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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#2191481) Verfasst am: 03.10.2019, 19:24 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: |
Ja, aber zumindest die Bereitschaft, Fehler für möglich zu halten, die Perspektive des anderen zu respektieren und sich auf Fehler hinwiesen zu lassen, ist sehr wohl ein Willensakt. |
Menschen lassen sich aber sehr ungern auf Fehler hinweisen. Das gilt vor allem dann, wenn der Fehler jenseits der Wahrnehmung dessen liegt, der den Fehler begangen haben soll. Das geht so weit, dass manche es als Charakterfehler empfinden, wenn jemand ständig seine Mitmenschen korrigiert, während der Kritisierte es völlig unverschämt findet, dass man meint, ihn deshalb kritsieren zu müssen.
Das unbedarfte Hinweisen auf Fehler löst meist keine Konflikte, sondern schafft neue.
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22261
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(#2191483) Verfasst am: 03.10.2019, 19:46 Titel: |
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Kramer hat folgendes geschrieben: | tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: |
Ja, aber zumindest die Bereitschaft, Fehler für möglich zu halten, die Perspektive des anderen zu respektieren und sich auf Fehler hinwiesen zu lassen, ist sehr wohl ein Willensakt. |
Menschen lassen sich aber sehr ungern auf Fehler hinweisen. Das gilt vor allem dann, wenn der Fehler jenseits der Wahrnehmung dessen liegt, der den Fehler begangen haben soll. Das geht so weit, dass manche es als Charakterfehler empfinden, wenn jemand ständig seine Mitmenschen korrigiert, während der Kritisierte es völlig unverschämt findet, dass man meint, ihn deshalb kritsieren zu müssen.
Das unbedarfte Hinweisen auf Fehler löst meist keine Konflikte, sondern schafft neue. |
(fvm)
Deswegen schrieb ich auch, was in deinem Zitat leider verlorenging, dass das der Reflexion bedürfe. Denn natürlich bedarf es der Begründung und der - möglichst offenen und transparenten - Kontextherstellung, wenn man auf Fehler hinweist.
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#2191484) Verfasst am: 03.10.2019, 19:52 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: |
beachbernie hat folgendes geschrieben: | Ich denke der Ausweg ist der, dass man einfach miteinander lebt und Fehler macht, einander auf die Fehler hinweist und dann zusammen drüber lacht [...] |
Ja, aber zumindest die Bereitschaft, Fehler für möglich zu halten, die Perspektive des anderen zu respektieren und sich auf Fehler hinwiesen zu lassen, ist sehr wohl ein Willensakt.
Und das bedarf auch der Reflexion, deswegen kann ich mit deinem antiintellktuellen Impuls ...
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Die Bereitschaft Fehler für möglich zu halten und gegebenenfalls zuzugeben ist Teil des von mir geforderten "allseitigen guten Willens".
Wer sich selber fuer unfehlbar haelt wird es natürlich immer schwer haben mit anderen Menschen klarzukommen, unabhängig von der Hautfarbe.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2191485) Verfasst am: 03.10.2019, 19:59 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ergänzung: ergoogelte Beispiele (--> "in the DNA of"), die sich nicht auf Biologie (natürlich die Mehrzahl) beziehen:
"in the DNA of all his songwriting"
"in the DNA of the Republican party"
"in the DNA of technical universities
"in the DNA of the organization"
"in the DNA of lotteries"
"in the DNA of Your Business"
Das scheint mir also eher eine ziemlich totgerittene und inhaltlich entleerte Metapher zu sein, wie ich es oben vermutete. Darauf selbst einen Rassismusvorwurf zu bauen, finde ich deutlich zu dünn. |
"DNA" heißt so viel wie "das (naturgemäße) Wesen einer Sache".
Und wenn es das Wesensmerkmal eines Landes sein soll, Afrikaner zu diskriminieren, dann ist das äquivalent zu der Aussage, dass Rassismus das Wesensmerkmal eines Landes sei unter Ausblendung der ökonomisch bedingten Arbeitsteilung.
So ein Wesensmerkmal kann sich dann nur als ein Stück Natur darstellen, während gesellschaftliche Verhältnisse ausgeblendet bleiben.
Wenn man das verallgemeinert, dann hätte jedes Land, jedes *Volk* seine angeborenen Eigenschaften und Wesenheiten.
Der Iwan, nä! Der is nich ohne!
Und der Franzmann, nä!
Ungefähr das Niveau ist das.
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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Bravopunk Sugoi Dekai :D
Anmeldungsdatum: 08.03.2008 Beiträge: 32511
Wohnort: Woanders
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(#2191488) Verfasst am: 03.10.2019, 20:14 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Wenn man das verallgemeinert, dann hätte jedes Land, jedes *Volk* seine angeborenen Eigenschaften und Wesenheiten. |
Nennt sich Kultur. Wobei ich argumentieren möchte, dass Kultur erst dann so richtig Sinn ergibt, wenn man sie auf die gesamte Spezies bezieht und nicht auf regionale Vorlieben beschränkt. (Was dann nämlich nur schlichter Tribalismus ist.)
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Der Iwan, nä! Der is nich ohne!
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Ich mein, das kratzt den doch alles gar nicht. Oder wie siehst du das?
_________________ Das Begräbnis der Freiheit
Kaguya-hime
Kanashikute Yarikirenai
Ceterum censeo Russiam delendam esse!
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2191491) Verfasst am: 03.10.2019, 20:35 Titel: |
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Bravopunk hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Wenn man das verallgemeinert, dann hätte jedes Land, jedes *Volk* seine angeborenen Eigenschaften und Wesenheiten. |
Nennt sich Kultur. Wobei ich argumentieren möchte, dass Kultur erst dann so richtig Sinn ergibt, wenn man sie auf die gesamte Spezies bezieht und nicht auf regionale Vorlieben beschränkt. (Was dann nämlich nur schlichter Tribalismus ist.) |
Könnte man so machen. Aber Kultur hat trotzdem eine materielle Basis und die kann jeweils regional verschieden sein.
Die Verwandlung der Kritik der gesellschaftlichen Basis, der gesellschaftlichen Verhältnisse in bloße Kulturkritik ist eine Entradikalisierung, eine Entschärfung und eigentlich eine Negierung von Kritik.
Bravopunk hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Der Iwan, nä! Der is nich ohne!
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Ich mein, das kratzt den doch alles gar nicht. Oder wie siehst du das? |
Nee, den kratzt das doch alles gar nicht.
