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Bravopunk Sugoi Dekai :D
Anmeldungsdatum: 08.03.2008 Beiträge: 32489
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(#2308439) Verfasst am: 09.11.2024, 10:43 Titel: |
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Ich höre oft, wenn das Thema Holocaust und zweiter Weltkrieg und die damit verbundene Schuld zur Sprache kommt, das "Argument": "Das ist schon so lange her. Jetzt ist aber auch mal gut. Wir haben schon genug gezahlt. Ich war eh noch nicht am Leben, als das passierte und habe nichts damit zu tun."
Bei dem letzten Gespräch mit solchen Aussagen fiel mir ein Gegenargument dazu ein, dass sogar Sinn ergibt: Wann jemand entschuldigt ist, entscheidet nicht der Schuldner, sondern der dem er schuldet.
Mal angenommen ein Einbrecher bricht in dein Haus ein und sticht in Panik deine Frau ab. Er kommt dafür 15 Jahre in den Knast und hat sich noch im Gerichtssaal schuldig bekannt und um Verzeihung gebeten. Es tut ihm leid. Er sitzt seine Strafe ab, kommt raus und hat sich ja bei dir entschuldigt. Jetzt steht er bei dir vor der Tür und sagt "Zwischen uns ist jetzt ja alles in Ordnung. Ist ja schon lange her und ich habe mich entschuldigt und meine Strafe abgesessen." Würdest du als Witwer antworten "Jau. Hast recht. Schwamm drüber. Gehen wir einen Saufen."? Je nachdem wie wichtig dir deine Frau war, vermutlich nicht.
Wann die Schuld wirklich abgegolten ist und dem Schuldigen verziehen wird und er entschuldigt ist, entscheidet allein der Geschädigte. Sonst niemand.
_________________ Das Begräbnis der Freiheit
Kaguya-hime
Kanashikute Yarikirenai
Ceterum censeo Russiam delendam esse!
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26436
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(#2308440) Verfasst am: 09.11.2024, 13:11 Titel: |
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Bravopunk hat folgendes geschrieben: | ...
Wann die Schuld wirklich abgegolten ist und dem Schuldigen verziehen wird und er entschuldigt ist, entscheidet allein der Geschädigte. Sonst niemand. |
Nein. Der hat seine eigene Sicht, die er nicht zu begründen braucht, die aber auch nicht verbindlich für den Rest ist.
Andernfalls führst Du die subjektive Sicht des Geschädigten als Rechtsgrundlage für den Umgang mit dem Schädiger ein. Das mag Dir im Moment logisch vorkommen, aber das ist das Gegenteil eines Rechtsstaates oder eines mit dem vergleichbaren Rechtssystems.
Das in Verbindung zum Holocaust:
Ich würde da zwei Ebenen unterscheiden: Die rechtliche und die moralische.
Wenn es auf der rechtlichen keine "Verjährung" gäbe, müsste man sich fragen, bis wann wir zurückgehen sollen - es gibt ja nicht nur eine Frage der Schuld, das würde auch die Frage der Rechte betreffen. Also: Gehört uns Spanien und Nordafrika, weil wir uns in der Nachfolge der Wandalen sehen?
Gehört die Ukraine Russland, weil Putin das Ende der SU nicht anerkennen will ? - für ihn ist die Unabhängigkeit der Ukraine eine Schädigung der SU.
Ich mag im Moment nicht versuchen, abzuschätzen, ob "wir" in Sachen Holocaust inzwischen rechtlich "entschuldet" sind, wobei ich vermute, dass wir es aufgrund der inzwischen mit den verschiedensten Parteien geschlossenen Verträge sind.
Bei der moralischen Ebene bin ich anderer Meinung. Da sehe ich es so, dass wir diese Taten im Gedächtnis behalten und auch in unsere Entscheidungen einbeziehen müssen.
Diese beiden Standpunkte sind unabhängig von der Sicht der Überlebenden oder ihrer Erben.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Bravopunk Sugoi Dekai :D
Anmeldungsdatum: 08.03.2008 Beiträge: 32489
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(#2308441) Verfasst am: 09.11.2024, 14:33 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Bravopunk hat folgendes geschrieben: | ...
