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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#226744) Verfasst am: 11.12.2004, 15:56 Titel: |
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Hi Martin,
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Der ontische Bereich ist schlicht und ergreifend was da alles um uns herum so evolviert. Wir _beschreiben_ das Ganze und versuchen, die _Mechanismen_ zu finden. Der Knackpunkt, um den es hier geht, ist, ob es eine _schöpferische_ Selektion gibt, |
Wie Lamarck schon begründet hat, ist Selektion nie schöpferisch, |
unter den _Anhängern_ der STE ist expressis verbis explizit davon die Rede, dass Selektion _schöpferisch_ sein _muss_. Lies beispielsweise den Artikel von Reif, Junker und Hoßfeld, den Du auf die Site der Evolutionsbiologen gestellt hast.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | auch wenn das einige so sehen. |
Leider sind diese 'einige' die, die die reine Lehre der STE vertreten.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Selbst in der STE ist der GENeratior immer die Mutation. |
Oder auch die Rekombination.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Der Unterschied zur STE ist halt, daß es statt einer Umwelt mehrere "Ebenen" der Umwelten bzw. eine Mehrschichten-Selektion gibt. Wo ist jetzt das Problem? |
Dass Dir niemand so genau sagen kann, was 'STE' ist und noch weniger, was 'Systemtheorie' ist. Und dass es dann keinen Sinn macht, vollmundig Kompatibilitäten, Ergänzungen, Erweiterungen oder weiß der Herr was zu benamsen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | und, falls ja, wie diese konkret funktioniert, oder, falls nicht, welche weiteren _Mechanismen_ es noch geben könnte. |
Stimmt, und? Auch wenn noch so viele epigentische Mechanismen hinzukommen, sehe ich den radikalen Bruch zur STE nicht. |
Weil Dir vielleicht noch gar nicht klar ist, was STE sensu strictu bedeuten könnte?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Die Menschen, die ich oben zitiert haben, offenbar ebenso wenig. |
Und welche davon waren System_theoretiker_? Diese Frage hast Du noch nicht beantwortet.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Und vor allen Dingen: wo sind Deine "zwei Phasen" und wie unterscheidest Du die? |
Sag ich noch.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | IMAO wird unter Einbeziehung weiterer Mechanismen lediglich die Erklärung tiefer, was aber weder heißt, daß die Erklärung der STE grundlegend falsch sein muß, noch, daß sich die "Wirklichkeit" in zwei distinkt unterscheidbare Prozesse "aufteilt". |
Wie gesagt, definiere erst mal, was 'STE' ist und was Du unter 'Systemtheorie' verstehst, lies dazu vielleicht System_theoretiker_ und nicht nur die Autoren, die Du genannt hast.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Und nun wäre es an Dir oder wenigstens an den Dir nicht bekannten Systempäpsten, ein paar klare Worte diesbezüglich zu sagen. |
Ich hatte mich schon erklärt. Auch ein paar Zitate hatte ich geliefert. Zu welchen "klaren Worten" soll man sich denn noch bekennen? |
Okay. Wenn das klare Worte von System_theoretikern_ waren, ist der Fisch geschuppt.
Grüßle
Thomas
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#226755) Verfasst am: 11.12.2004, 16:16 Titel: |
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Hi Thomas,
sorry, da hat sich 'was überschnitten - ich hatte gerade noch einen Nachtrag angehängt. Vielleicht liegt das Problem, über das wir uns kabbeln, jenseits der biologischen Fakten.
Ich vermute, wir sollten erst einmal klären, was genau eigentlich eine Erklärung ist, ob es jemals vollständige Theorien wird geben können und ob eine allgemeine Theorie nur sinnloses "Wortgeklingel" enthält. Bevor auf der "Metaebene" kein Konsens hergestellt ist, bringt es vermutlich wenig, sich über biologische Details zu streiten.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Der ontische Bereich ist schlicht und ergreifend was da alles um uns herum so evolviert. Wir _beschreiben_ das Ganze und versuchen, die _Mechanismen_ zu finden. Der Knackpunkt, um den es hier geht, ist, ob es eine _schöpferische_ Selektion gibt, |
Wie Lamarck schon begründet hat, ist Selektion nie schöpferisch, |
unter den _Anhängern_ der STE ist expressis verbis explizit davon die Rede, dass Selektion _schöpferisch_ sein _muss_. Lies beispielsweise den Artikel von Reif, Junker und Hoßfeld, den Du auf die Site der Evolutionsbiologen gestellt hast. |
Ja, ich weiß doch. Daraus folgt aber nicht, daß die Bezeichnung "schöpferische Selektion" besonders glücklich gewählt ist. Vermutlich wäre es besser gewesen, die Autoren hätten anstelle von "schöpferischer Selektion" von "Adaptationismus" bzw. "Umweltselektion als einzig richtender Faktor" o.ä. gesprochen.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | auch wenn das einige so sehen. |
Leider sind diese 'einige' die, die die reine Lehre der STE vertreten. |
ACK. Es ging aber doch um die Frage, ob die Hinwendung zur Systemtheorie automatisch zur Folge hat, daß es es einen Bruch zwischen einer "Mikro-" und einer "Makroevolution" gibt.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Der Unterschied zur STE ist halt, daß es statt einer Umwelt mehrere "Ebenen" der Umwelten bzw. eine Mehrschichten-Selektion gibt. Wo ist jetzt das Problem? |
Dass Dir niemand so genau sagen kann, was 'STE' ist und noch weniger, was 'Systemtheorie' ist. Und dass es dann keinen Sinn macht, vollmundig Kompatibilitäten, Ergänzungen, Erweiterungen oder weiß der Herr was zu benamsen. |
Na, mit irgend etwas muß man doch anfangen. Riedl hat doch einen allgemeinen Erklärungsrahmen gebastelt und auch gezeigt, welche Phänomene der Rahmen zu erklären imstande ist. Du kennst doch die Auflistung in Riedl/Krall, was paßt Dir denn daran nicht?
Jetzt geht halt darum, 1.) die Erklärungen zu vertiefen und 2.) den Rahmen - wie Du sagst - "mit Fleisch" zu füllen. Aber Du kannst doch nicht sagen, daß der Rahmen nichts taugt, solange der nicht für alle 20 Mio. Spezies alle möglichen Evolutionsschritte vollständig erklärt. Du weißt doch auch, daß eine allgemeine Theorie von sich aus nie etwas Spezifisches wird erklären können. Solange eben die (außertheoretischen!) Randbedingungen fehlen.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Stimmt, und? Auch wenn noch so viele epigentische Mechanismen hinzukommen, sehe ich den radikalen Bruch zur STE nicht. |
Weil Dir vielleicht noch gar nicht klar ist, was STE sensu strictu bedeuten könnte? |
Lies bitte die o.g. Zitate von Systemtheoretikern und kommentiere die.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Die Menschen, die ich oben zitiert haben, offenbar ebenso wenig. |
Und welche davon waren System_theoretiker_? Diese Frage hast Du noch nicht beantwortet. |
Du weißt doch, wer Wagner ist? Könnte der vielleicht ein Schüler von Riedl sein? Und daß Wuketits in seinem Buch nichts anderes macht, als Riedls Systemtheorie durchzukäuen, muß ich doch nicht betonen, oder?
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Und vor allen Dingen: wo sind Deine "zwei Phasen" und wie unterscheidest Du die? |
Sag ich noch. |
Bin gespannt.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#226762) Verfasst am: 11.12.2004, 16:44 Titel: |
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Hi Thomas!
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Mahner, M. (1995) 'Hydraulischer Dies irae in Frankfurt' Ethik und Sozialwissenschaften 6:336-339
[ ... ]
Auch wenn Mahner die FET vollkommen falsch interpretieren sollte, solange sie keine Antwort auf diese Fragen weiß, gehe ich davon aus, dass sie keine Evolutionstheorie ist, die einen Anspruch auf eine _Erklärung_ der Evolution liefern kann und daher in einer vollkommen anderen Liga spielt als die STE. |
Vielen Dank, da brauch ich jetzt nicht größer umräumen ... . Denn genau diesen Absatz habe ich in erster Linie gemeint! Über die vitalistische Polemik lässt sich aufgrund des Stils von Gutmann sicherlich hinwegsehen. Und Mutationsdruck gibt es bei Gutmann auch nicht. Wer drückt denn da? Sicherlich ist hier nicht der Stempeldruck P gemeint. |
hmmm, Du weißt doch sicher auch, dass 'Mutationsdruck' ein terminus technicus ist? Versuch mal, _mechanistisch_ zu denken, also in dem Sinn, dass Gene Organismen codieren. Dann sollte klar sein, was 'Mutationsdruck' im Gegensatz zu Selektionsdruck bedeuten könnte. |
Ich denke sehr mechanistisch!
Die Begriffe 'Mutationsdruck' und 'Selektionsdruck' sind keine Termini technici sondern Metaphern, um einen "Druck" zu einer Transformation von n → n' zu "erklären". Wenn jemand sich die Mühe macht, diese zu "definieren", wird daraus meist Mutationsrate bzw. Selektionsrate. Wenn dann Hardy-Weinberg etc. mit ins Spiel kommt, wird es lustig. Aber schau Dir doch mal selbst einschlägige "Definitionen" an. Metaphern gehen ja in Ordnung, aber die entsprechenden Darstellungen intentionieren ganz was anderes. Als Deduktion bleibt aber letztlich nur übrig: Es mutiert, weils mutiert. Dann gibt es noch "Drücke" im Zusammenhang mit Evolution, mit Anpassung, ... .
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und verstehst Du, was quantitative oder qualitative Konstruktionsunterschiede sind? |
Ja. Üblicherweise beispielsweise kleines Horn vs. großes Horn oder kein Horn vs. Horn. |
Dann wäre es in diesem Fall nun nicht gerade die beste Formulierung.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und was ist bei Mahner Anpassung? Etwa ein äußerer Transformationsdrang? Wäre hier nach 3 Milliarden Jahren dann nicht auch eine "gleichförmige Weltpopulation” zu erwarten? |
Warum? Es gibt doch nicht _eine_ Umwelt |
Wieviele Umwelten gibt es denn? Und auch wenn es viele verschiedene Umwelten gibt, so sind sie doch im zeitlichen Ablauf recht statisch. Und auch wenn in ähnlichen Umwelten ähnliche Organismen vorkommen, so ändern sie sich doch nicht unbedingt in ähnlicher Weise. Würden sich denn Organismen in einer idealen Umwelt im Laufe der Zeit verändern?
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Bei Gutmann findet sich als Evolutionsmotor ein "mechanistischer Mechanismus” |
Welcher _Mechanismus_? |
Falls Du andere Ebenen vorziehst: Selbstorganisation, Emergenz, Pfadabhängigkeit, Synergetik & Homöostase.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | und das ist letztlich die Thermodynamik. Unter Entropieproduktion werden zwangsweise (!) lokale Strukturen ausgebildet, die komplexer sind als ihre Umgebung. Organismen sind dann 'nur’ eine besondere Form von Komplexität. Mehr wird hier auch nicht benötigt. Und genau dies wird bei Gutmann mit dem Begriff 'Energiewandler’ berücksichtigt. Vielleicht würde Mahner hier gar von Konstruktions- oder Komplexitäts”druck” reden wollen ... .  |
Ich kann ihn ja gelegentlich fragen. |
Lass es lieber, es würde ihm zu sehr verwirren. Denn auch hier erinnert die Formulierung von "Druck" an eine innewohnende Kraft in künstlerischer Übersteigerung.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Aber der Punkt ist ein anderer: Organismen werden nicht durch Thermodynamik gebaut, sondern durch Gene. Ein Mechanismus, der die Gene gar nicht beachtet, sondern nur von Formen ausgeht, die durch Thermodynamik bestimmt ist, scheint mir einen gewaltigen blinden Fleck zu haben. Es ist ein Thread, eine Schneeflocke, die letztendlich durch Ladungsmuster von Wassermolekülen gebildet wird, mit einem Organismus zu vergleichen, der über _zwischengeschaltete_ Gene codiert wird. |
Der Vorwurf von Gutmann war hier genau umgekehrt: Die Organismische Konstruktion kann nicht von der Genomik her begründet werden.
Wie erfolgt denn genau die Helix-Bildung der DNA oder die Assoziation von Proteinen? Ein Gen ist doch kein Konstrukteur. Vielmehr verfügen Nukleotide über gewisse chemische und physikalische Eigenschaften und somit über prinzipiell keine anderen Fähigkeiten wie die Wassermoleküle der Schneeflocke. Das Geheimnis heißt Organisation. Die wirst Du bei reduktionistischen Vorgehen niemals finden.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Die FET hätte dann aber keinerlei Anspruch, mehr als eine Kritik im Sinne von 'Ihr vernachlässigt einen wesentlichen Aspekt' anzubringen. Der Anspruch, die STE nur deshalb aufzugeben, weil sei gerade diesen Aspekt (noch?) nicht berücksichtigt, ist bestenfalls Konstrastverschärfung, aber eher Hybris. |
Bedenke aber: Aus der Sicht der FET spielt die STE bestenfalls die Facettenrolle! Aber wenn Dir der evolutive Mechanismus der FET klar geworden ist, dann siehst Du das ja. |
Sorry, der _Mechanismus_ ist mir nicht klar geworden. Ich sehe auf der einen Seite die Ebene der Moleküle. Auf der anderen den einer organismischen Struktur. Ein Mechanismus besteht darin, zu zeigen, wie man vom einen zum anderen kommt. |
Ich weiß nicht so recht, was hier Dein Problem ist. Es klingt aber ähnlich wie Dein Erklärungsbedarf bei der STE. Ob ich das jetzt mittels Gutmann auflösen kann?
Wenn ich das obige genau nehme, scheint mir ein Kategorienfehler vorzuliegen: Die Ebenen 'Molekül' und 'Organismus' sind Deine gedanklichen Konstrukte. Und ein Organismus besteht eben aus Molekülen. Es ist also nicht die Frage, wie Du aus einem Molekül einen Organismus machst, sondern wie eine große Anzahl von Molekülen im Organismus organisiert sind. Die relevante Frage wäre hier die nach den (An-) Ordnungsmechanismen. Das ist aber immer Struktur.
Äquivalente Fragen wären etwa: Wie mache ich aus einem Baum ein Naherholungsgebiet (mittels 'Wald') oder wie mache ich aus einen Buchstaben einen Satz (oder gar Syntax) (mittels 'Wort').
Fällt Dir eine didaktisch gelungenere Erklärung ein?
