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Heidegger reloaded
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3726

Beitrag(#1923600) Verfasst am: 20.05.2014, 21:09    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Die Öffentlichkeit will mich verführen? Nein, einzelne öffentlich agierende Gruppen wollen mich verführen.

So ist das aber nicht gemeint. Es geht dabei darum, dass Öffentlichkeit als solche Gegenstand des Begehrens werden kann. Wäre das anders, gäbe es gar kein politisches Handeln im eigentlichen Sinne.

Für Heidegger ist dieses Begehren ein philosophisches Problem, weil es den Blick auf das Sein verstellt. Das hat natürlich sehr viel mit seinem eigenen früheren politischen Engagement zu tun.

Zum Abgleich:

Als Musiker kann ich die Musik machen, die mir gefällt, wohl wissend, daß sie viele vor den Kopf stoßen wird. Oder ich versuche, den vermeintlichen Mehrheitsgeschmack zu treffen, um zu gefallen.

Der Versuch zu gefallen entspräche deinem Hinweis auf das Begehren von Öffentlichkeit?

Falls ja, würde ich das eher als psychologisches Problem sehen, denn als philosophisches. Es ist nicht einfach, wenn das was man macht abgelehnt wird. Andererseits habe ich Konzerte erlebt, bei denen die Band siebzig Prozent der Zuschauer vertrieben hat. Dem Rest hat's um so besser gefallen.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Wäre das anders, gäbe es gar kein politisches Handeln im eigentlichen Sinne.

Hmm. Mir fällt da parteipolitisches Handeln ein im Sinne von Wahlversprechungen. Nach einem Wahlsieg das Füllhorn auszuschütten und die Klientel zu bedienen, ist nichts Ungewöhnliches.

Kann es unbequeme Politik geben, wenn alle nur gefallen und gewählt werden wollen?


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Die Ohnmacht des Privaten? Verstehe ich überhaupt nicht. Im Privaten bin ich mächtig.

Nein, das ist gerade eine durch die Ideologie des Privatrechts erzeugte Illusion. Macht bedeutet materielle gesellschaftliche Macht, d.h. Verfügung über Produktivkräfte. Es geht also nicht darum, ob du nackt vor dem Fernseher sitzen kannst, sondern ob du auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, denen du unterworfen bist, Einfluss nehmen kannst.

Mein Einfluß ist zwar nicht null, aber sehr gering. Beeinflussen kann ich bestenfalls die Menschen, mit denen ich in direktem Kontakt stehe. Und oft noch nicht mal die.

Ich bin eher desillusioniert. Für eine Weile dachte ich, ich sei in der "Mitte der Gesellschaft" angekommen und meine Ansichten seien gesellschaftsfähig geworden. Das war ein Irrtum. Gerade mit Kind und dadurch mit viel Kontakt zu Menschen, mit denen ich sonst keinen Kontakt hätte, stelle ich fest: smallie, du bist ein verdammter Außenlieger.


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Macht bedeutet materielle gesellschaftliche Macht, d.h. Verfügung über Produktivkräfte.

Ich stimme nur halb zu.

Richtig ist, daß das "Kapital" - plakativ gesagt, besseres fällt mir gerade nicht ein - daß das "Kapital" manche Lebensumstände mit bestimmt. Beispielhaft genannt: Teilzeit- vs. Vollzeitarbeit. Oder Arbeitszeitregelungen und Elternschaft.

Andererseits sehe ich nicht, wieso das "Kapital" Ursache manch anderer festgeschriebener Verhaltensnormen sein sollte. Zum Beispiel, ob ich nackt durch die Fußgängerzone gehen darf.

Die politische Betrachtung kann sicher das eine oder andere an unserer Gesellschaft erklären. Ich bezweifle, daß so eine vollständige Beschreibung möglich ist. Es wäre lohnend, einen Blick auf "Erziehung und Sozialisation" zu werfen. Die Grundlagen für politische Systeme werden in der Kinderstube gelegt, ferner auch in Kindergärten und Schulen.

Dieser Aspekt fehlt mir ein bisschen in der üblichen linken Darstellung, das scheint aus der Mode gekommen zu sein, aber vielleicht ist das nur ein Bildungslücke auf meiner Seite. Schulterzucken


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Meint Heidegger vielmehr die Ohnmacht des Einzelnen in der Gesellschaft?

Das Private ist aber nun gerade eine Chiffre dieser Ohnmacht. Einen Privatraum, in dem der einzelne dem Schein nach freie Hand hat, erzeugt die bürgerliche Gesellschaft gerade dadurch, dass sie ihn von gesellschaftlicher Partizipation ausschließt.

Gesellschaftliche Partizipation. Was ist das?

Ich kann wählen gehen, einer Partei beitreten, selbst eine gründen. Ich kann mich an Bürgerinitiativen beteiligen, Flugblätter mit meiner Meinung in der Fußgängerzone verteilen. Und wenn ich mich hier im Forum äußere, dann ist das auch eine Form von gesellschaftlicher Partizipation.

