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Religionskritik-Wiesbaden homo est creator Dei
Anmeldungsdatum: 04.11.2008 Beiträge: 10333
Wohnort: Wiesbaden
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(#2002865) Verfasst am: 24.05.2015, 14:03 Titel: Inklusion in der Kultur und anderswo |
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vom Thread Eurovision Song Contest... abgetrennt. astarte
Diese Toleranz und Inklusionsdebatte im Bereich der Kultur hatten wir bei uns regional schon mal.
Der erst durch seinen Sturz in Wetten-Das mit folgender Behinderung einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gewordene Samuel Koch spielt seit letzten Jahr bei uns im Darmstädter Ensemble.
Die Schaubudenblätter wie feierten dies.
Der Kulturjournalist Martin Eich schreibt aber nicht für solche Kirmesblätter und legt wert auf anderes,
misst eben jenen Samuel Koch an dem, was er von den nichtbehinderten Schauspielern gewohnt ist.
Einige mag solche Kritik verstören - ich halte sowas für ehrlicher - als wie das vojeuristische Abfeiern von behinderten Künstlern - wo man doch mit dem eigenen Klatschen nur seine eigene Toleranz beklatscht.
Samuel Kochs Bühnenpremiere am Theater Darmstadt mit wenig Licht und viel Schatten
http://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/kultur/theater/samuel-kochs-buehnenpremiere-am-theater-darmstadt-mit-wenig-licht-und-viel-schatten_14837312.htm
Zitat: | Samuel Koch, Mitglied des neuen Schauspielensembles und seit seinem Unfall bei „Wetten, dass..?“ vor knapp vier Jahren querschnittsgelähmt, spielt eine Hauptrolle. Und dann noch die in Heinrich von Kleists Drama „Prinz Friedrich von Homburg“. (...) Als Behinderter. Wahnsinn! Nicht nur die „Bild“-Zeitung wusste schon vorher, dass es großartig wird.
Dennoch kann die Virtuosität der Konstruktion nicht darüber hinwegtäuschen, dass Koch das Problem dieser Inszenierung ist. Seine sprachlichen Fähigkeiten sind unterdurchschnittlich, Gestaltungsvermögen und Betonung kaum vorhanden. Egal, ob Friedrich den Sieg über die Schweden feiert, sein nahendes Ende beklagt oder Koch die szenischen Hinweise Kleists rezitiert: es klingt alles gleich.
Dieses Defizit wird noch verstärkt, weil das Rest-Ensemble stimmlich zu Hochform aufläuft.
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Im Januar 2015 dieser Artikel von Martin Eich, grundsätzlicher Thematik, hier aber nur kurz daraus zitiert:
Inklusion auf der Bühne: Samuel Koch und Jana Zöll in Darmstadt
http://www.wiesbadener-kurier.de/lokales/kultur/theater/inklusion-auf-der-buehne-samuel-koch-und-jana-zoell-in-darmstadt_14911931.htm
Zitat: | Von den Jahrmärkten des 19. Jahrhunderts, als behinderte und missgebildete Menschen in sogenannten „Freak Shows“ ausgestellt wurden, führt ein kurvenreicher Weg nach Darmstadt. Nicht rezensierbar sei der körperbehinderte Darsteller Peter Radtke, schrieb der jetzige FAZ-Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier noch 1985 über die Münchner Premiere von Georg Taboris „M“ in der „Stuttgarter Zeitung“: „Er befindet sich außerhalb jeder Theaterkritik.“ Damals mehrheitsfähig, würde diese Position heute bestenfalls als Anachronismus gewertet.
Darf man Behinderte, die zu den schwächsten und damit schützenswertesten Gliedern einer Gesellschaft gehören, mit der gleichen Verve kritisieren?
