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Hannibal Freiheitskämpfer
Anmeldungsdatum: 07.11.2003 Beiträge: 5062
Wohnort: Wien
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(#223422) Verfasst am: 04.12.2004, 03:11 Titel: Warum ist die Weimarer Republik gescheitert? |
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Einfache Frage.
Das Thema ist sicher nicht so einfach...
Was kann fürs Erste der Hauptgrund gewesen sein?
War es die Weltwirtschaftskrise? War es die Aussenpolitik und die hohen und langwierigen Reparationen, insbesondere für Frankreich?
Oder waren die strukturellen Mängel der Verfassung der eigentliche Keim des Niedergangs der jungen deutschen Demokratie?
Wirtschaftlich hatte diese erste deutsche Republik nicht sehr viel Spielraum. Ihre Hände waren eben an die Reparationen gebunden. Bis 1929 konnte man sich noch mit Krediten halbwegs über Wasser halten. Viele Quellen bestätigen, dass die letzten Jahre vor 1929 von relativer Stabilität und Konsolldierung gekennzeichnet waren. 1928 war man auch schon ziemlich optimistisch, dass sich der deutsche Staat letztendlich bewähren würde.
In Wikipedia behauptet man, dass das Zusammentreffen vieler Probleme zur gleichen Zeit den Untergang der Weimarer Republik bescherten wobei man mit jedem Problem hätte fertig werden können, wenn es einzeln aufgetretten wäre.
Die Weimarer Republik war nämlich eine der demokratischsten Staaten überhaupt. Es gab keine Wehrpflicht. Die Homosexuallität wurde, wenn schon nicht offiziell erlaubt, dann wenigstens einigermassen toleriert.
www.auschwitz.notrix.de hat folgendes geschrieben: | Berlin galt zu diesem Zeitpunkt als "Garten Eden" der internationalen Schwulen und Lesben Szene, und war Zentrum der weltweit ersten homosexuellen Gleichheits- und Rechts Bewegung. |
Die Weimarer Republik war auch durch Kulturelle Vielfalt gekennzeichnet. Intellektuelle genoßen mehr Freiheit, als je zuvor. Auch schien bis 1929 die konservative Tendenz der Bevölkerung zurrück zu gehen.
Trotzdem hatte dieser Staat aller Liberalität und Offenheit nach Aussen zum Trotz von Anfang an wesentlich mehr Mängel gehabt, als viele Menschen heute wahrzunehmen bereit sind.
Wikipedia hat folgendes geschrieben: | Die junge Demokratie trat ein schweres Erbe an:
- Verwaltung und Justiz rekrutierten sich aus dem Personal der Kaiserzeit, auf eine grundlegende Demokratisierung des Beamtenapparats wurde verzichtet – nur das größte Land Preußen bildete mit der Zeit eine Ausnahme. Viele Richter urteilten politisch voreingenommen: rechte Straftäter konnten mit wesentlich milderen Urteilen rechnen als linke – was bereits der zeitgenössische Statistiker Emil Julius Gumbel nachwies.
- Im Ebert-Groener-Pakt unterstellte sich die Heeresführung der neuen Regierung und sicherte ihr gleichzeitig militärische Unterstützung gegen linksradikale Revolutionäre zu. Die spätere Reichswehr entzog sich jedoch unter dem Kommando des Generals Hans von Seeckt weitgehend der demokratischen Kontrolle und führte eine abgesonderte Parallelexistenz als Staat im Staate.
- Der Erste Weltkrieg hinterließ schwere ökonomische und soziale Lasten, die nur teilweise von der Sozialpolitik gelindert werden konnten. Insbesondere die durch den Versailler Vertrag geforderten Reparationen erwiesen sich auch als psychologische Belastung und lieferten den rechten Gegnern der Republik Munition für ihre Agitation gegen die "Erfüllungspolitik".
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Hier der Standpunkt des Autors:
Wikipedia hat folgendes geschrieben: | Gescheitert ist die erste deutsche Republik an einem ganzen Bündel von Ursachen; zu keinem Zeitpunkt war der Weg in die Diktatur zwangsläufig. Allerdings muss man den Hauptakteuren der letzten Phase der Weimarer Republik, Papen, Hindenburg und den Männern hinter den Kulissen – wie dem „in der Verfassung nicht vorgesehenen“ Sohn des Reichspräsidenten Oskar von Hindenburg oder dem Staatssekretär im Reichspräsidialamt Otto Meißner ein durchweg negatives Urteil ausstellen. Verblendet durch Ehrgeiz, in Selbstüberschätzung und mangelnder politischer Urteilsfähigkeit ebneten sie Hitler den Weg an die Macht. Die Verteidiger der Republik gerieten in ihrer Endphase noch stärker in die Minderheit. Bezeichnenderweise war keiner der Präsidentschaftskandidaten von 1932 Thälmann, Hindenburg und Hitler ein Anhänger der Weimarer Republik. Eine gewisse Mitschuld tragen auch die Verteidiger der Republik.
Nach der Ernennung Hitlers konnten sich die demokratischen Parteien nicht auf ein gemeinsames, entschlossenes Vorgehen einigen, das Zentrum hatte teilweise selbst Koalitionen mit der NSDAP erwogen. |
Wichtig zu sagen ist aber noch, dass in der Zeit der Weimarer Republik nur die Wenigsten die Gefährlichkeit Hitlers erkannten. "Mein Kampf" war zwar kein Geheimbuch, doch selbst die meisten, die dies gelesen haben, nahmen den Inhalt nur bedingt ernst. Nur Wenige konnten sich damals ausmalen, über was für eine Macht ein Diktator, der sein Regime entschlossen ergreift, in den Händen halten kann und was für einen Antrieb damals für kaum möglich gehaltene Verbrechen unter den Nazis gewinnen konnten. Ein Mensch, welcher durch die Weltwirtschaftskrise resigniert und am Rande des Verhungerns lebt, ist zu weit mehr fähig, als man es sich im ersten Augenblick vorstellt.
Die meisten haben das NS-Regime eher passiv unterstützt, dh. sich angepasst. Ein System jedoch, wo die Extremisten das Sagen haben und die Masse untätig ist, wird den Willen der Ersteren bestens durchsetzen, während der Rest manipuliert oder, wenn er sich widersträubt, bzw. nicht das Glück hat, zu einer erwünschten Gruppe zu gehören, ausgemerzt wird.
Woran lag nun der Untergang der Weimarer Republik? Was meint ihr?
_________________ Meinungsfreiheit ausnahmslos für alle! Auch für Nazis!
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rabenkrähe Gast
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(#223425) Verfasst am: 04.12.2004, 03:32 Titel: |
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Einmal an der Vielparteierei, dann an den Folgen des Ersten Weltkrieges und dem Diktat der Siegermächte und vor allem an dem Hintergrund von all dem: Dem Übergang vom Feudalismus zur Demokratie.
Keine Zeit steht mehr für die damit verbundenen Irrungen und Wirren, obwohl dieser Prozeß letztlich Jahrhunderte sich zog.
bin raben krähe
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#223445) Verfasst am: 04.12.2004, 05:06 Titel: |
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Zitat: | Diese Frage läßt sich nicht monokausal beantworten, wie das vielfach von der älteren Forschung versucht wurde. Diese rückte z. B. das Verhältniswahlrecht, den Versailler Vertrag, den "deutschen Volkscharakter", die Rolle der Reichswehr oder die Weltwirtschaftskrise in den Mittelpunkt der Betrachtung und erklärte jeweils einen dieser - oder auch andere - Faktoren als hauptverantwortlich für den Niedergang der Republik. Die relativ eingegrenzte Sichtweise früher Forschung war anfechtbar. Urteile ließen sich widerlegen, so daß es zu einer Abkehr von monokausalen Erklärungsversuchen kam. In Übereinstimmung mit Ergebnissen jüngerer und jüngster Forschung läßt sich heute die These vertreten, daß die Frage, warum die Republik scheiterte, nur mit Hilfe eines multikausalen Erklärungsmodells zu beanworten ist.
Dieses Modell, das im Rahmen der Vorlesung vorgestellt werden soll, setzt sich u. a. aus folgenden Komponenten zusammen:
* kriegsbedingte Hypotheken
* institutionelle Rahmenbedingungen
* ökonomische Entwicklung
* sozio-kulturelle Entwicklung
* ideologische Faktoren
* massenpsychologische Momente
* Versagen der republiktragenden Kräfte
* Rolle des Großkapitals sowie einzelner Persönlichkeiten |
http://www.fb1.uni-siegen.de/history/kv/1-9-6.htm
Historische Entwicklungen lassen sich nie monokausal erklären.
Das Leben eines einzelnen Menschen ist schon viel zu komplex, um Entscheidungen anhand eineseinzigen Parameters vorherzusagen oder im nachhinein zu deuten. Umso mehr gilt das für Fragen wie diese hier.
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Hannibal Freiheitskämpfer
Anmeldungsdatum: 07.11.2003 Beiträge: 5062
Wohnort: Wien
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(#223551) Verfasst am: 04.12.2004, 15:51 Titel: |
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rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Einmal an der Vielparteierei, dann an den Folgen des Ersten Weltkrieges und dem Diktat der Siegermächte und vor allem an dem Hintergrund von all dem: Dem Übergang vom Feudalismus zur Demokratie.
Keine Zeit steht mehr für die damit verbundenen Irrungen und Wirren, obwohl dieser Prozeß letztlich Jahrhunderte sich zog.
bin raben krähe |
Es war ja kein direkter Übergang vom Feudalismus zur Demokratie, auch wenn das Kaiserreich gewiss noch viele feudale Strukturen hatte. Aber das feudale Kernelement, nämlich die Grundherrschaft, war ja zumindest theoretisch seit 1848 aufgehoben.
Das Ende des Kaiserreiches war nur eine Krönung des bereits langen Verfallsprozesses der Monarchien.
Ein Monarch ist nichts anderes, als ein Stammeshäuptling, welcher über einen ganzen Staat zu herrschen versucht. In der Industriegesellschaft war dies längst nicht mehr haltbar. Die französische Revolution war eine frühe Warnung an die damaligen veralteten Herrschaftsstrukturen. Aber insbesondere 1820 und 1848 hat nur noch die sogenannte heilige Allianz den Sturz der Monarchien verhindern können. Als 1820 ein Aufstand den spanischen König bereits dabei war, seiner Herrschaft den Todesstoss zu versetzen griff im Rahmen dieser Allianz eine große Streitmacht insbesondere die der Habsburger und des Zaren ein und unterdrückte den Aufstand blutig. Aber schon damals erhielt das damalige System einen schweren Stoss und trotz der Niederlage der Aufständischen, büßte die Autorität der Monarchen drastisch ein. In den meisten Staaten mussten die Könige 1848/49 und Kaiser trotz der Niederschlagung der Aufstände Zugeständnisse machen und teilweise auch Parlamente zulassen.
