Freigeisterhaus Foren-Übersicht
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   NutzungsbedingungenNutzungsbedingungen   BenutzergruppenBenutzergruppen   LinksLinks   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

GWUP: Diskussion um den sogenannten _Wokeismus_
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3 ... 13, 14, 15 ... 21, 22, 23  Weiter
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Kultur und Gesellschaft
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 21849

Beitrag(#2302529) Verfasst am: 13.01.2024, 00:35    Titel: Re: Zurück zur GWUP Antworten mit Zitat

Noch mal zurück zur GWUP selbst und deren Mitgliederversammlung:
Hobbyphilosoph hat folgendes geschrieben:
Anders als tillich geschrieben hat: Bis zum Tagesordnungspunkt "Wahlen" auf der Mitgliederversammlung war nicht bekannt, dass es zu Kampfkandidaturen kommen würde.

Ich hatte ja geschrieben, dass auf einer Tagesordnung, die bei einem hpd-Artikel abgebildet war, schon lange vorher Kandidaturen namentlich angekündigt worden seien. Das war aber falsch. Die namentlich angekündigten Kandidaturen bezogen sich auf den Wissenschaftsrat der GWUP, nicht auf den Vorstand. Ich hatte offenbar nicht genau hingeschaut und das verwechselt, weil es z.T. um dieselben Personen ging. Ich bitte um Entschuldigung für die falsche Darstellung.
_________________
"YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."

(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3658

Beitrag(#2302804) Verfasst am: 21.01.2024, 13:51    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Du meinst einen anderen "Observer", nämlich den hier: https://www.theguardian.com/observer
Der Observer, den du zitierst hast, gehört Jared Kushner, dem Schwiegersohn von Donald Trump (als er dessen offizieller Berater wurde, hat er die Zeitung zwar der Familienstiftung überschrieben, aber ... naja).

Jetzt hast du mich überrascht. Respekt. Auf den Gedanken, daß es noch einen anderen Observer geben könnte bin ich nicht gekommen.


tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Ich bin ja gerade in der komfortablen Position, daß wir in der Sache einer Meinung sind, also pro-black-only-housing. Umso mehr fällt mir auf, wie unterschiedlich wir das begründen. Ich kann Mr. Owens Kritik nachvollziehen, auch wenn ich sie nicht teile. Du schreibst ihm eine Agenda zu.

Mr. Owens fragte, was sei, wenn alle Rassen ihre eigenen Häuser haben wollen. Das ist eine vernünftige Frage. Weiter berief Owens sich auf ein altes Gesetz. (DeepL übersetzt das falsch, deshalb im Original.)

Ohne dass ich jetzt in einen Streit über die Semantik einsteigen möchte,

Werden wir nicht. Reden wir darüber, wie sinnvoll es ist, jemandem eine Agenda zuzuschreiben.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
bezieht sich Owens ja - gerade indem er sich auf dieses Gesetz bezieht - eindeutig auf die durch staatlichen Rassismus erzwungene Rassentrennung und setzt diese mit der freiwilligen Schaffung von Safe Spaces wie diesen Häusern gleich. Wenn jemand so hahnebüchenen Unsinn macht, schreibe ich dem, ja, eine Agenda zu. Und, o Wunder, das ist ja auch genau die Agenda seiner Partei: Kulturkampf von rechts.

Ich bin ein fauler Mensch. Wenn ich vor der Wahl stehe:

    1) Owens Ansichten zu widerlegen.

    2a) Owens Ansichten zu widerlegen.
    2b) Seine Agenda zu belegen.


dann wähle ich 1). Owens Agenda ist für dieses Problem nicht von Bedeutung. Meinetwegen hat er seine Meinung erwürfelt oder das I-Ging befragt. Was immer seine Agenda ist ändert nichts daran, was ich für richtig oder für falsch halte.


In diesem Sinn bin ich agenda-agnostisch. Sowohl aus Prinzip, keine Ad-Hominems, wie auch aus Faulheit.

Wenn man das beherzigt, geht es plötzlich nicht mehr um eine ferndiagnostizierte Agenda: "Das sagst du weil du ... AfD-ler! Kommunist! Christ! Rassist! ... bist." Sondern nur noch darum: Was du sagst ist falsch, weil ...

Nach länger Abwesenheit vom Forum ist mir in diesem und im Nachbarthread aufgefallen, daß einige Herren sich mehr mit mir und meinen vermuteten Eigenschaften oder denen anderer auseinandersetzen, als damit, was gerade verhandelt wird. Tarvoc hat das gut drauf. Derartiges kommentiere ich seltenst, davon wird ja mein Argument nicht besser - im Gegenteil, ich würde es mit Nebensächlichem verwässern. Aber es fällt mir natürlich auf und ich wundere mich, da schreiben die Leute 20 Jahre in einem Forum und haben immer noch nicht gelernt, sauber zu argumentieren.



Für's Archiv: so formulieren andere, was ich gerade gesagt habe:

Zwei Autoren haben Fehler in einer Studie aufgedeckt. In einer Übersetzung wurden die Fehler zum Schwindel [fraud]. Sie haben dagegengehalten und sagten, es läge ihnen fern, jemandem Schwindel vorzuwerfen, sie wollten nur auf die Fehler hinweisen.

Statistical Modeling hat folgendes geschrieben:
Die Ursache von Unstimmigkeiten (seien es typographische Fehler, unangebrachte statistische Methoden, Fehler in der Analyse, unangebrachte Datenverarbeitung, akademisches Fehlverhalten, oder etwas anderes) ist ebenfalls irrelevant für jede Bewertung von Forschung. Jegliche Forschung mit schweren und offensichtlichen Inkonsistenzen kann als zu ungenau betrachtet werden, unabhängig von der Ursache. In anderen Worten, die Beschreibung einer Inkonsistenz macht keine Annahme über die Quelle der Inkonsistenz.

Andrew Gelmans Blog


Daß die Sache einen Namen habe ich erst kürzlich gelernt, stand in Myron's Link zu Sokal.

Zitat:
Bulverism

C.S. Lewis wrote about this in a 1941 essay

Man muss zeigen, dass ein Mensch im Unrecht ist, bevor man zu erklären beginnt, aus welchem Grund er im Unrecht ist. Die moderne Methode besteht darin, diskussionslos anzunehmen, dass er sich irrt, und dann die Aufmerksamkeit davon abzulenken (dem einzigen wirklichen Problem), indem man eifrig erklärt, wie er so dumm geworden ist. Im Laufe der letzten fünfzehn Jahre habe ich dieses Laster so häufig festgestellt, dass ich einen Namen dafür erfinden musste. Ich nenne es "Bulverismus".

https://en.wikipedia.org/wiki/Bulverism

_________________
"There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2302808) Verfasst am: 21.01.2024, 15:02    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Nach länger Abwesenheit vom Forum ist mir in diesem und im Nachbarthread aufgefallen, daß einige Herren sich mehr mit mir und meinen vermuteten Eigenschaften oder denen anderer auseinandersetzen, als damit, was gerade verhandelt wird. Tarvoc hat das gut drauf.

Wenn du meinst, dass ich oft zu ad hominems greife, steht es dir frei, solches diskussionsstörendes Verhalten der Moderation zu melden.
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3658

Beitrag(#2302873) Verfasst am: 23.01.2024, 19:08    Titel: Antworten mit Zitat

Das hülft ja nüscht.

Wenn Petrus dein Sündenregister durchgeht, würde er sagen: keine eigene Einsicht.
_________________
"There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2302900) Verfasst am: 24.01.2024, 01:04    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Das hülft ja nüscht.

Wenn Petrus dein Sündenregister durchgeht, würde er sagen: keine eigene Einsicht.

Also du stellst diese Behauptung einfach nur in den Raum, aber weder gedenkst du, die Moderation darüber in Kenntnis zu setzen, obwohl es sich dabei um systematische Regelverstöße handeln müsste, noch hast du die Absicht, mir zu kommunizieren, was du dabei im Sinn hast. Dass ich nicht dazu in der Lage bin, zu erraten, was du wohl meinen könntest, kreidest du mir als moralisches Versagen an. Habe ich das richtig verstanden?

Gut, in dem Falle muss ich deinen Vorwurf wohl selbst der Moderation antragen. Man kann ja regelmäßige und systematische Regelverstöße, wie ich sie angeblich begehe, nicht einfach unmoderiert im Raum stehen lassen.
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
jdf
MIM-104C Nikopol
Foren-Admin



Anmeldungsdatum: 30.05.2007
Beiträge: 25579
Wohnort: Nekropole E|B

Beitrag(#2302906) Verfasst am: 24.01.2024, 01:34    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Das hülft ja nüscht.