(...) Man darf nicht, man muss. Alles andere würde nicht nur dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, sondern auch dem Prinzip der Inklusion. Denn auch jede positive Diskriminierung ist zunächst und vor allem eines: diskriminierend. |
_________________ Derzeit ohne Untertitel
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Commander Vimes registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2013 Beiträge: 877
Wohnort: Ankh-Morpork
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(#2002869) Verfasst am: 24.05.2015, 14:23 Titel: |
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Ich fürchte, dass Inklusion gänzlich ohne "positive Diskriminierung" nicht funktioniert. Jedenfalls nicht für eine große Anzahl von geistig oder körperlich eingeschränkten Mitmenschen. Samuel Koch ist gelähmt. Viel mehr als Sprechen kann er nicht (was seine körperlichen Fähigkeiten angeht). Bei einem völlig unvoreingenommenen Casting hätte er für die Besetzung einer Sprechrolle keine realistische Chance gegen ausgebildete Theaterschauspieler. In seinem speziellen Fall sorgt seine Besetzung allerdings auch für ein Medientinteresse, dass aus kommerziellen Gründen wohl vorteilhaft ist. Bei den meisten anderen Querschnittsgelähmten dürfte das eher nicht der Fall sein.
_________________ There is a rumour going around that I have found God. I think this is unlikely because I have enough difficulty finding my keys, and there is empirical evidence that they exist.
(Terry Pratchett)
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Pfirsich auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.05.2014 Beiträge: 781
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(#2002874) Verfasst am: 24.05.2015, 14:49 Titel: |
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Commander Vimes hat folgendes geschrieben: | Ich fürchte, dass Inklusion gänzlich ohne "positive Diskriminierung" nicht funktioniert. Jedenfalls nicht für eine große Anzahl von geistig oder körperlich eingeschränkten Mitmenschen. Samuel Koch ist gelähmt. Viel mehr als Sprechen kann er nicht (was seine körperlichen Fähigkeiten angeht). Bei einem völlig unvoreingenommenen Casting hätte er für die Besetzung einer Sprechrolle keine realistische Chance gegen ausgebildete Theaterschauspieler. In seinem speziellen Fall sorgt seine Besetzung allerdings auch für ein Medientinteresse, dass aus kommerziellen Gründen wohl vorteilhaft ist. Bei den meisten anderen Querschnittsgelähmten dürfte das eher nicht der Fall sein. |
Jein: Die Stärken stärken, die Schwächen schwächen, hieß es bei uns in der Pflege.
Umgangssprachlich: Die Stärken so hervorheben, dass die Schwächen möglichst wenig ins Gewicht fallen.
Sollte S. Koch´s Stimme bei dem Unfall nicht gelitten haben, wäre demnach der Königsweg für ihn, seine Zeit mit Sprech- und Gesangsunterricht vollzupflastern und nicht darauf zu warten, dass es heißt: Samuel spielt Friedrich. Aber darauf kommt er, denke ich, nach dieser Kritik von allein.
Rollen gibt´s (und wenn es zu wenige sind, muss man das halt ändern): Ich bilde mir ein, gelesen zu haben, dass er in "Das Fenster zum Hof" den - Gelähmten gespielt hat. Aha, dachte ich mir, will man ihn als den deutschen Christopher Reeve aufbauen. Nötig fände ich´s schon, dass diese Leute im Rampenlicht bleiben.
Andererseits hast Du aber wieder Recht, was das Fingerspitzengefühl bei der Inklusion Behinderter anbelangt: Ich hab mal im Fernsehen von einem Projekt erfahren, da wurden Epileptiker in einer Großküche ausgebildet. Ok, um den Herd war eine Art Geländer rum, damit die Leute nicht direkt auf die Kochplatte stürzen konnten - aber bitte, was sollte das denn??? Wie haben die denn die Töpfe transportiert usw.? In welcher "wirklichen" Küche sollte sich denn eine Einsatzmöglichkeit für diese Leute finden?
