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Literaturhinweis zum Verhältnis Christentum - (Natur)wissenschaft erwünscht

 
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gavagai
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Anmeldungsdatum: 24.01.2005
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Beitrag(#267543) Verfasst am: 25.02.2005, 22:20    Titel: Literaturhinweis zum Verhältnis Christentum - (Natur)wissenschaft erwünscht Antworten mit Zitat

Liebe Freunde,
in einer Internet-newsgroup entspann sich eine Diskussion um das Verhältnis von Christentum und Entwicklung der (Natur)wissenschaften.
Ich verteidigte den Standpunkt, dass das Christentum den Fortschritt eher behinderte. Ich mußte aber feststellen, daß meine Argumente etwas wenige waren. Die Gegner waren zahlreich und vertraten teils sogar das Argument, das Christentum wäre geradezu Voraussetzung für die moderne Wissenschaft gewesen.
Welches Buch beleuchtet dieses Verhältnis ?
Ich lese gerne auch ein Buch zum gegnerischen Standpunkt (und mache mir
dann meine eigenen Gedanken).
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Servus, tschau, bye
Herbert
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
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Beitrag(#267581) Verfasst am: 25.02.2005, 23:36    Titel: Re: Literaturhinweis zum Verhältnis Christentum - (Natur)wissenschaft erwünscht Antworten mit Zitat

gavagai hat folgendes geschrieben:
Liebe Freunde,
in einer Internet-newsgroup entspann sich eine Diskussion um das Verhältnis von Christentum und Entwicklung der (Natur)wissenschaften.
Ich verteidigte den Standpunkt, dass das Christentum den Fortschritt eher behinderte. Ich mußte aber feststellen, daß meine Argumente etwas wenige waren. Die Gegner waren zahlreich und vertraten teils sogar das Argument, das Christentum wäre geradezu Voraussetzung für die moderne Wissenschaft gewesen.
Welches Buch beleuchtet dieses Verhältnis ?
Ich lese gerne auch ein Buch zum gegnerischen Standpunkt (und mache mir
dann meine eigenen Gedanken).


hmmm, aus 'aktuellem Anlass' wäre ich für Literatur zu diesem Thema auch sehr dankbar.

Mein Kenntnisstand ist eher, dass das Christentum die Naturwissenschaft eigentlich erst ermöglicht hat. Schon zur Zeit der Niederschrift der Bibel soll es ein Knaller gewesen sein, einen Gott, der einfach 'es werde ...' sagt und uns dann ermöglicht, seine Spuren zu lesen, zu haben, und nicht ein Göttlein für jedes Naturphänomen. Durch diesen Glauben wurde die Natur 'entzaubert', es gab nur einen Gott, und der ist via Naturgesetze letztendlich die Bedingung der Möglichkeit von Naturforschung.

Scheint mir eigentlich plausibel. Dass im Mittelalter eine als Buchreligion (miss?)verstandene Religion die Forschung behinderte, steht auf einem anderen Blatt. Da in der Zeit der Islam 'die Alten' in Erinnerung hielt, ist ein Gottesglaube an sich wohl kaum gegen pauschal wissenschaftlichen Fortschritt zu deuten. Und spätestens seit Spinoza seinen 'deus sive natura' vetrat, sollte es eigentlich eher so sein, dass ein Gott die Naturwissenschaften fördert.

Gerade alternde Physiker sind für so einen Typ Gott offenbar sehr empfänglich.
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Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
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Beitrag(#267721) Verfasst am: 26.02.2005, 12:17    Titel: Antworten mit Zitat

Daß das Christentum in seiner Entstehungszeit den lokalen Hirtenreligionen in vielen Aspekten intellektuell überlegen war, mag sein, es tut idZ aber nichts zur Sache.

Um abschätzen zu können, wie sich (a) Religion und (b) das Christentum auf die Wissenschaft auswirkt, muß man möglichst unabhängige Vergleichsgruppen heranziehen, und das ist historisch nicht einfach, weil die Religionen meist mit Feuer und Schwert herrschten und eine Alternativkultur nicht zuließen.

Aber einige Aussagen kann man denke ich doch belegen, z.B.:

- Innerhalb derselben monotheistischen Religion ist die Wissenschaft besser vorangekommen, je liberaler, undogmatischer diese Religion gelebt wurde (Beipsiele: Islam, Abgeschiedenheit des mittelalterlichen Ordens, Neuzeit)
- Wissenschaft korreliert mit der Prosperität einer Gesellschaft
- Wissenschaft wird stärker gefördert von Weltanschauungssystemen, in denen das Denken, die Ratio einen hohen Wert genießt (Beispiel: Die griechische Philosophie hat Wissenschaft höher bewertet und stärker weitergebracht als Jesus, Paulus & Petrus)
- ...

Insgesamt neige ich eher zu der Ansicht, daß nach dem klass. Altertum die Aufklärung den nächsten großen wissenschaftlichen Schwung gebracht hat.

