deutsche Truppen seit 2001 in einem unerklärten Krieg in Afghanistan, deutsche Flottenverbände im Mittelmeer und im Roten Meer mit "robustem Mandat" gegenüber wie auch immer gearteten Seeräubern.
Das wäre der Krieg als offene militärische Auseinandersetzung. Man könnte sagen, man befinde sich bereits in einem mit anderen Mitteln, vor allem mit elektronischer Technik, ausgetragenen Krieg, der (vorerst) keine Todesopfer und Verwundeten fordert.
Was den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine angeht, so glaube ich, dass historische Parallelen zu 1914 und 1938/39 nur sehr bedingt zu ziehen sind und bisherige Versuche solcher deutscher und amerikanischer Historiker wie Snyders, Jörg Barberowski und Stefan Plaggenborg zu Verrenkungen und Einseitigkeiten geführt haben, die eigentlich für diesen Berufsstand nicht typisch sein sollten.
Sollten sich die Jahre 1962 oder 1983 zum Vergleich anbieten, als die Welt kurz vor einem atomaren Abgrund stand? Die Situation wurde entschärft, weil die politisch Verantwortlichen in Washington und Moskau eben nicht nur auf die Angaben eines einzigen Offiziers über einen unmittelbar bevorstehenden atomaren Schlagabtausch angewiesen waren, wie es zunächst den Anschein hatte und die Historiker verwirren sollte.
Ich weiß übrigens bis heute nicht, wie ich die ganze Snowden-Sache da irgendwie einordnen kann: hier sind ja derartig viele Dokumente durch eine niedrige Charge in die Hände des einstigen Gegners im "Kalten Krieg" und der Verbündeten mit einem Überraschungsmoment gelangt, dass alle Offenlegungen der "Geheimen Politik der Kabinette" früherer Zeiten als harmlos erscheinen: Ernstes vermischt mit einer entsetzlichen Farce - vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein kleiner Schritt, wie einst ein Großer sagte.
Eine offene militärische Auseinandersetzung zwischen den atomwaffenbesitzenden Weltmächten Russland und USA halte ich für wenig wahrscheinlich. Begrenzte konventionelle Operationen in Osteuropa schon eher. M. E. sind die beträchtlichen Erfahrungen bestimmter Diplomaten, wie Gernot Erler* und Wolfgang Ischinger, noch gar nicht richtig genutzt worden, die Säbelrasseler würden zurückgepfiffen, wenn es nicht schon die sowieso mit dieser Aufgabe betrauten Generalsekretäre der Regierungsparteien als Scharfmacher einfach weiterhin tun müssten - machen sie ja gar nicht.
*Ein Schüler des massgeblichen Berliner Osteuropa-Experten Klaus Zernack (geb. 1931), von dem sich Barberowski eine Scheibe abschneiden kann.
Vielleicht tut es sogar ganz gut, sich eine partielle Auszeit bei der intensiven Lektüre von Erzeugnissen des Blätterwaldes zu gönnen, zu viel verpasst man da wohl auch nicht. Mein 84jähriger Vater liest nur noch den "freitag".
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1915319) Verfasst am: 11.04.2014, 11:40 Titel: |
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Ich finde das auch nicht soo abwegig.
Es sind halt z.Zt. Zeiten der Intolleranz.
Wenn man bedenkt, was manche User hier gegeneinander ausfechten, die sich eigentlich eher nahe stehen, ist das für mich ein Zeichen, dass bei jedem das Fell dünner wird.
Mag für manch einer vielleicht spinnig klingen, aber es herscht eine Mentalität, wo man sich als einzelne kaum drann entziehen kann.
Vielleicht sollte jeder für sich versuchen ein wenig mehr "laissez faire" walten zu lassen.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Alchemist registrierter User
Anmeldungsdatum: 03.08.2004 Beiträge: 27897
Wohnort: Hamburg
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(#1915320) Verfasst am: 11.04.2014, 11:42 Titel: |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: |
Vielleicht sollte jeder für sich versuchen ein wenig mehr "laissez faire" walten zu lassen. |
Auf jeden Fall!
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sünnerklaas Mietzekatzenkater - treibt den Kessel
Anmeldungsdatum: 30.09.2006 Beiträge: 11051
Wohnort: Da, wo noch Ruhe ist
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(#1915323) Verfasst am: 11.04.2014, 12:17 Titel: |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | Ich finde das auch nicht soo abwegig.
Es sind halt z.Zt. Zeiten der Intolleranz.
Wenn man bedenkt, was manche User hier gegeneinander ausfechten, die sich eigentlich eher nahe stehen, ist das für mich ein Zeichen, dass bei jedem das Fell dünner wird.
Mag für manch einer vielleicht spinnig klingen, aber es herscht eine Mentalität, wo man sich als einzelne kaum drann entziehen kann.
Vielleicht sollte jeder für sich versuchen ein wenig mehr "laissez faire" walten zu lassen. |
Das ist der Preis der Philosophie des unendlichen Wirtschaftswachstums. Das gibt es nämlich nicht, es wird aber wider besseren Wissens verlangt. Es gibt nur eine begrenzte Zahl von Kunden - irgendwann ist der Pool ausgeschöpft. Und wenn das passiert ist, beginnen die großen Verteilungskämpfe. Und da kommen dann gebrochenen Worten, alten offenen Rechnungen, Betrügereien etc. eine besondere Rolle zu. Es entsteht die Sehnsuch nach der vermeintlich "Guten Alten Zeit".
Ansonsten erlebe ich, dass viele Menschen nicht nur nach "Führung" suchen, sondern auch nach den vermeintlich einfachen Lösungen. Man wünscht sich den ganz großen Zauberer, der alles über Nacht gut macht und der die "Bösen" vertreibt. Eine Art Robin Hood.
_________________ "Bullshit ist eine dritte Kategorie zwischen Wahrheit und Lüge" (Harry Frankfurt)
Ausser Hypochondrie habe ich alle Krankheiten.
Ich fordere: JEDEM VOLLPFOSTEN SEIN EIGENES "Mimi-Mimi!"
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1915324) Verfasst am: 11.04.2014, 12:25 Titel: |
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sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | Ich finde das auch nicht soo abwegig.
Es sind halt z.Zt. Zeiten der Intolleranz.
Wenn man bedenkt, was manche User hier gegeneinander ausfechten, die sich eigentlich eher nahe stehen, ist das für mich ein Zeichen, dass bei jedem das Fell dünner wird.
Mag für manch einer vielleicht spinnig klingen, aber es herscht eine Mentalität, wo man sich als einzelne kaum drann entziehen kann.
Vielleicht sollte jeder für sich versuchen ein wenig mehr "laissez faire" walten zu lassen. |
Das ist der Preis der Philosophie des unendlichen Wirtschaftswachstums. Das gibt es nämlich nicht, es wird aber wider besseren Wissens verlangt. Es gibt nur eine begrenzte Zahl von Kunden - irgendwann ist der Pool ausgeschöpft. Und wenn das passiert ist, beginnen die großen Verteilungskämpfe. Und da kommen dann gebrochenen Worten, alten offenen Rechnungen, Betrügereien etc. eine besondere Rolle zu. Es entsteht die Sehnsuch nach der vermeintlich "Guten Alten Zeit".
Ansonsten erlebe ich, dass viele Menschen nicht nur nach "Führung" suchen, sondern auch nach den vermeintlich einfachen Lösungen. Man wünscht sich den ganz großen Zauberer, der alles über Nacht gut macht und der die "Bösen" vertreibt. Eine Art Robin Hood. |
Ja; aber solche Perioden kommen regelmäßig im Laufe der Geschichte vor.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1915325) Verfasst am: 11.04.2014, 12:28 Titel: |
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34. Frieden ist gut für das Geschäft.