Jedenfalls werden Systeme "von unten" her determiniert und von oben her "versklavt". Und letztlich beruhen 'Constraints' auf der Thermodynamik irreversibler Prozesse.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Ja. In der Paläontologie wird aus meiner Sicht unter Konstruktionsmorphologie etws anderes verstanden als bei Gutmann. Stelle Dir etwa Skelette vor, die in bestimmter Weise angeordnet werden müssen, um bsw. als Museumsexponat dienen zu können. Gutmann hat hier dynamischer gedacht. |
Darf ich aus Deiner Schilderung schließen, dass Du Dich nie mit Konstruktionsmorphologie im Sinne Seilachers befasst hast, oder darf ich das als Späßchen werten? Äquivalent wäre, dass Gutmann immer schon vorhatte, aus seinen hübschen Bildchen einen netten Trickfilm zu basteln, aber leider nicht lange genug lebte. |
Nichts dergleichen. Aber Trickfilme zumindest sind in Arbeit (hier 4,8 MB):
http://www.senckenberg.de/files/content/forschung/projekte/km_fet/evoluzzer-film.mpg
Wenn ich mir bsw.
Seilacher, A. (1970): Arbeitskonzept zur Konstruktionsmorphologie. Lethaia 3, 393-396.
Seilacher, A. (1972): Divaricate Patterns In Pelecypod Shells. Lethaia 5: 325-343.
betrachte, sehe ich doch gewisse Unterschiede zu Gutmann. Seilachers "triangle of constructional morphology” finde ich recht interessant. Kennst Du übrigens folgendes:
Schmidt-Kittler, N. & Vogel, K., eds. (1991): Constructional Morphology and Evolution.
Hier finden sich Artikel von Gutmann, Seilacher und Reif in interessanter Zusammenstellung. |
Meine Bemerkung war nur eine Reoturkutsche hinsichtlich des Ausstellens von Knochen im Museum. Ein wenig mehr hat Seilacher schon geleistet (AFAIK kaum mit Knochen). Ich habe offensichtlich Seilacher verwechselt, aber ich finde die Arbeit, an die ich gerade denke, nicht mehr. Da habe ich gelesen, dass so etwas wie ein Prototyp gedanklich konstruiert wird, der eine gegebene Aufgabe optimal erfüllt. An diesem kann man dann real existierende Organismen messen. Keine Ahnung, wo ich das gelesen habe. |
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
Vielleicht reden wir aneinander vorbei. 'Konstruktive Stringenz' ist das _Ergebnis_ dessen, was, wenn das, was man als Evolutions_mechanismen_ bezeichnen könnte, gewirkt _hat_. |
Evolutionsmechanismus ist hier allein das komplexitätsbildende Resultat der Thermodynamik; |
Hmmm, offensichtlich verstehen wir unter 'Mechanismus' unterschiedliche Dinge. |
Das könnte sein. Ich schlage eine algorithmische Denkweise vor.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | ein Spezialfall liegt hier in der Form von Leben vor. Die sich herausbildende 'konstruktive Stringenz' (= Constraints) bestimmen hingegen die Spielregeln für die zu realisierenden organismischen Konstruktionen. |
Klar. Aber das ist dann bestenfalls ein _Rahmen_, innerhalb dessen die 'eigentlichen' Mechanismen wirken. |
Was aber 'macht' der Rahmen? Ohne Rahmen geht es doch nicht. Und das reicht zum kanalisieren.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Formenwandel kommt demnach sozusagen durch ein unvermeidliches (!) "Fließen" der organismischen Konstruktion zustande. |
Und ein _Mechanismus_ würde genau darin bestehen, zu zeigen, _wie_ dieses 'Fließen' zustande kommt. Ohne diese Mechanismen scheint mir gar nicht begründbar zu sein, was 'unvermeidlich' ist. Von Banalitäten wie 'ein Organismus kann nicht mehr Energie verbrauchen, als er aufnimmt' oder 'ein Membranschluss ist erforderlich, damit eine Zelle nicht ausläuft' abgesehen. |
Kannst Du nun "Gutmann nachvollziehen”? Mit Membranschluss wird bei Gutmann auf Hydraulik rekuriert. Daraus resultieren gewisse Constraints. Und die kennt die STE nicht! |
Ja, aber das reißt mich nicht vom Hocker. Ich sehe nur, dass _Formen_ aus _Formen_ abgeleitet werden, auch wenn man die 'Konstruktionen' nennt. Mich interessiert eher, wie die Formen _entstehen_, genauer, welche Mechanismen den _Übergang_ von einer Form zur nächsten bewirken. Mehr als 'Mutationsdruck' sehe ich nicht. |
Es gibt nur Übergänge. Auch Moleküle "wahren die Form". Aber puste doch mal einen Luftballon auf und Du siehst den Übergang von einer Form in die andere. Das Prinzip ist einfach, das Ergebnis komplex.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Die STE kann als Milieutheorie aufgefasst werden, die FET dagegen als Determinationstheorie. Phylogenie ist für mich übrigens synonym mit Evolution. |
Das ist natürlich stringent. Wenn man keine _Mechanismen_ diskutiert, bleibt einem nur die Betrachtung der Geschichte. Ob man das anhand von Knochen oder DNA-Sequenzen macht, ist Hose wie Jacke.
Die Frage ist natürlich dann, woher man die _Berechtigung_ nimmt, einen Ansatz, der eben die _Mechanismen_ in den Vordergrund rückt, und für den Evolution eben _nicht_ Phylogenie, sondern die _Mechanismen_ derselben bedeutet, zu kritisieren. Ist das nicht schlicht ein Kategorien-Fehler? Kann man nicht bestenfalls fordern, dass der eigenen Ansatz berücksichtigt werden sollte? |
Die FET diskutiert keine Knochen. Es werden Hypothesen in Form von Modellen hergestellt, die dann zur Überprüfung vorliegen. Hierzu gehören nicht Knochen oder DNA, sondern der Organismus in seiner Ganzheit unter maschinenanaloger Betrachtung. |
Wenn ich das richtig verstehe, spielen 'Mechanismen' in meinem Sinn hier gar keine Rolle. Man sagt einfach 'was folgt logisch aus was?' und _wie_ das entsteht, ist Hose wie Jacke. Eigentlich ist das genuin Mutationsdruck seligen Angedenkens. |
Logik sollte doch hinreichend sein und das "wie" beinhalten. Und um das mechanisch zu veranschaulichen, wird hier die Maschinenanalogie genutzt. Im Augenblick übe ich mich in der Betrachtung der Kaffeemaschine.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ist für Dich denn folgendes richtig:
Evolution = Evolutionsmechanismen + Phylogenie ? |
Ja. |
okay.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ich vermute, Evolution synonym zu Phylogenie zu setzen, ist die herrschende Meinung und keineswegs nun Gutmann-spezifisch. |
Das kann ich nun ganz und gar nicht nachvollziehen. Anstelle von Phylogenie kann man auch 'Deszendenz' sagen, und statt Evolutionsmechanismen den Namen irgendeiner mechanismischen Theorie, beispielsweise Selektionstheorie. Es stimmt, dass in _Deutschland_ seit Haeckels Zeiten Evolution als Stammbaumbastelei betrieben wurde. In England und Amerika spielten hingegen immer die Mechanismen die Hauptrolle. |
Das hieße, den Prozess künstlich vom Ergebnis zu trennen. "Stammbaumbastelei" dient der Veranschaulichung, das hat Haeckel schon geschickt gemacht. Aber Phylogenie beinhaltet doch einiges mehr. Sowohl Phylogenie als auch 'Deszendenz und Evolution sind doch Prozessbegriffe, d. h., hier spielt die zeitliche Entwicklung eine Rolle.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | [...] Sorry, einen _Mechanismus_ konnte ich nicht erkennen. Eher die Begründung dafür, warum es gar keinen Mechanismus gibt, weil 'Evolution' wieder im Wortsinn verstanden wird: die Entfaltung einer Potenzialität auf einer vorgegebenen Bahn. Es gibt gar nichts zu erklären, man kann nur beschreiben, wie es abläuft.
Im Hinterkopf taucht bei mir da immer 'Sprungtheorie' auf. Evolution ist möglicherweise doch ein Zwei-Stufen-Mechanismus. Auf der einen Seite entstehen Neuheiten, auf der anderen Seite werden sie angepasst. Kann sein, dass der erste Schritt von der Außenwelt unabhängig ist. Kann sein, dass die FET hier angesiedelt ist und sozusagen die Bedingungen der Möglichkeit einer bestimmten Lebensform untersucht, die 'irgendwie' entsteht. Kann sein, dass sich die STE eher damit befasst, wie die dann 'feingetunt' wird. |
Kausalität bedeutet noch nicht eine vorgegebene Bahn. Wegen Deinen Äußerungen zu den Evolutionsmechanismen auch an anderer Stelle würde ich Dir eine nähere Beschäftigung mit Conway's Game of Life empfehlen, falls Du dies noch nicht kennst; bsw. hier: http://psoup.math.wisc.edu/Life32.html |
Ich habe auf meinem C64er damit herumgespielt. Kennen tue ich dieses 'Spiel' ausgebildet
Atkins, P.W. (1984) 'The Second Law' New York, W. H. Freeman and Company
Dort ist spielt dieses 'Spiel' eine nicht geringe Rolle und ist sogar im BASIC-Quelltext angegeben.
Mir ist aber nicht so ganz klar, was das mit einem _Mechanismus_ zu tun hat. |
Bsw. so: Ein Mechanismus bewirkt den Übergang von einem Zustand a in einem Zustand b.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der 'cluster im genospace' entfällt, dafür gibt es einen Konstruktionsraum. Die Modelle sind natürlich Ausdruck von Hypothesen. |
Aber wenn die Konstruktionen durch _Gene_ aufgebaut werden, ist der Konstruktionsraum gleichzeitig ein 'genospace'. Die Cluster sind schlicht und ergreifend die Konstruktionen. Und die Frage ist, durch welche _Mechanismen_ eine Population in einem Cluster sich so verändern kann, dass sie den nächsten Cluster 'erreicht' (AKA Evolution). |
Für die FET gilt: Konstruktionen werden nicht durch Gene aufgebaut, vielmehr sind Gene Teil der organismischen Konstruktion! |
Aber sie _codieren_ doch die Konstruktion? Eine Zygote ohne Kern lebt nicht lange. |
Der Nucleus erfüllt auch noch zahlreiche Steuerungsaufgaben. Aber codieren heißt hier nicht programmieren. Was meinst Du: Ist es ist eher möglich, von einem Organismus auf die dazugehörige Sequenz zu schließen oder umgekehrt?
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Populationen spielen eine untergeordnete Rolle. Wie geht bei Conway's Game of Life ein Muster in ein anderes über? |
Indem ein Rechner 'schaut', was in den Nachbarzellen los ist. Da aber die Pixel keine genetische Information austauschen, ist es klar, dass die keine Populationen ausbilden. Das Organismen das aber tun, scheint mir hier ein _Modell_ und keine _mechanismische_ Erklärung vorzuliegen. |
Zunächst: Mechanismische Erklärungen sind Modelle. Und es muß auch nicht immer Sex sein. Hier wollen wir abstrahieren und Muster als Modell für Form ansehen. Was generiert nun die Muster - das Pixel oder die Pixelumwelt? Jetzt sind wir schon über Gutmann hinaus ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#226769) Verfasst am: 11.12.2004, 17:26 Titel: |
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Hi Thomas,
hier nun mal zur Abwechslung ein kürzerer Beitrag.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Selbst in der STE ist der GENeratior immer die Mutation. |
Oder auch die Rekombination. |
Die Rekombination verteilt nur um. Das ist zwar ein Stabilitätsfaktor, aber nicht wirklich kreativ - selbst wenn sich das nun auf den Phän auswirken würde.
Cheers,
Lamarck
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#226772) Verfasst am: 11.12.2004, 17:37 Titel: |
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Hallo zusammen,
um die Frage nach dem Mechanismus noch einmal aufzugreifen: IMAO ist ein Mechanismus die Art und Weise, wie die Teile eines Systems interagieren und es vom Zustand a in einen Zustand b befördern. Im Falle einer Evolutionstheorie ist es prinzipiell ausreichend, wenn sich diese auf das Prinzip der Variation und der Auslese beruft, um (mechanismische) Erklärungen zu liefern. Je näher diese Prinzipien nun spezifiziert werden, desto tiefer sind auch die Erklärungen. Im Falle einer Systemtheorie der Evolution wird z.B. der Sachverhalt "Auslese" näher aufgedröselt bzw. weiter gefaßt, als bloß "Selektion durch Außenmilieu".
Man muß mit anderen Worten keine "Sondermechanismen" einführen, um zu einer tieferen (mechanismischen) Erklärung zu gelangen. Es genügt vollkommen, wenn sich eine Theorie der Evolution auf den Sachverhalt der "Variation/Auslese" bezieht und den letztgenannten unter Einbeziehung struktureller Aspekte sukzessive vertieft.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#226776) Verfasst am: 11.12.2004, 17:44 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
hier nun mal zur Abwechslung ein kürzerer Beitrag. ;-) |
ich bemühe mich auch mal ;->
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Selbst in der STE ist der GENeratior immer die Mutation. |
Oder auch die Rekombination. |
Die Rekombination verteilt nur um. |
In der _Population_. Deshalb ist sie wesentlich wichtiger als Mutationen für die _Anpassung_. Ob das für die 'Höher'entwicklung auch gilt ist eine spannende Frage.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das ist zwar ein Stabilitätsfaktor, aber nicht wirklich kreativ - selbst wenn sich das nun auf den Phän auswirken würde. |
Sie _darf_ gar nicht kreativ sein, wenn die STE Recht hat ;-)
Es sei denn, mann packt 'Rekombination' in die große Schachtel 'Mutation', in die man dann auch noch constraints und weiß der Herr was packen kann. Dann hat man die Zauberkiste, mit der die Selektion die Dinge bastelt, in denen andere Menschen den digitus dei sehen.
Grüßle
Thomas
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#226778) Verfasst am: 11.12.2004, 18:35 Titel: |
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Hi Thomas!