Wann die Schuld wirklich abgegolten ist und dem Schuldigen verziehen wird und er entschuldigt ist, entscheidet allein der Geschädigte. Sonst niemand. |
Nein. Der hat seine eigene Sicht, die er nicht zu begründen braucht, die aber auch nicht verbindlich für den Rest ist.
Andernfalls führst Du die subjektive Sicht des Geschädigten als Rechtsgrundlage für den Umgang mit dem Schädiger ein. Das mag Dir im Moment logisch vorkommen, aber das ist das Gegenteil eines Rechtsstaates oder eines mit dem vergleichbaren Rechtssystems. |
Hmmm... Vielleicht hätte ich noch etwas ausführlicher schreiben sollen.
Mir ging es nur darum, dass man sich bei sowas wie Mord nicht einfach durch das Absitzen einer Strafe und auch nicht durch Reue wieder von seiner Tat reinwaschen kann. Dass das Rechtssystem eines Staates und die Judikative mit dem rechtskräftigen und abgegoltenen Strafmaß die Sache als erledigt ansieht, weil im Strafgesetz- oder Bürgerlichen Gesetzbuch dieses oder jenes Strafmaß als angemessen für die Tat festgelegt wurde und das Gericht dann in diesem Rahmen ein dem jeweiligen Fall angemessenes Strafmaß ins Urteil fasste, tut daran keinen Abbruch. Der Schaden ist ja dennoch getan und der Geschädigte kann ihn auch noch immer als Schaden empfinden. Ob jetzt zehn oder hundert Jahre vergangen sind. Als Basis eines Rechtssystem will ich diese subjektive Schuldigkeit natürlich auch nicht haben, weil dann ggf. keine Strafe groß genug ist, besonders bei Mord, und auch Rehabilitation nicht möglich.
Ich gehe davon aus, dass irgendwann die jüdische Bevölkerung auf der ganzen Welt den dann zeitgenössischen Deutschen verziehen haben und sie nicht länger in der Schuld sehen, weil die Tat halt von ihren Vorfahren begangen wurde, die schon lange tot sind und der deutsche Staat als Vertreter des Volkes alles getan hat sich zu entschuldigen und keiner der Deutschen geistig auch nur in der Nähe von Nazis und Antisemiten sein wird. Wenn das aber im Moment noch nicht der Fall ist, ganz gleich was die Gerichte sagen, dann sehe ich die Deutschen als völkische, geographische und genealogische Nachfolger der Nazis eben durchaus noch als nicht entschuldigt. Was die Leute die obige Phrasen dreschen ja machen wollen, ist sich selbst entschuldigen. (Entweder weil sie sich mit den Verbrechen von damals nicht mehr in Verbindung sehen oder weil sie als für die Gegenwart belanglos abtun oder gar leugnen wollen oder weil sie sich deren Ausmaß voll und ganz bewusst sind, diese Schrecken aber nicht mit sich herumtragen wollen. Es ist halt bequem einfach zu sagen: Das geht mich nichts mehr an.) Und das kann man nicht. Entschuldigen können einen immer nur andere. Man kann sie höchstens um Entschuldigung bitten.
Rein rechtlich kann die BRD und ihr Volk vor dem Gesetz und den Gerichten natürlich schon lange vorher als "entschuldigt" gelten. Und sei es auch nur, weil niemand mehr lebt, der Anspruch auf Entschädigung hat.
Abschließend vielleicht noch diese Begründung für meine Ablehnung der Selbstentschuldung vom Holocaust durch heute lebende Deutsche: Die Shoa war ein so dermaßen großes Menschheitsverbrechen, dass sie nicht einfach durch eine schlichte Nachgeborenheit oder subjektiv wahrgenommenes "schon genug gezahlt" als erledigt abgestreift werden kann und darf. Von niemandem auf der ganzen Welt btw. Nicht nur von Deutschen nicht. Die Kaltblütigkeit und Brutalität, das Kalkül und die Entmenschlichung der Opfer durch ihre Täter sind von einer solchen Qualität, dass jede Selbstentschuldigung und jedes Schulterzucken sich verbietet und nur dazu beiträgt ein Vergessen herbeizuführen. Die Nazis wollten die Juden damals aus der Geschichte löschen. Alles, was dazu beiträgt dieses Ziel doch noch zu erreichen, indem die Opfer der Shoa eben als "abgehakt" und "abgegolten" angesehen werden, darf niemals ohne Widerspruch bleiben.