35. Krieg ist gut für das Geschäft.
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sünnerklaas Mietzekatzenkater - treibt den Kessel
Anmeldungsdatum: 30.09.2006 Beiträge: 11051
Wohnort: Da, wo noch Ruhe ist
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(#1915327) Verfasst am: 11.04.2014, 12:50 Titel: |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | Ich finde das auch nicht soo abwegig.
Es sind halt z.Zt. Zeiten der Intolleranz.
Wenn man bedenkt, was manche User hier gegeneinander ausfechten, die sich eigentlich eher nahe stehen, ist das für mich ein Zeichen, dass bei jedem das Fell dünner wird.
Mag für manch einer vielleicht spinnig klingen, aber es herscht eine Mentalität, wo man sich als einzelne kaum drann entziehen kann.
Vielleicht sollte jeder für sich versuchen ein wenig mehr "laissez faire" walten zu lassen. |
Das ist der Preis der Philosophie des unendlichen Wirtschaftswachstums. Das gibt es nämlich nicht, es wird aber wider besseren Wissens verlangt. Es gibt nur eine begrenzte Zahl von Kunden - irgendwann ist der Pool ausgeschöpft. Und wenn das passiert ist, beginnen die großen Verteilungskämpfe. Und da kommen dann gebrochenen Worten, alten offenen Rechnungen, Betrügereien etc. eine besondere Rolle zu. Es entsteht die Sehnsuch nach der vermeintlich "Guten Alten Zeit".
Ansonsten erlebe ich, dass viele Menschen nicht nur nach "Führung" suchen, sondern auch nach den vermeintlich einfachen Lösungen. Man wünscht sich den ganz großen Zauberer, der alles über Nacht gut macht und der die "Bösen" vertreibt. Eine Art Robin Hood. |
Ja; aber solche Perioden kommen regelmäßig im Laufe der Geschichte vor. |
Ich glaube, die große Kunst der Politik ist es, dann ohne Krieg solche Situationen zu meistern.
Was ich sehr interessant finde, ist im Fall der Ukraine die Heuchelei des Westens: den Maidan hat man unterstützt. Nun ist es aber so, dass die Ukraine als Staat ein Kunstgebilde ist - ein Vielvölkerstaat, wie einst Jugoslawien. Dort hat man in den 1990ern auf das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" gepocht - als etwas, was man den überwiegend russischstämmigen Menschen in der Ostukraine, aber auch den Krim-Tartaren komplett jetzt absprechen will. Man erklärt denen, sie hätten nichts zu melden. Sie hätten sich dem zu fügen, was man in Kiew macht. Dort sitzt aber eine nicht legitimierte pro-westliche Regierung, die den Osten des Landes nicht repräsentiert.
_________________ "Bullshit ist eine dritte Kategorie zwischen Wahrheit und Lüge" (Harry Frankfurt)
Ausser Hypochondrie habe ich alle Krankheiten.
Ich fordere: JEDEM VOLLPFOSTEN SEIN EIGENES "Mimi-Mimi!"
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1915329) Verfasst am: 11.04.2014, 12:55 Titel: |
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sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | Ich finde das auch nicht soo abwegig.
Es sind halt z.Zt. Zeiten der Intolleranz.
Wenn man bedenkt, was manche User hier gegeneinander ausfechten, die sich eigentlich eher nahe stehen, ist das für mich ein Zeichen, dass bei jedem das Fell dünner wird.
Mag für manch einer vielleicht spinnig klingen, aber es herscht eine Mentalität, wo man sich als einzelne kaum drann entziehen kann.
Vielleicht sollte jeder für sich versuchen ein wenig mehr "laissez faire" walten zu lassen. |
Das ist der Preis der Philosophie des unendlichen Wirtschaftswachstums. Das gibt es nämlich nicht, es wird aber wider besseren Wissens verlangt. Es gibt nur eine begrenzte Zahl von Kunden - irgendwann ist der Pool ausgeschöpft. Und wenn das passiert ist, beginnen die großen Verteilungskämpfe. Und da kommen dann gebrochenen Worten, alten offenen Rechnungen, Betrügereien etc. eine besondere Rolle zu. Es entsteht die Sehnsuch nach der vermeintlich "Guten Alten Zeit".
Ansonsten erlebe ich, dass viele Menschen nicht nur nach "Führung" suchen, sondern auch nach den vermeintlich einfachen Lösungen. Man wünscht sich den ganz großen Zauberer, der alles über Nacht gut macht und der die "Bösen" vertreibt. Eine Art Robin Hood. |
Ja; aber solche Perioden kommen regelmäßig im Laufe der Geschichte vor. |
Ich glaube, die große Kunst der Politik ist es, dann ohne Krieg solche Situationen zu meistern.
Was ich sehr interessant finde, ist im Fall der Ukraine die Heuchelei des Westens: den Maidan hat man unterstützt. Nun ist es aber so, dass die Ukraine als Staat ein Kunstgebilde ist - ein Vielvölkerstaat, wie einst Jugoslawien. Dort hat man in den 1990ern auf das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" gepocht - als etwas, was man den überwiegend russischstämmigen Menschen in der Ostukraine, aber auch den Krim-Tartaren komplett jetzt absprechen will. Man erklärt denen, sie hätten nichts zu melden. Sie hätten sich dem zu fügen, was man in Kiew macht. Dort sitzt aber eine nicht legitimierte pro-westliche Regierung, die den Osten des Landes nicht repräsentiert. |
Ich denke, viele (die meisten?) Staaten sind "Kunstgebilden". Ich komme auch einem solchen. (Belgien)
In "intolerante Zeiten", findet man immer die Diferenzen. In "laissez faire zeiten", die Dinge, die verbinden.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
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sünnerklaas Mietzekatzenkater - treibt den Kessel
Anmeldungsdatum: 30.09.2006 Beiträge: 11051
Wohnort: Da, wo noch Ruhe ist
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(#1915331) Verfasst am: 11.04.2014, 12:59 Titel: |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | Ich finde das auch nicht soo abwegig.
Es sind halt z.Zt. Zeiten der Intolleranz.
Wenn man bedenkt, was manche User hier gegeneinander ausfechten, die sich eigentlich eher nahe stehen, ist das für mich ein Zeichen, dass bei jedem das Fell dünner wird.
Mag für manch einer vielleicht spinnig klingen, aber es herscht eine Mentalität, wo man sich als einzelne kaum drann entziehen kann.
Vielleicht sollte jeder für sich versuchen ein wenig mehr "laissez faire" walten zu lassen. |
Das ist der Preis der Philosophie des unendlichen Wirtschaftswachstums. Das gibt es nämlich nicht, es wird aber wider besseren Wissens verlangt. Es gibt nur eine begrenzte Zahl von Kunden - irgendwann ist der Pool ausgeschöpft. Und wenn das passiert ist, beginnen die großen Verteilungskämpfe. Und da kommen dann gebrochenen Worten, alten offenen Rechnungen, Betrügereien etc. eine besondere Rolle zu. Es entsteht die Sehnsuch nach der vermeintlich "Guten Alten Zeit".
Ansonsten erlebe ich, dass viele Menschen nicht nur nach "Führung" suchen, sondern auch nach den vermeintlich einfachen Lösungen. Man wünscht sich den ganz großen Zauberer, der alles über Nacht gut macht und der die "Bösen" vertreibt. Eine Art Robin Hood. |
Ja; aber solche Perioden kommen regelmäßig im Laufe der Geschichte vor. |
Ich glaube, die große Kunst der Politik ist es, dann ohne Krieg solche Situationen zu meistern.