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Selbst in der STE ist der GENeratior immer die Mutation. |
Oder auch die Rekombination. |
Die Rekombination verteilt nur um. |
In der _Population_. Deshalb ist sie wesentlich wichtiger als Mutationen für die _Anpassung_. Ob das für die 'Höher'entwicklung auch gilt ist eine spannende Frage.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das ist zwar ein Stabilitätsfaktor, aber nicht wirklich kreativ - selbst wenn sich das nun auf den Phän auswirken würde. |
Sie _darf_ gar nicht kreativ sein, wenn die STE Recht hat
Es sei denn, mann packt 'Rekombination' in die große Schachtel 'Mutation', in die man dann auch noch constraints und weiß der Herr was packen kann. Dann hat man die Zauberkiste, mit der die Selektion die Dinge bastelt, in denen andere Menschen den digitus dei sehen. |
Was denn jetzt - GENerator oder nicht GENerator?
Der Vollständigkeit halber: Es gibt natürlich noch andere Rekombinationen, bsw. die virale Rekombination. Und: Illusion Fortschritt!
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#226779) Verfasst am: 11.12.2004, 18:42 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Was denn jetzt - GENerator oder nicht GENerator? ;-) |
die Frage ist eher, ob Du meine oder die Meinung der STE hören möchtest ;->
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Vollständigkeit halber: Es gibt natürlich noch andere Rekombinationen, bsw. die virale Rekombination. Und: Illusion Fortschritt! |
Wie schon der Name sagt: 'Re' und 'Kombination'.
Entscheidend scheint mir aber hier das von Mayr so hochgelobte 'Populationsdenken' zu sein. Rekombination auf _einen_ Organismus beschränkt wäre ein viel zu großer Schuss Saltationismus im Gebräu.
Grüßle
Thomas
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#226780) Verfasst am: 11.12.2004, 18:45 Titel: Re: W. F. Gutmann und die 'Frankfurter Evolutionstheorie' (FET) |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Abgesehen davon, daß ich Thomasens Auffassung in dieser Form nicht teilen kann, ... |
Welche meintest Du? Die Auffassung, dass Systemtheorien Wortgeklingel seien, oder bezüglich der positiven Prognose? (Ich stimme der Auffassung zur Hälfte zu: Ich sehe die positive Prognose nicht ) |
Du hast die Kleider vergessen! Und anscheinend bist Du nicht gerade Systementwickler.
Und obwohl wir da und dort schon über Systeme (z. B. Offene Systeme, Regelungssysteme ... ) geredet haben |
Nun bist Du es wieder, der den Diskurs radikalkonstruktivistisch untergräbt. Soviel zum Stichwort "Schimmelpilz"...
Aber mal 'ne ganz andere Frage: Wieviele Systemtheorien der Evolution kennst Du eigentlich? Wenn Thomas darauf abhebt, daß Riedls Ansatz so gut wie nicht rezipiert worden sei, muß man doch annehmen, daß es eine Reihe weiterer Theorien gibt, die sich im Ansatz mehr oder minder radikal davon unterscheiden. Als da wären...? |
Na ja, das ist recht schwierig abzugrenzen, eigentlich wäre auch die STE eine Systemtheorie, wenn ihre entsprechenden Vertreter mal ordentlich arbeiten und ihre Begriffe sauber definieren würden ... .
Und warum habe ich den Diskurs untergraben - ich habe das böse Wort doch gar nicht erwähnt ... ?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#226788) Verfasst am: 11.12.2004, 19:43 Titel: Re: W. F. Gutmann und die 'Frankfurter Evolutionstheorie' (FET) |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Abgesehen davon, daß ich Thomasens Auffassung in dieser Form nicht teilen kann, ... |
Welche meintest Du? Die Auffassung, dass Systemtheorien Wortgeklingel seien, oder bezüglich der positiven Prognose? (Ich stimme der Auffassung zur Hälfte zu: Ich sehe die positive Prognose nicht ) |
Du hast die Kleider vergessen! Und anscheinend bist Du nicht gerade Systementwickler.
Und obwohl wir da und dort schon über Systeme (z. B. Offene Systeme, Regelungssysteme ... ) geredet haben |
Nun bist Du es wieder, der den Diskurs radikalkonstruktivistisch untergräbt. Soviel zum Stichwort "Schimmelpilz"...
Aber mal 'ne ganz andere Frage: Wieviele Systemtheorien der Evolution kennst Du eigentlich? Wenn Thomas darauf abhebt, daß Riedls Ansatz so gut wie nicht rezipiert worden sei, muß man doch annehmen, daß es eine Reihe weiterer Theorien gibt, die sich im Ansatz mehr oder minder radikal davon unterscheiden. Als da wären...? |
Na ja, das ist recht schwierig abzugrenzen, eigentlich wäre auch die STE eine Systemtheorie, wenn ihre entsprechenden Vertreter mal ordentlich arbeiten und ihre Begriffe sauber definieren würden ... .  |
Stimmt wohl. Immerhin beackern sie - je nach Standpunkt - mal das System "Organismus-Umwelt", mal das fiktive System "Gen-Population"
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und warum habe ich den Diskurs untergraben - ich habe das böse Wort doch gar nicht erwähnt ... ? |
Nun, bei Pawlow genügte das Glöckchen...
BTW, auch so ein verräterisches Schmähwort aus dem Munde subversiver Relativisten: "Illusion Forschritt!"
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#226794) Verfasst am: 11.12.2004, 19:52 Titel: Re: W. F. Gutmann und die 'Frankfurter Evolutionstheorie' (FET) |
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Hi Heike N.,
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | verräterisches Schmähwort aus dem Munde subversiver Relativisten: "Illusion Forschritt!" :wink: |
liest Du mit?
Grüßle
Thomas
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#226805) Verfasst am: 11.12.2004, 20:55 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Die Begriffe 'Mutationsdruck' und 'Selektionsdruck' sind keine Termini technici sondern Metaphern, um einen "Druck" zu einer Transformation von n → n' zu "erklären". |
Mir fällt an der Stelle immer Goulds Gleichnis mit dem Besoffenen ein, ein zwei Meter breites Trottoir statistisch entlang torkelt. Die "constraints" ('rechte Wand' in Kombination mit 'Variation') sorgen dafür, daß er im Rinnstein landet. Fürwahr: Fast schon eine ausgefeilte Systemtheorie... ..
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und was ist bei Mahner Anpassung? Etwa ein äußerer Transformationsdrang? Wäre hier nach 3 Milliarden Jahren dann nicht auch eine "gleichförmige Weltpopulation” zu erwarten? |
Warum? Es gibt doch nicht _eine_ Umwelt |
Wieviele Umwelten gibt es denn? Und auch wenn es viele verschiedene Umwelten gibt, so sind sie doch im zeitlichen Ablauf recht statisch. Und auch wenn in ähnlichen Umwelten ähnliche Organismen vorkommen, so ändern sie sich doch nicht unbedingt in ähnlicher Weise. Würden sich denn Organismen in einer idealen Umwelt im Laufe der Zeit verändern? |
Das ist genau das Problem der STE: Evolutionäre Veränderungen korrespondieren nicht oder nur ganz selten mit dem "Selektionsdruck" der Umwelt. Und welche Umwelt "drückt denn da", wenn gerade wieder eine Exzessivbildung zum Aussterben der Art führt? Vielleicht eine interessante Frage für Klaus-Peter...
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Bei Gutmann findet sich als Evolutionsmotor ein "mechanistischer Mechanismus” |
Welcher _Mechanismus_? |
Falls Du andere Ebenen vorziehst: Selbstorganisation, Emergenz, Pfadabhängigkeit, Synergetik & Homöostase. |
Vorsicht, die Ausdrücke sind mit dem Begriff "Wortgeklingel" behaftet. In diesem Fall sogar zurecht, wenn sie einfach nur - wie Du es hier machst - lose in den Ring geschmissen werden...
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | und das ist letztlich die Thermodynamik. Unter Entropieproduktion werden zwangsweise (!) lokale Strukturen ausgebildet, die komplexer sind als ihre Umgebung. Organismen sind dann 'nur’ eine besondere Form von Komplexität. Mehr wird hier auch nicht benötigt. Und genau dies wird bei Gutmann mit dem Begriff 'Energiewandler’ berücksichtigt. Vielleicht würde Mahner hier gar von Konstruktions- oder Komplexitäts”druck” reden wollen ... .  |
Ich kann ihn ja gelegentlich fragen. |
Lass es lieber, es würde ihm zu sehr verwirren. Denn auch hier erinnert die Formulierung von "Druck" an eine innewohnende Kraft in künstlerischer Übersteigerung.  |
Lästere mich hier ja nicht so viel über Mahner ab! Das Problem "der" FET scheint mir zu sein, daß sie den Anpassungsbegriff ablehnt - zumindest diejenige Variante der FET, die Gutmann bevorzugt zu haben scheint. Implizit wird dieser aber doch wieder in Gestalt der "biomechanischen constraints" vorausgesetzt. Und schließlich müssen sich Spezies auch in Umwelten bewähren, oder nicht? Alles in allem fragt man sich also,
Mahner (a.a.O.) hat folgendes geschrieben: | weshalb soviel Lärm darum gemacht wird. Offenbar klaffen hier wie so oft Propaganda und Realität auseinander. |
Ach ja, und was ich schon immer mal wissen wollte aber nie zu fragen wagte:
Mahner (a.a.O.) hat folgendes geschrieben: | Wenn Umwelt und Anpassung keine Rolle spielen, sollte man nach mehr als 3 Milliarden Jahren Evolution anstelle von Millionen unterschiedlicher Arten nicht eine gleichförmige Weltpopulation optimaler Energiewandler erwarten dürfen? (Oder zumindest eine vergleichsweise kleine Zahl unterschiedlicher aber äquioptimaler Formen bzw. Arten?) "Evolutionäres" Geschehen dürfte nach Erreichen dieses Stadiums nur darin bestehen, die durch inneren Varianzdruck (45) erzeugten Abweichungen vom Optimum auszugleichen. |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Vorwurf von Gutmann war hier genau umgekehrt: Die Organismische Konstruktion kann nicht von der Genomik her begründet werden. |
Warum denn nicht? Sind denn die "biomechanischen constraints" völlig losgelöst vom epigenetischen System? Das hierarchisch strukturierte "Gennetz" bedingt doch die constraints, die "morphogenetischen Felder" und die Konstruktion mit!
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wie erfolgt denn genau die Helix-Bildung der DNA oder die Assoziation von Proteinen? Ein Gen ist doch kein Konstrukteur. Vielmehr verfügen Nukleotide über gewisse chemische und physikalische Eigenschaften und somit über prinzipiell keine anderen Fähigkeiten wie die Wassermoleküle der Schneeflocke. Das Geheimnis heißt Organisation. Die wirst Du bei reduktionistischen Vorgehen niemals finden. |
Das stimmt ja alles, aber Du kannst doch die Ebene der Gene nicht völlig ausblenden. Das wäre ja wiederum ein völlig inakzeptabler "makro-Reduktionismus". So wie die Form einer Schneeflocke natürlich auf inhärente physicochemische Eigenschaften zurückgeht, die nicht allein durch die Eigenschaften von Wasserstoff- und Sauerstoffatomen erklärbar sind, werden sie aber doch deren Eigenschaften mitbedingen. Vergleiche dazu nur einmal die Anordnung der H2O-Moleküle eines Eiskristalls mit der Anordnung der dazu homologen H2S Moleküle in einem Schwefelwasserstoff-Kristall sowie deren "Makrostruktur"
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Sorry, der _Mechanismus_ ist mir nicht klar geworden. Ich sehe auf der einen Seite die Ebene der Moleküle. Auf der anderen den einer organismischen Struktur. Ein Mechanismus besteht darin, zu zeigen, wie man vom einen zum anderen kommt. |
Ich weiß nicht so recht, was hier Dein Problem ist. Es klingt aber ähnlich wie Dein Erklärungsbedarf bei der STE. Ob ich das jetzt mittels Gutmann auflösen kann? |
Gelingt Dir wohl aus zweierlei Gründen nicht: Erstens könnte auch Gutmanns Theorie bestenfalls einen allgemeinen Erklärungsrahmen liefern, so daß ohne weiteres gar keine Detailerklärungen anstehen. Da Thomas das von Haus aus als "Wortgeklingel" bezeichnet, wirst Du auch mit der vollständigsten Evolutionstheorie keinen Treffer landen.
Der zweite Grund liegt etwas "tiefer" und hat wohl damit zu tun, daß bei Gutmann gar nicht so recht klar wird, was er eigentlich so originell Neues vertritt. Es sei denn, er versenkt gerade im Tobsuchtsanfall die ganze Biologie (inkl. aller Evolutionsbelege) im Marianengraben. In diesem Fall weiß niemand, welche Evolutionsfaktoren er überhaupt vertritt
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wenn ich das obige genau nehme, scheint mir ein Kategorienfehler vorzuliegen: Die Ebenen 'Molekül' und 'Organismus' sind Deine gedanklichen Konstrukte. |
Hüstel....
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und ein Organismus besteht eben aus Molekülen. Es ist also nicht die Frage, wie Du aus einem Molekül einen Organismus machst, sondern wie eine große Anzahl von Molekülen im Organismus organisiert sind. Die relevante Frage wäre hier die nach den (An-) Ordnungsmechanismen. Das ist aber immer Struktur. |
So sehe ich das auch. Allerdings ist das eine Frage, die die Entwicklungsbiologie tangiert. Der muß natürlich ein GENerator (sprich: Mutation/Rekombination), vorgelagert sein, der gewissermaßen das "Rohmaterial" liefert. Und nicht zu vergessen die Struktur des "Gensystems", die wiederum bestimmt, von welcher Art die Ordnungsmechanismen sind.
Du meine Güte, ich muß schlußmachen, in 10 Minuten fährt mein Bus...
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#227212) Verfasst am: 12.12.2004, 21:16 Titel: |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wieviele Umwelten gibt es denn? Und auch wenn es viele verschiedene Umwelten gibt, so sind sie doch im zeitlichen Ablauf recht statisch. Und auch wenn in ähnlichen Umwelten ähnliche Organismen vorkommen, so ändern sie sich doch nicht unbedingt in ähnlicher Weise. Würden sich denn Organismen in einer idealen Umwelt im Laufe der Zeit verändern? |
Das ist genau das Problem der STE: Evolutionäre Veränderungen korrespondieren nicht oder nur ganz selten mit dem "Selektionsdruck" der Umwelt. Und welche Umwelt "drückt denn da", wenn gerade wieder eine Exzessivbildung zum Aussterben der Art führt? Vielleicht eine interessante Frage für Klaus-Peter... |
Ich vestehe wirklich nicht, wo da ein Problem sein sollte. Ein wichtiger (oft der wichtigste) Teil der Umwelt eines Lebewesens sind die eigenen Artgenossen. Wenn da einer eine Erfindung macht, die ihn gegen andere in Vorteil bringt, dann wird er wegen des Erfolges bald mit vielen Kopien seiner selbst konkurrieren müssen - mit dem Erfolg, dass da ein gnadenloses Wettrüsten stattfindet.