Sonst wär' er ja gar kein Iwan, nä!
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22261
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(#2191492) Verfasst am: 03.10.2019, 20:37 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ergänzung: ergoogelte Beispiele (--> "in the DNA of"), die sich nicht auf Biologie (natürlich die Mehrzahl) beziehen:
"in the DNA of all his songwriting"
"in the DNA of the Republican party"
"in the DNA of technical universities
"in the DNA of the organization"
"in the DNA of lotteries"
"in the DNA of Your Business"
Das scheint mir also eher eine ziemlich totgerittene und inhaltlich entleerte Metapher zu sein, wie ich es oben vermutete. Darauf selbst einen Rassismusvorwurf zu bauen, finde ich deutlich zu dünn. |
"DNA" heißt so viel wie "das (naturgemäße) Wesen einer Sache".
Und wenn es das Wesensmerkmal [...] |
Das ist eben die Frage, ob die Metapher "X steckt in der DNA von Y" tatsächlich - wie es der Herkunft aus der Biologie entspricht - bedeutet, X sei ein (unabänderliches, zwangsläufig dazugehöriges und auch in Zukunft nicht zu vermeidendes) Wesensmerkmal einer Sache; oder ob die Metapher sich nicht abgeschwächt hat (wie es ja oft vorkommt) zu "X ist tief in Y verankert". In den von mir ergoogelten Beispielen scheint mir eher letzteres der Fall zu sein (z.B. wenn es eine Aufforderung ist, man solle X in die DNA von Y einbauen, kann es ja logischerweise gar kein unabänderliches Merkmal sein).
Wenn man die Metapher so versteht, ist mMn der Rassismusvorwurf des Artikels aufgrund der Metapher mMn nicht zu halten; und da man sie zumindest so verstehen kann, müsste der Vorwurf mE zumindest auch noch auf anderes gestützt werden.
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2191496) Verfasst am: 03.10.2019, 20:58 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ergänzung: ergoogelte Beispiele (--> "in the DNA of"), die sich nicht auf Biologie (natürlich die Mehrzahl) beziehen:
"in the DNA of all his songwriting"
"in the DNA of the Republican party"
"in the DNA of technical universities
"in the DNA of the organization"
"in the DNA of lotteries"
"in the DNA of Your Business"
Das scheint mir also eher eine ziemlich totgerittene und inhaltlich entleerte Metapher zu sein, wie ich es oben vermutete. Darauf selbst einen Rassismusvorwurf zu bauen, finde ich deutlich zu dünn. |
"DNA" heißt so viel wie "das (naturgemäße) Wesen einer Sache".
Und wenn es das Wesensmerkmal [...] |
Das ist eben die Frage, ob die Metapher "X steckt in der DNA von Y" tatsächlich - wie es der Herkunft aus der Biologie entspricht - bedeutet, X sei ein (unabänderliches, zwangsläufig dazugehöriges und auch in Zukunft nicht zu vermeidendes) Wesensmerkmal einer Sache; oder ob die Metapher sich nicht abgeschwächt hat (wie es ja oft vorkommt) zu "X ist tief in Y verankert". In den von mir ergoogelten Beispielen scheint mir eher letzteres der Fall zu sein (z.B. wenn es eine Aufforderung ist, man solle X in die DNA von Y einbauen, kann es ja logischerweise gar kein unabänderliches Merkmal sein).
Wenn man die Metapher so versteht, ist mMn der Rassismusvorwurf des Artikels aufgrund der Metapher mMn nicht zu halten; und da man sie zumindest so verstehen kann, müsste der Vorwurf mE zumindest auch noch auf anderes gestützt werden. |
Es ist gar nicht so entscheidend, ob man das "DNA" nennt oder "Wesen" bzw. "Art" o.Ä.
Wenn die deutschen Faschisten, Kolonialisten und Imperialisten davon sprachen, "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen!", dann kann man das biologisch verstehen oder auch nicht. Die dahinter stehende vulgäre Denkweise gab es schon lange vor Entdeckung der Gene.
Es ist nicht unbedingt wichtig, wie genau die Ausdrucksweise ist, in der sich die Ideologie von den "Wesenheiten" darstellt. Rassismus findet notfalls auch andere Sprachen. Aber "DNA eines Landes" verweist schon auf die vermeintlich naturgegebene Eigenart einer Nation.
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K.I.Z - Frieden
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44648
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(#2191498) Verfasst am: 03.10.2019, 21:15 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ich glaube aber, sie aus US-amerikanischen Diskussionen schon in ganz verschiedenen Kontexten gehört zu haben (etwas stecke in der DNA einer Partei, eines Unternehmens u.dgl. mehr, so dass diese Metapher vielleicht ziemlich verbreitet ist) in der dieser Bedeutungsteil eher unsinnig wäre und vielleicht geschwunden ist. |
Hab' ich noch nie gehört, und ich habe den leisen Verdacht, dass du da nach einem Strohhalm greifst. Aber selbst wenn nicht, macht das die Sache in ihren Wirkungen eigentlich kaum besser. Die ursprüngliche Bedeutung von "DNA" ist ja nicht einfach völlig verschwunden - gerade in einem derart durch Rassendiskurse geprägten kulturellen Umfeld wie den USA. Du kannst dich ja mal fragen, für wie "neutral" du diese Metapher halten würdest, wenn sie in einem konservativen Diskurs aufgetaucht wäre statt in einem liberalen. (Also zum Beispiel wenn ein konservativer Autor schriebe: Individualismus, Freiheitsrechte und innovatives Denken stecken in der metaphorischen "historischen DNA" Amerikas und insbesondere der weißen Amerikaner.)
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Wenn die Metapher nur - dann relativ weit entfernt vom biologischen Ursprung - bedeuten soll, dass eine historisch-soziale Erscheinung lange, sehr intensiv und unabhängig vom persönlichen Willen der aktuell Beteiligten in einer bestimmten Weise geprägt ist, hielte ich die Aussage für weniger problematisch, auch wenn die Metapher unglücklich bleibt. |
Also du meinst sowas wie die Geschichte der politisch-ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse? Oder was anderes?