Was ich sehr interessant finde, ist im Fall der Ukraine die Heuchelei des Westens: den Maidan hat man unterstützt. Nun ist es aber so, dass die Ukraine als Staat ein Kunstgebilde ist - ein Vielvölkerstaat, wie einst Jugoslawien. Dort hat man in den 1990ern auf das "Selbstbestimmungsrecht der Völker" gepocht - als etwas, was man den überwiegend russischstämmigen Menschen in der Ostukraine, aber auch den Krim-Tartaren komplett jetzt absprechen will. Man erklärt denen, sie hätten nichts zu melden. Sie hätten sich dem zu fügen, was man in Kiew macht. Dort sitzt aber eine nicht legitimierte pro-westliche Regierung, die den Osten des Landes nicht repräsentiert. |
Ich denke, viele (die meisten?) Staaten sind "Kunstgebilden". Ich komme auch einem solchen. (Belgien)
In "intolerante Zeiten", findet man immer die Diferenzen. In "laissez faire zeiten", die Dinge, die verbinden. |
Ich glaube, die "intoleranten Zeiten" hat man dann, wenn bestimmte materielle oder immaterielle Ressourcen massiv nachgefragt werden, die außerordentlich knapp sind. Ich persönlich halte den Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Spielart als das allergrößte Übel. Wenn Börsen mit Panik und Abtürzen reagieren, bloß weil irgendwem ein Furz quer sitzt, dann ist das Wirtschaftssystem definitiv das Falsche. Ich persönlich würde den internationalen Börsenhandel äußerst massiv beschneiden - wenn nicht sogar abschaffen.
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1915333) Verfasst am: 11.04.2014, 13:01 Titel: |
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sünnerklaas hat folgendes geschrieben: |
Ich glaube, die "intoleranten Zeiten" hat man dann, wenn bestimmte materielle oder immaterielle Ressourcen massiv nachgefragt werden, die außerordentlich knapp sind. Ich persönlich halte den Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Spielart als das allergrößte Übel. Wenn Börsen mit Panik und Abtürzen reagieren, bloß weil irgendwem ein Furz quer sitzt, dann ist das Wirtschaftssystem definitiv das Falsche. Ich persönlich würde den internationalen Börsenhandel äußerst massiv beschneiden - wenn nicht sogar abschaffen. |
Ich denke, Du verwechselst da Ursache und Folge.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1915334) Verfasst am: 11.04.2014, 13:05 Titel: |
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In den Auseinandersetzungen über den Anteil von Ökonomie und Politik an Zustandekommen und Aufrechterhaltung von Krieg und Frieden hat es im Laufe der Jahrzehnte immer wieder unterschiedliche Schwerpunktsetzungen gegeben.
In den 1950er Jahren ging die Zeit zu Ende, da "große Männer" gepriesen wurden, die die Geschichte vorangebracht hätten. Mit der französischen Annales-Schule wurde längerfristig und mitunter wellenförmig wirkenden, entpersönlichten ökonomischen und sozialen Faktoren die entscheidende Rolle zugesprochen. In den 1970er Jahren verschafften sich soziologische Zahlenreihen ihre Geltung.
Doch die Wiederkehr der großen historischen Person war angesagt, als die etwa Gorbatschow vielen erschien, wenig später war die schwergewichtige Gestalt des "Kanzlers der Einheit" nicht zu übersehen. In der Geschichte der Staaten ist es nicht ohne Belang, wurde nun vielen klar, wer nun an der Spitze eines Staates stand, die persönlichen Züge der Persönlichkeit eines G.W. Bush waren mit für die Entfesselung des Krieges verantwortlich.
Es gibt auch hier im Forum die Vorstellung von einer Austauschbarkeit und Beliebigkeit der führenden Politiker und von der alles beherrschenden Macht der Ökonomie und der Finanzen. Bei der Frage nach einem möglichen Kriegsausbruch, die für jeden einschneidende persönliche Folgen haben kann, dürfte es jedoch nicht unwichtig sein, wie die politischen Akteure beschaffen sind, die die Entscheidungen über den Frieden treffen.
In den westlichen Medien wird Russland mit Putin nahezu identifiziert, was sein autokratischer Regierungsstil nahezulegen scheint. Für jemanden, der dort längere Zeit gelebt hat, ist jedoch schwer erträglich, wie die Kritik an seiner Politik mit der Wiederbelebung von ethnischen Stereotypen einhergeht, mit denen die "Russen" an sich belegt werden. Da wird in einer Medienwelle von angeblichen "Russlandverstehern" geschwafelt, nur mühsam wird die Abneigung gegen den einstigen Feind im Kalten Krieg verborgen. Für Millionen von Menschen war jedoch die Verbundenheit mit den russischen Menschen eine Herzensangelegenheit geworden, unabhängig von der politisch verordneten "Freundschaft". Das sind oft die gleichen Autoren, die vom nur "verordneten Antifaschismus" schrieben. Propaganda eines Krieges mit Russland wäre absolut unverantwortlich. Man kann sich gleichermaßen den Völkern Russlands, der Ukraine, Polens oder der baltischen Republiken verbunden zeigen und, wenn man möchte, mehr über sie zu erfahren suchen. Und wem im Osten Amerika fremd und unerreichbar geblieben ist, an das man sich - sicher einseitig - vor allem im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg, mit Angela Davis und Martin Luther King zu erinnern pflegt (während an "Luftbrücke" und Rosinenbomber nur im Westen erinnert wurde), der muss dadurch auch noch längst nicht "Antiamerikaner" sein.
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sünnerklaas Mietzekatzenkater - treibt den Kessel
Anmeldungsdatum: 30.09.2006 Beiträge: 11051
Wohnort: Da, wo noch Ruhe ist
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(#1915353) Verfasst am: 11.04.2014, 15:42 Titel: |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | sünnerklaas hat folgendes geschrieben: |
Ich glaube, die "intoleranten Zeiten" hat man dann, wenn bestimmte materielle oder immaterielle Ressourcen massiv nachgefragt werden, die außerordentlich knapp sind. Ich persönlich halte den Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Spielart als das allergrößte Übel. Wenn Börsen mit Panik und Abtürzen reagieren, bloß weil irgendwem ein Furz quer sitzt, dann ist das Wirtschaftssystem definitiv das Falsche. Ich persönlich würde den internationalen Börsenhandel äußerst massiv beschneiden - wenn nicht sogar abschaffen. |
Ich denke, Du verwechselst da Ursache und Folge. |
Wenn Du ein System komplett deregulierst und liberalisierst, verliert es den Kitt, den es zusammen hält.
_________________ "Bullshit ist eine dritte Kategorie zwischen Wahrheit und Lüge" (Harry Frankfurt)
Ausser Hypochondrie habe ich alle Krankheiten.
Ich fordere: JEDEM VOLLPFOSTEN SEIN EIGENES "Mimi-Mimi!"
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1915359) Verfasst am: 11.04.2014, 16:43 Titel: |
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sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | sünnerklaas hat folgendes geschrieben: |
Ich glaube, die "intoleranten Zeiten" hat man dann, wenn bestimmte materielle oder immaterielle Ressourcen massiv nachgefragt werden, die außerordentlich knapp sind. Ich persönlich halte den Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Spielart als das allergrößte Übel. Wenn Börsen mit Panik und Abtürzen reagieren, bloß weil irgendwem ein Furz quer sitzt, dann ist das Wirtschaftssystem definitiv das Falsche. Ich persönlich würde den internationalen Börsenhandel äußerst massiv beschneiden - wenn nicht sogar abschaffen. |
Ich denke, Du verwechselst da Ursache und Folge. |
Wenn Du ein System komplett deregulierst und liberalisierst, verliert es den Kitt, den es zusammen hält. |
Mag sein, dass es mit diesem oder jenem System einfacher ist, das gesamte zu destabilisieren.