Wenn Petrus dein Sündenregister durchgeht, würde er sagen: keine eigene Einsicht.

Ich mache dich auf diese Forumsregel aufmerksam:

Zitat:
2.1 Hinweise oder Beschwerden

Manchmal kommt es vor, dass einzelne Beiträge als Beleidigung aufgefasst werden oder Benutzer in anderer Weise einen Anlass zur Beschwerde darstellen. Es ist nicht sinnvoll, Beschwerden oder Hinweise an das Team öffentlich in den betreffenden Threads zu verfassen. Zum einen ist damit nicht sichergestellt, dass der Hinweis möglichst bald zur Kenntnis genommen wird. Zum anderen kann dadurch die Diskussion über den Anlass der Beschwerde weiter ausufern und die Diskussion über das eigentliche Thema stören.

Daher bitten wir Dich darum, Hinweise und Beschwerden grundsätzlich nicht in Diskussionsthreads zu schreiben, sondern als private Nachricht (PN) an Mitglieder des Teams zu richten. Alternativ können Hinweise und Beschwerden auch im Unterforum "Fragen, Anregungen und Kritik" geäußert werden.

Und ich bitte dich in diesem Kontext um Hinweise oder Beschwerden am dafür vorgesehenen Ort oder hilfsweise darum, deine Andeutungen ggü Tarvoc zu unterlassen.
_________________

RuZZen, die: Der Teil der russischen Bevölkerung, der den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine billigt bzw unterstützt bzw durchführt.

Ceterum censeo Iulianem esse liberatum.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
narr
workingglass
Moderator



Anmeldungsdatum: 02.01.2009
Beiträge: 3788

Beitrag(#2303518) Verfasst am: 18.02.2024, 21:59    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe noch mal ausführlich über diesen Faden nachgedacht und auch etliche Posts nochmals gelesen. Dabei ist mir dieser hier als ein gutes Beispiel für die Form der Wokebewegten Leute besonders aufgefallen.
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
"Wokeismus" ist ein reiner, vernebelnder, dumpfbackiger, rechter Kampfbegriff*,...

Ist diese "Erklärung" - (= Einstellung?) nicht etwas kurzsichtig?

Nein, denn - und ich danke recht herzlich dafür - du lieferst ein exzellentes Beispiel für meine Darstellung.

Das ist ein nettes Beispiel. anstatt mit Argumenten zu kommen wird sofort beleidigt und behauptet. "ein reiner, vernebelnder, dumpfbackiger, rechter Kampfbegriff*,..."
wessen Formulierung ist das? ist das eine offizielle Definition? Wohl eher nicht. Aber so ein Einstieg setzt gleich den richtigen Ton für eine erhellende Diskussion... oder halt auch nicht.


tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
Die am Anfang der Bewegung verfolgten Ziele - „wachsames“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus - haben sich inzwischen zu einer Ideologie entwickelt, die das fördert, was sie bekämpfen will.

Das sind erst mal Behauptungen: ....

zu sagen "das sind Behauptungen" ist einfach. Nein, es sind keine Behauptungen. Und das sage in erster Instanz nicht ich, sondern Leute die sich damit befassen
"In Amerika greift die Ideologie des Wokeismus um sich. Wir Europäer erhalten eine Anschauung davon, was uns erst noch bevorsteht" (NZZ)
"Wokeness ist letztlich eine anti-wissenschaftliche Weltanschauung" (hpd)

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

1. Da hätten sich Ziele zu einer (!) Ideologie entwickelt, und
2. diese Ideologie fördere das, was sie bekämpfen wolle.

Für 1. müsste beschrieben werden, was für eine Ideologie das ist. Das tust du nicht,...

Wer vielleicht ab und an nicht nur das liest was in die eigene Bubble passt sondern auch Gegenstimmen wird da vielleicht besser wissen welche Art der Ideologie es ist.
Zur Erinnerung:
wiki hat folgendes geschrieben:
Ideologie (von französisch idéologie; zu altgriechisch ???? idéa, hier „Idee“, und ????? lógos „Lehre, Wissenschaft“ – eigentlich „Ideenlehre“)[1] steht im weiteren Sinne bildungssprachlich für Weltanschauung. ....


Wer sich allerdings mit Inhaltsverzeichnissen begnügt ... skeptisch
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Ich habe das Buch nicht gelesen, aber online ins Inhaltsverzeichnis geschaut. Schon daran kann man erkennen, dass es sich um genau so untheoretisches, wildes Sammelsurium handelt und eben nicht um eine geordnete Auseinandersetzung mit einer bestimmten, konkret darstellbaren "Ideologie".

och, manchmal hilft es die unterschiedlichen Definitionen eines Begriffs noch mal nach zu schlagen:
Definitionen von Oxford Languages hat folgendes geschrieben:

1.
an eine soziale Gruppe, eine Kultur o. Ä. gebundenes System von Weltanschauungen, Grundeinstellungen und Wertungen

2.
politische Theorie, in der Ideen (2) der Erreichung politischer und wirtschaftlicher Ziele dienen (besonders in totalitären Systemen) "eine faschistische, kommunistische Ideologie"


und hier kann man sicher von einer sozialen Gruppe aus gehen die versucht ihre Weltanschauung und Wertung mit recht aggressiven Mitteln unter die Leute zu bringen.
Und ganz nebenbei: Das hier ist ein Forum im Internet und kein Uni-seminar. Und wenn schon denn schon - dann muss man auch alle Definitionen eines Begriffs kennen und nicht nur von der eigenen, begrenzten Weltsicht aus gehen.

Und wer sich die Mühe macht z.B. René Pfisters Buch zu lesen würde auch mit Hintergrundinfos zur Herkunft dieser Haltung versorgt (Stichworte wären da z.B. Marcuse und Frankfurter Schule)

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
...deswegen ist der Verwender erstens zu faul oder zu dämlich, ... zum nützlichen Idioten der rechten. ...

Na ja, zum "nützlichen Idioten der Rechten" machen sich die Vertreter dieser Ideologie - oder wegen mir Weltanschauung schon selber.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
... (--> zu dämlich) ... (--> zu faul).

kommt oft, kann ja auch sein, dass es nur eine andere Sichtweise ist? Kann man also davon aus gehen, dass "andere Sichtweise" hier = "dämlich und faul" heißt?

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
.... Nur eben als einzelne Themen, sodass man sich mit ihnen auch konkret und differenziert auseinandersetzen konnte, und nicht unter einem sinnlosen Kampfbegriff zusammengemanscht.

"Nur eben" sind das keine einzelnen Themen, sondern alles Auswirkungen dieser Haltung.
Diskurs wird mit Behauptungen unterbunden, "Gefühl" wird über Fakten gestellt, Begriffe werden erfunden oder umgedeutet und als "Wahrheit" verkauft. Letztliche werden Opfer kreiert und ein Punktekatalog bestimmt wer wo in der Opferskala steht. Inzwischen kuschen Universitäten, Medien und Regierungen.
Das ist bedenklich.[/quote]
_________________
Bestand hat nur der Wandel
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2303532) Verfasst am: 19.02.2024, 15:16    Titel: Antworten mit Zitat

Eine politische Ideologie (im wertfreien politologischen Sinn) gibt Antworten auf die folgenden Grundfragen:

1. Wie ist die gesellschaftliche Wirklichkeit (und die Wirklichkeit insgesamt)?
2. Wie soll die gesellschaftliche Wirklichkeit sein?
3. Wie wird die gesellschaftliche Wirklichkeit, wie sie sein soll?

Sie besteht entsprechend aus einer analytisch-kritischen Beschreibung der gesellschaftlichen Wirklichkeit (und der Wirklichkeit insgesamt), einer idealen Vorstellung von ihr, und einer praktischen Planung der Verwirklichung der idealen Gesellschaftsvorstellung.

Eine politische Ideologie kann inhaltlich "dick" oder "dünn" sein, d.h. mehr oder weniger gehaltvoll oder umfassend. Der Liberalismus ist beispielsweise eine dicke Ideologie und der Populismus eine sehr dünne.

Zitat:
"It is useful to think of ideologies as comprising three inter-related components:

1. a critique of existing society—involving an assessment of its shortcomings in relation to certain cherished values, and an understanding of how the world works in terms of how current society operates to generate these defects;

2. a vision of the good society—again defined with reference to the cherished values, and combined with an understanding of how the world works reflected in proposals for how the good society would be organized;

3. a strategy to get from current society to the good society—involving an understanding of political power.

