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narzistische Hohepriester der Wissenschaft
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Klaus-Peter
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Anmeldungsdatum: 10.01.2004
Beiträge: 1534

Beitrag(#211180) Verfasst am: 11.11.2004, 19:03    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Das geht von selber und rein realweltlich/physikalisch. Jede nichtlethale Wechselwirkung setzt dagegen bereits die Existenz passender untergeordneter Konstrukte voraus (Sehzellen, Nervenzellen, ...). Aber alle lassen sich auf irgendetwas lethales (ein "Verbrauchsmaterial", das bei der Wechselwirkung mit der Welt zerstört wird) zurückführen.


Man kann das auch etwas prosaischer ausdrücken und einfach "Ausmerze der weniger Tüchtigen" dazu sagen. Was übrig bleibt, ist zwangsläufig an die Erfordernisse der Wirklichkeit besser angepaßt. Ein Mensch, der laufend mit dem Kopf gegen die Wand rennt und davon nichts merkt, bildet die Welt eben nicht adäquat ab und verschwindet. Daher sind unsere Gehirne sozusagen "fleischgewordene Hypothesen der Wirklichkeit", die sich bewährt haben. Wer dagegen auf die Wirklichkeit verzichtet, kann die Frage nicht beantworten, warum es Hypothesen gibt, die sich bewähren und solche, die es nicht tun.

Unbestritten. Aber Du hast offenbar nicht (und Thomas auch nicht) verstanden, was ich als "Lamarcks Problem" versucht habe zu formulieren (Ich wusste, dass ich es noch nicht richtig darstellen konnte).

Also der Punkt ist: Lamarck sieht nicht, wie eine Interaktion zwischen einer Wirklichkeit und einem Konstrukt gehen sollte. Konstrukt ist immer Konstrukt, Ding an sich immer Ding an sich. Er unterstellt, dass es die "BEwährung" nicht geben kann, weil die Hypothesen nicht mit der Wirklichkeit wechselwirken können. Das heisst, er kann durchaus einsehen, dass er die Frage, warum seine Hypothesen scheitern, nicht beantworten kann. Aber er behauptet, wir könnten das auch nicht, weil wir "nicht rauskommen" aus unseren Konstruktionen. Das habe ich mit Bootstrap-Problem" gemeint: Wie kommt die Realität in die Modelle rein. (Ich weiss nicht, ob das wirklich Lamarcks Problem ist, aber es wäre eine rationale Erklärung für seine bisherigen Postings).

Und nun die Lösung des Bootstrap-Problems: auf unterster Ebene gehen die Konstrukte kaputt, wird aus einem Konstrukt (Bsp: ATP-Molekül) ein anderes (Bsp: ADP-Molekül) mit anderen Eigenschaften. Sie "scheitern". Und dieses Scheitern macht sich ein höheres Konstrukt (hier: Muskel) zunutze, das die unterschiedlichen Eigenschaften der Basiskonstrukte für sich ausschlachtet.

Ich hoffe, jetzt war es klarer.

Gruss

KP
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Darwin Upheaval
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#211197) Verfasst am: 11.11.2004, 20:04    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Du hast offenbar nicht (und Thomas auch nicht) verstanden, was ich als "Lamarcks Problem" versucht habe zu formulieren (Ich wusste, dass ich es noch nicht richtig darstellen konnte).

Also der Punkt ist: Lamarck sieht nicht, wie eine Interaktion zwischen einer Wirklichkeit und einem Konstrukt gehen sollte. Konstrukt ist immer Konstrukt, Ding an sich immer Ding an sich. Er unterstellt, dass es die "BEwährung" nicht geben kann, weil die Hypothesen nicht mit der Wirklichkeit wechselwirken können.


Das sehen konsequenterweise aber auch Materialisten so, wie z.B. Mahner und Bunge, die stets betonen, daß nur Dinge (bzw. Objekte, die veränderbar sind) Realität haben und miteinander interagieren können. Das heißt, nur Dinge können interagieren, aber nicht Konstrukte mit Konstrukten oder Konstrukte mit Dingen. Da ist aber insofern kein Problem vorhanden, als natürlich immer auch Lebewesen und deren Gehirne Dinge sind, die mit ihrer Umwelt interagieren. Das, was wir als "Konstrukte" bezeichen, sind immer nur Produkte des Gehirns, die wir als Subjekt von den realen Dingen abstrahieren.

Du hast also mit anderen Worten recht, wenn Du sagst, Theorien seien als Abstrakta nur in unseren Köpfen real. Unser Bewußtsein existiert auch nicht ante res, sondern in rebus (sprich als Systemeigenschaft des Gehirns). Aber noch einmal: Die Entität, durch die sie gedacht werden (das Gehirn) ist ebenso real wie das, mit dem sie interagiert, nämlich die Umwelt. Im Rahmen einer systematisch und sauber skizzierten, materialistischen Ontologie, tritt das Problem somit gar nicht in Erscheinung - es entpuppt sich schlicht als Scheinproblem. Konstrukte interagieren mit nichts, wohl aber diejenigen Dinge, die sie repräsentieren bzw. durch die sie konstruiert werden. Ich hoffe, daß ich mich jetzt ebenso verständlich ausgedrückt habe. zwinkern

Grüße

Martin
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"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

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Darwin Upheaval
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
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Beitrag(#211382) Verfasst am: 12.11.2004, 10:14    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

kann sein, daß ich in meinem letzten Posting zu allgemein geblieben bin, daher noch ein paar konkretere Ausführungen dazu:

Dein "Interaktions-Problem" besteht aus Sicht der evolutionären und konsequent realistischen Erkenntnistheorie nicht, und zwar aufgrund folgenden Sachverhalts: Die neuronale Struktur des Gehirns bestimmt unser Weltbild bzw. die Verhaltensweisen von Organismen. Nur solche Verhaltensweisen werden vererbt, deren Besitzer sich adäquat in ihrer Umwelt zurechtfinden. Aufgrund der Interaktion zwischen Lebewesen und Umwelt und dem darauf basierenden Ausleseprozeß gewinnt das Gehirn sozusagen "Strukturinformation" über die Umwelt. Diese spiegelt sich natürlich auch im Weltbild bzw. im Verhalten seiner Besitzer wieder.

Diejenigen Gehirne, die ihren Besitzern das Überleben in der Umwelt ermöglichen, sind also "von Haus aus" dazu prädestiniert, die "adäquaten Weltbilder" zu konstruieren bzw. in der Wissenschaft "die passenden" Theorien zu konstruieren. Das Gehirn konstruiert das Weltbild also keineswegs einseitig, vielmehr wirkt die Umwelt - qua Auslesemechanismus - auf das Weltbild zurück. Somit bedarf es keiner ominösen "Konstrukt-/Umwelt-Interaktion", es interagieren immer nur materielle Systeme miteinander. Das "Interface" zwischen Weltbild und Umwelt ist die neuronale Struktur des Gehirns.

Grüße

Martin
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Klaus-Peter
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Anmeldungsdatum: 10.01.2004
Beiträge: 1534

Beitrag(#211472) Verfasst am: 12.11.2004, 14:29    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Dein "Interaktions-Problem" besteht aus Sicht der evolutionären und konsequent realistischen Erkenntnistheorie nicht, [...]

Hallo Martin,

dann stimmt aber unsere Erkenntnistheorie nicht. Die redet nämlich eindeutig von Hypothesen (also Konstrukten), und dass diese an der Welt überprüft werden. Damit stellt sich sofort die Frage: Wie kommt die Welt in die Konstrukte? Und Du hast das Interaktionsproblem (das ich, wie gesagt, denke gelöst zu haben).

Gruss

KP
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Darwin Upheaval
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
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Beitrag(#211498) Verfasst am: 12.11.2004, 15:11    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Dein "Interaktions-Problem" besteht aus Sicht der evolutionären und konsequent realistischen Erkenntnistheorie nicht, [...]

Hallo Martin,

dann stimmt aber unsere Erkenntnistheorie nicht. Die redet nämlich eindeutig von Hypothesen (also Konstrukten), und dass diese an der Welt überprüft werden.


Solche Aussagen sind bestenfalls zweckmäßige Verkürzungen. Sie sind ontologisch in jedem Fall mißformuliert, weil Hypothesen als abstrakte Objekte mit nichts wechselwirken. Ontologisch gesehen, wird immer nur die Tauglichkeit erkennender Subjekte "überprüft". Auch im Experiment läßt man immer nur reale Dinge miteinander wechselwirken. Theorienprüfung hingegen ist ein erkenntnistheoretischer (bzw. methodologischer) Aspekt. Diese werden nicht "an der Welt" überprüft, sondern durch Abstraktion: Eine theoretische Aussage wird an einer Beobachtungsaussage gemessen.


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Damit stellt sich sofort die Frage: Wie kommt die Welt in die Konstrukte?


Ontologisch gesehen gar nicht, weil Konstrukte keinen ontologischen Status haben! Erkenntnistheoretisch dadurch, daß eben die Struktur des Gehirns ein adäquates Bild von der Welt vermittelt, auf welche hin es optimiert worden ist. Das "Interface" zwischen Ontologie und Erkenntnistheorie ist also, wie schon gesagt, die Struktur des Gehirns. Neuronale Verknüpfungen, die "an der Welt" optimiert wurden, liefern doch automatisch auch passende Bilder (AKA: Konstrukte) von der Welt. Das einzige Problem ist, daß wir noch nicht genau wissen, wie sich die Art der synaptischen Verbindungen (in Kombination mit Umweltreizen) in ein Weltbild umsetzt. Das ist aber ein anderer Gesichtspunkt.

Grüße

Martin
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Klaus-Peter
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Beiträge: 1534

Beitrag(#211526) Verfasst am: 12.11.2004, 16:35    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Dein "Interaktions-Problem" besteht aus Sicht der evolutionären und konsequent realistischen Erkenntnistheorie nicht, [...]

dann stimmt aber unsere Erkenntnistheorie nicht. Die redet nämlich eindeutig von Hypothesen (also Konstrukten), und dass diese an der Welt überprüft werden.

Solche Aussagen sind bestenfalls zweckmäßige Verkürzungen. Sie sind ontologisch in jedem Fall mißformuliert, weil Hypothesen als abstrakte Objekte mit nichts wechselwirken.

Hallo Martin,

Das ist jetzt aber ganz gieriger Reduktionismus. Den hast Du in der Diskussion mit Step eigentlich zurückgewiesen. Denn Du sagst ja damit: "Es gibt keine Erkenntnis, nur scheinbare Erkenntnis. In Wirklichkeit ist alles nur Materie".

Zitat:
Ontologisch gesehen, wird immer nur die Tauglichkeit erkennender Subjekte "überprüft". Auch im Experiment läßt man immer nur reale Dinge miteinander wechselwirken. Theorienprüfung hingegen ist ein erkenntnistheoretischer (bzw. methodologischer) Aspekt. Diese werden nicht "an der Welt" überprüft, sondern durch Abstraktion: Eine theoretische Aussage wird an einer Beobachtungsaussage gemessen.

Das ist jetzt das, was Lamarck immer sagt. Wenn die realen Dinge und die Hypothesen nichts miteinander zu tun haben, und wir sowieso bloss die Hypothesen haben, warum lassen wir dann die Welt nicht einfach weg? (Keine Angst, ich will diese These nicht verteidigen, ich will Dich nur darauf hinweisen, dass Du jetzt wie Lamarck argumentierst). Wenn Du zwei Welten hast, die aus unerklärlichen Gründen synchron sind (Die ontologische Welt und die epistemologische Welt), dann hast Du die Lamarcksche Theorie, und in der ist dann der Teil (der ontologische) zu dem ich dann keinen Zugang habe, überflüssig.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Damit stellt sich sofort die Frage: Wie kommt die Welt in die Konstrukte?


