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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
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Beitrag(#198637) Verfasst am: 23.10.2004, 17:17    Titel: Antworten mit Zitat

Martin hat folgendes geschrieben:
Ja, selbst dann, wenn sich herausstellen sollte, daß eine "Übernatur" tatsächlich existiert, gäbe es zum Naturalismus keine Alternative, die sich wissenschaftlich nennen könnte. Wir können Übernatürliches prinzipiell nicht in wissenschaftliche Überlegungen einbeziehen, weil es nicht methodisch analysiert werden kann. Das meinte ich mit "indisponibel".

Beim sog. "Übernatürlichen" gebe ich Dir natürlich vollkommen recht. Aber die wissenschaftliche Methodik könnte sich "eine Nummer kleiner" weiterentwickeln, das hat sie ja auch bisher getan. Ein Beispiel, für das ich keine exotischen Universumsmodelle annehmen muß: Die politisch-rechtliche Frage, ob wissenschaftlicher Erkenntnisse offen zugänglich oder patentiert sein sollen. Was führt mittelfristig zu mehr Erkenntnis?

Ich gebe allerdings zu, daß wir uns bei diesem Beispiel in einer Grauzone zwischen Methodik und praktischer Umsetzung befinden.

gruß/step
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#198663) Verfasst am: 23.10.2004, 17:55    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin hat folgendes geschrieben:
Ja, selbst dann, wenn sich herausstellen sollte, daß eine "Übernatur" tatsächlich existiert, gäbe es zum Naturalismus keine Alternative, die sich wissenschaftlich nennen könnte. Wir können Übernatürliches prinzipiell nicht in wissenschaftliche Überlegungen einbeziehen, weil es nicht methodisch analysiert werden kann. Das meinte ich mit "indisponibel".

Beim sog. "Übernatürlichen" gebe ich Dir natürlich vollkommen recht. Aber die wissenschaftliche Methodik könnte sich "eine Nummer kleiner" weiterentwickeln, das hat sie ja auch bisher getan. Ein Beispiel, für das ich keine exotischen Universumsmodelle annehmen muß: Die politisch-rechtliche Frage, ob wissenschaftlicher Erkenntnisse offen zugänglich oder patentiert sein sollen. Was führt mittelfristig zu mehr Erkenntnis?


Das Beispiel stützt sich aber nicht mehr besonders auf wissenschaftsphilosophische, sondern eher auf politische Überlegungen. Lachen

Vielleicht ein anders Beispiel: Wenn das Pärchen, welches in der Sendung "W wie Wissen" vorgab, "energetisiertes Wasser" von normalem Leitungswasser zu unterscheiden, James Randi die Million Dollar abgeknöpft hätte, stünden die Leute von der GWUP vor einem Problemchen. Würden sich schließlich derartige Fälle häufen, würde man zumindest einmal die heuristisch fruchtbare These des Materialismus (nicht unbedingt den Naturalismus!) hinterfragen. Ein weitaus harmloseres Beispiel, das heute in Physikerkreisen langsam zu einem Umdenken führt, habe ich oben zum Stichwort "narrativer Erklärung" genannt.

Grüße

Martin
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step
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Beitrag(#198689) Verfasst am: 23.10.2004, 18:16    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Würden sich schließlich derartige Fälle häufen, würde man zumindest einmal die heuristisch fruchtbare These des Materialismus (nicht unbedingt den Naturalismus!) hinterfragen.

Hier würde mich interessieren, wo genau Du den Unterschied siehst.

Die Definitionen - etwa in wikipedia - sind teilweise widersprüchlich. So steht bei Materialismus wie bei Naturalismus, daß sie Determinismus als wesentliches Element beinhalten. Dann heißt es aber später, daß der Matrialismus heute eher kritisch gesehen werde, weil es keinen Quantendeterminismus gebe.

Für mich persönlich ist Naturalismus und Materialismus (mit entsprechend weitem Matreiebegriff) nahezu synonym. In dem von Dir genannten Beispiel würden Naturalisten dazu gezwungen, nach neuen Erscheinungsformen von Matrie/Energie zu suchen, die das Phänomen erklären können.

gruß/step
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Beitrag(#198706) Verfasst am: 23.10.2004, 18:43    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Würden sich schließlich derartige Fälle häufen, würde man zumindest einmal die heuristisch fruchtbare These des Materialismus (nicht unbedingt den Naturalismus!) hinterfragen.

Hier würde mich interessieren, wo genau Du den Unterschied siehst.


Jeder Materialist ist auch ein Naturalist, aber nicht umgekehrt. Der Naturalismus bestreitet zunächst einmal nur die Existenz übernatürlicher Dinge (Götter, Geister, Wunder usw.). Der Materialist geht noch weiter und bestreitet auch die eigenständige Existenz geistiger Phänomene, "Ideen" und Eigenschaften. Real ist immer nur die Materie, die verschiedene Systemeigenschaften hat.

Step hat folgendes geschrieben:
Die Definitionen - etwa in wikipedia - sind teilweise widersprüchlich. So steht bei Materialismus wie bei Naturalismus, daß sie Determinismus als wesentliches Element beinhalten. Dann heißt es aber später, daß der Matrialismus heute eher kritisch gesehen werde, weil es keinen Quantendeterminismus gebe.


Sorry, ich habe sie noch nicht gelesen. Ich fürchte aber, daß die Definitionen nicht ganz korrekt sind. Der Determinismus war zwar für das mechanismische Weltbild der frühen Neuzeit charakteristisch, ist für den Materialismus aber nicht zwingend. Heute, im Zeitalter der Quantenphysik, denken wohl die wenigsten Materialisten streng deterministisch.

Daß der Materialismus in der Wissenschaft besonders kritisch gesehen würde, läßt sich auch nicht sagen. Viele Menschen distanzieren sich zwar vordergründig vom Materialismus, weil sie die negative Konnotation abschreckt - schließlich will man nicht "dogmatisch" wirken. Aber der Umstand, daß es Emergenzstufen gibt, wobei die jeweils nächsthöhere die niedrigere umfaßt, ist in der Wissenschaft eigentlich nichts besonderes. Jeder, der Chemie betreibt, ist sich darüber im Klaren, daß die chemischen Eigenschaften einer Substanz Systemeigenschaften sind. Jeder Physiologe weiß, daß die Verdauung nicht "an sich" existiert, sondern als Prozeßeigenschaft des Magen-Darm-Trakts aufzufassen ist. Analog dazu werden auch die meisten Neurologen Bewußtsein als Systemeigenschaft des Gehirns anerkennen. Somit ist der Leib-Seele-Dualismus, wie Bunge schon einmal betont hat, eine Anomalie, die absolut einzigartig in der Wissenschaft ist...

Grüße

Martin
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Beitrag(#198724) Verfasst am: 23.10.2004, 19:02    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Jeder Materialist ist auch ein Naturalist, aber nicht umgekehrt. Der Naturalismus bestreitet zunächst einmal nur die Existenz übernatürlicher Dinge (Götter, Geister, Wunder usw.). Der Materialist geht noch weiter und bestreitet auch die eigenständige Existenz geistiger Phänomene und "Ideen" (Formen, Farben, Typen,... usw.) Real ist nur die Materie, die verschiedene Systemeigenschaften hat.

Ja, wobei die Betonung auf "eigenständig" liegt. Der Materialist ist der Ansicht, daß "geistige" Phänomene letztlich materiellen (physikalischen) Ursprung haben. Für einige ehemals "geistige" Phänomene ist dieser Nachweis bereits gelungen, etwa Licht, Zeugung usw.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Die Definitionen - etwa in wikipedia - sind teilweise widersprüchlich. So steht bei Materialismus wie bei Naturalismus, daß sie Determinismus als wesentliches Element beinhalten. Dann heißt es aber später, daß der Matrialismus heute eher kritisch gesehen werde, weil es keinen Quantendeterminismus gebe.
Sorry, ich habe sie noch nicht gelesen. Ich fürchte aber, daß die Definitionen nicht ganz korrekt sind. Der Determinismus war zwar für das mechanismische Weltbild der frühen Neuzeit charakteristisch, ist für den Materialismus aber nicht zwingend.