In this sense, an ideology is a coherent set of ideas: these three components fit together in a logical way. And an ideology may provide its adherents with a fairly comprehensive set of ideas, or a ‘world view’, which they can use to understand the world and navigate their way within it (or to change it). However ideologies may differ in the extent to which they attain this coherence, so the three components might best serve as an analytical framework which we can use to study and compare ideologies. Similarly, ideologies may differ in the extent to which they provide a comprehensive world view or look through a more restricted lens. So, again, this provides a criterion for comparing ideologies."

(Wetherly, Paul. "Introduction to Ideology." In Political Ideologies, edited by Paul Wetherly, 1-32. Oxford: Oxford University Press, 2017. p. 12)
——————
"Any short or single-sentence definition of ideology is likely to provoke more questions than it answers. Nevertheless, it provides a useful and necessary starting point. In this book, ideology is understood as the following:

An ideology is a more or less coherent set of ideas that provides the basis for organized political action, whether this is intended to preserve, modify or overthrow the existing system of power. All ideologies therefore have the following features. They:

(a) advance an account of the existing order, usually in the form of a ‘world-view’
(b) outline a model of the desired future, a vision of the ‘good society’
(c) explain how political change can and should be brought about – how to get from (a) to (b).

This definition is neither original nor novel, and is entirely in line with the social-scientific usage of the term. It nevertheless draws attention to some of the important and distinctive features of the phenomenon of ideology.

However, ideologies may be either ‘thick’ or ‘thin’, in terms of the configuration of their conceptual furniture. Whereas liberalism, conservatism and socialism are based on a broad and distinctive set of values, doctrines and beliefs, others, such as anarchism and feminism, are more thin-centred, often having a ‘cross-cutting’ character, in that they incorporate elements from ‘thicker’ ideological traditions. This also explains why there is (perhaps unresolvable) debate and confusion about whether nationalism and multiculturalism in particular are ideologies in their own right or merely embellishments to other, ‘host’, ideologies."

(Heywood, Andrew. Political Ideologies: An Introduction. 7th ed. London: Red Globe Press/Macmillan, 2021. pp. 7-10)


Zuletzt bearbeitet von Myron am 19.02.2024, 19:23, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2303533) Verfasst am: 19.02.2024, 16:20    Titel: Antworten mit Zitat

narr hat folgendes geschrieben:
ist das eine offizielle Definition?

Was zur Hölle ist in diesem Kontext bitte eine "offizielle Definition"?? Am Kopf kratzen

narr hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
Die am Anfang der Bewegung verfolgten Ziele - „wachsames“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus - haben sich inzwischen zu einer Ideologie entwickelt, die das fördert, was sie bekämpfen will.

Das sind erst mal Behauptungen:
1. Da hätten sich Ziele zu einer (!) Ideologie entwickelt, und
2. diese Ideologie fördere das, was sie bekämpfen wolle.

zu sagen "das sind Behauptungen" ist einfach. Nein, es sind keine Behauptungen.

Äähh, was denn bitte sonst? Weißt du nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet? Mit den Augen rollen

narr hat folgendes geschrieben:
Und das sage in erster Instanz nicht ich, sondern Leute die sich damit befassen

Dein Fehlschluss des Tages ist: argumentum ad auctoritatem (Berufung auf Autorität).

narr hat folgendes geschrieben:
"In Amerika greift die Ideologie des Wokeismus um sich. Wir Europäer erhalten eine Anschauung davon, was uns erst noch bevorsteht" (NZZ)
"Wokeness ist letztlich eine anti-wissenschaftliche Weltanschauung" (hpd)

Da haben wir es. Wer meint, das seien keine Behauptungen, der versteht ganz grundsätzlich nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet.

narr hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

1. Da hätten sich Ziele zu einer (!) Ideologie entwickelt, und
2. diese Ideologie fördere das, was sie bekämpfen wolle.

Für 1. müsste beschrieben werden, was für eine Ideologie das ist. Das tust du nicht,...

Wer vielleicht ab und an nicht nur das liest was in die eigene Bubble passt sondern auch Gegenstimmen wird da vielleicht besser wissen welche Art der Ideologie es ist.

Dein Fehlschluss des Tages ist: argumentum ad hominem circumstantiae ("Bulverismus").

Ob tillich sich in einer Bubble bewegt oder nicht, ist übrigens für deine diskursive Bringschuld, Behauptungen auch zu begründen und nicht nur vorauszusetzen, völlig gegenstandslos.

narr hat folgendes geschrieben:
und hier kann man sicher von einer sozialen Gruppe aus gehen die versucht ihre Weltanschauung und Wertung mit recht aggressiven Mitteln unter die Leute zu bringen.

Nein, davon kann man nicht einfach ausgehen, sondern das hat man zu belegen. Solltest du als Mitglied eines Vereins, der sich wissenschaftliche Skepsis auf die Fahnen geschrieben hat, eigentlich wissen.

narr hat folgendes geschrieben:
Und ganz nebenbei: Das hier ist ein Forum im Internet und kein Uni-seminar. Und wenn schon denn schon - dann muss man auch alle Definitionen eines Begriffs kennen und nicht nur von der eigenen, begrenzten Weltsicht aus gehen.

...Ich habe keinen blassen Schimmer, wofür oder wogegen das im Kontext dieser Diskussion ein Argument sein soll.

narr hat folgendes geschrieben:
Und wer sich die Mühe macht z.B. René Pfisters Buch zu lesen würde auch mit Hintergrundinfos zur Herkunft dieser Haltung versorgt (Stichworte wären da z.B. Marcuse und Frankfurter Schule)

Scherzkeks. Wenn ich was über Marcuse oder die Frankfurter Schule wissen will, lese ich zuallererst mal Marcuse und die Frankfurter Schule und nicht Pfister.

narr hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Oder aber er möchte dieses Wort nur für die Kritik ganz bestimmter Positionen verwenden. Dafür ist es aber in seiner gewollten Unbestimmtheit nicht geeignet, und deswegen ist der Verwender erstens zu faul oder zu dämlich, seine Kritik an diesen ganz bestimmten Positionen statt mit diesem großen Hammer auch so differenziert und konkret zu formulieren, dass sie eben nicht alles minderheitenfreundliche pauschal trifft, und er macht sich zweitens zum nützlichen Idioten der rechten.

kommt oft, kann ja auch sein, dass es nur eine andere Sichtweise ist? Kann man also davon aus gehen, dass "andere Sichtweise" hier = "dämlich und faul" heißt?

Ich habe mir mal die Freiheit genommen, das tillichsche Zitat von deiner sinnentstellenden Verkrüppelung zu reinigen und in seiner ursprünglichen Form wiederherzustellen. Eine Antwort auf deine Frage erübrigt sich mit dieser Wiederherstellung von selbst.

narr hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
.... Nur eben als einzelne Themen, sodass man sich mit ihnen auch konkret und differenziert auseinandersetzen konnte, und nicht unter einem sinnlosen Kampfbegriff zusammengemanscht.

"Nur eben" sind das keine einzelnen Themen, sondern alles Auswirkungen dieser Haltung.

"Nur eben" hättest du das (1) erst zu zeigen und eben nicht nur zu behaupten, und (2) müsstest du daher erstmal klar umrissen haben, was genau überhaupt mit "dieser Haltung" (welcher genau?) gemeint ist.

narr hat folgendes geschrieben:
Diskurs wird mit Behauptungen unterbunden, "Gefühl" wird über Fakten gestellt, Begriffe werden erfunden oder umgedeutet und als "Wahrheit" verkauft.

...Ich hoffe doch sehr, dass dir klar ist, dass Begriffe als Strukturen menschlichen Begreifens per definitionem "erfunden" sind. Oder meinst du, Begriffe wachsen auf Bäumen? Mit den Augen rollen

Davon abgesehen ist das eine ausgezeichnete Charakterisierung deines eigenen Modus operandi in diesem Thread im Allgemeinen und in diesem Beitrag von dir im Besonderen, aber was hat das bitte mit dem Thema zu tun? Am Kopf kratzen
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 2996

Beitrag(#2303540) Verfasst am: 19.02.2024, 17:34    Titel: Antworten mit Zitat

narr hat folgendes geschrieben:
Die am Anfang der Bewegung verfolgten Ziele - „wachsames“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus - haben sich inzwischen zu einer Ideologie entwickelt, die das fördert, was sie bekämpfen will.