...Warum sollte man denn über diese ganze Thematik überhaupt in Metaphern reden statt direkt? Überhaupt eine Metapher als Ausdrucksform zu wählen ist in diesem Fall schon alles andere als neutral. Dass dann ausgerechnet eine biologistische Metapher gewählt wird, macht die Problematik nur noch klarer deutlich. Dadurch wird ein Diskurs auf einem Gleis auf ein anderes Gleis gelenkt.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44648
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(#2191506) Verfasst am: 03.10.2019, 21:54 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Und wenn es das Wesensmerkmal eines Landes sein soll, Afrikaner zu diskriminieren, dann ist das äquivalent zu der Aussage, dass Rassismus das Wesensmerkmal eines Landes sei unter Ausblendung der ökonomisch bedingten Arbeitsteilung.
So ein Wesensmerkmal kann sich dann nur als ein Stück Natur darstellen, während gesellschaftliche Verhältnisse ausgeblendet bleiben. |
Genau. Fast unabhängig von der Frage, ob das nun eine Metapher ist oder nicht, stellt es auch als Metapher interpretiert in seinen tatsächlichen diskursiven Wirkungen beinahe zwangsläufig eine Naturalisierung dar.
Davon abgesehen kann eine Metapher z.B. auch dazu dienen, das mit ihr eigentlich Gemeinte nicht direkt aussprechen oder thematisieren zu müssen. (z.B. "Dog Whistles")
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#2191517) Verfasst am: 03.10.2019, 23:07 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Denn natürlich bedarf es der Begründung und der - möglichst offenen und transparenten - Kontextherstellung, wenn man auf Fehler hinweist. |
Ich glaube nicht, dass das viel ändert.
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#2191527) Verfasst am: 04.10.2019, 00:29 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | beachbernie hat folgendes geschrieben: | Klene, unverdorbene Kinder kriegen das doch auch hin. |
Leider nein.
beachbernie hat folgendes geschrieben: | Ich denke der Ausweg ist der, dass man einfach miteinander lebt und Fehler macht, einander auf die Fehler hinweist und dann zusammen drüber lacht [...] |
Ja, aber zumindest die Bereitschaft, Fehler für möglich zu halten, die Perspektive des anderen zu respektieren und sich auf Fehler hinwiesen zu lassen, ist sehr wohl ein Willensakt.
Und das bedarf auch der Reflexion, deswegen kann ich mit deinem antiintellktuellen Impuls ...
beachbernie hat folgendes geschrieben: | [...] und nicht aus der Fehlervermeidung eine eigene Wissenschaft macht, deren Ergebnisse mit Bierernst allen Leuten aufgezwungen werden und wer sich nicht daran hält, der kommt an den Twitterpranger. Alles, was es dazu braucht, ist vor allem allseitiger guter Wille und keine akademische Abhandlungen über Alltagsrassismus und Rassismus in Sprache. Das muss ueber das Gefühl laufen und weniger ueber den abstrakten Verstand, weil nur dann ist das auch echt und kann vom anderen als echt wahrgenommen werden. |
... nicht so viel anfangen. Ohne darüber nachzudenken, kann man einander nicht auf Fehler hinweisen; und warum soll man da künstlich eine Grenze ziehen?
Dass man dabei nicht verkrampfen sollte, ist zwar vernünftig, aber als so allgemeine AUssage auch ziemlich banal. |
Lass es mich mal an einem selbst erlebten Beispiel erklären worauf es mir ankommt.
Während meines Zivildienstes in einer Behindertenwerkstatt hatte meine direkte Vorgesetzte Margot eine gute Freundin von ihr zu Besuch und wollte der zeigen, wo sie arbeitete. Die Frau kam eines morgens zusammen mit ihrer kleinen Tochter vorbei und Margot stellte sie uns (ausser mir noch zwei andere Zivis) so vor: "Das ist meine Freundin Sarah mit ihrer Tochter. Sie ist Juedin". Bevor wir noch irgendwas anderes ueber diese Frau erfahren hatten, hatte sie schon mal ein grosses Etikett "Juedin" angepappt bekommen. Da übernimmt dann zunächst mal der Kopf das Kommando im Umgang mit ihr. Das ganze Wissen ueber Holocaust und Antisemitismus kommt einem in den Sinn. Man fragt sich unwillkürlich wie man mit "der Juedin" umgehen soll, sollte man die wie ein rohes Ei behandeln oder sich gar bei der irgendwie fuer den Holocaust entschuldigen? Zumindest muss aber rüberkommen, dass man kann Antisemit ist.
Solche Sachen drängen sich automatisch zwischen einen und die neue Bekanntschaft, weil man die nicht mehr unbefangen kennenlernen kann. Man wird unsicher, weil man die Frau überhaupt nicht kennt und keine Chance hat zu wissen wie die worauf reagiert und man will ja "gerade bei Juden" nix falsch machen.
Das ist kacke!
Und ich hatte damals sogar das Gefuehl, dass diese m.E. missglückte Vorstellung jener Sarah auch nicht recht war.
Es were weitaus besser gewesen, wenn Margot uns damals ihre Freundin Sarah so vorgestellt hätte: "Das ist meine Freundin Sarah, die gerade bei mir zu Besuch ist, mit ihrer Tochter." Jetzt ist die Frau nicht "die Juedin Sarah", sondern "der Mensch Sarah" und man kann viel unbefangener und mehr gefühlsmäßig als verstandesmäßig einander "beriechen". Möglicherweise erfährt man dann irgendwann im Laufe der Konversation, dass die Sarah neben vielem anderen auch Juedin ist, aber man starrt nicht sofort auf ein Etikett "Juedin" wie ein Kaninchen auf die Schlange. Man hat inzwischen auch schon einen ersten vorlaeufigen Eindruck von der Frau, weiss vielleicht schon ein bisschen wo es Gemeinsamkeiten gibt und wo Unterschiede und das bedeutet, dass man sein Gegenüber etwas besser einschaetzen kann, was einen wiederum sicherer macht und in die Lage versetzt "normaler" mit diesem Menschen umzugehen.
Sicher ist es bei meinem Beispiel auch wichtig die historischen Fakten zu kennen und auch gängige antisemitische Klischees zu kennen, damit man nicht in jedes Fettnäpfchen tritt, aber dieses mehr abstrakte Wissen sollte ganz am Anfang dem normalen Kennenlernen nicht im Weg stehen. Wichtiger ist zunaechst, dass man in der Lage ist sich gegenseitig unverstellt als Menschen wahrzunehmen und alles andere kommt später, auch wenn man dabei riskiert sich vielleicht doch in einem Fettnäpfchen wiederzufinden. Aber der Umgang mit einer solchen Situation kann ja auch der Anfang eines besseren Verstaendnisses sein.