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Kaguya-hime
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44643
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(#2308442) Verfasst am: 09.11.2024, 15:21 Titel: |
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@Bravopunk: Nehmen wir mal an, dass unsere Großelterngeneration tatsächlich noch nicht entschuldigt ist. Eine durchaus vertretbare Position (sogar eine, die ich vertrete), es stellt sich sogar die Frage, ob sie für eine Tat wie die Shoah überhaupt jemals entschuldigt werden kann. Dann stellt sich aber immer noch die Frage, nach welchem moralischen oder rechtlichen Prinzip sich die Schuld an einer Handlung auf einen Nachkommen vererben kann, der zum Zeitpunkt ihres Stattfindens überhaupt noch nicht geboren war. Es ist eine Sache, zu sagen, dass die Sache heute nicht einfach erledigt ist. Da bin ich ganz bei jedem, der sowas sagt. Aber wer sagt, ich habe eine Schuld an der Shoah, muss mir erklären, auf welcher handlungstheoretischen Grundlage mir die Schuld für ein Ereignis zugeschrieben werden kann, zu dessen Zeitpunkt ich nicht existierte. Das hieße ja hier, mich irgendwie als Verursacher dieser Handlung zu identifizieren. Alles andere würde bedeuten, dass ich für Ereignisse die Schuld haben kann, an deren Eintreten ich kausal überhaupt nicht beteiligt war und grundsätzlich nichts ändern konnte. Da müsste man mir erklären, was das vernünftigerweise heißen können sollte, ohne den ganzen Sinn und Zweck des Schuldbegriffs völlig zu untergraben.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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fwo Caterpillar D9
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(#2308443) Verfasst am: 09.11.2024, 16:10 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | @Bravopunk: Nehmen wir mal an, dass unsere Großelterngeneration tatsächlich noch nicht entschuldigt ist. Eine durchaus vertretbare Position (sogar eine, die ich vertrete), es stellt sich sogar die Frage, ob sie für eine Tat wie die Shoah überhaupt jemals entschuldigt werden kann. Dann stellt sich aber immer noch die Frage, nach welchem moralischen oder rechtlichen Prinzip sich die Schuld an einer Handlung auf einen Nachkommen vererben kann, der zum Zeitpunkt ihres Stattfindens überhaupt noch nicht geboren war. Es ist eine Sache, zu sagen, dass die Sache heute nicht einfach erledigt ist. Da bin ich ganz bei jedem, der sowas sagt. Aber wer sagt, ich habe eine Schuld an der Shoah, muss mir erklären, auf welcher handlungstheoretischen Grundlage mir die Schuld für ein Ereignis zugeschrieben werden kann, zu dessen Zeitpunkt ich nicht existierte. Das hieße ja hier, mich irgendwie als Verursacher dieser Handlung zu identifizieren. Alles andere würde bedeuten, dass ich für Ereignisse die Schuld haben kann, an deren Eintreten ich kausal überhaupt nicht beteiligt war und grundsätzlich nichts ändern konnte. Da müsste man mir erklären, was das vernünftigerweise heißen können sollte, ohne den ganzen Sinn und Zweck des Schuldbegriffs völlig zu untergraben. |
Das ist mir jetzt etwas zu schnell und zu sehr aus der Sicht der Individuaethik.
Rechts- und auch schuldiges Subjekt ist hier der NS-Staat, als Rechtsnachfolger die Bundesrepublik und damit auch ihre Bürger. Auf der individuellen Ebene würde es nämlich reichen, zu behaupten, dass mein Vater im Widerstand war, und schon wäre ich entschuldigt. Ich halte das für falsch.
Nicht nur, weil der Staat bzw. sein Nachfolger die Täter beinhaltet und damit die Schuld an alle seine Bürger verteilt, sondern weil es, beim Subjekt Staat wird das besonders deutlich, neben der Schuld auch eine Haftung gibt, und Haftung kann genauso vererbt werden wie Eigentum, das evtl. auch noch aus der schuldhaften Tat entstand.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
Zuletzt bearbeitet von fwo am 09.11.2024, 16:44, insgesamt einmal bearbeitet |
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Tarvoc would prefer not to.
