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Wird der umstrittene Philosoph Peter Singer in Deutschland hoffähig?
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nocquae
diskriminiert nazis



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 18183

Beitrag(#228000) Verfasst am: 14.12.2004, 00:43    Titel: Antworten mit Zitat

Ich frage mich, ob die Personen, die Singer so "hart kritisieren" ihn überhaupt jemals gelesen haben oder ob sie nicht vllt viel eher irgendeiner dümmlichen Propaganda über ihn zum Opfer gefallen sind Mit den Augen rollen

Ich gehe zumindest weitestenteils mit ihm konform.

Und nun möchte ich hier folgerichtig auch mit einem Redeverbot belegt werden,
_________________
In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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AdvocatusDiaboli
Öffentlicher Mobber



Anmeldungsdatum: 12.08.2003
Beiträge: 26397
Wohnort: München

Beitrag(#228007) Verfasst am: 14.12.2004, 00:53    Titel: Antworten mit Zitat

Allerdings stellt sich mir die Frage, da der Tod des Menschen unvermeidlich ist und eine medizinische Situation eintreten kann, in der der Mensch sich nach den derzeit gültigen Maßstäben in einem todesähnlichen Zustand befindet, der Faktor Zeit, da es nur ein Hinausschieben des Unvermeidlichen ist, zum Wohle der Gesellschaft oder auch nur aus ethischen, ja sogar lebensbejahenden Motiven heraus, als unbedeutend gedacht werden könnte und daher eine unterstützende Maßnahme zur Gewährung der "Ruhe" nicht ganz undenkbar wäre. Am Kopf kratzen
_________________
Triggerwarnung: Der toxische Addi hat gepostet. Oh, zu spät, Sie haben das schon gelesen.
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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#228032) Verfasst am: 14.12.2004, 04:05    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Übrigens: Wenn es nach Singers Ethik ginge, dann müsstest du dir Stereoanlage, Urlaub und jeglichen anderen Luxus abschminken, weil du den Großteil deines Einkommens für hungernde Menschen in der dritten Welt spenden müsstest.

Das habe ich bei Peter Singer anders gelesen:
Peter Singer (in ’’Praktische Ethik’’, S. 246) hat folgendes geschrieben:
Welche Höhe sollten wir befürworten? Jegliche Zahlangabe muss willkürlich bleiben, aber vielleicht ließe sich manches für einen runden Anteil vom Einkommen sagen, beispielsweise 10 % - mehr als eine bloß symbolische Spende, aber dennoch nicht so hoch, dass nur Heilige dafür in Frage kommen.

Ich persönlich wäre zwar eher für einen progressiven Anteil - ähnlich wie bei der Einkommensteuer -
aber als durchschnittliche Größenordnung wären 10 % diskutabel.
Es wäre weit mehr, als wir gegenwärtig für Entwicklungshilfe ausgeben
(die noch dazu manchmal mehr für die Entwicklung unserer Industrie tut als für die der "Entwicklungsländer").
_________________
Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Reschi
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.09.2004
Beiträge: 3073

Beitrag(#228245) Verfasst am: 14.12.2004, 18:58    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
@ Reschi:
Ich hatte eigentlich mehr an Fälle wie den gedacht,
dass ein neugeborenes Baby unter heftigen Schmerzen, Krämpfen, Atemnot oder sonstigen körperlichen Beschwerden
schwer leidet
und keine Chance auf Besserung hat und keine Chance, solange zu leben, dass es uns sagen kann, was es will.

Wenn ein solcher Zustand so schlimm ist,
dass aller Erfahrung nach Menschen, die ihren Willen äußern können, gewöhnlich sterben wollen,
dann halte ich es für ethisch zulässig, das Baby zu töten.

Eine Alternative, die nicht unter Strafe steht,
könnte darin bestehen,
das Neugeborene bis zu seinem Tode durch betäubende Mittel schmerz- und beschwerdefrei zu halten.
Nur: Was bringt das dem Neugeborenen?


Ja, das hängt wohl sehr von den Grundwerten ab.

Wenn man sich wirklich sehr sicher ist, dass es absolut keinen "Sinn" mehr macht, dann halte ich es auch füt ethisch vertretbar.

sascha hat folgendes geschrieben:
Reschi hat folgendes geschrieben:
sascha hat folgendes geschrieben:
Reschi hat folgendes geschrieben:
Sie verbrauchen Luft, Nahrung, liegen auf der Tasche und leisten nichts
Das fällt doch gar nicht ins Gewicht. Unsere Volkswirtschaft krankt an völlig anderen Dingen.


trotzdem, Kleinvieh macht auch Mist
Dann sollten wir aber auch geringqualifizierte (gesunde) Langzeit-Arbeitslose töten. Und in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherte Rentner auch. Da könnte man sogar noch viel mehr einsparen. Die Rentner liegen uns Arbeitenden nur auf der Tasche.


Geringqualifizierte Arbeitslose sind trotzdem noch potentielle produkitve Arbeiter.