Wenn diese Wettrüsten in den Exzess führt, und zum Aussterben, dann haben die betreffenden Lebewesen eben Pech gehabt. Da die Evolution nicht vorausschauend ist, muss sie das Rennen eben mitlaufen. (Womöglich findet auf weltökonomischem Level zur Zeit etwas Ähnliches im Rahmen der Globalisierung statt).
Gruss
KP
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#227564) Verfasst am: 13.12.2004, 14:04 Titel: Re: W. F. Gutmann und die 'Frankfurter Evolutionstheorie' (FET) |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | der Selektionsvorteil von 'incipient structures' ist nicht erkennbar. Noch weniger ein Zusammenhang zwischen Umweltbedingungen und diesen Strukturen. |
Ist ja klar. Der Selektionsvorteil dürfte anfangs unter der makroskopischen Sichtbarkeitsgrenze liegen. Die "Funktion" ist etwas, das man erst im Nachhinein erkennen kann. Das ist aber normal, das würde ich nicht anders erwarten.
Zitat: | Klar. Aber lies Dir einfach in der Fachliteratur durch, wie man sich dort 'erklärt', welche Selektionsbedingungen eine bestimmte Struktur 'konstruiert' haben. |
Ich sehe nicht, inwiefern das ein Einwand gegen mein Argument, Du würdest einen unangemessen positivistischen Begriff von "Wortgeklingel" verwenden, ist.
Zitat: | Es ist zudem gar nicht so einfach, Selektion für Adaptation 'verantwortlich' zu machen. Kurz vor der Synthese haben das
Robson, G.C.; Richards, O.W. (1936) 'The Variation of Animals in Nature' London, Longmans, Green.
in einer sehr detaillierten Analyse der Literatur getan. Sie haben die Standard-Beispiele, die damals diskutiert waren, untersucht und konnten zeigen, wie problematisch diese waren.
Endler, J.A. (1986) 'Natural Selection in the Wild' Princeton, New Jersey, Princeton University Press
hat aktuelle Arbeiten zusammengefasst. Aber auch dort sind die _geklärten_ Beispiele wenig zahlreich. |
Es ist nicht die Aufgabe, die Selektion explizit für Adaption verantwortlich zu machen. (Das ist wieder positivistische Denke). Die Aufgabe ist es, Entwicklungsphänomene mit Hilfe von Selektion zu erklären und dadurch implizit die Selektion kritisierbar zu machen. Dass man (noch) keine Erklärung gefunden hat, ist im Gegensatz zu dem was Kreationisten glauben keine Kritik sondern Abwehr von unliebsamen Ideen. Manchmmal hat man den Eindruck, Du würdest den Mangel an bewiesenen Theorien auch für ein Argument gegen die Selektion halten.
Zitat: | Nun, wenn man fordert, dass die Selektion schöpferisch wirken kann, sollte man erwarten können, dass sie Organismen an die jeweiligen Selektionsbedingungen durch neue Strukturen anpasst. Wenn der Bauplan einen so starken constraint darstellt, dass er nicht durchbrochen werden kann, stellt sich die Frage, ob die 'Allmacht der Selektion' überhaupt zutrifft. |
Ich kenne niemanden, der eine Allmacht der Selektion postuliert. Trivialerweise muss die Selektion an dem Material angreifen, das sie zur Verfügung hat. Wie ich schon schrieb: Kein Mensch bestreitet dass es Constraints gibt.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Ich bestreite allerdings, dass man auch nur eine winzige Contraint endeckt, wenn man nicht methodisch adaptionistisch vorgeht. |
Das sehe ich nicht. _Wenn_ man zeigen kann, dass ein Bauplan nicht veränderbar ist, weil 'constraints' vorliegen, muss das nichts mit Adaptationismus zu tun haben. |
Meine Frage war, wie zu zeigen willst, dass Constraints vorliegen, ohne die adaptionistische Frage zu stellen: "Welches Problem löst diese Struktur?".
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Ich bin übrigens 150%iger Funktionalist. (Der Funktionalismus ist der Zwillingsbruder des Adaptionismus). |
Dann gehst Du von einer 'Allmacht der Selektion' aus. Die kann man aber leicht widerlegen. Was der Bauplan nicht hergibt, kann auch die Selektion nicht leisten. |
Wieso muss ich dazu von einer Allmacht der Selektion ausgehen? Adaptionismus sagt lediglich: Wenn etwas eine Funktion erfüllt und diese einigermassen gut erfüllt, dann ist das nicht "einfach so" entstanden, sondern bereits das Ergebnis umfangreicher "Entwicklungsarbeiten", die durch Mutation und Selektion durchgeführt wurden.
Zitat: | Vielleicht missverstehst Du 'Strukturen' und 'Constraints'? Die Frage ist doch nicht, _ob_ durch Selektion _reaktionsfähige_ Strukturen _im_ Rahmen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten angepasst werden, sondern wie derartige Systeme überhaupt _entstehen_. |
Ich denke nicht, dass ich das missverstehe. Ich denke nur, dass es das, was Du suchst, wahrscheinlich nicht gibt: Ein allgemeines Verfahren zur Strukturerzeugung. Naheliegender ist die Vermutung, dass es entweder ein "Reuse" von Designprinzipien gibt, die Vorfahren des Lebewesens schon einmal erfunden hatten. Oder Dass die Struktur unter opportunistischer Verwendung von "was auch immer irgendwo wegsteht" von Grund auf neu erfunden wird. Auch denkbar (oder vielmehr ziemlich wahrscheinlich) ist, dass im Genom schon Methoden implementiert sind, die heuristisch nach besseren Strukturen suchen. Das wären dann aber keine strukturalistischen Constraints, sondern früher (sprich: von früheren Vorfahren) erfundene Heuristiken, die, weil erfolgreich, weit verbreitet wurden. Ein Beispiel für eine überaus erfolgreiche Heuristik: Sexuelle Fortpflanzung. Sie sorgt dafür, dass Lebewesen nicht bloss passiv von der Evolution "herumgeschubst" werden, sondern dass plötzlich Lebewesen aktiv nach einer besseren Welt suchen können (indem sie absichtlich ihre Variablilität erhöhen). Die Kreativität ist ab Erfindung der Sexualität praktisch ins Genom eingebaut, sodass die Selektion künftig mehr Material zur Auswahl hat.
Zitat: | Bei Kreationistens wird das schön deutlich: Mikroevolution ist ein _Optimierungsproblem_ (das, was Du als 'Basteln' bezeichnest), während die Makroevolution ein _Konstruktionsproblem_ darstellt (ob das durch Basteln in dem von Dir genannten Sinne möglich ist, ist eine mindestens offene Frage). |
Dennett nennt diese o.a. Heuristiken "Krane", um als Bild anzudeuten, dass man selbstverständlich Hilfsmittel braucht, um im "Designraum" Lebewesen zu grösseren Höhen zu lupfen. Sexuelle Evolution wäre so ein "Kran", Hox-Gene (zum Schnellen Erfinden von Gliedmaßen) wären ein anderer. Es ist sicher eine spannende Aufgabe, weitere solche "Krane" zu entdecken. Die Voraussage der Adaptionisten ist, dass jeder dieser Krane ein in den Genen codiertes Design ist, und keiner ein naturgesetzlich einfach so vorhandener Zufalls-Nebeneffekt (den Gould vielleicht als "Spandrille" bezeichnen würde wollen).
Zitat: | Das verstehe ich jetzt nicht. Wenn eine Struktur vorliegt, die nur bestimmte Entwicklungspotenzen hat, können (nicht unbedingt schrittweise) Systeme entstehen, die ganz andere Entwicklungspotenzen haben. Der Weg vom einen zum anderen System muss nicht selektionspositiv sein. Erste _wenn_ das zweite System da ist, kann es durch Mutation und Selektion 'feingetunt' werden. |
Ich verstehe nicht, was Dein Einwand mit meinem Punkt zu tun hat.
Zitat: | Was bedeutet 'adaptationistisch falsifzierend'? |
Adaptionistisch bedeutet: Eine Hypothese aufzustellen, wozu die betreffende Struktur gut ist. Falsifizierend bedeutet, zu versuchen, diese Hypothese zu widerlegen. Um Kaufmannsche Strukturen nachzuweisen, müsste man versuchen, Situationen herbeizuführen (oder zu suchen) in denen Strukturen offenbar zu nichts gut sind. Ich wüsste nicht, wie man das machen sollte, ohne wenigstens ein paar Ideen, wozu es gut sein könnte, zu falsifizieren.
Zitat: | Wenn man beispielsweise im Labor Mutanten züchtet, und dabei findet, dass neue entstanden sind, obwohl sich die Umweltbedingungen nicht geändert haben, wäre das ein Beleg für eine strukturalistische Sicht. |
Durch ihre schiere Existenz erzeugen Mutanten schon eine neue Umwelt für ihre Artgenossen. So kann man Strukturalismus nicht beweisen.
Zitat: | Aus den epistemischen Grenzen ontische Aussagen zu formulieren ist wenig überzeugend. Mutatis mutandis ist das wieder book-keeping vs. Mechanismus. |
Das ist jedenfalls Wortgeklingel. Den Adaptionismus als "book-keeping" abzutun, ist letztlich unlautere Propaganda (oder ein grobes Unverständnis des Adaptionismus).
Gruss
KP
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#227617) Verfasst am: 13.12.2004, 15:57 Titel: Re: W. F. Gutmann und die 'Frankfurter Evolutionstheorie' (FET) |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Mein Punkt war, daß das Verhalten eines Systems nicht aus dem Verhalten seiner Teile heraus zu erklären ist. Es bedarf eben der Kenntnis der Mechanismen, mit denen diese Teile im System interagieren. Wenn wir uns hier einig sind, müßten wir auch zu einem Konsens darüber gelangen, daß Dawkins' Genreduktionismus nicht unbedingt die pralle Erklärung liefert, wie evolutive Neuheiten (in der Ontogenese) entstehen. |
Mir scheint, das ist der Kasus Knacksus: Du suchst nach etwas, das es im allgemeinen nicht gibt: Eine allgemeine Erklärung bis hinunter auf das physikalisch/chemische Level. Ich behaupte dagegen: Man muss davon auusgehen, dass jede Erklärung spezifisch ist, und wenn man Gemeinsammkeiten findet, dann hat man wichtige Erkenntnisse gewonnen (zum Beispiel hinsichtlich einer gemeinsamen Abstammung).
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Was meinst Du mit "Handwerkszeug" und "kritisch untersuchen"? Bestimmt nun das Gen allein, wie ein Organismus aussieht, oder gibt es so etwas wie einen Entwicklungsprozeß, in dem auch Mechanismen eine Rolle spielen, die jenseits der genetischen Mechanismen zur Translation (Proteinbiosynthese) liegen? |
Das Gen bestimmt den Entwicklungsprozess in folgender Hinsicht vollständig: Jeder noch so kleine Mechanismus, der im Entwicklungsprozess eine Rolle spielt, wurde irgendwann in der Vergangenheit eines Vorfahrens des Lebewesens als nützlich entdeckt und in opportunistischer Weise ausgeschlachtet. Sie alle stecken als Erfindungen im Genom. (Natürlich kann es zu den Erfindungen gehören, dass das Genom dem Individuum Freiheiten lässt. Ausserdem muss man es als Erfindung betrachten, dass das, was aus dem Genom entsteht, in gewisser Weise restistent gegen äussere Störungen ist.).
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Zu dem Mahner Artikel: Kennst Du einen "eingefleischten Genfreak", der tatsächlich glaubt, mit Entschlüsselung des Genoms seien die wesentlichen Fragen zur Entwicklung von Lebewesen geklärt? Ich kenne keinen. |
Dann verstehe ich Deine Kritik an der Systemtheorie nicht. |
Kurz: Jeder gute Evolutionsbiologe seit Darwin betrachtet das Gesamtsystem. Wer es nicht tut, ist ein schlechter Evolutionsbiologe. Leute, die jetz für sich die Erfindung einer "Systembiologie" reklamieren, halte ich für Hochstapler und Schwätzer, weil sie sich mit Dingen brüsten, die ohnehin jeder guter Biologe tut.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Die Ironie an der Geschichte ist, daß schon ein paar Menschen vor Dir auffiel, daß die STE nur "leere Phrasen" von sich gibt, wenn sie zu erklären hat, wie und weshalb eigentlich evolutionäre Neuheiten entstehen. |
Das sehe ich nun überhaupt nicht so. Im Gegenteil. Evolutionäre Neuheiten entstehen durch Erfindung. Und der Witz an einer Neuheit ist, dass sie neu ist. Also insbesondere: unvorhersehbar und unvorhersagbar. Und die Grundthese, die ich mit den "Ultradarwinisten" teile: jeder noch so kleine Hühnerfurz ist eine Erfindung. Und praktisch nichts ist schon in der Strukktur angelegt (und damit prinzipiell vorhersagbar). Und die überhaupt nicht leere Phrase der Evolutionstheorie lautet: Es gibt einen allgemeinen Erfindemechanismus: Der besteht aus: Mutation und Selektion. (Wie ich an Thomas schon schrieb. Variation ist nicht ursprünglicher Bestandteil des Evolutionsalgorithmus, sondern bereits eine frühe Erfindung dieses Mechanismmus).
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Der Neodarwinismus hat an die Stelle eines göttlichen Schöpfers lediglich den Gott Zufall gesetzt, der ebenso allmächtig, allwissend und allgegenwärtig ist. Er kann alles: Er macht unzählige der erstaunlichsten Erfindungen. Er weiß alles: Er beherrscht souverän alle biochemischen, biophysikalischen und biologischen Gesetze und stellt alle wissenschaftlichen Leistungen auf diesen Gebieten weit in den Schatten. Er ist überall in Aktion und ist doch unsichtbar - unsichtbar und unfassbar im wahrsten Sinne des Wortes. Sogar seine Herkunft gleicht der eines Gottes: Auch er ist unsterblich und war schon immer da. |
Schmidt, F.: Gott Zufall. Biologie heute. August 1989, S. 3. |
Das ist doch eine wunderschöne Beschreibung dessen, was die Evolutionstheorie behauptet: Alle interessanten Dinge des Lebens sind Erfindungen und wir kennen den Erfindemechanismus.