Ontologisch gesehen gar nicht, weil Konstrukte keinen ontologischen Status haben! Erkenntnistheoretisch dadurch, daß eben die Struktur des Gehirns ein adäquates Bild von der Welt vermittelt, auf welche hin es optimiert worden ist.

Irgendwie trägt das Wort "ontologisch" nicht richtig zur Klärung bei. Und Erkenntnistheorie scheint ohnehin falsch, denn wir sprechen über Erkenntnis als solche.

Zitat:
Das "Interface" zwischen Ontologie und Erkenntnistheorie ist also, wie schon gesagt, die Struktur des Gehirns.

Wenn Du schreiben würdest: Das Interface zwischen Realität und Erkenntnis ist die Struktur des Gehirns, dann würde ich mit mir reden lassen. Mir scheint das Anhängsel "...theorie" irreführend.

Man könnte auch verallgemeinernd sagen: Erkenntnis ist nichts anderes als strukturierte Realität. Und unsere Erkenntnis-Konstrukte sind dann eben sehr komplexe Strukturen der Realität, die typischerweise aus vielen übereinanderliegenden Schichten von anderen Konstrukten bestehen.

Oder noch kürzer: Erkenntnis besteht aus Design.

Gruss

KP
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step
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Beitrag(#211619) Verfasst am: 12.11.2004, 20:30    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Um das Ganze nicht zu zerreissen, nur eine Frage: Was modelliert Dein Modell? oder anders formuliert: Wovon ist Dein Modell ein Modell?

Meine Modelle sind Regeln und Simulationen zur Berechnung des Wahrzunehmenden. Eine bestimmte Klasse von Wahrnehmungen mit bestimmten Eigenschaften, die ich modelliere, fasse ich begrifflich zu etwas zusammen und sage vereinfachend "davon ist mein Modell ein Modell".

Wenn ich bestimmte praktische Begriffe präge für oft auftretende Eigenschaften (z.B. "real"), so ist das ebenfalls eine implizite Theorie zur Modellierung des Wahrzunehmneden. Daß sie, im Gegensatz zu sagen wir "schwer", eine noch fundamentalere Klasse von Wahrnehmungen beschreibt, berechtigt nicht dazu, dieser Eigenschaft einen philosophischen / ontologischen Sonderstatus einzuräumen.

gruß/step
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#211878) Verfasst am: 13.11.2004, 14:56    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Solche Aussagen sind bestenfalls zweckmäßige Verkürzungen. Sie sind ontologisch in jedem Fall mißformuliert, weil Hypothesen als abstrakte Objekte mit nichts wechselwirken.

Das ist jetzt aber ganz gieriger Reduktionismus. Den hast Du in der Diskussion mit Step eigentlich zurückgewiesen. Denn Du sagst ja damit: "Es gibt keine Erkenntnis, nur scheinbare Erkenntnis. In Wirklichkeit ist alles nur Materie".


Zwei Dinge: Materie ist real, Gedanken, Ideen und Weltbilder sind Abstraktionen des Gehirns. Natürlich sind Weltbilder auch real in dem Sinne, daß sie Systemeigenschaften des Gehirns verkörpern. Aber sie haben eben keine autonome Existenz, sondern sind abgeleitet. Das ist kein Reduktionismus.


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Ontologisch gesehen, wird immer nur die Tauglichkeit erkennender Subjekte "überprüft". Auch im Experiment läßt man immer nur reale Dinge miteinander wechselwirken. Theorienprüfung hingegen ist ein erkenntnistheoretischer (bzw. methodologischer) Aspekt. Diese werden nicht "an der Welt" überprüft, sondern durch Abstraktion: Eine theoretische Aussage wird an einer Beobachtungsaussage gemessen.

Das ist jetzt das, was Lamarck immer sagt. Wenn die realen Dinge und die Hypothesen nichts miteinander zu tun haben, und wir sowieso bloss die Hypothesen haben, warum lassen wir dann die Welt nicht einfach weg?


Natürlich haben die etwas miteinander zu tun - theoretische Begriffe sind Repräsentationen materieller Entitäten. Aber Theorien sind nicht in dem Sinne real, wie diejenigen Dinge, die sie repräsentieren. Sie sind Abstraktionen ("Bilder", "Modelle"), die wir uns von ihnen machen. Ein Traum ist doch auch nicht autonom, obwohl sein Zustandekommen neurophysiologisch erklärt bzw. auf eine ontologische Ebene zurückgeführt werden kann.


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
(Keine Angst, ich will diese These nicht verteidigen, ich will Dich nur darauf hinweisen, dass Du jetzt wie Lamarck argumentierst).


Mit Lamarck bin ich nur darin einig, daß Weldbilder, Gedanken und Theorien Konstrukte sind, die vom Gehirn erzeugt werden. Es ist ja keineswegs so, daß unser Gehirn ein "Spiegel der Wirklichkeit" ist, der einfach nur die einfallenden Sinnesreize "abbildet", wie ein ZnS-Schirm einen Röntgenstrahl. Hoimar v. Ditfurth hat es mal so ausgedrückt: "Im Gehirn ist es dunkel." Das, was dort ankommt, sind komplexe elektrische Signale. Erst das Gehirn formt daraus das, was wir ein Weltbild nennen. Das ist nun aber ein gemäßigter Konstruktivismus.

Was Lamarck und mich trennt ist, daß er die Rolle der Umwelt ("Welt an sich") in der Entstehung von Weltbildern nicht anerkennt. Für ihn wird das Weltbild rein internalistisch geformt - es gibt in seinem Denken quasi keine "Außenkopplung" und somit auch kein "ontisches Korrektiv", das die Weltbilder formt. Aus Sicht der (realistischen) evolutionären Erkenntnistheorie überzeugt diese Position nicht. Eben deshalb, weil durch Auslese die neuronalen Strukturen (und damit auch die Weltbilder) bewertet werden. Damit "bildet" sich ein Teil der Welt auch in unserem Gehirn ab. Wie die FET, so vertritt auch der RK also eine extrem einseitige ("internalistische") Weltsicht, selten überzeugt und sich noch seltener bewährt Mr. Green


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Wenn Du zwei Welten hast, die aus unerklärlichen Gründen synchron sind (Die ontologische Welt und die epistemologische Welt), dann hast Du die Lamarcksche Theorie, und in der ist dann der Teil (der ontologische) zu dem ich dann keinen Zugang habe, überflüssig.


Nein. Daß die "zwei Welten" (Interaktion Gehirn/Umwelt einerseits und Weltbild andererseits) synchron sind, ist aus Sicht des radikalen Konstruktivismus unerklärlich, aber nicht aus Sicht des ontologischen Realisten. Noch einmal: Wenn das Gehirn (genauer: das Lebewesen) mit der Umwelt interagiert und sich in ihr bewähren soll, wirkt die Umwelt (qua Auslese) auf die Struktur des Gehirns und damit auch auf die "Struktur der Weltbilder" zurück. Anders ausgedrückt:

Zitat:
Die Auslese entscheidet darüber, welches Gehirn sozusagen ein "approximativ richtiges" Bild von der Welt konstruiert.


Das ist eben der Unterschied zwischen Lamarck und mir: Für Lamarck spielt die ontische Welt in der Entstehung des Weltbildes keine Rolle. Das ist ein radikaler Konstruktivismus. Daher kann er auch auf die "Ontologie" verzichten, wofür er aber den Preis zu zollen hat, daß er weder erklären kann, was unser Weltbild abbildet, noch, warum sich unsere Konstrukten hervorragend bewähren.

Mein gemäßigter Konstruktivismus löst dieses Problem, weil dazu eben eine ontische Welt postuliert wird, die dauernd auf unser Weltbild zurückwirkt und es qua Auslese bewertet. In meinem Denken gibt es daher sowohl eine "Welt an sich" wie auch ein approximatives Erkennen der Welt. Etwas anderes anzunehmen wäre schlichtweg nicht kohärent.

Grüße

Martin
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Zuletzt bearbeitet von Darwin Upheaval am 13.11.2004, 15:06, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Beitrag(#211880) Verfasst am: 13.11.2004, 15:05    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Materie ist real, Gedanken, Ideen und Weltbilder sind Abstraktionen des Gehirns. Natürlich sind Weltbilder auch real in dem Sinne, daß sie Eigenschaften des materiellen Systems (Gehirns) verkörpern. Aber sie haben eben keine autonome Existenz, sondern sind abgeleitet.

Den letzten Satz verstehe ich nicht. Die Gehirnzustände, die etwa einen Gedanken "realisieren", sind doch nicht weniger autonom als andere emergente Phänomene außerhalb des Gehirns. Meinst Du vielleicht "nur" die Tatsache, daß der Simulator Input von "außerhalb" bekommt?

gruß/step
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Beitrag(#211883) Verfasst am: 13.11.2004, 15:10    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck spielt die ontische Welt in der Entstehung des Weltbildes keine Rolle. Das ist ein radikaler Konstruktivismus. Daher kann er auch auf die "Ontologie" verzichten, wofür er aber den Preis zu zollen hat, daß er weder erklären kann, was unser Weltbild abbildet, noch, warum sich unsere Konstrukten hervorragend bewähren.

Mein gemäßigter Konstruktivismus löst dieses Problem, weil dazu eben eine ontische Welt postuliert wird, die dauernd auf unser Weltbild zurückwirkt und es qua Auslese bewertet. In meinem Denken gibt es daher sowohl eine "Welt an sich" wie auch ein approximatives Erkennen der Welt. Etwas anderes anzunehmen wäre schlichtweg nicht kohärent.

Die Annahme einer Welt an sich ist aber nicht der einzige Ausweg aus dem RK auf dieser Ebene, und auch nicht die einzige Möglichkeit, die Frage zu beantworten, warum der hyp. Realismus so gut funktioniert. Ich bevorzuge eine physikalische Reduktion der Eigenschaften der Welt, die wir unter "real" verstehen. Damit sollte man sowohl jene Frage beantworten können, als auch nicht mehr auf ontologische Annahmen über eine Welt an sich angewiesen sein.

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Beitrag(#211884) Verfasst am: 13.11.2004, 15:12    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Materie ist real, Gedanken, Ideen und Weltbilder sind Abstraktionen des Gehirns. Natürlich sind Weltbilder auch real in dem Sinne, daß sie Eigenschaften des materiellen Systems (Gehirns) verkörpern. Aber sie haben eben keine autonome Existenz, sondern sind abgeleitet.

Den letzten Satz verstehe ich nicht. Die Gehirnzustände, die etwa einen Gedanken "realisieren", sind doch nicht weniger autonom als andere emergente Phänomene außerhalb des Gehirns.


Der Gehirnzustand schon, aber nicht der daraus resultierende Bewußtseinszustand. Das erstgenannte ist das System, letzteres die Systemeigenschaft. Flüssiges Wasser ist real, aber es gibt keine Ding "Flüssig".

Grüße

Martin
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Beitrag(#211891) Verfasst am: 13.11.2004, 15:16    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Materie ist real, Gedanken, Ideen und Weltbilder sind Abstraktionen des Gehirns. Natürlich sind Weltbilder auch real in dem Sinne, daß sie Eigenschaften des materiellen Systems (Gehirns) verkörpern. Aber sie haben eben keine autonome Existenz, sondern sind abgeleitet.

Den letzten Satz verstehe ich nicht. Die Gehirnzustände, die etwa einen Gedanken "realisieren", sind doch nicht weniger autonom als andere emergente Phänomene außerhalb des Gehirns.


Der Gehirnzustand schon, aber nicht der daraus resultierende Bewußtseinszustand. Das erstgenannte ist das System, letzteres die Systemeigenschaft. Flüssiges Wasser ist real, aber es gibt keine Ding "Flüssig".