Was du schilderst, ist eine CATCH-22-Situation. Wenn ich dich recht verstehe, sagst du, diese Formen der Partizipation seien eine Illusion, weil das "Kapital" nicht zuläßt, daß sich grundsätzlich etwas ändert? Welch andere Form der Partizipation schlägst du vor, so daß sich etwas bewegt?

Du magst es bürgerlich nennen, aber wenn ich meine persönliche Rechnung aufstelle, ob ich ein Wochenende mit "Bürgerarbeit" verbringe, oder doch lieber mit meinen Musikinstrumenten, oder einer Kamera, dann wähle ich letzteres, weil da wahrscheinlich mehr übrigbleibt, über das ich mich später freuen kann.

Mir reicht schon die "Bürgerarbeit", die mir Kollegen, Vorgesetzte oder Kindergärtnerinnen abfordern. zwinkern Hier habe ich auch nicht das Gefühl, daß mein Engagement für die Katz ist.
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funkeimdunkeln
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Anmeldungsdatum: 12.05.2014
Beiträge: 878

Beitrag(#1923602) Verfasst am: 20.05.2014, 21:26    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,

Das Problem bei dem Zitat ist natürlich, dass Heidegger hier den Begriff des "Seins" nicht näher definiert. Daher stellt sich natürlich die Frage, wie er dazu kommt politischem Handeln oder privatem Treiben den Realitätscharakter abzusprechen.

Das wird aus diesem Zitat überhaupt nicht deutlich. Wenn man nach Aristoteles den Menschen als "zoon politikon" betrachtet oder als vernünftbegabtes Wesen, dann ist sowohl politisches Handeln als auch privates Philosophieren eine Form des Seins. Die Relevanz des Zitats steht und fällt also mit der Relevanz des Seins-Begriff bei Heidegger.

Mirko
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funkeimdunkeln
Bösmensch



Anmeldungsdatum: 12.05.2014
Beiträge: 878

Beitrag(#1923604) Verfasst am: 20.05.2014, 21:38    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Hallo,

Torvac hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Die Ohnmacht des Privaten? Verstehe ich überhaupt nicht. Im Privaten bin ich mächtig.

Nein, das ist gerade eine durch die Ideologie des Privatrechts erzeugte Illusion. Macht bedeutet materielle gesellschaftliche Macht, d.h. Verfügung über Produktivkräfte. Es geht also nicht darum, ob du nackt vor dem Fernseher sitzen kannst, sondern ob du auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, denen du unterworfen bist, Einfluss nehmen kannst. Über die Irrtümer der Rechtsideologie hinsichtlich des privaten Raumes, z.B. des jus utendi et abutendi, kann man bei Marx in der Deutschen Ideologie einiges sehr Erhellendes nachlesen.


die Frage ist in diesem Falle, ob Macht als Einfluss auf Güterverteilung, Produktentwicklung, usw. die einzige Weise des Seins ist. Vielleicht will sich nicht jeder mit ökonomischen Fragen auseinandersetzen. Und vielleicht können das auch nur sehr wenige aufgrund ihrer Intelligenz und spezifischen Begabung.

Mirko
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Malone
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Anmeldungsdatum: 02.09.2004
Beiträge: 5269

Beitrag(#1923845) Verfasst am: 22.05.2014, 02:27    Titel: Antworten mit Zitat

Ich wollte mich ja noch dazu äußern wie ich den Text verstehe: Er ist buddhistisch! Wenn man den (Kern des) Buddhismus versteht, geht nahezu alles auf was Heidegger schreibt. Alles andere als hohler Pomp! Ich möchte das nicht genau ausführen, da meine Argumente einer rationalistischen Vivisektion weder standhielten, noch nicht standhielten. Wer näher interessiert ist, den verweise ich auf das brillante Buch "Das Spektrum des Bewusstseins" von Ken Wilber - eine Synthese westlicher und östlicher Psychologie.

Mich interessierte in erster Linie, wie die "Chiffren" Heideggers von der westlichen Philosophie interpretiert werden. Chiffren setze ich in Anführungszeichen, da es eigentlich keine sind, gleichwohl sie Background-Vermutungen so erscheinen. Aber Heidegger versucht gerade, den Worten ihre ursprünglichste Bedeutung zu verleihen bzw. sie zu untermauern, nur dass diese Bedeutungen verloren gegangen und mittlerweile polyinterpretabel sind.

Ich kam auf dieses Thema nach der unsäglichen Lektüre von Derrida, der hier und da Heidegger erwähnt. Warum, wurde mir nicht ganz klar, und ich sehe mich in einem Zitat von Noam Chomsky unterstützt, das ich selbst kaum anders formulieren würde:

Zitat:
It's entirely possible that I'm simply missing something, or that I just lack the intellectual capacity to understand the profundities that have been unearthed in the past 20 years or so by Paris intellectuals and their followers. I'm perfectly open-minded about it, and have been for years, when similar charges have been made -- but without any answer to my questions. Again, they are simple and should be easy to answer, if there is an answer: if I'm missing something, then show me what it is, in terms I can understand. Of course, if it's all beyond my comprehension, which is possible, then I'm just a lost cause, and will be compelled to keep to things I do seem to be able to understand, and keep to association with the kinds of people who also seem to be interested in them and seem to understand them (which I'm perfectly happy to do, having no interest, now or ever, in the sectors of the intellectual culture that engage in these things, but apparently little else).