Zumindest ist die herausragende Bedeutung von Sprachregelungen im "Wokeismus" ein klares Indiz für Ideologie.
_________________
Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 2996

Beitrag(#2303555) Verfasst am: 20.02.2024, 10:23    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dein Fehlschluss des Tages ist: argumentum ad auctoritatem (Berufung auf Autorität).

also ... nö, ich sehe da eher ein argumentum ad auxilium


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dein Fehlschluss des Tages ist: argumentum ad hominem circumstantiae ("Bulverismus").

nö ... also das war vom auctor (um Deine Wortwahl zu versenden) wohl eher als argumentum in nomine patris et filii et spiritus sancti, et nunc et semper et in saecula saeculorum gemeint oder nicht?


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Äähh, was denn bitte sonst? Weißt du nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet? Mit den Augen rollen
...
Da haben wir es. Wer meint, das seien keine Behauptungen, der versteht ganz grundsätzlich nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet.

HIER haben wir es doch wohl mit einem Pulverismus in purissima sua forma zu tun.
_________________
Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2303560) Verfasst am: 20.02.2024, 11:56    Titel: Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dein Fehlschluss des Tages ist: argumentum ad auctoritatem (Berufung auf Autorität).

also ... nö, ich sehe da eher ein argumentum ad auxilium


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dein Fehlschluss des Tages ist: argumentum ad hominem circumstantiae ("Bulverismus").

nö ... also das war vom auctor (um Deine Wortwahl zu versenden) wohl eher als argumentum in nomine patris et filii et spiritus sancti, et nunc et semper et in saecula saeculorum gemeint oder nicht?


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Äähh, was denn bitte sonst? Weißt du nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet? Mit den Augen rollen
...
Da haben wir es. Wer meint, das seien keine Behauptungen, der versteht ganz grundsätzlich nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet.

HIER haben wir es doch wohl mit einem Pulverismus in purissima sua forma zu tun.

Unfug.
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2303569) Verfasst am: 20.02.2024, 19:00    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

narr hat folgendes geschrieben:
Und wer sich die Mühe macht z.B. René Pfisters Buch zu lesen würde auch mit Hintergrundinfos zur Herkunft dieser Haltung versorgt (Stichworte wären da z.B. Marcuse und Frankfurter Schule)

Scherzkeks. Wenn ich was über Marcuse oder die Frankfurter Schule wissen will, lese ich zuallererst mal Marcuse und die Frankfurter Schule und nicht Pfister.


Du kannst gerne Marcuses Text Repressive Toleranz (1965) lesen, den Pfister als eine der ideologischen Wurzeln der gegenwärtigen Cancel Culture bespricht.

Zitat:
"Aber was sind das für Ideen? Es gibt viele Denker, die das geistige Fundament für die Phänomene gelegt haben, die ich in diesem Buch zu beschreiben versuche. Man könnte mit dem deutschen Soziologen Herbert Marcuse anfangen, der während der Nazizeit in die USA emigrierte und 1965 einen Essay mit dem Titel »Repressive Toleranz« veröffentlichte. Marcuse, der 1979 in Starnberg starb, blieb vor allem als Vordenker der Studentenrevolte in Erinnerung; aber sein kurzer, nur 36-seitiger Aufsatz wirkt bis heute nach.

In ihm vollführt Marcuse eine bemerkenswerte gedankliche Volte: Er erklärt die Toleranz, die das Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen und Bekenntnisse überhaupt erst möglich gemacht hat, zu einem Unterdrückungsinstrument in den Händen der Mächtigen – und zwar gerade in den Demokratien des Westens. Das Argument von Marcuse geht in zwei Richtungen. Zum einen schaffe die Toleranz eine Art Fiktion der Freiheit. Gerade weil die Bürger das Recht hätten, ihre Meinung zu äußern und zu wählen, würden sie sich in der Illusion wiegen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Toleranz werde so »zu einem Instrument, die Knechtschaft freizusprechen«, schreibt Marcuse. Auf der anderen Seite sei die Forderung nach Toleranz ein Mittel der Mächtigen, um ihre Politik mit dem Argument durchzusetzen, diese „sei zum Wohle aller da: »Toleranz gegenüber dem radikal Bösen erscheint jetzt als gut, weil sie dem Zusammenhalt des Ganzen dient auf dem Wege zum Überfluss …«

Marcuses Essay ist geprägt vom Zeitgeist der Sechzigerjahre – dem Widerstand gegen den Vietnamkrieg und der Kritik der amerikanischen Linken an der Konsumgesellschaft. Marcuse plädiert grundsätzlich für einen offenen Diskurs, den er aber unter den Bedingungen einer kapitalistischen Gesellschaft für unmöglich hält: »Unter der Herrschaft der monopolistischen Medien – selber bloße Instrumente ökonomischer und politischer Macht – wird eine Mentalität erzeugt, für die Recht und Unrecht, Wahr und Falsch vorherbestimmt sind, wo immer sie die Lebensinteressen der Gesellschaft berühren.« In der »totalitären Demokratie« würden die Herrschenden immer Mittel und Wege finden, sich an der Macht zu halten. Deshalb fordert Marcuse, politische Kräfte, die seiner Ansicht nach dem Fortschritt im Wege stehen, aus dem öffentlichen Diskurs zu verbannen:

»Dazu würde gehören, dass Gruppen und Bewegungen die Rede- und Versammlungsfreiheit entzogen wird, die eine aggressive Politik, Aufrüstung, Chauvinismus und Diskriminierung aus rassischen und religiösen Gründen befürworten oder sich der Ausweitung öffentlicher Dienste, sozialer Sicherheit, medizinischer Fürsorge usw. widersetzen. Darüber hinaus kann die Wiederherstellung der Denkfreiheit neue und strenge Beschränkungen der Lehren und Praktiken in den pädagogischen Institutionen „erfordern, die ihren ganzen Methoden und Begriffen nach dazu dienen, den Geist ins etablierte Universum von Rede und Verhalten einzuschließen – und dadurch a priori einer rationalen Einschätzung der Alternativen vorzubeugen.«

Es ist ein Argumentationsmuster, das in kaum abgewandelter Form in den vergangenen Jahren an amerikanische Universitäten zurückgekehrt ist. Inzwischen gibt es fast wöchentlich einen Fall, in dem ein Professor suspendiert oder eine Gastrednerin ausgeladen wird, weil sie Meinungen vertreten, die als unsensibel, rückständig oder verletzend gegenüber Minderheiten gelten. Insofern war Marcuse einer der Pioniere des Gedankens, dass Meinungsfreiheit, die konstitutiv für jede Demokratie ist, im Kern nichts weiter darstellt als einen Knüppel in der Hand der Herrschenden.
Man muss Marcuse zugutehalten, dass er aus seiner unbedingten Parteilichkeit nie einen Hehl gemacht hat. Es gehe ihm, so schreibt er, um den systematischen »Entzug von Toleranz gegenüber rückschrittlichen und repressiven Meinungen«."

(Pfister, René. Ein falsches Wort: Wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2022. pp. 39-42)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2303570) Verfasst am: 20.02.2024, 20:07    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:

narr hat folgendes geschrieben:
Und wer sich die Mühe macht z.B. René Pfisters Buch zu lesen würde auch mit Hintergrundinfos zur Herkunft dieser Haltung versorgt (Stichworte wären da z.B. Marcuse und Frankfurter Schule)

Scherzkeks. Wenn ich was über Marcuse oder die Frankfurter Schule wissen will, lese ich zuallererst mal Marcuse und die Frankfurter Schule und nicht Pfister.

Du kannst gerne Marcuses Text Repressive Toleranz (1965) lesen, den Pfister als eine der ideologischen Wurzeln der gegenwärtigen Cancel Culture bespricht.

Aber wieso sollte ich? Ich sagte wenn ich etwas über Marcuse wissen will, lese ich primär Marcuse und nicht Pfister. Das war ein Punkt bezüglich des philosophischen Wissenserwerbs durch Aufsuchen der Primärtexte vs. durch ausschließliche Konsultation von Sekundärtexten, kein Statement über Marcuses tatsächliche Relevanz für diese Diskussion (oder über mein tatsächliches Interesse an Marcuse, for that matter). Ich bin sowohl im als auch außerhalb des akademischen Betriebs viel in linken Kreisen unterwegs, inklusive solcher, die ihr mit Sicherheit als "woke" bezeichnen würdet. Meiner Einschätzung nach ist Marcuse in diesen Diskursen schon hier in Deutschland weitestgehend marginal. In den USA sowieso schon gleich ganz und gar.