Aber... Das ist ein anderes Kapitel...
_________________ Meinungsfreiheit ausnahmslos für alle! Auch für Nazis!
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Hannibal Freiheitskämpfer
Anmeldungsdatum: 07.11.2003 Beiträge: 5062
Wohnort: Wien
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(#223552) Verfasst am: 04.12.2004, 15:54 Titel: |
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Noseman hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Diese Frage läßt sich nicht monokausal beantworten, wie das vielfach von der älteren Forschung versucht wurde. Diese rückte z. B. das Verhältniswahlrecht, den Versailler Vertrag, den "deutschen Volkscharakter", die Rolle der Reichswehr oder die Weltwirtschaftskrise in den Mittelpunkt der Betrachtung und erklärte jeweils einen dieser - oder auch andere - Faktoren als hauptverantwortlich für den Niedergang der Republik. Die relativ eingegrenzte Sichtweise früher Forschung war anfechtbar. Urteile ließen sich widerlegen, so daß es zu einer Abkehr von monokausalen Erklärungsversuchen kam. In Übereinstimmung mit Ergebnissen jüngerer und jüngster Forschung läßt sich heute die These vertreten, daß die Frage, warum die Republik scheiterte, nur mit Hilfe eines multikausalen Erklärungsmodells zu beanworten ist.
Dieses Modell, das im Rahmen der Vorlesung vorgestellt werden soll, setzt sich u. a. aus folgenden Komponenten zusammen:
* kriegsbedingte Hypotheken
* institutionelle Rahmenbedingungen
* ökonomische Entwicklung
* sozio-kulturelle Entwicklung
* ideologische Faktoren
* massenpsychologische Momente
* Versagen der republiktragenden Kräfte
* Rolle des Großkapitals sowie einzelner Persönlichkeiten |
http://www.fb1.uni-siegen.de/history/kv/1-9-6.htm
Historische Entwicklungen lassen sich nie monokausal erklären.
Das Leben eines einzelnen Menschen ist schon viel zu komplex, um Entscheidungen anhand eineseinzigen Parameters vorherzusagen oder im nachhinein zu deuten. Umso mehr gilt das für Fragen wie diese hier. |
Stimmt schon. Daher habe ich ja auch nur nach der Hauptursache spekuliert und keine Einzelursache gedeutet.
_________________ Meinungsfreiheit ausnahmslos für alle! Auch für Nazis!
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max registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.07.2003 Beiträge: 3055
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(#223598) Verfasst am: 04.12.2004, 19:07 Titel: |
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Kossuth hat folgendes geschrieben: | Wichtig zu sagen ist aber noch, dass in der Zeit der Weimarer Republik nur die Wenigsten die Gefährlichkeit Hitlers erkannten. |
Das halte ich für eine schlechte Ausrede. Hitler wurde wegen seiner Kriegspläne und seinen Bestrebungen eine Diktatur zu errichten unterstützt. Die Mehrheit der Unterstützer Hitlers dürften auch Antisemiten gewesen sein.
Kossuth hat folgendes geschrieben: | Nur Wenige konnten sich damals ausmalen, über was für eine Macht ein Diktator, der sein Regime entschlossen ergreift, in den Händen halten kann und was für einen Antrieb damals für kaum möglich gehaltene Verbrechen unter den Nazis gewinnen konnten. |
Jeder hätte sich über den Faschismus in Italien informieren können!
Kossuth hat folgendes geschrieben: | Die meisten haben das NS-Regime eher passiv unterstützt, dh. sich angepasst. |
Widerstand ist unter Umständen - alle kollektiven Organisationen, die hätten Widerstand leisten können, waren zerschlagen worden - sehr schwierig. Das Problem ist die Individualisierung des Widerstand, während gleichzeitig der Staat durch (willkürlichen) Terror die Bevölkerung massiv einschüchtert. Fehlernder Widerstand gegen Unterdrückung würde ich auch nicht als "passive Zustimmung" werten.
Kossuth hat folgendes geschrieben: | Woran lag nun der Untergang der Weimarer Republik? Was meint ihr? |
1.) Die damalige herrschende Klasse, insbesondere die Schwerindustriellen und die Militärs, wollten die Zugeständnisse an die Arbeiterklasse aus der Zeit der Novemberrevolution und die Verluste durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg rückgängig machen. Angesichts der Weltwirtschaftskrise gab es keine Grundlage für einen Klassenkompromiss mehr und alle Versuche der Herrschende mit Hilfe der Koalitionen mit der SPD und Präsidialkabinetten ihre Interessen durchzusetzen waren gescheitert. Deshalb setzten sie auf die Nazis, die über eine Massenbasis in den Mittelschichten und dazu über paramilitärische Kräfte (SA) verfügten und so ein Gegengewicht zur Arbeiterklasse darstellten.
2.) Die beiden grossen Arbeiterparteien - SPD, KPD - machten eine desaströse Politik. Die SPD vertraute einen Papier (Verfassung) und weigerte sich diese aktiv zu verteidigen. Sie ignorierten die Gefahr durch die Nazis und hetzten lieber gegen die KPD. Selbst wenn die meisten SPDler aktiv Widerstand leisten wollten - die SPD hatte grössere paramilitärische Kräfte als die NSDAP! - demobilisierte die SPD-Führung, z.B. während des Pappen-Putschs 1932. Auch die KPD machte eine katastrophale Politik. Sie erklärten die SPD zu Sozialfaschisten und ignorierten die Gefahr durch die Nazis. Trotz dieser katastrophalen Politik erhielten die beiden Arbeiterparteien bei der letzten freien Wahl in der Weimarer Republik mehr Stimmen als die NSDAP! Trotz eigentlich guter Bedingungen für revolutionäre Sozialisten massiv an Unterstützung zu gewinnen, gelang es der Linke nicht eine Politik zu machen, die eine Massenunterstützung gewinnen hätte können und die die Nazis hätten schlagen können. Die Versuche der KPO, der SAP und der kleinen trotzkistischen Kräfte eine Einheitsfront der Arbeiterklasse gegen die Nazis zu organisieren, scheiterten an der SPD und KPD.
3.) Angesichts der schweren politischen Fehler der Arbeiterparteien stellte die Linke keine politische Alternative für die Mittelschichten da. Während diese Anfang der 20er mehrheitlich die Arbeiterparteien unterstützten, wandten sich die Mittelschichten in den 30ern mehrheitlich der NSDAP zu und stellte deren soziale Basis da. Der Antisemitismus, Nationalismus, Führerkult und Rassismus der Nazis war eine Ideologie, die den Mittelschichten entgegen kam. Die Mittelschichten waren angesichts der schweren Wirtschaftskrise von einem sozialen Abstieg bedroht, sind aber - im Gegensatz zur Arbeiterklasse - nicht zu kollektiven Widerstand in der Lage, also wehrlos. Die NSDAP vertrat in der Propaganda die Interessen der Mittelschichte - an der Macht aber nur noch die Interessen des Grosskapitals, was ein typisches Merkmal rechter Politik ist.
_________________ Für die AGENDA 3010! 30-Stunden-Woche mit vollen Lohnausgleich und 10 Euro gesetzlicher Mindestlohn!
The only general I like is called strike
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rabenkrähe Gast
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(#223838) Verfasst am: 05.12.2004, 03:42 Titel: |
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Kossuth hat folgendes geschrieben: | rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Einmal an der Vielparteierei, dann an den Folgen des Ersten Weltkrieges und dem Diktat der Siegermächte und vor allem an dem Hintergrund von all dem: Dem Übergang vom Feudalismus zur Demokratie.
Keine Zeit steht mehr für die damit verbundenen Irrungen und Wirren, obwohl dieser Prozeß letztlich Jahrhunderte sich zog.
bin raben krähe |
Es war ja kein direkter Übergang vom Feudalismus zur Demokratie, auch wenn das Kaiserreich gewiss noch viele feudale Strukturen hatte. Aber das feudale Kernelement, nämlich die Grundherrschaft, war ja zumindest theoretisch seit 1848 aufgehoben.
Das Ende des Kaiserreiches war nur eine Krönung des bereits langen Verfallsprozesses der Monarchien.
Ein Monarch ist nichts anderes, als ein Stammeshäuptling, welcher über einen ganzen Staat zu herrschen versucht. In der Industriegesellschaft war dies längst nicht mehr haltbar. Die französische Revolution war eine frühe Warnung an die damaligen veralteten Herrschaftsstrukturen. Aber insbesondere 1820 und 1848 hat nur noch die sogenannte heilige Allianz den Sturz der Monarchien verhindern können. Als 1820 ein Aufstand den spanischen König bereits dabei war, seiner Herrschaft den Todesstoss zu versetzen griff im Rahmen dieser Allianz eine große Streitmacht insbesondere die der Habsburger und des Zaren ein und unterdrückte den Aufstand blutig. Aber schon damals erhielt das damalige System einen schweren Stoss und trotz der Niederlage der Aufständischen, büßte die Autorität der Monarchen drastisch ein. In den meisten Staaten mussten die Könige 1848/49 und Kaiser trotz der Niederschlagung der Aufstände Zugeständnisse machen und teilweise auch Parlamente zulassen.
Aber... Das ist ein anderes Kapitel... |
Es waren ja nicht nur die weltlichen Feudalherren, es waren auch der Kirchenfeudalismus, der aufgehoben wurde. Und insbesondere das 18. bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gab es diese Reibung durch den Verlust an Macht.
Es stiegen ja gleichzeitig andere auf: Der Finanzadel, die Industrieherren, die Verstädterung setzte ein, es kam zu einer Bevölkerungsexplosion und Arbeiter fingen an, REchte einzufordern.
Und all dies ja zum Teil auf Kosten der überkommenen Macht.
Die Weimarer Republik war jedenfalls in Deutschland die erste Zeit, da wirklich die Vielfalt des Lebens und der Ansprüpche eine Rolle spielte, sozuschreiben gleichsam die Frühpubertät der Demokratie.
bin rabenkrähe
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rabenkrähe Gast
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(#223839) Verfasst am: 05.12.2004, 03:48 Titel: |
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2.) Die beiden grossen Arbeiterparteien - SPD, KPD - machten eine desaströse Politik. Die SPD vertraute einen Papier (Verfassung) und weigerte sich diese aktiv zu verteidigen. Sie ignorierten die Gefahr durch die Nazis und hetzten lieber gegen die KPD. Selbst wenn die meisten SPDler aktiv Widerstand leisten wollten - die SPD hatte grössere paramilitärische Kräfte als die NSDAP! - demobilisierte die SPD-Führung, z.B. während des Pappen-Putschs 1932. Auch die KPD machte eine katastrophale Politik. Sie erklärten die SPD zu Sozialfaschisten und ignorierten die Gefahr durch die Nazis. Trotz dieser katastrophalen Politik erhielten die beiden Arbeiterparteien bei der letzten freien Wahl in der Weimarer Republik mehr Stimmen als die NSDAP! Trotz eigentlich guter Bedingungen für revolutionäre Sozialisten massiv an Unterstützung zu gewinnen, gelang es der Linke nicht eine Politik zu machen, die eine Massenunterstützung gewinnen hätte können und die die Nazis hätten schlagen können. Die Versuche der KPO, der SAP und der kleinen trotzkistischen Kräfte eine Einheitsfront der Arbeiterklasse gegen die Nazis zu organisieren, scheiterten an der SPD und KPD.