Since no one has succeeded in showing me what I'm missing, we're left with the second option: I'm just incapable of understanding. I'm certainly willing to grant that it may be true, though I'm afraid I'll have to remain suspicious, for what seem good reasons. There are lots of things I don't understand -- say, the latest debates over whether neutrinos have mass or the way that Fermat's last theorem was (apparently) proven recently. But from 50 years in this game, I have learned two things: (1) I can ask friends who work in these areas to explain it to me at a level that I can understand, and they can do so, without particular difficulty; (2) if I'm interested, I can proceed to learn more so that I will come to understand it. Now Derrida, Lacan, Lyotard, Kristeva, etc. --- even Foucault, whom I knew and liked, and who was somewhat different from the rest --- write things that I also don't understand, but (1) and (2) don't hold: no one who says they do understand can explain it to me and I haven't a clue as to how to proceed to overcome my failures. That leaves one of two possibilities: (a) some new advance in intellectual life has been made, perhaps some sudden genetic mutation, which has created a form of "theory" that is beyond quantum theory, topology, etc., in depth and profundity; or (b) ... I won't spell it out.


Nunja, also sah ich mich veranlasst zur Lektüre vom Humanismusbrief von Heidegger, in Hoffnung, zumindest ihn zu verstehen. Und ich denke, das ist mir gelungen, und ich denke, dass Dekonstruktion ein hohler, selbstverliebter Elfenbeinfurz im offenbar leider öffentlich finanzierten Philosopheneitelkeitssalon ist, der sich gar nicht von einer simplen Analyse unterscheidet.
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Telliamed
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Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1923860) Verfasst am: 22.05.2014, 09:32    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn es Dir um eine Auseinandersetzung mit dem Dekonstruktivismus geht, müsste Dir eigentlich Boghossian entgegen kommen, wahrscheinlich aus einer anderen Richtung:

Paul Boghossian: Angst vor der Wahrheit. Ein Plädoyer gegen Relativismus und Konstruktivismus. Berlin 2013.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44680

Beitrag(#1923861) Verfasst am: 22.05.2014, 09:38    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Der Versuch zu gefallen entspräche deinem Hinweis auf das Begehren von Öffentlichkeit?

Nein, nicht zwingend. Politik lässt sich nicht auf Werbung reduzieren. Im politischen Handeln geht es ja u.A. auch darum, Öffentlichkeit überhaupt erst zu erzeugen. Das Begehren der Öffentlichkeit ist das Begehren der Möglichkeit kollektiven Handelns.

smallie hat folgendes geschrieben:
Falls ja, würde ich das eher als psychologisches Problem sehen, denn als philosophisches.

Nein, es geht hier um ein wesentlich politisches Problem. Es geht beim politischen Handeln ja gerade darum, Formen des Handelns zu finden, in denen ich gemeinsam mit anderen meine eigenen politischen Ziele verfolgen kann.
Deine Alternative zwischen Vereinzelung und Mitläufertum ist bereits eine abstrakte. Unter den Bedingungen des liberalen Kapitalismus ist Vereinzelung die höchste Form des Mitläufertums.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44680

Beitrag(#1923862) Verfasst am: 22.05.2014, 09:40    Titel: Antworten mit Zitat

Malone hat folgendes geschrieben:
Ich wollte mich ja noch dazu äußern wie ich den Text verstehe: Er ist buddhistisch!

Fraglich, wenn man bedenkt, dass nach Heideggers eigener Aussage der "östliche Mystizismus" eine der größten Gefahren für das eigentliche Philosophieren in abendländischer Tradition sei.
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Samson83
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Anmeldungsdatum: 18.01.2013
Beiträge: 6833

Beitrag(#1923865) Verfasst am: 22.05.2014, 11:10    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Unter den Bedingungen des liberalen Kapitalismus ist Vereinzelung die höchste Form des Mitläufertums.

Verstehe ich nicht. kannst du das erklären?
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1923868) Verfasst am: 22.05.2014, 11:31    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Unter den Bedingungen des liberalen Kapitalismus ist Vereinzelung die höchste Form des Mitläufertums.
Verstehe ich nicht. kannst du das erklären?

Ich lese daraus, den Menschen werde eine selbstbestimmte Individualisierung ihrer Interessen vorgegaukelt, nur um sie noch besser als Konsumenten ausbeuten oder sogar gegeneinder aufhetzen zu können. Individuelle Präferenzen werden rhetorisch umgedeutet in "Vereinzelung", also in eine Gewalttat des sinistren Systems am Individuum.

Implizit schwingt da für mich auch die Hypothese mit, die Menschen wollten eigentlich alle dasselbe ("Grundbedürfnisse"), die hier von Skeptiker schon oft vertreten wurde.