In "Zeiten der Intoleranz" ist es jedoch wurscht, welches System gerade praktiziert wird.
In jedem System gibt es Mitteln, es auszuhebeln.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Casual3rdparty dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 21.07.2012 Beiträge: 6255
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(#1915360) Verfasst am: 11.04.2014, 16:47 Titel: |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | sünnerklaas hat folgendes geschrieben: |
Ich glaube, die "intoleranten Zeiten" hat man dann, wenn bestimmte materielle oder immaterielle Ressourcen massiv nachgefragt werden, die außerordentlich knapp sind. Ich persönlich halte den Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Spielart als das allergrößte Übel. Wenn Börsen mit Panik und Abtürzen reagieren, bloß weil irgendwem ein Furz quer sitzt, dann ist das Wirtschaftssystem definitiv das Falsche. Ich persönlich würde den internationalen Börsenhandel äußerst massiv beschneiden - wenn nicht sogar abschaffen. |
Ich denke, Du verwechselst da Ursache und Folge. |
Wenn Du ein System komplett deregulierst und liberalisierst, verliert es den Kitt, den es zusammen hält. |
Mag sein, dass es mit diesem oder jenem System einfacher ist, das gesamte zu destabilisieren.
In "Zeiten der Intoleranz" ist es jedoch wurscht, welches System gerade praktiziert wird.
In jedem System gibt es Mitteln, es auszuhebeln. |
ich denke die bevölkerung bekomt einfach mehr und mehr angst vor diesen Deregulierungen und das läßt sie intolerant werden.
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Brudi registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.11.2013 Beiträge: 263
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(#1915378) Verfasst am: 11.04.2014, 20:56 Titel: |
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Ich teile diese Furcht, da es seit dem letzten Mittwoch
keine konsequent antimilitaristische Partei mehr im Bundestag gibt.
Eine pazifistische Opposition ist in Deutschland wieder einmal nur noch
außerparlamentarisch zu verorten.
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#1915382) Verfasst am: 11.04.2014, 21:35 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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Telliamed hat folgendes geschrieben: |
Solche Sorgen treiben mich auch um.
Zunächst das "Wir": Wer ist das? Sind das "wir Deutschen", "wir Mitteleuropäer"? Ist es das gesamte Europa mit seinen Bewohnern von Norwegen bis zum Kosovo? Geht es jetzt speziell um den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, von dem "wir" geographisch überhaupt nicht weit entfernt sind, was im Zeitalter der Flugzeuge und Raketen sowieso keine größere räumliche Distanz bedeutet?...... |
Angesichts der Tatsache, dass die eigentlichen Kontrahenten in diesem Konflikt die beiden groessten Atommaechte der Welt mit jeweils mehrfacher "Overkillkapazitaet" sind, ist das "wir" in diesem Fall mit der gesamten Menschheit gleichzusetzen. Sollte der Konflikt wirklich in extremer Weise eskalieren, was ich weder hoffe noch glaube, dann wuerde das die Moeglichkeit eines globalen Atomkrieges nach sich ziehen, der niemanden auf unserem Planeten, auch nicht in den entlegensten Ecken wie hier bei mir, wirklich verschonen wuerde.
Allerdings waere auch eine nur begrenzte Eskalation mit Schiesskrieg in Europa ohne nukleares Finale schon schlimm genug und eine solche Moeglichkeit laesst mich schon froh sein, dass ich nicht mehr in Mitteleuropa in unmittelbarer Nachbarschaft amerikanischer Militaerinstallationen lebe, sondern hier auf Haida Gwaii.
Realistisch gesehen halte ich es fuer unwahrscheinlich, dass sich die Krise zu einem richtigen Schiesskrieg zwischen Grossmaechten entwickelt. Dazu haben beide Seiten viel zu viel zu verlieren und zu wenig zu gewinnen. Deshalb muesste eigentlich schon der gesunde Menschenverstand beide Seiten soweit maessigen, dass eine unkontrollierbare Eskalation vermieden werden kann.
Andererseits scheint es mit dem gesunden Menschenverstand der ukrainischen Nationalisten nicht so furchtbar weit her zu sein, wie sie schon wiederholt bewiesen haben und die Moeglichkeit, dass Akteure aus diesem Umfeld versuchen koennten eine Situation herbeifuehren, in der eine unkontrollierte Eskalation des Konflikts in den Bereich des Moeglichen rueckt, ist sicher nicht voellig von der Hand zu weisen.
und ausserdem....
....allein die reale Moeglichkeit, dass am Ende der Krise stehen koennte, dass die NATO ungefaehr so nah an das alte Stalingrad heranrueckt wie Mansteins Entsatzoffensive zur Rettung der 6.Armee Ende 1942 und wie sehr eine solche Entwicklung Russland gegen die Wand druecken muesste, laesst nur die Hoffnung, dass sich auch die Geostrategen der NATO darueber bewusst sind, was das fuer Folgen zeitigen koennte.
Mein Fazit: Zwar besorgt ueber die Situation, aber vorsichtig optimistisch, dass der grosse Knall ausbleiben wird.
_________________ Defund the gender police!!
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Mad Magic auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 08.09.2007 Beiträge: 2172
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(#1915384) Verfasst am: 11.04.2014, 22:20 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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beachbernie hat folgendes geschrieben: | Telliamed hat folgendes geschrieben: |
Solche Sorgen treiben mich auch um.
Zunächst das "Wir": Wer ist das? Sind das "wir Deutschen", "wir Mitteleuropäer"? Ist es das gesamte Europa mit seinen Bewohnern von Norwegen bis zum Kosovo? Geht es jetzt speziell um den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, von dem "wir" geographisch überhaupt nicht weit entfernt sind, was im Zeitalter der Flugzeuge und Raketen sowieso keine größere räumliche Distanz bedeutet?...... |
Angesichts der Tatsache, dass die eigentlichen Kontrahenten in diesem Konflikt die beiden groessten Atommaechte der Welt mit jeweils mehrfacher "Overkillkapazitaet" sind, ist das "wir" in diesem Fall mit der gesamten Menschheit gleichzusetzen. Sollte der Konflikt wirklich in extremer Weise eskalieren, was ich weder hoffe noch glaube, dann wuerde das die Moeglichkeit eines globalen Atomkrieges nach sich ziehen, der niemanden auf unserem Planeten, auch nicht in den entlegensten Ecken wie hier bei mir, wirklich verschonen wuerde.
Allerdings waere auch eine nur begrenzte Eskalation mit Schiesskrieg in Europa ohne nukleares Finale schon schlimm genug und eine solche Moeglichkeit laesst mich schon froh sein, dass ich nicht mehr in Mitteleuropa in unmittelbarer Nachbarschaft amerikanischer Militaerinstallationen lebe, sondern hier auf Haida Gwaii.
Realistisch gesehen halte ich es fuer unwahrscheinlich, dass sich die Krise zu einem richtigen Schiesskrieg zwischen Grossmaechten entwickelt. Dazu haben beide Seiten viel zu viel zu verlieren und zu wenig zu gewinnen. Deshalb muesste eigentlich schon der gesunde Menschenverstand beide Seiten soweit maessigen, dass eine unkontrollierbare Eskalation vermieden werden kann.