3.) Angesichts der schweren politischen Fehler der Arbeiterparteien stellte die Linke keine politische Alternative für die Mittelschichten da. Während diese Anfang der 20er mehrheitlich die Arbeiterparteien unterstützten, wandten sich die Mittelschichten in den 30ern mehrheitlich der NSDAP zu und stellte deren soziale Basis da. Der Antisemitismus, Nationalismus, Führerkult und Rassismus der Nazis war eine Ideologie, die den Mittelschichten entgegen kam. Die Mittelschichten waren angesichts der schweren Wirtschaftskrise von einem sozialen Abstieg bedroht, sind aber - im Gegensatz zur Arbeiterklasse - nicht zu kollektiven Widerstand in der Lage, also wehrlos. Die NSDAP vertrat in der Propaganda die Interessen der Mittelschichte - an der Macht aber nur noch die Interessen des Grosskapitals, was ein typisches Merkmal rechter Politik ist.
Moin Max.
Es waren zunächst die sechs Millionen Arbeitslosen, die nach der Wirtschaftskrise Anfang der 30er keine Chance mehr für sich sahen, und ihnen ging es ja mehr als schlecht.
Und viel schlimmer als die desaströse Politik der "Arbeiterparteien" war deren innere Zerstrittenheit und Zerrissenheit.
Nicht wenige Gewerkschafter machten dann ja auch mit der NSDAP gemeinsame Sache.
Die Mittelschicht, insbesondere die Kirchen übrigens, kamen mit der Libertinage und dem Bedeutungsverlust überhaupt nicht klar, deswegen waren auch sie willfährige Steigbügelhalter des Hitlerismus.
Der war "gefragt", weil er für eine klare Linie stand, und die war nur zu vielen weit wichtiger, als mal nach der Substanz zu fragen.
bin raben krähe
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Hatuey registrierter User
Anmeldungsdatum: 26.02.2004 Beiträge: 2821
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(#223860) Verfasst am: 05.12.2004, 11:15 Titel: |
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Wenn man nur die Endphase der Weimarer Republik betrachtet, dann könnte ich behaupten die sie scheiterte an die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch Hindenburg. Dies geschah auf Empfehlung einflussreicher Leute. Anfang 1933 fing die Weltwirtschaft an sich zu erholen, die offiziellen Arbeitslosenzahlen gingen zurück, die NSDAP war zu diesem Zeitpunkt fast Bankrott. Goebelles schrieb in seinen Tagebuch seine Partei würde sich bei den Wahlen zu Tode siegen. Im Jahr zuvor hatte die NSDAP bei den Reichstagswahl Verluste hinnehmen müssen.
Allerdings war die Ernennung nicht das Anfang vom Ende der Weimarer Republik, der erfolgte mit der Verabschiedung des Ermächtigungsgesetz im März 1933 durch den Reichstag mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien.
Schwer zu sagen ob diese Ereignis das Ausschlaggebenede für das Ende der Weimarer Republik war, aber eigentlich hätte Hindenburg Hitler nicht unbedingt zum Reichskanzler ernennen müssen.
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max registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.07.2003 Beiträge: 3055
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(#223878) Verfasst am: 05.12.2004, 12:07 Titel: |
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milhous hat folgendes geschrieben: | Schwer zu sagen ob diese Ereignis das Ausschlaggebenede für das Ende der Weimarer Republik war, aber eigentlich hätte Hindenburg Hitler nicht unbedingt zum Reichskanzler ernennen müssen. |
Die Weltwirtschaft erholte sich eigentlich erst wieder im Zweiten Weltkrieg durch die massive Ausweitung der Kriegsproduktion. Bei der Entscheidung Hindenburgs ist auch zu beachten, dass sie von der Mehrheit der hohen Militärs und der Kapitalisten, also der Mehrheit der herrschenden Klasse unterstützt wurde. Es stimmt allerdings, dass die Anzahl der Stimmen für die NSDAP bei der letzten freien Wahl stark gesunken war, was aber nur deutlich macht, dass die NSDAP eben nicht von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wurde, sondern eben nur von einer signifikanten Minderheit.
rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Es waren zunächst die sechs Millionen Arbeitslosen, die nach der Wirtschaftskrise Anfang der 30er keine Chance mehr für sich sahen, und ihnen ging es ja mehr als schlecht. |
Die Mehrheit der Arbeitslosen wählte aber nicht die NSDAP, sondern die KPD und die SPD.
rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Und viel schlimmer als die desaströse Politik der "Arbeiterparteien" war deren innere Zerstrittenheit und Zerrissenheit. |
Was meinst du mit "innere Zerstrittenheit und Zerrissenheit" der Arbeiterparteien?
rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Nicht wenige Gewerkschafter machten dann ja auch mit der NSDAP gemeinsame Sache. |
So stimmt dies nicht. Ein Teil der Gewerkschaftsfunktionäre versuchte die Gewerkschaften damit zu retten, in dem sie die Regierung Hitler als ganz normale Regierung betrachteten und sogar den 1.5. unter Hackenkreuzfahnen "feierten". Das änderte aber nichts daran, dass auch diese Gewerkschafter - wie die Mehrheit der Gewerkschaftler - zu den ersten Opfern der Nazis gehörten.
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Hannibal Freiheitskämpfer
Anmeldungsdatum: 07.11.2003 Beiträge: 5062
Wohnort: Wien
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(#224028) Verfasst am: 05.12.2004, 20:20 Titel: |
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max hat folgendes geschrieben: | Kossuth hat folgendes geschrieben: | Wichtig zu sagen ist aber noch, dass in der Zeit der Weimarer Republik nur die Wenigsten die Gefährlichkeit Hitlers erkannten. |
Das halte ich für eine schlechte Ausrede. Hitler wurde wegen seiner Kriegspläne und seinen Bestrebungen eine Diktatur zu errichten unterstützt. Die Mehrheit der Unterstützer Hitlers dürften auch Antisemiten gewesen sein. |
Sicher sahen auch viele ihren Nutzen bei dem Programm der Nazis.
max hat folgendes geschrieben: |
Kossuth hat folgendes geschrieben: | Nur Wenige konnten sich damals ausmalen, über was für eine Macht ein Diktator, der sein Regime entschlossen ergreift, in den Händen halten kann und was für einen Antrieb damals für kaum möglich gehaltene Verbrechen unter den Nazis gewinnen konnten. |
Jeder hätte sich über den Faschismus in Italien informieren können! |
Der Faschismus in Italien war eher eine Fortsetzung der italienischen Monarchie und hatte nicht die Strukturen einer modernen Diktatur, daher war es auch nicht dasselbe, wie die moderne Diktatur unter Hitler oder Stalin.
max hat folgendes geschrieben: |
Widerstand ist unter Umständen - alle kollektiven Organisationen, die hätten Widerstand leisten können, waren zerschlagen worden - sehr schwierig. Das Problem ist die Individualisierung des Widerstand, während gleichzeitig der Staat durch (willkürlichen) Terror die Bevölkerung massiv einschüchtert. Fehlernder Widerstand gegen Unterdrückung würde ich auch nicht als "passive Zustimmung" werten. |
Es hängt noch zusätzlich vom Grad der Überwachung und deren Effizienz ab, die unter den Nazis sehr hoch war. Es war kaum möglich Widerstand zu leisten. Selbst geringsten passiven Widerstand zu leisten war unter Hitler sehr schwierig und gefährlich.
Daher konnte sich selbst in den kritischsten Phasen kein ernsthafter Widerstand von innen bilden - weder gegen Hitler noch gegen Stalin.
Bei Mussolini war es anders. Er war leicht von innen zu stürtzen und wurde es auch - noch bevor die Alliierten auf dem italienischen Festland gelandet sind.
Auch in Friedenszeiten tratt bereits ein offenkundiger Widerstand gegen Mussolini hervor.
Es ist also zu kurz gesprungen, in allen Fällen allgemein zu sagen, dass Widerstandslosigkeit eine passive Zustimmung ist. Es war innerhalb der Herrschaften und Systeme sehr verschieden. Es gibt eine große Variationsbreite der Verwaltungseffizienz, des Terrors und auch der Manipulation der Bevölkerung.
max hat folgendes geschrieben: |
1.) Die damalige herrschende Klasse, insbesondere die Schwerindustriellen und die Militärs, wollten die Zugeständnisse an die Arbeiterklasse aus der Zeit der Novemberrevolution und die Verluste durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg rückgängig machen. |
Obwohl Anfang der Dreißiger nur noch eine Minderheit mit der Weimarer Republik zufrieden war, befürwortete de facto keiner die Rückkehr in die Zustände vor dem ersten Weltkrieg - bis vielleicht auf ganz kleine, ultrakonservative Splittergruppen, die jedoch nie eine Bedeutung hatten (ähnlich, wie die bibeltreuen Christen heute).
max hat folgendes geschrieben: | Angesichts der Weltwirtschaftskrise gab es keine Grundlage für einen Klassenkompromiss mehr und alle Versuche der Herrschende mit Hilfe der Koalitionen mit der SPD und Präsidialkabinetten ihre Interessen durchzusetzen waren gescheitert. Deshalb setzten sie auf die Nazis, die über eine Massenbasis in den Mittelschichten und dazu über paramilitärische Kräfte (SA) verfügten und so ein Gegengewicht zur Arbeiterklasse darstellten. |
Nicht direkt. Die Nazis hatten durchaus auch sozialrevolutionäre Elemente in ihrer Politik, wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch gewaltige staatliche Maßnahmen. 1938 bestand sogar ein Arbeitskräftemangel. Die Unternehmer konnten gar nicht an solchen Zuständen interessiert sein. Aber in den meisten anderen Punkten war die NS-Politik tatsächlich auf die Unternehmer ausgerichtet.
max hat folgendes geschrieben: |
2.) Die beiden grossen Arbeiterparteien - SPD, KPD - machten eine desaströse Politik. Die SPD vertraute einen Papier (Verfassung) und weigerte sich diese aktiv zu verteidigen. Sie ignorierten die Gefahr durch die Nazis und hetzten lieber gegen die KPD. |
Soweit ich weis, hetzten sie gegen beide politischen Kräfte ungefähr in gleichem Maß. Ausserdem war die, dem Stalin hörige, KPD nicht weniger gefährlich, als die NSDAP selbst.
max hat folgendes geschrieben: | Selbst wenn die meisten SPDler aktiv Widerstand leisten wollten - die SPD hatte grössere paramilitärische Kräfte als die NSDAP! - demobilisierte die SPD-Führung, z.B. während des Pappen-Putschs 1932. Auch die KPD machte eine katastrophale Politik. Sie erklärten die SPD zu Sozialfaschisten und ignorierten die Gefahr durch die Nazis. Trotz dieser katastrophalen Politik erhielten die beiden Arbeiterparteien bei der letzten freien Wahl in der Weimarer Republik mehr Stimmen als die NSDAP! |
Die KPD war keine demokratische Partei. Während die SPD es, bis auf die dortigen radikalsten Flügel, kompromisslos war.