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(#2308446) Verfasst am: 09.11.2024, 16:47 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Nicht nur, weil der Staat bzw. sein Nachfolger die Täter beinhaltet und damit die Schuld an alle seine Bürger verteilt, sondern weil es, beim Subjekt Staat wird das besonders deutlich, neben der Schuld auch eine Haftung gibt, und Haftung kann genauso vererbt werden wie Eigentum, das evtl. auch noch aus der schuldhaften Tat entstand. |
Gegen eine Haftung oder von mir aus auch eine Schuld Deutschlands als Staat ist nichts einzuwenden. Allerdings ist der deutsche Staat nicht seine Bevölkerung und umgekehrt. Du sagst ja selbst, dass der deutsche Staat die Schuld nicht auf seine Bevölkerung verteilt.
(Ich bin sogar der Ansicht, dass Deutschland als Staat für die Shoah die Todesstrafe verdient - idealerweise durch Auflösung in einem größeren politischen Gebilde.)
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 09.11.2024, 16:50, insgesamt einmal bearbeitet |
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26436
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(#2308447) Verfasst am: 09.11.2024, 16:49 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Nicht nur, weil der Staat bzw. sein Nachfolger die Täter beinhaltet und damit die Schuld an alle seine Bürger verteilt, sondern weil es, beim Subjekt Staat wird das besonders deutlich, neben der Schuld auch eine Haftung gibt, und Haftung kann genauso vererbt werden wie Eigentum, das evtl. auch noch aus der schuldhaften Tat entstand. |
Gegen eine Haftung Deutschlands als Staat ist nichts einzuwenden. Du sagst ja selbst, dass der deutsche Staat die Schuld nicht auf seine Bevölkerung verteilt.
(Ich bin sogar der Ansicht, dass Deutschland als Staat für die Shoah die Todesstrafe verdient - idealerweise durch Auflösung in einem größeren politischen Gebilde.)
_________________ |
Ich hatte zwar das Gegenteil gesagt, nämlich dass der Staat die Schuld auf seine Bürger verteilt und dachte dabei an den Moment der Rechtsübernahme. Über den Umweg der Haftung tut er das auch anschließend.
Aber auch die wird und muss irgendwann enden. Und zwar unabhängig davon, ob die Juden / Israel das auch so sehen.
Ansonsten: es hat ein Auflösung des NS-Staates gegeben. Die Übernahme der Schuld fünktioniert nur durch die Rechtsnachfolge. Insofern wäre eine Auflösung Deutschlands nicht folgerichtig, ob Deutschland sich in Europa auflöst, hat damit wenig zu tun.
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Zuletzt bearbeitet von fwo am 09.11.2024, 16:57, insgesamt einmal bearbeitet |
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Tarvoc would prefer not to.
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(#2308448) Verfasst am: 09.11.2024, 16:53 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Nicht nur, weil der Staat bzw. sein Nachfolger die Täter beinhaltet und damit die Schuld an alle seine Bürger verteilt, sondern weil es, beim Subjekt Staat wird das besonders deutlich, neben der Schuld auch eine Haftung gibt, und Haftung kann genauso vererbt werden wie Eigentum, das evtl. auch noch aus der schuldhaften Tat entstand. |
Gegen eine Haftung Deutschlands als Staat ist nichts einzuwenden. |
Aber auch die wird und muss irgendwann enden. |
Nicht zwingend. Die Reparationszahlungen an die katholische Kirche für die napoleonischen Enteignungen sind ja auch nicht zeitlich begrenzt. (Ob man das nun für richtig hält oder nicht, aber rechtlich möglich ist das offenbar.)