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Commander Vimes registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2013 Beiträge: 877
Wohnort: Ankh-Morpork
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(#2002879) Verfasst am: 24.05.2015, 15:11 Titel: |
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Natürlich kann Samuel Koch Sprech- und Schauspielunterricht nehmen und sich dadurch verbessern. Das sollte er auch tun. Aber neben allem Ehrgeiz gibt es auch sowas wie Talent - und da sind wohl die meisten seiner Schauspielkollegen von Natur aus begabter. Er kann zwar seine Defizite verkleinern, wird aber wahrscheinlich trotzdem nie seine Konkurrenz erreichen oder gar überflügeln. Christopher Reeve hingegen war schon seit Ewigkeiten Schauspieler - und natürlich war er auch ein Star.
Inklusion bedeutet für mich einfach auch den Willen der Gesellschaft, Schwächen zu akzeptieren, die man bei nicht behinderten Menschen kritisieren würde. Ich besuche ab und zu ein Café, das von einer Einrichtung für geistig Behinderte betrieben wird (in Behindertenwerkstätten dieser Einrichtung hatte ich meinen Zivildienst absolviert). Es dauert manchmal etwas länger, bis meine Bestellung serviert wird. Manchmal kommt auch das falsche. In einem anderen Café würde ich den schlechten Service kritiseren. Hier nehme ich das hin, es stört mich nicht.
Es gibt viele Beispiele, bei denen die Behinderung keinerlei Einschränkung bedeutet. Man denke z.B. an Stephen Hawking oder Stevie Wonder, beide unvergleichlich auf ihrem jeweiligen Gebiet. Neben diesen prominenten Beispielen gibt es Tausende mit einem gewöhnlichen Job, den sie genauso gut und manchmal auch besser als jeder andere erledigen. Selbst wenn sie dafür manchmal etwas Hilfestellung von anderen benötigen oder besondere technische Hilfsmittel oder bauliche Maßnahmen (Rampen, Fahrstühle, barrierefreie WCs etc.) erforderlich sind, ist das der Idealfall von Inklusion. Nur lässt sich das wie gesagt nicht für alle erreichen. Und in diesen Fällen bedeutet Inklusion eben auch "positive Diskriminierung".
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(Terry Pratchett)
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Pfirsich auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.05.2014 Beiträge: 781
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(#2002883) Verfasst am: 24.05.2015, 15:29 Titel: |
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@Commander Vimes:
Zitat: | Solltest du um die 40 sein, hast du vielleicht vor 25 Jahren ebenfalls jenen Bericht über Behindertenförderung (Co-Edukation) gesehen, der den damals neusten Stand der Integrationshilfe wiedergab:
Spastisch gelähmte Kinder beim Hausaufgaben-Machen.
Gleiches Pensum wie die Anderen, nur zehnmal langsamer, mit einer Schreibmaschine, auf der manche Taste in etwa so groß war wie eine Computer-Maus.
Die Erkenntnis, man sich bei diesem Tempo mit der Sache vielleicht intensiver beschäftigt als ein Nicht-Spastiker und dass es bei der Integration vielleicht auch auf den Lernerfolg ankommt, war für die Psycho-Fritzen jener Zeit wohl zu hoch... | (Forenbeitrag von mir aus dem Jahr 2006)
Und heute... heute lässt man geistig Behinderte als Kassierer mitten in den Frust hineinlaufen. Bringt ihnen erst in der Schule bei, dass die Null nicht zählt - tut sie ja auch nicht -, und schimpft sie dann, wenn sie statt € 10,- nur € 1,- berechnen (selber erlebt) - ja mei!
Zu viele Gutmenschen verderben die Integration!
Gleichzeitig freilich habe ich schon mehrfach gehört, dass es in München einen IT-ler geben soll, der nur Autisten einstellt. Aber ich gehe mal davon aus, dass der unter einem stinknormalen Label firmiert, vielleicht mit irgendeinem kleinen Zertifikat oder Aufkleber irgendwo.
Edit: Bevor hier jemand denkt, ich hielte Autisten für geistig behindert - mir wurde selber schon mal ein Autismus-Screening vorgeschlagen.