Andererseits scheint es mit dem gesunden Menschenverstand der ukrainischen Nationalisten nicht so furchtbar weit her zu sein, wie sie schon wiederholt bewiesen haben und die Moeglichkeit, dass Akteure aus diesem Umfeld versuchen koennten eine Situation herbeifuehren, in der eine unkontrollierte Eskalation des Konflikts in den Bereich des Moeglichen rueckt, ist sicher nicht voellig von der Hand zu weisen.
und ausserdem....
....allein die reale Moeglichkeit, dass am Ende der Krise stehen koennte, dass die NATO ungefaehr so nah an das alte Stalingrad heranrueckt wie Mansteins Entsatzoffensive zur Rettung der 6.Armee Ende 1942 und wie sehr eine solche Entwicklung Russland gegen die Wand druecken muesste, laesst nur die Hoffnung, dass sich auch die Geostrategen der NATO darueber bewusst sind, was das fuer Folgen zeitigen koennte.
Mein Fazit: Zwar besorgt ueber die Situation, aber vorsichtig optimistisch, dass der grosse Knall ausbleiben wird. |
Eigentlich sollten wir davon ausgehen können, dass in Anbetracht der drohenden Folgen eine direkte Konfontation vermieden wird. Nur leider sehe ich dieses "Vermeiden" nicht. Mal ehrlich, was haben wir und schon gar nicht die USA bei einem "Ur-russischen" Territorium zu melden? Der Westen in Zusammenarbeit mit der Finanzelite der Ukraine spielt ein derart riskantes Spiel, dass ich zu dem Schluss komme, es wird "Alles oder Nichts" gespielt und der Ausgang ist völlig offen. Ich denke wir können erleichtert darüber sein, dass Putin nicht der Aggressor ist, wie er dargestellt wird, ansonsten wäre er schon längst einmarschiert, bevor sich der Westen Gegenstrategien ausdenkt.
Das ist sowieso ein dümmliches Gelaber, dass Rußland sich die Ostukraine einverleiben will, das hätten die wenn es so wäre gleich mit der Krim erledigt. Jetzt ist das doch viel schwieriger.
Nichts desto Trotz habe ich die Befürchtung, die USA wollen diesen Krisenherd weiter köcheln lassen. Es kann mir nämlich niemand erzählen, dass deren Strategen diese Entwicklung nicht erwartet hätten. Was eventuell nicht erwartet wurde, dass die Propaganda in so kurzer Zeit nicht mehr in ihrem Sinne perfekt funktioniert. Es ist absolut erstaunlich, wie sich die Berichterstattung gewandelt hat. Aber vielleicht bin ich auch zu doof dafür zu kapieren, dass das alles zu einem "Plan" gehört
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1915398) Verfasst am: 12.04.2014, 09:05 Titel: |
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Wenn man das richtig verstanden hat, waren die USA unter Obama dabei, große Kriegsrüstungsanstrengungen, Flottenverbände, in den Raum des Stillen Ozeans zu verlegen, aus der Erkenntnis heraus, dass man nicht auf allen Kontinenten gleichermaßen stark präsent sein kann, die chinesische Expansion nach einer Abwehr verlangt und man dem Strategen @beachbernie von hinten auf die Pelle rücken kann und ihn so dennoch zu fassen kriegt.
Aus dem Mittleren Osten rückte man nach den Kriegsdesastern im Irak und in Afghanistan ab, in Afrika können keine großen amerikanischen Verbände von Bodentruppen sinnvoll agieren, Europa schien befriedet und durch die Kette ostmitteleuropäischer NATO-Staaten symbolisch gegen den östlichen strategischen Partner Putin beschützt, den man permanent unterschätzte.
Man hatte die Entwicklung in der Ukraine unterschätzt. Man hatte Putin unterschätzt. Jetzt wird hektisch die Kriegspropaganda betrieben, aber wegen der Ukraine werden sich die USA nicht in einen Krieg mit Russland begeben, wie hier gesagt wurde. Bleibt die Frage, ob Provokationen vor Ort das bewerkstelligen könnten. "Chotjat-li russkie vojny?" (Wollen die Russen den Krieg?) hieß es in einem Lied, das unser Schulchor sang.
Hier käme eben tatsächlich die Rolle der Diplomatie europäischer Mächte, wie Deutschlands, ins Spiel, die neben Obama selbst auch noch über einen direkten Draht zu Putin verfügen, Sicherheitsgarantien einzubauen, nachdem die Kooperation mit der NATO aufgekündigt worden war und die OSZE zu wenig Durchsetzungskraft gezeigt hat.
Das scheint mir eben der Unterschied zur Situation vor den Weltkriegen zu sein:
Vor 1914 banden noch die dynastischen Beziehungen die mittel- und osteuropäischen Herrscherhäuser am Vorabend von Ereignissen, bevor die Kronen rollten. Noch 1913 besuchte der Zar das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig anlässlich des Jahrestages des Sieges über Napoleon.
1938/39 wiederum gelang des den mächtigsten Diktatoren, die potentiellen Gegner mehrfach völlig zu überraschen und zu täuschen. Es spielte tatsächlich eine Rolle, dass schnelle Entscheidungen einsam in ihren Kabinetten mit wenigen Getreuen gefällt wurden.
Das meinte ich oben mit der Rolle von historischen Persönlichkeiten, die eben nicht austauschbar und ununterscheidbar nur die Interessen des Kapitals ihrer Länder vollstrecken. Die Kapitalinteressen sind mittlerweile derart international verflochten und sind teilweise gar nicht den Interessen einzelner Staaten eindeutig zuzuordnen, wie das noch im Zeitalter der Weltkriege der Fall war.
Die Chinesen können ruhig zusehen, wie es die Europäer noch nicht gebacken kriegen und mit sich selbst beschäftigt sind (neue Finanzkrise Frankreich und Italien möglich, Griechenland), die USA hektisch die Stoßrichtung ihrer Außen- und Kriegspolitik neu zu justieren suchen, und dann können sie ökonomisch in die Ukraine hineinspazieren.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1915402) Verfasst am: 12.04.2014, 11:21 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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Telliamed hat folgendes geschrieben: | [...]Es könnte gesagt werden: "Wir" befinden uns schon mitten im Krieg, deutsche Truppen seit 2001 in einem unerklärten Krieg in Afghanistan, deutsche Flottenverbände im Mittelmeer und im Roten Meer mit "robustem Mandat" gegenüber wie auch immer gearteten Seeräubern.[/size] |
Das ist richtig. Und als Kritiker dieser Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzung, ist es mir die selektive Fragestellung nachträglich unangenehm. Deutschland engagiert sich kriegerisch in anderen Ländern, wieso also soll Mitteleuropa, und somit deutsches Territorium per se von kriegerischen Auseinandersetzungen verschont bleiben? Ich möchte dem nur entgegensetzen, daß ich in dieser Frage eine relativ konsequente Haltung habe: Kein Volk dieser Welt soll mit Krieg überzogen werden. Jedes Land hat den gleichen Anspruch, von kriegerischer Aggression verschont zu bleiben.