Obwohl mir diese Ausdrucksweise nicht gefällt, stimme ich immerhin dahingehend zu, daß wie der Sozialismus auch der Kapitalismus die reale Gefahr birgt, die Menschen gleichzuschalten und ihrer mündigen Entscheidung zu berauben.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44680

Beitrag(#1923874) Verfasst am: 22.05.2014, 12:17    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ich lese daraus, den Menschen werde eine selbstbestimmte Individualisierung ihrer Interessen vorgegaukelt, nur um sie noch besser als Konsumenten ausbeuten oder sogar gegeneinder aufhetzen zu können. Individuelle Präferenzen werden rhetorisch umgedeutet in "Vereinzelung", also in eine Gewalttat des sinistren Systems am Individuum.

Nein, wieso denn "vorgegaukelt"? Sich nur um sich selbst zu kümmern ist der gesellschaftliche Mainstream und jede Bemühung um Möglichkeiten kollektiven politischen Handelns erscheint bereits als Abweichung.
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Er_Win
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Anmeldungsdatum: 31.01.2008
Beiträge: 4482

Beitrag(#1923879) Verfasst am: 22.05.2014, 13:17    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

Obwohl mir diese Ausdrucksweise nicht gefällt, stimme ich immerhin dahingehend zu, daß wie der Sozialismus auch der Kapitalismus die reale Gefahr birgt, die Menschen gleichzuschalten und ihrer mündigen Entscheidung zu berauben.


Diese Aussage werte ich als höchst inkonsistent mit deinen Aussagen an anderer Stelle ?!

Konsistent wäre, wenn es sowieso keinen "freien Willen" bzw. keine "mentale Verursachung" gibt, dass das soziale (Epi-)Phänomen eines - wie gut sei jetzt mal dahingestellt - funktionierenden Kapitalismus eine "logische" Folge ist - also ein Indiz darstellt, dass du Recht hast mit dem Gedanken "alles" funktioniert deterministisch zwinkern
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Samson83
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Anmeldungsdatum: 18.01.2013
Beiträge: 6833

Beitrag(#1923880) Verfasst am: 22.05.2014, 13:21    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich lese daraus, den Menschen werde eine selbstbestimmte Individualisierung ihrer Interessen vorgegaukelt, nur um sie noch besser als Konsumenten ausbeuten oder sogar gegeneinder aufhetzen zu können. Individuelle Präferenzen werden rhetorisch umgedeutet in "Vereinzelung", also in eine Gewalttat des sinistren Systems am Individuum.

Nein, wieso denn "vorgegaukelt"? Sich nur um sich selbst zu kümmern ist der gesellschaftliche Mainstream und jede Bemühung um Möglichkeiten kollektiven politischen Handelns erscheint bereits als Abweichung.

Der Diagnose stimme ich zu, nicht jedoch der damit einhergehenden Wertung.
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zelig
Kultürlich



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Beiträge: 25405

Beitrag(#1923883) Verfasst am: 22.05.2014, 13:40    Titel: Antworten mit Zitat

Malone hat folgendes geschrieben:
Ich wollte mich ja noch dazu äußern wie ich den Text verstehe: Er ist buddhistisch! Wenn man den (Kern des) Buddhismus versteht, geht nahezu alles auf was Heidegger schreibt. Alles andere als hohler Pomp! Ich möchte das nicht genau ausführen, da meine Argumente einer rationalistischen Vivisektion weder standhielten, noch nicht standhielten. Wer näher interessiert ist, den verweise ich auf das brillante Buch "Das Spektrum des Bewusstseins" von Ken Wilber - eine Synthese westlicher und östlicher Psychologie.

Mich interessierte in erster Linie, wie die "Chiffren" Heideggers von der westlichen Philosophie interpretiert werden. Chiffren setze ich in Anführungszeichen, da es eigentlich keine sind, gleichwohl sie Background-Vermutungen so erscheinen. Aber Heidegger versucht gerade, den Worten ihre ursprünglichste Bedeutung zu verleihen bzw. sie zu untermauern, nur dass diese Bedeutungen verloren gegangen und mittlerweile polyinterpretabel sind.

Ich kam auf dieses Thema nach der unsäglichen Lektüre von Derrida, der hier und da Heidegger erwähnt. Warum, wurde mir nicht ganz klar, und ich sehe mich in einem Zitat von Noam Chomsky unterstützt, das ich selbst kaum anders formulieren würde:

Zitat:
It's entirely possible that I'm simply missing something, or that I just lack the intellectual capacity to understand the profundities that have been unearthed in the past 20 years or so by Paris intellectuals and their followers. I'm perfectly open-minded about it, and have been for years, when similar charges have been made -- but without any answer to my questions. Again, they are simple and should be easy to answer, if there is an answer: if I'm missing something, then show me what it is, in terms I can understand. Of course, if it's all beyond my comprehension, which is possible, then I'm just a lost cause, and will be compelled to keep to things I do seem to be able to understand, and keep to association with the kinds of people who also seem to be interested in them and seem to understand them (which I'm perfectly happy to do, having no interest, now or ever, in the sectors of the intellectual culture that engage in these things, but apparently little else).