Die von dir zitierte Passage von Pfister stellt dementsprechend auch keine tatsächliche geistesgeschichtliche Verbindung (z. B. durch den tatsächlichen Nachweis einer exzessiven Bezugnahme auf Marcuse in US-amerikanischen universitätspolitischen Diskursen) her, sondern konstatiert bzw. behauptet lediglich Ähnlichkeiten in der Argumentation und Praxis. Mit Verlaub: Das ist philosophiehistorische Schlamperei ersten Ranges. Mit so einer Methodik kann man auch "beweisen", dass die Ideologie der Nazis auf Nietzsche zurückgeht, oder ähnlichen Schwachsinn. (Aber wer weiß: Vielleicht führt Pfister den tatsächlichen Nachweis einer Verbindung ja woanders im Buch. Dann wäre aber dein Zitat schlecht gewählt.)
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2303571) Verfasst am: 20.02.2024, 21:33    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich bin sowohl im als auch außerhalb des akademischen Betriebs viel in linken Kreisen unterwegs, inklusive solcher, die ihr mit Sicherheit als "woke" bezeichnen würdet. Meiner Einschätzung nach ist Marcuse in diesen Diskursen schon hier in Deutschland weitestgehend marginal. In den USA sowieso schon gleich ganz und gar.

Die von dir zitierte Passage von Pfister stellt dementsprechend auch keine tatsächliche geistesgeschichtliche Verbindung (z. B. durch den tatsächlichen Nachweis einer exzessiven Bezugnahme auf Marcuse in US-amerikanischen universitätspolitischen Diskursen) her, sondern konstatiert bzw. behauptet lediglich Ähnlichkeiten in der Argumentation und Praxis. Mit Verlaub: Das ist philosophiehistorische Schlamperei ersten Ranges. Mit so einer Methodik kann man auch "beweisen", dass die Ideologie der Nazis auf Nietzsche zurückgeht, oder ähnlichen Schwachsinn. (Aber wer weiß: Vielleicht führt Pfister den tatsächlichen Nachweis einer Verbindung ja woanders im Buch. Dann wäre aber dein Zitat schlecht gewählt.)


Der Nietzsche-Nazis-Vergleich hinkt, denn Marcuse lebte und lehrte zur Zeit der Neuen Linken, und war darin direkt als einflussreicher Theoretiker involviert. Außerdem hat sich die gegenwärtige Wache Linke aus der Neuen Linken entwickelt. Sie hat eine ideologische (Vor-)Geschichte und ist nicht plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht. Pfister hat recht, wenn er unter Verweis auf Marcuse von einem "Argumentationsmuster" der radikalen kulturellen Linken spricht, "das in kaum abgewandelter Form in den vergangenen Jahren an amerikanische Universitäten zurückgekehrt ist," und mit dem die eigene Intoleranz gegenüber Andersdenkenden gerechtfertigt wird. Dabei ist es nebensächlich, ob Marcuse bei den heutigen linksradikalen Studenten noch en vogue ist oder nicht, ob sie noch seine Texte lesen oder nicht; denn davon hängt der tradierte Einfluss seines Denkens auf die Wache Linke nicht ab. Gedanken können auch anonym wirken, solange sie bewusst oder unbewusst als urheberunabhängige Ideen oder "Meme" weitergegeben werden.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2303573) Verfasst am: 21.02.2024, 10:02    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Sie hat eine ideologische (Vor-)Geschichte und ist nicht plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht.

Klar. Hier wird ja auch nicht bezweifelt, dass sie eine geistesgeschichtliche Vorgeschichte hat, sondern dass sie so aussieht, wie Pfister sie charakterisiert. Das wäre nämlich zu belegen.

Myron hat folgendes geschrieben:
Dabei ist es nebensächlich, ob Marcuse bei den heutigen linksradikalen Studenten noch en vogue ist oder nicht, ob sie noch seine Texte lesen oder nicht; denn davon hängt der tradierte Einfluss seines Denkens auf die Wache Linke nicht ab. Gedanken können auch anonym wirken, solange sie bewusst oder unbewusst als urheberunabhängige Ideen oder "Meme" weitergegeben werden.

Aha. Wie wäre diese Hypothese denn empirisch überprüfbar?

Marcuses Kritik an der Toleranzidee war schon zu seinen Zeiten alles andere als neu - wenn man wollte, könnte man sie mit deiner Methode ohne Weiteres bis zu Plato zurückverfolgen. Weil Philosophiegeschichte nicht immer streng linear verläuft, könnte es sogar durchaus sein, dass man von Plato zu Marcuse weniger Zwischenschritte braucht als von Marcuse zu gegenwärtigen Linken. Das wäre natürlich erst zu prüfen, ist aber keineswegs von vorne herein auszuschließen. Sowas kommt eben, wenn man sich philosophiegeschichtlichen Fragen ohne jedwede theoretische und insbesondere kritische Armatur nähert. Man bekommt dann buchstäblich alles Beliebige heraus, das einem in den Kram passt - bzw. ganz grundsätzlich nur das, was man am Anfang in das Material hereinprojiziert. Deswegen ist es wichtig, jeden behaupteten Zusammenhang sauber belegen zu können, statt sich des Belegs überheben zu wollen, indem man einige unverdaute Brocken zum Thema Mimetik auskotzt.
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 2996

Beitrag(#2303578) Verfasst am: 21.02.2024, 12:27    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Unfug.


Unfug besteht m.E. vor allem darin einem User ad hominems und zirkuläre Denkstrukturen zu unterstellen und dann selbst sowas zu schreiben:

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Äähh, was denn bitte sonst? Weißt du nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet? Mit den Augen rollen
...
Da haben wir es. Wer meint, das seien keine Behauptungen, der versteht ganz grundsätzlich nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet.

_________________
Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2303580) Verfasst am: 21.02.2024, 14:00    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Marcuses Kritik an der Toleranzidee war schon zu seinen Zeiten alles andere als neu - wenn man wollte, könnte man sie mit deiner Methode ohne Weiteres bis zu Plato zurückverfolgen. Weil Philosophiegeschichte nicht immer streng linear verläuft, könnte es sogar durchaus sein, dass man von Plato zu Marcuse weniger Zwischenschritte braucht als von Marcuse zu gegenwärtigen Linken. Das wäre natürlich erst zu prüfen, ist aber keineswegs von vorne herein auszuschließen. Sowas kommt eben, wenn man sich philosophiegeschichtlichen Fragen ohne jedwede theoretische und insbesondere kritische Armatur nähert. Man bekommt dann buchstäblich alles Beliebige heraus, das einem in den Kram passt - bzw. ganz grundsätzlich nur das, was man am Anfang in das Material hereinprojiziert. Deswegen ist es wichtig, jeden behaupteten Zusammenhang sauber belegen zu können, statt sich des Belegs überheben zu wollen, indem man einige unverdaute Brocken zum Thema Mimetik auskotzt.


Ein weiteres Pfister-Zitat, das belegt, dass Marcuses Denken über "repressive Toleranz" bei den radikalen kulturellen Linken noch nicht ad acta gelegt ist, auch wenn die heutigen woken Studenten keine Marcuse-T-Shirts tragen:

Zitat:
"Man muss Marcuse zugutehalten, dass er aus seiner unbedingten Parteilichkeit nie einen Hehl gemacht hat. Es gehe ihm, so schreibt er, um den systematischen »Entzug von Toleranz gegenüber rückschrittlichen und repressiven Meinungen«. Denkt man Marcuses Gedanken konsequent zu Ende, hätten bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl 1964 sowohl Präsident Lyndon B. Johnson als auch sein Herausforderer Barry Goldwater disqualifiziert werden müssen. Johnson, weil er den Vietnamkrieg fortführte und deswegen als Militarist zu gelten hatte. Goldwater widersetzte sich dem »Civil Rights Act« von 1964, der die Rassentrennung im Süden der USA beenden sollte.

Es liegt auf der Hand, dass eine Theorie, die praktisch das gesamte politische Spektrum der USA zu Antidemokraten erklärt, selbst totalitäre Züge trägt, weshalb in den Vereinigten Staaten in der jüngsten Vergangenheit eine heftige Debatte darüber entbrannt ist, inwieweit Marcuse und die marxistisch beeinflusste »Frankfurter Schule«, der er angehörte, wirklich prägend sind für die aktuellen Debatten. Gerade Vertreter der einflussreichen »Critical Race Theory« haben das als hysterischen antikommunistischen Reflex zurückgewiesen.