Diese Überlegung bringt mich zurück zum Kern meiner Sorgen, daß wir uns bereits in einer Eskalationsspirale befinden, aus der es zunehmend schwieriger wird, wieder herauszukommen. Wir nehmen es nur noch nicht wahr. Und in Bezug darauf lassen sich vielleicht doch Parallelen zur 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts ziehen. Die Menschheit tappst immer wieder in die Eskalationsfalle, die zu kriegerischen Handlungen führt. Aber was macht den Unterschied in der Gegenwart? Wir alle wissen was Krieg für die Menschen, die unter ihm zu leiden haben, bedeutet. Wir kennen Schilderungen, Zeugenaussagen, Fotos, Filme, die uns die Grausamkeiten verdeutlichen. Ich glaube nicht, daß wir das bei den Hurra-Patrioten des ersten Weltkriegs voraussetzen können. Diese Menschen wussten nicht, was sie erleben würden. Aber wir? Wir wissen das alles, und verhalten und trotzdem wie Blinde.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1915410) Verfasst am: 12.04.2014, 13:00 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Telliamed hat folgendes geschrieben: | [...]Es könnte gesagt werden: "Wir" befinden uns schon mitten im Krieg, deutsche Truppen seit 2001 in einem unerklärten Krieg in Afghanistan, deutsche Flottenverbände im Mittelmeer und im Roten Meer mit "robustem Mandat" gegenüber wie auch immer gearteten Seeräubern. |
Das ist richtig. Und als Kritiker dieser Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzung, ist es mir die selektive Fragestellung nachträglich unangenehm. Deutschland engagiert sich kriegerisch in anderen Ländern, wieso also soll Mitteleuropa, und somit deutsches Territorium per se von kriegerischen Auseinandersetzungen verschont bleiben? Ich möchte dem nur entgegensetzen, daß ich in dieser Frage eine relativ konsequente Haltung habe: Kein Volk dieser Welt soll mit Krieg überzogen werden. Jedes Land hat den gleichen Anspruch, von kriegerischer Aggression verschont zu bleiben.
Diese Überlegung bringt mich zurück zum Kern meiner Sorgen, daß wir uns bereits in einer Eskalationsspirale befinden, aus der es zunehmend schwieriger wird, wieder herauszukommen. Wir nehmen es nur noch nicht wahr. Und in Bezug darauf lassen sich vielleicht doch Parallelen zur 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts ziehen. Die Menschheit tappst immer wieder in die Eskalationsfalle, die zu kriegerischen Handlungen führt. Aber was macht den Unterschied in der Gegenwart? Wir alle wissen was Krieg für die Menschen, die unter ihm zu leiden haben, bedeutet. Wir kennen Schilderungen, Zeugenaussagen, Fotos, Filme, die uns die Grausamkeiten verdeutlichen. Ich glaube nicht, daß wir das bei den Hurra-Patrioten des ersten Weltkriegs voraussetzen können. Diese Menschen wussten nicht, was sie erleben würden. Aber wir? Wir wissen das alles, und verhalten und trotzdem wie Blinde. |
Wer ist "wir"? 7-mal "wir", 1-mal "uns".
Das klingt ja so, als wenn "wir" "uns" alle gemeinsam hinsetzen würden und eine Entscheidung für oder gegen Krieg (oder sonst irgend was) fällen würden.
Das ist doch nicht so. Diese Gesellschaft ist nicht so.
Sondern es ist eher so, wie Telliamed sich das für die Diktatoren des letzten Weltkriegs vorstellt: ein kleiner Kreis, der entscheidet. Auf den ersten Blick keine Diktatur, oder ...-?
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1915415) Verfasst am: 12.04.2014, 14:44 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Das ist doch nicht so. Diese Gesellschaft ist nicht so.
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Doch!
In periodischen Abständen finden sich immer genügend zusammen, die bereit sind, in den Krieg zu ziehen.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1915416) Verfasst am: 12.04.2014, 14:47 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Das ist doch nicht so. Diese Gesellschaft ist nicht so.
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Doch!
In periodischen Abständen finden sich immer genügend zusammen, die bereit sind, in den Krieg zu ziehen. |
Die Idee solcher festen Perioden gab's zwar wirklich mal, hat sich aber in der Geschichtswissenschaft nicht durchsetzen können. Weil sie falsch ist.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1915418) Verfasst am: 12.04.2014, 14:56 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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Kival hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Das ist doch nicht so. Diese Gesellschaft ist nicht so.
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Doch!
In periodischen Abständen finden sich immer genügend zusammen, die bereit sind, in den Krieg zu ziehen. |
Die Idee solcher festen Perioden gab's zwar wirklich mal, hat sich aber in der Geschichtswissenschaft nicht durchsetzen können. Weil sie falsch ist. |
Ja klar! Es gibt immer diverse Gründe weshalb Kriege anfangen.
Tatsache ist, mal ist die Zeit reif dazu, mal nicht.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1915434) Verfasst am: 12.04.2014, 17:49 Titel: |
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Im heutigen Europa ist es eher unwahrscheinlich, dass noch einmal Generalmobilmachungen stattfinden, Hunderttausende, ja Millionen Wehrfähiger eingezogen und gegeneinander zu Felde ziehen würden.
Die Truppen, die auf der Krim eingesetzt waren, die Putin an den Grenzen zur Ukraine stationiert, haben in der Regel eine Stärke von einigen zehntausend Mann. Die Bombardierung europäischer Städte, wie sie die Generationen unserer Eltern und Großeltern erlebten, ist kaum noch vorstellbar. In den Balkankriegen, den letzten auf europäischem Boden, kamen jeweils nur einige zehntausend Mann an Kämpfern, oft speziell ausgebildete Killerkommandos und paramilitärische Milizen zum Einsatz.
Es ist das Zeitalter ferngesteuerter Raketen und Drohnen, die die menschlichen Verluste der eigenen Seite möglichst gering halten sollen, einer asymmetrischen Kriegführung, bei der Kombattanten und Zivilisten oft kaum voneinander zu unterscheiden sind, wie unlängst auf der Krim oder jetzt in der Ostukraine.
Die zum Krieg führende Spirale, von der @zelig schreibt, dürfte sich nicht automatisch immer weiter drehen, solange noch die atomare Drohung im Hintergrund bleibt.
Die amerikanische Kriegsstrategie der Flexible Response, die in den 1960er Jahren entwickelt wurde, drohte dann zu versagen, wenn man der höchsten Eskalationsstufe, dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen, näher zu kommen schien, weil dann keine Seite mehr die Kontrolle über das Geschehen hatte. Siehe auch Dokumentationen über Bunker bei Berlin, in denen die Parteiführung unter bescheidenen, luxusfreien Lebensbedingungen, noch einige Tage das allgemeine Inferno hätte überleben können.
Selbst geboren zehn Jahre nach den Abwurftagen von Hiroshima und Nagasaki, aufgewachsen mit der Angst vor Bombenabwürfen und mit Atomkriegsübungen, die zumeist nur ins Lächerliche abglitten, mit der Verdunkelung der Großstädte und der Einschaltung der Luftalarm-Sirenen Anfang der 1960er-Jahre, muss ich sagen, dass ich die Wahrscheinlichkeit der persönlichen Bedrohung durch Kriegshandlungen im unmittelbaren Lebensumfeld für recht gering halte; für gefährlicher hingegen die Bedrohung der Infrastruktur großer Städte durch kleine Terroristengruppen (Trinkwasser, Elektrizität, U- und S-Bahn).
Und nicht viel abgewinnen kann ich Betrachtungen über eine allgemeine Verrohung bei uns, die zu kriegsähnlichen Zuständen führen könnte, obwohl meine Kleinfamilie am 25. Januar 2014 Opfer eines Gewaltverbrechens wurde. Es gibt ebenso viele Beispiele eher unspektakulärer Solidarität, gegenseitiger Hilfe und Rücksichtnahme, die sogar zunehmen mögen - kaum jemand wird das messen und zahlenmäßig erfassen können.