Die KPD wollte einen kommunistischen (staatskapitalistischen) Staat errichten. Man hätte sie zu einem Plan, die Nazis von der Macht fernzuhalten zwar einbinden können. Aber es ist fraglich, ob dann nicht die KPD so mächtig geworden wäre, dass sie ihrerseits eine stalinistische Diktatur errichtet hätten.
Insgesamt wuchsen die radikalen Kräfte in Deutschland seit der Weltwirtschaftskrise drastisch, wenn auch mit geringen Unterbrechungen. Die NSDAP hatte gegenüber der KPD den Vorteil, dass der allgemeine gesellschaftliche Argwohn gegen linksradikale Bewegungen größer war, als gegen Rechtsextreme, dessen Gefährlichkeit man oft zu unterschätzen pflegte.
Die Menschen fürchteten sich vor Stalin, weil er mit brutalen Mathoden regierte, wie man es sonst kaum kannte. Dass Stalin eine fortschrittliche Politik, besonders in der Wirtschaft und Verwaltung hatte, wie es auch Hitler nach dem Ende der Weimarer Demokratie ähnlich haben sollte, interessierte sie dabei kaum.
Allerdings wurde zu diesem Zeitpunkt eben nur der Kommunismus mit einer so brutalen Politik in Zusammenhang gebracht, während der Nationalsozialismus bis zu seiner Machterlangung keine solche Gelegenheit hatte.
max hat folgendes geschrieben: | Trotz eigentlich guter Bedingungen für revolutionäre Sozialisten massiv an Unterstützung zu gewinnen, gelang es der Linke nicht eine Politik zu machen, die eine Massenunterstützung gewinnen hätte können und die die Nazis hätten schlagen können. Die Versuche der KPO, der SAP und der kleinen trotzkistischen Kräfte eine Einheitsfront der Arbeiterklasse gegen die Nazis zu organisieren, scheiterten an der SPD und KPD. |
War es nicht so, dass diese Splittergruppen auch unter sich teilweise sehr zerstritten waren?
max hat folgendes geschrieben: |
3.) Angesichts der schweren politischen Fehler der Arbeiterparteien stellte die Linke keine politische Alternative für die Mittelschichten da. Während diese Anfang der 20er mehrheitlich die Arbeiterparteien unterstützten, wandten sich die Mittelschichten in den 30ern mehrheitlich der NSDAP zu und stellte deren soziale Basis da. Der Antisemitismus, Nationalismus, Führerkult und Rassismus der Nazis war eine Ideologie, die den Mittelschichten entgegen kam. |
Nicht unbedingt. Ich wüsste zum Beispiel nicht, warum es in der Mittelschicht mehr Rassisten geben oder gegeben haben sollte, als in den anderen.
max hat folgendes geschrieben: | Die Mittelschichten waren angesichts der schweren Wirtschaftskrise von einem sozialen Abstieg bedroht, sind aber - im Gegensatz zur Arbeiterklasse - nicht zu kollektiven Widerstand in der Lage, also wehrlos. |
So würde ich es auch nicht sehen. Die Mittelschichten sind im großen und Ganzen die am meisten arbeitenden und am meisten risikotragenden Schichten. Sie sind es meistens, die neue Unternehmen aufbauen, vergrößern und sie sind oft auch direkt für die Arbeit in ihren Betrieben zuständig. Wenn ein dynamischer Mensch gerade ein Unternehmen im Anfangsstadion unter härtesten Strapazen aufblühen lässt und ihm plötzlich eine Wirtschaftskrise wieder seine Arbeit und oft noch mehr zerstört, dann ist es kein Wunder, dass gerade die Mittelschicht besonders stark von der Krise getroffen wurde. Die Mittelschicht stieg teilweise zum arbeitslosen Proletariat herab. Normalerweise steigen leistungsfähige Menschen von dort zur Mittelschicht wieder auf. Doch die Krise nahm einem oftmals alle Hoffnungen und auch den persönlichen Stolz auf seine Leistung. Viele Menschen versuchten seitdem diesen Stolz im Nationalstolz auszuleben, was sie teilweise sogar in die Hände der Nazis trieb.
max hat folgendes geschrieben: | Die NSDAP vertrat in der Propaganda die Interessen der Mittelschichte - an der Macht aber nur noch die Interessen des Grosskapitals, was ein typisches Merkmal rechter Politik ist. |
Eben nicht unbedingt. Viele einfache Menschen, die immer schon zur Arbeiterklasse gehörten, waren von Hitlers Versprechen, eine Arbeit zu bekommen beeindruckt. Sie waren durch Stalin verschreckt und sahen in Hitler den einzigen Ausweg. In der Wirtschaftskrise, am Boden angelangt, dachte keiner mehr daran, dass es noch viel schlimmer werden könne, obwohl es das aus humanistischer Sicht aber genau wurde...
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rabenkrähe Gast
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(#224294) Verfasst am: 06.12.2004, 04:16 Titel: |
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Hindenburg hat in der Tat eine unglückselige Rolle gespielt. Er war in den Zeiten der Wirren einer der wenigen, zu dem aus allen Richtungen aufgeschaut wurde, daß er die Machtergreifung der NSDAP ermöglichte, ebnete den Verbrechern erst den Weg.
Insbesondere die SPD aber auch die KPD waren in sich sehr zerstritten, es gab militante und es gab friedliche Richtungen, es kam zu Abspaltungen.
All dies schwächte die Arbeiterbewegung ungemeint.
Die Wirtschaft nahm in Deutschland schnell einen Aufschwund, die Arbeitslosigkeit wurde durch Flurbereinigungen, Baumaßnahmen und, natürlich, die Autobahnen eingedämmt.
Natürlich diente das der Kriegsvorbereitung, aber deswegen den Nazis und der Wirtschaft Kumpanei vorzuwerfen, ist hergeholt, auch Unternehmer sterben ungern.
Die Anbiederung von Gewerkschaftlern auf lokaler Ebene ist der verschiedener Kirchenherren sehr ähnlich.
Hier vor Ort beispielsweise machte der damalige Gewerkschaftsboß einfach gemeinsame Sache mit den Nazis, um, was ja verständlich ist, selber zu überleben.
Die Nazis nahmen das gerne an, weil sie so Gewerkschaftler und Arbeiter auf ihre Seite ziehen konnten. Verfolgt wurden die Gewerkschaftler, die Widerstand leisteten.
bin rabenkrähe
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Claudia Simmeringer Nachteule
Anmeldungsdatum: 28.07.2003 Beiträge: 421
Wohnort: Wien
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(#224887) Verfasst am: 07.12.2004, 11:12 Titel: |
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max hat folgendes geschrieben: | Jeder hätte sich über den Faschismus in Italien informieren können! |
Und? Da hätten sie aber sehr wenig über das gelernt, was sich dann in Deutschland entwickeln sollte. Der Nationalsozialismus war nicht die verschärfte Form des italienischen Faschismus, sondern in vieler Hinsicht eine Sonderentwicklung. Die rückwärtsgewandte Germanentümelei mit Thingspielen und ähnlichem okkulten Unfug wäre den italienischen Faschisten z.B. nie eingefallen - die waren kulturell eher vom Futurismus geprägt. Genausowenig haben sie Rassentheorien etwas abgewinnen können. Nicht, dass die Faschisten etwas dagegen hatten, politische Gegener töten zu lassen - aber eine Ausrottungsmaschinerie wie in Auschwitz/Birkenau war in Mussolini-Italien undenkbar.
Nein, für den deutschen Durchschnittsbürger bot der italienische Faschismus eher ein brauchbares Modell als Ausweg aus dem - wie es viele empfanden - Chaos der Nachkriegszeit. Und wenn man politische Berichte aus den 20er-Jahren liest, wir man festellen, dass sich die meisten von Hitlers Machtergreifung auch so ein ähnliches politische Gebilde wie in Italien erwartet haben. Sicher, wer "Mein Kampf" aufmerksam gelesen hat, hätte natürlich erkennen müssen, dass da etwas viel schlimmeres als in Italien drohte. Die wenigsten haben das Buch aber überhaupt gelesen, geschweige denn aufmerksam
Eines steht trotzdem fest: SPD und KPD hätten natürlich schon im eigenen Interesse schärfstens gegen jede faschistische Bewegung auftreten müssen.
_________________ Wenn man vor die Masse tritt und von den hohen Zielen und Aufgaben spricht, die Masse jedoch sieht, wie nach allen Seiten die Mittel verschleudert werden, so wird sie kein Vertrauen haben und ganz richtig sagen: „Arzt, heile dich selbst". - F. E. Dzierzynski
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Hannibal Freiheitskämpfer
Anmeldungsdatum: 07.11.2003 Beiträge: 5062
Wohnort: Wien
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(#225149) Verfasst am: 07.12.2004, 20:00 Titel: |
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Claudia hat folgendes geschrieben: | max hat folgendes geschrieben: | Jeder hätte sich über den Faschismus in Italien informieren können! |
Und? Da hätten sie aber sehr wenig über das gelernt, was sich dann in Deutschland entwickeln sollte. Der Nationalsozialismus war nicht die verschärfte Form des italienischen Faschismus, sondern in vieler Hinsicht eine Sonderentwicklung. Die rückwärtsgewandte Germanentümelei mit Thingspielen und ähnlichem okkulten Unfug wäre den italienischen Faschisten z.B. nie eingefallen - die waren kulturell eher vom Futurismus geprägt. Genausowenig haben sie Rassentheorien etwas abgewinnen können. Nicht, dass die Faschisten etwas dagegen hatten, politische Gegener töten zu lassen - aber eine Ausrottungsmaschinerie wie in Auschwitz/Birkenau war in Mussolini-Italien undenkbar.