Since no one has succeeded in showing me what I'm missing, we're left with the second option: I'm just incapable of understanding. I'm certainly willing to grant that it may be true, though I'm afraid I'll have to remain suspicious, for what seem good reasons. There are lots of things I don't understand -- say, the latest debates over whether neutrinos have mass or the way that Fermat's last theorem was (apparently) proven recently. But from 50 years in this game, I have learned two things: (1) I can ask friends who work in these areas to explain it to me at a level that I can understand, and they can do so, without particular difficulty; (2) if I'm interested, I can proceed to learn more so that I will come to understand it. Now Derrida, Lacan, Lyotard, Kristeva, etc. --- even Foucault, whom I knew and liked, and who was somewhat different from the rest --- write things that I also don't understand, but (1) and (2) don't hold: no one who says they do understand can explain it to me and I haven't a clue as to how to proceed to overcome my failures. That leaves one of two possibilities: (a) some new advance in intellectual life has been made, perhaps some sudden genetic mutation, which has created a form of "theory" that is beyond quantum theory, topology, etc., in depth and profundity; or (b) ... I won't spell it out.


Nunja, also sah ich mich veranlasst zur Lektüre vom Humanismusbrief von Heidegger, in Hoffnung, zumindest ihn zu verstehen. Und ich denke, das ist mir gelungen, und ich denke, dass Dekonstruktion ein hohler, selbstverliebter Elfenbeinfurz im offenbar leider öffentlich finanzierten Philosopheneitelkeitssalon ist, der sich gar nicht von einer simplen Analyse unterscheidet.


OK...
Ein Text von Heidegger. Die Zuordnung des Textes zum Buddhismus. Eine Text von Derrida. Eine Kritik von Chomsky. Und ich möchte am liebsten mit ihm einstimmen: It's entirely possible that I'm simply missing something, or that I just lack the intellectual capacity to understand - aber worum geht es eigentlich inhaltlich?
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Malone
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Beitrag(#1923884) Verfasst am: 22.05.2014, 13:41    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Malone hat folgendes geschrieben:
Ich wollte mich ja noch dazu äußern wie ich den Text verstehe: Er ist buddhistisch!

Fraglich, wenn man bedenkt, dass nach Heideggers eigener Aussage der "östliche Mystizismus" eine der größten Gefahren für das eigentliche Philosophieren in abendländischer Tradition sei.


Ich habe vergeblich versucht, ein Zitat dazu zu finden. Aber egal, da Heidegger das "eigentliche Philosophieren in abendländischer Tradition" seit Plato im Humanismusbrief massiv angreift, ergibt diese Aussage wirklich Sinn, nur eben andersherum als du meinst zwinkern
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step
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Beitrag(#1923885) Verfasst am: 22.05.2014, 14:05    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Sich nur um sich selbst zu kümmern ist der gesellschaftliche Mainstream ...

Ach so hast Du das gemeint. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob das wirklich so eindeutig der Fall ist. Gemeinsames Leiden verbindet, heißt es, aber darüberhinaus?

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
... und jede Bemühung um Möglichkeiten kollektiven politischen Handelns erscheint bereits als Abweichung.

Wirklich? Ich habe das Gefühl, es gab noch nie so viel kollektives politisches Handeln wie heute, zum Teil natürlich durch das Internet gefördert: Initiativen für und gegen Zuwanderung, allerlei Petitionen, Wutbürger gegen Großprojekte und Protzbischöfe, Flashmobs, Spendenaktionen ...
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Er_Win
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Beiträge: 4482

Beitrag(#1923886) Verfasst am: 22.05.2014, 14:06    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:

OK...
Ein Text von Heidegger. Die Zuordnung des Textes zum Buddhismus. Eine Text von Derrida. Eine Kritik von Chomsky. Und ich möchte am liebsten mit ihm einstimmen: It's entirely possible that I'm simply missing something, or that I just lack the intellectual capacity to understand - aber worum geht es eigentlich inhaltlich?


das ist eben gar nicht relevant zwinkern

Zumindest nach meinen Beobachtungen ein Phänomen das sowohl in der Philosophie als auch in der (physischen) Mathematik auftritt: Das Wesen ist die Erschaffung eines "komplexen Systems/Theoriegebäudes", welches innerhalb der selbst geschaffenen Begrifflichkeiten/Strukturen/Folgerungen/Denkmuster durchaus Sinn zu machen scheint. Lediglich am Wirklichkeitsbezug ermangelt es...

Der Inhalt ist dann quasi die Form, wie es *afaik auch mal Popper sinngemäß in einer Kritik an Adorno formuliert hat.
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step
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Beitrag(#1923887) Verfasst am: 22.05.2014, 14:09    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Obwohl mir diese Ausdrucksweise nicht gefällt, stimme ich immerhin dahingehend zu, daß wie der Sozialismus auch der Kapitalismus die reale Gefahr birgt, die Menschen gleichzuschalten und ihrer mündigen Entscheidung zu berauben.
Diese Aussage werte ich als höchst inkonsistent mit deinen Aussagen an anderer Stelle ?!