Und klar ist mein Beispiel nicht so ganz mit dem bisher gesagten vergleichbar, weil man den Leuten ihre juedische Herkunft nicht immer ansieht, waehrend man sich der Wahrnehmung einer Hautfarbe schlecht entziehen kann. Es sollte aber dazu anregen wenigstens zu versuchen die Hautfarbe des Gegenueber zunaechst ganz aussen vor zu lassen und der "Chemie" die Führung zu ueberlassen. Gespräche ueber Rassismus, Sklaverei und Rassendiskriminierung führt man besser, wenn man sich schon ein bisschen kennt und nicht gleich zur Begrüßung!
Dies halte ich fuer erheblich wichtiger als z.B. ständig einen Katalog "problematischer Wörter", die es unbedingt zu vermeiden gilt, mit mir im Kopf herumzutragen.
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#2191541) Verfasst am: 04.10.2019, 12:02 Titel: |
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beachbernie hat folgendes geschrieben: | ...Klene, unverdorbene Kinder kriegen das doch auch hin. |
Na ja, mit zunehmendem Alter neigt man ja dazu, Kinder als unschuldige Seelen zu verklären, eine Erinnerung an die eigene Grundschulzeit sollte aber schon reichen, um diese Einschätzung als Mythos zu erkennen. Wenn ich allein daran denke, welche Spitznamen unsportliche Jungs bei uns so zu erdulden hatten... Ganz zu schweigen von Behinderten: in der dritten Klasse (oder so) kam, wohl als ein frühes Experiment in Sachen Inklusion, ein Mädchen in unsere Klasse. Sie war zwar geistig voll gesund, aber körperlich arg eingeschränkt. Ich weiß nicht genau, was sie hatte, aber sie ging seltsam und ihr ganze Erscheinung war so ziemlich das exakte Gegenteil von dem, was man "anmutig" nennen würde. Sie musste viele Widerwärtigkeiten ertragen, ich erinnere mich z.B. noch, wie es irgendwann ein Spiel in der Klasse gab, bei dem jeder, der dieses Mädchen berührte, "Aids" hatte, das er nur wieder loswerden konnte, indem er es an einem anderen abwischte, der es seinerseits dann wieder los werden musste usw. Um es kurz zu machen: Nach einem Jahr war das Inklusionsexperiment beendet und das Mädchen musste die Klasse wieder verlassen. Ich bin mir recht sicher, dass jeder solche Erlebnisse aus seiner Kindheit kennt. Kinder sind im Allgemeinen kein Stück aufgeschlossener gegenüber Fremden und Andersartigen als Erwachsene Und dazu zeigen sie ihre Abneigung oft noch wesentlich deutlicher.
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#2191544) Verfasst am: 04.10.2019, 12:27 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | beachbernie hat folgendes geschrieben: | ...Klene, unverdorbene Kinder kriegen das doch auch hin. |
Na ja, mit zunehmendem Alter neigt man ja dazu, Kinder als unschuldige Seelen zu verklären, eine Erinnerung an die eigene Grundschulzeit sollte aber schon reichen, um diese Einschätzung als Mythos zu erkennen. Wenn ich allein daran denke, welche Spitznamen unsportliche Jungs bei uns so zu erdulden hatten... Ganz zu schweigen von Behinderten: in der dritten Klasse (oder so) kam, wohl als ein frühes Experiment in Sachen Inklusion, ein Mädchen in unsere Klasse. Sie war zwar geistig voll gesund, aber körperlich arg eingeschränkt. Ich weiß nicht genau, was sie hatte, aber sie ging seltsam und ihr ganze Erscheinung war so ziemlich das exakte Gegenteil von dem, was man "anmutig" nennen würde. Sie musste viele Widerwärtigkeiten ertragen, ich erinnere mich z.B. noch, wie es irgendwann ein Spiel in der Klasse gab, bei dem jeder, der dieses Mädchen berührte, "Aids" hatte, das er nur wieder loswerden konnte, indem er es an einem anderen abwischte, der es seinerseits dann wieder los werden musste usw. Um es kurz zu machen: Nach einem Jahr war das Inklusionsexperiment beendet und das Mädchen musste die Klasse wieder verlassen. Ich bin mir recht sicher, dass jeder solche Erlebnisse aus seiner Kindheit kennt. Kinder sind im Allgemeinen kein Stück aufgeschlossener gegenüber Fremden und Andersartigen als Erwachsene Und dazu zeigen sie ihre Abneigung oft noch wesentlich deutlicher. |
Das sehe ich auch so.
Kindern können grausam sein.
Ich habe meine Kindheit auch nicht so in rosige Erinnerung.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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astarte Foren-Admin

Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46545
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(#2191545) Verfasst am: 04.10.2019, 12:37 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | beachbernie hat folgendes geschrieben: | ...Klene, unverdorbene Kinder kriegen das doch auch hin. |
Na ja, mit zunehmendem Alter neigt man ja dazu, Kinder als unschuldige Seelen zu verklären, eine Erinnerung an die eigene Grundschulzeit sollte aber schon reichen, um diese Einschätzung als Mythos zu erkennen. Wenn ich allein daran denke, welche Spitznamen unsportliche Jungs bei uns so zu erdulden hatten... Ganz zu schweigen von Behinderten: in der dritten Klasse (oder so) kam, wohl als ein frühes Experiment in Sachen Inklusion, ein Mädchen in unsere Klasse. Sie war zwar geistig voll gesund, aber körperlich arg eingeschränkt. Ich weiß nicht genau, was sie hatte, aber sie ging seltsam und ihr ganze Erscheinung war so ziemlich das exakte Gegenteil von dem, was man "anmutig" nennen würde. Sie musste viele Widerwärtigkeiten ertragen, ich erinnere mich z.B. noch, wie es irgendwann ein Spiel in der Klasse gab, bei dem jeder, der dieses Mädchen berührte, "Aids" hatte, das er nur wieder loswerden konnte, indem er es an einem anderen abwischte, der es seinerseits dann wieder los werden musste usw. Um es kurz zu machen: Nach einem Jahr war das Inklusionsexperiment beendet und das Mädchen musste die Klasse wieder verlassen. Ich bin mir recht sicher, dass jeder solche Erlebnisse aus seiner Kindheit kennt. Kinder sind im Allgemeinen kein Stück aufgeschlossener gegenüber Fremden und Andersartigen als Erwachsene Und dazu zeigen sie ihre Abneigung oft noch wesentlich deutlicher. |
Tja sowas liegt aber nicht in der "Natur" von Kindern allgemein, oder ist "gottgegeben" man muss Kinder schon ein wenig anleiten, vorbereiten und begleiten. Sowohl als Eltern, als auch von der Schule aus.