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26436
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(#2308449) Verfasst am: 09.11.2024, 17:01 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Nicht nur, weil der Staat bzw. sein Nachfolger die Täter beinhaltet und damit die Schuld an alle seine Bürger verteilt, sondern weil es, beim Subjekt Staat wird das besonders deutlich, neben der Schuld auch eine Haftung gibt, und Haftung kann genauso vererbt werden wie Eigentum, das evtl. auch noch aus der schuldhaften Tat entstand. |
Gegen eine Haftung Deutschlands als Staat ist nichts einzuwenden. |
Aber auch die wird und muss irgendwann enden. |
Nicht zwingend. Die Reparationszahlungen an die katholische Kirche für die napoleonischen Enteignungen sind ja auch nicht zeitlich begrenzt. (Ob man das nun für richtig hält oder nicht, aber rechtlich möglich ist das offenbar.) |
Wir sind gerade beide zu schnell, ich habe versucht, das oben zu korrigieren, anstatt immer wieder eine neue Antwort darunterzusetzen.
Dein Beispiel mit den Zahlungen an die katholische Kirche ist für mich das Beispiel eines Unrechtes. Es funktioniert auch nur solange, solange unsere Politik noch glaubt, gegenüber dem Lobbyapparat Kirche nicht konfliktfähig zu sein.
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Tarvoc would prefer not to.
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(#2308451) Verfasst am: 09.11.2024, 23:04 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Ich hatte zwar das Gegenteil gesagt, nämlich dass der Staat die Schuld auf seine Bürger verteilt und dachte dabei an den Moment der Rechtsübernahme. Über den Umweg der Haftung tut er das auch anschließend. |
Mir scheint diese Verteilung vor allem eine Ausflucht zu sein, um mit den in besonderem Maße Schuldigen schonend umgehen zu können, indem man ihre Schuld auf die ganze Bevölkerung umverteilt. Ansonsten hätte man nach dem Krieg viel konsequenter die großen wirtschaftlichen und finanziellen Gewinnler des NS-Regimes enteignen müssen. Bei diesem Umgang mit der Schuld zeigt sich wieder einmal, dass die Bundesrepublik auch darin der Nachfolger des NS-Staats ist, dass sie der Machtapparat der selben ökonomischen Klasse ist.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26436
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(#2308452) Verfasst am: 09.11.2024, 23:19 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Ich hatte zwar das Gegenteil gesagt, nämlich dass der Staat die Schuld auf seine Bürger verteilt und dachte dabei an den Moment der Rechtsübernahme. Über den Umweg der Haftung tut er das auch anschließend. |
Mir scheint diese Verteilung vor allem eine Ausflucht zu sein, um mit den in besonderem Maße Schuldigen schonend umgehen zu können, indem man ihre Schuld auf die ganze Bevölkerung umverteilt. Ansonsten hätte man nach dem Krieg viel konsequenter die großen wirtschaftlichen und finanziellen Gewinnler des NS-Regimes enteignen müssen. Bei diesem Umgang mit der Schuld zeigt sich wieder einmal, dass die Bundesrepublik auch darin der Nachfolger des NS-Staats ist, dass sie der Machtapparat der selben ökonomischen Klasse ist. |
Wattn Wunder!
Ich hatte da vor kurzem schon mal drauf hingewiesen:
fwo hat folgendes geschrieben: | .... Die deutschen Industriellen insgesamt, die auch den Aufstieg Hitlers bezahlt hatten, beauftragten aber bereits 42 einen jungen Wirtschaftswissenschaftler, einen Plan auszuarbeiten, wie die Industrievermögen über einen möglichen Zusammenbruch zu retten seien. Danach ging man nach dem Krieg denn auch mit Hilfe der Politik vor. Der Name des jungen Wirtschaftswissenschaftler war Ludwig Erhard.
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Tarvoc would prefer not to.