Nein, für den deutschen Durchschnittsbürger bot der italienische Faschismus eher ein brauchbares Modell als Ausweg aus dem - wie es viele empfanden - Chaos der Nachkriegszeit. Und wenn man politische Berichte aus den 20er-Jahren liest, wir man festellen, dass sich die meisten von Hitlers Machtergreifung auch so ein ähnliches politische Gebilde wie in Italien erwartet haben. Sicher, wer "Mein Kampf" aufmerksam gelesen hat, hätte natürlich erkennen müssen, dass da etwas viel schlimmeres als in Italien drohte. Die wenigsten haben das Buch aber überhaupt gelesen, geschweige denn aufmerksam
Eines steht trotzdem fest: SPD und KPD hätten natürlich schon im eigenen Interesse schärfstens gegen jede faschistische Bewegung auftreten müssen. |
Wieso rückwärtsgewandt?
Hitlers Diktatur war politisch, administratorisch, militärisch und wirtschaftlich weit erfolgreicher und viel effizienter, als Mussolinis Italien.
Mussolini war aber in den Augen der Menschen, bevor Hitler an die Macht kam dennoch keineswegs unpopulär.
Tatsächlich aber war Mussolini objektiv betrachtet ein bodenloser Versager. Er war auch keineswegs futuristisch. Mussolinis Herrschaft war keine echte Diktatur, sondern nur eine Fortsetzung der monarchistischen Tradition, die in Italien damals stark vertretten war.
Hitler war dagegen ein moderner Diktator, wie auch Stalin. Sie beide zeichneten sich durch bis dahin ungekannte politische Erfolge aus.
_________________ Meinungsfreiheit ausnahmslos für alle! Auch für Nazis!
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rabenkrähe Gast
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(#225308) Verfasst am: 08.12.2004, 04:02 Titel: |
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Hitler ein moderner Diktator?
Du machst aber herbe Scherze.
Hitler war genauso ein Versager wie Mussolini, was nicht verwundert, da beide ihren Haß zur Maxime machten.
Hätte Hitler nur über einen Funken Differenzierungsvermögen verfügt, hätte er die SU, wie zuvor schon diverse andere Länder, in wenigen Monaten erobert und wäre dann ziemlich unanfechtbar geblieben, machtpolitisch gesehen.
Und in der Fortsetzung der Monarchien, besser authoritärer Staatsführung standen die Gestalten damals alle.
Und damit füllten sie Freiräume, die in den Herzen vieler Bürger entstanden waren, die einfach nicht mehr wußten, woran sie sich halten sollten, waren sie es doch gewohnt, daß ihnen dieses vorgegeben worden war.
bin rabenkrähe
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Hannibal Freiheitskämpfer
Anmeldungsdatum: 07.11.2003 Beiträge: 5062
Wohnort: Wien
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(#225520) Verfasst am: 08.12.2004, 16:25 Titel: |
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rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Hitler ein moderner Diktator? |
Sicher.
Zitat: |
Du machst aber herbe Scherze. |
Nein, das ist mein voller Ernst. Habe eh schon öffters darüber gesprochen.
Zitat: |
Hitler war genauso ein Versager wie Mussolini, was nicht verwundert, da beide ihren Haß zur Maxime machten. |
Die Art und Weise, wie sie es gemacht haben unterscheidet sich dennoch fundamental. Mussolini hatte kaum einen organisierten und systematischen Massenmord, wie Hitler.
Mussolini schickte viel lieber Banden auf die Straße...
Hier eine Quelle:
shoa.de/Ideologie/Faschismus hat folgendes geschrieben: |
In noch stärkerem Maß als später die SA bestimmten sie - formiert als sogenannte "squadri" - durch das politische Klima Anfang der 20er Jahre. Allein von Januar bis Mai 1921 wurden mehr als 200 Menschen bei Überfällen der Faschisten getötet. |
Obwohl der Terror unter den Nazis insgesamt stärker war, als unter den Italofaschisten, war er dennoch unter Hitler weit geordneter und besser organisiert. In Mussolinis Italien herrschten jedoch bis zuletzt chaotische Zustände: Räuberbanden, Grundbesitzer... sie alle konnten unter Mussolini ihr Unwesen treiben, während es in Deutschland zu dieser Zeit schon längst ein freies Bauerntum und geordnete Rechtsverhältnisse gab.
Zitat: |
Hätte Hitler nur über einen Funken Differenzierungsvermögen verfügt, hätte er die SU, wie zuvor schon diverse andere Länder, in wenigen Monaten erobert und wäre dann ziemlich unanfechtbar geblieben, machtpolitisch gesehen. |
Er hat letztendlich versagt. Das wird jedoch durch seine überproportionalen Anfangserfolge kompensiert. 1933 war Deutschland militärisch schwach und wurde aussenpolitisch immer noch in Schach gehalten. Selbst 1939 gab es eine große Gefahr, dass Deutschland in einen zwei-Fronten-Krieg verwickelt werden könnte. Frankreich und Großbritannien hätten von der anderen Seite angreifen können, was Deutschland ruiniert hätte, weil erstens die meisten Streitkräfte in Polen kämpften und zweitens sich die wichtigsten Industrieregionen im Westen, also im unmittelbarem Einmarschgebiet der Alliierten befunden hätten.
Aber die Nazis wussten, dass Frankreich nicht angreifen kann, weil es innenpolitisch völlig gespalten war. Großbritannien hatte eher die Bereitschaft anzugreifen, war aber ohne Frankreichs Unterstützung auf dem Festland machtlos.
Der Blitzkrieg in Frankreich erstaunte ebenfalls die Zeitgenossen in Deutschland: Ein Land, gegen welches noch vor kaum mehr als zwei Jahrzehnten man mehr als 4 Jahre lang und blutig mit höchsten Verlusten gekämpft hat und eine schwere Niederlage einstecken musste, wurde unter Hitler binnen weniger Wochen überrant. Als Frankreich kapitulierte, kannte der Jubel der deutschen Nationalisten keine Grenzen.
Zitat: |
Und in der Fortsetzung der Monarchien, besser authoritärer Staatsführung standen die Gestalten damals alle. |
Hitler hat nichts mit den Monarchien zu tun gehabt. Die Nazis distanzierten sich von monarchistischen Bewegungen, weil sie die Schwäche der Monarchien in ihren Grundstrukturen kannten.
Im ersten Weltkrieg brachen die Monarchien nicht deshalb zusammen, weil die Alliierten in Deutschland einmarschiert wären, sondern weil sich die Monarchen innenpolitisch nicht halten konnten.
Im zweiten Weltkrieg mussten die Alliierten dagegen ganz Deutschland einnehmen, bis sie endlich siegten. Selbst als die Nazis nur noch über zersplitterte Teile Deutschlands unter Kontrolle hatten, konnten sie noch immer schlagkräftigen Widerstand leisten.
Zitat: |
Und damit füllten sie Freiräume, die in den Herzen vieler Bürger entstanden waren, die einfach nicht mehr wußten, woran sie sich halten sollten, waren sie es doch gewohnt, daß ihnen dieses vorgegeben worden war.
bin rabenkrähe |
Nein, sie waren es nicht gewohnt. Schließlich wurden die Monarchien im ersten Weltkrieg durch die eigene Bevölkerung gestürtzt.
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rabenkrähe Gast
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(#225778) Verfasst am: 09.12.2004, 04:20 Titel: |
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Es geht um die Herrschaft durch Gewaltherrschaft und Unterdrückung, und die sah Hitler und Mussolini Seite an Seite, die Unterschiede in der Drastik und in den Folgen stehen auf einer anderen Seite.
Ich kann nichts an den Leistungen der Nazis als gut empfinden, weil alles mit der Gewaltherrschaft und der Kriegsvorbereitung zu tun hatte.
(Oder hälst Du die Kirchen für Segensbringer, weil sie ja auch viel Gutes initialisierten??)
Ich hatte nirgends geschrieben, daß die Nazis die Monarchie fortsetzten, natürlich standen sie denen nicht gewogen gegenüber, sie waren ja konkurrierend.
Ihre Herrschaft ist aber machtpolitisch in der Fortsetzung alter Machtstrukturen zu sehen und gerade beim Militär herrschten noch klar monarchistische und sehr authoritäre Strukturen.
bin rabenkrähe
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Hannibal Freiheitskämpfer
Anmeldungsdatum: 07.11.2003 Beiträge: 5062
Wohnort: Wien
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(#226012) Verfasst am: 09.12.2004, 18:52 Titel: |
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rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Es geht um die Herrschaft durch Gewaltherrschaft und Unterdrückung, und die sah Hitler und Mussolini Seite an Seite, die Unterschiede in der Drastik und in den Folgen stehen auf einer anderen Seite. |
Mir geht es aber nicht primär um Gewaltherrschaft und Unterdrückung. Effizienz ist an erster Stelle.
Zitat: |
Ich kann nichts an den Leistungen der Nazis als gut empfinden, weil alles mit der Gewaltherrschaft und der Kriegsvorbereitung zu tun hatte. |
Ich sehe die Nazis auch grundsätzlich als ein großes Übel. Während der "Arisierung", zum Beispiel, wurden viele jüdische, teils sehr gute Fachleute, nur wegen ihrer Rasse, ihres Betriebes enteignet und diese Betriebe wurden oft unerfahrenen Menschen übergegeben, die oftmals bald konkurs melden mussten.
Ich verabscheue jede Vorgangsweise, welche die Menschen nicht nach ihrer Leistung, sondern wegen ihrer zb. schiefen Nase abstempelt. Das schadet der Wirtschaft und ist wider des Sozialbewusstseins.
Die Sache mit den Morden und anderen Verbrechen vieler Nazis sagen auch eine Menge über ein mangelhaftes Sozialbewusstsein aus.
Auf der anderen Seite haben die Nazis eine ganze Nation zentralisiert und geeint, was ein sehr hohes Sozialbewusstsein erfordert.
Jedenfalls will ich auch ihre Leistungen nicht übersehen, welche ich sehr schätze.
Insgesamt jedoch halte ich die Nazis für keine Segensbringer. Ich bin auch entschieden gegen den Ns. Allerdings will ich die Sache objektiv betrachten.
Zitat: |
(Oder hälst Du die Kirchen für Segensbringer, weil sie ja auch viel Gutes initialisierten??) |
Sicher hat auch die Kirche ihre Vorteile. Doch im Falle der Kirche wäre es fast ein Galgenhumor, diese Vorteile gegenüber den unverhältnissmässig überwiegenden Nachteilen entgegen zu setzen, auch wenn man die positiven Seiten der Kirche nicht übersehen darf. Auch nicht die grundsätzliche Relativierung alles "positiven" und "negativen", welche in einer objektiven Betrachtungsweise wichtig ist.