Allerdings wird Marcuse immer noch angeführt, etwa wenn es darum geht, in den USA einer progressiven Pädagogik zum Durchbruch zu verhelfen. Im Jahr 2005 veröffentlichte Stephen Brookfield, Professor an der University of St. Thomas in Minnesota, einen Aufsatz [PDF], der stark von Marcuses Theorie geprägt ist. Laut Brookfield genügt es nicht, wenn Lehrer im Unterricht verschiedene Stimmen präsentierten, also auch die von schwarzen oder asiatischen Gelehrten. Denn dies würde nur dazu führen, dass diese neben den weißen Wissenschaftlern als das »exotisch Andere« wirkten, schreibt Brookfield. »Weiße Lehrer können ihr Gewissen beruhigen und sich in dem Glauben wiegen, dass ein Schritt in Richtung Inklusion und kultureller Gleichheit getan ist.« Um echte Toleranz in Sinne von Marcuse zu erreichen, sei es notwendig, die »Ideologie des Mainstreams« konsequent aus dem Unterricht zu verbannen – etwa indem ein Programm zur Erwachsenenbildung nur afrika-zentristische Stimmen und Überlegungen zulässt. Brookfield plädiert, mit anderen Worten, für eine radikale Einseitigkeit in Namen des Fortschrittes.

Zum anderen waren Marcuse und die »Frankfurter Schule« Vordenker für eine Generation von Theoretikern, deren Ideen das geistige Klima an US-Universitäten entscheidend beeinflussen sollten: Zu ihnen gehört unter anderem der französische Philosoph und Historiker Michel Foucault. Foucault war in seiner Jugend wie Marcuse selbst Kommunist, trat aber schon mit Mitte 20 wieder aus der Kommunistischen Partei Frankreichs aus. In einem Gespräch mit dem italienischen Journalisten Duccio Trombadori berichtete Foucault davon, wie sehr ihn die »Frankfurter Schule« beeindruckt habe. »Wenn ich die Verdienste der Philosophen der Frankfurter Schule anerkenne, so tue ich es mit dem schlechten Gewissen von jemandem, der ihre Bücher hätte früher lesen, sie früher hätte verstehen müssen«, sagte Foucault. »Vielleicht wäre ich, wenn ich die Philosophen dieser Schule in meiner Jugend kennengelernt hätte, von ihnen so begeistert gewesen, dass ich nichts weiter hätte tun können, als sie zu kommentieren.«"

(Pfister, René. Ein falsches Wort: Wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2022. pp. 42-4)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2303582) Verfasst am: 21.02.2024, 14:35    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:

Ein weiteres Pfister-Zitat, das belegt, dass Marcuses Denken über "repressive Toleranz" bei den radikalen kulturellen Linken noch nicht ad acta gelegt ist, auch wenn die heutigen woken Studenten keine Marcuse-T-Shirts tragen:

Zitat:
"…Allerdings wird Marcuse immer noch angeführt, etwa wenn es darum geht, in den USA einer progressiven Pädagogik zum Durchbruch zu verhelfen. Im Jahr 2005 veröffentlichte Stephen Brookfield, Professor an der University of St. Thomas in Minnesota, einen Aufsatz [PDF], der stark von Marcuses Theorie geprägt ist.…"

(Pfister, René. Ein falsches Wort: Wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2022. pp. 42-4)


In einem 2019 veröffentlichten Buch schreibt Brookfield Folgendes, das belegt, dass Marcuses Denken auch in die kritische Rassentheorie hineinwirkt:

Zitat:
"Watching Out for Repressive Tolerance

In one of the most formative influences on my thinking about how white supremacy maintains itself, Herbert Marcuse (1965) explicates the concept of repressive tolerance. Put very simply, repressive tolerance is the process by which institutions manage threats to their authority and legitimacy so that they appear to be changing while keeping things as they are. Instead of opposing the challenge by directly rebutting or discrediting those issuing critiques, institutions respond in a far subtler and ultimately more effective way. They appear to take the challenge seriously, creating working parties, task forces, and advisory committees to document the grievances being brought to their attention. They then make small, symbolic changes to institutional functioning and present these as substantive and important. But as all these things are happening, the fundamental structure remains unchanged. White supremacist consciousness remains in place and whites continue to hold the levers of power and determine institutional culture and policy."

(Brookfield, Stephen D., & Associates. Teaching Race: How to Help Students Unmask and Challenge Racism. San Francisco, CA: Jossey-Bass, 2019. pp. 10-1)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2303583) Verfasst am: 21.02.2024, 14:51    Titel: Antworten mit Zitat

In einem Artikel in der Irish Times von 2020 steht beispielsweise:

Zitat:
"…Another expert is Graham Finlay, the US-born academic who teaches Mill to politics students at UCD. Today's Unthinkable guest, he argues that Mill is best read in tandem with the German philosopher Herbert Marcuse, whose 1965 essay Repressive Tolerance can be seen to justify aspects of today's cancel culture.…"

Quelle: Cancel culture: can you defend people who say unpopular things?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2303584) Verfasst am: 21.02.2024, 14:54    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Es liegt auf der Hand, dass eine Theorie, die praktisch das gesamte politische Spektrum der USA zu Antidemokraten erklärt, selbst totalitäre Züge trägt

Nein, das liegt überhaupt nicht auf der Hand, sondern wäre zu begründen. Die demokratische und auch menschenrechtliche Legitimierbarkeit der US-Militäreinsätze in Vietnam ist bestenfalls fragwürdig, und dass die Ablehnung der rechtlichen und gesellschaftlichen Gleichstellung der Schwarzen ein fundamental antidemokratischer Rassismus ist, steht ja wohl nicht in Frage. Insofern muss es keineswegs ein Zeichen eigener "totalitärer Züge" (was auch immer das heißen soll) sein, beide Kandidaten und sogar das (um es mal ganz deutlich zu sagen auch im Vergleich zu anderen demokratischen Staaten ohnehin nicht allzu breite) ganze politische Spektrum der USA zu diesem historischen Zeitpunkt (!) für undemokratisch zu halten, sondern das ist eine u. U. völlig im Rahmen demokratischer Werte und Prinzipien sich bewegende Meinung. Auch hier bleibt Pfister die Argumente für das für ihn "auf der Hand liegende" schuldig. (Abgesehen davon, dass Marcuse dazu, wie sein Ansatz auf diesen Fall anzuwenden war, durchaus anderer Ansicht gewesen sein kann als Pfister.)

Zitat:
weshalb in den Vereinigten Staaten in der jüngsten Vergangenheit eine heftige Debatte darüber entbrannt ist, inwieweit Marcuse und die marxistisch beeinflusste »Frankfurter Schule«, der er angehörte, wirklich prägend sind für die aktuellen Debatten. Gerade Vertreter der einflussreichen »Critical Race Theory« haben das als hysterischen antikommunistischen Reflex zurückgewiesen.

Sowohl, dass es diese Debatte gibt, als auch dass sie deshalb geführt wird und nicht aus völlig anderen Gründen (z. B. weil die Frankfurter Schule derzeit in einer ganzen Reihe rechter Verschwörungstheorien als Buhmann figuriert), hätte Pfister wieder zu belegen.

Zitat:
Allerdings wird Marcuse immer noch angeführt, etwa wenn es darum geht, in den USA einer progressiven Pädagogik zum Durchbruch zu verhelfen. Im Jahr 2005 veröffentlichte Stephen Brookfield, Professor an der University of St. Thomas in Minnesota, einen Aufsatz [PDF], der stark von Marcuses Theorie geprägt ist.

Stephen Brookfield? Nie gehört. Wer ist das, und warum sollte es mich interessieren? Haben du oder Pfister auch irgendeinen Beleg dafür, dass der Mann eine relevante Stimme darstellt? Ein einzelnes sieben Seiten langes Exposé, in dem unter anderem auch Marcuse zitiert wird, als Argument für die nachhaltige und ungebrochene Relevanz Marcuses in der gegenwärtigen Linken anzuführen, ist jedenfalls schon leicht abenteuerlich. Dem Text selbst muss man dabei allerdings zu Gute halten, dass er auch eine ganze Reihe von Autor*innen anführt, die aufgrund ihrer Relevanz tatsächlich diesbezüglich eines Blickes wert wären (bell hooks, Angela Davis, etc.). In einem acht Titel beinhaltenden Quellenverzeichnis (was bei einem siebenseitigen Essay übrigens ziemlich eindrucksvoll ist) macht Marcuse gerade einen Eintrag aus. Die Ironie ist natürlich, dass Brookfield damit einen alten weißen Mann neben eine Reihe schwarzer Autor*innen stellt - also das, was er laut seinem Aufsatz eigentlich gerade nicht mehr tun wollte.

Zitat:
Um echte Toleranz in Sinne von Marcuse zu erreichen, sei es notwendig, die »Ideologie des Mainstreams« konsequent aus dem Unterricht zu verbannen – etwa indem ein Programm zur Erwachsenenbildung nur afrika-zentristische Stimmen und Überlegungen zulässt. Brookfield plädiert, mit anderen Worten, für eine radikale Einseitigkeit in Namen des Fortschrittes.