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(#2308453) Verfasst am: 09.11.2024, 23:39 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Ich hatte zwar das Gegenteil gesagt, nämlich dass der Staat die Schuld auf seine Bürger verteilt und dachte dabei an den Moment der Rechtsübernahme. Über den Umweg der Haftung tut er das auch anschließend. |
Mir scheint diese Verteilung vor allem eine Ausflucht zu sein, um mit den in besonderem Maße Schuldigen schonend umgehen zu können, indem man ihre Schuld auf die ganze Bevölkerung umverteilt. Ansonsten hätte man nach dem Krieg viel konsequenter die großen wirtschaftlichen und finanziellen Gewinnler des NS-Regimes enteignen müssen. Bei diesem Umgang mit der Schuld zeigt sich wieder einmal, dass die Bundesrepublik auch darin der Nachfolger des NS-Staats ist, dass sie der Machtapparat der selben ökonomischen Klasse ist. |
Wattn Wunder! |
Siehst du, und dagegen ist mein von dir kritisierter "Individualismus" von oben eben auch eine Verteidigung. Dieser Staat ist nicht mein Staat. Wenn er unser Staat wäre, dann könnte er auch die Schuld seines Vorgängers legitim auf uns verteilen. Seine Verteilung der rechtlichen Schuld wäre dann ja nichts anderes als unsere eigene Selbstübernahme unserer wirklichen ethischen Verantwortung. Wir würden dann schon wissen, wen wieviel Schuld zu treffen hat. Aber unsere Klasse hat weder Staat noch Vaterland. Und die Verteilung der Schuld des Staates auf seine Bürger unter solchen Umständen ist eine mindestens unethische Umverteilung von Schuld weg von den tatsächlich primär Schuldigen.
Es geht dabei also nicht nur darum, das Offensichtliche zu konstatieren, sondern auch darum, die richtigen normativen Schlüsse daraus zu ziehen.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26436
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(#2308457) Verfasst am: 10.11.2024, 14:05 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Ich hatte zwar das Gegenteil gesagt, nämlich dass der Staat die Schuld auf seine Bürger verteilt und dachte dabei an den Moment der Rechtsübernahme. Über den Umweg der Haftung tut er das auch anschließend. |
Mir scheint diese Verteilung vor allem eine Ausflucht zu sein, um mit den in besonderem Maße Schuldigen schonend umgehen zu können, indem man ihre Schuld auf die ganze Bevölkerung umverteilt. Ansonsten hätte man nach dem Krieg viel konsequenter die großen wirtschaftlichen und finanziellen Gewinnler des NS-Regimes enteignen müssen. Bei diesem Umgang mit der Schuld zeigt sich wieder einmal, dass die Bundesrepublik auch darin der Nachfolger des NS-Staats ist, dass sie der Machtapparat der selben ökonomischen Klasse ist. |
Wattn Wunder! |
Siehst du, und dagegen ist mein von dir kritisierter "Individualismus" von oben eben auch eine Verteidigung. Dieser Staat ist nicht mein Staat. Wenn er unser Staat wäre, dann könnte er auch die Schuld seines Vorgängers legitim auf uns verteilen. Seine Verteilung der rechtlichen Schuld wäre dann ja nichts anderes als unsere eigene Selbstübernahme unserer wirklichen ethischen Verantwortung. Wir würden dann schon wissen, wen wieviel Schuld zu treffen hat. Aber unsere Klasse hat weder Staat noch Vaterland. Und die Verteilung der Schuld des Staates auf seine Bürger unter solchen Umständen ist eine mindestens unethische Umverteilung von Schuld weg von den tatsächlich primär Schuldigen.
Es geht dabei also nicht nur darum, das Offensichtliche zu konstatieren, sondern auch darum, die richtigen normativen Schlüsse daraus zu ziehen. |
Sind diese normativen Schlüsse, die Du gerade ziehen möchtest, wirklich richtig?
Du vermischst da Individualethik mit Gruppenethik (Ich weiß nicht, ob es das gibt, bzw. ob ich da den richtigen Namen wähle). Der Staat kann zwar handelndes Subjekt sein, aber er ist kein Individuum. Du kannst ein Individuum in den Bau stecken, aber einem Staat zu befehlen, sich aufzulösen, wäre ein Widerspruch gegen das Selbstbestimmungsrecht. Ganz abgesehen davon, dass Du hier gleich mehrere Staaten involvierst, deren Bürger auch mit diesen neuen Grenzen und ihren Mitbewohnern einverstanden sein müssten.
Auch ist das "soziale" Verhältnis von Staaten ungleich komplizierter als das von Individuen.