Letzteres ist richtig. Aber die Analogie zwischen einem Gedanken und der Eigenschaft "flüssig" ist mehr als fragwürdig. Warum sollte ein emergenteres Phänomen weniger als real bezeichnet werden dürfen als ein weniger emergentes Phänomen?

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Beitrag(#211900) Verfasst am: 13.11.2004, 15:35    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck spielt die ontische Welt in der Entstehung des Weltbildes keine Rolle. Das ist ein radikaler Konstruktivismus. Daher kann er auch auf die "Ontologie" verzichten, wofür er aber den Preis zu zollen hat, daß er weder erklären kann, was unser Weltbild abbildet, noch, warum sich unsere Konstrukten hervorragend bewähren.

Mein gemäßigter Konstruktivismus löst dieses Problem, weil dazu eben eine ontische Welt postuliert wird, die dauernd auf unser Weltbild zurückwirkt und es qua Auslese bewertet. In meinem Denken gibt es daher sowohl eine "Welt an sich" wie auch ein approximatives Erkennen der Welt. Etwas anderes anzunehmen wäre schlichtweg nicht kohärent.

Die Annahme einer Welt an sich ist aber nicht der einzige Ausweg aus dem RK auf dieser Ebene, und auch nicht die einzige Möglichkeit, die Frage zu beantworten, warum der hyp. Realismus so gut funktioniert.


Ich meinte das anders: Wer davon ausgeht, daß eine "Welt an sich" existiert (also einen ontologischen Realismus vertritt), der kann nicht zugleich die These vertreten, daß wir die Welt nicht wenigstens in Teilen erkennen können. Ein paar Menschen scheinen diese Haltung einzunehmen, weil wir ja nicht wirklich "beweisen" können, daß wir die Welt erkennen. Diese Haltung erscheint mir nicht kohärent, weil man dann auch keine "Ontologie" mehr bräuchte. Außerdem ist die auch nicht "beweisbar".


Step hat folgendes geschrieben:
Ich bevorzuge eine physikalische Reduktion der Eigenschaften der Welt, die wir unter "real" verstehen. Damit sollte man sowohl jene Frage beantworten können, als auch nicht mehr auf ontologische Annahmen über eine Welt an sich angewiesen sein.


Dann solltest Du am besten den Solipsismus vertreten. zwinkern

Nein, Deine "physikalischen Annahmen" gründen sich doch auf irgend etwas. Du vertrittst zumindest eine "Realität als ob". Das ist nichts anders, als ein hypothetischer Realismus. Cool

Grüße

Martin
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Beitrag(#211919) Verfasst am: 13.11.2004, 16:06    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Annahme einer Welt an sich ist aber nicht der einzige Ausweg aus dem RK auf dieser Ebene, und auch nicht die einzige Möglichkeit, die Frage zu beantworten, warum der hyp. Realismus so gut funktioniert.
Ich meinte das anders: Wer davon ausgeht, daß eine "Welt an sich" existiert (also einen ontologischen Realismus vertritt), der kann nicht zugleich die These vertreten, daß wir die Welt nicht wenigstens in Teilen erkennen können.

Da stimme ich selbstverständlich zu. Deswegen kann ich auch keinen ontologischen Realismus vertreten.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ein paar Menschen scheinen diese Haltung einzunehmen, weil wir ja nicht wirklich "beweisen" können, daß wir die Welt erkennen. Diese Haltung erscheint mir nicht kohärent, weil man dann auch keine "Ontologie" mehr bräuchte. Außerdem ist die auch nicht "beweisbar".

Ja, wir haben es dann logisch gesehen mit einem (metaphysisch-) Glaubensphänomen zu tun.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Ich bevorzuge eine physikalische Reduktion der Eigenschaften der Welt, die wir unter "real" verstehen. Damit sollte man sowohl jene Frage beantworten können, als auch nicht mehr auf ontologische Annahmen über eine Welt an sich angewiesen sein.
Dann solltest Du am besten den Solipsismus vertreten. zwinkern

Ich weiß nicht, wie Du darauf kommst. Im Gegenteil denke ich, daß mein Ansatz aus Sicht des hyp. Realismus konsequenter ist, als jenen zu ontisieren.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Deine "physikalischen Annahmen" gründen sich doch auf irgend etwas. Du vertrittst zumindest eine "Realität als ob". Das ist nichts anders, als ein hypothetischer Realismus. Cool

Richtig, aber mehr nicht. Ich bezeichne mich ja durchaus als hyp. Realist, allerdings auch als Mahner vor dessen unnötiger Ontologisierung, als Entmystifizier des ontologischen Fehlschlusses. Letzteres ist der Punkt, in dem ich Lamarck unterstütze.

gruß/step
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Beitrag(#211922) Verfasst am: 13.11.2004, 16:24    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Annahme einer Welt an sich ist aber nicht der einzige Ausweg aus dem RK auf dieser Ebene, und auch nicht die einzige Möglichkeit, die Frage zu beantworten, warum der hyp. Realismus so gut funktioniert.
Ich meinte das anders: Wer davon ausgeht, daß eine "Welt an sich" existiert (also einen ontologischen Realismus vertritt), der kann nicht zugleich die These vertreten, daß wir die Welt nicht wenigstens in Teilen erkennen können.

Da stimme ich selbstverständlich zu. Deswegen kann ich auch keinen ontologischen Realismus vertreten.


Lachen

Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ein paar Menschen scheinen diese Haltung einzunehmen, weil wir ja nicht wirklich "beweisen" können, daß wir die Welt erkennen. Diese Haltung erscheint mir nicht kohärent, weil man dann auch keine "Ontologie" mehr bräuchte. Außerdem ist die auch nicht "beweisbar".

Ja, wir haben es dann logisch gesehen mit einem (metaphysisch-) Glaubensphänomen zu tun.


Das ist kein Argument. Alles beruht auf nicht beweisbaren Denkvoraussetzungen (vulgo "Metaphysik" im traditionellen Sinne). Aus meiner Sicht geht nur eines nicht: Den ontologischen Realismus anerkennen, aber den erkenntnistheoretischen mit dem Argument versenken, daß der nicht beweisbar ist. Mit demselben Argument müßte man den ontologischen gleich mit versenken (wenigstens insofern ist Lamarck konsequent). zwinkern


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Ich bevorzuge eine physikalische Reduktion der Eigenschaften der Welt, die wir unter "real" verstehen. Damit sollte man sowohl jene Frage beantworten können, als auch nicht mehr auf ontologische Annahmen über eine Welt an sich angewiesen sein.
Dann solltest Du am besten den Solipsismus vertreten. zwinkern

Ich weiß nicht, wie Du darauf kommst. Im Gegenteil denke ich, daß mein Ansatz aus Sicht des hyp. Realismus konsequenter ist, als jenen zu ontisieren.


Das ist kein Widerspruch - im Gegenteil. Denk an das oben genannte Beispiel mit dem schizophrenen Atheisten... Mr. Green


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Deine "physikalischen Annahmen" gründen sich doch auf irgend etwas. Du vertrittst zumindest eine "Realität als ob". Das ist nichts anders, als ein hypothetischer Realismus. Cool

Richtig, aber mehr nicht. Ich bezeichne mich ja durchaus als hyp. Realist, allerdings auch als Mahner vor dessen unnötiger Ontologisierung


Ich denke, M. Mahner ist ein besserer Mahner. Lachen


step hat folgendes geschrieben:
Entmystifizier des ontologischen Fehlschlusses. Letzteres ist der Punkt, in dem ich Lamarck unterstütze.


Siehe oben. Das Vertreten einer Realitätshypothese entspricht genuin einer Ontologie im Sinne von Mahner und Bunge.

Wenn Du den ontologischen Realismus ablehnst, gibt es für Dich auch keine Erklärungen mehr auf die Fragen, was unser Weltbild modelliert und warum sich Deine Realitätsheuristik laufend bewährt. Außerdem wäre dann auch kein evolutionärer Ausleseprozeß im oben genannten Sinne mehr möglich, wonach die "Welt an sich" evolutionär auf die Struktur des Gehirns zurückwirkt und so Dein Weltbild formt. Dann wäre es am konsequentesten, gleich einen radikalen Konstruktivismus (oder besser noch: einen Solipsismus) zu vertreten, wonach das Weltbild rein internalistisch geformt wird und keinen äußeren (Anpassungs-) Zwängen unterliegt.

Grüße

Martin
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Beitrag(#211943) Verfasst am: 13.11.2004, 17:05    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Wenn Du schreiben würdest: Das Interface zwischen Realität und Erkenntnis ist die Struktur des Gehirns, dann würde ich mit mir reden lassen. Mir scheint das Anhängsel "...theorie" irreführend.


Sagen wir besser: Das "Interface" zwischen Realität und Erkenntnis der Realität ist der Mechanismus, mit dem das Gehirn aus den Sinnesreizen ein Weltbild formt. Dieser Mechanismus hängt wiederum von der Interaktion der Neurone im Gehirn (sprich: von der Gehirnstruktur) ab. Und die "anbebotenen" Gehirnstrukturen werden wiederum qua Wechselwirkung seines Besitzers mit der Umwelt selektiert. Wenn die EE recht hat, kommen dabei Gehirne heraus, die dazu prädestiniert sind "ein passendes" Bild von der Welt zu konstruieren. Wäre es anders, könnten wir nicht überleben. Es sei denn, der Solipsist hat recht. Aus Sicht des radikalen Konstruktivisten ist dies alles ein Mysterium.

Grüße

Martin
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Beitrag(#211996) Verfasst am: 13.11.2004, 17:36    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ein paar Menschen scheinen diese Haltung einzunehmen, weil wir ja nicht wirklich "beweisen" können, daß wir die Welt erkennen. Diese Haltung erscheint mir nicht kohärent, weil man dann auch keine "Ontologie" mehr bräuchte. Außerdem ist die auch nicht "beweisbar".
Ja, wir haben es dann logisch gesehen mit einem (metaphysisch-) Glaubensphänomen zu tun.
Das ist kein Argument.

Mir war nicht bewußt, daß ich an dieser Stelle für irgendwas argumentieren müßte. Ich habe dem von Dir korrekt beschriebenen Phänomen einen Namen gegeben.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Alles beruht auf nicht beweisbaren Denkvoraussetzungen (vulgo "Metaphysik" im traditionellen Sinne).

Wieso kann ich dann erfolgreich hypothetischer Realist sein, ohne metaphysische Annahmen (im Sinne von notwendigen Voraussetzungen) zu machen? (Lassen wir jetzt mal beiseite, daß Du solche Annahmen machst, was ja Dein gutes Recht ist.)

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Aus meiner Sicht geht nur eines nicht: Den ontologischen Realismus anerkennen, aber den erkenntnistheoretischen mit dem Argument versenken, daß der nicht beweisbar ist. Mit demselben Argument müßte man den ontologischen gleich mit versenken (wenigstens insofern ist Lamarck konsequent). zwinkern

Da schließe ich mich an. Wie gesagt vertrete ich weder einen epistemologischen (jedenfalls so wie ich das verstehe) noch einen ontologischen Realismus, sondern nur einen hypothetischen, und selbst das nicht im Sinne einer notwendigen Annahme, sondern nur eines praktischen Modells, ähnlich, wie ich auch im Alltag einen Stein als "massiv" bezeichne.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Im Gegenteil denke ich, daß mein Ansatz aus Sicht des hyp. Realismus konsequenter ist, als jenen zu ontisieren.
Das ist kein Widerspruch - im Gegenteil.

Na Hauptsache, Du stimmst mir da zu.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Denk an das oben genannte Beispiel mit dem schizophrenen Atheisten...

Hab leider nicht alles lesen können, kannst Du mir den Beitrag verlinken?