Rentner haben schon ihre Arbeit geleistet. Sie haben ein Recht auf die Erholung. Sie haben ihren Teil schon geleistet.

Eifellady hat folgendes geschrieben:
Reschi hat folgendes geschrieben:
sascha hat folgendes geschrieben:
Reschi hat folgendes geschrieben:
Sie verbrauchen Luft, Nahrung, liegen auf der Tasche und leisten nichts
Das fällt doch gar nicht ins Gewicht. Unsere Volkswirtschaft krankt an völlig anderen Dingen.


trotzdem, Kleinvieh macht auch Mist


Nun, wenn man das auf solch eine menschverachtende Weise äußert, dann muß man sich nicht wundern, wenn es zu keiner sachlichen Diskussion kommen kann.



Dann darfst du dich auch nicht wundern, wenn ich dann deine Ethik auch nicht mal in den Grundzügen teile.

Und irgendwann einmal, wer weiß, hat einer wie ich die Macht in den Händen. Sei froh dass dein Staat dich noch vor Leuten wie mir schützt.

Zitat:


Wenn vielleicht die Tötung in Frage kommen würde, dann sicher nicht aufgrund von finaziellen Erwägungen.


tja, jeder hat andere Grundwerte

warum sollte ich deinen annehmen ?
modorok hat folgendes geschrieben:
Reschi hat folgendes geschrieben:

Sie verbrauchen Luft, Nahrung, liegen auf der Tasche und leisten nichts

Gehts hier um mich?
Zitat:
Kann das Töten eins Menschen in bestimmten Fällen gerechtfertigt sein ?
Ja !
Bsp.
Jemand will mit einer MP (imho) ungerechtfertigt in eine Menschenmenge schießen, du hast eine Pistole. Was machst du ?
Ich mache: Ich erschieße ihn
Es geht hier um (Schwerst)behinderte und nicht um Amokläufer.


jaja, das war nur allgemein gemeint

sascha hat folgendes geschrieben:
Übrigens gibt es auch viele Krankheiten, die erst spät im Leben auftreten, deren Entstehung ist oft auch genetisch begünstigt. Z.b Multiple Sklerose, SLE, PBC, Sharp-Syndrom, Diabetes mellitus Typ I, Myasthenia gravis, Psoriasis.. Das könnte auch Dich treffen Reschi, wer weiss, was so in Deinen Genen schlummert.



Wenn ich dann völlig von Sinnen bin, und nicht mehr denke, könnt ihr mich ruhig verbrennen.

Und wer sagt, dass ich Krankheiten sie MS meine ?

Leute mit MS können durchaus noch produktiv sein.

Genauso wie Leute mit anderen körperlich schwersten Behinderungen (Stephen Hawking)

Zitat:


Irgendwelche rezessiven Defekte, die erst später im Leben sich bemerkbar machen, und mit einer gewissen Chance aber auch, siehe Epigenetik, nicht ausbrechen/sich bemerkbar machen, tragen sehr viele von uns in sich, ohne davon zu wissen. Selbst bei AIDS gibt es einen genetischen Faktor, der auf die Wahrscheinlichkeit, sich damit zu infizieren, einen Einfluss hat. Nee, also ich bin dafür, sowas, wenn überhaupt, ausschließlich über PID und PND zu lösen, aber nicht wegen Geld, sondern höchstens wegen Leidverhinderung.


sascha hat folgendes geschrieben:
Übrigens gibt es auch viele Krankheiten, die erst spät im Leben auftreten, deren Entstehung ist oft auch genetisch begünstigt. Z.b Multiple Sklerose, SLE, PBC, Sharp-Syndrom, Diabetes mellitus Typ I, Myasthenia gravis, Psoriasis.. Das könnte auch Dich treffen Reschi, wer weiss, was so in Deinen Genen schlummert. Irgendwelche rezessiven Defekte, die erst später im Leben sich bemerkbar machen, und mit einer gewissen Chance aber auch, siehe Epigenetik, nicht ausbrechen/sich bemerkbar machen, tragen sehr viele von uns in sich, ohne davon zu wissen. Selbst bei AIDS gibt es einen genetischen Faktor, der auf die Wahrscheinlichkeit, sich damit zu infizieren, einen Einfluss hat. Nee, also ich bin dafür, sowas, wenn überhaupt, ausschließlich über PID und PND zu lösen, aber nicht wegen Geld, sondern höchstens wegen Leidverhinderung.


Grundwerte sind verschieden






Anmerkung: Die Rolle des radikalen Behindertenvernichters spiele ich nur

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(MacYoung)
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Wygotsky
registrierter User



Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#228263) Verfasst am: 14.12.2004, 20:07    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Übrigens: Wenn es nach Singers Ethik ginge, dann müsstest du dir Stereoanlage, Urlaub und jeglichen anderen Luxus abschminken, weil du den Großteil deines Einkommens für hungernde Menschen in der dritten Welt spenden müsstest.