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Commander Vimes registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2013 Beiträge: 877
Wohnort: Ankh-Morpork
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(#2002884) Verfasst am: 24.05.2015, 15:37 Titel: |
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Pfirsich hat folgendes geschrieben: | @Commander Vimes:
Zitat: | Solltest du um die 40 sein, hast du vielleicht vor 25 Jahren ebenfalls jenen Bericht über Behindertenförderung (Co-Edukation) gesehen, der den damals neusten Stand der Integrationshilfe wiedergab:
Spastisch gelähmte Kinder beim Hausaufgaben-Machen.
Gleiches Pensum wie die Anderen, nur zehnmal langsamer, mit einer Schreibmaschine, auf der manche Taste in etwa so groß war wie eine Computer-Maus.
Die Erkenntnis, man sich bei diesem Tempo mit der Sache vielleicht intensiver beschäftigt als ein Nicht-Spastiker und dass es bei der Integration vielleicht auch auf den Lernerfolg ankommt, war für die Psycho-Fritzen jener Zeit wohl zu hoch... | (Forenbeitrag von mir aus dem Jahr 2006)
Und heute... heute lässt man geistig Behinderte als Kassierer mitten in den Frust hineinlaufen. Bringt ihnen erst in der Schule bei, dass die Null nicht zählt - tut sie ja auch nicht -, und schimpft sie dann, wenn sie statt € 10,- nur € 1,- berechnen (selber erlebt) - ja mei!
Zu viele Gutmenschen verderben die Integration!
Gleichzeitig freilich habe ich schon mehrfach gehört, dass es in München einen IT-ler geben soll, der nur Autisten einstellt. Aber ich gehe mal davon aus, dass der unter einem stinknormalen Label firmiert, vielleicht mit irgendeinem kleinen Zertifikat oder Aufkleber irgendwo.
Edit: Bevor hier jemand denkt, ich hielte Autisten für geistig behindert - mir wurde selber schon mal ein Autismus-Screening vorgeschlagen. |
Was genau willst du mir jetzt damit sagen?
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(Terry Pratchett)
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Pfirsich auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.05.2014 Beiträge: 781
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(#2002885) Verfasst am: 24.05.2015, 15:48 Titel: |
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Commander Vimes hat folgendes geschrieben: | Was genau willst du mir jetzt damit sagen? |
Ich schätze mal, wenn man ein bisschen mehr mit den Leuten denken würde und weniger für sie - sofern man ihnen das nicht wirklich abnehmen muss; aber das ist ja nur selten der Fall (bei den Epileptikern z. B. nicht) - wären wir integrationspolitisch weiter.
In meiner Zeit als FDP-Mitglied habe ich mich mal über ein Plakat aufgeregt, das Behinderte anzusprechen versuchte, indem es Rollstuhlfahrer zeigte. Wenigstens auf einem Werbemittel sollte doch schon weiter gedacht worden sein!
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Commander Vimes registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2013 Beiträge: 877
Wohnort: Ankh-Morpork
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(#2002887) Verfasst am: 24.05.2015, 15:53 Titel: |
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Pfirsich hat folgendes geschrieben: | Commander Vimes hat folgendes geschrieben: | Was genau willst du mir jetzt damit sagen? |
Ich schätze mal, wenn man ein bisschen mehr mit den Leuten denken würde und weniger für sie - sofern man ihnen das nicht wirklich abnehmen muss; aber das ist ja nur selten der Fall (bei den Epileptikern z. B. nicht) - wären wir integrationspolitisch weiter.
In meiner Zeit als FDP-Mitglied habe ich mich mal über ein Plakat aufgeregt, das Behinderte anzusprechen versuchte, indem es Rollstuhlfahrer zeigte. Wenigstens auf einem Werbemittel sollte doch schon weiter gedacht worden sein! |
Wir sind hier mittlerweile völlig Off Topic. Aber ich weiß immer noch nicht, was du mir damit sagen willst.