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Ich bezeichne mich ja durchaus als hyp. Realist, allerdings auch als Mahner vor dessen unnötiger Ontologisierung
Ich denke, M. Mahner ist ein besserer Mahner. Lachen

Interessant! Dann hat also Bunge den ganzen ontologischen Unsinn verzapft? Lachen

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Entmystifizier des ontologischen Fehlschlusses. Letzteres ist der Punkt, in dem ich Lamarck unterstütze.
Siehe oben. Das Vertreten einer Realitätshypothese entspricht genuin einer Ontologie im Sinne von Mahner und Bunge.

Diese Aussage von M&B ist mE nur haltbar, wenn man unter Realitätshypothese mehr versteht als ich, nämlich die Behauptung einer Welt ans sich tätigt oder sie sogar für eine notwendige Voraussetzung des Wissenschaftsbetriebs hält.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wenn Du den ontologischen Realismus ablehnst, gibt es für Dich auch keine Erklärungen mehr auf die Fragen, was unser Weltbild modelliert und warum sich Deine Realitätsheuristik laufend bewährt. Außerdem wäre dann auch kein evolutionärer Ausleseprozeß im oben genannten Sinne mehr möglich, wonach die "Welt an sich" evolutionär auf die Struktur des Gehirns zurückwirkt und so Dein Weltbild formt.

Hier widerspreche ich schon seit Monaten. Eine Erklärung für die Funktion der Realitätsheuristik bekomme ich nämlich gerade nicht durch ontologische Annahmen (Pseudoerklärungen), sondern durch Reduktion, also das Erkennen tieferer Zusammenhänge. Nur weil das Phänomen "etwas wirkt real" bereits relativ fundamental ist, fällt es uns schwer, der Absolutierungsversuchung zu widerstehen. Dehalb habe ich ja in einem eigenen thread nach Kriterien der Realität gefragt und auch selbst welche vorgeschlagen.

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Beitrag(#212028) Verfasst am: 13.11.2004, 18:11    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Alles beruht auf nicht beweisbaren Denkvoraussetzungen (vulgo "Metaphysik" im traditionellen Sinne).

Wieso kann ich dann erfolgreich hypothetischer Realist sein, ohne metaphysische Annahmen (im Sinne von notwendigen Voraussetzungen) zu machen?


Das ist ein psychologisches Rätsel, auf das ich auch keine rationale Antwort habe. Mr. Green

Abgesehen davon, stellst Du die falsche Frage. Richtig müßte sie lauten: "Warum kann ich erfolgreich eine realistische Heuristik vertreten, wenn es keine ontischen Bezugsobjekte für diese Heuristik gibt?" Auf diese Frage hast Du ebenso wenig eine Antwort, wie Lamarck. Aus Deinem Blickwinkel ist das schlicht und ergreifend ein unerklärliches Mysterium.


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Denk an das oben genannte Beispiel mit dem schizophrenen Atheisten...

Hab leider nicht alles lesen können, kannst Du mir den Beitrag verlinken?


http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?t=5566&start=160


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Ich bezeichne mich ja durchaus als hyp. Realist, allerdings auch als Mahner vor dessen unnötiger Ontologisierung
Ich denke, M. Mahner ist ein besserer Mahner. Lachen

Interessant! Dann hat also Bunge den ganzen ontologischen Unsinn verzapft? Lachen


Fast richtig. Mahner mahnt ontologisch-realistisches Denken an und verwahrt sich gegen "anti-ontologischen" Unsinn. Cool


step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Entmystifizier des ontologischen Fehlschlusses. Letzteres ist der Punkt, in dem ich Lamarck unterstütze.
Siehe oben. Das Vertreten einer Realitätshypothese entspricht genuin einer Ontologie im Sinne von Mahner und Bunge.

Diese Aussage von M&B ist mE nur haltbar, wenn man unter Realitätshypothese mehr versteht als ich, nämlich die Behauptung einer Welt ans sich tätigt oder sie sogar für eine notwendige Voraussetzung des Wissenschaftsbetriebs hält.


Aus meiner Sicht bist Du nicht konsequent: Du denkst als (hypothetischer) Realist, handelst als (hypothetischer) Realist und forschst als (hypothetischer) Realist, aber wehrst Dich mit Händen und Füßen, wenn jemand eine hypothetische Realität behauptet.

Das zeigt doch nur, daß Du ein Scheingefecht gegen einen Begriff ("Ontologie") vollführst, aber semantisch auf derselben Ebene liegst. Wenn Dir soviel an Begriffen liegt, sag' halt statt "Ontologie" einfach "Hypothese über ein hypothetisches Sein". Smilie


step hat folgendes geschrieben:
Eine Erklärung für die Funktion der Realitätsheuristik bekomme ich nämlich gerade nicht durch ontologische Annahmen (Pseudoerklärungen), sondern durch Reduktion, also das Erkennen tieferer Zusammenhänge.


Na schön, jetzt mußt Du nur noch erklären, in welche Dimension sich Deine "tieferen Zusammenhänge" erstrecken. Worauf beziehen sich denn Deine semantischen Annahmen, mit denen Du einen Formalismus ausstattest, um einen "tieferen Zusammenhang" zu erahnen? Konstruierst Du die "tiefen Zusammenhänge" nur dazu, oder enden die im Nirwana? Mr. Green


Step hat folgendes geschrieben:
Nur weil das Phänomen "etwas wirkt real" bereits relativ fundamental ist, fällt es uns schwer, der Absolutierungsversuchung zu widerstehen.


Was heißt hier "Absolutierung"? Könnte es sein, daß Du ständig das Abjektik "hypothetisch" im ontologischen Realismus übersiehst?

Grüße

Martin
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Beitrag(#212091) Verfasst am: 13.11.2004, 19:25    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Alles beruht auf nicht beweisbaren Denkvoraussetzungen (vulgo "Metaphysik" im traditionellen Sinne).
Wieso kann ich dann erfolgreich hypothetischer Realist sein, ohne metaphysische Annahmen (im Sinne von notwendigen Voraussetzungen) zu machen?
Das ist ein psychologisches Rätsel, auf das ich auch keine rationale Antwort habe. Mr. Green

Netter Versuch. Ändert aber nichts daran, daß man keine metaphysischen Annahmen braucht, um erfolgreich Wissenschaft zu betreiben.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Abgesehen davon, stellst Du die falsche Frage. Richtig müßte sie lauten: "Warum kann ich erfolgreich eine realistische Heuristik vertreten, wenn es keine ontischen Bezugsobjekte für diese Heuristik gibt?" Auf diese Frage hast Du ebenso wenig eine Antwort, wie Lamarck. Aus Deinem Blickwinkel ist das schlicht und ergreifend ein unerklärliches Mysterium.

Falsch. Ich weiß eine Antwort auf diese Frage, jedenfalls wenn Du "ontische Bezugsobjekte" durch "realistische Bezugsobjekte" ersetzt. Die Theorie der Realität erklärt, warum die realistische Heuristik funktioniert.

Übrigens kann man sich Welten überlegen, in denen die Physik so wenig unitär ist, daß eine realistische Heuristik nicht mehr funktionieren würde, oder die womöglich gar nicht mehr physikalisch wären. Dies ist übrigens nicht mal so weit hergeholt, da es nicht ausgeschlossen ist, daß auch "unsere" Welt in exotischen Zuständen wesentliche Voraussetzungen für die "Realität" nicht mehr erfüllt. Bei der Kausalität ist das bereits relativ lange bekannt. Auch die galt mal als ontisches Prinzip.

Darüberhinaus ist es sogar so, daß Deine obige Warum-Frage gerade aus Deiner Sicht ein unerklärliches Mysterium bleiben muß, denn so Du wirst die Hintergründe des Realitätsphänomens niemals suchen oder gar finden. Du überspielst dies nur damit, daß Du bei diesem Phänomen eine künstliche Grenze setzt.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Denk an das oben genannte Beispiel mit dem schizophrenen Atheisten... http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?t=5566&start=160

Danke. Ich streite im Gegensatz zu Deinem Beispiel nicht ab, eine Heuristik zu verwenden. Das Beispiel hinkt zudem, insofern Du einfach schon in der Voraussetzung behauptest, die Heuristik sei notwendig aus einer Ontologie abgeleitet. Dies streite ich aber ab, es ist bei mir nicht der Fall, wie ich schon mehrfach begründet habe. Du müßtest beweisen, daß es eine Welt an sich geben muß, um Realismus als pragmatische Näherung ansehen zu können.

Oder um in Deinem Beispiel zu bleiben: Du müßtest zeigen, daß den Atheisten das Anzünden der Kerze nur voranbringen könnte, wenn der Heilige wirklich existiert.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Ich bezeichne mich ja durchaus als hyp. Realist, allerdings auch als Mahner vor dessen unnötiger Ontologisierung
Ich denke, M. Mahner ist ein besserer Mahner. Lachen
Interessant! Dann hat also Bunge den ganzen ontologischen Unsinn verzapft? Lachen
Fast richtig. Mahner mahnt ontologisch-realistisches Denken an und verwahrt sich gegen "anti-ontologischen" Unsinn. Cool

Das hatte ich ja schon alles kommentiert, z.B. hier:

anderer thread ... hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Etymologisch gesehen bedeutet Ontologie "Lehre des Seins". Das ist natürlich ein sehr umfassender Begriff.

Wir haben Dich und Thomas ja schon auf die "Fragen des Seins" runtergehandelt, da man zu ontologischer lehrenswerter Erkenntnis nicht kommen kann.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Deshalb unterscheiden Mahner und Bunge zwischen speziellen und allgemeinen Ontologien. Spezielle Existenzfragen sind in etwa das, mit dem sich die Wissenschaften tagtäglich herumschlagen, also physikalische, chemische, biologische,... Detailfragen. Allgemeine Ontologien, wie z.B. der Naturalismus oder der emergentistische Materialismus (als Spielart des Naturalismus) gehören dagegen nicht zum "Alltagsgeschäft" der Wissenschaftler, sondern zum philosophischen Hintergrund der Wissenschaften. Sie bilden gewissermaßen den allgemeinen Rahmen, der wissenschaftliches Arbeiten erst möglich macht. So muß die Wissenschaft den Naturalismus als unbewiesene Ontologie voraussetzen, damit sie arbeiten kann. (Soviel noch einmal zu dem weitverbreiteten Irrglauben, man könne Wissenschaft metaphysisch voraussetzungsfrei betreiben.) Smilie

Das ist einfach nicht richtig. Wissenschaft muß Naturalismus (als Ontologie) _nicht_ voraussetzen. Einzige Voraussetzung für Wissenschaft ist, daß ihre Methode, Regeln für Voraussagen zu finden, offensichtlich hinreichend gut funktioniert (übrigens kann die Frage, warum das so ist, selbst wiederum Gegenstand der Wissenschaft sein). Wissenschaft müßte nur dann ontologische (z.B. materialistische) Annahmen machen, wenn sie den Anspruch hätte, mit ihren Methoden nicht nur Voraussagen zu treffen, sondern echte Wahrheit zu finden. Deswegen könnte man diese (echt positivistische) Haltung auch epistemologisch kritisieren. Ich halte die von Dir und Thomas dargestellte Ansicht von M&B, die man übrigens bei vielen Epistemologen findet, einfach für falsch, jedenfalls in bezug auf die minimalen Voraussetzungen für Naturwissenschaft und auf meine Ansicht. Es mag Wissenschaftler geben, die über die Regelfindung zur Voraussage hinaus auf der Suche nach der Wahrheit sind. Diese müßten sich in der Tat dem Vorwurf stellen, eine allgemeine Ontologie grundlegend zu vertreten.



Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Entmystifizier des ontologischen Fehlschlusses. Letzteres ist der Punkt, in dem ich Lamarck unterstütze.
Siehe oben. Das Vertreten einer Realitätshypothese entspricht genuin einer Ontologie im Sinne von Mahner und Bunge.