Das habe ich bei Peter Singer anders gelesen:
Peter Singer (in ’’Praktische Ethik’’, S. 246) hat folgendes geschrieben:
Welche Höhe sollten wir befürworten? Jegliche Zahlangabe muss willkürlich bleiben, aber vielleicht ließe sich manches für einen runden Anteil vom Einkommen sagen, beispielsweise 10 % - mehr als eine bloß symbolische Spende, aber dennoch nicht so hoch, dass nur Heilige dafür in Frage kommen.


Das Zitat ist in der Form sinnentstellend. Singers utilitaristischer Standpunkt lautet wie folgt.

Singer in Praktische Ethik hat folgendes geschrieben:
Wieviel genau aufzugeben wir uns für verpflichtet halten, wird davon abhängen, war wir angesichts der Armut, die wir verhüten könnten, als vergleichbar moralisch bedeutsam betrachten: modische Kleider, teure Restaurantbesuche, eine raffinierte Stereoanlage, Ferienreisen nach Übersee, ein (zweites?) Auto, eine größere Wohnung, Privatschulen für unsere Kinder usw. Für Utilitaristen kann kaum etwas davon so bedeutsam sein wie die Verringerung absoluter Armut.


Im weiteren Verlauf beschäftigt sich Singer mit möglichen Einwänden und Erwiderungen auf diese Position, und landet schließlich beim Einwand der zu hohen Anforderungen. Im Grunde ist das kein moralischer sondern ein pragmatischer Einwand. Singer beschreibt ihn wie folgt.

Peter Singer in Praktische Ethik hat folgendes geschrieben:
Drittens: So hohe Anforderungen zu stellen ist nicht wünschenswert, weil man spürt, dass sie nur schwer erfüllbar sind, und dies wiederum hält viele davon ab, überhaupt einen Versuch zu unternehmen.


Erst in der Erwiderung auf diesen Einwand wagt Singer sozusagen einen Schuss ins Blaue, wie er ja in deinem Zitat auch selbst schreibt. Die 10% sind also keine Forderung, die sich aus seiner Ethik ergeben, sondern ein pragmatisches Zugeständnis an den Einwand, dass nur "Heilige" hohe ethische Anforderungen zu erfüllen bereit sind. 10% sind ein Betrag, den zu spenden den meisten Bürgern der reichen Industrieländern möglich sein müsste, ohne deshalb gleich zum "Heiligen" zu werden. Selbst dann wäre immer noch eine Menge Luxus drin.

Er schließt mit den Worten...

Singer hat folgendes geschrieben:
Manche Familien werden natürlich 10% als beträchtliche finanzielle Einschränkung empfinden. Andere dürften in der Lage sein, ohne Schwierigkeiten mehr zu spenden. Keine Quote sollte als starres Minimum oder Maximum propagiert werden; aber es lässt sich schon vertreten, dass diejenigen, die in Überflussgesellschaften über ein durchschnittliches oder überdurchschnittliches Einkommen verfügen, sofern sie nicht eine ungewöhnlich große Zahl von abhängigen Familienangehörigen oder andere spezielle Bedürfnisse haben, ein Zehntel ihres Einkommens abgeben sollten, um die absolute Armut zu verringern. Nach jedem vernünftigen ethischen Maßstab ist dies das mindeste, was wir tun sollten, und wir tun unrecht, wenn wir weniger tun.


Wohlgemerkt, das ist Singer von seiner pragmatischen Seite. Seine moralphilosophische Messlatte liegt wesentlich höher. So sieht ein "Tötungsphilosoph" die Welt, und merkwürdigerweise kann man in Deutschland Alten und Behinderten einreden, dass dieser Mann sie aus volkswirtschaftlichen Gründen umbringen lassen will.
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defensor_fidei
Gast






Beitrag(#228291) Verfasst am: 14.12.2004, 21:11    Titel: Antworten mit Zitat

Zur Ausgangsfrage:

Ja, er wird sicherlich hoffähig werden - zumindest hier im FGH gibt es ja schon eine Anhängerschaft bzw. einen Förderkreis sowie eine Diskussionsplattform.


Ich werde für die ver(w)irrte Seele Singers beten.
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Wygotsky
registrierter User



Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#228301) Verfasst am: 14.12.2004, 21:15    Titel: Antworten mit Zitat

defensor_fidei hat folgendes geschrieben:
Ja, er wird sicherlich hoffähig werden - zumindest hier im FGH gibt es ja schon eine Anhängerschaft bzw. einen Förderkreis sowie eine Diskussionsplattform.


Meinst du mich? Ich bin kein Utilitarist.
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Reschi
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.09.2004
Beiträge: 3073

Beitrag(#228483) Verfasst am: 15.12.2004, 11:26    Titel: Antworten mit Zitat

defensor_fidei hat folgendes geschrieben:

Ich werde für die ver(w)irrte Seele Singers beten.

Betest du auch für mich ? Traurig
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(MacYoung)
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44698

Beitrag(#228491) Verfasst am: 15.12.2004, 11:41    Titel: Antworten mit Zitat

defensor_fidei hat folgendes geschrieben:
Ich werde für die ver(w)irrte Seele Singers beten.