Genau. ((( Und er wird auch durch die QM nicht widerlegt zwinkern )))

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Daß der Materialismus in der Wissenschaft besonders kritisch gesehen würde, läßt sich auch nicht sagen. Viele Menschen distanzieren sich zwar vordergründig vom Materialismus, weil sie die negative Konnotation abschreckt - schließlich will man nicht "dogmatisch" wirken.

Auch hier Zustimmung.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Aber der Umstand, daß es Emergenzstufen gibt, wobei die jeweils nächsthöhere die niedrigere umfaßt, ist in der Wissenschaft eigentlich nichts besonderes.

Wie Du ja weißt sehe ich das mit dem "umfassen" genau andersherum: Die Chemie umfaßt die Biochemie und noch alles mögliche andere, usw. - aber dennoch hast Du recht, daß emergente Eigenschaften und diese erklärende Theorien in der Wissenschaft Alltag sind. Was aber nicht heißt, daß einem emergenten Phänomen unbedingt ein eigener "Geist" zukommen muß. Daß die unteren Ebenen zwar notwendig, aber nicht hinreichend sind für das Auftreten eines emergenten Phänomens wie etwa "Molekül", "primitives Leben" oder "Bewußtsein", wäre von einem Emergentisten nachzuweisen.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Somit ist der Leib-Seele-Dualismus, wie Bunge schon einmal betont hat, eine Anomalie, die absolut einzigartig in der Wissenschaft ist...

Der Leib-Seele-Dualismus ist gar keine Anomalie in der Wissenschaft, sondern ein altes philosophisches Problem, daß auf der instrospektiven Beschränkung der philosphischen Methode beruht. In der Wissenschaft gibt es kein Leib-Seele-Problem, da es in der Wissenschaft keine "Seele" gibt, nur eine emergente Systemeigenschaft "Bewußtsein", deren Erklärung im Rahmen grundlegenderer Eigenschaften es noch zu vervollständigen gilt.

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Beitrag(#198730) Verfasst am: 23.10.2004, 19:05    Titel: Antworten mit Zitat

sorry, hab' ich ganz überlesen:

Step hat folgendes geschrieben:
In dem von Dir genannten Beispiel würden Naturalisten dazu gezwungen, nach neuen Erscheinungsformen von Matrie/Energie zu suchen, die das Phänomen erklären können.


Sie müßten vermutlich überlegen, ob es nicht doch so etwas wie ein "immaterielles Fluidum" geben könnte, welches mit der Materie wechselwirkt. Das muß nicht unbedingt etwas Übernatürliches sein. Wenn sich herausstellen sollte, daß das Phänomen reproduzierbar, intersubjektiv nachweisbar und gesetzmäßig beschreibbar ist, hätte dies mit einer supernaturalistischen Wirkursache nichts zu tun. Die Sphäre des "Natürlichen" würde einfach um eine Stufe erweitert.

Grüße

Martin
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Beitrag(#198734) Verfasst am: 23.10.2004, 19:08    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Das muß nicht unbedingt etwas Übernatürliches sein. Wenn sich herausstellen sollte, daß das Phänomen reproduzierbar, intersubjektiv nachweisbar und gesetzmäßig beschreibbar ist, hätte dies mit einer supernaturalistischen Wirkursache nichts zu tun. Die Sphäre des "Natürlichen" würde einfach um eine Stufe erweitert.

Genau. Und vermutlich auch die Sphäre des Materiellen zwinkern
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Beitrag(#198736) Verfasst am: 23.10.2004, 19:11    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Das muß nicht unbedingt etwas Übernatürliches sein. Wenn sich herausstellen sollte, daß das Phänomen reproduzierbar, intersubjektiv nachweisbar und gesetzmäßig beschreibbar ist, hätte dies mit einer supernaturalistischen Wirkursache nichts zu tun. Die Sphäre des "Natürlichen" würde einfach um eine Stufe erweitert.

Genau. Und vermutlich auch die Sphäre des Materiellen zwinkern


Das kommt darauf an: Wenn es einem Einstein gelingen sollte, im Rahmen einer noch umfassenderen Theorie zu zeigen, daß das neuartige Fluidum ein Massenäquivalent hat, hast Du recht. Wenn nicht, dann nicht. zwinkern

Grüße

Martin
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Beitrag(#198753) Verfasst am: 23.10.2004, 19:34    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wenn es einem Einstein gelingen sollte, im Rahmen einer noch umfassenderen Theorie zu zeigen, daß das neuartige Fluidum ein Massenäquivalent hat, hast Du recht. Wenn nicht, dann nicht.

Interessant! Demnach wäre ich gar kein Materialist, sondern nur Physikalist, denn ob alles ein Massseäquivalent hat, halte ich für nicht ausgemacht.

Würdest Du denn noch einen Unterschied sehen zwischen dem Naturalismus und dem Physikalismus? Kann jemand, der glaubt, daß bestimmte Dige nicht naturgesetzlich sind, Naturalist sein?

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Beitrag(#198763) Verfasst am: 23.10.2004, 19:44    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Jeder Materialist ist auch ein Naturalist, aber nicht umgekehrt. Der Naturalismus bestreitet zunächst einmal nur die Existenz übernatürlicher Dinge (Götter, Geister, Wunder usw.). Der Materialist geht noch weiter und bestreitet auch die eigenständige Existenz geistiger Phänomene und "Ideen" (Formen, Farben, Typen,... usw.) Real ist nur die Materie, die verschiedene Systemeigenschaften hat.

Ja, wobei die Betonung auf "eigenständig" liegt. Der Materialist ist der Ansicht, daß "geistige" Phänomene letztlich materiellen (physikalischen) Ursprung haben. Für einige ehemals "geistige" Phänomene ist dieser Nachweis bereits gelungen, etwa Licht, Zeugung usw.


ACK. Eine erneute Stütze für den heuristischen Wert des emergentistischen Materialismus. Cool

BTW, es gibt (bzw. gab) auch einen etwas weniger elaborierten Materialismus, den Ernst Bloch einst als "Klotzmaterialismus" verspottet hatte. Danach wird behauptet, die Systemeigenschaften komplexer Dinge (wie z.B. psychische Phänomene) seien bereits in den untersten Emergenzstufen angelegt und würden demnach auch bei deren Entwicklung eine gewisse Rolle spielen. Meines Wissens gilt dieses Stadium allgemein als überwunden.


step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Die Definitionen - etwa in wikipedia - sind teilweise widersprüchlich. So steht bei Materialismus wie bei Naturalismus, daß sie Determinismus als wesentliches Element beinhalten. Dann heißt es aber später, daß der Matrialismus heute eher kritisch gesehen werde, weil es keinen Quantendeterminismus gebe.
Sorry, ich habe sie noch nicht gelesen. Ich fürchte aber, daß die Definitionen nicht ganz korrekt sind. Der Determinismus war zwar für das mechanismische Weltbild der frühen Neuzeit charakteristisch, ist für den Materialismus aber nicht zwingend.

Genau. ((( Und er wird auch durch die QM nicht widerlegt zwinkern )))


Klar. Man braucht dazu nur ein paar philosophische Zusatzannahmen in die Theorie einzubauen zwinkern


step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Aber der Umstand, daß es Emergenzstufen gibt, wobei die jeweils nächsthöhere die niedrigere umfaßt, ist in der Wissenschaft eigentlich nichts besonderes.

Wie Du ja weißt sehe ich das mit dem "umfassen" genau andersherum: Die Chemie umfaßt die Biochemie und noch alles mögliche andere, usw. -


Wenn ich gemein wäre, würde ich jetzt gewisse Paralleln zum Klotzmaterialismus ziehen... Auf den Arm nehmen


Step hat folgendes geschrieben:
aber dennoch hast Du recht, daß emergente Eigenschaften und diese erklärende Theorien in der Wissenschaft Alltag sind. Was aber nicht heißt, daß einem emergenten Phänomen unbedingt ein eigener "Geist" zukommen muß.


Was meinst Du damit? Ein emergentes Phänomen ist etwas radikal Neuartiges, sonst wäre es nicht emergent.


step hat folgendes geschrieben:
Daß die unteren Ebenen zwar notwendig, aber nicht hinreichend sind für das Auftreten eines emergenten Phänomens wie etwa "Molekül", "primitives Leben" oder "Bewußtsein", wäre von einem Emergentisten nachzuweisen.