Diese Aussage von M&B ist mE nur haltbar, wenn man unter Realitätshypothese mehr versteht als ich, nämlich die Behauptung einer Welt ans sich tätigt oder sie sogar für eine notwendige Voraussetzung des Wissenschaftsbetriebs hält.
Aus meiner Sicht bist Du nicht konsequent: Du denkst als (hypothetischer) Realist, handelst als (hypothetischer) Realist und forschst als (hypothetischer) Realist, aber wehrst Dich mit Händen und Füßen, wenn jemand eine hypothetische Realität behauptet.

Das liegt daran, daß er, solange er nur "als hyp. Realist klassich wissenschaftlich arbeitet", keine Aussagen über die Realität trifft, sondern nur über sein Arbeitsgebiet. In diesem Fall ist es also (fast immer) einerlei, ob die Realität an sich für möglich gehalten, behauptet oder gar für nötig gehalten wird, am Ergenbnis wird sich nichts ändern. Auf diesem Gebiet ist die Methodik nämlich unabhängig von der Realismushypothese. Sobald es aber um die (ehemals philosophische bzw. theologische) Frage des "Seins des Sein" geht, ist das nicht mehr egal. Hier ist eine erklärende Theorie des Realitätsphänomens nicht gleichbedeutend mit einer schamanistischen Annahme eines Seins an sich. Daher mein Sträuben.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Eine Erklärung für die Funktion der Realitätsheuristik bekomme ich nämlich gerade nicht durch ontologische Annahmen (Pseudoerklärungen), sondern durch Reduktion, also das Erkennen tieferer Zusammenhänge.
Na schön, jetzt mußt Du nur noch erklären, in welche Dimension sich Deine "tieferen Zusammenhänge" erstrecken. Worauf beziehen sich denn Deine semantischen Annahmen, mit denen Du einen Formalismus ausstattest, um einen "tieferen Zusammenhang" zu erahnen? Konstruierst Du die "tiefen Zusammenhänge" nur dazu, oder enden die im Nirwana?

Selbstverständlich konstruiere ich auch auf dieser Ebene wieder ein Modell für tiefere Zusammenhänge, und messe es - nein, nicht an der Realität - an der Effizienz der Voraussagen in Bereichen, in denen "real" keine triviale Eigenschaft der wahrnehmbaren Welt ist.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Nur weil das Phänomen "etwas wirkt real" bereits relativ fundamental ist, fällt es uns schwer, der Absolutierungsversuchung zu widerstehen.
Was heißt hier "Absolutierung"? Könnte es sein, daß Du ständig das Abjektik "hypothetisch" im ontologischen Realismus übersiehst?

Das übersehe ich schon nicht, wobei Du gern wahlweise den agnostischen und dann wieder den behauptenden Aspekt des Wortes "hypothetisch" herausstellst.

Meine Kritik richtet sich weniger gegen die ontologische Realitätshypothese selbst - obwohl ich sie nicht teile. Mir würde es bereits ausreichen, wenn Du einsiehst, daß sie keine notwendige Voraussetzung für das Funktionieren eines heuristischen Realismus ist.

gruß/step
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Beitrag(#212132) Verfasst am: 13.11.2004, 21:02    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Netter Versuch. Ändert aber nichts daran, daß man keine metaphysischen Annahmen braucht, um erfolgreich Wissenschaft zu betreiben.


Das eben ist eine These, die Du belegen solltest. Genauer: Du müßtest zeigen, daß Du bei allen (erfolgreichen) wissenschaftlichen Bemühungen nicht wenigstens genuin eine ontologische Hypothese voraussetzst. Bislang ist es Dir nur gelungen, zu zeigen, daß Du eine Aversion gegen den Begriff "Ontologie" hast. Du konntest aber nicht plausibel machen, daß sich Deine Denkvoraussetzungen semantisch vom ontologischen Realismus unterscheiden. Deine begrifflichen "Ausweichmanöver" wirken nicht weniger müßig, als die von Lamarck. zwinkern


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Abgesehen davon, stellst Du die falsche Frage. Richtig müßte sie lauten: "Warum kann ich erfolgreich eine realistische Heuristik vertreten, wenn es keine ontischen Bezugsobjekte für diese Heuristik gibt?" Auf diese Frage hast Du ebenso wenig eine Antwort, wie Lamarck. Aus Deinem Blickwinkel ist das schlicht und ergreifend ein unerklärliches Mysterium.

Falsch. Ich weiß eine Antwort auf diese Frage, jedenfalls wenn Du "ontische Bezugsobjekte" durch "realistische Bezugsobjekte" ersetzt.


Sorry, das ist doch semantisch Jacke wie Hose. Ich sehe nur erneut, wie Du Dich an Begriffe klammerst.


Step hat folgendes geschrieben:
Die Theorie der Realität erklärt, warum die realistische Heuristik funktioniert.


Yeah!!!!!

Was behaupte ich seit dem frühen Algonkium anderes? Willkommen im Club des ontologischen Realisten. Cool


Step hat folgendes geschrieben:
Übrigens kann man sich Welten überlegen, in denen die Physik so wenig unitär ist, daß eine realistische Heuristik nicht mehr funktionieren würde, oder die womöglich gar nicht mehr physikalisch wären. Dies ist übrigens nicht mal so weit hergeholt, da es nicht ausgeschlossen ist, daß auch "unsere" Welt in exotischen Zuständen wesentliche Voraussetzungen für die "Realität" nicht mehr erfüllt. Bei der Kausalität ist das bereits relativ lange bekannt. Auch die galt mal als ontisches Prinzip.


Sorry, auch die kuriosesten Konsequenzen der Quantenmechanik rekurrieren letztlich auf eine wie auch immer geartete Realität. Dies wird in Bunge und Mahners neuem Buch (AFAIK ist Bunge Physiker), etwas deutlicher.


Step hat folgendes geschrieben:
Darüberhinaus ist es sogar so, daß Deine obige Warum-Frage gerade aus Deiner Sicht ein unerklärliches Mysterium bleiben muß, denn so Du wirst die Hintergründe des Realitätsphänomens niemals suchen oder gar finden. Du überspielst dies nur damit, daß Du bei diesem Phänomen eine künstliche Grenze setzt.


Was heißt das? Welche Grenze? Welche "Hintergründe des Realitästsphänomens"? Klingt jetzt alles (wie der radikale Konstruktivismus) seeeeehr mystisch Geschockt


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Denk an das oben genannte Beispiel mit dem schizophrenen Atheisten... http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?t=5566&start=160

Danke. Ich streite im Gegensatz zu Deinem Beispiel nicht ab, eine Heuristik zu verwenden.


Ich fürchte, Du hast das Beispiel nicht verstanden: Jeder wissenschaftstreibende Mensch vertritt so etwas wie eine "Heuristik". Auch Du und radikale Konstruktivisten. Genauso wie eben auch unser "schizophrene Atheist". Der Witz besteht doch gerade darin, daß der Typ allen heiligen Menschlein, ein Kerzchen ansteckt, weil er merkt, daß das (und nur das!) "ganz hervorragend funktioniert". Wenn er es läßt, funktioniert nichts mehr! Die naheliegendste Erklärung wäre in einem solchen Fall, anzunehmen, daß die Menschlein sein "Flehen" erhören.

Aber sobald er aber das Wort "Ontologie" hört, fahren bei ihm die Rolläden runter, und sein Tun wird gar nicht weiter hinterfragt. Warum das funktioniert, interessiert ihn nicht mehr, er nimmt das einfach als "Mysterium" zur Kenntnis: Heuristik ja, Ontologie nein. Da wird etwas getan, von dessen Denkvoraussetzung man nicht überzeugt ist. Und das wirkt eben schizophren. In der Praxis macht das keiner - entgegen anderslautender Behauptungen nicht einmal Du und Lamarck!


Step hat folgendes geschrieben:
Das Beispiel hinkt zudem, insofern Du einfach schon in der Voraussetzung behauptest, die Heuristik sei notwendig aus einer Ontologie abgeleitet.


Nein, es ist doch genau umgekehrt: Die Tatsache, daß die Heuristik bestens funktioniert begründet die Ontologie. Würde sie dauern scheitern, käme doch kein Mensch auf die Idee, einen ontologischen Realismus zu vertreten.


Step hat folgendes geschrieben:
Dies streite ich aber ab, es ist bei mir nicht der Fall, wie ich schon mehrfach begründet habe. Du müßtest beweisen, daß es eine Welt an sich geben muß, um Realismus als pragmatische Näherung ansehen zu können.


Nix da, anders herum wird ein Schuh daraus. Der Realismus bewährt sich laufend und hat gegenüber anderen Epistemologien unbestreitbare Vorzüge. Versuch' doch einmal mit "einem Solipsismus als ob" oder einem "Radikalkonstruktivismus als ob" Wissenschaft zu treiben und sehe selbst, wie weit Du damit kommst Auf den Arm nehmen


Step hat folgendes geschrieben:
Oder um in Deinem Beispiel zu bleiben: Du müßtest zeigen, daß den Atheisten das Anzünden der Kerze nur voranbringen könnte, wenn der Heilige wirklich existiert.


Nein. Das müßte ich doch nur dann, wenn ich behaupten würde, der Realismus/Supernaturalismus sei mehr als eine fallible Hypothese, nämlich eine bewiesene Tatsache! Merkst Du nicht, daß Du schon wieder einen Strohmann abfackelst?


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Du denkst als (hypothetischer) Realist, handelst als (hypothetischer) Realist und forschst als (hypothetischer) Realist, aber wehrst Dich mit Händen und Füßen, wenn jemand eine hypothetische Realität behauptet.

Das liegt daran, daß er, solange er nur "als hyp. Realist klassich wissenschaftlich arbeitet", keine Aussagen über die Realität trifft, sondern nur über sein Arbeitsgebiet.


Das meinst Du doch jetzt nicht ernst, oder!? Geschockt

Wer als hypothetischer Realist auf seinem Arbeitsgebiet Hypothesen aufstellt, macht keine Aussagen über die Realität. Prost


Step hat folgendes geschrieben:
In diesem Fall ist es also (fast immer) einerlei, ob die Realität an sich für möglich gehalten, behauptet oder gar für nötig gehalten wird, am Ergenbnis wird sich nichts ändern. Auf diesem Gebiet ist die Methodik nämlich unabhängig von der Realismushypothese.


Kann sein, daß Du von Dir selber glaubst, das so zu vertreten. Ich sehe nur Deine Beweggründe noch immer nicht, die Dich dazu bringen, "tiefere Zusammenhänge" zu erahnen, die es nicht gibt, und mit Menschen im FGH zu diskutieren, die nur "als ob" vorhanden sind. Kann sein, daß Du Dir etwas vormachst. In keinem Fall aber ist Deine Wissenschaftsauffassung halbwegs repräsentativ für die Auffassung der breiten Mehrheit.


Step hat folgendes geschrieben:
Sobald es aber um die (ehemals philosophische bzw. theologische) Frage des "Seins des Sein" geht, ist das nicht mehr egal. Hier ist eine erklärende Theorie des Realitätsphänomens nicht gleichbedeutend mit einer schamanistischen Annahme eines Seins an sich. Daher mein Sträuben.


Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Die ehemalige Verbindung zwischen Ontologie und Naturtheologie ist es also, die Dein Sträuben verursacht. Man sollte ob dieser "unheiligen Allianz", die schon seit mehreren Hundert Jahren nicht mehr besteht, das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und sich an Begriffen aufhängen. Metaphysik ist nicht gleich Metaphysik.


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Na schön, jetzt mußt Du nur noch erklären, in welche Dimension sich Deine "tieferen Zusammenhänge" erstrecken. Worauf beziehen sich denn Deine semantischen Annahmen, mit denen Du einen Formalismus ausstattest, um einen "tieferen Zusammenhang" zu erahnen? Konstruierst Du die "tiefen Zusammenhänge" nur dazu, oder enden die im Nirwana?