Möge Eris deine Gebete erhören. VERWIRRT SEIEN WIR, in Ewigkeit!

Aum Kallisti! zwinkern
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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defensor_fidei
Gast






Beitrag(#228498) Verfasst am: 15.12.2004, 12:11    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
defensor_fidei hat folgendes geschrieben:
Ich werde für die ver(w)irrte Seele Singers beten.


Möge Eris deine Gebete erhören. VERWIRRT SEIEN WIR, in Ewigkeit!

Aum Kallisti! zwinkern


Sprich du zu deiner Eris.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44698

Beitrag(#228541) Verfasst am: 15.12.2004, 14:39    Titel: Antworten mit Zitat

defensor_fidei hat folgendes geschrieben:
Sprich du zu deiner Eris.


Oh, ich vergaß: Ihr Katholiken bevorzugt ja den Namen Maria für sie... sorry, mein Fehler...
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#228800) Verfasst am: 15.12.2004, 22:26    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
...


Das Zitat ist in der Form sinnentstellend. Singers utilitaristischer Standpunkt lautet wie folgt.

Singer in Praktische Ethik hat folgendes geschrieben:
Wieviel genau aufzugeben wir uns für verpflichtet halten, wird davon abhängen, war wir angesichts der Armut, die wir verhüten könnten, als vergleichbar moralisch bedeutsam betrachten: modische Kleider, teure Restaurantbesuche, eine raffinierte Stereoanlage, Ferienreisen nach Übersee, ein (zweites?) Auto, eine größere Wohnung, Privatschulen für unsere Kinder usw. Für Utilitaristen kann kaum etwas davon so bedeutsam sein wie die Verringerung absoluter Armut.


Im weiteren Verlauf beschäftigt sich Singer mit möglichen Einwänden und Erwiderungen auf diese Position, und landet schließlich beim Einwand der zu hohen Anforderungen. Im Grunde ist das kein moralischer sondern ein pragmatischer Einwand. Singer beschreibt ihn wie folgt.

Peter Singer in Praktische Ethik hat folgendes geschrieben:
Drittens: So hohe Anforderungen zu stellen ist nicht wünschenswert, weil man spürt, dass sie nur schwer erfüllbar sind, und dies wiederum hält viele davon ab, überhaupt einen Versuch zu unternehmen.


Erst in der Erwiderung auf diesen Einwand wagt Singer sozusagen einen Schuss ins Blaue, wie er ja in deinem Zitat auch selbst schreibt. Die 10% sind also keine Forderung, die sich aus seiner Ethik ergeben, sondern ein pragmatisches Zugeständnis an den Einwand, dass nur "Heilige" hohe ethische Anforderungen zu erfüllen bereit sind. 10% sind ein Betrag, den zu spenden den meisten Bürgern der reichen Industrieländern möglich sein müsste, ohne deshalb gleich zum "Heiligen" zu werden.

Wenn man so zwischen moralischen und pragmatischen Forderungen unterscheidet,
dann plädiere ich für eine pragmatische Ethik.

Die "moralische" Frage: "Was wäre gut, wenn wir's täten?"
halte ich für ziemlich müßig;
"Auf das, was du hättest, leiht dir die Bank nix", pflegte mein Vater zu sagen.

Den Zweck einer Ethik sehe ich nicht darin,
Regeln aufzustellen, die zu möglichst guten Ergebnissen führen würden, wenn sie befolgt würden,
sondern darin,
Regeln aufzustellen, die geeignet sind, tatsächlich zu möglichst guten Ergebnissen zu führen;
und bei der Auswahl dieser Regeln spielt es eine Rolle,
in welchem Maße die Befolgung der Regeln zu erwarten ist.

Ich halte auch nichts davon, zu sagen:
"Die pragmatische Forderung richte ich an die Allgemeinheit,
aber an mich selbst richte ich die moralische Forderung."
Ich halte nichts davon, mich selbst schlechter zu behandeln, als ich andere Menschen behandeln würde.
Deshalb lehne ich es ab, an mich selbst rücksichtslosere Forderungen zu stellen als an andere Menschen.
_________________
Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#228812) Verfasst am: 15.12.2004, 22:35    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Deshalb lehne ich es ab, an mich selbst rücksichtslosere Forderungen zu stellen als an andere Menschen.

Doch naturgemäß kannst Du die Forderungen an Dich selbst vergleichsweise besser verwirklichen.

gruß/step
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Wygotsky
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Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#228833) Verfasst am: 15.12.2004, 22:56    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Wenn man so zwischen moralischen und pragmatischen Forderungen unterscheidet,
dann plädiere ich für eine pragmatische Ethik.

Die "moralische" Frage: "Was wäre gut, wenn wir's täten?"
halte ich für ziemlich müßig;
"Auf das, was du hättest, leiht dir die Bank nix", pflegte mein Vater zu sagen.

Den Zweck einer Ethik sehe ich nicht darin,
Regeln aufzustellen, die zu möglichst guten Ergebnissen führen würden, wenn sie befolgt würden,
sondern darin,
Regeln aufzustellen, die geeignet sind, tatsächlich zu möglichst guten Ergebnissen zu führen;
und bei der Auswahl dieser Regeln spielt es eine Rolle,
in welchem Maße die Befolgung der Regeln zu erwarten ist.