Bezogen auf die Situation nach ww2:
Eines der beiden großen imperialistischen Arschlöcher dieser Zeit war erledigt, das andere, Stalin, war auf der Gewinnerseite. Meine Generation hat ihren Politikern damals den kalten Krieg vorgeworfen, in dem wir uns praktisch seit dem Ende des Krieges befanden. Nachdem ich jetzt das Arschloch Putin "bei der Arbeit" sehe, gehe ich eher davon aus, dass der Kalte Krieg damals die friedlichste Art war, mit Stalin umzugehen. (Das heißt nicht, dass nicht auch die USA imperialistisch waren, aber sie haben ihre Opfer wenigstens als Kolonien leben lassen. Was in der Symptomatik der Staaten in meinen Augen zu oft zu gering bewertet wird, ist der Umgang mit der inneren Opposition.)
Wie willst Du in der Situation den Staat an der Grenze zum Feind ohne Folgen für die eigene Sicherheit auflösen?
Ich glaube nicht, dass unser Hegemon USA damals eine viel andere Politik zugelassen hätte, als sie von uns gemacht wurde. Es war ja eine Situation, die auch dadurch gekennzeichnet war, dass es wirklich keine Seite gab, die die NS-Verbrechen der Leute, die sie zu brauchen glaubte, nicht entschuldigte. Das trifft für die DDR und die SU genauso zu wie für die BRD und die USA.
Nachtrag:
Ich sehe Erhard übrigens nicht ganz so negativ, wie ich ihn hier karikiert habe. Er ist auch der Vater der sozialen Marktwirtschaft, die ja immerhin eine Weile funktioniert hat. Einen Neoliberalismus a la Lindner oder Merz hat er damals nicht installiert.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44643
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(#2308459) Verfasst am: 10.11.2024, 21:38 Titel: |
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Du meinst also, dass es "gruppenethisch" gerechtfertigt sein kann, die Schuld individuell auf die einzelnen Bürger zu verteilen, und zwar auf eine Weise, die die wirklichen Verantwortlichen entlastet und machtlose Mitläufer und sogar passive und aktive Widerständler belastet.
fwo, ich bin nicht der einzige, der hier Gruppen- und Individualethik durcheinanderbringt. Mit deinem Bekenntnis dazu, dass der Staat die ethische Schuld auf seine Bürger verteilen kann, tust du das selbst. Dass er die daraus erwachsende rechtliche und finanzielle Haftung mehr oder weniger nach Belieben auf seine Bürger verteilen kann, ergibt sich trivial aus seinem Gewaltmonopol. Aber das ist nicht das selbe, und es für das selbe zu erklären bedeutet, Ethik auf Macht zu reduzieren. Die von dir vorgeschlagene Verteilungslogik ethisch-moralischer Schuld ist ohnehin Moralalchimie. Schuld im ethischen Sinne kann überhaupt nicht stellvertretend übernommen und daher auch nicht von einem Staat an seine Bürger "verteilt" werden.
Deinen Vergleich von Stalin und Putin halte ich übrigens für abenteuerlich.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26436
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2308462) Verfasst am: 11.11.2024, 13:22 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ...
Deinen Vergleich von Stalin und Putin halte ich übrigens für abenteuerlich. |
Das Ausmaß mag verscheiden sein, was ihnen gleich ist, dass es sich (u.a.) um imperialistische Arschlöcher handelt, die ihr Territorium mit militärischen Mitteln vergrößern. Das ist etwas, was man vor Putin nur noch für historisch hielt, auf dessen Existenz man aber wieder eine Antwort finden muss.
Ansonsten sollte man diesen Vergleich aber auch nicht zu weit wegschieben. Putin hat noch Entwicklungsmöglichkeiten und entwickelt sich auch. Hättest Du vor der Besetzung der Krim für den Umgang mit der Opposition Vergleiche zwischen Russland und Nordkorea für möglich gehalten? Inzwischen sind die normal.
Zurück zur Schuld
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Du meinst also, dass es "gruppenethisch" gerechtfertigt sein kann, die Schuld individuell auf die einzelnen Bürger zu verteilen, und zwar auf eine Weise, die die wirklichen Verantwortlichen entlastet und machtlose Mitläufer und sogar passive und aktive Widerständler belastet. .... |
Kann sein, dass ich es schlecht ausgedrückt habe, aber das ist nicht was ich gemeint habe.