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(Terry Pratchett)
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Pfirsich auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.05.2014 Beiträge: 781
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(#2002891) Verfasst am: 24.05.2015, 16:03 Titel: |
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Commander Vimes hat folgendes geschrieben: | Wir sind hier mittlerweile völlig Off Topic. Aber ich weiß immer noch nicht, was du mir damit sagen willst. |
Das bringe ich heute auch nicht mehr zusammen (aus Zeitmangel). Und ich lass die Leute nicht gern warten.
Alsdann, bis morgen!
Was ich noch mache, ist: Um´s Splitten bitten.
Zuletzt bearbeitet von Pfirsich am 24.05.2015, 19:16, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Pfirsich auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.05.2014 Beiträge: 781
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(#2002943) Verfasst am: 24.05.2015, 21:23 Titel: |
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Herzlichen Dank, astarte, für´s Abtrennen!
@Commander Vimes:
Was ich sagen möchte? Ich sag´s grade raus, und wer mich kennt, weiß es eh´: dass ich schon immer der Meinung war, dass man in der Pädagogik besonders - sagen wir mal - "stressarm" an Meriten kommt.
- Klar, diese spastisch gelähmten Kinder besuchten eine Regelschule und konnten aufwachsen wie andere Kinder... (((von der Freizeit mal abgesehen)))...
Zu den geistig Behinderten: Man hat sie wirklich in den Frust hineingeschickt wie in ein offenes Messer. Und schließlich ging mir das Geschimpfe der Nichtbehinderten (edit: Kollegen) doch zu sehr auf die Nerven...
Und es muss sogar Leute gegeben haben, die ihre Berufung darin sahen, der Gesellschaft zu beweisen, dass sie Epileptiker in Großküchen "inkludieren" können. Da fasst man sich doch nur noch an´s Hirn!
Mit meinem Beispiel von den autistischen IT-lern wollte ich Dein Beispiel unterstützen, dass Behinderung nicht unbedingt nur eine Einschränkung bedeuten muss. Jedenfalls für die berufliche Arbeit.
Aber ob gerade Hawking ein gutes Beispiel dafür ist, dass die Behinderung "keinerlei" Einschränkung bedeutet? Der Artikel, den ich mal las, klang so, als hätte er sich beruflich erst so richtig am Riemen gerissen als die Diagnose feststand. Vielleicht finde ich ihn noch.
Stevie Wonder, lese ich, ist blind. Das wusste ich. Das er es von Geburt an ist, wusste ich nicht.
Es heißt, von Geburt an Blinde kämen mit ihrer Behinderung weitaus besser zurecht als Erblindete. Insofern trifft hier Dein "keinerlei Einschränkung" vielleicht ein Fitzelchen eher zu. Obwohl ich es arg einschränkend fände, mich fünf Jahre lang hilflos herumzutasten, bis ich mal an den Stock gewöhnt werde - und soweit ich weiß, ist oder zumindest war das der Usus bei uns.
Ich meine, Inklusion funktioniert, solange der Behinderte die Regeln nicht bricht. Solange sich Steven Hawking in einer Stadt tatsächlich nur für das Hotel und die Bühne, auf der er sprechen wird, interessiert. Solange Stevie Wonder nicht auf die Idee kommt, spontan irgendwo Urlaub machen zu wollen.
Und das sind die großen Namen, bei denen kompetente Unterstützung nicht am Geld scheitern würde.
Fortsetzung folgt
Zuletzt bearbeitet von Pfirsich am 25.05.2015, 05:46, insgesamt einmal bearbeitet |
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Pfirsich auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.05.2014 Beiträge: 781
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(#2002946) Verfasst am: 24.05.2015, 21:32 Titel: |
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Zum Thema FDP-Plakat:
Einem Politiker, der sich, um bei Behinderten einen Stich zu machen, mit Rollstuhlfahrern ablichten lässt, traue ich nicht zu, eine Ahnung von der Breite des Themenspektrums zu haben. Rollstuhlrampen, abgeschrägte Kanten und Aufzüge sind eine Art Fortschritt, die längst kein Thema mehr sein dürfte.