Die Kirche ist jedoch auch heute weit rückständiger als die Nazis. Die Kirche verkörpert vielmehr den Feudalismus. Sie ist mit dem Feudalismus zusammen aufgewachsen und hat sich bis heute von ihm nur halbherzig distanziert.
Von einer Effizienz ist innerhalb der Kirche auch nichts zu bemerken.
Zitat: |
Ich hatte nirgends geschrieben, daß die Nazis die Monarchie fortsetzten, natürlich standen sie denen nicht gewogen gegenüber, sie waren ja konkurrierend. |
Das natürlich auch. Die Nazis warfen den Monarchisten auch ein geradezu verräterisches Versagen im ersten Weltkrieg vor.
Dieser Vorwurf stimmt objektiv gesehen auch. Denn die monarchistischen Strukturen waren spätestens schon seit den Anfängen der industriellen Revolution veraltet. Kein Wunder also, dass Deutschland im ersten Weltkrieg zusammenbrach, noch bevor die Streitmacht der Entente den deutschen Boden überhaupt betrat.
Zitat: |
Ihre Herrschaft ist aber machtpolitisch in der Fortsetzung alter Machtstrukturen zu sehen und gerade beim Militär herrschten noch klar monarchistische und sehr authoritäre Strukturen. |
Nein, eben nicht. Die Strukturen wurden radikal modernisiert und zentralisiert. Das Militär stand unter direkter Kontrolle der NSDAP. Die Soldaten waren unter den Nazis weit disziplinierter als im ersten Weltkrieg und das, obwohl im zweiten Weltkrieg der Krieg unter der Bevölkerung weitaus unpopulärer war, als im ersten Weltkrieg.
Das zeigte sich auch in der offensichtlichen Tatsachen, dass des Militär im ersten Weltkrieg von Meutereien erschüttert war, während die Nazis im zweiten Weltkrieg kaum Probleme damit hatten.
Natürlich ist das Prinzip der autoritären Strukturen erhalten geblieben. Aber genauer betrachtet machten die Nazis aus den autoritären Strukturen totalitäre Strukturen, die zum ersten Mal auch effizient überwacht wurden. Auch war das Militär unter den Nazis auf keinen Fall monarchistisch.
In der Monarchie musste die Politik sich einer allgemeinen Zustimmung der Gesellschaft beugen. Es gab dort keine Strukturen, welche die Regierung hätten frei schalten und walten lassen. Somit war auch die Hierarchie im Militär damals von einer allgemeinen Zustimmung der Bevölkerung oder von der lokalen Gefolgschaft stark abhängig, obwohl es auch damals Geheimdienste, Spitzel und ähnliches gab, waren echte Überwachungsstrukturen nicht flächendeckend vorhanden und viel zu schlecht organisiert. Die Monarchie konnte (das allerdings auch erst seit dem 19. Jh.) sich somit gegen kleine Gruppen Abtrünniger erfolgreich im inneren zur Wehr setzen. Gegen, in Krisenzeiten leicht entstehende, Revolten größerer Gruppen war die Monarchie machtlos, während solche unter den Nazis bereits im Keim erstickt worden wären.
Unter den Nazis war es also grundlegend anders, als unter den Hochstappler-Kaisern.
Unter Hitler wurde weit mehr gedrillt und von oben konnten auch weit anspruchsvollere Befehle weitaus zuverlässiger befolgt werden. Ohne diesen mörderischen Training wären die Soldaten im zweiten Weltkrieg sicher nicht so effecktiv und schlagkräftig gewesen.
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max registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.07.2003 Beiträge: 3055
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(#226122) Verfasst am: 09.12.2004, 22:20 Titel: |
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Claudia hat folgendes geschrieben: | Der Nationalsozialismus war nicht die verschärfte Form des italienischen Faschismus, sondern in vieler Hinsicht eine Sonderentwicklung. Die rückwärtsgewandte Germanentümelei mit Thingspielen und ähnlichem okkulten Unfug wäre den italienischen Faschisten z.B. nie eingefallen - die waren kulturell eher vom Futurismus geprägt. Genausowenig haben sie Rassentheorien etwas abgewinnen können. Nicht, dass die Faschisten etwas dagegen hatten, politische Gegener töten zu lassen - aber eine Ausrottungsmaschinerie wie in Auschwitz/Birkenau war in Mussolini-Italien undenkbar. |
Die "Germanentümelei" und der Antisemitismus sind besondere Merkmale des Nationalsozialismus, rechtfertigen meiner Meinung aber nicht, diesen als eine Sonderentwicklung zu charakterisieren, die mit den zeitgenössischen Faschismen nichts zu tun hat. Die wesentlichen Merkmale waren sehr ähnlich - es war eine Reaktion des Kleinbürgertums auf ihren sozialen Niedergang; eine politische Massenbewegung mit paramilitärischen Kräften (Schwarzhemenden bzw. SA); vertreten wurde Führerkult, Nationalismus und Rassismus (s. Äthiopien und Albanien in Bezug auf den Rassismus Mussolinis!) und diese politische Bewegung wurden von den Kapitalisten als Waffe gegen die Arbeiterbewegung verwendet, um einerseits erhöhte Ausbeutung und andererseits eine aggressive Aussenpolitik durchzusetzen.
Kossuth hat folgendes geschrieben: | Der Faschismus in Italien war eher eine Fortsetzung der italienischen Monarchie und hatte nicht die Strukturen einer modernen Diktatur, daher war es auch nicht dasselbe, wie die moderne Diktatur unter Hitler oder Stalin. |
Weder der Faschismus in Italien, noch der Faschismus in Deutschland waren einfach eine Fortsetzung autoritärer bzw. monarchistischer Traditionen. Der Faschismus ist eine Reaktion des Kleinbürgertums auf die kapitalistische Entwicklung. Der Faschismus richtet sich rhetorisch sowohl gegen die Kapitalisten, als auch die Arbeiterbewegung - praktisch aber nur gegen die Arbeiterbewegung. Aufgrund der sozialen Basis des Faschismus ist es normal, dass der Faschismus auch viele rückwärtsgewandte Elemente erhält. Schliesslich besteht die Basis aus den Resten alter Klassen, die von der kapitalistischen Entwicklung zerrieben werden. In diesem Sinn war natürlich die Diktatur Hitlers und Mussolinis ein Teil der Moderne - und ist das extremste Beispiel für die Widersprüche der kapitalistischen Entwicklung.
Kossuth hat folgendes geschrieben: | max hat folgendes geschrieben: | 1.) Die damalige herrschende Klasse, insbesondere die Schwerindustriellen und die Militärs, wollten die Zugeständnisse an die Arbeiterklasse aus der Zeit der Novemberrevolution und die Verluste durch die Niederlage im Ersten Weltkrieg rückgängig machen. |
Obwohl Anfang der Dreißiger nur noch eine Minderheit mit der Weimarer Republik zufrieden war, befürwortete de facto keiner die Rückkehr in die Zustände vor dem ersten Weltkrieg - bis vielleicht auf ganz kleine, ultrakonservative Splittergruppen, die jedoch nie eine Bedeutung hatten (ähnlich, wie die bibeltreuen Christen heute). |
Die herrschende Klasse befürwortete nicht eine Rückkehr zur Monarchie, sondern eine Rückeroberung der verlorenen Gebiete, Aufrüstung und eine Rücknahme der Zugeständnisse an die Arbeiterklasse.
Kossuth hat folgendes geschrieben: | Die Nazis hatten durchaus auch sozialrevolutionäre Elemente in ihrer Politik, wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch gewaltige staatliche Maßnahmen. 1938 bestand sogar ein Arbeitskräftemangel. Die Unternehmer konnten gar nicht an solchen Zuständen interessiert sein. |
Die Nazis verwendeten in ihrer Wahlkampfpropaganda vor 1933 sozialrevolutionäre Rhetorik, diese spiegelte sich aber nie in ihrer Politik wieder. Der Arbeitskräftemangel 1938 war durch die massive Aufrüstung bedingt und wurde später durch die Zwangsarbeiter im Sinne der Kapitalisten behoben.
Kossuth hat folgendes geschrieben: | Ich wüsste zum Beispiel nicht, warum es in der Mittelschicht mehr Rassisten geben oder gegeben haben sollte, als in den anderen. |
Weil die Mittelschichten zu heterogen sind, um sich kollektiv wehren zu können. Sie sind deshalb besonders anfällig für nationalistische und rassistische Ideen, also nach oben buckeln und nach unten treten.
Kossuth hat folgendes geschrieben: | max hat folgendes geschrieben: | Die Mittelschichten waren angesichts der schweren Wirtschaftskrise von einem sozialen Abstieg bedroht, sind aber - im Gegensatz zur Arbeiterklasse - nicht zu kollektiven Widerstand in der Lage, also wehrlos. |
So würde ich es auch nicht sehen. Die Mittelschichten sind im großen und Ganzen die am meisten arbeitenden und am meisten risikotragenden Schichten. Sie sind es meistens, die neue Unternehmen aufbauen, vergrößern und sie sind oft auch direkt für die Arbeit in ihren Betrieben zuständig. |
Wie gesagt: die Mittelschichten wurden in der Weltwirtschaftskrise deklasiert. In jeder Krisenentwicklung werden die Mittelschichten zugunsten der "Extreme" Reich und Arm zerrieben. Es stimmt zwar, dass im Kapitalismus die Mittelschichten nicht komplett zerstört werden, sondern auch immer wieder erneuert werden. Aber in der Krise bewirkt die Kombination von sozialen Abstieg und Unfähigkeit sich gegen diese zu wehren, dass die Mittelschichten letztendlich nicht in der Lage sind politisch unabhängig zu handeln. Die Mittelschichten sind unter diesen Bedingungen sicher nicht der fortschrittlichste Teil der Gesellschaft, sondern der rückschrittlichste, der die reaktionärsten Ideologien vertritt.
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rabenkrähe Gast
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(#226285) Verfasst am: 10.12.2004, 04:38 Titel: |
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Der Faschismus ist eine Reaktion des Kleinbürgertums auf die kapitalistische Entwicklung. Der Faschismus richtet sich rhetorisch sowohl gegen die Kapitalisten, als auch die Arbeiterbewegung - praktisch aber nur gegen die Arbeiterbewegung. Aufgrund der sozialen Basis des Faschismus ist es normal, dass der Faschismus auch viele rückwärtsgewandte Elemente erhält. Schliesslich besteht die Basis aus den Resten alter Klassen, die von der kapitalistischen Entwicklung zerrieben werden. In diesem Sinn war natürlich die Diktatur Hitlers und Mussolinis ein Teil der Moderne - und ist das extremste Beispiel für die Widersprüche der kapitalistischen Entwicklung.
...