Das ist schon längst geschehen. Gehirne sind nicht gleich Gehirne, auch wenn sie dieselbe chemische Zusammensetzung haben. Der Aufbau der Neurone sowie die Randbedingungen, nach denen die 100 Milliarden Neurone verschaltet werden, sind hier ausschlaggebend.


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Somit ist der Leib-Seele-Dualismus, wie Bunge schon einmal betont hat, eine Anomalie, die absolut einzigartig in der Wissenschaft ist...

Der Leib-Seele-Dualismus ist gar keine Anomalie in der Wissenschaft, sondern ein altes philosophisches Problem, daß auf der instrospektiven Beschränkung der philosphischen Methode beruht. In der Wissenschaft gibt es kein Leib-Seele-Problem, da es in der Wissenschaft keine "Seele" gibt, nur eine emergente Systemeigenschaft "Bewußtsein", deren Erklärung im Rahmen grundlegenderer Eigenschaften es noch zu vervollständigen gilt.


Eben. Und deshalb ist das Problem eine (hausgemachte) Anomalie zwinkern

Grüße

Martin
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Beitrag(#198779) Verfasst am: 23.10.2004, 19:59    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wenn es einem Einstein gelingen sollte, im Rahmen einer noch umfassenderen Theorie zu zeigen, daß das neuartige Fluidum ein Massenäquivalent hat, hast Du recht. Wenn nicht, dann nicht.

Interessant! Demnach wäre ich gar kein Materialist, sondern nur Physikalist, denn ob alles ein Massseäquivalent hat, halte ich für nicht ausgemacht.


Das kommt jetzt darauf an, wie man "Materie" definiert...


Step hat folgendes geschrieben:
Würdest Du denn noch einen Unterschied sehen zwischen dem Naturalismus und dem Physikalismus? Kann jemand, der glaubt, daß bestimmte Dige nicht naturgesetzlich sind, Naturalist sein?


Das ist eine diffizile Frage. Viele Dinge verhalten sich scheinbar völlig chaotisch, folgen aber doch "inneren" Gesetzmäßigkeiten. So ist z.B. der radioaktive Zerfall nicht regelmäßig und folgt trotzdem statistischen Gesetzen. Oder denk an chaotische Systeme, die bestimmten Attraktoren folgen. Meines Erachtens gibt es nirgendwo in der Natur Phänomene, die völlig regellos sind - auch in der Quantenmechanik nicht. Wenn das nicht gewährleitet wäre, hätte der Naturalismus ein Problem. Denn letztlich läuft alles darauf hinaus, daß die Welt "kausal geschlossen" ist - da gibt es keine regellosen Eingriffe aus einer Überwelt.

Grüße

Martin
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Beitrag(#198975) Verfasst am: 24.10.2004, 09:34    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
BTW, es gibt (bzw. gab) auch einen etwas weniger elaborierten Materialismus, den Ernst Bloch einst als "Klotzmaterialismus" verspottet hatte. Danach wird behauptet, die Systemeigenschaften komplexer Dinge (wie z.B. psychische Phänomene) seien bereits in den untersten Emergenzstufen angelegt und würden demnach auch bei deren Entwicklung eine gewisse Rolle spielen. Meines Wissens gilt dieses Stadium allgemein als überwunden.

Von jemandem, der ernsthaft vertritt, die Psyche spiele bei der Entstehung der Moleküle aus Automen ein Rolle, habe ich bisher nichts gelesen. Oder meintest Du etwas anderes, z.B. TW's berüchtigte Top-Down-Wirkung? Auch die Übertreibung in die andere Richtung, also der Glaube, daß die Physik nicht ausreiche, um Chemie, Biologie usw. hervorzubringen, wurde ja eine Zeitlang vertreten.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wie Du ja weißt sehe ich das mit dem "umfassen" genau andersherum: Die Chemie umfaßt die Biochemie und noch alles mögliche andere, usw. -
Wenn ich gemein wäre, würde ich jetzt gewisse Paralleln zum Klotzmaterialismus ziehen... Auf den Arm nehmen

Offensichtlich habe ich doch nicht genau verstanden, was dieser Klotzmaterialismus sein soll. Vielleicht wird es klarer, wenn Du einen chemischen Vorgang benennst, der nach derzeitig bester Theorie nicht rein physikalisch zu erklären ist.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
aber dennoch hast Du recht, daß emergente Eigenschaften und diese erklärende Theorien in der Wissenschaft Alltag sind. Was aber nicht heißt, daß einem emergenten Phänomen unbedingt ein eigener "Geist" zukommen muß.
Was meinst Du damit? Ein emergentes Phänomen ist etwas radikal Neuartiges, sonst wäre es nicht emergent.

Neu ist nur die Systemeigenschaft, die es zeigt. Die kannst Du auch innerhalb einer Wissenschaftsrichtung haben, z.B.
- die Raumzeit hat mehr als die Eigenschaften des Raums + die der Zeit
- die Kettenreaktion bei einer Kernspaltung
- das chemische Verhalten von H2 im Gegensatz zu H,
- der Sex (eine Systemeigenschaft von 2 Organismen?? oder von Genen? oder eine radikale Neuerung der Sexologie?)
Radikal neu wäre das alles eben mE nur, wenn irgendwo ein wirklich neues "Ingredienz" dazukäme, z.B. wenn man die Eigenschaften von H2 nicht aus denen von H erklären / errechnen könnte.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Daß die unteren Ebenen zwar notwendig, aber nicht hinreichend sind für das Auftreten eines emergenten Phänomens wie etwa "Molekül", "primitives Leben" oder "Bewußtsein", wäre von einem Emergentisten nachzuweisen.
Das ist schon längst geschehen. Gehirne sind nicht gleich Gehirne, auch wenn sie dieselbe chemische Zusammensetzung haben.

Moment mal: 2 Gehirne haben doch nicht dieselbe chemische Zusammensetzung! Höchstens nach dem Durchmüllern. Die chemischen Vorgänge sind doch individuell sehr unterschiedlich.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Der Aufbau der Neurone sowie die Randbedingungen, nach denen die 100 Milliarden Neurone verschaltet werden, sind hier ausschlaggebend.

Das ist natürlich richtig, denn die Erklärung eines (sehr komplexen) Gehirns erfordert die Reduktion bezüglich mehrerer Aspekte: chemische, um die Reizleitung zu erklären, kybernetische / informationstheoretische, um die Informationsverarbeitung zu erklären usw.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Würdest Du denn noch einen Unterschied sehen zwischen dem Naturalismus und dem Physikalismus? Kann jemand, der glaubt, daß bestimmte Dige nicht naturgesetzlich sind, Naturalist sein?
Das ist eine diffizile Frage. Viele Dinge verhalten sich scheinbar völlig chaotisch, folgen aber doch "inneren" Gesetzmäßigkeiten. So ist z.B. der radioaktive Zerfall nicht regelmäßig und folgt trotzdem statistischen Gesetzen. Oder denk an chaotische Systeme, die bestimmten Attraktoren folgen. Meines Erachtens gibt es nirgendwo in der Natur Phänomene, die völlig regellos sind - auch in der Quantenmechanik nicht. Wenn das nicht gewährleitet wäre, hätte der Naturalismus ein Problem. Denn letztlich läuft alles darauf hinaus, daß die Welt "kausal geschlossen" ist - da gibt es keine regellosen Eingriffe aus einer Überwelt.

Mit anderen Worten, Deiner Meinung nach - und auch meiner - kann jemand, der glaubt, daß bestimmte Dinge nicht naturgesetzlich sind, eher kein Naturalist sein. Vermutlich folgt daraus bereits, daß ein Naturalist die Welt für "unitär" halten muß. Ob sich daraus auch eine Annahme über die verallgemeinerte Turingartigkeit der Welt ergibt, weiß ich nicht genau, aber ich vermute es ebenfalls.