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1915438) Verfasst am: 12.04.2014, 18:39 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Telliamed hat folgendes geschrieben: | [...]Es könnte gesagt werden: "Wir" befinden uns schon mitten im Krieg, deutsche Truppen seit 2001 in einem unerklärten Krieg in Afghanistan, deutsche Flottenverbände im Mittelmeer und im Roten Meer mit "robustem Mandat" gegenüber wie auch immer gearteten Seeräubern.[/size] |
Das ist richtig. Und als Kritiker dieser Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzung, ist es mir die selektive Fragestellung nachträglich unangenehm. Deutschland engagiert sich kriegerisch in anderen Ländern, wieso also soll Mitteleuropa, und somit deutsches Territorium per se von kriegerischen Auseinandersetzungen verschont bleiben? Ich möchte dem nur entgegensetzen, daß ich in dieser Frage eine relativ konsequente Haltung habe: Kein Volk dieser Welt soll mit Krieg überzogen werden. Jedes Land hat den gleichen Anspruch, von kriegerischer Aggression verschont zu bleiben.
Diese Überlegung bringt mich zurück zum Kern meiner Sorgen, daß wir uns bereits in einer Eskalationsspirale befinden, aus der es zunehmend schwieriger wird, wieder herauszukommen. Wir nehmen es nur noch nicht wahr. Und in Bezug darauf lassen sich vielleicht doch Parallelen zur 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts ziehen. Die Menschheit tappst immer wieder in die Eskalationsfalle, die zu kriegerischen Handlungen führt. Aber was macht den Unterschied in der Gegenwart? Wir alle wissen was Krieg für die Menschen, die unter ihm zu leiden haben, bedeutet. Wir kennen Schilderungen, Zeugenaussagen, Fotos, Filme, die uns die Grausamkeiten verdeutlichen. Ich glaube nicht, daß wir das bei den Hurra-Patrioten des ersten Weltkriegs voraussetzen können. Diese Menschen wussten nicht, was sie erleben würden. Aber wir? Wir wissen das alles, und verhalten und trotzdem wie Blinde. |
Und da, finde ich, sollten wir doch froh darüber sein, dass beim Großteil unserer Landsleute der kriegerische Sinn abhanden gekommen ist, dass es kaum noch Hurra-Patrioten geben dürfte, außer labilen Jugendlichen, Waffennarren und einem so durchgeistigten Bundespräsidenten.
Man müsste im Gegenteil misstrauisch werden, wenn ausbleibende Kriegsbegeisterung als "Pazifismus" milde abschätzig abgetan wird. Was ist natürlicher, als eine Mutter, die nicht will, dass sich ihre Söhne glühende Metallteile in ihre verletzlichen Leiber schießen lassen sollen, wegen völlig fremder Interessen oder irgendwelcher Bodenschätze.
Dann stehe ich eben zu den Worten von Johannes R. Becher aus unserer verflossenen Nationalhymne: "Dass nie eine Mutter mehr ihren Sohn beweint", wenn auch in Berlin immer noch verschiedentlich Versprengte aus Junger Union und Liberalen die Symbole des untergegangenen Staates verboten sehen wollen.
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sünnerklaas Mietzekatzenkater - treibt den Kessel
Anmeldungsdatum: 30.09.2006 Beiträge: 11051
Wohnort: Da, wo noch Ruhe ist
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(#1915441) Verfasst am: 12.04.2014, 19:15 Titel: |
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Casual3rdparty hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | sünnerklaas hat folgendes geschrieben: | vrolijke hat folgendes geschrieben: | sünnerklaas hat folgendes geschrieben: |
Ich glaube, die "intoleranten Zeiten" hat man dann, wenn bestimmte materielle oder immaterielle Ressourcen massiv nachgefragt werden, die außerordentlich knapp sind. Ich persönlich halte den Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Spielart als das allergrößte Übel. Wenn Börsen mit Panik und Abtürzen reagieren, bloß weil irgendwem ein Furz quer sitzt, dann ist das Wirtschaftssystem definitiv das Falsche. Ich persönlich würde den internationalen Börsenhandel äußerst massiv beschneiden - wenn nicht sogar abschaffen. |
Ich denke, Du verwechselst da Ursache und Folge. |
Wenn Du ein System komplett deregulierst und liberalisierst, verliert es den Kitt, den es zusammen hält. |
Mag sein, dass es mit diesem oder jenem System einfacher ist, das gesamte zu destabilisieren.
In "Zeiten der Intoleranz" ist es jedoch wurscht, welches System gerade praktiziert wird.
In jedem System gibt es Mitteln, es auszuhebeln. |
ich denke die bevölkerung bekomt einfach mehr und mehr angst vor diesen Deregulierungen und das läßt sie intolerant werden. |
Die Deregulierungen und Liberalisierungen haben zu extremen Unwuchten geführt. Ich erinnere hier nur an die Finanzkrise 2008, als Millionengehälter für das Nichterbringen von Leistungen gezahlt wurden. Damals hieß es "Pacta sunt servanda" - Verträge sind einzuhalten. Hilmar Kopper ritt da in zahllosen Talkshows und anderen öffentlichen Äußerungen herum. Vielleicht hätte man damals den - notfalls extremen - Konflikt mit den Spitzenbänkern im Investmentbereich suchen und austragen müssen. Das Signal: Ihr Zockt nicht gegen unsere Länder!
Merkel und Steinbrück und auch eine ganze Reihe anderer Leute sind damals mit schlotternden Knien eingeknickt.
Schaut Euch an: wo funktioniert in D noch die Post wirklich? Und wo die Bahn? Soetwas schafft schwere Konflikte. Auch dass ein Herr Zumwinkel wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe mit einer lächerlichen Strafe davon. Oder der Fall Edathy - da hatte jemand möglicherweise direkten Zugang zu weisungsberechtigten politischen Amtsträgern. Oder die Schmierenkomödie um den NSU-Prozess, wo staatliche Stellen einfach mal zugeschaut haben. Und auch dort spielten ministerielle Weisungen wohl eine nicht unerhebliche Rolle. Und hier in D geht es noch relativ gesittet zu. Es gibt Länder, in denen man alles kaufen kann - auch in Europa. Das sind Länder, in denen ein Polizist 50 - 100, ein Richter oder Staatsanwalt 200 bis 400 Euro im Monat bekommt. Die machen schon für 1000 Euro sehr viel - und was die wohl machen wenn man denen einen Koffer mit 10.000 oder gar 100.000 Euro vorlegt?
Und dann heisst es, so wäre sie nun einmal, die Marktwirtschaft. Die Leute müssten sich ihr fügen. Helmut Kohl hätte 1990 sehr viel unterschrieben und sehr viel zugesagt - "Ehrenwort!".
_________________ "Bullshit ist eine dritte Kategorie zwischen Wahrheit und Lüge" (Harry Frankfurt)
Ausser Hypochondrie habe ich alle Krankheiten.
Ich fordere: JEDEM VOLLPFOSTEN SEIN EIGENES "Mimi-Mimi!"
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1916014) Verfasst am: 16.04.2014, 09:13 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Wer ist "wir"? 7-mal "wir", 1-mal "uns". |
"Wir" sind Leute wie du. Konsumenten.
Unser Lebensstandard braucht Lebensraum, ich wollte sagen billige Arbeitskräfte im Osten. Aber da Putin seine billigen Arbeitskräfte selber behalten möchte, müssen wir uns halt drum streiten. Für Putin ist diese Sache durchaus existenzbedrohend. Denn wenn die Heuschrecken des Kapitalismus mit Weißrussland fertig sind, werden sie weiter nach Osten ziehen. Das kann nur verhindert werden, wenn das Projekt Demokratie und Marktwirtschaft in Weißrußland scheitert. Wie sonst könnte jemand von der Destablilsierung seines Nachbarn profitieren? Auch der russische Handel würde darunter leiden. Dafür gewinnt man aber Zeit und das scheint aus russischer Sicht den Preis wert zu sein.