Ich kenne mehrere Grundschulklassen, die Kinder mit zB DownSyndrom sehr lieb aufnehmen und mitnehmen.
Erziehung beinhaltet eben auch, dass man Kindern erzählt, was eine Behinderung ist, wie sie sich auswirkt, wie man damit umgeht. Genauso muss das betreffende Kind vorbereitet werden, und das Schulpersonal muss schon bisschen kompetent sein. Ebenso läuft es bei unterschiedlichen Hautfarben usw. Wurde wohl bei dir und deinen Mitschülern damals versäumt.
Man setzt ja ein Kind auch nicht sobald es nicht mehr runterfällt aufs Fahrrad, schickt es auf die Straße und nimmt ihm das Fahrrad dann wieder weg, weil es sich dort nicht zurecht findet, und denkt es ist halt einfach zu blöd. Man bringt ihm die Verkehrsregeln bei und begleitet es altersgerecht.
_________________ Tja
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44648
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(#2191546) Verfasst am: 04.10.2019, 12:42 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | beachbernie hat folgendes geschrieben: | ...Klene, unverdorbene Kinder kriegen das doch auch hin. |
Na ja, mit zunehmendem Alter neigt man ja dazu, Kinder als unschuldige Seelen zu verklären, eine Erinnerung an die eigene Grundschulzeit sollte aber schon reichen, um diese Einschätzung als Mythos zu erkennen. Wenn ich allein daran denke, welche Spitznamen unsportliche Jungs bei uns so zu erdulden hatten... |
Als Betroffener: Ja, kenne ich. Die Frage ist aber auch, von welchem Alter wir hier reden. Das richtige Mobbing fing bei mir erst ab der fünften Klasse an.
Kinder unter zehn sind so wie ich das sehe eher aus Egoismus oder unreflektierten Impulsen heraus gemein zueinander, und daher bezüglich ihrer Ziele sehr viel willkürlicher.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44648
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(#2191549) Verfasst am: 04.10.2019, 12:53 Titel: |
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beachbernie hat folgendes geschrieben: | Ich denke der Ausweg ist der, dass man einfach miteinander lebt und Fehler macht, einander auf die Fehler hinweist und dann zusammen drüber lacht und nicht aus der Fehlervermeidung eine eigene Wissenschaft macht [...] |
Abgesehen von dem, was tillich dazu schon geschrieben hat: Was du da beschreibst ("Fehler machen und einander auf Fehler hinweisen"), kann man durchaus schon als simplifizierte Beschreibung der wissenschaftlichen Methode sehen.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#2191550) Verfasst am: 04.10.2019, 12:56 Titel: |
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astarte hat folgendes geschrieben: | Zumsel hat folgendes geschrieben: | beachbernie hat folgendes geschrieben: | ...Klene, unverdorbene Kinder kriegen das doch auch hin. |
Na ja, mit zunehmendem Alter neigt man ja dazu, Kinder als unschuldige Seelen zu verklären, eine Erinnerung an die eigene Grundschulzeit sollte aber schon reichen, um diese Einschätzung als Mythos zu erkennen. Wenn ich allein daran denke, welche Spitznamen unsportliche Jungs bei uns so zu erdulden hatten... Ganz zu schweigen von Behinderten: in der dritten Klasse (oder so) kam, wohl als ein frühes Experiment in Sachen Inklusion, ein Mädchen in unsere Klasse. Sie war zwar geistig voll gesund, aber körperlich arg eingeschränkt. Ich weiß nicht genau, was sie hatte, aber sie ging seltsam und ihr ganze Erscheinung war so ziemlich das exakte Gegenteil von dem, was man "anmutig" nennen würde. Sie musste viele Widerwärtigkeiten ertragen, ich erinnere mich z.B. noch, wie es irgendwann ein Spiel in der Klasse gab, bei dem jeder, der dieses Mädchen berührte, "Aids" hatte, das er nur wieder loswerden konnte, indem er es an einem anderen abwischte, der es seinerseits dann wieder los werden musste usw. Um es kurz zu machen: Nach einem Jahr war das Inklusionsexperiment beendet und das Mädchen musste die Klasse wieder verlassen. Ich bin mir recht sicher, dass jeder solche Erlebnisse aus seiner Kindheit kennt. Kinder sind im Allgemeinen kein Stück aufgeschlossener gegenüber Fremden und Andersartigen als Erwachsene Und dazu zeigen sie ihre Abneigung oft noch wesentlich deutlicher. |
Tja sowas liegt aber nicht in der "Natur" von Kindern allgemein, oder ist "gottgegeben" man muss Kinder schon ein wenig anleiten, vorbereiten und begleiten. Sowohl als Eltern, als auch von der Schule aus.
Ich kenne mehrere Grundschulklassen, die Kinder mit zB DownSyndrom sehr lieb aufnehmen und mitnehmen.
Erziehung beinhaltet eben auch, dass man Kindern erzählt, was eine Behinderung ist, wie sie sich auswirkt, wie man damit umgeht. Genauso muss das betreffende Kind vorbereitet werden, und das Schulpersonal muss schon bisschen kompetent sein. Ebenso läuft es bei unterschiedlichen Hautfarben usw. Wurde wohl bei dir und deinen Mitschülern damals versäumt.
Man setzt ja ein Kind auch nicht sobald es nicht mehr runterfällt aufs Fahrrad, schickt es auf die Straße und nimmt ihm das Fahrrad dann wieder weg, weil es sich dort nicht zurecht findet, und denkt es ist halt einfach zu blöd. Man bringt ihm die Verkehrsregeln bei und begleitet es altersgerecht. |
Worum es mir ging war die spontane Abneigung gegen Menschen, die "anders" sind. Die pädagogische Begleitung, von der du sprichst, meint ja letztlich nichts anderes als Maßnahmen gegen diese spontane Abneigung. Und die ist bei Kindern genauso ausgeprägt wie bei Erwachsenen. Nur können Erwachsene damit im Idealfall reflektierter umgehen und das dann auch Kindern vermitteln. Im schlimmsten Fall verschärfen Erwachsene die Probleme nur, indem sie ihre Kinder in diesem Verhalten durch Vorleben noch bestärken. Aber dass Kinder von Natur aus gut und tolerant wären und erst "verdorben" werden müssten, um Verhaltensweisen wie von mir beschrieben an den Tag zu legen, halte ich für naiv.