Übrigens gehst Du mit der "kausale Geschlossenheit" einen Schritt zu weit. Der Naturalismus, ja selbst eine evtl. Turingartigkeit der Welt, würden nicht unbedingt kausale Geschlossenheit erfordern. Kausalität macht nur Sinn in Berecihen, in denen man die "Zeitachse" als gegeben ansehen kann. Eine universale Theorie, die die Zeit nur mehr implizit enthält, erlaubt akausale Naturgesetzlichkeit.

gruß/step
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
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Beitrag(#198979) Verfasst am: 24.10.2004, 10:27    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin!

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Die Hypothesenentwicklung für die Evolution eines Bakterienmotors oder des Fangapparats des Wasserschlauchs ist nicht so schwierig wie etwa für ein Linsenauge.

Das sehe ich anders. Erstens kennen wir primitivere Augen-Typen und können mithilfe von Doppelfunktionen (unter Wahrung von Funktionalität und Adaptivität) eine - wenn auch simplistische - Kausalerklärung liefern. Und im Hinblick auf das Synorganisationsproblem haben hierzu Gehring und Ikeo einen überaus interessanten Lösungsansatz präsentiert, der durchaus mit Riedl Systemansatz kompatibel ist: Wenn man mit dem Regulatorgen und einem lichempfindlichen Pigment beginnt, könnten weitere Gene interkaliert bzw. unter die Kontrolle des Regulatorgens geraten und die Funktion schrittweise optimiert worden wird.

Gehring, W.J.; Ikeo K. (1999): pax 6 mastering eye morphogenesis and eye evolution. Trends Genet. 15 (9), 371-177.

Die Entstehung der Saugfalle von Utricularia scheint dagegen völlig im Dunkeln zu liegen. Alles, was wir wissen ist, daß sie aus einem Blatt entstanden ist.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Da hilft am besten W. F. Gutmann. zwinkern

Sorry, das müßtest Du erklären. Mehr als ein paar "Buzzwords" (hydraulische Systeme, Entwicklung nach dem Ökonomieprinzip etc.) scheint aus dieser Ecke noch nicht gekommen zu sein. Wo sich in dem Konzept (welches einseitig nur "innere" Prinzipien gelten läßt) die Erklärungsleistung verbergen mag, habe ich noch nicht herausgefunden.


Ich splitte mal, damit die Postings nicht gar so ellenlang werden. zwinkern

Wie ich sehe, erinnerst Du Dich noch an meinen Link. In der Tat hat mir in diesem Artikel der angedeutete systemische Ansatz sehr gut gefallen. Der Begriff "Doppelfunktion" ist hier aber fehl am Platze (organismische Konstruktion reicht) und auch mit der "Optimierung" verhält es sich nicht ganz so einfach (In welcher Beziehung?). Jedenfalls mußt Du die Lücken zwischen den primitiven und differenzierteren Augenkonstruktionen mit Ableitungsmodellen füllen (mal ganz abgesehen von gewissen Reihenfolgenproblemen (bsw. Becherauge -> Komplexauge ?), die dabei zu lösen sind).

Was kennst Du denn alles aus der Ecke von Gutmann & Co? Könnte eine Grafik wie nachfolgend Dir denn etwas sagen?





Aber erstelle doch selbst mal eine konstruktionsmorphologische Rekonstruktion z. B. vom Fangapparat des Wasserschlauchs. Für den Anfang, um ein Gefühl für biologische Prinzipien der Mechanik/Hydrostatik/Bionik zu bekommen:

1) Ist es für eine Schwimmpflanze sinnvoll, über Auftriebskörper zu verfügen?
2) Wo befinden sich diese Auftriebskörper am günstigsten?
3) Wie erfolgt der Gasaustausch in den "Bläschen"?
4) Wie bewältigt die Pflanze Verunreinigungen?
5) Könnte die Blüte eine Rolle spielen?








Cheers,

Lamarck
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„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

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Klaus-Peter
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Beiträge: 1534

Beitrag(#199096) Verfasst am: 24.10.2004, 14:40    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Von jemandem, der ernsthaft vertritt, die Psyche spiele bei der Entstehung der Moleküle aus Atomen ein Rolle, habe ich bisher nichts gelesen.

Doch, hier, ich! Und Karl Popper. Und Hans Albert. Und Gründungsmitglied Hans-Joachim Niemann von der GKPN.

Ohne menschliche Psyche (und das was sie hervorgebracht hat: Inhalte von Büchern und Zeitschriften, Konstrukte, ...) gäbe es kein Polyaethylen, kein Siliziumriesenkristalle ( wie in Sonnenzellen) und kein Contergan.
Zitat:
Oder meintest Du etwas anderes, z.B. TW's berüchtigte Top-Down-Wirkung?

Das ist das Gleiche.

Zitat:
Auch die Übertreibung in die andere Richtung, also der Glaube, daß die Physik nicht ausreiche, um Chemie, Biologie usw. hervorzubringen, wurde ja eine Zeitlang vertreten.

Das glaube ich nicht, weil die Physik "offen" ist. Offenbar erlaubt die Physik, dass in ihr Dinge wie Dampfmaschinen und menschliche Psychen emergieren.

Zitat:
Offensichtlich habe ich doch nicht genau verstanden, was dieser Klotzmaterialismus sein soll. Vielleicht wird es klarer, wenn Du einen chemischen Vorgang benennst, der nach derzeitig bester Theorie nicht rein physikalisch zu erklären ist.

Ich behaupte, die chemischen Eigenschaften eines Benzolrings waren physikalisch nicht vorherzusehen, als man nur die Bestandteile Kohlenstoff und Wasserstoff kannte. Und die chemischen Eigenschaften des Elements Unoctbium kann man auch nur bedingt voraussagen. (Bsp.: Gibt es Unoctbiumdioxid? Ist es stabil? Ist es leitend oder nichtleitend? Wie hoch ist sein Schmelzpunkt, Siedepunkt, ...) All das sind emergente Systemeigenschaften, die vorher nicht da waren und die auch nicht aus der Physik deduziert werden können. Trotzdem ist natürlich Unoctbium reine Physik.

Gruss

KP
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Klaus-Peter
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Beitrag(#199115) Verfasst am: 24.10.2004, 15:07    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Aber erstelle doch selbst mal eine konstruktionsmorphologische Rekonstruktion z. B. vom Fangapparat des Wasserschlauchs. Für den Anfang, um ein Gefühl für biologische Prinzipien der Mechanik/Hydrostatik/Bionik zu bekommen:

1) Ist es für eine Schwimmpflanze sinnvoll, über Auftriebskörper zu verfügen?
2) Wo befinden sich diese Auftriebskörper am günstigsten?
3) Wie erfolgt der Gasaustausch in den "Bläschen"?
4) Wie bewältigt die Pflanze Verunreinigungen?
5) Könnte die Blüte eine Rolle spielen?


Hallo Lamarck,

soweit ich informiert bin, nennt man diese Vorgehensweise nicht Konstruktivismus, sondern Adaptionismus.

Gruss

KP
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step
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Beitrag(#199124) Verfasst am: 24.10.2004, 15:14    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Ohne menschliche Psyche (und das was sie hervorgebracht hat: Inhalte von Büchern und Zeitschriften, Konstrukte, ...) gäbe es kein Polyaethylen, kein Siliziumriesenkristalle (wie in Sonnenzellen) und kein Contergan.

Ja klar, na und?
Du sagst doch auch nicht: "H erlaubt die Bildung von H2. Ohne H2 gäbe es kein CH4 auf der Erde. Also hat H2 CH4 hervorgebracht." Die Bedingung "ohne das ... gäbe es kein" sagt nichts über eine wesentliche Top-Down-Wirkung aus.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Ich behaupte, die chemischen Eigenschaften eines Benzolrings waren physikalisch nicht vorherzusehen, als man nur die Bestandteile Kohlenstoff und Wasserstoff kannte.

Ja, aber nicht deshalb, weil sie sich prinzipiell nicht vorhersagen ließen, sondern weil die Simulationstechnik / Rechenstärke nicht groß genug war.

gruß/step
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Klaus-Peter
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Beitrag(#199140) Verfasst am: 24.10.2004, 15:34    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Du sagst doch auch nicht: "H erlaubt die Bildung von H2. Ohne H2 gäbe es kein CH4 auf der Erde. Also hat H2 CH4 hervorgebracht." Die Bedingung "ohne das ... gäbe es kein" sagt nichts über eine wesentliche Top-Down-Wirkung aus.