Zitat: | Was würdest Du sagen, wenn ein Relativitätstheoretiker oder Quantenphysiker behaupten würde: "Ich sehe keinen Grund, die Physik Newtons zu erweitern, nur ein riesiges Forschungsgebiet, das voll auf dem Boden der klassischen Physik steht." |
Dann hätten die beiden Unrecht. Die Tatsache, dass die Natur gequanteklt ist und dass die Raumzeit nicht absolut ist, sind neu im Vergleich zur klassischen Physik. Das Neue am Systemansatz sehe ich nicht.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Kennst Du Dennetts "Darwins's dangerous Idea"? Da zeigt ein angeblicher Genreduktionist, wie man anständige Systemtheorie macht. |
Dazu sag' ich mal lieber nichts. Vermutlich kann einer der Biologen dazu etwas beisteuern. |
Ich schliesse daraus, dass Du ihn noch nicht gelesen hast. Wie gesagt: Sehr erhellend. Du solltest Dir selber ein Urteil bilden, statt auf Verzerrungen aus der Gould-Schule zu hören.
Gruss
Kp
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#227775) Verfasst am: 13.12.2004, 20:18 Titel: |
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Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Mein Punkt war, daß das Verhalten eines Systems nicht aus dem Verhalten seiner Teile heraus zu erklären ist. Es bedarf eben der Kenntnis der Mechanismen, mit denen diese Teile im System interagieren. Wenn wir uns hier einig sind, müßten wir auch zu einem Konsens darüber gelangen, daß Dawkins' Genreduktionismus nicht unbedingt die pralle Erklärung liefert, wie evolutive Neuheiten (in der Ontogenese) entstehen. |
Mir scheint, das ist der Kasus Knacksus: Du suchst nach etwas, das es im allgemeinen nicht gibt: Eine allgemeine Erklärung bis hinunter auf das physikalisch/chemische Level. |
Wo fordere ich denn das?
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Ich behaupte dagegen: Man muss davon auusgehen, dass jede Erklärung spezifisch ist, und wenn man Gemeinsammkeiten findet, dann hat man wichtige Erkenntnisse gewonnen (zum Beispiel hinsichtlich einer gemeinsamen Abstammung). |
Ich fürchte, wir verheddern uns. Mit "allgemeiner Erklärung" ist doch lediglich gemeint, daß möglichst viele Einzelfälle in die Erklärung einbezogen werden. Wenn in der Physik z.B. gefragt wird, weshalb es Linienspektren gibt, würde die allgemeine Erklärung eben lauten, daß die Elektronen nur konkrete Energiebeträge einnehmen bzw. von einem Quantenzustand in einen anderen "springen" können.
Nach Thomas' Definition wäre diese Erklärung jetzt solange "Wortgeklingel", bis die Termschemata für jedes Element exakt berechnet worden sind. Das wäre dann eine spezifische Erklärung, die dadurch zustande kommt, daß man eben das allgemeine Schema mit den für jede Atomsorte spezifischen Randbedingungen anreichert. Das ist aber insofern kein Einwand, als die Randbedingungen eben außertheoretischer Natur sind und für das allgemeine Verständnis atomarer Prozesse nicht unbedingt erforderlich sind. Analoges gilt auch in der Evolution: Ein allgemeine Erklärung, die sich auf die Evolution möglichst vieler Spezies bezieht, ist immer insofern "schematisch", als sie auf die Randdetails, die nur für die Evolution einer ganz bestimmten Art gelten, zugunsten eines umfassenden Verständnisses verzichtet.
Das macht Sinn, weil für jede Spezies andere "constraints" gelten, man aber Evolution "als Ganzes" verstehen möchte. Schließlich haben es Biologen auch viel schwerer, weil sie im Gegensatz zu Physikern die Randbedingungen nicht einfach von einem FAll auf den nächsten übertragen bzw. ein "allgemeines Problemlösungsverfahren" entwickeln können. Das ist eben so, weil in der Biologie die Unterschiede zwischen den Individuen von Bedeutung sind und weniger die Gemeinsamkeiten. Jede Art und jedes Individuum folgt z.T. ganz anderen - individuellen -Gesetzmäßigkeiten. Daher macht es keinen rechten Sinn, dies einer biologischen Theorie (die sich immer nur auf ganz allgemeine Prinzipien erstrecken kann) als konzeptuelle Schwäche auszulegen.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Was meinst Du mit "Handwerkszeug" und "kritisch untersuchen"? Bestimmt nun das Gen allein, wie ein Organismus aussieht, oder gibt es so etwas wie einen Entwicklungsprozeß, in dem auch Mechanismen eine Rolle spielen, die jenseits der genetischen Mechanismen zur Translation (Proteinbiosynthese) liegen? |
Das Gen bestimmt den Entwicklungsprozess in folgender Hinsicht vollständig: Jeder noch so kleine Mechanismus, der im Entwicklungsprozess eine Rolle spielt, wurde irgendwann in der Vergangenheit eines Vorfahrens des Lebewesens als nützlich entdeckt und in opportunistischer Weise ausgeschlachtet. Sie alle stecken als Erfindungen im Genom. |
Das ist ja alles schön und gut, aber um die Evolution möglichst vollständig zu verstehen, muß die Erklärung über die genetische Ebene hinausgehen. Denk an das, was Lamarck geschrieben hat: Systeme werden zwar "von unten" her determiniert, aber "von oben" her versklavt. Du brauchst also den Blick auf das "funktionelle Ganze", um zu verstehen, warum welche Gene wie verschaltet worden sind. Das liegt nicht in der Macht einzelner "egoistischer" Gene
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Zu dem Mahner Artikel: Kennst Du einen "eingefleischten Genfreak", der tatsächlich glaubt, mit Entschlüsselung des Genoms seien die wesentlichen Fragen zur Entwicklung von Lebewesen geklärt? Ich kenne keinen. |
Dann verstehe ich Deine Kritik an der Systemtheorie nicht. |
Kurz: Jeder gute Evolutionsbiologe seit Darwin betrachtet das Gesamtsystem. Wer es nicht tut, ist ein schlechter Evolutionsbiologe. |
Was habe ich seit dem frühen Algonkium anderes behauptet? Man beachtet den Begriff "System" in dem Wort Systemtheorie.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Die Ironie an der Geschichte ist, daß schon ein paar Menschen vor Dir auffiel, daß die STE nur "leere Phrasen" von sich gibt, wenn sie zu erklären hat, wie und weshalb eigentlich evolutionäre Neuheiten entstehen. |
Das sehe ich nun überhaupt nicht so. Im Gegenteil. Evolutionäre Neuheiten entstehen durch Erfindung. Und der Witz an einer Neuheit ist, dass sie neu ist. Also insbesondere: unvorhersehbar und unvorhersagbar. Und die Grundthese, die ich mit den "Ultradarwinisten" teile: jeder noch so kleine Hühnerfurz ist eine Erfindung. Und praktisch nichts ist schon in der Strukktur angelegt (und damit prinzipiell vorhersagbar). |
Du solltest das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und für alles, was in der Evolution geschieht, den allmächtigen "Gott Zufall" wie eine Monstranz vor Dir hertragen. Du weißt ja, daß der Zufall in einem System nichts zuwege brächte, wenn er nicht durch die Systembedingungen kanalisiert würde. Sieh' und teste selbst, wie lange Du würfeln mußt, um einen Schneesturm in der Sahara zu kriegen.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Und die überhaupt nicht leere Phrase der Evolutionstheorie lautet: Es gibt einen allgemeinen Erfindemechanismus: Der besteht aus: Mutation und Selektion. |
Das ist aber gewiß nicht der Weisheit letzter Schluß. Was würdest Du einem Entwicklungsbiologen wohl sagen, wenn er auf die Frage, wie ein Lebewesen entsteht, stereotyp antworten würde: "Durch fortwährende Zellteilung"?
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Der Neodarwinismus hat an die Stelle eines göttlichen Schöpfers lediglich den Gott Zufall gesetzt, der ebenso allmächtig, allwissend und allgegenwärtig ist. Er kann alles: Er macht unzählige der erstaunlichsten Erfindungen. Er weiß alles: Er beherrscht souverän alle biochemischen, biophysikalischen und biologischen Gesetze und stellt alle wissenschaftlichen Leistungen auf diesen Gebieten weit in den Schatten. Er ist überall in Aktion und ist doch unsichtbar - unsichtbar und unfassbar im wahrsten Sinne des Wortes. Sogar seine Herkunft gleicht der eines Gottes: Auch er ist unsterblich und war schon immer da. |
Schmidt, F.: Gott Zufall. Biologie heute. August 1989, S. 3. |
Das ist doch eine wunderschöne Beschreibung dessen, was die Evolutionstheorie behauptet: Alle interessanten Dinge des Lebens sind Erfindungen und wir kennen den Erfindemechanismus. |
Klar, so wie der Entwicklungsbiologie mit der Zellteilung den grundlegendsten Mechanismus kennt. Die Frage ist, ob sich diese Erklärung nicht vertiefen läßt.
Grüße
Martin
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
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(#227790) Verfasst am: 13.12.2004, 20:37 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Jedenfalls werden Systeme "von unten" her determiniert und von oben her "versklavt". |
A propos "versklavt": Das ist genau das Prinzip, welches Riedl als "imitatorische Rückkopplungs-Kausalität" bezeichnet und Mayr so schändlich als "Lamarckismus" mißverstanden hatte: Die Funktionszusammenhänge im Phänotyp wirken auf die Struktur des epigenetischen Systems zurück und bedingen dessen hierarchischen Aufbau mitsamt den genetischen Bürden und der daraus resultierenden constraints. Herrlich, wie ich das liebe: Lauter Glöckchen, die dem schmucken Christbaum des Riedlschen Erklärungsansatzes zu vollem Glanz und Ehre gereichen...
Grüße
Martin
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
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(#228102) Verfasst am: 14.12.2004, 12:04 Titel: |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Mir scheint, das ist der Kasus Knacksus: Du suchst nach etwas, das es im allgemeinen nicht gibt: Eine allgemeine Erklärung bis hinunter auf das physikalisch/chemische Level. |
Wo fordere ich denn das? |
Es war ein VErsuch, heraúszufinden, was Du eigentlich suchst. Vielleicht musst Du einmal kritisch reflektieren, was Du eigentlich genau suchst. Was ist dieser "Mechanismus" den Du suchst. Ich behaupte: Jede Erungenschaft in der Evolution ist das Ergebnis von Milliarden und Abermilliarden klitzekleinen Erfindungen, von Konstruktionen. Eine Erkläruing habe ich dann, wenn ich alle wesentlichen Erfindungen entdeckt habe (alle geht nicht, weil es eben Milliarden sind). Du suchst dagegen nach irgend einem allgemeinen Mechanismus. Ich glaube, diesen gibt es nicht. Dieses Missverständnis zieht sich durch alle Beiträge. (Das scheint auch das Mißverständnis der Gouldianer zu sein, zumindest Thomas kommt auch immer damit an).
Zitat: | Ich fürchte, wir verheddern uns. Mit "allgemeiner Erklärung" ist doch lediglich gemeint, daß möglichst viele Einzelfälle in die Erklärung einbezogen werden. Wenn in der Physik z.B. gefragt wird, weshalb es Linienspektren gibt, würde die allgemeine Erklärung eben lauten, daß die Elektronen nur konkrete Energiebeträge einnehmen bzw. von einem Quantenzustand in einen anderen "springen" können. |
Wie ich schon sagte: Erklärungen in der Biologie sind etwas ganz anderes als Erklärungen in der Physik. Ich glaube nicht, dass es ein Naturgesetz gibt, das die Entwicklung eines Lebewesens vorhersagen kann. Lebewesen sind ganz spezifische Erfindungen.
Zitat: | Nach Thomas' Definition wäre diese Erklärung jetzt solange "Wortgeklingel", bis die Termschemata für jedes Element exakt berechnet worden sind. |
Thomas "Wortklingel"Beggriff habe ich deshalb zurückgewiesen. Trotzdem halte ich wie öfter erwähnt ein Wort wie "Geschwätz" für angebracht, allerdings gibt es dafür kein so klares Kriterium - das muss man im EInzelfall inhaltlich anschauen.
Zitat: | Das macht Sinn, weil für jede Spezies andere "constraints" gelten, man aber Evolution "als Ganzes" verstehen möchte. Schließlich haben es Biologen auch viel schwerer, weil sie im Gegensatz zu Physikern die Randbedingungen nicht einfach von einem FAll auf den nächsten übertragen bzw. ein "allgemeines Problemlösungsverfahren" entwickeln können. Das ist eben so, weil in der Biologie die Unterschiede zwischen den Individuen von Bedeutung sind und weniger die Gemeinsamkeiten. Jede Art und jedes Individuum folgt z.T. ganz anderen - individuellen -Gesetzmäßigkeiten. Daher macht es keinen rechten Sinn, dies einer biologischen Theorie (die sich immer nur auf ganz allgemeine Prinzipien erstrecken kann) als konzeptuelle Schwäche auszulegen. |
Eben. Physiker suchen nach Kausalerklärungen. In der Evolutionsbiologie gibt es keine Kausalerklärungen. Da gibt es ausschliesslich historische bzw. technische Rekonstruktionen. Das liegt daran, weil Lebewesen durch und durch aus Erfindungen bestehen.
Zitat: | Das ist ja alles schön und gut, aber um die Evolution möglichst vollständig zu verstehen, muß die Erklärung über die genetische Ebene hinausgehen. Denk an das, was Lamarck geschrieben hat: Systeme werden zwar "von unten" her determiniert, aber "von oben" her versklavt. Du brauchst also den Blick auf das "funktionelle Ganze", um zu verstehen, warum welche Gene wie verschaltet worden sind. Das liegt nicht in der Macht einzelner "egoistischer" Gene |
Ich denke doch: Die vermeintliche "Versklavung von oben" ist in Wirklichkeit eine emergente Erfindung der Gene, die sich diese wieder "zunutze" machen. Die ultimative Rückkopplung des Systems ist immer die auf den Reproduktionserfolg des Einzelgens (das dazu meist spieltheorretische Allianzen mit andern Genen eingeht).
MArtin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Kurz: Jeder gute Evolutionsbiologe seit Darwin betrachtet das Gesamtsystem. Wer es nicht tut, ist ein schlechter Evolutionsbiologe. |
Was habe ich seit dem frühen Algonkium anderes behauptet? Man beachtet den Begriff "System" in dem Wort Systemtheorie. |
Also nochmall: Ich bestreite nicht die Existenz und die Bedeutung des Systems. Ich bestreite den geistigen Mehrwert des Geschwätzes namens "Systemstheorie".