Konsistent wäre, wenn es sowieso keinen "freien Willen" bzw. keine "mentale Verursachung" gibt, dass das soziale (Epi-)Phänomen eines - wie gut sei jetzt mal dahingestellt - funktionierenden Kapitalismus eine "logische" Folge ist - also ein Indiz darstellt, dass du Recht hast mit dem Gedanken "alles" funktioniert deterministisch zwinkern

Ach komm, das habe ich schon so oft erklärt. Eine mündige Entscheidung ist u.a. eine informierte Entscheidung, d.h. in die Bewertung geht das Wissen um Hintergründe, Folgen usw. der jeweiligen Entscheidungsoptionen ein. Das hat nix damit zu tun, ob die Entscheidung deterministisch abläuft.
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Tarvoc
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Beiträge: 44680

Beitrag(#1923898) Verfasst am: 22.05.2014, 15:01    Titel: Antworten mit Zitat

Malone hat folgendes geschrieben:
Aber egal, da Heidegger das "eigentliche Philosophieren in abendländischer Tradition" seit Plato im Humanismusbrief massiv angreift, ergibt diese Aussage wirklich Sinn, nur eben andersherum als du meinst zwinkern

Den Humanismusbrief kenne ich nicht, aber wenn Heidegger in ihm "eigentliches Denken" und abendländische Tradition angreift, wäre das eine Abweichung von seinen sämtlichen anderen Texten. Nicht umsonst liest er Parmenides und Kant und nicht Zhuangzi oder Nagarjuna. Was Heidegger immer mal wieder angreift, ist die westliche Metaphysik in ihrer Seinsvergessenheit. Allerdings ist die Öffnung des Seins (also seine eigene Philosophie) nur vor diesem seinsgeschichtlichen Hintergrund überhaupt denkbar.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Kival
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Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1923930) Verfasst am: 22.05.2014, 17:53    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Malone hat folgendes geschrieben:
Aber egal, da Heidegger das "eigentliche Philosophieren in abendländischer Tradition" seit Plato im Humanismusbrief massiv angreift, ergibt diese Aussage wirklich Sinn, nur eben andersherum als du meinst zwinkern

Den Humanismusbrief kenne ich nicht, aber wenn Heidegger in ihm "eigentliches Denken" und abendländische Tradition angreift, wäre das eine Abweichung von seinen sämtlichen anderen Texten. Nicht umsonst liest er Parmenides und Kant und nicht Zhuangzi oder Nagarjuna. Was Heidegger immer mal wieder angreift, ist die westliche Metaphysik in ihrer Seinsvergessenheit. Allerdings ist die Öffnung des Seins (also seine eigene Philosophie) nur vor diesem seinsgeschichtlichen Hintergrund überhaupt denkbar.


Selbst jemand mit philosophischer Grundbildung kann dieser Formulierung kaum noch folgen. Was soll "Seinsvergessenheit", "Öffnung des Seins" und "seinsgeschichtlicher Hintergrund" überhaupt bedeuten?
_________________
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Skeptiker
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Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1923935) Verfasst am: 22.05.2014, 18:09    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Malone hat folgendes geschrieben:
Aber egal, da Heidegger das "eigentliche Philosophieren in abendländischer Tradition" seit Plato im Humanismusbrief massiv angreift, ergibt diese Aussage wirklich Sinn, nur eben andersherum als du meinst zwinkern

Den Humanismusbrief kenne ich nicht, aber wenn Heidegger in ihm "eigentliches Denken" und abendländische Tradition angreift, wäre das eine Abweichung von seinen sämtlichen anderen Texten. Nicht umsonst liest er Parmenides und Kant und nicht Zhuangzi oder Nagarjuna. Was Heidegger immer mal wieder angreift, ist die westliche Metaphysik in ihrer Seinsvergessenheit. Allerdings ist die Öffnung des Seins (also seine eigene Philosophie) nur vor diesem seinsgeschichtlichen Hintergrund überhaupt denkbar.


Selbst jemand mit philosophischer Grundbildung kann dieser Formulierung kaum noch folgen. Was soll "Seinsvergessenheit", "Öffnung des Seins" und "seinsgeschichtlicher Hintergrund" überhaupt bedeuten?


Das ist ohne Heideggers Kategorie der "Eigentlichkeit" nicht zu verstehen. Und man muss sie deshalb dazu erwähnen:

Zitat:
Ein weiteres Beispiel ist das der Verfallenheit. Nach Heidegger neigen wir dazu unser eigentliches Sein nicht in den Blick zu nehmen, sondern ihm auszuweichen. Dieses Ausweichen nennt er Verfallen. Aufgrund der Last des Daseins, Sinn in die Welt zu tragen, fliehen wir vor dieser Last in das Man (man sagt dies, man tut das, man macht das nicht etc.), Ausdruck der durchschnittlichen Alltäglichkeit. Indem wir uns dem Man unterordnen, geben wir gleichzeitig Verantwortung für unser Sein ab. Dieser Uneigentlichkeit setzt Heidegger die Eigentlichkeit entgegen, die die Last des Daseins auf sich nimmt.