Ich habe ja auch mehr behauptet: Die menschliche Idee, ein wirksames Schlafmittel herzustellen, war die kausale Ursache für die Existenz von Contergan.

step hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Ich behaupte, die chemischen Eigenschaften eines Benzolrings waren physikalisch nicht vorherzusehen, als man nur die Bestandteile Kohlenstoff und Wasserstoff kannte.

Ja, aber nicht deshalb, weil sie sich prinzipiell nicht vorhersagen ließen, sondern weil die Simulationstechnik / Rechenstärke nicht groß genug war.

Sagst Du. Aber soweit ich weiß, hat bis heute niemand ein Verfahren, nicht einmal die Idee zu einem Verfahren, wie es prinzipiell gehen könnte - die Rechenstärke vorausgesetzt. Soweit ich weiss, kann mandie Eigenschaften des Benzolrings nicht aus den Schrödingergleichungen von Kohlenstoff und Wasserstoff deduzieren, sondern muss eine neue aufstellen, in die wesentliche (geometrische) Eigenschaften des Benzolringes schon mit einfliessen.

Deshalb habe ich das zweite Beispiel mit dem Unoctbium gebracht: Man kennt ein "Gesetz" zur Vorhersage: das Schema des Periodensystems. Aber das liefert nur Hypothesen, die man verifizieren muss (und bis jetzt nicht kann, weil es das Ding noch nicht gibt). Und selbst das Periodensystem selber war m.E. unvorhersagbar, als es nur Wasserstoff gab.

Gruss

KP
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Lamarck
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Beitrag(#199183) Verfasst am: 24.10.2004, 16:49    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter!


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Ich behaupte, die chemischen Eigenschaften eines Benzolrings waren physikalisch nicht vorherzusehen, als man nur die Bestandteile Kohlenstoff und Wasserstoff kannte.

Ja, aber nicht deshalb, weil sie sich prinzipiell nicht vorhersagen ließen, sondern weil die Simulationstechnik / Rechenstärke nicht groß genug war.

Sagst Du. Aber soweit ich weiß, hat bis heute niemand ein Verfahren, nicht einmal die Idee zu einem Verfahren, wie es prinzipiell gehen könnte - die Rechenstärke vorausgesetzt. Soweit ich weiss, kann mandie Eigenschaften des Benzolrings nicht aus den Schrödingergleichungen von Kohlenstoff und Wasserstoff deduzieren, sondern muss eine neue aufstellen, in die wesentliche (geometrische) Eigenschaften des Benzolringes schon mit einfliessen.

Deshalb habe ich das zweite Beispiel mit dem Unoctbium gebracht: Man kennt ein "Gesetz" zur Vorhersage: das Schema des Periodensystems. Aber das liefert nur Hypothesen, die man verifizieren muss (und bis jetzt nicht kann, weil es das Ding noch nicht gibt). Und selbst das Periodensystem selber war m.E. unvorhersagbar, als es nur Wasserstoff gab.


Yep. Aber wie machst Du das genau? - Deduktion wird Dir hier doch nichts nützen - was läßt Dich denn Deine Hypothesen finden? zwinkern


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Aber erstelle doch selbst mal eine konstruktionsmorphologische Rekonstruktion z. B. vom Fangapparat des Wasserschlauchs. Für den Anfang, um ein Gefühl für biologische Prinzipien der Mechanik/Hydrostatik/Bionik zu bekommen:

1) Ist es für eine Schwimmpflanze sinnvoll, über Auftriebskörper zu verfügen?
2) Wo befinden sich diese Auftriebskörper am günstigsten?
3) Wie erfolgt der Gasaustausch in den "Bläschen"?
4) Wie bewältigt die Pflanze Verunreinigungen?
5) Könnte die Blüte eine Rolle spielen?


[..] soweit ich informiert bin, nennt man diese Vorgehensweise nicht Konstruktivismus, sondern Adaptionismus.


Nein. Hier geht es um Methodik. Der Adaptionismus, den Du hier meinst, ist im übrigen überholt. Und Gutmann hat sich wissenschaftstheoretisch sehr stark auf Popper berufen. Die Nachfolger hingegen haben sich mittlerweile größtenteils als softer Konstruktivismus in Richtung Methodischer Kulturalismus (Janich) ausgeformt.

Im Gegensatz zu der weiter verbreiteten Funktionsmorphologie geht die Konstruktionsmorphologie explizit von einem "Konstruktion bestimmt Funktion" aus: Design oder nicht sein, das ist hier die Frage.

Ein gewisses konstruktivistisches Verständnis ist bei dieser Art von Problemen natürlich hilfreich. zwinkern


Cheers,

Lamarck
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Klaus-Peter
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Beitrag(#199198) Verfasst am: 24.10.2004, 17:09    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Yep. Aber wie machst Du das genau? - Deduktion wird Dir hier doch nichts nützen - was läßt Dich denn Deine Hypothesen finden?

Ich rate. Ich sauge mir auf der Basis von Heuristiken was aus den Fingern. Ich konstruiere mir was, auf der Basis anderer Hypothesen. Und dann überprüfe ich, ob ich richtig geraten habe.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
soweit ich informiert bin, nennt man diese Vorgehensweise nicht Konstruktivismus, sondern Adaptionismus.

Nein. Hier geht es um Methodik. Der Adaptionismus, den Du hier meinst, ist im übrigen überholt.

Sagt wer?

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Und Gutmann hat sich wissenschaftstheoretisch sehr stark auf Popper berufen. Die Nachfolger hingegen haben sich mittlerweile größtenteils als softer Konstruktivismus in Richtung Methodischer Kulturalismus (Janich) ausgeformt.

Unter Brüdern, ich glaube, dass die beiden Herren des Kaisers neue Kleider verkaufen. Meinetwegen uner Berufung auf Popper, der kann sich schließlich nicht mehr wehren.

Zitat:
Im Gegensatz zu der weiter verbreiteten Funktionsmorphologie geht die Konstruktionsmorphologie explizit von einem "Konstruktion bestimmt Funktion" aus: Design oder nicht sein, das ist hier die Frage.

Wenn Du Dich präziser ausdrücken könntest, statt auf die obigen Heißluftbläser zu rekurrieren, könnten wir uns darauf womöglich einigen. Aber sicher bin ich mir nicht, weil die Formulierung zu Gutmann-haltig ist.

Zitat:
Ein gewisses konstruktivistisches Verständnis ist bei dieser Art von Problemen natürlich hilfreich. zwinkern


Wäre das wahr, dann dürften wir beide nichts dazu sagen. Mir geht ohnehin jegliches Verständnis für Konstruktivismus ab, und Du verwechselst es, wie erlebt, mit dem Kritischen Rationalismus. zwinkern

Gruss

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Beitrag(#199199) Verfasst am: 24.10.2004, 17:10    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Du sagst doch auch nicht: "H erlaubt die Bildung von H2. Ohne H2 gäbe es kein CH4 auf der Erde. Also hat H2 CH4 hervorgebracht." Die Bedingung "ohne das ... gäbe es kein" sagt nichts über eine wesentliche Top-Down-Wirkung aus.

Ich habe ja auch mehr behauptet: Die menschliche Idee, ein wirksames Schlafmittel herzustellen, war die kausale Ursache für die Existenz von Contergan.

Das Argument setzt aber bereits voraus, daß die mesnchliche Idee "atomar" oder "grundlegend" ist. Sonst dürfte man sie nicht als Beginn einer Kausalkette instrumentieren und müßte ragen: "Was sind die kausale Ursachen der menschlichen Idee?" Damit würde man doch wieder bei Biologie, Chemie und letztlich Physik landen.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Ich behaupte, die chemischen Eigenschaften eines Benzolrings waren physikalisch nicht vorherzusehen, als man nur die Bestandteile Kohlenstoff und Wasserstoff kannte.
Ja, aber nicht deshalb, weil sie sich prinzipiell nicht vorhersagen ließen, sondern weil die Simulationstechnik / Rechenstärke nicht groß genug war.
Sagst Du. Aber soweit ich weiß, hat bis heute niemand ein Verfahren, nicht einmal die Idee zu einem Verfahren, wie es prinzipiell gehen könnte - die Rechenstärke vorausgesetzt. Soweit ich weiss, kann mandie Eigenschaften des Benzolrings nicht aus den Schrödingergleichungen von Kohlenstoff und Wasserstoff deduzieren, sondern muss eine neue aufstellen, in die wesentliche (geometrische) Eigenschaften des Benzolringes schon mit einfliessen.