Nur Zyniker könnten argumentieren, daß es die Aufklärung ohne die christliche Verdunkelung niemals gegeben hätte.

gruß/step
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#267742) Verfasst am: 26.02.2005, 13:25    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Daß das Christentum in seiner Entstehungszeit den lokalen Hirtenreligionen in vielen Aspekten intellektuell überlegen war, mag sein, es tut idZ aber nichts zur Sache.


wir sollten vielleicht differenzieren. Bei der Frage geht es eher um _Judentum_, genauer das Gottes_bild_, das in der Priesterschrift (dem jüngeren, aber an erster Stelle in der Genesis stehenden Text) zum Ausdruck kommt.

step hat folgendes geschrieben:
Um abschätzen zu können, wie sich (a) Religion und (b) das Christentum auf die Wissenschaft auswirkt, muß man möglichst unabhängige Vergleichsgruppen heranziehen, und das ist historisch nicht einfach, weil die Religionen meist mit Feuer und Schwert herrschten und eine Alternativkultur nicht zuließen.


Das sehe ich auch so. Das Problem ist zudem, dass alles vermascht ist. 'Christentum' war ja nichts, bevor Paulus es nicht mit dem Hellenismus verschmolz. Und es gibt Stimmen, die meinen, dass die 'Sprengkraft' des Christentums enorm wuchs, als germanisches Denken hinzu kam.

step hat folgendes geschrieben:
Aber einige Aussagen kann man denke ich doch belegen, z.B.:

- Innerhalb derselben monotheistischen Religion ist die Wissenschaft besser vorangekommen, je liberaler, undogmatischer diese Religion gelebt wurde (Beipsiele: Islam, Abgeschiedenheit des mittelalterlichen Ordens, Neuzeit)


Das dürfte für _alle_ Religionen gelten. Die Frage ist natürlich auch, was man unter 'Wissenschaft' versteht. Von den Griechen beispielsweise wurde lange Zeit angenommen, dass sie auf 'techne' zugunsten von 'episteme' verzichteten (Befunde aus den 1960er Jahre widerlegten das). Hier wäre aber ein Beispiel für eine nicht-monotheistische Religion, die die Wissenschaften zur Blüte brachte. Die Frage ist zudem, ob die Religion das Dogma war. Athen und Sparta zeigen beispielsweise zwei Wege in einem Paradigma.

step hat folgendes geschrieben:
- Wissenschaft korreliert mit der Prosperität einer Gesellschaft


Hier hat sich Russell besonders hervorgetan. Seine 'History of Western Philosophy' war eine der ersten Arbeiten, welche diesen Gesichtspunkt in den Vordergrund gestellt hat (Marx etc. natürlich auch).

step hat folgendes geschrieben:
- Wissenschaft wird stärker gefördert von Weltanschauungssystemen, in denen das Denken, die Ratio einen hohen Wert genießt (Beispiel: Die griechische Philosophie hat Wissenschaft höher bewertet und stärker weitergebracht als Jesus, Paulus & Petrus)


Petrus war ja vermutlich intellektuell bei weiten niemand, der Paulus das Wasser reichen konnte. Damals war das Gehacke zwischen Juden- und Heidenchristen gewaltig. Hätte sich Petrus durchgesetzt, wäre das Christentum IMAO heute eine obsolete Auffassung wie die Mithras-Kulte.

Vielleicht ist auch die Ausgangsfrage vollkommen falsch gestellt. Kann sein, dass eine Religion nur wenig Einfluss auf die Entwicklung der Wissenschaften hat, vor allem nicht _als_ Religion.

- ...

step hat folgendes geschrieben:
Insgesamt neige ich eher zu der Ansicht, daß nach dem klass. Altertum die Aufklärung den nächsten großen wissenschaftlichen Schwung gebracht hat.


Genau. Aber die meisten Aufklärer waren durchaus keine Atheisten.

step hat folgendes geschrieben:
Nur Zyniker könnten argumentieren, daß es die Aufklärung ohne die christliche Verdunkelung niemals gegeben hätte.


Aber neutrale Beobachter stellen sich die Frage, ob das 'Wesen des Christentums' die 'Verdunklung' war. Konkret, ob die Menschen, die im Namen der Bibel im Mittelalter alles platt machten, vielleicht auch das 'wahre' Christentum schändeten? Kann sein, dass die _Überwindung_ der Verdunkelung (die natürlich durch Christen erfolgte) die _Voraussetzung_ für die Aufklärung war.
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Shadaik
evolviert



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Beitrag(#267771) Verfasst am: 26.02.2005, 14:09    Titel: Antworten mit Zitat

Essenziel für die Wissenschaft ist die Existenz unterschiedlicher, diskutabler Meinungen. Diese ist abe runter den meisten Religionen nicht gegeben.
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gavagai
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Beitrag(#267795) Verfasst am: 26.02.2005, 14:44    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Essenziel für die Wissenschaft ist die Existenz unterschiedlicher, diskutabler Meinungen. Diese ist abe runter den meisten Religionen nicht gegeben.