Ich denke: Da hat einer keine Ahnung, wieviel Geld er investieren müsste, wenn man echt mal Hirnschmalz investieren würde!
Kennt er überhaupt irgendwelche Behinderten außer eben Rollstuhlfahrern und denen, die unsere Förderschulen besuchen?
Es gibt doch so viele Spielarten von Behinderung, die im Laufe des Lebens auftritt bzw. die man sich zuzieht. Und allzu oft noch ist die Antwort hierauf: Hartz IV.
Indem er sich mit Rollstuhlfahrern ablichten lässt, macht der Mann auf mich nicht den Eindruck als sei er als Inklusionsexperte besonders versiert oder ambitioniert.
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Ottaviani registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.08.2008 Beiträge: 1893
Wohnort: Wien
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(#2003046) Verfasst am: 25.05.2015, 15:56 Titel: |
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ich denke es paßt hier rein halte ich für hochinteressant
http://hpd.de/artikel/11746
_________________ SEMPER IDEM
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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Naastika RL rulez<->auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.11.2003 Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen
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(#2003060) Verfasst am: 25.05.2015, 18:21 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Finde ich gut von Michael Schmidt-Salomon.
Ich wunderte mich schon länger darüber, wieso die GBS meinte, sich mit Singer in ein Boot setzen zu können. |
Ich halte es eher etwas billig von Schmidt-Salomon, der nicht mal im in Deutschland wirklich bekannt ist (was ich durchaus bedaure), sich mittels Behauptung von Distanz zu P. Singer profilieren zu wollen.
Oder will er hier weismachen, "Praktische Ethik" edit: Erscheinungsjahr 1979! nicht gelesen zu haben?
edit: @skeptiker: Vielleicht beruht dieses Sich-in-ein-Boot-Setzen darauf, dass Utilitarismus das imho einzige nachvollziehbare säkuläre ethische System darstellt, und von MSS ohne diese nicht viel übrig bliebe.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26439
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2003075) Verfasst am: 25.05.2015, 20:29 Titel: |
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Naastika hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Finde ich gut von Michael Schmidt-Salomon.
Ich wunderte mich schon länger darüber, wieso die GBS meinte, sich mit Singer in ein Boot setzen zu können. |
Ich halte es eher etwas billig von Schmidt-Salomon, der nicht mal im in Deutschland wirklich bekannt ist (was ich durchaus bedaure), sich mittels Behauptung von Distanz zu P. Singer profilieren zu wollen.
Oder will er hier weismachen, "Praktische Ethik" edit: Erscheinungsjahr 1979! nicht gelesen zu haben?
edit: @skeptiker: Vielleicht beruht dieses Sich-in-ein-Boot-Setzen darauf, dass Utilitarismus das imho einzige nachvollziehbare säkuläre ethische System darstellt, und von MSS ohne diese nicht viel übrig bliebe. |
Völlig unabhängig davon was MSS gelesen hat oder nicht: Dieses Absetzen ist billig, weil Singer diese Distanzierung, die MSS von seinen alten Positionen behauptet/befürchtet, in diesem Interview nicht durchführt. Singer redet hier nur von der theoretischen Bewertung, nicht von praktizierbaren oder nicht praktizierbaren Regeln. Man kann wohl davon ausgehen, dass MSS diesen Unterschied selbst bemerkt hat, aber Angst hat, den überall vermitteln zu müssen, wo man Singer gerne missverstehen will. Dabei würde er Beliebtheitsfedern lassen müssen.
Das meint er nun so zu vermeiden. Bei mir nicht. Ich bin zwar kein ausgesprochener Singer-Fan, aber da ist er mir erheblich sympathischer als MSS.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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kereng Privateer
Anmeldungsdatum: 12.12.2006 Beiträge: 3052
Wohnort: Hamburg
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(#2003107) Verfasst am: 26.05.2015, 08:01 Titel: |
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Ich habe natürlich auch "Praktische Ethik" nicht gelesen und kann nicht beurteilen, ob sich Singers Äußerungen kürzlich geändert oder verschärft haben. Ein Detail lässt mich aber vermuten, dass Michael Schmidt-Salomons Rückzug politisch und nicht sachlich motiviert war. Der Unterschied "vor der Geburt" gegen "nach der Geburt" soll nun signifikant sein. Ich denke er ist mindestens ebenso willkürlich wie die Trennung "Mensch" gegen "Menschenaffe".