Ich halte auch nichts davon, zu sagen:
"Die pragmatische Forderung richte ich an die Allgemeinheit,
aber an mich selbst richte ich die moralische Forderung."
Ich halte nichts davon, mich selbst schlechter zu behandeln, als ich andere Menschen behandeln würde.
Deshalb lehne ich es ab, an mich selbst rücksichtslosere Forderungen zu stellen als an andere Menschen.


Klingt auch nicht unvernünftiger als das, was andere schreiben.

Nur um eins klarzustellen. Ich bin kein Utilitarist. (Und das habe ich durch Singer erkannt.)

Ich wollte nur dein Zitat im weiteren Kontext darstellen.

Ich selbst besitze nicht so etwas wie ein ethisches System, jedenfalls keins, das ich selbst durchschaue. Meine diesbezüglichen Entscheidungen sind widersprüchlich, und es scheint, das ich noch lange mit dieser Widersprüchlichkeit leben muss.
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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#228922) Verfasst am: 16.12.2004, 02:40    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Deshalb lehne ich es ab, an mich selbst rücksichtslosere Forderungen zu stellen als an andere Menschen.

Doch naturgemäß kannst Du die Forderungen an Dich selbst vergleichsweise besser verwirklichen.

So richtig das ist, folgt daraus dennoch nicht,
dass ich mich verpflichtet fühlen müsste, an mich selbst höhere Forderungen zu stellen als an andere Menschen.

Ich werde es in einigen Fällen tun,
weil es mir wichtig ist, von mir selbst eine gute Meinung haben zu können.
Ich brauche allerdings nicht rücksichtslos gegenüber mir selbst zu sein,
um von mir selbst eine gute Meinung haben zu können.
_________________
Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Tassilo
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Anmeldungsdatum: 17.05.2004
Beiträge: 7361

Beitrag(#228952) Verfasst am: 16.12.2004, 11:26    Titel: Antworten mit Zitat

NOCQUAE hat folgendes geschrieben:
Ich frage mich, ob die Personen, die Singer so "hart kritisieren" ihn überhaupt jemals gelesen haben oder ob sie nicht vllt viel eher irgendeiner dümmlichen Propaganda über ihn zum Opfer gefallen sind Mit den Augen rollen

Ich gehe zumindest weitestenteils mit ihm konform.


Finde ich sehr angenehm, dass sich hier auch Leute zu Wort melden, die Singer gelesen haben - und nicht nur verkürzte Aussagen, die völlig aus dem Zusammenhang gerissen wurden.

Übrigens hat sich Alice Schwarzer schon vor Jahren für Peter Singer eingesetzt. In "Emma" hab es damals mehrere Artikel von ihr, die natürlich viel Staub aufgewirbelt haben. Ich weiß allerdings nicht, ob diese Artikel online zu finden sind.
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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#229034) Verfasst am: 16.12.2004, 16:55    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Ich selbst besitze nicht so etwas wie ein ethisches System, jedenfalls keins, das ich selbst durchschaue. Meine diesbezüglichen Entscheidungen sind widersprüchlich, und es scheint, das ich noch lange mit dieser Widersprüchlichkeit leben muss.

Ich halte es schon für sinnvoll, ethische Fragen systematisch zu durchdenken.
Konsequenz in dem Sinne, dass man Ähnliches ähnlich beurteilt,
und eine vernünftige Art, Prioritäten zu setzen,
all das halte ich für sehr wünschenswert.

Systematisches Denken kann dabei helfen, herauszufinden,
wo es Widersprüche gibt
in dem Sinne, dass man über Ähnliches sehr unterschiedlich urteilt,
oder dass man Unwichtigeres wichtiger nimmt als Wichtigeres.

Sicher wird man damit leben müssen, dass man immer wieder einmal solche Widersprüche
in den eigenen ethischen Urteilen feststellt.
Ich finde allerdings, dass man solche Widersprüche nicht achselzuckend hinnehmen sollte.
Ich finde, man sollte sie als Herausforderung nehmen,
sich zu fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, das eine oder das andere Urteil zu revidieren.

Ich sehe mein ethisches Denken so, dass ich mir durchaus ein bestimmtes ethisches System zu Eigen gemacht habe,
das im Ansatz vieles mit Singers Präferenz-Utilitarismus gemeinsam hat,
wenngleich ich pragmatischen Aspekten größere Bedeutung zuerkenne.
So komme ich in einer Reihe von Fragen zu anderen Schlussfolgerungen als Peter Singer.