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Existenzialien&oldid=117034727


Das ist weiter oben aber auch schon erwähnt worden ...-
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smallie
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Beitrag(#1923989) Verfasst am: 22.05.2014, 20:49    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Der Versuch zu gefallen entspräche deinem Hinweis auf das Begehren von Öffentlichkeit?

Nein, nicht zwingend. Politik lässt sich nicht auf Werbung reduzieren. Im politischen Handeln geht es ja u.A. auch darum, Öffentlichkeit überhaupt erst zu erzeugen. Das Begehren der Öffentlichkeit ist das Begehren der Möglichkeit kollektiven Handelns.

Wenn du das so meinst, hättest du es gleich so formulieren sollen. Auf den Arm nehmen


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Falls ja, würde ich das eher als psychologisches Problem sehen, denn als philosophisches.

Nein, es geht hier um ein wesentlich politisches Problem. Es geht beim politischen Handeln ja gerade darum, Formen des Handelns zu finden, in denen ich gemeinsam mit anderen meine eigenen politischen Ziele verfolgen kann.

Das ist mir zu abstrakt.

Kannst du einige dieser Formen nennen, die heute nicht möglich sind?


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Deine Alternative zwischen Vereinzelung und Mitläufertum ist bereits eine abstrakte. Unter den Bedingungen des liberalen Kapitalismus ist Vereinzelung die höchste Form des Mitläufertums.

Wie du auf Mitläufertum kommst, obwohl ich oben davon spreche, ein Außenlieger zu sein, ist mir ein Rätsel.

Meine Ansichten sind in vielen Dingen nicht mehrheitsfähig.

Angenommen, ich verfolgte ein politisches Ziel, dem sich niemand anschließen will. Zum Beispiel, daß im Kindergarten bestimmte Regeln aufgehoben werden. Dann werde ich mich in einem persönlichen Gespräch mit den Zuständigen für meine Sicht der Dinge einsetzen, ohne erst auf gemeinsam Vorgehen durch den Elternbeirat zu warten. Mein Anliegen ist hoffentlich auch dann gültig und bedenkenswert, wenn ich der einzige bin, der es vorbringt.

Das ist meine Art, politisch zu sein. Bei irgendwelchen politischen Bewegungen habe ich meist das Gefühl, zwischen den Stühlen zu sitzen. skeptisch
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Tarvoc
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Beitrag(#1924032) Verfasst am: 23.05.2014, 04:54    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Das ist mir zu abstrakt. Kannst du einige dieser Formen nennen, die heute nicht möglich sind?

Willst du von mir jetzt eine Anleitung zur Kommunalpolitik oder was? Schau dich halt selbst mal um, was für Formen politischer Partizipation es in deiner Umgebung so gibt.

smallie hat folgendes geschrieben:
Dann werde ich mich in einem persönlichen Gespräch mit den Zuständigen für meine Sicht der Dinge einsetzen, ohne erst auf gemeinsam Vorgehen durch den Elternbeirat zu warten.

Ein solches Gespräch ist aber eben bereits eine öffentliche Angelegenheit. Es sei denn, du betreibst es als eine Art Mauschelei unter der Hand. Das ist natürlich auch politisch (und von öffentlichem Interesse), aber in einem etwas anderen Sinne.
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smallie
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Beitrag(#1924085) Verfasst am: 23.05.2014, 18:30    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Das ist mir zu abstrakt. Kannst du einige dieser Formen nennen, die heute nicht möglich sind?

Willst du von mir jetzt eine Anleitung zur Kommunalpolitik oder was? Schau dich halt selbst mal um, was für Formen politischer Partizipation es in deiner Umgebung so gibt.


Jetzt hast du mich verloren. Weiter oben sagtest du noch, die materielle gesellschaftliche Macht, d.h. Verfügung über Produktivkräfte würde verhindern, das es diese Partizipation gibt:


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Die Ohnmacht des Privaten? Verstehe ich überhaupt nicht. Im Privaten bin ich mächtig.

Nein, das ist gerade eine durch die Ideologie des Privatrechts erzeugte Illusion. Macht bedeutet materielle gesellschaftliche Macht, d.h. Verfügung über Produktivkräfte. Es geht also nicht darum, ob du nackt vor dem Fernseher sitzen kannst, sondern ob du auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, denen du unterworfen bist, Einfluss nehmen kannst. [...]

Das Private ist aber nun gerade eine Chiffre dieser Ohnmacht. Einen Privatraum, in dem der einzelne dem Schein nach freie Hand hat, erzeugt die bürgerliche Gesellschaft gerade dadurch, dass sie ihn von gesellschaftlicher Partizipation ausschließt.

Gibt es nun gesellschaftliche Partizipation in der bürgerlichen Gesellschaft oder nicht?
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Beitrag(#1924087) Verfasst am: 23.05.2014, 18:36    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Das ist mir zu abstrakt. Kannst du einige dieser Formen nennen, die heute nicht möglich sind?

Willst du von mir jetzt eine Anleitung zur Kommunalpolitik oder was? Schau dich halt selbst mal um, was für Formen politischer Partizipation es in deiner Umgebung so gibt.