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2003198) Verfasst am: 26.05.2015, 21:42 Titel: |
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Naastika hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Finde ich gut von Michael Schmidt-Salomon.
Ich wunderte mich schon länger darüber, wieso die GBS meinte, sich mit Singer in ein Boot setzen zu können. |
Ich halte es eher etwas billig von Schmidt-Salomon, der nicht mal im in Deutschland wirklich bekannt ist (was ich durchaus bedaure), sich mittels Behauptung von Distanz zu P. Singer profilieren zu wollen. |
So eine Unterstellung ist völlig unbegründet und auch abwegig.
Naastika hat folgendes geschrieben: | Oder will er hier weismachen, "Praktische Ethik" edit: Erscheinungsjahr 1979! nicht gelesen zu haben? |
Nein, ich glaube nicht, dass MSS jemandem das weismachen will.
Naastika hat folgendes geschrieben: | edit: @skeptiker: Vielleicht beruht dieses Sich-in-ein-Boot-Setzen darauf, dass Utilitarismus das imho einzige nachvollziehbare säkuläre ethische System darstellt, und von MSS ohne diese nicht viel übrig bliebe. |
Zum Utilitarismus habe ich zuletzt folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Kival hat folgendes geschrieben: | Es ist aber sowieso sehr problematisch, den Utiltarismus auf Bentham (und Mill oder Singer) zu reduzieren. Du wirfst hier aber gerne alles mögliche durcheinander. An welcher Stelle gibt es bspw. bei Singer einen Top-Down-Ansatz? Singer summiert gerade nicht einfach den Nutzen aller Individuen. Mill wendet sich dagegen, dass Bentham einfach Nutzen und Glück nur quantifizieren möchte, aber nicht zwischen verschiedenen Qualitäten des Glücks unterscheidet. Es gibt bestimmt auch noch Formen des Utilitarismus, die ich überhaupt nicht kenne. |
Jeder der Genannten und Ungenannten hat eben jene Nutzenfunktion im Kopf, die anschließend den Menschen übergestülpt wird. das ist der top-down-Ansatz. In dem von mit verlinkten Text über Bentham und Mill wird ja auch darauf hingewiesen, dass regelmäßig der einzelne vor dem Ganzen zurückstehen müsse. Bentham plädiert für äußeren Zwang, Mill zusätzlich für inneren Zwang.
So soziale der Utilitarismus zunächst daher humpelt, so reaktionär zeigt er sich im Falle von Interessenkonflikten.
Die Diktatur der Nutzenfunktion verwandelt sich sehr schnell in eine Diktatur der geforderten Nützlichkeit des Individuums vor der Gesellschaft.
In Zeiten des Neoliberalismus, also der offeneren Kapitalmoral verwandelt sich die utilitarisch kalkulierte Gesamtmoral in einen neoliberalen Utilitarismus, in dem Menschen nach Kapital-Nützlichkeits-Erwägungen bewertet werden, was sich dann nicht nur auf ihr Verhalten beziehen muss. |
Und so ähnlich schreibt es auch MSS:
Zitat: | "Die Individuen erscheinen in seinem Denksystem nicht mehr als einzigartige Lebewesen mit ureigenen Interessen, sondern als anonyme Container für quantifizierbare Wohl- oder Unwohlempfindungen, die gegeneinander verrechnet werden. So sehr ich es nachvollziehen kann, dass Peter Singer angesichts der erdrückenden Ungerechtigkeit und Armut in weiten Teilen der Welt eine Überwindung des Egoismus einfordert, halte ich es sowohl ethisch als auch politisch für höchst problematisch, wenn die Anforderungen des Kollektivs so sehr über die Interessen des Individuums gestellt werden." (...)