Selbstverständlich konstruiere ich auch auf dieser Ebene wieder ein Modell für tiefere Zusammenhänge, und messe es - nein, nicht an der Realität - an der Effizienz der Voraussagen in Bereichen, in denen "real" keine triviale Eigenschaft der wahrnehmbaren Welt ist.


Verzieh', aber das ist semantischer Unsinn. Wenn Du mit einem Modell ein Modell modellierst, ist und bleibt das Ergebnis ein Modell. Die Frage, was Du damit modellierst, hast Du somit nur auf eine höhere Ebene verschoben. Irgendwann landest Du bei einem Modell n-ter Ordnung und hast noch immer nicht herausgefunden, was Du damit eigentlich modellierst. Mr. Green

Ein "tieferer Zusammenhang" ergibt sich mit anderen Worten erst dann, wenn Du semantische Annahmen gebraucht, die über den abstrakten Formalismus Deiner Modelle hinausgehen.


Step hat folgendes geschrieben:
Meine Kritik richtet sich weniger gegen die ontologische Realitätshypothese selbst - obwohl ich sie nicht teile. Mir würde es bereits ausreichen, wenn Du einsiehst, daß sie keine notwendige Voraussetzung für das Funktionieren eines heuristischen Realismus ist.


Ich habe nie etwas anderes behauptet. Wenn dem nicht so wäre, würde ich eine Ontologie als bewiesene Tatsache vertreten. Man beachte aber das dezente Adjektiv "hypothetisch" im Sinne von fallibel (fehlbar)! zwinkern

Grüße

Martin



gruß/step[/quote]
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Beitrag(#212186) Verfasst am: 13.11.2004, 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Du müßtest zeigen, daß Du bei allen (erfolgreichen) wissenschaftlichen Bemühungen nicht wenigstens genuin eine ontologische Hypothese voraussetzst.

Moment. Es war Deine Behauptung, eine solche Voraussetzung sei nötig. Du hast die Voraussetzung benannt (nämlich den Glauben an eine wahre Realität, auch wenn man sie nicht beweisen kann), ich habe gezeigt, daß sie keine notwendige ist. Jetzt bist Du dran.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Bislang ist es Dir nur gelungen, zu zeigen, daß Du eine Aversion gegen den Begriff "Ontologie" hast. Du konntest aber nicht plausibel machen, daß sich Deine Denkvoraussetzungen semantisch vom ontologischen Realismus unterscheiden.

Falsch. Ich konnte das bereits dadurch zeigen, daß ich nach den Kriterien für Realität frage und diese reduziere. Egal, ob mir das gelingt, beweist es, daß meine Denkvoraussetzungen nicht ontologisch realistisch sind.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
"Warum kann ich erfolgreich eine realistische Heuristik vertreten, wenn es keine ontischen Bezugsobjekte für diese Heuristik gibt?" Auf diese Frage hast Du ebenso wenig eine Antwort, wie Lamarck. Aus Deinem Blickwinkel ist das schlicht und ergreifend ein unerklärliches Mysterium.
Falsch. Ich weiß eine Antwort auf diese Frage, jedenfalls wenn Du "ontische Bezugsobjekte" durch "realistische Bezugsobjekte" ersetzt.
Sorry, das ist doch semantisch Jacke wie Hose.

Ja, für Dich, weil Du einen ontologischen Realismus vertrittst, also Jacken und Hosen nicht unterscheidest. Für mich dagegen ist die Frage in der von Dir angegeben Formulierung sinnlos, weil ich über ontische Bezugsobjekte nichts sagen kann. Wenn ich aber von "realistischen Bezugsobjekten" spreche, realistisch in meinem Sinne, also Objekte, die den Kriterien von Realität genügen, so kann ich die Frasge beantworten. Das wolltest Du wissen, und das habe ich geschrieben.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Die Theorie der Realität erklärt, warum die realistische Heuristik funktioniert.
Yeah!!!!! Was behaupte ich seit dem frühen Algonkium anderes?

Hmm ... etwa, daß man keine Theorie der Realität brauche oder gar haben könne, sondern nur die metaphysische Annahme ihres An-Sich-Seins? Dir ist schon klar, was ich mit Theorie der Realität meine?

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Übrigens kann man sich Welten überlegen, in denen die Physik so wenig unitär ist, daß eine realistische Heuristik nicht mehr funktionieren würde, oder die womöglich gar nicht mehr physikalisch wären. Dies ist übrigens nicht mal so weit hergeholt, da es nicht ausgeschlossen ist, daß auch "unsere" Welt in exotischen Zuständen wesentliche Voraussetzungen für die "Realität" nicht mehr erfüllt. Bei der Kausalität ist das bereits relativ lange bekannt. Auch die galt mal als ontisches Prinzip.
Sorry, auch die kuriosesten Konsequenzen der Quantenmechanik rekurrieren letztlich auf eine wie auch immer geartete Realität.

Aha, sehr interessant. Dann dürfte es Dir ja nicht schwerfallen, konkrete Kriterien dafür zu benennen, wann wir etwas zurecht als "real" bezeichnen. Auf geht's.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Darüberhinaus ist es sogar so, daß Deine obige Warum-Frage gerade aus Deiner Sicht ein unerklärliches Mysterium bleiben muß, denn so Du wirst die Hintergründe des Realitätsphänomens niemals suchen oder gar finden. Du überspielst dies nur damit, daß Du bei diesem Phänomen eine künstliche Grenze setzt.
Was heißt das? Welche Grenze?

Naja, alle Phänomene müssen wissenschaftlich erklärt werden, nur das eine nicht, nämlich warum wir manches für real halten. Bei dem genügt Dir einfach ein Postulat.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Welche "Hintergründe des Realitästsphänomens"?

Die Erklärung dafür, der Mechanismus dahinter, daß wir manches für real halten. Eine physikalische Eigenschaft, die unsere Kriterien für Realität plausibel macht.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Jeder wissenschaftstreibende Mensch vertritt so etwas wie eine "Heuristik". Auch Du und radikale Konstruktivisten. Genauso wie eben auch unser "schizophrene Atheist".

Ja und? Da sind wir uns doch einig.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Der Witz besteht doch gerade darin, daß der Typ allen heiligen Menschlein, ein Kerzchen ansteckt, weil er merkt, daß das (und nur das!) "ganz hervorragend funktioniert". Wenn er es läßt, funktioniert nichts mehr! Die naheliegendste Erklärung wäre in einem solchen Fall, anzunehmen, daß die Menschlein sein "Flehen" erhören.

Aber hier liegt doch eindeutig der Fehler in Deinem Beispiel. Erstens kann er auch weitermachen, ohne das anzunehmen. Zweitens ist das nicht unbedingt die naheliegendste Erklärung. Ich z.B. finde einen Placebo-Effekt naheliegender. Drittens ist die naheliegendste Erklärung oft nicht die richtige. So ist es beim Blitz und DOnner am naheliegendsten, daß ein Gott zürnt, und basta. Im Falle eines relativ naiven Menschen hast Du allerdings recht. Übertragen auf den Realismus kann man vielleicht den ontologischen Realismus als naiv naheliegendste Deutung real anmutender Phänomene ansehen. Viertens schließlich ist die Analogie "Heiligenfigur" - "echte Realität" für Deine Zwecke gegenüber Lamarck zwar mglw. geeignet, aber für Deine Argumentation mir gegenüber weniger glücklich gewählt, da die Heiligenfigur ja ihre eigene Reduktion bereits enthält, und da ich im Gegensatz zu dem Atheisten in Deinem Beispiel ein konsistentes Pärchen aus funktionierender Heuristik und Erklärung dafür anbiete.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Das Beispiel hinkt zudem, insofern Du einfach schon in der Voraussetzung behauptest, die Heuristik sei notwendig aus einer Ontologie abgeleitet.
Nein, ...

Doch, Du schreibst
MN hat folgendes geschrieben:
Weshalb diese doch von einer angeblich irrigen Ontologie abgeleiteten "Heuristik" unverzichtbar für Dich ist und überdies auch noch funktioniert (oh Wunder!), hast Du auch noch mit keiner Silbe begründet. Das ist ungefähr so, als wenn ein Atheist ...


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
... es ist doch genau umgekehrt: Die Tatsache, daß die Heuristik bestens funktioniert begründet die Ontologie. Würde sie dauern scheitern, käme doch kein Mensch auf die Idee, einen ontologischen Realismus zu vertreten.

Das ist richtig. Wie gesagt, man kann (auch wenn ich das für unbefriedigend halte, erinnert mich an ID ...), vom Funktionieren der Heuristik auf eine Ontologie schließen. Aber Du hast mehrmals deutlich mehr behauptet, nämlich daß man diese Ontologie bereits zuvor verteten müsse, als Voraussetzung, um die Heuristik nutzen zu dürfen. Das ist falsch, was man schon allein daran sieht, daß man eine andere (bessere) Erklärung für das Funktionieren dieser Heuristik finden könnte. (Übrigens ist der RK keine solche bessere Erklärung.)

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Du müßtest beweisen, daß es eine Welt an sich geben muß, um Realismus als pragmatische Näherung ansehen zu können.
Nix da, anders herum wird ein Schuh daraus. Der Realismus bewährt sich laufend und hat gegenüber anderen Epistemologien unbestreitbare Vorzüge.

Was sich da bewährt, ist aber eben nicht der ontologische Realismus, denn der macht gar keine falsifizierbare Aussage, kann sich also auch nicht bewähren. Was sich bewährt ist die wissenschaftliche Methode (die den ontologischen Realismus nicht voraussetzen muß).

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Oder um in Deinem Beispiel zu bleiben: Du müßtest zeigen, daß den Atheisten das Anzünden der Kerze nur voranbringen könnte, wenn der Heilige wirklich existiert.
Nein. Das müßte ich doch nur dann, wenn ich behaupten würde, der Realismus/Supernaturalismus sei mehr als eine fallible Hypothese, nämlich eine bewiesene Tatsache! Merkst Du nicht, daß Du schon wieder einen Strohmann abfackelst?

Nicht ganz. Du hast ja immerhin in Deinem Beispiel behauptet, daß es inkonsistent oder gar "schizophren" sei, daß der Atheist einerseits

" ... angeblich "erkannt hat", daß ihn nur diese und keine andere! "Heuristik" auf "geheimnisvolle Weise" in der Forschung voranbringt, [] aber im gleichem Atemzug alle Schutzheiligen als "metaphysischen Unsinn" deklarierte. ... "

Das ist aber nur dann inkonsistent, wenn es keine andere Erklärung geben kann. Deshalb hatte ich recht und Du müßtest zeigen, daß den Atheisten das Anzünden der Kerze nur voranbringen könnte, wenn der Heilige wirklich existiert.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Du denkst als (hypothetischer) Realist, handelst als (hypothetischer) Realist und forschst als (hypothetischer) Realist, aber wehrst Dich mit Händen und Füßen, wenn jemand eine hypothetische Realität behauptet.
Das liegt daran, daß er, solange er nur "als hyp. Realist klassich wissenschaftlich arbeitet", keine Aussagen über die Realität trifft, sondern nur über sein Arbeitsgebiet.
Das meinst Du doch jetzt nicht ernst, oder!? Geschockt Wer als hypothetischer Realist auf seinem Arbeitsgebiet Hypothesen aufstellt, macht keine Aussagen über die Realität.

Nicht primär, ja. Seine Aussagen führen zu guten Voraussagen über Wahrzunehmendes, unabhängig davon ob es eine absolute Realität gibt oder nicht, und unabhängig davon ob er das glaubt oder nicht.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
... In keinem Fall aber ist Deine Wissenschaftsauffassung halbwegs repräsentativ für die Auffassung der breiten Mehrheit.