Das bezweifle ich. Ich kann leider jetzt nicht direkt was zum Benzol schreiben, die klassische Hückeltheorie steckt tatsächlich die zyklische Struktur bereits hinein. Aber ich denke, heute kann man alles from the scratch rechnen.

Der übliche ab-initio Ansatz in der "computational chemistry" geht über
- Hartree-Fock-Gleichungen,
- Born-Oppenheimer Näherung (Kern >> Elektron),
- LCAO-Näherung (Linearkomb. von Atomorbitalen)
- verschiedene numerische Berechnungsverfahren, z.B.
- Self-consistant-Field (Parameter werden variiert, bis sich vernünftige Molekülorbitalenergien ergeben
- Quanten-Monte-Carlo (QMC) Verfahren
- ...

Das Problem bei ab-initio-Berechnungen ist die N^4 Abhängigkeit von der Anzahl der 2-Elektronen-Wechselwirkungsintegrale. Die macht den Rechenaufwand sehr hoch. Mit QMC konnten aber bereits sämtliche Moleküleigenschaften eines 2-, auch mancher 3- und 4-Elektronensystems exakt berechnet werden. Auch das Dipolmoment von CO ist mW auf diese Weise exakt berechnet worden.

Und ich habe auch endlich den langgesuchten Beweis für Thomas Waschke gefunden, daß das Dipolmoment von Wasser ab initio berechnet werden kann, z.B. in:
http://www.europhysicsnews.com/full/04/article2/article2.html
Silvestrelli, P. L.; Parrinello, M., J. Chem. Phys. 1999, 111, 3572.

Vielleicht finde ich auch noch was zum Benzol ...

Übrigens ist in der Kernphysik der QMC-Ansatz schon viel verbreiteter als in der Chemie, es würde mich wundern, wenn nicht auch dort Eigenschaften großer Kerne ab initio berechnet werden könnten.

gruß/step
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Klaus-Peter
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Beitrag(#199214) Verfasst am: 24.10.2004, 17:31    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Ich habe ja auch mehr behauptet: Die menschliche Idee, ein wirksames Schlafmittel herzustellen, war die kausale Ursache für die Existenz von Contergan.

Das Argument setzt aber bereits voraus, daß die mesnchliche Idee "atomar" oder "grundlegend" ist. Sonst dürfte man sie nicht als Beginn einer Kausalkette instrumentieren und müßte ragen: "Was sind die kausale Ursachen der menschlichen Idee?" Damit würde man doch wieder bei Biologie, Chemie und letztlich Physik landen.

Nein. Ich rede nicht vom "Beginn einer Kausalkette". Einen solchen Beginn gibt es nicht. Die Frage, ob es kausale Ursachen menschlicher Ideen gibt, ist letztlich die Frage, ob und wie man menschliche Ideen auf die neuronale Aktivität der Nervenzellen und damit auf die Biologie reduzieren kann. (Und ich behaupte: Gar nicht. Das eine oder andere Buch in der einen oder anderen Bibliothek wird man dazu auch noch brauchen).

Du suchst letztlich nach einer Letzterklärung. Ich suche nur nach einer reduktionistischen Kausalerklärung, wobei ich in der Mitte anfange und so weit gehe, wie ich komme. (weil mehr ohnehin nicht geht).

zur "ab initio" Rechnung in der physikalischen Chemie:

Wenn Du was über den Benzolring findest, würde mich das allgemein interessieren. Für das hier Diskutierte ist es nicht so wichtig, deshalb mach Dir nicht zu viel Mühe. Mir ging es mit dem Beispiel darum, aufzuzeigen, was ich unter dem Problem der "vollständigen Reduktion" bzw. "Emergenz" verstehe. Offenbar haben wir das selbe Verständnis, was man beweisen muss, um eine vollständige Reduktion der Chemie auf die Physik zu zeigen; die ich für durchaus möglich, aber für noch nicht erreicht halte, da wir eben die entsprechenden ab-initio-Rechnungen (noch?) nicht prüfen können. (Ausserdem weiss ich nicht, wieviel "Struktur" und "Systemwissen" in die besagten Rechnungen reingesteckt wird, das Ganze ist etwas weit ausserhalb meiner Expertise).

Was für mich der Punkt ist: Die Reduzierbarkeit der Chemie auf die Physik ist keinesfalls selbstverständlich, sondern muss explizit bewiesen werden. Ebenso verhält es sich mit Biologie auf Chemie oder Psyche auf Biologie. Man muss dazu kein Spiritist sein, das anzunehmen, sondern nur kritischer Naturalist.

Gruss

KP


Zuletzt bearbeitet von Klaus-Peter am 24.10.2004, 17:35, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#199217) Verfasst am: 24.10.2004, 17:35    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Die Reduzierbarkeit der Chemie auf die Physik ist keinesfalls selbstverständlich, sondern muss explizit bewiesen werden. Ebenso verhält es sich mit Biologie auf Chemie oder Psyche auf Biologie. Man muss dazu kein Spiritist sein, das anzunehmen, sondern nur kritischer Naturalist.

Das sehe ich im Prinzip auch so. Aber vielleicht muß man es ja nur beispielhaft durchrechnen ...

Umgekehrt müßten diejenigen, die vermuten, es gehe nicht, vielleicht auch mal was Bißfestes vorlegen, etwa eine plausible Begründung, warum es nicht gehen könne.

gruß/step
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#199237) Verfasst am: 24.10.2004, 18:10    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Soweit ich weiss, kann mandie Eigenschaften des Benzolrings nicht aus den Schrödingergleichungen von Kohlenstoff und Wasserstoff deduzieren, sondern muss eine neue aufstellen, in die wesentliche (geometrische) Eigenschaften des Benzolringes schon mit einfliessen.


Es gibt schon quantenmechanische Verfahren, die das leisten, z.B. die LCAO-Methode. Hier ergibt sich die Gesamtwellenfunktion durch Linearkombination der Atomorbitale. Die Berechnung der Energiefunktionen führt zu einem Ausdruck, der aus eine Reihe von Integralen (Coulomb-, Überlappungs-, und Resonanz-Integral) besteht. Hier die Energiefunktion für den einfachsten Fall eines Wasserstoffmoleküls:




Man erahnt hier schon, daß sich die Berechnung für komplexere Moleküle (wie z.B. für das Benzol) als derart schwierig erweist, daß eine Reihe von Näherungen eingeführt werden muß. Die Hückel-Näherung für aromatische Systeme (HMO-Schema, welches z.B. das Überlappungsintegral vernachlässig) liefert hier aber ganz brauchbare Ergebnisse für die Resonanz-Energien, v.a. für das Benzol.

Basierend auf dem VB-Modell der chemischen Bindung läßt sich auch die Geometrie vom Molekülen (vor allem qualitativ verhältnismäßig einfach) ableiten. Mit ab-initio-Verfahren lassen sich auch die genauen Bindungswinkel, Bindungslängen u.v.w. errechnen. Daher muß ich Step durchaus recht geben, daß (genügend Rechnerkapazität und hinreichend raffinierte Näherungsverfahren vorausgesetzt) die chemischen Eigenschaften quantenmechanisch prinzipiell errechnet werden können. Meines Wissens ist dies aber erst für vergleichsweise einfache Moleküle in befriedigendem Maße gelungen. Oft behilft man sich mit semi-empirischen Verfahren.


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Deshalb habe ich das zweite Beispiel mit dem Unoctbium gebracht: Man kennt ein "Gesetz" zur Vorhersage: das Schema des Periodensystems. Aber das liefert nur Hypothesen, die man verifizieren muss (und bis jetzt nicht kann, weil es das Ding noch nicht gibt). Und selbst das Periodensystem selber war m.E. unvorhersagbar, als es nur Wasserstoff gab.