Mit meinem bewussten ethischen System gehe ich freilich nicht so um,
dass ich dies System nun, mit allen daraus sich ergebenden Schlussfolgerungen, für verbindlich halten würde.
Ich halte nichts von ethischen Systemen,
bei denen bestimmte Grundsätze wie mathematische Axiome unverrückbar festgeschrieben werden
und alles andere sich daraus durch logische Schlussfolgerungen ergibt.
Ich denke, die Wirklichkeit ist viel zu komplex,
als dass wir in einem einfachen System von Grundsätzen
alle erdenklichen Situationen so berücksichtigen könnten,
dass man mit der Methode der logischen Schlussfolgerung immer zu angemessenen Urteilen kommen würde.
Ich rechne damit, dass jederzeit ein Fall auftauchen könnte,
den ich anders beurteilen würde, als es sich aus meinem ethischen System durch logisches Schließen ergeben würde.
In einem solchen Fall würde ich überlegen,
ob mein Urteil im Einzelfall wirklich richtig ist,
oder ob ich vielleicht mein ethisches System überdenken muss
und Modifikationen vornehmen muss, sodass sich auch in diesem Einzelfall ein angemessenes Urteil ergibt.
So kommt ein ethisches System
immer wieder einmal - anhand von Einzelfällen - auf den Prüfstand.
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Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Wygotsky
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Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#229055) Verfasst am: 16.12.2004, 17:48    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Sicher wird man damit leben müssen, dass man immer wieder einmal solche Widersprüche
in den eigenen ethischen Urteilen feststellt.
Ich finde allerdings, dass man solche Widersprüche nicht achselzuckend hinnehmen sollte.
Ich finde, man sollte sie als Herausforderung nehmen,
sich zu fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, das eine oder das andere Urteil zu revidieren.


Das würde bedeuten, dass ich mit fürchterlichen Gewissensbissen leben müsste, die sich bei mir automatisch einstellen, ganz gleich was mein Verstand im Sinne ethischer Überlegungen als das Gute erkannt hat.

Der Leidensdruck ist mir zu groß.

Ich akzeptiere also vorläufig, dass rationales Denken mich manchmal nicht zu Entscheidungen führt, mit denen ich leben kann. Es gibt ein irrationales Element, das für mich nicht beherrschbar ist, nach dem ich mich aber im Interesse einer gewissen Lebensqualität zu richten habe.

Da ich das schon häufig erlebt habe, bin ich auf so einiges gefasst. So halte ich es zum Beispiel durchaus für möglich, dass ich eines Tages tief religiös werde, obwohl mir nicht der geringste Grund dafür einfällt.
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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#229074) Verfasst am: 16.12.2004, 18:27    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
...


Das würde bedeuten, dass ich mit fürchterlichen Gewissensbissen leben müsste, die sich bei mir automatisch einstellen, ganz gleich was mein Verstand im Sinne ethischer Überlegungen als das Gute erkannt hat.

Der Leidensdruck ist mir zu groß.

Diese Gewissensbisse und dieser Leidensdruck sind m. E. nicht die Folge des rationalen Denkens,
sondern die Folge davon, dass jemand die Messlatte zu hoch legt
und die Rücksicht auf die eigene Person nicht wichtig genug nimmt.
Also letztlich die Folge eines irrationalen Verhaltens,
eines Nicht-wahrhaben-Wollens bzw. Zu-wenig-wichtig-nehmen-Wollens der eigenen Grenzen.

So etwas entsteht nicht selten dadurch,
dass jemand die ethischen Maßstäbe, die in seiner Gesellschaft verkündet werden, wie selbstverständlich übernimmt,
ohne sie daraufhin zu überprüfen, wie es um ihre praktische Anwendbarkeit bestellt ist,
ob jemand, der sie sich zu Eigen macht,
nicht sein eigenes Scheitern und anschließende Gewissensbisse vorprogrammiert.

So ist es mir einmal ergangen:
Ich geriet in eine Situation, in der ich mir sagte: "Da muss ich doch helfen!",
aber sehr bald feststellte, dass ich damit überfordert gewesen wäre.
Die einzige Möglichkeit für mich,
damit zu leben, dass ich nicht versuchen würde zu helfen,
und trotzdem nicht unter Gewissensbissen zu leiden,
bestand für mich darin,
jene ethischen Grundsätze zu überdenken, die mich spontan sagen ließen, ich müsste helfen.
Das war nicht leicht für mich,
und ich weiß nicht, ob ich es geschafft hätte, wenn ich nicht die Hilfe eines freundlichen Kommilitonen gehabt hätte.
Aber ich habe es geschafft.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Ich akzeptiere also vorläufig, dass rationales Denken mich manchmal nicht zu Entscheidungen führt, mit denen ich leben kann. Es gibt ein irrationales Element, das für mich nicht beherrschbar ist, nach dem ich mich aber im Interesse einer gewissen Lebensqualität zu richten habe.

Da wäre die Frage, ob du bisher vielleicht nur noch nicht die richtige Möglichkeit gefunden hast,
dies irrationale Element in dein rationales Denken zu integrieren.
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Wygotsky
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Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#229080) Verfasst am: 16.12.2004, 18:47    Titel: Antworten mit Zitat

Die Frage ist, warum ich mir die Mühe machen sollte, in meinem Oberstübchen aufzuräumen. Mein Weltbild, mein Denken, mein Fühlen und mein Verhalten sind voller Widersprüche. In jüngeren Jahren hat mich diese Entdeckung schockiert, aber man gewöhnt sich daran.