Jetzt hast du mich verloren. Weiter oben sagtest du noch, die materielle gesellschaftliche Macht, d.h. Verfügung über Produktivkräfte würde verhindern, das es diese Partizipation gibt:


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Die Ohnmacht des Privaten? Verstehe ich überhaupt nicht. Im Privaten bin ich mächtig.

Nein, das ist gerade eine durch die Ideologie des Privatrechts erzeugte Illusion. Macht bedeutet materielle gesellschaftliche Macht, d.h. Verfügung über Produktivkräfte. Es geht also nicht darum, ob du nackt vor dem Fernseher sitzen kannst, sondern ob du auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, denen du unterworfen bist, Einfluss nehmen kannst. [...]

Das Private ist aber nun gerade eine Chiffre dieser Ohnmacht. Einen Privatraum, in dem der einzelne dem Schein nach freie Hand hat, erzeugt die bürgerliche Gesellschaft gerade dadurch, dass sie ihn von gesellschaftlicher Partizipation ausschließt.

Gibt es nun gesellschaftliche Partizipation in der bürgerlichen Gesellschaft oder nicht?


Heidegger hat mit politischer Partizipation oder gar der gemeinschaftlichen Verfügung über die gesellschaftlichen Produktivkräfte allerdings nicht das geringste zu tun.

Man sollte solche politischen Kategorien deshalb besser raus lassen aus dieser Debatte.

@Tarvoc: Versuche, Heidegger & co. irgendwie mit Marx zusammen zu bringen, sind völlig aussichtslos.
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Marcellinus
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Beitrag(#1924089) Verfasst am: 23.05.2014, 18:39    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Macht bedeutet materielle gesellschaftliche Macht, d.h. Verfügung über Produktivkräfte. Es geht also nicht darum, ob du nackt vor dem Fernseher sitzen kannst, sondern ob du auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, denen du unterworfen bist, Einfluss nehmen kannst.

Dir sollte schon klar sein, daß es noch ein paar andere Quellen von Macht gibt als die "Verfügung über Produktivkräfte", aber davon abgesehen hast du natürlich Recht. zwinkern
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Beitrag(#1924095) Verfasst am: 23.05.2014, 19:58    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Macht bedeutet materielle gesellschaftliche Macht, d.h. Verfügung über Produktivkräfte. Es geht also nicht darum, ob du nackt vor dem Fernseher sitzen kannst, sondern ob du auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, denen du unterworfen bist, Einfluss nehmen kannst.

Dir sollte schon klar sein, daß es noch ein paar andere Quellen von Macht gibt als die "Verfügung über Produktivkräfte", aber davon abgesehen hast du natürlich Recht. zwinkern

Zumal manchmal die "Verfügung über Produktivkräfte" in den Tod führt

Besser übrigens Max Weber:

Zitat:
„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“
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Beitrag(#1924110) Verfasst am: 23.05.2014, 21:18    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

unquest hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Macht bedeutet materielle gesellschaftliche Macht, d.h. Verfügung über Produktivkräfte. Es geht also nicht darum, ob du nackt vor dem Fernseher sitzen kannst, sondern ob du auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, denen du unterworfen bist, Einfluss nehmen kannst.

Dir sollte schon klar sein, daß es noch ein paar andere Quellen von Macht gibt als die "Verfügung über Produktivkräfte", aber davon abgesehen hast du natürlich Recht. zwinkern

Zumal manchmal die "Verfügung über Produktivkräfte" in den Tod führt

Besser übrigens Max Weber:

Zitat:
„Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“


Marion Heidegger brät das perfekte Omelette

Das geht auch nur, wenn man die nötige Macht besitzt, also z.B. Pfanne, Schaber und Zutaten.

Oder wie der langjährige Welttorwart und Philosoph Oli Kahn schon sagte:

Eier! Wir brauchen Eier!
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Tarvoc
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Beitrag(#1924116) Verfasst am: 23.05.2014, 21:51    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Versuche, Heidegger & co. irgendwie mit Marx zusammen zu bringen, sind völlig aussichtslos.

Was du nicht sagst. Jetzt müsstest du mir nur noch sagen, wer sowas überhaupt versucht hat.
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Beitrag(#1924119) Verfasst am: 23.05.2014, 22:00    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Versuche, Heidegger & co. irgendwie mit Marx zusammen zu bringen, sind völlig aussichtslos.

Was du nicht sagst. Jetzt müsstest du mir nur noch sagen, wer sowas überhaupt versucht hat.


Wie gesagt, lass es!
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Beitrag(#1924122) Verfasst am: 23.05.2014, 22:05    Titel: Re: Heidegger reloaded Antworten mit Zitat

Aber wo wir schon mal beim Thema *Geist und Macht* sind, hier noch als Gute-Nacht-Lektüre ein ganz guter Artikel zum Thema:

VOM BEDÜRFNIS, GEIST UND MACHT ZU VERWECHSELN

Da geht es auch noch mal um das Heidegger'sche leere *Sein* und pipapo ...-
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