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Tarvoc would prefer not to.
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(#2191551) Verfasst am: 04.10.2019, 12:57 Titel: |
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Ja, in den USA fängt die Indoktrination oft schon erstaunlich früh an. Kennst du Daten dazu, wie das in anderen Ländern aussieht?
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tarvoc would prefer not to.
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(#2191552) Verfasst am: 04.10.2019, 13:01 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | Worum es mir ging war die spontane Abneigung gegen Menschen, die "anders" sind. [...] Und die ist bei Kindern genauso ausgeprägt wie bei Erwachsenen. |
Genauso? Weiß ich nicht. Kommt wahrscheinlich wieder darauf an, von welcher Altersklasse du redest. Es ist aber auffällig, dass Haarfarbe z.B. seltener als "andersartig" aufgefasst wird als etwa Geschlecht, Hautfarbe oder Behinderungen. Die Auswahl der Merkmale muss eigentlich fast zwangsläufig zumindest bis zu einem gewissen Grad erlernt sein.
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step registriert
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Wohnort: Germering
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(#2191555) Verfasst am: 04.10.2019, 13:08 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ich glaube aber, sie aus US-amerikanischen Diskussionen schon in ganz verschiedenen Kontexten gehört zu haben (etwas stecke in der DNA einer Partei, eines Unternehmens u.dgl. mehr, so dass diese Metapher vielleicht ziemlich verbreitet ist) in der dieser Bedeutungsteil eher unsinnig wäre und vielleicht geschwunden ist. | Hab' ich noch nie gehört ... macht das die Sache in ihren Wirkungen eigentlich kaum besser. Die ursprüngliche Bedeutung von "DNA" ist ja nicht einfach völlig verschwunden - gerade in einem derart durch Rassendiskurse geprägten kulturellen Umfeld wie den USA. Du kannst dich ja mal fragen, für wie "neutral" du diese Metapher halten würdest, wenn sie in einem konservativen Diskurs aufgetaucht wäre statt in einem liberalen. ... |
Ich kann tillich insofern bestätigen, als speziell in Unternehmen der Ausdruck "in unserer DNA" tatsächlich weit verbreitet ist, und zwar inzwischen auch in Deutschland. Der Hintergrund hat (in diesem Fall) gar nichts mit Biologismus oder gar Rassismus zu tun: Ein Unternehmen will, daß sich Kunden und Mitarbeiter möglichst stark mit ihm identifizieren, und gleichzeitig Alleinstellungsmerkmale herausstellen. Denn die Unternehmen erscheinen zunehmend als Anbieter und auch als Arbeitgeber austauschbar. Im internen und externen Marketingsprech wird daher gern suggestiv der o.g. Ausdruck verwendet. Es gibt teure Schulungen, Berater für Schulungen und Schulungen für die Berater usw., die auf diese Weise eine interne und externe Firmenkultur beschwören sollen (funktioniert übrigens meistens nicht, weil man eine Kultur schwer ändern kann, ohne die Struktur zu ändern). Das inzwischen völlig abgegriffene Buzzword "DNA" steht also hier für "tiefe Verankerung" und für "individuelle Besonderheit".
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ... Warum sollte man denn über diese ganze Thematik überhaupt in Metaphern reden statt direkt? Überhaupt eine Metapher als Ausdrucksform zu wählen ist in diesem Fall schon alles andere als neutral. |
Im Fall von Unternehmensmarketing wird gern in solchen Metaphern geredet, weil eine ungeschminkte Tatsachen- oder Zielbeschreibung sehr ernüchternd klingen würde.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Zumsel registrierter User
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(#2191556) Verfasst am: 04.10.2019, 13:10 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Zumsel hat folgendes geschrieben: | Worum es mir ging war die spontane Abneigung gegen Menschen, die "anders" sind. [...] Und die ist bei Kindern genauso ausgeprägt wie bei Erwachsenen. |
Genauso? Weiß ich nicht. Kommt wahrscheinlich wieder darauf an, von welcher Altersklasse du redest. Es ist aber auffällig, dass Haarfarbe z.B. seltener als "andersartig" aufgefasst wird als etwa Geschlecht, Hautfarbe oder Behinderungen. Die Auswahl der Merkmale muss eigentlich fast zwangsläufig zumindest bis zu einem gewissen Grad erlernt sein. |
Ja, natürlich, irgendwann kommen auch die kulturell tradierten Abneigungen dazu. Und in einer ethnisch gemischten Klassen würde Kinder die Hautfarbe wohl auch eher nicht von sich aus als Abweichung empfinden. Den Stotterer oder so würde es aber wohl trotzdem treffen...
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#2191558) Verfasst am: 04.10.2019, 13:17 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | Worum es mir ging war die spontane Abneigung gegen Menschen, die "anders" sind. Die pädagogische Begleitung, von der du sprichst, meint ja letztlich nichts anderes als Maßnahmen gegen diese spontane Abneigung. |
Die "Begleitung" vermittelt von Anfang an Vorurteile (durch Rollen, eigene Präferenzen oder auch nur Mehrheitsverhältnisse). Im Vorschulalter sind schon viele Vorurteile gesetzt - das heißt nicht, daß sie genetisch vererbt werden. Auch in dem von tillich zitierten Test hat man ja bereits stark vorsozialisierte Kinder.
Zumsel hat folgendes geschrieben: | ... Aber dass Kinder von Natur aus gut und tolerant wären und erst "verdorben" werden müssten, um Verhaltensweisen wie von mir beschrieben an den Tag zu legen, halte ich für naiv. |
So weit würde auch ich nicht gehen. Bestimmte Abneigungen, z.B. gegen manche Krankheitssymptome, sind vermutlich genetisch bedingt, ebenso Fähigkeit zu Aggression, Unterordnung u.ä., und vermutlich auch Aspekte der geschlechtichen Präferenzen - aber Gruppenselektion nach Hautfarbe? Glaube ich nicht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44648
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(#2191560) Verfasst am: 04.10.2019, 13:29 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ... Warum sollte man denn über diese ganze Thematik überhaupt in Metaphern reden statt direkt? Überhaupt eine Metapher als Ausdrucksform zu wählen ist in diesem Fall schon alles andere als neutral. |
Im Fall von Unternehmensmarketing wird gern in solchen Metaphern geredet, weil eine ungeschminkte Tatsachen- oder Zielbeschreibung sehr ernüchternd klingen würde. |
Dachte ich mir fast, dass es bei der ganzen Angelegenheit nur um Marketing für die Demokraten geht und nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus.