Dies liegt aber nur daran, daß die Quantenmechanik zur damaligen Zeit noch nicht entwickelt war. Denn die Struktur des Periodensystems läßt sich aus den vier Quantenzahlen und dem Pauli-Prinzip ableiten.

Auch die Elementeigenschaften lassen sich - zumindest qualitativ einigermaßen abschätzen. So konnte Mendelejew z.B. die Existenz des "Eka-Aluminiums" (Gallium) sowie dessen physico-chemischen Eigenschaften ungefähr Vorhersagen. Die quantitative Berechnung ist natürlich auch hier ungleich schwieriger und noch sehr unbefriedigend, prinzipiell aber machbar.

Grüße

Martin
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Zuletzt bearbeitet von Darwin Upheaval am 24.10.2004, 18:32, insgesamt einmal bearbeitet
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Klaus-Peter
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Beitrag(#199258) Verfasst am: 24.10.2004, 18:31    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Martin,

danke für die Infos. Das sieht so aus, als wäre die Reduktion der Chemie auf die Physik schon ziemlich weit fortgeschritten. Weisst Du zufällig, ob Dekohärenzphänomene auf die von Dir beschriebene Linearkombination einen Einfluss haben können (oder sogar müssen - irgenwo muss schliesslich die Nichtlinearitär der Makro-Welt herkommen)? Wenn ja, würde das dafür sorgen, dass die LCAO-Methode nur näherungsweise gilt.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Denn die Struktur des Periodensystems läßt sich aus den vier Quantenzahlen und dem Pauli-Prinzip ableiten.

Sind die 4 Quantenzahlen nicht auch schon emergent? Oder kann man die bottom-up herleiten?

Mir scheint auch, als sei die Chemie vollständig auf die Quantenphysik reduzierbar. Andererseits finde ich die Idee spannend, auch auf der Ebene des Übergangs von der Physik zur Chemie könnte evolutionäre Vorgänge am Werk gewesen sein. Deshalb hake ich nach.

Gruss

KP
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Lamarck
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Beitrag(#199267) Verfasst am: 24.10.2004, 18:43    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter!

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Yep. Aber wie machst Du das genau? - Deduktion wird Dir hier doch nichts nützen - was läßt Dich denn Deine Hypothesen finden?

Ich rate. Ich sauge mir auf der Basis von Heuristiken was aus den Fingern. Ich konstruiere mir was, auf der Basis anderer Hypothesen. Und dann überprüfe ich, ob ich richtig geraten habe.


Überlege Dir doch mal ein wenig genauer, wie Vermutung und Überprüfung ablaufen könnten. Was konstruierst Du Dir da? Setzende Vernunft oder vernehmende Vernunft?


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
soweit ich informiert bin, nennt man diese Vorgehensweise nicht Konstruktivismus, sondern Adaptionismus.

Nein. Hier geht es um Methodik. Der Adaptionismus, den Du hier meinst, ist im übrigen überholt.

Sagt wer?


Ich.


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Und Gutmann hat sich wissenschaftstheoretisch sehr stark auf Popper berufen. Die Nachfolger hingegen haben sich mittlerweile größtenteils als softer Konstruktivismus in Richtung Methodischer Kulturalismus (Janich) ausgeformt.

Unter Brüdern, ich glaube, dass die beiden Herren des Kaisers neue Kleider verkaufen. Meinetwegen uner Berufung auf Popper, der kann sich schließlich nicht mehr wehren.


Kannst Du das nicht noch ein wenig ausführen?


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Im Gegensatz zu der weiter verbreiteten Funktionsmorphologie geht die Konstruktionsmorphologie explizit von einem "Konstruktion bestimmt Funktion" aus: Design oder nicht sein, das ist hier die Frage.

Wenn Du Dich präziser ausdrücken könntest, statt auf die obigen Heißluftbläser zu rekurrieren, könnten wir uns darauf womöglich einigen. Aber sicher bin ich mir nicht, weil die Formulierung zu Gutmann-haltig ist.


Ich rekurriere hier sozusagen auf mich selbst. Das genannte ist kaum präziser auszudrücken. Wenn sich Konstruktionen wandeln, dann hat das Auswirkungen auf die leistbaren Funktionen. Umgekehrt gilt das nicht (Das wäre dann auch Lamarckismus).

Weder Janich noch Gutmann sind deckungsgleich mit meinen Positionen, obgleich es hier zu Überschneidungen kommt. Warum aber sind Gutmann und Janich Heißluftbläser?


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Ein gewisses konstruktivistisches Verständnis ist bei dieser Art von Problemen natürlich hilfreich. zwinkern


Wäre das wahr, dann dürften wir beide nichts dazu sagen. Mir geht ohnehin jegliches Verständnis für Konstruktivismus ab, und Du verwechselst es, wie erlebt, mit dem Kritischen Rationalismus. zwinkern


Du kennst doch auch Konstruktionen. Den Kritischen Rationalismus habe ich vor 15 Jahren überwunden. Und ich kann Dir nur versichern: Ich vertrete einen Radikalen Konstruktivismus.


Cheers,

Lamarck
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pyrrhon
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Beitrag(#199284) Verfasst am: 24.10.2004, 19:07    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Den Kritischen Rationalismus habe ich vor 15 Jahren überwunden. Und ich kann Dir nur versichern: Ich vertrete einen Radikalen Konstruktivismus.

OT-Nebenfrage: Vielleicht hast Du das schon beantwortet (in diesem Fall wäre ein Link völlig hinreichend), wie auch immer, weshalb hast Du den Kritischen Rationalismus überwunden?

() Nagarjuna
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Beitrag(#199300) Verfasst am: 24.10.2004, 19:27    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Du kennst doch auch Konstruktionen. Den Kritischen Rationalismus habe ich vor 15 Jahren überwunden. Und ich kann Dir nur versichern: Ich vertrete einen Radikalen Konstruktivismus.

Natürlich kenne ich Konstruktionen.

Aber das einzige, das Du mir versichern kannst, ist, dass Du der Meinung bist, Du würdest einen Radikalen Konstruktivismus vertreten.

Dem Aussenstehenden stellt sich das aber anders dar, da Du selbst hier nach mühsamem und langem Bohren das Folgende geschrieben hast:

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Für mich reichen die Aussagen:

1) Es existiert eine Welt
2) Die Welt existiert unabhängig von mir

Diese Einstellung wird in der Erkenntnistheorie gewöhnlich als "REalismus" bezeichnet.

Es hindert Dich niemand daran, das als "Radikalen Konstruktivismus" zu bezeichnen. Aber es ist jedenfalls nicht die Lehre eines Heinz von Foerster ("Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners") oder Paul Watzlawick, die gemeinhin diesen Namen für sich beanspruchen (bzw. ...t haben - von Foerster hat sich ja kürzlich vom Acker konstruiert bzw. unter denselben).

Zum Verkauf von des Kaisers neuen Kleidern bei Gutmann zitiere ich Martin, weil der es höflicher formuliert als ich das könnte:

Zitat:
Mehr als ein paar "Buzzwords" (hydraulische Systeme, Entwicklung nach dem Ökonomieprinzip etc.) scheint aus dieser Ecke noch nicht gekommen zu sein. Wo sich in dem Konzept (welches einseitig nur "innere" Prinzipien gelten läßt) die Erklärungsleistung verbergen mag, habe ich noch nicht herausgefunden.


Gruss

KP


Zuletzt bearbeitet von Klaus-Peter am 24.10.2004, 19:45, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Beitrag(#199304) Verfasst am: 24.10.2004, 19:31    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Weisst Du zufällig, ob Dekohärenzphänomene auf die von Dir beschriebene Linearkombination einen Einfluss haben können (oder sogar müssen - irgenwo muss schliesslich die Nichtlinearitär der Makro-Welt herkommen)? Wenn ja, würde das dafür sorgen, dass die LCAO-Methode nur näherungsweise gilt.

Die LCAO ist doch sowieso eine Näherung. Langreichweitige (statistische) Korrelationen werden vernachlässigt, ebenso das "Coulomb-Loch" beim Kern und bei den Elektronen. Beides sind nichtlineare Effekte. Den exakten Wert würden Ansätze liefern, in denen die 1-Teilchen Basis der HF-Gleichungen durch N-Teilchen ersetzt würden usw. Das ist aber noch aufwendiger.