Die einzige Frage, sie sich jetzt noch stellt lautet, welchen Preis sind wir (inkl. Skeptiker) bereit zu zahlen?
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1916020) Verfasst am: 16.04.2014, 10:09 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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Fake hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Wer ist "wir"? 7-mal "wir", 1-mal "uns". |
"Wir" sind Leute wie du. Konsumenten.
Unser Lebensstandard braucht Lebensraum, ich wollte sagen billige Arbeitskräfte im Osten. Aber da Putin seine billigen Arbeitskräfte selber behalten möchte, müssen wir uns halt drum streiten. Für Putin ist diese Sache durchaus existenzbedrohend. Denn wenn die Heuschrecken des Kapitalismus mit Weißrussland fertig sind, werden sie weiter nach Osten ziehen. Das kann nur verhindert werden, wenn das Projekt Demokratie und Marktwirtschaft in Weißrußland scheitert. Wie sonst könnte jemand von der Destablilsierung seines Nachbarn profitieren? Auch der russische Handel würde darunter leiden. Dafür gewinnt man aber Zeit und das scheint aus russischer Sicht den Preis wert zu sein.
Die einzige Frage, sie sich jetzt noch stellt lautet, welchen Preis sind wir (inkl. Skeptiker) bereit zu zahlen? |
Ich grüble die ganze Zeit darüber, wie Du auf "Weißrußland" kommst, wo Lukashewitch anscheinend noch fest die Zügel in der Hand hat...
Ein Teil der heutigen Ukraine hieß im Zarentitel "Kleinrussland" - "Zar von Groß-, Klein- und Weißrußland ..." (Georgien kam als Grusinien auch noch im Zarentitel vor, ein Teil Georgiens 1783 im gleichen Jahr wie die Krim an Russland angegliedert; zeitweise sogar auch Holstein, weil Peter III. von Holstein-Gottorf 1762 für ein halbes Jahr Kaiser wurde); ein anderer Teil der Ukraine, der nach den Teilungen von 1772, 1793, 1795 an Österreich kam, hieß "Rotrussland" (Bewohner: "Rotreußen"), Galizien, Wolhynien.
Nun noch etwas zu den gestrigen/heutigen Meldungen, den Versuchen ukrainischer Regierungstruppen, die von prorussischen Gruppen besetzten Gebäude und Einrichtungen in ostukrainischen Städten militärisch zurückzugewinnen.
Wie ernst die Gefahr eines Bürgerkrieges in der Ukraine gesehen wird, kann man daran erkennen, dass Putin den amerikanischen Präsidenten anzurufen sucht und diesmal Russland an die UNO appelliert. Das wird man nicht gänzlich als Propaganda und Taktieren seitens des russischen Präsidenten abtun können.
Diskussionen, auch hier im FGH, laufen oft so ab, dass man sich in die Einzelheiten des gewaltsamen Geschehens vertieft: welche Kennzeichen die Fahrzeuge haben oder nicht, wie die Armbinden der paramilitärischen Einheiten beschaffen sind, vor zwei Monaten, welche Munition die Scharfschützen auf dem Maidan verwendeten, usw.
Klar ist wohl jedem, dass sich hier ein Krieg der Bilder ereignet und von beiden Seiten die jeweiligen Gegner dämonisiert werden: "russische Aggressoren" (Bär in den Zeitungskarikaturen wie in den 1950er Jahren) auf der einen vers. "Faschisten" mit hakenkreuzähnlichen Binden auf der anderen Seite.
Was hindert daran zu erkennen, dass auf beiden Seiten Kriegstreiber am Werk sind, ein Kampf um Bodenschätze und Absatzmärkte im Gang ist, bewaffnete Einheiten sich als Stellvertreter von Großmächten instrumentalisieren lassen und einen größeren konventionellen Krieg provozieren können
- und auf der anderen Seite die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, in unserer Wahrnehmung zuerst sicher Minderheiten wie Krimtataren und Juden, letztlich aber auch Russen und Ukrainer, Angehörige aller beteiligten Seiten unter Kriegshandlungen, Gewalt, Ausgrenzung, Wirtschaftssanktionen zu leiden haben, während die Oligarchen selbst nicht bedroht werden?
Wenn man auf Diplomatie und die noch verbliebenen Möglichkeiten der OSZE hofft?
Und versucht, zumindest gedanklich gleichermaßen Abstand herzustellen zu den Scharfmachern auf beiden Seiten?
1914 ist Karl Liebknecht aufgestanden gegen die Bewilligung der Kriegskredite durch den deutschen Reichstag, und letztlich wurde er 1919 ebenso ermordet, wie schon 1914 der französische sozialistische Kriegsgegner Jean Jaures. Und noch etwas zu der "Kriegsbegeisterung" im Juli 1914: ja die hat es gegeben, und an die Gewehrläufe der Soldaten wurden Sträußchen gesteckt. Aber neuere Forschungen haben ergeben, dass die Masse der deutschen Bevölkerung, gerade in der Arbeiterschaft, eher sehr sorgenvoll in die Zukunft blickte und den Krieg befürchtete.
Im September 1939 war das ebenfalls der Fall (das ist schon länger bekannt), und erst nach den raschen Siegen über Frankreich und die gelandeten Engländer 1940, als Freßpakete von der Front geschickt werden konnten, kam bei sehr vielen so etwas wie Befriedigung angesichts dieses Krieges auf.
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1916055) Verfasst am: 16.04.2014, 14:57 Titel: Re: „Ich habe Furcht, wie schnell es wieder Krieg geben kann.“ |
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Telliamed hat folgendes geschrieben: | Ich grüble die ganze Zeit darüber, wie Du auf "Weißrußland" kommst, wo Lukashewitch anscheinend noch fest die Zügel in der Hand hat... |
Ups... mein Fehler.
Telliamed hat folgendes geschrieben: | Und versucht, zumindest gedanklich gleichermaßen Abstand herzustellen zu den Scharfmachern auf beiden Seiten? |
Wir haben aber nicht den gleichen Abstand zu beiden Seiten, denn wir sind Teil einer der Seiten. Es sind eben nicht einige wenige, mit Diktatoren vergleichbare Entscheidungsträger. Es ist die Masse der Bevölkerung, die mit ihrer Forderung von billigem Luxus für alle die Entscheidungen trifft. Die wenigen an der Spitze setzen nur den Willen des Volkes um.
Ein schönes Beispiel für die Geiz-ist-geil Mentalität sind die Näherinnen in Bangladesch. Es ist allgemein bekannt, dass diese Frauen unter ganz elenden, Sklaven ähnlichen Bedingungen leben und arbeiten. Genauso bekannt ist, dass sich ihr Lohn verdoppeln ließe, wenn jedes Kleidungsstück in Deutschland nur einen Euro (!) mehr kosten würde. Macht man eine Umfrage dazu, sind ausnahmslos alle dafür, so zu verfahren und selbstverständlich ist jeder gerne bereit, diesen einen Euro mehr zu bezahlen.
Warum passiert das aber nicht? Weil wir in der Praxis dann doch mehrheitlich zu dem Kleidungsstück greifen, dass einen Euro weniger kostet. Lippenbekenntnisse und Empörung (selbst wenn sie echt ist) hilft nunmal den Menschen vor Ort nicht, wenn das tatsächliche Verhalten flächendeckend im exakten Gegenteil der angeblichen Überzeugung liegt.
Dieses Muster findet man überall. Niemand will Krieg für Öl, aber wenn die Preise an der Zapfsäule wieder steigen bekommen selbst Pazifisten Gewaltfantasien...
Oder kurz: Weltfrieden ja, aber nur wenn er mich nichts kostet.
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