Das habe ich auch nicht behauptet. Das liegt daran, daß die meisten Menschen (auch viele Wissenschaftler) gern die Lücken im Weltbild durch metaphysische Annahmen ergänzen und dann die Grenzen verwischen. Beim Realismus führt das im Moment nicht zu Rückschlägen in der Wissenschaft, deshalb muß es auch noch niemand aufgeben.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Sobald es aber um die (ehemals philosophische bzw. theologische) Frage des "Seins des Sein" geht, ist das nicht mehr egal. Hier ist eine erklärende Theorie des Realitätsphänomens nicht gleichbedeutend mit einer schamanistischen Annahme eines Seins an sich. Daher mein Sträuben.
Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Die ehemalige Verbindung zwischen Ontologie und Naturtheologie ist es also, die Dein Sträuben verursacht. Man sollte ob dieser "unheiligen Allianz", die schon seit mehreren Hundert Jahren nicht mehr besteht, das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und sich an Begriffen aufhängen. Metaphysik ist nicht gleich Metaphysik.

Klar gibt es da graduelle Abstufungen der Naivität. Die meisten Phänomene, die früher ontologischen Status hatten, haben ihn verloren, obwohl für sie ganz ähnlich argumentiert wurde wie von Dir jetzt für die Realität an sich, oder wie von manchen Philosophen für den "Geist". Ich schrieb aber das "schamanistisch" nicht wirklich im Sinne von "naturtheologisch", sondern etwas überspitzt gegen Deine Variante, das Phänomen "Realität" zu deuten / zu erklären: gar nicht, einfach absolut setzen - rein hypothetisch natürlich

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Na schön, jetzt mußt Du nur noch erklären, in welche Dimension sich Deine "tieferen Zusammenhänge" erstrecken. Worauf beziehen sich denn Deine semantischen Annahmen, mit denen Du einen Formalismus ausstattest, um einen "tieferen Zusammenhang" zu erahnen? Konstruierst Du die "tiefen Zusammenhänge" nur dazu, oder enden die im Nirwana?
Selbstverständlich konstruiere ich auch auf dieser Ebene wieder ein Modell für tiefere Zusammenhänge, und messe es - nein, nicht an der Realität - an der Effizienz der Voraussagen in Bereichen, in denen "real" keine triviale Eigenschaft der wahrnehmbaren Welt ist.
... Die Frage, was Du damit modellierst, hast Du somit nur auf eine höhere Ebene verschoben.

Das mag sein, aber das Ziel ist ja (bei mir) nicht, alle Modelle zu überwinden, sondern eine größere Zahl von Phänomenen besser zu modellieren. Auf der Ebene, auf der ich das Phänomen "Realität" reduziern / erklären kann, kann ich wahrnehmbare Phänomene benennen, die Du dann nicht mehr als "real" bezeichnen kannst, die aber der wissenschaftlichen Methode standhalten. Selbstverständlich erhalte ich durch die Entmystifizierung des Realitätsphänomens überhaupt keine andere absolute Wahrheit oder ontologische Erkenntnis. Es ist aber interessant, daß Du mein Argument daran mißt, ob ich damit Dein Postulat bestätige ...

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Irgendwann landest Du bei einem Modell n-ter Ordnung und hast noch immer nicht herausgefunden, was Du damit eigentlich modellierst.

Das wirst Du auch nie herausfinden.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ein "tieferer Zusammenhang" ergibt sich mit anderen Worten erst dann, wenn Du semantische Annahmen gebraucht, die über den abstrakten Formalismus Deiner Modelle hinausgehen.

Ja, eine fällt mir da tatsächlich ein. Nämlich die Definition von Realität. Die konkrete Benennung von Kriterien, wann wir etwas als real bezeichnen. Die müßte ja selbst ein ontologischer Realist noch geben können.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Meine Kritik richtet sich weniger gegen die ontologische Realitätshypothese selbst - obwohl ich sie nicht teile. Mir würde es bereits ausreichen, wenn Du einsiehst, daß sie keine notwendige Voraussetzung für das Funktionieren eines heuristischen Realismus ist.
Ich habe nie etwas anderes behauptet.

Willst Du damit sagen, Du hättest nie behauptet, die ontologische Realitätshypothese sei ein notwendige Voraussetzung für das Funktionieren eines heuristischen Realismus?

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wenn dem nicht so wäre, würde ich eine Ontologie als bewiesene Tatsache vertreten.

Nein. Du vertrittst wie eine bewiesene Tatsache nicht den ontologischen Realismus, sondern die Behauptung, er sei notwendige Voraussetzung (oder doch Folgerung?) für eine funktionierende Heuristik.

gruß/step
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Beitrag(#212557) Verfasst am: 14.11.2004, 17:07    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Du müßtest zeigen, daß Du bei allen (erfolgreichen) wissenschaftlichen Bemühungen nicht wenigstens genuin eine ontologische Hypothese voraussetzst.

Moment. Es war Deine Behauptung, eine solche Voraussetzung sei nötig. Du hast die Voraussetzung benannt (nämlich den Glauben an eine wahre Realität, auch wenn man sie nicht beweisen kann), ich habe gezeigt, daß sie keine notwendige ist. Jetzt bist Du dran.


Notwenig ist gar nichts. Du kannst als Alchimist auch ein bißchen "Herumprobieren" und die Farbe und Form von Schmetterlingen beschreiben. Du kannst sogar in Teilbereichen auf einen Naturalismus verzichten und unter der Vorgabe, "Gottes Plan" entdecken zu wollen, die Welt erforschen. Die Frage ist nur, ob Du damit in allen Bereichen erfolgreich zu arbeiten bzw. das Maximum an Erkenntnissen herauszuholen imstande bist. Vor ein paar kilo-Postings hatte ich Dir etliche Beispiele genannt, die zeigen, wie eine realistische Ontologie die Forschung vorangebracht hat. Ganz einfach dadurch, daß sie die "interessanten" Fragen stellte, auf die ein Anti-Realist vermutlich niemals gekommen wäre.

Daher wärst eigentlich Du an der Reihe, die Vorzüge Deiner Philosophie zu erörtern bzw. die Überlegenheit gegenüber dem Realismus aufzuzeigen. Zumindest solltest Du erklären können, was Du eigentlich erforschen willst, wenn es jenseits der trivialen Erkenntnis, daß wir nur unser eigenes Weltbild haben, nichts weiteres zu erforschen gibt:

Zitat:
So wird der realistische Ansatz von all jenen boykottiert, die 'Wirklichkeit' konstruktivistisch definieren als 'phänomenale Welt' bzw. 'Erscheinungswelt' (...) Entsprechend inhaltsleer und banal sind die damit verbundenen Thesen, wie z.B. 'Die Wirklichkeit ist unser Produkt' oder 'Wir konstruieren die Wirklichkeit', denn damit wird lediglich gesagt, 'Wir konstruieren unsere Modelle der Welt' (...) oder letztendlich 'Unsere Erkenntis ist unsere Erkenntnis'.


Bunge, M.; Mahner, M. (2004) Über die Natur der Dinge. Hirzel, Stuttgart, S. 94.

Wirklich ein sehr tiefsinniger Grund, um Wissenschaft zu treiben, meinst Du nicht auch? Mr. Green

Daher erneut die Frage:

Bunge und Mahner hat folgendes geschrieben:
...worin sollte Erkenntnis sonst bestehen, wenn nicht in der (hypothetischen) Modellbildung von realen Eigenschaften, Dingen oder Sachverhalten?


(a.a.O.)


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Bislang ist es Dir nur gelungen, zu zeigen, daß Du eine Aversion gegen den Begriff "Ontologie" hast. Du konntest aber nicht plausibel machen, daß sich Deine Denkvoraussetzungen semantisch vom ontologischen Realismus unterscheiden.

Falsch. Ich konnte das bereits dadurch zeigen, daß ich nach den Kriterien für Realität frage und diese reduziere. Egal, ob mir das gelingt, beweist es, daß meine Denkvoraussetzungen nicht ontologisch realistisch sind.


Wenn Du "Kriterien für Realität" aufstellst (wie z.B. die gesetzmäßige Zustandsänderung eines Systems), bist Du auf derselben semantischen Ebene wie ich. Dein Problem ist nur, daß Du versuchst, gegen die hypothetische Realität einer hypothetischen Realität zu argumentieren, für die Du selber Kriterien entworfen hast, weil Du den Begriff "Ontologie" ablehnst zwinkern


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Die Theorie der Realität erklärt, warum die realistische Heuristik funktioniert.
Yeah!!!!! Was behaupte ich seit dem frühen Algonkium anderes?

Hmm ... etwa, daß man keine Theorie der Realität brauche oder gar haben könne, sondern nur die metaphysische Annahme ihres An-Sich-Seins? Dir ist schon klar, was ich mit Theorie der Realität meine?


In etwa das, was ich auch damit meine: Eine ebenso hypothetische wie fehlbare Skizze von etwas, das Du "hypothetische Realität" zu nennen pflegst. Wir reden beide über dasselbe, nur traust Du Dich offenbar nicht, den Begriff mit semantischem Inhalt (vulgo: einer theoretischen Interpretation) auszufüllen. Du schleppst also einen Begriff mit Dir herum, der keine Bedeutung hat? Das kaufe ich Dir nicht ab, sonst wärst Du kein Physiker, sondern Mathematiker. Letzterer kann auf Semantik verzichten, ein Physiker nicht.


Step hat folgendes geschrieben:
Aha, sehr interessant. Dann dürfte es Dir ja nicht schwerfallen, konkrete Kriterien dafür zu benennen, wann wir etwas zurecht als "real" bezeichnen. Auf geht's.


Wie gesagt, es sind dieselben Kriterien, auf die Du Dich beziehst: Reale Entitäten können gesetzmäßige Zustandsänderungen erfahren und besitzen damit als einzige universelle Eigenschaft materieller Objekte Energie.


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Das Beispiel hinkt zudem, insofern Du einfach schon in der Voraussetzung behauptest, die Heuristik sei notwendig aus einer Ontologie abgeleitet.
Nein, ...

Doch, Du schreibst
MN hat folgendes geschrieben:
Weshalb diese doch von einer angeblich irrigen Ontologie abgeleiteten "Heuristik" unverzichtbar für Dich ist und überdies auch noch funktioniert (oh Wunder!), hast Du auch noch mit keiner Silbe begründet. Das ist ungefähr so, als wenn ein Atheist ...


OK, hier handelt es sich natürlich um eine - wie ich schon geschrieben habe, wechselseitige Begründung. Ob nun eine Theorie der Beobachtung oder eine Beoachtung der Theorie vorgelagert ist, hängt immer vom Betrachtungswinkel ab und führt in einen Regreß, der sich vermutlich historisch auflösen läßt.

Wichtig ist nur eines: Wenn eine Theorie durch Beobachtungsaussagen gestützt wird, ist der gesamte Interpretationsrahmen evident. Ist das der Fall, kann und wird die Theorie im nächsten Schritt als Interpretationsschema vorausgesetzt, weil sie sich hinlänglich bewährt hat. Wenn z.B. eine neue Art entdeckt und klassifiziert werden soll, wird die Evolutionstheorie als Deutungsrahmen vorausgesetzt. Positivisten interpretieren hier gerne einen "unerlaubten Zirkel" hinein, aber da sich die ET inzwischen sehr gut bewährt hat, muß man nicht länger nach Belegen suchen. Analoges gilt auch für den ontologischen Realismus. Der hat sich über die Jahrhunderte ebenso gut bewährt, daß er heute in Gestalt des philosophischen Hintergrunds der Wissenschaften vorausgesetzt wird.


Step hat folgendes geschrieben:
Das ist aber nur dann inkonsistent, wenn es keine andere Erklärung geben kann. Deshalb hatte ich recht und Du müßtest zeigen, daß den Atheisten das Anzünden der Kerze nur voranbringen könnte, wenn der Heilige wirklich existiert.