Ein Staat, der die Rechtsfolge eines Unrechtsstaates annimmt, erbt dadurch auch seine Schuld, schon alleine dadurch, dass der auch die Schuldigen enthält.
Was er an alle seine Bürger ganz automatisch verteilt, bei einer sehr großen Schuld geht es gar nicht anders, das ist die Haftung. In wie weit die einzelnen Bürger auch die Schuld auf sich nehmen, ist eine persönliche Entscheidung jedes Bürgers, es ist ja nur in Ausnahmefällen auch eine juristische Schuld. Der Normalfall scheint da zu sein, dass die Bereitschaft dazu, wenn überhaupt, frühestens mit einer Generation Abstand zur Schuld wächst. Bei den meisten handelt es sich schließlich um eine moralische Schuld. Die kann nicht per Dekret verteilt werden, die setzt Einsicht voraus. Es entspricht unserer Psyche, deren Bestreben immer im Erhalt des sozialisierten Weltbildes liegt, dass diese Einsicht in der Zeit der Übernahme durch den neuen Staat bei den am wenigsten beteiligten am größten ist. Es kann sich bei der übernommen Schuld schon in der ersten neuen Genration nach den Übernahme auch nicht mehr um eine persönlich Schuld handeln, es geht mehr um das Anerkennen eines belasteten Erbes. Finanziell wie ideologisch.
Dieser interne Streit zieht sich durch unsere gesamte Nachkriegspolitik, ich halte ihn auch für die Ursache der US-amerikanischen Spaltung.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44643
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(#2308464) Verfasst am: 11.11.2024, 15:19 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Es kann sich bei der übernommen Schuld schon in der ersten neuen Genration nach den Übernahme auch nicht mehr um eine persönlich Schuld handeln, es geht mehr um das Anerkennen eines belasteten Erbes. |
Das schon eher. Das ist auch zweifelsohne von signifikanter ethischer Relevanz. Das wollte ich damit auch nicht bestritten haben. Ich halte das nur begrifflich für etwas grundsätzlich anderes als moralische Schuld. Eine Schuld an einer Tat, die nicht die meine ist, kann ich grundsätzlich auch nicht übernehmen. Das hat nicht nur ethische Gründe im üblichen Sinne, sondern liegt im notwendigen Konnex von Ethik und Handlungstheorie begründet, der die Grundlage so ziemlich aller Ethik überhaupt bildet (außer vielleicht einer solchen, die sich wie z. B. die der römischen Antike im Wesentlichen auf Lebensklugheit beschränkt - aber für die gibt es sowas wie moralische 'Schuld' eigentlich sowieso überhaupt nicht).
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26436
Wohnort: im Speckgürtel
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(#2308465) Verfasst am: 11.11.2024, 16:14 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ... Eine Schuld an einer Tat, die nicht die meine ist, kann ich grundsätzlich auch nicht übernehmen. .... |
Aber auch da gibt es einen Graubereich, der sogar bis in Juristische reicht, die Schuld durch Unterlassen, am Beispiel der unterlassenen Hilfeleistung.
Es gibt nicht nur die Schuld an Taten sondern auch die an Zuständen.
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44643
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(#2308466) Verfasst am: 11.11.2024, 16:45 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ... Eine Schuld an einer Tat, die nicht die meine ist, kann ich grundsätzlich auch nicht übernehmen. .... |
Aber auch da gibt es einen Graubereich, der sogar bis in Juristische reicht, die Schuld durch Unterlassen, am Beispiel der unterlassenen Hilfeleistung. |
Eine Schuld an meinem Nichthandeln kann ich natürlich genauso übernehmen wie an meinem Handeln. Die Schuld am Nichthandeln eines Anderen hingegen genausowenig wie die an seinem Handeln.
fwo hat folgendes geschrieben: | Es gibt nicht nur die Schuld an Taten sondern auch die an Zuständen. |
Da würde ich sagen, dass sich das recht grundsätzlich auf entweder eine Schuld an einem Handeln oder eine Schuld an einem Nichthandeln reduzieren lässt. Ich weiß jedenfalls nicht, was es heißen sollte, an einem Zustand Schuld zu sein, auf den mein vergangenes und gegenwärtiges Handeln überhaupt keinen Einfluss hatte und hat.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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