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Evolutionäre Neuheiten entstehen durch Erfindung. Und der Witz an einer Neuheit ist, dass sie neu ist. Also insbesondere: unvorhersehbar und unvorhersagbar. Und die Grundthese, die ich mit den "Ultradarwinisten" teile: jeder noch so kleine Hühnerfurz ist eine Erfindung. Und praktisch nichts ist schon in der Struktur angelegt (und damit prinzipiell vorhersagbar). |
Du solltest das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und für alles, was in der Evolution geschieht, den allmächtigen "Gott Zufall" wie eine Monstranz vor Dir hertragen. Du weißt ja, daß der Zufall in einem System nichts zuwege brächte, wenn er nicht durch die Systembedingungen kanalisiert würde. Sieh' und teste selbst, wie lange Du würfeln mußt, um einen Schneesturm in der Sahara zu kriegen. |
Deine unangemessene Antwort zeigt, dass Du über mein Argument nicht nachgedacht hast. Ich bitte Dich das zu tun.
Kurz gefasst: Alles was ein Lebewesen tut ist eine Erfindung, eine Konstruktion. Nichts davon ist reine physikalische Naturgesetzlichkeit. Selbstverständlich ist der Erfinde-Algorithmus klüger als Würfeln (sonst gäbe es uns nicht).
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Und die überhaupt nicht leere Phrase der Evolutionstheorie lautet: Es gibt einen allgemeinen Erfindemechanismus: Der besteht aus: Mutation und Selektion. |
Das ist aber gewiß nicht der Weisheit letzter Schluß. Was würdest Du einem Entwicklungsbiologen wohl sagen, wenn er auf die Frage, wie ein Lebewesen entsteht, stereotyp antworten würde: "Durch fortwährende Zellteilung"? |
Dieser Vergleich ist unangemessen. Die grundlegendste Behauptung der STE ist, dass Mutation und Selektion wirklich das Grundlegende sind. Eine andere Gemeinsamkeit gibt es nicht. Du (und Thomas) scheint so einen höheren Mechanismus zu suchen. Die Systemtheorie tut so, als habe sie da schon etwas. Hat sie aber nicht (Sonst könnten wir das ja diskutieren).
Fazit: Mir scheint, der grundlegende Dissens ist der, dass Du nach einer Art von Erklärung suchst, von der ich glaube, dass es sie nicht gibt.
Gruss
KP
NAchtrag:
Vor allem; wie verträgt sich die Mechanismensuche eigentlich mit diesen Worten:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Man muß mit anderen Worten keine "Sondermechanismen" einführen, um zu einer tieferen (mechanismischen) Erklärung zu gelangen. Es genügt vollkommen, wenn sich eine Theorie der Evolution auf den Sachverhalt der "Variation/Auslese" bezieht und den letztgenannten unter Einbeziehung struktureller Aspekte sukzessive vertieft. |
denen ich eigentlich vorbehaltslos zustimme.
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
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(#228154) Verfasst am: 14.12.2004, 14:51 Titel: |
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Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Fazit: Mir scheint, der grundlegende Dissens ist der, dass Du nach einer Art von Erklärung suchst, von der ich glaube, dass es sie nicht gibt. |
Vielleicht solltest Du Dir überlegen, ob es nicht Erklärungen unterschiedlicher "Tiefe" gibt. Wenn "die" STE alles ist, was es gibt, können wirklich eigentlich aufhören, Evolutionsforschung zu treiben. Dann könnte man eigentlich aufhören, überhaupt irgend etwas zu erforschen, sobald man eine "oberflächliche" Erklärung für irgend etwas gefunden hat.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | NAchtrag: Vor allem; wie verträgt sich die Mechanismensuche eigentlich mit diesen Worten:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Man muß mit anderen Worten keine "Sondermechanismen" einführen, um zu einer tieferen (mechanismischen) Erklärung zu gelangen. Es genügt vollkommen, wenn sich eine Theorie der Evolution auf den Sachverhalt der "Variation/Auslese" bezieht und den letztgenannten unter Einbeziehung struktureller Aspekte sukzessive vertieft. |
denen ich eigentlich vorbehaltslos zustimme. |
Was schreib' ich denn die ganze Zeit anderes? Du meinst, mit der STE den Nabel der Welt gefunden zu haben. Ich deute an, daß sie das nicht ist. Es ist doch klar, daß ihre Erklärungen beständig im Rahmen eines Forschungsprgramms überarbeitet und vertieft werden müssen, weil sie - wie schlicht jede Theorie - unvollständig ist. Das bedeutet natürlich, daß auch bestimmte Revisionen anstehen; gerade Du als Falsifikationist müßtest das doch verstanden haben (auch wenn sich meine hier wiedergegebene Position in Teilen eher dem "raffiniert-methodologischen" Falsifikationismus von Lakatos annähert).
Grüße
Martin
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#228164) Verfasst am: 14.12.2004, 15:40 Titel: |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Vielleicht solltest Du Dir überlegen, ob es nicht Erklärungen unterschiedlicher "Tiefe" gibt. |
So kommen wir nicht weiter. Du bist irgendwie nicht bereit, meine Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen. Dann kann man auch nicht darüber diskutieren. Selbstverständlich gibt es Erklärungen unterschiedlicher Tiefe. Das ist doch nicht der Punkt. Siehe unten.
Zitat: | Wenn "die" STE alles ist, was es gibt, können wirklich eigentlich aufhören, Evolutionsforschung zu treiben. Dann könnte man eigentlich aufhören, überhaupt irgend etwas zu erforschen, sobald man eine "oberflächliche" Erklärung für irgend etwas gefunden hat. |
Es geht doch nicht um die Tiefe, sondern um Erklärprinzipien. und STE bedeutet im Grundsatz, dass eine Erklärung auf Mutation und Selektion reduziert werden muss. Du scheinstzu behaupten, dass das nicht geht. Aber irgendwie machst Du dabei ganz schwammige und nicht festnagelbare Aussagen.
Zitat: | Was schreib' ich denn die ganze Zeit anderes? |
Das zum Beispiel wieder:
Zitat: | Du meinst, mit der STE den Nabel der Welt gefunden zu haben. Ich deute an, daß sie das nicht ist. |
Das widerspricht der Aussage: "Man muß mit anderen Worten keine "Sondermechanismen" einführen".
Zitat: | Es ist doch klar, daß ihre Erklärungen beständig im Rahmen eines Forschungsprgramms überarbeitet und vertieft werden müssen, weil sie - wie schlicht jede Theorie - unvollständig ist. |
Vollkommen richtig. Aber damit ist, solange keine neuen Mechanismen am Werk sind, die STE immer noch der Nabel der Welt. Du hast nichts daran irgendwie geschwächt.
Zitat: | Das bedeutet natürlich, daß auch bestimmte Revisionen anstehen; gerade Du als Falsifikationist müßtest das doch verstanden haben (auch wenn sich meine hier wiedergegebene Position in Teilen eher dem "raffiniert-methodologischen" Falsifikationismus von Lakatos annähert). |
Was willst Du revidieren? Die STE oder einzelne Erklärungen? Ich behaupte, Du revidierst nur Einzelerklärungen.
Ich versuche es noch einmal:
Für mich gibt es in der Evolutionsbiologie zwei Erklärungsarten:
1. Die historische Rekonstruktion, wie genau eine bestimmte Struktur Schritt für Schritt enstanden ist.
2. Die "technische" Rekonstruktion, was genau die Natur denn da erfunden hat, und wie die Teile zusammenspielen. (Das ist vergleichbar der Aufgabe, ein Gerät eines Konkurrenten zu kaufen und "Reengineering" zu betreiben).
Jede dieser Erklärungsarten kann beliebig tief ausgeführt werden (na ja, so tief ich eben komme mit dem was ich an Info habe). Beide Erklärungsarten stehen voll auf dem Boden der STE.
Du scheinst noch irgendetwas anderes zu suchen. Ich versuche krampfhaft, herauszufinden, was das ist. Du bist bei diesem Unternehmen nicht sehr konstruktiv. Warum nicht?
Gruss
KP
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#228185) Verfasst am: 14.12.2004, 16:20 Titel: |
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Hi Klaus-Peter,
sorry, gerade wenig Zeit, ich antworte auf Dein anderes Posting noch ausführlicher. Kann sein, dass dann auch einiges klarer wird, was Martin meint.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: |
Es geht doch nicht um die Tiefe, sondern um Erklärprinzipien. und STE bedeutet im Grundsatz, dass eine Erklärung auf Mutation und Selektion reduziert werden muss. |
Das scheint mir der Knackpunkt zu sein. Natürlich kannst Du 'ganz global' sagen, dass 'irgendwie' Varianten entstehen, aus denen die Selektion dann ausliest. Aber das ist nicht STE. STE impliziert noch ein paar weitere Dinge. Der wesentliche Punkt ist, dass die Selektion _schöpferisch_ ist. Das bedeutet, dass dieser Faktor, meist als extern gesehen, das formende Agens ist. Damit das funktionieren kann, müssen beispielsweise die Mutationen klein und isotrop sein. Wenn das nicht der Fall ist, ist der Mutationsdruck die formende Kraft, die Selektion verliert ihre schöpferische Wirkung. Die Selektion ist dann nur noch Eliminierung von weniger angepassten Formen, aber nicht mehr schöpferisch. Das ist dann keine STE mehr.
Falls Dich näher interessiert, was STE ist (eigentlich wird dort eher gezeigt, was STE nicht ist), kann ich Dir diesen Artikel empfehlen. Vielleicht siehst Du dann, dass Dennett nicht 'die' STE vertritt und dass die ganze Sache ein wenig komplex ist.
Oder Du definierst genauer, was 'STE' Deiner Meinung nach ist. Kann sein, dass wir einfach nur aneinander vorbei reden.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Du scheinstzu behaupten, dass das nicht geht. Aber irgendwie machst Du dabei ganz schwammige und nicht festnagelbare Aussagen. |
Man kann auch anders herum fragen: kann die STE etwas erklären? _Wenn_ die erforderlichen Varianten da sind, und _wenn_ ein entspechender Selektionsdruck herrscht, und _wenn_ keine constraints vorliegen, _dann_ kann es eventuell so funktionieren, wie es sich die Anhänger der STE vorstellen. Die Frage ist noch, _ob_ das der Fall ist.
Einer der besten Kommentare zu Dennett, die ich kenne, stammt von Gert Korthof, der auf seiner Site ganz hervorragende Rezensionen vieler Bücher stehen hat, die mit Evolution zu tun haben:
Korthof hat folgendes geschrieben: | If one wants to learn something about the dangerous idea of evolution (from a philosopher), I can recommend Dennett. Even Richard Dawkins learned something from Darwin's Dangerous Idea. Don't expect facts facts from a philosopher. There is no discussion of how good empirical data fit Darwin's theory. It's a book about ideas, the history of an idea, the impact of an idea, comparing and connecting ideas with each other. |
Grüßle
Thomas
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#228195) Verfasst am: 14.12.2004, 16:39 Titel: |
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Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Vielleicht solltest Du Dir überlegen, ob es nicht Erklärungen unterschiedlicher "Tiefe" gibt. |
So kommen wir nicht weiter. Du bist irgendwie nicht bereit, meine Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen. Dann kann man auch nicht darüber diskutieren. |
Nun, das muß nicht unbedingt nur an mir liegen. Lies doch einfach, was ich geschrieben habe. Noch einmal: Kein Mensch behauptet, daß die STE rundheraus falsch ist, sondern nur, daß sie unvollständig, d.h. reduktionistisch und simplistisch ist! Um das zu ändern, werden überhaupt Forschungsprogramme aufgelegt.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Wenn "die" STE alles ist, was es gibt, können wirklich eigentlich aufhören, Evolutionsforschung zu treiben. Dann könnte man eigentlich aufhören, überhaupt irgend etwas zu erforschen, sobald man eine "oberflächliche" Erklärung für irgend etwas gefunden hat. |
Es geht doch nicht um die Tiefe, sondern um Erklärprinzipien. und STE bedeutet im Grundsatz, dass eine Erklärung auf Mutation und Selektion reduziert werden muss. Du scheinstzu behaupten, dass das nicht geht. |
Nein. Ich schreibe doch ad nauseam, daß "Variation/Auslese" als grundlegender Mechanismus der Evolution stehen bleibt. Und ich habe das am Beispiel der "Zellteilung" klarzumachen versucht, die als grundlegender Mechanismus die Ontogenese vorantreibt. Aber das ist doch nicht alles! So wie in der Ontogenese das eigentlich Interessante nicht die Zellteilung, sondern die komplexen Regulationsmechanismen sind, die zur Zelldifferenzierung führen, so ist das eigentlich Interessante in der Evolution nicht Umweltselektion und Zufall (allein), sondern eben jene epigenetischen Faktoren, die erklären (können), warum was überhaupt der Umweltselektion dargeboten wird, warum es eine Stetigkeit der Merkmale gibt, wie Synorganisation zustandekommt, usw. usf.
Und hier ist eben ein Punkt erreicht, an dem die STE bislang nichts (wesentliches) zum vollständigen Verständnis des Evolutionsgeschehens beigetragen hat. Wenn sie behauptet, Umweltselektion sei alles, was eine Rolle spielt, ist das schlicht nicht haltbar. Auch wenn niemand die Umweltselektion über den Jordan springen läßt, wie Du dauernd meinst, sollte zumindest klar sein, daß sie keinem Allerklärungsanspruch genügt. Die STE ist, wie gesagt, eben unvollständig: Es kommen zur Umweltselektion "innere" (Regulations-) Mechanismen hinzu. Damit wird aber auch die Rolle der Umweltselektion deutlich relativiert, weil sich mehrere Faktoren sozusagen den Kuchen teilen müssen. Habe ich mich nun etwas verständlicher ausgedrückt?
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Du meinst, mit der STE den Nabel der Welt gefunden zu haben. Ich deute an, daß sie das nicht ist. |
Das widerspricht der Aussage: "Man muß mit anderen Worten keine "Sondermechanismen" einführen". |
Nein! Mit Mutation/UmweltSelektion steht ein allgemeiner, aber eben unvollständiger Erklärungsrahmen. Wenn jemand nun meinen würde, daß es eine Klasse von Evolutionsprozessen gibt, in der Mutation/Umweltselektion, überhaupt keine Rolle spielen würden, müßte man alternativ dazu gesonderte Mechanismen einführen, die nur für diesen ganz speziellen "Typ Evolution" gelten. Schindewolf hat das z.B. angenommen und eine "Zweiphasen-Evolution" postuliert. Diese Auffassung teile ich dezidiert nicht!