Deine Argumentation ist gerade der eines Kreationisten analog, der darauf insistiert, daß außer einer evolutionstheoretischen Deutung auch andere Deutung möglich sind. Das ist doch unbestreitbar richtig. Aber in der Wissenschaft wird eben anders herum ein Schuh daraus: Sie bietet einen Erklärungsrahmen an, der sich nicht beweisen läßt. Wenn er sich bewährt, wir die Erklärung übernommen und als starkes Indiz dafür gewertet, daß die Voraussetzung richtig war. Selbst dann, wenn 1000 alternative Deutungen möglich sind.


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Sobald es aber um die (ehemals philosophische bzw. theologische) Frage des "Seins des Sein" geht, ist das nicht mehr egal. Hier ist eine erklärende Theorie des Realitätsphänomens nicht gleichbedeutend mit einer schamanistischen Annahme eines Seins an sich. Daher mein Sträuben.
Jetzt kommen wir der Sache schon näher. Die ehemalige Verbindung zwischen Ontologie und Naturtheologie ist es also, die Dein Sträuben verursacht. Man sollte ob dieser "unheiligen Allianz", die schon seit mehreren Hundert Jahren nicht mehr besteht, das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und sich an Begriffen aufhängen. Metaphysik ist nicht gleich Metaphysik.

Klar gibt es da graduelle Abstufungen der Naivität.


Du übersiehst bloß, daß Dich dieses gewisse Quäntchen "Naivität" (das Du hinter dem wohlfeilen Begriff "Heuristik" versteckst) in der Wissenschaft überhaupt erst weiterbringt. Mr. Green


Step hat folgendes geschrieben:
Die meisten Phänomene, die früher ontologischen Status hatten, haben ihn verloren, obwohl für sie ganz ähnlich argumentiert wurde wie von Dir jetzt für die Realität an sich, oder wie von manchen Philosophen für den "Geist".


Das Argument ist ein typisch wissenschaftskritisches: "Traue keiner Wissenschaft, denn das meiste davon, was sie einst postuliert hatte, ist eh' falsch!" Geschockt

Schade nur um die Erhaltungssätze der Physik, dem Atombegriff, der Deszendenzlehre, der Elementarteilchenphysik, der Gravitationstheorien und vielem anderen. Warum ist es ihr denn gelungen, über die Jahrhunderte das erfolgreichsten Theoriengebäude aller Zeiten aufzustellen? Weil da ein paar Menschen Konstrukte von Konstrukte zusammenspinnen? Mr. Green


Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wenn dem nicht so wäre, würde ich eine Ontologie als bewiesene Tatsache vertreten.

Nein. Du vertrittst wie eine bewiesene Tatsache nicht den ontologischen Realismus, sondern die Behauptung, er sei notwendige Voraussetzung (oder doch Folgerung?) für eine funktionierende Heuristik.


Und erneut: Das Funktionieren der Heuristik ist ein starkes Indiz für den ontologischen Realismus, nicht umgekehrt. Allerdings ist es so, daß jemand, der sich dazu entschließt, Wissenschaftler zu werden, bestimmte Denkvoraussetzungen mitbringt: Er möchte etwas über die Welt erfahren. Kann sein, daß Du die große Ausnahme bist, und nur deshalb Wissenschaft treibst, weil Du mit einem Konstrukt irgendein Konstrukt modellieren willst, ohne zu wissen, was Du eigentlich treibst. Ich gehe davon aus, daß 99% der Menschen das anders sehen und ihre theoretischen Konstrukte mit semantische Interpretationen ausstatten. zwinkern

Grüße

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Wohnort: Germering

Beitrag(#212627) Verfasst am: 14.11.2004, 18:29    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Es war Deine Behauptung, eine solche Voraussetzung sei nötig. Du hast die Voraussetzung benannt (nämlich den Glauben an eine wahre Realität, auch wenn man sie nicht beweisen kann), ich habe gezeigt, daß sie keine notwendige ist. Jetzt bist Du dran.
Notwenig ist gar nichts.

Na immerhin. Ich hoffe, ich muß das dann auch nie wieder lesen.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Vor ein paar kilo-Postings hatte ich Dir etliche Beispiele genannt, die zeigen, wie eine realistische Ontologie die Forschung vorangebracht hat. Ganz einfach dadurch, daß sie die "interessanten" Fragen stellte, ...

Strohmann. Ich habe schon x-mal erklärt, daß auch ein ontologisch überinterpretierter Realismus, oder generell jede Metaphysik, kreative Früchte tragen kann.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
... auf die ein Anti-Realist vermutlich niemals gekommen wäre.

Schon wieder. Ich bin kein Anti-Realist. Für mich ist das für-real-halten nur ein erklärbares Phänomen wie andere auch. Diese Haltung steht mir aber bei der wissenschaftlichen Kreativität nicht im Wege.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
... wärst eigentlich Du an der Reihe, die Vorzüge Deiner Philosophie zu erörtern bzw. die Überlegenheit gegenüber dem Realismus aufzuzeigen.

Habe ich bereits: Ein ontologischer Realist würde niemals auf die Idee kommen, die Eigenschaften uns real erscheinender Phänomene zu reduzieren und damit zu erklären. Zudem bekommt er Probleme, wenn bei bestimmten Phänomenen nicht mehr eindeutig gesagt werden kann, ob sie real sind oder nicht. In solchen Fällen ist es erfahrungsgemäß schlecht, wenn der Begriff zuvor ontisiert wurde (Realität an sich). Als Beispiel habe ich die Kausalität genannt. Der Zeitfluss oder der Geist, die Moral wären weitere Beispiele.

<snip>... eine Menge Anwürfe, die zeigen, daß Du mich mit einem radikalen Konstruktivisten verwechselst ...</snip>

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wir reden beide über dasselbe, nur traust Du Dich offenbar nicht, den Begriff mit semantischem Inhalt (vulgo: einer theoretischen Interpretation) auszufüllen.

Nein. Ich fülle den Begriff überhaupt erst mit semantischem Inhalt, indem ich ihn definiere, Kriterien für ihn angebe, ihn erkläre, ihn reduziere . Du dagegen verharrst bezüglich dieses Begriffs auf einer mystischen "An-sich"-Auffassung.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Dann dürfte es Dir ja nicht schwerfallen, konkrete Kriterien dafür zu benennen, wann wir etwas zurecht als "real" bezeichnen. Auf geht's.
... Reale Entitäten können gesetzmäßige Zustandsänderungen erfahren und besitzen damit als einzige universelle Eigenschaft materieller Objekte Energie.

Ah, jetzt kommen wir einen Schritt weiter. Heißt das, Objekte ohne Masse, bzw. ohne Energie, sind nicht real? Ist die Raumzeit real? Und was ist mit emergenten Phänomenen, ist ein Gedanke real, oder nur die physikalischen Teilchen mit Energie, die ihn realisieren? Ich denke, wir brauchen geeignetere Kriterien für Realität!

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Das ist aber nur dann inkonsistent, wenn es keine andere Erklärung geben kann. Deshalb hatte ich recht und Du müßtest zeigen, daß den Atheisten das Anzünden der Kerze nur voranbringen könnte, wenn der Heilige wirklich existiert.
Deine Argumentation ist gerade der eines Kreationisten analog, der darauf insistiert, daß außer einer evolutionstheoretischen Deutung auch andere Deutung möglich sind. Das ist doch unbestreitbar richtig. Aber in der Wissenschaft wird eben anders herum ein Schuh daraus: Sie bietet einen Erklärungsrahmen an, der sich nicht beweisen läßt. Wenn er sich bewährt, wir die Erklärung übernommen und als starkes Indiz dafür gewertet, daß die Voraussetzung richtig war. Selbst dann, wenn 1000 alternative Deutungen möglich sind.

Richtig. Nur sagt der ontologische Realismus leider gar nichts voraus (er ist nämlich keine Theorie) und ist deshalb als Deutungsrahmen wertlos, ebenso wie die Schöpfungsontologie.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Die meisten Phänomene, die früher ontologischen Status hatten, haben ihn verloren, obwohl für sie ganz ähnlich argumentiert wurde wie von Dir jetzt für die Realität an sich, oder wie von manchen Philosophen für den "Geist".
Das Argument ist ein typisch wissenschaftskritisches: "Traue keiner Wissenschaft, denn das meiste davon, was sie einst postuliert hatte, ist eh' falsch!" Schade nur um die Erhaltungssätze der Physik, dem Atombegriff, der Deszendenzlehre, der Elementarteilchenphysik, der Gravitationstheorien und vielem anderen. Warum ist es ihr denn gelungen, über die Jahrhunderte das erfolgreichsten Theoriengebäude aller Zeiten aufzustellen?

Moment. Theorien sind näherungsweise, in bestimmten Parameterbereichen, brauchbar, weil sie dort etwas voraussagen. Wenn Du jetzt aber behauptest, es gebe eine absolute Realität an sich, dann ist das keine Theorie, die etwas voraussagt. Es ist nur eine lückenbüßerhafte Deutung eines unverstandenen Phänomens. Besser als nichts, könnte man - eine Zeitlang - sagen. Aber das wäre dann schon kein wirklich ontologischer Realismus mehr.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wenn dem nicht so wäre, würde ich eine Ontologie als bewiesene Tatsache vertreten.
Nein. Du vertrittst wie eine bewiesene Tatsache nicht den ontologischen Realismus, sondern die Behauptung, er sei notwendige Voraussetzung (oder doch Folgerung?) für eine funktionierende Heuristik.
Und erneut: Das Funktionieren der Heuristik ist ein starkes Indiz für den ontologischen Realismus, nicht umgekehrt. Allerdings ist es so, daß jemand, der sich dazu entschließt, Wissenschaftler zu werden, bestimmte Denkvoraussetzungen mitbringt: Er möchte etwas über die Welt erfahren.


Du meinst, über die Welt an-sich? Wissenschaftler als hauptberufliche Ontologen, Wahrheitssucher? Vielleicht hast Du recht, daß viele das traditionell nicht sauber trennen. Übrigens ein potentieller Angriffspunkt für Irrationalisten!

gruß/step
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Beitrag(#213019) Verfasst am: 15.11.2004, 14:24    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

[...]

ich fürchte, wir reden nur noch aneinander vorbei. Kann sein, daß Du gegen "Ontologie" ein Scheingefecht aufführst, weil Du gegen den Begriff als solchen eine Aversion hast, obwohl wir semantisch auf derselben Ebene liegen. Kann auch sein, daß Du "Ontologie" in einem anderen (traditionellen) Sinn verstehst, als ich in Anlehnung an Mahner/Bunge das tue.

Wir sollten uns einfach darauf einigen, daß jede Theorie empirischer Wissenschaften semantische Annahmen über hypothetisch dinghafte (AKA: "reale") Bezugsobjekte enthalten muß, wenn sie über die banale Erkenntnis hinaus, daß wir unser Weltbild konstruieren, noch sinnvolle Antworten liefern soll. Letztlich lautet die Frage immer, was Theorien modellieren, wenn nicht die Erkenntnis eines hypothetischen Sachverhalts und woran diese eigentlich scheitern, wenn sie scheitern. Das Postulieren ontischer Bezugsobjekte hat daher rein gar nichts mit dem traditionellen Versuch zu tun, Letztbegründungen zu liefern. Es geht einfach nur darum, im Rahmen wissenschaftlichen Arbeitens pragmatische Aussagen über das Sein und Werden der Welt zu erstellen, um damit (wie Du selbst sagst) "tiefere Zusammenhänge" zu erahnen bzw. die Phänomenwelt unter Rekurs darauf zu erklären. Wenn Dir der Begriff "Ontologie" nicht zusagt, sag' halt einfach "allgemeine Lehre über das hypothetische Sein und Werden der Welt" dazu... Mit den Augen rollen

Grüße

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