Dem widerspreche ich. Wie noch heute an den Faschos und Rechtsradikalen zu sehen ist, sind das zutiefst gestörte und sehr schlichte Gestalten, die sich auf Kosten anderer in den Mittelpunkt stellen. Andere sind ihnen dabei grundsätzlich völlig egal, ihnen geht es nur um Macht und eigene Vorteile.
Und so war auch der reale politische Faschismus, als er an der Macht war, nicht anders strukturiert. Ob Besitzende, Kirchenleute oder Arbeiterschaft, wer mitzog, war wohlgelitten, wer widerstrebte, wurde zerstört.
Ich würde dem Faschismus sogar die Notwendigkeit absprechen, sich ideologisch wirklich damit auseinanderzusetzen, denn letztlich sind die Knallköppe wenig anderes als äußerst unerfreuliche und gefährliche "Naturgewalt", die einer Eigendynamik unterliegt, der mit den Mittel des Verstandes nicht beizukommen ist.
Eben dies wiederum wirkt auf nicht wenige als Authorität, der sie sich mehr oder weniger freiwillig beugen.
bin rabenkrähe
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max registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.07.2003 Beiträge: 3055
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(#226470) Verfasst am: 10.12.2004, 17:20 Titel: |
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rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Wie noch heute an den Faschos und Rechtsradikalen zu sehen ist, sind das zutiefst gestörte und sehr schlichte Gestalten, die sich auf Kosten anderer in den Mittelpunkt stellen. Andere sind ihnen dabei grundsätzlich völlig egal, ihnen geht es nur um Macht und eigene Vorteile.
Und so war auch der reale politische Faschismus, als er an der Macht war, nicht anders strukturiert. |
Wenn man die Biographien der hohen Nazi-Funktionäre liesst, erkennt man, dass dies ganz "normale Spiessbürger" sind. Es gibt zwar ein paar auffällige Ausnahmen wie Goering, aber die meisten waren typische Vertreter der damaligen Mittelschichten. Das gleiche gilt auch für die heutigen Nazi-Funktionäre. Man darf nicht den Fehler machen, dass man meint, dass die Anhänger der Nazis alles strunzdoofe Typen sind. Es ist zwar eigentlich nicht verständlich, dass ein vernünftiger Mensch Anhänger einer solchen Ideologie werden kann, man muss es aber bedauerlicherweise als Fakt zur Kenntnis nehmen. Auch ohne Betrachtung der Intelligenz der Anhänger der Nazis, muss man aber feststellen, dass sowohl die heutigen, als auch die damaligen Nazis überproportional im Vergleich zur Zusammensetzung der gesamten Gesellschaft Angehörige der Mittelschichten waren.
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rabenkrähe Gast
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(#226652) Verfasst am: 11.12.2004, 04:00 Titel: |
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max hat folgendes geschrieben: | rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Wie noch heute an den Faschos und Rechtsradikalen zu sehen ist, sind das zutiefst gestörte und sehr schlichte Gestalten, die sich auf Kosten anderer in den Mittelpunkt stellen. Andere sind ihnen dabei grundsätzlich völlig egal, ihnen geht es nur um Macht und eigene Vorteile.
Und so war auch der reale politische Faschismus, als er an der Macht war, nicht anders strukturiert. |
Wenn man die Biographien der hohen Nazi-Funktionäre liesst, erkennt man, dass dies ganz "normale Spiessbürger" sind. Es gibt zwar ein paar auffällige Ausnahmen wie Goering, aber die meisten waren typische Vertreter der damaligen Mittelschichten. Das gleiche gilt auch für die heutigen Nazi-Funktionäre. Man darf nicht den Fehler machen, dass man meint, dass die Anhänger der Nazis alles strunzdoofe Typen sind. Es ist zwar eigentlich nicht verständlich, dass ein vernünftiger Mensch Anhänger einer solchen Ideologie werden kann, man muss es aber bedauerlicherweise als Fakt zur Kenntnis nehmen. Auch ohne Betrachtung der Intelligenz der Anhänger der Nazis, muss man aber feststellen, dass sowohl die heutigen, als auch die damaligen Nazis überproportional im Vergleich zur Zusammensetzung der gesamten Gesellschaft Angehörige der Mittelschichten waren. |
.......
In der Führungsclique waren sogar einige kluge und begnadete Leute, denen aber fast grundsätzlich gemein war, sich auf dem Rücken weit unter ihrem Niveau stehender Leute Macht und Bedeutung zu verschaffen.
Mal ganz im ERnst: Meinst Du wirklich, daß es irgendeinen Sinn macht, sich mit faschistischer Ideologie auseinanderzusetzen?
Ich finde, daß das völlig überflüssig ist, weil es wirklich nur um niedere Instinkte von Menschen geht, die da irgendwie institutionalisiert werden und in der Praxis auf niedrigstem Gewaltniveau stehen.
Daß sich in dem Milieu gerade viele Mittelschicht-Leute tummeln, kann ich gut verstehen, sie nervt, nach oben buckeln zu müssen, und von unten bedrängt zu werden, da wirkt gerade auf sie so ein armseliges Gewaltgehabe natürlich stabilisierend.
bin rabenkrähe
ps. Womit ich wahrlich nicht schreiben will, die Typen seien zu unterschätzen, ganz im Gegenteil. Nur zu viele Menschen sind äußerst anfällig für "klare und einfache Lösungen".
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max registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.07.2003 Beiträge: 3055
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(#226693) Verfasst am: 11.12.2004, 11:57 Titel: |
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rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Mal ganz im ERnst: Meinst Du wirklich, daß es irgendeinen Sinn macht, sich mit faschistischer Ideologie auseinanderzusetzen? |
Ja, wobei ich mehr Wert auf die soziale Basis der Faschisten und die gesellschaftlichen Hintergründe, die ihnen an die Macht geholfen haben, legen würde. Diese Fragen sind deshalb wichtig, um eine Wiederholung zu verhindern.
Die Anfälligkeit für "klare und einfache Lösung" ist natürlich gegeben. Aber momentan bewirkt dies mehr eine Unterstützung für die neoliberalen Verzichtsideologien mit ihren primitiven Version der klassischen Wirtschaftstheorie von Say & Co. Aber dies ist schon schlimm genug. Nur spricht nichts dafür, dass sich die Situation politisch und ökonomisch verbessert, sondern alles dafür, dass die wirtschaftliche Probleme - unabhängig von der aktuellen Konjunkturlage - schwerer werden und die politischen Verhältnisse instabiler. D.h. die "Volksparteien" werden weiter massiv Anhänger und Mitglieder verlieren. Momentan versuchen sie mit Nationalismus Unterstützung zu gewinnen, da ihr wirtschaftliches Programm ja nur die oben genannten "Primitivlinge" und Privilegierte anspricht. Diese Förderung von Nationalismus und Rassismus (getarnt als Kritik am Islam) spielt natürlich den Faschisten in die Hände.
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rabenkrähe Gast
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(#226923) Verfasst am: 12.12.2004, 05:22 Titel: |
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max hat folgendes geschrieben: | rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Mal ganz im ERnst: Meinst Du wirklich, daß es irgendeinen Sinn macht, sich mit faschistischer Ideologie auseinanderzusetzen? |
Ja, wobei ich mehr Wert auf die soziale Basis der Faschisten und die gesellschaftlichen Hintergründe, die ihnen an die Macht geholfen haben, legen würde. Diese Fragen sind deshalb wichtig, um eine Wiederholung zu verhindern.
Die Anfälligkeit für "klare und einfache Lösung" ist natürlich gegeben. Aber momentan bewirkt dies mehr eine Unterstützung für die neoliberalen Verzichtsideologien mit ihren primitiven Version der klassischen Wirtschaftstheorie von Say & Co. Aber dies ist schon schlimm genug. Nur spricht nichts dafür, dass sich die Situation politisch und ökonomisch verbessert, sondern alles dafür, dass die wirtschaftliche Probleme - unabhängig von der aktuellen Konjunkturlage - schwerer werden und die politischen Verhältnisse instabiler. D.h. die "Volksparteien" werden weiter massiv Anhänger und Mitglieder verlieren. Momentan versuchen sie mit Nationalismus Unterstützung zu gewinnen, da ihr wirtschaftliches Programm ja nur die oben genannten "Primitivlinge" und Privilegierte anspricht. Diese Förderung von Nationalismus und Rassismus (getarnt als Kritik am Islam) spielt natürlich den Faschisten in die Hände. |
Gut.
Die wirtschaftlichen Aspekte sollten wir vielleicht im thread Kapitalismus weiterführen, Neosozialisten, Neokonservative, Neoliberale, Neomoslems und Neochisten werden nämlich schon noch merken, daß der derzeitige Kurs auf Kosten der Kaufkraft geht und somit ein bißchen kontraproduktiv ist, was nach den Gesetzen des Marktes dann schon seine Folgen zeitigen wird.
Aber das Morgen an anderer Stelle.
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Sicher, um es zu verhindert macht die Auseinandersetzung mit dem Faschismus Sinn.
Nur: Wie willst Du niedere Instinkte und die Bereitschaft zu scheineinfachen Lösungen verhindern?
Sie liegen letztlich in der Natur menschlicher Bequemlichkeit.
Wie würdest Du Faschismus definieren, wie Nationalsozialismus?
bin rabenkrähe
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max registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.07.2003 Beiträge: 3055
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(#229026) Verfasst am: 16.12.2004, 16:10 Titel: |
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rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Sicher, um es zu verhindert macht die Auseinandersetzung mit dem Faschismus Sinn.
Nur: Wie willst Du niedere Instinkte und die Bereitschaft zu scheineinfachen Lösungen verhindern?
Sie liegen letztlich in der Natur menschlicher Bequemlichkeit. |
Zuerst muss man feststellen, dass Dikturen und insbesondere der Faschismus von der "Elite" ausgeht. Also von den gebildeten Teilen der Mittelschichten und von der herrschenden Klasse. Faschismus wird nicht durch "scheineinfache" Lösungen verursacht, sondern ist ein Ergebnis des Klassenkampf der kapitalistischen herrschenden Klasse, die mittels der Mittelschichten die Organisationen der Arbeiterklasse und insgesamt alle demokratischen und vom Regime unabhängigen Organisationen zerstört. "Scheineinfache" Lösungen sind zwar ein Problem, z.B. der Glauben durch parlamentarische Demokratie etwas ändern zu können, ohne die realen Machtverhältnisse in der Gesellschaft zu berücksichtigen oder Glaube an die unsichtbare Hand des Marktes. Aber so allgemein hilft uns dies nicht weiter. Die menschliche Bequemlichkeit hilft uns hier als Begründung ebenso nicht weiter. Es gibt mehr als genug Beweise dafür, dass Millionen aktiv handeln können und alles dafür machen, um etwas zu erreichen. Nur geschieht so etwas natürlich nicht dauernd, sondern nur, wenn die Gelegenheit da ist, etwas zu ändern.