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Was willst Du revidieren? |
U.a. den konsequent vertretenen Adaptationismus, wonach geglaubt wird, daß die Umweltselektion die pralle Rolle im Evolutionsgeschehen spielte...
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Die STE oder einzelne Erklärungen? Ich behaupte, Du revidierst nur Einzelerklärungen. |
Nein, der gesamte theoretische Rahmen wird verändert. Natürlich werden sich Mutation/Selektion als "Basisfaktoren" in jeder erweiterten Evolutionstheorie wiederfinden. Klar: Es wird zwischen jeder Theorie und ihrem Nachfolger begriffliche und semantische Überschneidungen geben, sonst gäbe es ja keinen Wissensfortschritt. Aber der wissenschaftliche Fortschritt hat es so an sich, daß bestimmte Auffassungen der "älteren" Theorie auf der Strecke bleiben. Mit jeder wissenschaftlichen Revolution und jeder tiefteren Erklärung wird sozusagen der "Wildwuchs" beschnitten.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Ich versuche es noch einmal:
Für mich gibt es in der Evolutionsbiologie zwei Erklärungsarten:
1. Die historische Rekonstruktion, wie genau eine bestimmte Struktur Schritt für Schritt enstanden ist.
2. Die "technische" Rekonstruktion, was genau die Natur denn da erfunden hat, und wie die Teile zusammenspielen. (Das ist vergleichbar der Aufgabe, ein Gerät eines Konkurrenten zu kaufen und "Reengineering" zu betreiben). |
BTW: Historische Rekonstruktion und (mechanismische) Erklärung sind zwei paar Stiefel. Du kannst problemlos erforschen, wie die Arten historisch aufeinander folgten, ohne eine Ahnung von den Mechanismen der Evolution zu haben.
Grüße
Martin
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#228218) Verfasst am: 14.12.2004, 17:33 Titel: |
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Hi Klaus-Peter!
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Für mich gibt es in der Evolutionsbiologie zwei Erklärungsarten:
1. Die historische Rekonstruktion, wie genau eine bestimmte Struktur Schritt für Schritt enstanden ist.
2. Die "technische" Rekonstruktion, was genau die Natur denn da erfunden hat, und wie die Teile zusammenspielen. (Das ist vergleichbar der Aufgabe, ein Gerät eines Konkurrenten zu kaufen und "Reengineering" zu betreiben). |
Das könnte durchaus so gesehen werden.
Dies ist übrigens ziemlich genau die Vorgehensweise von Gutmann, wenn auch in umgekehrter Reihenfolge; es fehlt noch der Punkt 0. - die zugehörige Hypothese:
So hat er bsw. sehr schön dargelegt, wie ein Organismus zusätzliche homologe Segmente (= Konstruktion (quantitative Änderung)) entwickelt, die dann zu einem späteren Zeitpunkt spezialisierte bzw. andere Aufgaben (= Funktion) übernehmen können: Kiemen an den Beinen (Konstruktion) könnten sich dann entsprechend spezialisieren und mit entsprechenden Optimierungsmöglichkeiten hin in Richtung Kiemen oder Beinen differenzieren (= Konstruktion (qualititative Änderung)). Oder einzelne Segmente könnten "zusammenschmelzen" und die Strukturen sind nun in der Lage, wiederum über konstruktive Änderungen (= Konstruktion (qualititative Änderung)) einen Funktionswechsel zu erlauben, falls die Standardaufgaben von der restlichen Ausstattung der organismischen Konstruktion hinreichend übernommen werden kann.
Hypothesen wären hier bsw.:
1. Konstruktive Limitierung: Der Organismus muß in jedem Stadium der konstruktiven Ableitung überlebensfähig sein.
2. Konstruktive Limitierung: Qualititative Konstruktionsänderungen beim Organismus setzen quantitative Konstruktionsänderungen voraus
3. Konstruktive Limitierung: Der "Umbau" erfolgt nach Maßgabe der allgemeinen konstruktiven Bedingungen des Hydroskeletts (Hydroskelett-Theorie; Bänderungen, Versteifungen, Druck ...).
4. ...
Dieses nur im Telegrammstil, aber ich hoffe, das wesentliche ist deutlich geworden. Die STE kennt übrigens keine "technische" Rekonstruktion (vielleicht von gewissen Marginalien bei einzelnen Vertretern mal abgesehen).
Jetzt nun die Frage: Wie wichtig ist hierbei die Genetik?
In einer Analogisierung mit einem Computersystem wäre dies wohl der Maschinencode (1, O) eines Betriebssystems (mit der Besonderheit, Reproduktion zu initiieren).
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | BTW: Historische Rekonstruktion und (mechanismische) Erklärung sind zwei paar Stiefel. Du kannst problemlos erforschen, wie die Arten historisch aufeinander folgten, ohne eine Ahnung von den Mechanismen der Evolution zu haben. |
Jetzt wird es aber im Zusammenhang mit dem o. g. sehr interessant ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#228244) Verfasst am: 14.12.2004, 18:52 Titel: |
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Hallo Martin,
ich denke, es wäre doch einmal sinnvoll und hilfreich, wenn Du darstellst, was Du unter "(mechanismische) Erklärung" verstehst. Es ist offenbar etwas anderes als das was ich mit "Reengineering" bezeichnet habe.
Gruß
KP
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#228246) Verfasst am: 14.12.2004, 18:58 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | BTW: Historische Rekonstruktion und (mechanismische) Erklärung sind zwei paar Stiefel. Du kannst problemlos erforschen, wie die Arten historisch aufeinander folgten, ohne eine Ahnung von den Mechanismen der Evolution zu haben. |
Jetzt wird es aber im Zusammenhang mit dem o. g. sehr interessant ... . |
Sorry, das war meine Wenigkeit...
Und im Gegenteil zu Dir sehe ich wenig überzeugende Argumente für eine Umkehrung der Vorgehensweise. Tatsächlich ist ja der abgestufte Formenwandel durch die geochronologische Abfolge der Fossilien vorgegeben. Das heißt die Tatsache, daß sich Flora und Fauna in Abhängigkeit der Zeit systematisch verändern, spricht überhaupt erst für transspezifische Evolution! Wollte man statt dessen die Fossilienreihen nach "biomechanischen" Gesichtspunkten neu ordnen, würde man die Fossilien aus ihrem zeitlichen Zusammenhang herausreißen, so daß gar nicht mehr klar wäre, aufgrund welcher Befunde man überhaupt von einer Stammesgeschichte auszugehen hat.
Wer den Mißstand umgehen möchte, dem bleibt wohl nichts anderes übrig, als der radiometrischen Datierung gegenüber der biomechanischen Betrachtung den Vorrang zu geben. Damit wird das Konzept der FET nicht unbedingt wertvoller. Aber man kann sich ja ein paar hübsche "Gutmannian stories" ausdenken, um alles wieder ins Lot zu bringen...
Grüße
Martin
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#228255) Verfasst am: 14.12.2004, 19:36 Titel: |
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Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | ich denke, es wäre doch einmal sinnvoll und hilfreich, wenn Du darstellst, was Du unter "(mechanismische) Erklärung" verstehst. Es ist offenbar etwas anderes als das was ich mit "Reengineering" bezeichnet habe. |
*Seufz*
Was ist Dir denn nur so unklar? Ein Mechanismus ist die Art und Weise, mit der sich ein System aufgrund der Wechselwirkung mit seiner Umwelt sowie aufgrund seiner "inneren Struktur" (sprich: der WW seiner Teile untereinander) verändert. Und eine mechanismische Erklärung bezieht sich eben auf diese Arten der Wechselwirkung. Und da es in der Regel mehrere Systemebenen gibt, gibt es meist auch verschiedene Ebenen der Erklärung.
Das Problem der STE ist nun verschiedener Art: Erstens berücksichtigt sie bei der Erklärung oft nur einzelne, isolierte Gene oder Merkmale und keine System-Umwelt-Wechselwirkung. Zweitens berücksichtigt sie bei der Erklärung nicht die "innere Struktur" von Organismen, sondern nur deren Wechselwirkung mit dem "Außenmilieu" (sprich: mit der Umwelt der Organismen). Und drittens läßt sie auch entwicklungsbiologische Aspekte weitgehend außer Acht. Und weil Du mir jetzt bestimmt wieder vorhälst, ich wollte die Mutation und Selektion als "tragende" Mechanismen "absägen", füge ich rasch hinzu, daß dem keineswegs so ist...
Grüße
Martin
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
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(#228290) Verfasst am: 14.12.2004, 21:10 Titel: |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm (und keinesfalls Klaus-Peter) hat folgendes geschrieben: | BTW: Historische Rekonstruktion und (mechanismische) Erklärung sind zwei paar Stiefel. Du kannst problemlos erforschen, wie die Arten historisch aufeinander folgten, ohne eine Ahnung von den Mechanismen der Evolution zu haben. |
Jetzt wird es aber im Zusammenhang mit dem o. g. sehr interessant ... . |
Sorry, das war meine Wenigkeit... |
Okay. Ehre, wem Ehre ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Und im Gegenteil zu Dir sehe ich wenig überzeugende Argumente für eine Umkehrung der Vorgehensweise. Tatsächlich ist ja der abgestufte Formenwandel durch die geochronologische Abfolge der Fossilien vorgegeben. Das heißt die Tatsache, daß sich Flora und Fauna in Abhängigkeit der Zeit systematisch verändern, spricht überhaupt erst für transspezifische Evolution! Wollte man statt dessen die Fossilienreihen nach "biomechanischen" Gesichtspunkten neu ordnen, würde man die Fossilien aus ihrem zeitlichen Zusammenhang herausreißen, so daß gar nicht mehr klar wäre, aufgrund welcher Befunde man überhaupt von einer Stammesgeschichte auszugehen hat.
Wer den Mißstand umgehen möchte, dem bleibt wohl nichts anderes übrig, als der radiometrischen Datierung gegenüber der biomechanischen Betrachtung den Vorrang zu geben. Damit wird das Konzept der FET nicht unbedingt wertvoller. Aber man kann sich ja ein paar hübsche "Gutmannian stories" ausdenken, um alles wieder ins Lot zu bringen... |
Da brauchst Du Dir keine "Gutmannian stories" ausdenken, die gibt es schon reichlich.
Nach seiner Diss. verweilte Gutmann am Meere; und so fuhr er Tag ein, Tag aus mit dem Forschungsschiff auf das weite, weite Meer hinaus. O-Ton Gutmann über solcherlei Tätigkeit: " Hab' ich auch mal gemacht - wie langweilig!" Und so betrachtete Gutmann Organismen um Organismen, die da vom Meeresgrunde nun dem grellen Lichte der Mikroskopierbeleuchtung ausgesetzt wurden. Allein, Erkenntnisse über den großen Zusammenhang blieben ob solcherlei deskriptiven Tätigkeiten aus und so schwante Gutmann, mittlerweile doch ziemlich deprimiert, da gehört noch mehr hinzu. Er besann sich seiner wissenschaftstheoretischen Interessen und so ward die Geburt der FET allmählich in die Gänge gesetzt.
Was lehrt uns also diese kleine Geschichte? Es genügt nun nicht, Formen miteinander zu vergleichen. Ist es schon bei rezenten und somit quicklebendigen Organismen (so sie nicht im Alkohole liegen) nicht so ganz einfach, gewisse Schlussfolgerungen zu ziehen, was ist da erst mit Petrefakten zu leisten?
Hier nun etwas schwierigeres: Auf dem folgenden Bildern ist eine Krabbe von einem Parasiten befallen. Wie würdest Du diesen Parasiten systematisch einordnen?
Hint:
Also, welche Vorgehensweise willst Du nun umkehren? Und welche Formen willst Du nun mit welchen Linien geochronologisch zusammenführen?
Über den Satz
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | [...] die Tatsache, daß sich Flora und Fauna in Abhängigkeit der Zeit systematisch verändern, spricht überhaupt erst für transspezifische Evolution! |
wäre doch so einiges zu diskutieren, findest Du nicht?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#228320) Verfasst am: 14.12.2004, 21:30 Titel: |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Jedenfalls werden Systeme "von unten" her determiniert und von oben her "versklavt". |
A propos "versklavt": Das ist genau das Prinzip, welches Riedl als "imitatorische Rückkopplungs-Kausalität" bezeichnet und Mayr so schändlich als "Lamarckismus" mißverstanden hatte: Die Funktionszusammenhänge im Phänotyp wirken auf die Struktur des epigenetischen Systems zurück und bedingen dessen hierarchischen Aufbau mitsamt den genetischen Bürden und der daraus resultierenden constraints. Herrlich, wie ich das liebe: Lauter Glöckchen, die dem schmucken Christbaum des Riedlschen Erklärungsansatzes zu vollem Glanz und Ehre gereichen... |
Auch Hermann Haken kennt bei seiner Synergetik das Prinzip der "Versklavung" - z. B. mit seinem Ausdruck "Versklavung der Dipole" (beim Laser). Hier etwas aufschlussreiches:
http://www.tor.at/resources/focus/telepolis/container/heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/2109/2.html
Cheers,
Lamarck
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#228920) Verfasst am: 16.12.2004, 01:53 Titel: |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Die Begriffe 'Mutationsdruck' und 'Selektionsdruck' sind keine Termini technici sondern Metaphern, um einen "Druck" zu einer Transformation von n → n' zu "erklären". |
Mir fällt an der Stelle immer Goulds Gleichnis mit dem Besoffenen ein, ein zwei Meter breites Trottoir statistisch entlang torkelt. Die "constraints" ('rechte Wand' in Kombination mit 'Variation') sorgen dafür, daß er im Rinnstein landet. Fürwahr: Fast schon eine ausgefeilte Systemtheorie... .. |
In der Tat, so ist der Ansatz. Im genannten Beispiel allerdings aufgrund der geringen Anzahl der Parameter allerdings doch sehr übersichtlich ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und was ist bei Mahner Anpassung? Etwa ein äußerer Transformationsdrang? Wäre hier nach 3 Milliarden Jahren dann nicht auch eine "gleichförmige Weltpopulation” zu erwarten? |
Warum? Es gibt doch nicht _eine_ Umwelt? |
Wieviele Umwelten gibt es denn? Und auch wenn es viele verschiedene Umwelten gibt, so sind sie doch im zeitlichen Ablauf recht statisch. Und auch wenn in ähnlichen Umwelten ähnliche Organismen vorkommen, so ändern sie sich doch nicht unbedingt in ähnlicher Weise. Würden sich denn Organismen in einer idealen Umwelt im Laufe der Zeit verändern? |
Das ist genau das Problem der STE: Evolutionäre Veränderungen korrespondieren nicht oder nur ganz selten mit dem "Selektionsdruck" der Umwelt. Und welche Umwelt "drückt denn da", wenn gerade wieder eine Exzessivbildung zum Aussterben der Art führt? Vielleicht eine interessante Frage für Klaus-Peter... |
Natürlich.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Bei Gutmann findet sich als Evolutionsmotor ein "mechanistischer Mechanismus” |
Welcher _Mechanismus_? |
Falls Du andere Ebenen vorziehst: Selbstorganisation, Emergenz, Pfadabhängigkeit, Synergetik & Homöostase. |
Vorsicht, die Ausdrücke sind mit dem Begriff "Wortgeklingel" behaftet. In diesem Fall sogar zurecht, wenn sie einfach nur - wie Du es hier machst - lose in den Ring geschmissen werden... |
Nein, denn hier sind die Begriffe wohl temperiert. "Wortgeklingel" wäre es nur dann, wenn ich nicht wüsste, was diese Begriffe im einzelnen bedeuten. Wer will, darf aber gerne nachfragen. Aber vorerst genügt diese Aufzählung. Es wurde ja nach Mechanismen gefragt; was hier aufgezählt wurde, lässt sich nun leicht mechanistisch (besser: kausal) auffassen. Vielleicht ist in diesem Zusammenhang auch noch der Vorgang bei Beschreibung & Erklärung erwähnenswert.