Hilfreich war in diesem Zusammenhang vielleicht auch eine psychische Erkrankung, die mich gelehrt hat, dass ich meinen Denken nicht immer trauen kann. Anstelle der Heilung habe ich irgendwann die Akzeptanz gesetzt, dass da oben nicht immer alles richtig funktioniert, und dass mein Leben auch weitergehen kann, bevor dort wieder Ordnung herrscht. Seitdem geht es mir ganz gut, und ich habe es mit der Auflösung von Widersprüchen nicht sonderlich eilig.

Leony hat folgendes geschrieben:
Da wäre die Frage, ob du bisher vielleicht nur noch nicht die richtige Möglichkeit gefunden hast, dies irrationale Element in dein rationales Denken zu integrieren.


Ich finde, ich habe eine ganz gute Möglichkeit gefunden, indem ich Widersprüche nicht allzu ernst nehme.
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Tarvoc
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Beitrag(#229081) Verfasst am: 16.12.2004, 18:49    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Hilfreich war in diesem Zusammenhang vielleicht auch eine psychische Erkrankung, die mich gelehrt hat, dass ich meinen Denken nicht immer trauen kann.


Oh? Was war das für eine Krankheit?

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Ich finde, ich habe eine ganz gute Möglichkeit gefunden, indem ich Widersprüche nicht allzu ernst nehme.


Daumen hoch!
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Wygotsky
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Beiträge: 5014

Beitrag(#229083) Verfasst am: 16.12.2004, 18:52    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Hilfreich war in diesem Zusammenhang vielleicht auch eine psychische Erkrankung, die mich gelehrt hat, dass ich meinen Denken nicht immer trauen kann.

Oh? Was war das für eine Krankheit?

Depression. Da muss man irgendwann einsehen, dass die eigene Bewertung von Chancen und Risiken, die soziale Wahrnehmung, die Erinnerung und einiges andere häufig ziemlicher Humbug sind. Es kommt einem natürlich trotzdem so vor.
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Leony
gottlos



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Beitrag(#229089) Verfasst am: 16.12.2004, 19:25    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist, warum ich mir die Mühe machen sollte, in meinem Oberstübchen aufzuräumen.

Die Motivation dazu ist sicherlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich stark.
Ich für mein Teil habe gute Erfahrungen gemacht mit diesem "Aufräumen".

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Anstelle der Heilung habe ich irgendwann die Akzeptanz gesetzt, dass da oben nicht immer alles richtig funktioniert, und dass mein Leben auch weitergehen kann, bevor dort wieder Ordnung herrscht.

Selbstverständlich kann und soll das Leben weitergehen,
auch wenn die Ordnung im Oberstübchen (noch) zu wünschen übrig lässt.
Das "Aufräumen" soll keineswegs alles andere verdrängen.
Es kann allerdings in manchen Fällen - wie z. B. in meinem - eine zweckmäßige Maßnahme sein,
um für "alles andere" wieder Raum zu schaffen.
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Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Reschi
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Beitrag(#229127) Verfasst am: 16.12.2004, 20:59    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist, warum ich mir die Mühe machen sollte, in meinem Oberstübchen aufzuräumen. Mein Weltbild, mein Denken, mein Fühlen und mein Verhalten sind voller Widersprüche. In jüngeren Jahren hat mich diese Entdeckung schockiert, aber man gewöhnt sich daran.

Hilfreich war in diesem Zusammenhang vielleicht auch eine psychische Erkrankung, die mich gelehrt hat, dass ich meinen Denken nicht immer trauen kann. Anstelle der Heilung habe ich irgendwann die Akzeptanz gesetzt, dass da oben nicht immer alles richtig funktioniert, und dass mein Leben auch weitergehen kann, bevor dort wieder Ordnung herrscht. Seitdem geht es mir ganz gut, und ich habe es mit der Auflösung von Widersprüchen nicht sonderlich eilig.

Leony hat folgendes geschrieben:
Da wäre die Frage, ob du bisher vielleicht nur noch nicht die richtige Möglichkeit gefunden hast, dies irrationale Element in dein rationales Denken zu integrieren.


Ich finde, ich habe eine ganz gute Möglichkeit gefunden, indem ich Widersprüche nicht allzu ernst nehme.


Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Hilfreich war in diesem Zusammenhang vielleicht auch eine psychische Erkrankung, die mich gelehrt hat, dass ich meinen Denken nicht immer trauen kann.

Oh? Was war das für eine Krankheit?

Depression. Da muss man irgendwann einsehen, dass die eigene Bewertung von Chancen und Risiken, die soziale Wahrnehmung, die Erinnerung und einiges andere häufig ziemlicher Humbug sind. Es kommt einem natürlich trotzdem so vor.