(Diese kritiklose Übernahme von Unternehmens- und Marketingsprech zeigt dann übrigens auch gleich an, welche ökonomische Klassenbasis dahintersteht.)
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#2191561) Verfasst am: 04.10.2019, 13:37 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ... Warum sollte man denn über diese ganze Thematik überhaupt in Metaphern reden statt direkt? Überhaupt eine Metapher als Ausdrucksform zu wählen ist in diesem Fall schon alles andere als neutral. |
Im Fall von Unternehmensmarketing wird gern in solchen Metaphern geredet, weil eine ungeschminkte Tatsachen- oder Zielbeschreibung sehr ernüchternd klingen würde. |
Dachte ich mir fast, dass es bei der ganzen Angelegenheit nur um Marketing für die Demokraten geht und nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus.
(Diese kritiklose Übernahme von Unternehmens- und Marketingsprech zeigt dann übrigens auch gleich an, welche ökonomische Klassenbasis dahintersteht.) |
Der kommerzielle Leistungssport bedient sich auch gerne solcher Phrasen ("Tore schießen liegt uns einfach in der DNA" etc."). Ob rassistisch oder nicht: Der Rückgriff auf derartigen Werbesprech spricht nicht gerade für die Qualität eines Textes, der ernstgenommen werden will.
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#2191563) Verfasst am: 04.10.2019, 13:55 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ... Warum sollte man denn über diese ganze Thematik überhaupt in Metaphern reden statt direkt? Überhaupt eine Metapher als Ausdrucksform zu wählen ist in diesem Fall schon alles andere als neutral. |
Im Fall von Unternehmensmarketing wird gern in solchen Metaphern geredet, weil eine ungeschminkte Tatsachen- oder Zielbeschreibung sehr ernüchternd klingen würde. |
Dachte ich mir fast, dass es bei der ganzen Angelegenheit nur um Marketing für die Demokraten geht und nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus.
(Diese kritiklose Übernahme von Unternehmens- und Marketingsprech zeigt dann übrigens auch gleich an, welche ökonomische Klassenbasis dahintersteht.) |
Der kommerzielle Leistungssport bedient sich auch gerne solcher Phrasen ("Tore schießen liegt uns einfach in der DNA" etc."). Ob rassistisch oder nicht: Der Rückgriff auf derartigen Werbesprech spricht nicht gerade für die Qualität eines Textes, der ernstgenommen werden will. |
Bzw: Wenn man den Text ernst nimmt, muss man ihn "rassistisch" nennen. Will man ihn nicht rassistisch nennen, muss man ihn gedankenlos nennen und kann ihn wissenschaftlich im Grunde nicht mehr ernst nehmen.
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#2191564) Verfasst am: 04.10.2019, 15:23 Titel: Re: Jenaer Erklärung |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Mit Verlaub, ich hatte smallie gefragt und nicht dich - gerade weil ich deine Antwort schon kenne. ...
smallie hat folgendes geschrieben: | Für die heutige Biologie ist "Rasse" ein viel zu grober Begriff. In der Soziologie macht er noch Sinn, eben wegen der Sekundäreffekte. |
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Es war Quatsch, das in zwei dürre Sätze packen zu wollen. Neuer Versuch.
Ich kann die Menschheit nach ihrem Verwandtschaftsgrad in so viele Untergruppen einteilen, wie die Daten hergeben.
2 Gruppen: Afrikaner und Nicht-Afrikaner.
3 Gruppen: Afrikaner, Eurasier, Südostasier.
5 Gruppen: Afrikaner, Eurasier, Asier, Australier, Ur-Amerikaner
Tausende: ..., alteingesessene Garmischer und Partenkirchener, ...
Das ist relevant für Stammbäume und Wanderungsbewegungen. Oder wenn ich eine Faustregel brauche, ob ich jemandem Milch oder Bier oder ein bestimmtes Medikament geben sollte.
Warum ist Rasse zu grob? Von den genannten Anwendungsfällen abgesehen hat Rasse keine biologische Funktion. Rasse ist keine adaptive Einheit, weil sich Afrikaner, Europäer, Asiaten nicht als Einheit fortpflanzen.
Konflikte finden "in der Nachbarschaft" statt. Angelsachsen gegen Normannen. Basken gegen Spanier und Franzosen. Hutus gegen Tutsis. Zumindest war es die längere Zeit der Menschheitsgeschichte so - Wikinger im Kongo sind schwer vorstellbar. Dann wurde die Karavelle erfunden. Einige Jahrhunderte später standen die Belgier im Kongo.
Ab diesem Moment wird Rasse biologisch/soziologisch wirksam - als zusätzlicher "Marker" für: das sind nicht die unseren. Albigenser konnte man äußerlich nicht von Katholiken unterscheiden, deshalb hieß es per Legende schlicht: bringt sie alle um, der Herr wird die seinen kennen. Bei den Tasmaniern konnte man gezielter vorgehen.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Du vertrittst die These, dass die Einteilung in Rassen nach wie vor sinnvoll ist. smallie vertritt hingegen oben die These, dass sie eigentlich viel zu grob ist, um sinnvoll zu sein. Diese beiden Thesen sind offensichtlich miteinander inkompatibel ... |
Vielleicht hilft obiges weiter, warum es doch kompatibel ist.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Bevor du an smallies Stelle meine an ihn gerichtete und auf seine Behauptung reagierende Nachfrage beantwortest, solltet ihr beide vielleicht erstmal untereinander klären, wer von euch beiden denn nun Recht hat. |
Wir haben natürlich beide recht.
Immer.
Naja, gut. fwo meinte man müsse den Rassebegriff zurückbringen, worauf ich sagte, unglücklich formuliert, der war doch nie weg - siehe die Liste, was die Evolutionsbiologen sagen.
Natürlich hat auch fwo Recht. Rasse gibt es in der deutschen Presselandschaft nur noch in Anführungszeichen.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Die Einteilung einer Spezies in Subspezies kennt keine allgemeinen Regeln |
Und dieses "unscharfe Denken" ist für dich kein Problem, weil...? |
Versetz dich mal in die Lage eines Biologen. Sie probieren es mit scharfem Denken:
Vögel legen Eier.
Säugetiere kriegen Babies.
Und dann kommt das Schnabeltier.