"... Ich halte diese Auffassung nicht nur für politisch und ökonomisch falsch, sondern auch für ethisch untragbar." |
Auch andere Kritiker haben ähnliche Gründe für ihre Ablehnung, so auch deine Parteigenossen aus Köln ...
... oder die Tierschutzpartei:
Zitat: | Stellungnahme zum Peter-Singer-Preis
Vollständige Distanzierung von Preisträger Peter Singer und dem für diesen Preis initiierten Verein
Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz/Tierschutzpartei distanziert sich ausdrücklich von Peter Singer und dem Förderverein “Peter-Singer-Preis”! (...)
Peter Singer ist ein Verfechter des “Utilitarismus”.
Er erteilt Tierversuchen eine Absolution, da es seiner Auffassung nach ethisch vertretbar ist, dass zum Wohle vieler Menschen einer vergleichsweise kleinen Anzahl von Tieren Leid widerfährt! Auch dies widerspricht massiv unserem Grundsatzprogramm, da wir rigoros die Abschaffung sämtlicher Tierversuche fordern!
Wir werden als Partei Mensch Umwelt Tierschutz/Tierschutzpartei an der Gegendemonstration zur Preisverleihung teilnehmen, die am 26.5.2015 ab 17 Uhr an der Urania in Berlin stattfinden wird und rufen zu reger Beteiligung auf!
https://www.tierschutzpartei.de/stellungnahme-peter-singer-preis/
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Ich fürchte, jetzt musst du doch in die FDP eintreten.
Naastika hat folgendes geschrieben: | edit: @skeptiker: Vielleicht beruht dieses Sich-in-ein-Boot-Setzen darauf, dass Utilitarismus das imho einzige nachvollziehbare säkuläre ethische System darstellt, und von MSS ohne diese nicht viel übrig bliebe. |
Ob die Kosten-Nutzen-Funktion von Singers *Ethik für Buchhalter* namens "Utilitarismus" säkulär ist, lasse ich mal dahin gestellt.
Aber selbst wenn: Nur weil ein Konzept nicht von einem *Gott* stammt, kann es trotzdem Blödsinn sein ...-
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#2003212) Verfasst am: 27.05.2015, 00:04 Titel: |
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Die Tierschutzpartei sollte man nicht unbedingt anführen, die sind selber ziemlich fragwürdig teilweise und haben schon lange Probleme, sich von Rechten zu distanzieren.
Singer ist hier in dem Interview von seinem individualistischen Ansatz abgekommen, aber er formuliert sowieso oft unglücklich in Interviews.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Naastika RL rulez<->auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.11.2003 Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen
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(#2003242) Verfasst am: 27.05.2015, 10:27 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Aber selbst wenn: Nur weil ein Konzept nicht von einem *Gott* stammt, kann es trotzdem Blödsinn sein ...- |
Ja, das stimmt. Und doch begründet die Berufung auf *Gott* schon mal einen Kernfehler des Systems, den ein rein säkuläres System nun mal nicht haben kann.
edit: Ahh, jetzt sehe ich es, die Grünen in Köln gehen immer noch davon aus, dass Peter Singer die Behinderten töten will....
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unquest auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.10.2010 Beiträge: 3326
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(#2004342) Verfasst am: 02.06.2015, 17:01 Titel: |
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Naastika hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Aber selbst wenn: Nur weil ein Konzept nicht von einem *Gott* stammt, kann es trotzdem Blödsinn sein ...- |
Ja, das stimmt. Und doch begründet die Berufung auf *Gott* schon mal einen Kernfehler des Systems, den ein rein säkuläres System nun mal nicht haben kann.
edit: Ahh, jetzt sehe ich es, die Grünen in Köln gehen immer noch davon aus, dass Peter Singer die Behinderten töten will.... |
Man hat ihn jetzt auch von der phil Cologne wieder ausgeladen.
Mut scheint keine Tugend der Philosophie mehr zu sein.
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