Jaa, sowas steht da wohl drin. Wäre aber interessant, zu erfahren, auf welche Fächer sich das beziehen soll, was da leider nicht explizit steht. Mein Verdacht wäre: Spezifisch auf CRT. Wo das übrigens durchaus eine gewisse Berechtigung hat. Auf die Ironie, dass Brookfield das in seinem Text selber nicht praktiziert - was übrigens der einzige Grund ist, warum du den Text im Kontext unsere Diskussion überhaupt anführen kannst - habe ich ja oben bereits hingewiesen. Ob das wohl Absicht ist? Das muss wohl der Spekulation überlassen bleiben.

Zitat:
Zum anderen waren Marcuse und die »Frankfurter Schule« Vordenker für eine Generation von Theoretikern, deren Ideen das geistige Klima an US-Universitäten entscheidend beeinflussen sollten: Zu ihnen gehört unter anderem der französische Philosoph und Historiker Michel Foucault.

Lachen Lachen Lachen Für den Einfluss der Frankfurter Schule auf Foucaults theoretisches Werk hast du sicher auch Belege. Da bin ich ganz ehrlich mal gespannt.

Zitat:
In einem Gespräch mit dem italienischen Journalisten Duccio Trombadori berichtete Foucault davon, wie sehr ihn die »Frankfurter Schule« beeindruckt habe. »Wenn ich die Verdienste der Philosophen der Frankfurter Schule anerkenne, so tue ich es mit dem schlechten Gewissen von jemandem, der ihre Bücher hätte früher lesen, sie früher hätte verstehen müssen«, sagte Foucault. »Vielleicht wäre ich, wenn ich die Philosophen dieser Schule in meiner Jugend kennengelernt hätte, von ihnen so begeistert gewesen, dass ich nichts weiter hätte tun können, als sie zu kommentieren.«

Also mal abgesehen davon, dass ein einzelnes Interviewzitat ganz grundsätzlich nicht die Arbeit erspart, den Einfluss eines Theoretikers auf das Werk eines anderen im und am Werk selbst zu belegen, sagt Foucault hier, dass er sehr bedauert, dass die Frankfurter Schule keinen Einfluss mehr auf sein Werk haben konnte, weil er sie erst zu spät kennen gelernt und rezipiert habe - und du und offenbar auch Pfister machen daraus, dass die Frankfurter Schule Vordenker von Foucault gewesen seien. Also das Gegenteil dessen, was Foucault in dem von Pfister selbst zitierten Satz sagt. Da kann ich nur fragen: Wollt ihr mich eigentlich verkohlen? Mit den Augen rollen - Das Interview selbst besorge ich mir beizeiten vielleicht mal.
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2303586) Verfasst am: 21.02.2024, 15:18    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
In einem Artikel in der Irish Times von 2020 steht beispielsweise:

Zitat:
"…Another expert is Graham Finlay

Auch noch nie gehört. Geht dieses Gespräch jetzt so weiter, dass du einfach weiter irgendwelche zufälligen Beispiele raussuchst, wo irgendwer irgendwo mal Marcuse zitiert hat? Mit den Augen rollen
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2303587) Verfasst am: 21.02.2024, 15:25    Titel: Antworten mit Zitat

Andrew Feenberg (*1943), ein Student Marcuses und politischer Aktivist in der Zeit der Neuen Linken, verteidigt seinen Aufsatz mit dem Argument, Marcuses Vorschlag, reaktionäre Rede zu unterdrücken, sei lediglich eine pro-demokratische Provokation zur Entlarvung des Märchens von der liberalen Toleranz:

Zitat:
"[Marcuse's famous essay on Repressive Tolerance] has been caricatured by Marcuse’s critics more than once and recently blamed for the ravages of the so-called “cancel culture.” In fact, its actual content is democratic. Here, Marcuse observes that the liberal ideal of the “free market in ideas” does not exist where independent thought is overwhelmed by ubiquitous propaganda. Even if dissenters can be heard, they are drowned out by a background consensus supported by powerful forces in society against which it is increasingly difficult to contend. Under these circumstances, tolerance of dissent is an alibi for domination rather than an invitation to challenge the status quo.

Marcuse proposes to reverse the situation by suppressing reactionary speech while privileging the progressive alternative, but this proposal turns out to be a mere provocation aimed at demystifying the myth of liberal tolerance:

These same conditions render the critique of such tolerance abstract and academic, and the proposition that the balance between tolerance toward the Right and toward the Left would have to be radically redressed in order to restore the liberating function of tolerance becomes only an unrealistic speculation. [Marcuse]

After discussing the idea of educational dictatorship once again, he concludes "the established semi-democratic process is not a dictatorship or elite, no matter how intellectual and intelligent, but the struggle for a real democracy.""

(Feenberg, Andrew. The Ruthless Critique of Everything Existing: Nature and Revolution in Marcuse's Philosophy of Praxis. New York: Verso, 2023. pp. 104-5)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2303588) Verfasst am: 21.02.2024, 15:29    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Geht dieses Gespräch jetzt so weiter, dass du einfach weiter irgendwelche zufälligen Beispiele raussuchst, wo irgendwer irgendwo mal Marcuse zitiert hat? Mit den Augen rollen

Meine Frage ist damit wohl beantwortet. Mit den Augen rollen
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2303589) Verfasst am: 21.02.2024, 15:30    Titel: Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Unfug.


Unfug besteht m.E. vor allem darin einem User ad hominems und zirkuläre Denkstrukturen zu unterstellen und dann selbst sowas zu schreiben:

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Äähh, was denn bitte sonst? Weißt du nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet? Mit den Augen rollen
...
Da haben wir es. Wer meint, das seien keine Behauptungen, der versteht ganz grundsätzlich nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet.


Ganz unvoreingenommen gefragt: Erklär mal, inwiefern ein Verweis auf die Bedeutung des Wortes "Behauptung" ein ad hominem oder zirkulär ist.

Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Eine Behauptung ist eine Aussage in Form einer Assertion mit dem Wunsch auf Zustimmung. Eine Behauptung beansprucht Geltung für den Inhalt der getätigten Aussage, bzw. des geäußerten Urteils.

Behauptungen im Bereich der Wissenschaften werden auch als Hypothesen bezeichnet. Sie bleiben solange unbewiesen, bis sie verifiziert oder falsifiziert werden. Behauptungen, sofern sie öffentlich aufgestellt werden, so dass eine interessierte Öffentlichkeit sie zur Kenntnis nehmen kann, insbesondere normative und politische Behauptungen werden als Thesen (des Behauptenden) bezeichnet.

Mit einer Behauptung verfolgt jemand den Zweck, von ihm formulierte Meinungen oder einen bestimmten Sachverhalt zu äußern, um damit einen bestimmten Adressatenkreis zu beeinflussen.

_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 2996

Beitrag(#2303600) Verfasst am: 22.02.2024, 09:29    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ganz unvoreingenommen gefragt: Erklär mal, inwiefern ein Verweis auf die Bedeutung des Wortes "Behauptung" ein ad hominem oder zirkulär ist.

Deine Bemerkung ein bestimmter Nutzer wisse nicht, was eine Behauptung sei, halte ich für ad-hominem:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Äähh, was denn bitte sonst? Weißt du nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet? Mit den Augen rollen
...
Da haben wir es. Wer meint, das seien keine Behauptungen, der versteht ganz grundsätzlich nicht, was das Wort "Behauptung" bedeutet.

Dieses ad-hominem wird nun im Zirkelschluss verwendet um zu begründen, dass bestimmte Äußerungen des angegriffenen Nutzers den Charakter von Behauptungen hätten.

Insoweit geht Deine rückfrage mit schlafwandlerischer Sicherheit meilenweit an der tatsächlich stattgefundenen Diskussion vorbei
_________________
Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2303601) Verfasst am: 22.02.2024, 12:04    Titel: Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
Dieses ad-hominem wird nun im Zirkelschluss verwendet um zu begründen, dass bestimmte Äußerungen des angegriffenen Nutzers den Charakter von Behauptungen hätten.