Für die Systemtheoretiker und die, die es werden wollen: selbstverständlich kann - wie mit allen Konzepten - ein sinnloses formalisieren betrieben werden. Das lässt sich aber doch leicht hinterfragen. Der von Ludwig von Bertallanfy formulierte Begriff "Fließgleichgewicht" ist in seiner Konzeptionierung ja nicht gerade als unbedeutend aufzufassen. Denn Klassiker hatte ich ja noch gar nicht erwähnt:
Bertallanfy, L. von (1968): General Systems Theory. Foundations, Development, Applications. Braziller, New York.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | und das ist letztlich die Thermodynamik. Unter Entropieproduktion werden zwangsweise (!) lokale Strukturen ausgebildet, die komplexer sind als ihre Umgebung. Organismen sind dann 'nur’ eine besondere Form von Komplexität. Mehr wird hier auch nicht benötigt. Und genau dies wird bei Gutmann mit dem Begriff 'Energiewandler’ berücksichtigt. Vielleicht würde Mahner hier gar von Konstruktions- oder Komplexitäts”druck” reden wollen ... .  |
Ich kann ihn ja gelegentlich fragen. |
Lass es lieber, es würde ihm zu sehr verwirren. Denn auch hier erinnert die Formulierung von "Druck" an eine innewohnende Kraft in künstlerischer Übersteigerung. |
Lästere mich hier ja nicht so viel über Mahner ab! Das Problem "der" FET scheint mir zu sein, daß sie den Anpassungsbegriff ablehnt - zumindest diejenige Variante der FET, die Gutmann bevorzugt zu haben scheint. Implizit wird dieser aber doch wieder in Gestalt der "biomechanischen constraints" vorausgesetzt. Und schließlich müssen sich Spezies auch in Umwelten bewähren, oder nicht? Alles in allem fragt man sich also,
Mahner (a.a.O.) hat folgendes geschrieben: | weshalb soviel Lärm darum gemacht wird. Offenbar klaffen hier wie so oft Propaganda und Realität auseinander. | |
Einen Anpassungsbegriff erfogreich zu vertreten, geht nach Gutmann ganz leicht. Du musst dazu 'nur' Anpassung messen. Was aber nimmst Du hierzu als Maßstab?
Aber für "Goulds Gleichnis des Besoffenen" ist solches doch entbehrlich. Da fragt er nicht unbedingt nach Anpassung.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ach ja, und was ich schon immer mal wissen wollte aber nie zu fragen wagte:
Mahner (a.a.O.) hat folgendes geschrieben: | Wenn Umwelt und Anpassung keine Rolle spielen, sollte man nach mehr als 3 Milliarden Jahren Evolution anstelle von Millionen unterschiedlicher Arten nicht eine gleichförmige Weltpopulation optimaler Energiewandler erwarten dürfen? (Oder zumindest eine vergleichsweise kleine Zahl unterschiedlicher aber äquioptimaler Formen bzw. Arten?) "Evolutionäres" Geschehen dürfte nach Erreichen dieses Stadiums nur darin bestehen, die durch inneren Varianzdruck (45) erzeugten Abweichungen vom Optimum auszugleichen. |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Vorwurf von Gutmann war hier genau umgekehrt: Die Organismische Konstruktion kann nicht von der Genomik her begründet werden. |
Warum denn nicht? Sind denn die "biomechanischen constraints" völlig losgelöst vom epigenetischen System? Das hierarchisch strukturierte "Gennetz" bedingt doch die constraints, die "morphogenetischen Felder" und die Konstruktion mit!
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wie erfolgt denn genau die Helix-Bildung der DNA oder die Assoziation von Proteinen? Ein Gen ist doch kein Konstrukteur. Vielmehr verfügen Nukleotide über gewisse chemische und physikalische Eigenschaften und somit über prinzipiell keine anderen Fähigkeiten wie die Wassermoleküle der Schneeflocke. Das Geheimnis heißt Organisation. Die wirst Du bei reduktionistischen Vorgehen niemals finden. |
Das stimmt ja alles, aber Du kannst doch die Ebene der Gene nicht völlig ausblenden. Das wäre ja wiederum ein völlig inakzeptabler "makro-Reduktionismus". So wie die Form einer Schneeflocke natürlich auf inhärente physicochemische Eigenschaften zurückgeht, die nicht allein durch die Eigenschaften von Wasserstoff- und Sauerstoffatomen erklärbar sind, werden sie aber doch deren Eigenschaften mitbedingen. Vergleiche dazu nur einmal die Anordnung der H2O-Moleküle eines Eiskristalls mit der Anordnung der dazu homologen H2S Moleküle in einem Schwefelwasserstoff-Kristall sowie deren "Makrostruktur" |
Ich verstehe hier nicht ganz, was Du meinst. Nachdem ja Schneeflocken nun keine Gene enthalten ( ): Was willst Du nun hier analogisieren? Sind Gene gleichzusetzen mit Strukturprinzipien?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Sorry, der _Mechanismus_ ist mir nicht klar geworden. Ich sehe auf der einen Seite die Ebene der Moleküle. Auf der anderen den einer organismischen Struktur. Ein Mechanismus besteht darin, zu zeigen, wie man vom einen zum anderen kommt. |
Ich weiß nicht so recht, was hier Dein Problem ist. Es klingt aber ähnlich wie Dein Erklärungsbedarf bei der STE. Ob ich das jetzt mittels Gutmann auflösen kann? |
Gelingt Dir wohl aus zweierlei Gründen nicht: Erstens könnte auch Gutmanns Theorie bestenfalls einen allgemeinen Erklärungsrahmen liefern, so daß ohne weiteres gar keine Detailerklärungen anstehen. Da Thomas das von Haus aus als "Wortgeklingel" bezeichnet, wirst Du auch mit der vollständigsten Evolutionstheorie keinen Treffer landen.
Der zweite Grund liegt etwas "tiefer" und hat wohl damit zu tun, daß bei Gutmann gar nicht so recht klar wird, was er eigentlich so originell Neues vertritt. Es sei denn, er versenkt gerade im Tobsuchtsanfall die ganze Biologie (inkl. aller Evolutionsbelege) im Marianengraben. In diesem Fall weiß niemand, welche Evolutionsfaktoren er überhaupt vertritt |
Du übertreibst. Aber ein klein wenig hast Du doch jetzt mitgenommen, oder?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wenn ich das obige genau nehme, scheint mir ein Kategorienfehler vorzuliegen: Die Ebenen 'Molekül' und 'Organismus' sind Deine gedanklichen Konstrukte. |
Hüstel.... |
Siehste!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und ein Organismus besteht eben aus Molekülen. Es ist also nicht die Frage, wie Du aus einem Molekül einen Organismus machst, sondern wie eine große Anzahl von Molekülen im Organismus organisiert sind. Die relevante Frage wäre hier die nach den (An-) Ordnungsmechanismen. Das ist aber immer Struktur. |
So sehe ich das auch. Allerdings ist das eine Frage, die die Entwicklungsbiologie tangiert. Der muß natürlich ein GENerator (sprich: Mutation/Rekombination), vorgelagert sein, der gewissermaßen das "Rohmaterial" liefert. Und nicht zu vergessen die Struktur des "Gensystems", die wiederum bestimmt, von welcher Art die Ordnungsmechanismen sind. |
Da steckt aber immer das ganze System dahinter. Und was entwickelt sich in der Entwicklungsbiologie? - In einem Lehrbuch der Theoretischen Informatik habe ich mal gelesen: Es besteht algorithmisch kein prinzipieller Unterschied zwischen Hard- und Software. Und Gene müssen schließlich auch mal irgendwo herkommen.
Cheers,
Lamarck
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
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(#228981) Verfasst am: 16.12.2004, 13:40 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Die Begriffe 'Mutationsdruck' und 'Selektionsdruck' sind keine Termini technici sondern Metaphern, um einen "Druck" zu einer Transformation von n → n' zu "erklären". |
Mir fällt an der Stelle immer Goulds Gleichnis mit dem Besoffenen ein, ein zwei Meter breites Trottoir statistisch entlang torkelt. Die "constraints" ('rechte Wand' in Kombination mit 'Variation') sorgen dafür, daß er im Rinnstein landet. Fürwahr: Fast schon eine ausgefeilte Systemtheorie... .. |
In der Tat, so ist der Ansatz. Im genannten Beispiel allerdings aufgrund der geringen Anzahl der Parameter allerdings doch sehr übersichtlich ... . |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Das ist genau das Problem der STE: Evolutionäre Veränderungen korrespondieren nicht oder nur ganz selten mit dem "Selektionsdruck" der Umwelt. Und welche Umwelt "drückt denn da", wenn gerade wieder eine Exzessivbildung zum Aussterben der Art führt? Vielleicht eine interessante Frage für Klaus-Peter... |
Natürlich.  |
OK, man könnte die Frage auch etwas anders (sagen wir mal: "dawkins-gerechter") stellen: Welches Gen ist es denn, dessen Egoismus alle Säbelzahntiger aufgrund von Exzessivbildung in den Untergang trieb?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Falls Du andere Ebenen vorziehst: Selbstorganisation, Emergenz, Pfadabhängigkeit, Synergetik & Homöostase. |
Vorsicht, die Ausdrücke sind mit dem Begriff "Wortgeklingel" behaftet. In diesem Fall sogar zurecht, wenn sie einfach nur - wie Du es hier machst - lose in den Ring geschmissen werden... |
Nein, denn hier sind die Begriffe wohl temperiert. "Wortgeklingel" wäre es nur dann, wenn ich nicht wüsste, was diese Begriffe im einzelnen bedeuten. |
Stimmt. Aber die Kenntnis der Begriffe setzt natürlich theoretisches Hintergrundwissen voraus...
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Einen Anpassungsbegriff erfogreich zu vertreten, geht nach Gutmann ganz leicht. Du musst dazu 'nur' Anpassung messen. Was aber nimmst Du hierzu als Maßstab? |
Ein sehr gute Frage. AFAIK entpuppten sich viele der vermeintlichen Anpassungen als "Präadaptationen". Eigentlich erscheint mir dies trivial: Jede evolutive Neuheit ist (in statu nascendi) zunächst einmal nicht adaptiv. Entweder erweist sich das Merkmal dann in einer bestimmten Umwelt als nützlich ("adaptiv"), schädlich ("maladaptiv") oder schlicht belanglos ("selektionsneutral").
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Aber für "Goulds Gleichnis des Besoffenen" ist solches doch entbehrlich. Da fragt er nicht unbedingt nach Anpassung. |
Klar. Allerdings könnte man den Begriff "Anpassung" ja auch weiter fassen im Sinne von "innerer" Passung. Eine Letalmutante wäre in diesem Sinn maladaptiv. Und ich vermute, daß der Besoffene im Rinnstein auch nicht von sich behaupten wird, soeben eine neue ökologische Nische erschlossen zu haben.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | So wie die Form einer Schneeflocke natürlich auf inhärente physicochemische Eigenschaften zurückgeht, die nicht allein durch die Eigenschaften von Wasserstoff- und Sauerstoffatomen erklärbar sind, werden sie aber doch deren Eigenschaften mitbedingen. Vergleiche dazu nur einmal die Anordnung der H2O-Moleküle eines Eiskristalls mit der Anordnung der dazu homologen H2S Moleküle in einem Schwefelwasserstoff-Kristall sowie deren "Makrostruktur" |
Ich verstehe hier nicht ganz, was Du meinst. Nachdem ja Schneeflocken nun keine Gene enthalten ( ): Was willst Du nun hier analogisieren? Sind Gene gleichzusetzen mit Strukturprinzipien? |
Was ich meinte war nur, daß - wie Du selbst sagst - die "Makro-Struktur von unten her" determiniert wird. Ob Du dann "Gene" oder "H2O-Moleküle" zu einem System verkoppelst, ist für das Verständnis des Prinzips Jacke wie Hose.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Der zweite Grund liegt etwas "tiefer" und hat wohl damit zu tun, daß bei Gutmann gar nicht so recht klar wird, was er eigentlich so originell Neues vertritt. Es sei denn, er versenkt gerade im Tobsuchtsanfall die ganze Biologie (inkl. aller Evolutionsbelege) im Marianengraben. In diesem Fall weiß niemand, welche Evolutionsfaktoren er überhaupt vertritt |
Du übertreibst. Aber ein klein wenig hast Du doch jetzt mitgenommen, oder? |
ACK.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | So sehe ich das auch. Allerdings ist das eine Frage, die die Entwicklungsbiologie tangiert. Der muß natürlich ein GENerator (sprich: Mutation/Rekombination), vorgelagert sein, der gewissermaßen das "Rohmaterial" liefert. Und nicht zu vergessen die Struktur des "Gensystems", die wiederum bestimmt, von welcher Art die Ordnungsmechanismen sind. |
Da steckt aber immer das ganze System dahinter. Und was entwickelt sich in der Entwicklungsbiologie? |
Solange Du "Organismus" und nicht "Keimbahn" sagst, sind wir uns einig
Grüße
Martin
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