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Hans-Peter registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.12.2004 Beiträge: 551
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(#229078) Verfasst am: 16.12.2004, 18:39 Titel: |
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Zitat: | Zuerst muss man feststellen, dass Dikturen und insbesondere der Faschismus von der "Elite" ausgeht. Also von den gebildeten Teilen der Mittelschichten und von der herrschenden Klasse. Faschismus wird nicht durch "scheineinfache" Lösungen verursacht, sondern ist ein Ergebnis des Klassenkampf der kapitalistischen herrschenden Klasse, die mittels der Mittelschichten die Organisationen der Arbeiterklasse und insgesamt alle demokratischen und vom Regime unabhängigen Organisationen zerstört. |
Jede politische Bewegung, welche die Entwicklungsrichtung einer Gesellschaft beeinflusst, wird von einer Elite geführt. Diese Elite muß aber, um in der modernen Massengesellschaft schlagkräftig zu sein und zum Zuge zu kommen, sich auf eine Massenbasis stützen können. Je umfassender die angepeilten Veränderungen und je schneller diese durchgeführt werden sollen, um so größer muß diese Basis sein. Es kommt dabei nicht auf die Aktivität dieser Masse an, sondern auf ihre stillschweigende Zustimmung. Diese stützt sich im Regelfall nicht auf die tatsächlichen Vorhaben der Elite, sondern auf das, was die Masse als diese Vorhaben annimmt. Die Masse des Proletariats war und ist nicht revolutionär. Deshalb wird sie von einer „Avantgarde“ mitgerissen werden, welche den Keim der Aufwiegelung in die Masse trägt. Ohne eine solche Elite, nutzt die verelendeste und erbarmungswürdigste Masse eine sogenannte „revolutionäre Situation“ nicht zu einem gesellschaftlichen Umsturz. Diese Eliten entstammen naturgemäß allesamt der Mittelschicht, da diese Trägerin der Bildung ist und noch aufsteigen kann. Aus der herrschenden Oberschicht entstammt sie naturgemäß nicht, denn wer oben steht, braucht keine gesellschaftliche Veränderung, um die Macht sich zu reißen. Ein kleiner Putsch, mittels dem ein Regierungswechsel herbeigeführt wird, tut es dann auch. Dieses gilt sowohl für den Faschismus als auch den Kommunismus. Es ist wahrscheinlich ein Gesetz der modernen Politik. Die Masse kann nie komplexe Sachverhalte begreifen. Deshalb wird in der politischen Auseinandersetzung immer mit Halbwahrheiten, Übertreibungen und Vereinfachungen gearbeitet. Auf allen Seiten. Das alles ist eine Folge der „Modernisierung“ der Gesellschaft.
Die einfache Formel: „Faschismus... ist ein Ergebnis des Klassenkampf der kapitalistischen herrschenden Klasse, die mittels der Mittelschichten die Organisationen der Arbeiterklasse und insgesamt alle demokratischen und vom Regime unabhängigen Organisationen zerstört.“ erinnert an die Faschismus-Definition der Komintern: „Faschismus ist die offen Diktatur der reaktionärsten Kräfte des Monopolkapitals“ Dies ist eine marxistische Kampfdefinition, eine Handreichung zur eigenen Propaganda gegen die politischen Gegner, weiter nichts. Sie ist nicht geeignet, die Realität abzubilden. Dafür wurde sie auch nicht erdacht.
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max registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.07.2003 Beiträge: 3055
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(#229228) Verfasst am: 17.12.2004, 01:32 Titel: |
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Hans-Peter hat folgendes geschrieben: | Aus der herrschenden Oberschicht entstammt sie naturgemäß nicht, denn wer oben steht, braucht keine gesellschaftliche Veränderung, um die Macht sich zu reißen. |
Meine Argumentation war, dass die herrschende Klasse die Nazis brauchten, um ihre Politik durchsetzen können. Sie haben es mit Koalitionsregierungen mit SPD versucht - und sind gescheitert. Sie haben es mit autoritären Präsidialkabinetten inklusive eines Putschs gegen die SPD-Regierung in Preussen versucht - und sind gescheitert. Erst mit den Nazis mit ihrer Massenbais aus den Mittelschichten konnten die Herrschenden ihre Ziele - Rücknahme der Zugeständnisse von 1918/19 an die Arbeiterklasse und eine militärische Expansionspolitik - durchsetzen.
Sätze wie "die Masse kann keine komplexen Zusammenhänge begreifen" zeugen nur von Fatalismus und Verachtung demokratischer Ideen. Wenn man schon komplexe Zusammenhänge begreifen will, sollte man sich z.B. mal die Unterschiede in der sozialen Zusammensetzung zwischen den Arbeiterparteien und den Faschisten 1933 anschauen.
Hans-Peter hat folgendes geschrieben: | Ohne eine solche Elite, nutzt die verelendeste und erbarmungswürdigste Masse eine sogenannte „revolutionäre Situation“ nicht zu einem gesellschaftlichen Umsturz. |
Verelendung macht niemanden revolutionär und ist auch nicht die Voraussetzung für eine revolutionäre Situation. Die Masse ist eben nicht beliebig durch eine Avangarde (oder die herrschende Klasse) manipulierbar. Eine revolutionäre Situation ergibt sich kurzgesagt dann, wenn die Herrschenden nicht mehr weiter können und die Beherrschten nicht mehr weiter wollen. In diesem Sinn gab es 1933 eine revolutionäre Situation. Aber diese endete nicht mit einer Revolution, sondern mit einer Konterrevolution gegen die Errungenschaften der Revolution von 1918/19.
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rabenkrähe Gast
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(#229252) Verfasst am: 17.12.2004, 04:30 Titel: |
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max hat folgendes geschrieben: | rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Sicher, um es zu verhindert macht die Auseinandersetzung mit dem Faschismus Sinn.
Nur: Wie willst Du niedere Instinkte und die Bereitschaft zu scheineinfachen Lösungen verhindern?
Sie liegen letztlich in der Natur menschlicher Bequemlichkeit. |
Zuerst muss man feststellen, dass Dikturen und insbesondere der Faschismus von der "Elite" ausgeht. Also von den gebildeten Teilen der Mittelschichten und von der herrschenden Klasse. Faschismus wird nicht durch "scheineinfache" Lösungen verursacht, sondern ist ein Ergebnis des Klassenkampf der kapitalistischen herrschenden Klasse, die mittels der Mittelschichten die Organisationen der Arbeiterklasse und insgesamt alle demokratischen und vom Regime unabhängigen Organisationen zerstört. "Scheineinfache" Lösungen sind zwar ein Problem, z.B. der Glauben durch parlamentarische Demokratie etwas ändern zu können, ohne die realen Machtverhältnisse in der Gesellschaft zu berücksichtigen oder Glaube an die unsichtbare Hand des Marktes. Aber so allgemein hilft uns dies nicht weiter. Die menschliche Bequemlichkeit hilft uns hier als Begründung ebenso nicht weiter. Es gibt mehr als genug Beweise dafür, dass Millionen aktiv handeln können und alles dafür machen, um etwas zu erreichen. Nur geschieht so etwas natürlich nicht dauernd, sondern nur, wenn die Gelegenheit da ist, etwas zu ändern. |
Ne Du, wenn ich an die ersten bierseligen Auftritte Hitlers und seiner Gefolgschaft in bayerischen Kneipen-Hinterzimmern denke, hatte das verdammt wenig mit Elite zu tun.
Höchsten mit der Elite menschlicher Abgründe.
Und die ganze Rechts-Entwicklung der Weimarer Republik sehe ich in einer äußerst hohlen Gegnerschaft zu Linken, zur Demokratie und zur Selbstbestimmung von Menschen.
Deswegen fällt mir angesichts des Faschismusses und Nationalsozialismusses auch eine ideologische Zuordnung sehr schwer. Außer dem "Recht des Stärkeren" sehe ich da nicht viel, sondern eine Fundierung auf dem, was nicht gewollt ist, auf Haß und zelebrierter Gegnerschaft zu irgendwas.
Und die von Dir genannten Eliten wollten höchstens die Faschisten benutzen, im Sinne ihres Authorität-Verständnisses, und würden dann selbst vom Haß dieser Gesellen gefressen und von ihnen funktionalisiert.
Wenn überhaupt, dann waren es militärische Eliten, bei denen die hackenschlagenden Irren landen konnten, dazu paßten sie ja auch gut- ((
Aber sonst haben gerade die mit Eliten äußerst wenig gemein.
bin rabenkrähe
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#229276) Verfasst am: 17.12.2004, 09:49 Titel: |
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rabenkrähe hat folgendes geschrieben: |
Wenn überhaupt, dann waren es militärische Eliten, bei denen die hackenschlagenden Irren landen konnten, dazu paßten sie ja auch gut- (( |
Eigentlich nicht. Die militärischen Eliten damals waren überwiegend noch Adelige und die wollten mit dem nationsialistischen "Pöbel" zunächst nix zu tun haben.
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max registrierter User
Anmeldungsdatum: 18.07.2003 Beiträge: 3055
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(#229300) Verfasst am: 17.12.2004, 11:45 Titel: |
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Noseman hat folgendes geschrieben: | Die militärischen Eliten damals waren überwiegend noch Adelige und die wollten mit dem nationsialistischen "Pöbel" zunächst nix zu tun haben. |
Es war aber die Reichswehr, die Hitler von anfang unterstützt hat. Hitler hat ja als Spitzel der Militärs begonnen. Zeitweise nutzten die Militärs Hitler und Gesinnungsgenossen (die Freikorps!!) nur im Kampf gegen die Arbeiterbewegung, unterstützten sie aber nicht bei der Machtergreifung (1923). 1933 unterstützte aber die Mehrheit der hohen Militärs die Regierungsübernahme Hitlers.
rabenkrähe hat folgendes geschrieben: | Ne Du, wenn ich an die ersten bierseligen Auftritte Hitlers und seiner Gefolgschaft in bayerischen Kneipen-Hinterzimmern denke, hatte das verdammt wenig mit Elite zu tun.
Höchsten mit der Elite menschlicher Abgründe. |
Hitler wurde schon damals von Teilen der herrschenden Klasse und hohen Militärs (z.B. Luddendorf, der ehemalige Militärdiktator des Ersten Weltkriegs) unterstützt. Seine Gefolgschaft bestand damals grösstenteils aus ehemaligen Offizieren und anderen Angehörigen der Mittelschichten. Hitler wäre 1933 nie an die Regierung gekommen, wenn ihn nicht die meisten Kapitalisten, die hohen Militärs und die bürgerlichen Parteien unterstützt hätten, ihn an die Regierung gebracht haben, um ihn als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele zu benutzen. Damit waren sie im wesentlichen auch erfolgreich - wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte.
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