Das ist jetzt schon zum zweiten Mal , dass ich eine wunderbare Erkenntnis mache, und dann lese ich sie gleich Tags darauf im FHG Sehr glücklich

edit: ah, ich habe übrigens vor kurzem alle meine Widersprüche abgelgt, weil ich überhaupt mein ganzes Weltbild abgelgt hatte.

Das war eigentlich ein ziemlicher Fehler.

Denn nachdem ich alles "gelöscht" hatte war ich in einem extrem ziellosen, verwirrten Zustand und das ist wirklich nicht Angenehm und sehr destruktiv weil man einfach überhaupt kein Ziel, keine Motivation oder sonst was vor AUgen hat.
Weil es eben keinen "Sinn" gibt.
Denn erst dein Weltbild gibt den Sachen ja ihren Sinn.

Nun, habe ich wieder alle meine Grundwerte definiert und baue mir gerade alles auf. Bzw. bin schon fertig.
Das ist endlich wieder ein angenehmerer Zustand.Sehr glücklich Doch verweile nie zwinkern
Ich mache mich gerade daran alles aufzuschreiben, da es mir schon zu oft passiert ist, dass ich Erkenntnis wieder vergesse/verliere.

edit2: ja, depression war bei mir auch eine sehr große, wenn nicht die größte, Erfahrung die mir verdammt viel Erkenntnis gebracht hat.

Nur vergisst man Erkenntnis einfach manchmal wieder viel zu schnell
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Zuletzt bearbeitet von Reschi am 16.12.2004, 21:07, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Beitrag(#229130) Verfasst am: 16.12.2004, 21:04    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Deshalb lehne ich es ab, an mich selbst rücksichtslosere Forderungen zu stellen als an andere Menschen.
Doch naturgemäß kannst Du die Forderungen an Dich selbst vergleichsweise besser verwirklichen.
So richtig das ist, folgt daraus dennoch nicht, dass ich mich verpflichtet fühlen müsste, an mich selbst höhere Forderungen zu stellen als an andere Menschen.

Ich werde es in einigen Fällen tun,
weil es mir wichtig ist, von mir selbst eine gute Meinung haben zu können.
Ich brauche allerdings nicht rücksichtslos gegenüber mir selbst zu sein,
um von mir selbst eine gute Meinung haben zu können.

Völlig richtig, so sehe ich das auch.

gruß/step
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Shadaik
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Beitrag(#230433) Verfasst am: 20.12.2004, 16:12    Titel: Antworten mit Zitat

Ein Vortrag zur singerschen Ethik in D'dorf hat den ASTA der HHU dazu veranlasst, ihn (wenn auch vorsichtig formuliert) in die Nähe des Nationalsozialismus zu stellen.
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Reschi
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Beitrag(#230452) Verfasst am: 20.12.2004, 16:34    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Ein Vortrag zur singerschen Ethik in D'dorf hat den ASTA der HHU dazu veranlasst, ihn (wenn auch vorsichtig formuliert) in die Nähe des Nationalsozialismus zu stellen.


oje...wenn einem die Argumente ausgehen, oder man überhaupt nie welche gehabt hat, dann greift man ja immer wieder gerne zur Nazi-Keule Erbrechen
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nickchanger
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Beitrag(#230465) Verfasst am: 20.12.2004, 16:56    Titel: Antworten mit Zitat

NOCQUAE hat folgendes geschrieben:
Ich frage mich, ob die Personen, die Singer so "hart kritisieren" ihn überhaupt jemals gelesen haben oder ob sie nicht vllt viel eher irgendeiner dümmlichen Propaganda über ihn zum Opfer gefallen sind Mit den Augen rollen

Ich gehe zumindest weitestenteils mit ihm konform.

Und nun möchte ich hier folgerichtig auch mit einem Redeverbot belegt werden,


Daumen hoch!


@d_f
ich hoffe er zeigt dich wegen nötigung an. denn er will sicher nicht, dass du für ihn zu deinem "gott" betest....
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den Zusammenhang kennt jeder hier, drum bleibt er unausgesprochen!
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Tarvoc
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Beiträge: 44698

Beitrag(#230495) Verfasst am: 20.12.2004, 17:23    Titel: Antworten mit Zitat

nickchanger hat folgendes geschrieben:
denn er will sicher nicht, dass du für ihn zu deinem "gott" betest....


Ich hätte damit kein Problem...
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Nergal
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Beiträge: 11433

Beitrag(#230578) Verfasst am: 20.12.2004, 19:49    Titel: Antworten mit Zitat

Lese gerade (oder immer noch) seine Praktische Ethik.

In manchen fällen, so finde ich, ist Spezieismus durchaus angebracht.
Er spricht ja selber von Interessen und Leid als Entscheidungsgrundlage über den Wert von Leben, nun ist das Leben aber ein ständiges aufeinandertreffen von Interessen, man muß nun gelegentlich den eigenen den Vorzug geben.

Das mit dem "töten" oder sterben lassen schwerstbehinderter, wird ja bereits praktiziert, bei diesem einen Deffekt mit der offenen Wirbelsäule etc.

Allerdings wo liegt das Problem nun vor der Entbindung eine Abtreibung zu veranlassen?
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