Zudem mußt Du für die Nichtlinearität der Makrowelt nicht die Quantenmechanik heranziehen. Z.B. hast Du ja bereits in einem klassisch-gravitativen Dreikörpersystem Nichtlinearität. Dies wäre auch dann so, wenn alle Atome sich mit LDGL beschreiben ließen (was sie eh nicht tun).

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Denn die Struktur des Periodensystems läßt sich aus den vier Quantenzahlen und dem Pauli-Prinzip ableiten.
Sind die 4 Quantenzahlen nicht auch schon emergent? Oder kann man die bottom-up herleiten?

Kommt drauf an, was Du als Annahme gelten läßt.

Aus der U(1) Gruppe der QED folgt (u.a.) das quantisierte relativistische elektomagnetische Feld, und daraus folgen zwangsweise diese 4 Quantenzahlen, mitsamt relativistichen Korrekturen im Linienspektrum. Etwas billiger geht es ohne relativistische Korrektur, auch dann bekommst Du schon 4 Quantenzahlen. Letztlich spiegeln sie die mathematische Eichgruppe und die Raumzeit wieder.

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Beitrag(#199679) Verfasst am: 25.10.2004, 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
danke für die Infos. Das sieht so aus, als wäre die Reduktion der Chemie auf die Physik schon ziemlich weit fortgeschritten.


Bei weitem aber nicht vollständig, und ich vermute, daß das gar nicht möglich ist. Vor allem die Reaktionskinetik ist ein verdammt komplexes Feld. Bislang ist es erst gelungen, ganz einfache Umsetzungen (bimolekulare Stöße) unter den idealen, stoßtheoretischen Annahmen zu modellieren. Der hierbei zu berücksichtigende sterische Faktor, der bei komplizierter gebauten Molekülen eine Rolle spielt, ist praktisch kaum berechenbar, so daß die theoretischen Ergebnisse sehr stark von den experimentellen Werten abweichen. An einer experimentellen Bestimmung der Reaktionsordnung führt daher kein Weg vorbei.

Vollends unmöglich wird die Berechnung der Konstanten einzelner Elementarreaktionen oder die quantitative Abschätzung von Ausbeuten unter Berücksichtigung von Parallel- und Nebenreaktionen, zumal hier auch das Reaktionsmilieu (Lösemitteleffekte, pH-Wert usw.) eine große Rolle spielt. Hier deuten sich bereits die Grenzen des Reduktionismus an, weil schon in der Chemie "kooperative Effekte" und Randbedingungen zum Tragen kommen, die nicht durch die Quantenmechanik vorgegeben werden.


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Weisst Du zufällig, ob Dekohärenzphänomene auf die von Dir beschriebene Linearkombination einen Einfluss haben können


Dekohärenz ist sicher ein Thema, weil es sich bei Molekülen schon um recht komplizierte quantenmechanische Systeme handelt.


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
(oder sogar müssen - irgenwo muss schliesslich die Nichtlinearitär der Makro-Welt herkommen)? Wenn ja, würde das dafür sorgen, dass die LCAO-Methode nur näherungsweise gilt.


Sie ist - wie Step das sehr schön erklärt hat - mit Sicherheit nur ein Näherungsverfahren. Der LCAO-Methode liegt "vernünftigerweise" immer ein Separationsansatz zugrunde. In der Regel wird der Hamilton-Operator nicht vollständig aufgestellt und z.B. die Kopplung zwischen der Elektronen- und Atomkernbewegung vernachlässigt (Born-Oppenheimer-Näherung). Bei der Modellierung konjugierter Pi-Systeme (wie beim Benzol) werden auch die Sigma-Bindungen vom delokalisierten Pi-System separiert und deren Wechselwirkung vernachlässigt.


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Denn die Struktur des Periodensystems läßt sich aus den vier Quantenzahlen und dem Pauli-Prinzip ableiten.

Sind die 4 Quantenzahlen nicht auch schon emergent? Oder kann man die bottom-up herleiten?

Mir scheint auch, als sei die Chemie vollständig auf die Quantenphysik reduzierbar.


Das sehe ich, wie gesagt, nicht ganz so...


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Andererseits finde ich die Idee spannend, auch auf der Ebene des Übergangs von der Physik zur Chemie könnte evolutionäre Vorgänge am Werk gewesen sein. Deshalb hake ich nach.


Ich weiß jetzt nicht genau, was Du mit "evolutionären Vorgängen" in der Chemie meinst. Daß es eine "chemische Evolution" gab, ist bekannt. Gerade die Modelle zur Abiogenese (Wächtershäusers Oberflächenmetabolismus, Eigens "Hypercyclus" usw.) deuten an, daß die Art des Produktspektrums von individuellen Randbedingungen abhängt, die sich nicht auf die QM reduzieren lassen. zwinkern

Grüße

Martin
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#199690) Verfasst am: 25.10.2004, 12:13    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wie ich sehe, erinnerst Du Dich noch an meinen Link. In der Tat hat mir in diesem Artikel der angedeutete systemische Ansatz sehr gut gefallen. Der Begriff "Doppelfunktion" ist hier aber fehl am Platze


Das scheinen ein paar Menschen aber ganz anders zu sehen. Zum Beispiel Vollmer, der meint, daß jede Kausalanalyse mit der Untersuchung von Doppelfunktionen beginnen müsse. zwinkern


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Was kennst Du denn alles aus der Ecke von Gutmann & Co?


Nicht viel, nur ein paar allgemeine Zusammenfassungen und versprengte Artikel über die FET. z.B.:

Gudo, M. (2002): The development of the critical theory of evolution: The scientific career of Wolgang F. Gutmann. Theory Biosci. 121, 101-137.


Dort taucht auf S. 108 ebenfalls Gutmanns Versuch einer "biomechanischen" Rekonstruktion der Chordatenevolution auf: Mr. Green

Die Gutmann-Lamarck-Clique hat folgendes geschrieben:


Viel anzufangen vermag ich damit allerdings nicht. Das "hydraulische Prinzip", wonach die Struktur und Funktionsweise des "hydrostatischen Skeletts" die weitere evolutionäre Entwicklung kanalisiert ("biomechanische constraints"), scheint zwar einigermaßen plausibel. Die praktische Nutzanwendung solch hyper-allgemeiner Formulierungen erschließt sich mir aber nicht.

Was mich an der FET vor allem stört, ist ihr extrem idiosynkratischer Ansatz. Wenn ich das richtig sehe, scheint er weder die historische Kontingenz der Abstammung (Homologien) anzuerkennen, noch die Rekaptulationsidee, noch die Bedeutung der Milieuselektion in der Evolution noch die Methode der Kladistik. Und auch die Rekonstruktion der Stammesgeschichte anhand der chronologischen Abfolge der Formen im Fossilienbestand hält er für verfehlt. Die "Lesrichtung" soll sich ausschließlich unter biomechanischen Aspekten ergeben. Das halte ich für zu einseitig und wenig überzeugend.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Aber erstelle doch selbst mal eine konstruktionsmorphologische Rekonstruktion z. B. vom Fangapparat des Wasserschlauchs. Für den Anfang, um ein Gefühl für biologische Prinzipien der Mechanik/Hydrostatik/Bionik zu bekommen:

1) Ist es für eine Schwimmpflanze sinnvoll, über Auftriebskörper zu verfügen?
2) Wo befinden sich diese Auftriebskörper am günstigsten?
3) Wie erfolgt der Gasaustausch in den "Bläschen"?
4) Wie bewältigt die Pflanze Verunreinigungen?
5) Könnte die Blüte eine Rolle spielen?


Sorry, ich bin kein Biologe und schon gar kein Konstruktionsmorphologe. Das ist eher Deine Materie. Aber Deine Fragen klingen durchaus interessant. Wär sicher spannend, die einmal weiterzuverfolgen und ein paar (prüfbare) Hypothesen zur Entstehung der Fangfalle des Wasserschlauchs aufzustellen. Würdest Du das mal tun und Lönnig einen Vorschlag zum "Verfrühstücken" unter die Nase reiben? zwinkern

Grüße

Martin
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