Zitat: | (Kleiner Tipp: Dein vorhergehendes mengentheoretisches Argument, dass, wenn eine feinere Einteilung funktioniert, eine gröbere Einteilung zwingend auch funktioniert, ist nur dann folgerichtig, wenn beide zumindest einigen gemeinsamen allgemeinen Einteilungsregeln folgen.) |
Da sitzt heute keiner mehr und denkt sich Einteilungsregeln für ein Schnabeltier aus.
Letzlich sind es Statistikprogramme, die aus genetischen Daten Korrelationen erstellen.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Bezüglich der Praxis ist dein [fwos] mengentheoretisches Argument, dass wenn die feinere Einteilung funktioniert, die grobere auch funktioniert, aber sogar recht offensichtlich Unsinn. |
Sagst du.
Evolution ist die Einsicht, daß alles von einer oder wenigen Urformen abstammt.
Hab' mir den Spaß gemacht, das für Bienen herauszusuchen.
Code: |
Überfamilie: Apoidea
Teilordnung: Stechimmen (Aculeata)
Unterordnung: Taillenwespen (Apocrita)
Ordnung: Hautflügler (Hymenoptera)
Klasse: Insekten (Insecta)
Unterstamm: Sechsfüßer (Hexapoda)
Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Überstamm: Häutungstiere (Ecdysozoa)
ohne Rang: Urmünder (Protostomia)
ohne Rang: Bilateria
ohne Rang: Gewebetiere (Eumetazoa)
ohne Rang: Vielzellige Tiere (Metazoa)
ohne Rang: Holozoa
ohne Rang: Opisthokonta
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Was es nicht alles gibt!
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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astarte Foren-Admin

Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46545
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(#2191565) Verfasst am: 04.10.2019, 15:33 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: |
Worum es mir ging war die spontane Abneigung gegen Menschen, die "anders" sind. Die pädagogische Begleitung, von der du sprichst, meint ja letztlich nichts anderes als Maßnahmen gegen diese spontane Abneigung. Und die ist bei Kindern genauso ausgeprägt wie bei Erwachsenen. Nur können Erwachsene damit im Idealfall reflektierter umgehen und das dann auch Kindern vermitteln. Im schlimmsten Fall verschärfen Erwachsene die Probleme nur, indem sie ihre Kinder in diesem Verhalten durch Vorleben noch bestärken. Aber dass Kinder von Natur aus gut und tolerant wären und erst "verdorben" werden müssten, um Verhaltensweisen wie von mir beschrieben an den Tag zu legen, halte ich für naiv. |
Die Idee "guter Mensch" (und damit auch "schlechter Mensch") ist mir eh suspekt.
mW funktioniert das anders. Kinder sind idR nicht spontan ablehnend gegenüber Neuem, das "anders" wirkt. Sie sind eher neugierig, irritiert, aber interessiert, wenn sie etwas so noch nicht kennen. (Kind mit merkwürdigen Bewegungen/Aussehen/Verhalten durch eine Behinderung als neuer Mitschüler, plötzlich Mädchen in der Ministrantengruppe, die ersten dunkelhäutigen Nachbarn im Dorf, ein Paar aus zwei Männern...)
Sie suchen nach Mustern, wie man mit diesem Neuen umgeht. Spontane Abneigung kommt vielleicht vor, wenn zB das neue Kind Verhaltenweisen oder Aussehen zeigt, das man sonst eher ablehnt (Sabbern, laute Geräusche machen, stereotype Verhaltensweisen, ungeschickte Bewegungen,.. ) Sie beobachten die Bezugspersonen und die Kinder um sich. Sind in der Klasse forsche Kinder, die gerne mal testen, wie man neue Mitschüler ärgern kann, machen sie das evtl mit. Gehen die forschen Kinder in der Klasse aber neugierig und offen auf die Neuen zu, taugt das vielleicht als Vorbild. Bauen Eltern, oder die Lehrkraft vor und spricht rechtzeitig mit den Kindern, und erklärt, dass man kein besonderes Verhalten braucht, oder wenn ja, welches, oder woher das Merkwürdige kommt, kann es sich daran orientieren. Reagieren Bezugspersonen mit Vorbehalten oder Vorurteilen, übernimmt das Kind diese natürlich auch oft.
_________________ Tja
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26441
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2191569) Verfasst am: 04.10.2019, 16:45 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Das nimmst Du richtig war, das ist auch der Effekt des reverse racism, den Sandra Kostner in ihrer Arbeit zur Identitätslinken Läuterungsagenda, den ich auf der letzten Seite verlinkt habe, festgestellt hat. |
Also für eine Arbeit mit einem solchen Titel finde ich den Preis von 22 Euro ehrlich gesagt ein wenig abschreckend. Da kann ich mir einfach wirklich überhaupt nicht sicher sein, dass das mein Geld wert ist. |
Aber Dich braucht doch der Preis überhaupt nicht zu stören - Du kannst es doch ausleihen. Ganz abgesehen davon, dass man sich nur selten sicher sein kann, dass ein Buch seinen Preis wert ist***, kann ich Dir den Titel leicht erklären: Die Tante wird zwar jetzt mit Freuden überall da zitert bzw. gedruckt, wo man sich selbst als rechts sieht, aber sie ist es nicht. Der Titel ist ihre (in meinen Augen sinnvolle) Interpretation eines Vorgangs, der für sie am Anfang nur unverständlich war. Der erste Auslöser war eine Lehrerin in Australien, die voller Freude davon erzählte, dass sie sich viel besser fühle, seit sie ich entschlossen hatte, ihre Schüler - sie unterrichtete Aborigines - nicht mehr mit Mathematik zu quälen, sondern in den Mathematikstunden stattdessen Kunst mit ihnen machte, was viel besser zu ihrer Kultur passte. Die Autorin hat einige Verhaltensweise gefunden, die ein ähnliches Muster zeigen. Sie hat das dann als soziologisches Thema genommen und sich in dieser Arbeit auch mit den Folgen dieses Verhaltensmusters sowohl bei den direkt Beteiligten als auch bei den unfreiwillig Vereinnahmten befasst.Sie hat sich dann entschlossen, das auch zu veröffentlichen, obwohl ihr viele Freunde davon abgeraten hatten, weil sie sich damit in die Nesseln setzen würde.
*** eine Ausnahme: Ich habe gerade von Grzimeks Enzyklopädie der Tier die 5 Säugerbände plus dem dazugehörigen Registerband aus den Altbeständen der Stadtbücherei für 2€ gekauft, nämlich pro 15cm Buchrücken 1 €. Bereits der Heizwert ist höher.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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