Also du meinst, meine Behauptung, dass narr die Bedeutung des Wortes "Behauptung" nicht kenne (und nicht etwa die Bedeutung selbst), sei mein Argument dafür gewesen, dass die fraglichen Aussagen Behauptungen waren? Am Kopf kratzen
...Sorry, aber auf so eine bizarre Lesart muss man erstmal kommen. Pillepalle Ganz ehrlich: Das wird mir jetzt doch zu blöd. Ich muss ja nicht durch jeden Reifen springen. Mit den Augen rollen

Auf die eigentliche Streitfrage, um die es dabei überhaupt ging, bist du jetzt übrigens bezeichnenderweise gar nicht eingegangen.
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2303603) Verfasst am: 22.02.2024, 14:21    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Geht dieses Gespräch jetzt so weiter, dass du einfach weiter irgendwelche zufälligen Beispiele raussuchst, wo irgendwer irgendwo mal Marcuse zitiert hat? Mit den Augen rollen

Meine Frage ist damit wohl beantwortet. Mit den Augen rollen


Es handelt sich zwar um Beispiele, aber nicht um "irgendwelche zufällig rausgesuchten".
Der thematische Ausgangspunkt zur Erinnerung:

narr hat folgendes geschrieben:
Und wer sich die Mühe macht z.B. René Pfisters Buch zu lesen würde auch mit Hintergrundinfos zur Herkunft dieser Haltung versorgt (Stichworte wären da z.B. Marcuse und Frankfurter Schule)


Es geht also um die Frage der ideologischen Wurzeln der Intoleranz und Illiberalität, die sich unter den zeitgenössischen RAKULIS (RAdikalen KUlturellen LInken) breitgemacht hat; und wie meine Beispiele belegen, ist Marcuses These von der (die eigene Intoleranz rechtfertigenden) repressiven Toleranz ein Thema in der aktuellen Debatte.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44209

Beitrag(#2303604) Verfasst am: 22.02.2024, 14:26    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Es geht also um die Frage der ideologischen Wurzeln der Intoleranz und Illiberalität [...]

Das Konzept des Toleranzparadoxons ist dir geläufig? Stammt übrigens nicht von Marcuse, sondern von einem gewissen Karl Popper. Marcuses Argument gegen "repressive Toleranz" ist im Kern das selbe Argument, nur anders verpackt.

Myron hat folgendes geschrieben:
[...] wie meine Beispiele belegen, ist Marcuses These von der (die eigene Intoleranz rechtfertigenden) repressiven Toleranz ein Thema in der aktuellen Debatte.

Als ob die Frage hier nicht die nach der Relevanz deiner Beispiele wäre.
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3537

Beitrag(#2303605) Verfasst am: 22.02.2024, 14:40    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Zitat:
"In einem Gespräch mit dem italienischen Journalisten Duccio Trombadori berichtete Foucault davon, wie sehr ihn die »Frankfurter Schule« beeindruckt habe. »Wenn ich die Verdienste der Philosophen der Frankfurter Schule anerkenne, so tue ich es mit dem schlechten Gewissen von jemandem, der ihre Bücher hätte früher lesen, sie früher hätte verstehen müssen«, sagte Foucault. »Vielleicht wäre ich, wenn ich die Philosophen dieser Schule in meiner Jugend kennengelernt hätte, von ihnen so begeistert gewesen, dass ich nichts weiter hätte tun können, als sie zu kommentieren.«"

[Pfister, René. Ein falsches Wort: Wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2022. S. 43-4]


Also mal abgesehen davon, dass ein einzelnes Interviewzitat ganz grundsätzlich nicht die Arbeit erspart, den Einfluss eines Theoretikers auf das Werk eines anderen im und am Werk selbst zu belegen, sagt Foucault hier, dass er sehr bedauert, dass die Frankfurter Schule keinen Einfluss mehr auf sein Werk haben konnte, weil er sie erst zu spät kennen gelernt und rezipiert habe - und du und offenbar auch Pfister machen daraus, dass die Frankfurter Schule Vordenker von Foucault gewesen seien. Also das Gegenteil dessen, was Foucault in dem von Pfister selbst zitierten Satz sagt. Da kann ich nur fragen: Wollt ihr mich eigentlich verkohlen? Mit den Augen rollen - Das Interview selbst besorge ich mir beizeiten vielleicht mal.


Zitat:
"Zum anderen waren Marcuse und die »Frankfurter Schule« Vordenker für eine Generation von Theoretikern, deren Ideen das geistige Klima an US-Universitäten entscheidend beeinflussen sollten: Zu ihnen gehört unter anderem der französische Philosoph und Historiker Michel Foucault."

(Pfister, René. Ein falsches Wort: Wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht. München: Deutsche Verlags-Anstalt, 2022. S. 43)


Pfister sagt nicht, dass die Frankfurter Vordenker von Foucault waren, sondern, dass sowohl die Frankfurter als auch Foucault "Vordenker für eine Generation von Theoretikern [waren], deren Ideen das geistige Klima an US-Universitäten entscheidend beeinflussen sollten."

Zitat:
"Duccio Trombadori: With the events of '68, another theoretical current regained strength and was confinned as a point of reference of notable importance in youth culture. I'm speaking of the Frankfurt School: Adorno, Horkheimer, and much more than them, Marcuse, found themselves with their works at the center of student ideological debates. The struggle against repression, the antiauthoritarianism, the escape from "civilization," the radical denial of the "system": all these were themes that with more or less intellectual confusion were debated as watchwords by masses of youths. I'd like to know how your thought is related to that theoretical current, also because you don't seem to have dealt with it directly.

Michel Foucault: It would be necessary to understand better why, despite the work of many of its exponents in Paris after their expulsion from German universities by the Nazis, the Frankfurt School passed by unnoticed for a long time in France. It began to be discussed with a certain intensity and frequency only in relation to the thought of Marcuse and his Freudian-Marxism. In any case, I knew little about the Frankfurt School. I had read certain texts of Horkheimer's dedicated to an entire ensemble of discussions whose meaning I understood with difficulty, and in which I felt a certain laxness, above all concerning the historical materials analyzed. Then I recall having read a book on penal problems and the mechanisms of punishment that had been written in the U.S.A. by Kircheimer.

At that point I realized how the Frankfurt people had tried ahead of time to assert things that I too had been working for years to sustain. This even explains a certain irritation shown by some of them who saw that in France there were experiences that were – I won't say identical but in some ways very similar. In effect, correctness and theoretical fecundity would have asked for a much more thorough acquaintance with and study of the Frankfurt School. As far as I'm concerned, I think that the Frankfurt School set problems that are still being worked on. Among others, the effects of power that are connected to a rationality that has been historically and geographically defined in the West, starting from the sixteenth century on. The West could never have attained the economic and cultural effects that are unique to it without the exercise of that specific form of rationality. Now, how are we to separate this rationality from the mechanisms, procedures, techniques, and effects of power that determine it, which we no longer accept and which we point to as the form of oppression typical of capitalist societies, and perhaps of socialist societies too? Couldn't it be concluded that the promise of Aufklärung (Enlightenment), of attaining freedom through the exercise of reason, has been, on the contrary, overturned within the domain of Reason itself, that it is taking more and more space away from freedom? It's a fundamental problem that we all debate, that is common to so many, whether Communists or not. And this problem, as we know, was singled out by Horkheimer before the others; and it was the Frankfurt School that measured its relationship with Marx on the basis of this hypothesis. Wasn't it Horkheimer who sustained that in Marx there was the idea of a society as being like an immense factory?

Duccio Trombadori: You assign great importance to this current of thought. To what do you attribute the anticipations and the results attained by the Frankfurt School that you've briefly summarized?

Michel Foucault: I think that the Frankfurt School had a greater likelihood of knowing and analyzing early on with exact infonnation what was happening in the U.S.S.R. And this was within the framework of an intense and dramatic political struggle, while Nazism was digging the grave of the Weimar Republic; this was set against the background in Germany, where Marxism and theoretical reflection on Marx had a robust tradition of more than fifty years.

When I recognize all these merits of the Frankfurt School, I do so with the bad conscience of one who should have known them and studied them much earlier than was the case. Perhaps if I had read those works earlier on, I would have saved useful time, surely: I wouldn't have needed to write some things and I would have avoided certain errors. At any rate, if I had encountered the Frankfurt School while young, I would have been seduced to the point of doing nothing else in life but the job of commenting on them. Instead, their influence on me remains retrospective, a contribution reached when I was no longer at the age of intellectual "discoveries." And I don't even know whether to be glad or to feel sorry about it."

(Foucault, Michel. Remarks on Marx: Conversations with Duccio Trombadori. [PDF] Translated by R. James Goldstein & James Cascaito. New York: Semiotext(e), 1991. pp. 115-20)


Zuletzt bearbeitet von Myron am 22.02.2024, 15:37, insgesamt 2-mal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Kultur und Gesellschaft Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3 ... 13, 14, 15 ... 21, 22, 23  Weiter
Seite 14 von 23

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.



Impressum & Datenschutz


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group