Servus Shadaik,
dagegen spricht ja gerade die Realität: die moderne Naturwissenschaft entwickelte sich im christlichen Abendland. Nicht bei den Indios, nicht in Australien, nicht in Afrika ...
Zitat:
- Innerhalb derselben monotheistischen Religion ist die Wissenschaft besser vorangekommen, je liberaler, undogmatischer diese Religion gelebt wurde (Beipsiele: Islam, Abgeschiedenheit des mittelalterlichen Ordens, Neuzeit)

servus Step,
mir ist unklar, für was deine Beispiele zählen: gerade im Islam blühte die Wissenschaft bis zur Mitte des 15. Jhdts. Viele Wissenschaftler wie Descartes genossen eine jesuitische, klösterliche etc. Erziehung. Ich sehe nicht, wie undogmatischere Religionen als das Christentum die Wissenschaften besser vorankommen ließen.
Zitat:
Die Frage ist natürlich auch, was man unter 'Wissenschaft' versteht.

Servus El Schwalmo,
unter 'Wissenschaft' in meinem Zusammenhang verstehe ich das, was sich nach F. Bacon und G. galilei entwickelte: Mathematisierung, Experimente zur Überprüfung etc.
Meine Fragen sind hauptsächlich:
wäre die Naturwissenschaft ohne das Christentum im Abendland schneller bei einem Newton gelandet oder (und dafür spricht eigentlich die Nicht-Entwicklung der Naturwissenschaft bei den Indios, in Australien, in Afrika etc.) wurde die Naturwissenschaft gar nur im christlichen Raum durch den Monotheismus, Klöster etc. gefördert?
Seitenfrage: Beförderte das Christentum in Europa die Alphabetisierung oder hemmte sie diese und hielt sie diese nur für die Priesterschicht für angemessen?
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Shadaik
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Beitrag(#267803) Verfasst am: 26.02.2005, 15:01    Titel: Antworten mit Zitat

gavagai hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Essenziel für die Wissenschaft ist die Existenz unterschiedlicher, diskutabler Meinungen. Diese ist abe runter den meisten Religionen nicht gegeben.

Servus Shadaik,
dagegen spricht ja gerade die Realität: die moderne Naturwissenschaft entwickelte sich im christlichen Abendland. Nicht bei den Indios, nicht in Australien, nicht in Afrika ...

Die moderne Wissenschaft entwikkelte sich im vorchristlichen Abendland. Dann kamen die Christen, nahmen von der alten Wissenschaft nur das ihnen genehme (etwa das geozentrische Weltbild) und vergruben alles andere im Vergessen.

Die australische Kultur ist divers, aber nicht in ihrem Weltbild.
Die Indios haben gewaltige wissenschaftliche Kenntnisse gehabt, leider wurden ihre Schriftkulturen aber durch Kriege untereinande rund zuletzt von den Christen vernichtet.
In Afrika hingegen sehe ich einfach keinen Bedarf an wissenschaftlichem Denken. Hier kann man das Phänomen des Nomadentums als Ursache sehen, oder einfach die Priorität des Überlebens.

Zitat:
Seitenfrage: Beförderte das Christentum in Europa die Alphabetisierung oder hemmte sie diese und hielt sie diese nur für die Priesterschicht für angemessen?

Die Aufzwingung des lateinischen Alphabets auf vercshiedene Völker, die zuvor mit Runen schrieben ist tatsächlich ein christlicher "Verdienst", ebenso die Alphabetisierung schriftloser Völker, die positiver zu sehen ist.
das liegt allerdings in einer religiösen Beladenheit des Alphabets durch Kaiser Augustus begründet.
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step
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Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#267814) Verfasst am: 26.02.2005, 15:36    Titel: Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Aber einige Aussagen kann man denke ich doch belegen, z.B.:

- Innerhalb derselben monotheistischen Religion ist die Wissenschaft besser vorangekommen, je liberaler, undogmatischer diese Religion gelebt wurde (Beipsiele: Islam, Abgeschiedenheit des mittelalterlichen Ordens, Neuzeit)
Das dürfte für _alle_ Religionen gelten. ...

ACK.

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Hätte sich Petrus durchgesetzt, wäre das Christentum IMAO heute eine obsolete Auffassung wie die Mithras-Kulte.

Genau. Und zwar unabhängig von den ethischen Aspekten der Jesusgeschichte.

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Vielleicht ist auch die Ausgangsfrage vollkommen falsch gestellt. Kann sein, dass eine Religion nur wenig Einfluss auf die Entwicklung der Wissenschaften hat, vor allem nicht _als_ Religion.

Auch hier könnte ich zustimmen, es ist die Institutionalisierung, der Gottesstaat, die Ausübung, die Moral, die sich auf die Wissenschaft auswirkt, nicht so sehr die theologischen Inhalte.

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Insgesamt neige ich eher zu der Ansicht, daß nach dem klass. Altertum die Aufklärung den nächsten großen wissenschaftlichen Schwung gebracht hat.
Genau. Aber die meisten Aufklärer waren durchaus keine Atheisten.

Wie auch, bei der Zwangstaufe?

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Aber neutrale Beobachter stellen sich die Frage, ob das 'Wesen des Christentums' die 'Verdunklung' war. Konkret, ob die Menschen, die im Namen der Bibel im Mittelalter alles platt machten, vielleicht auch das 'wahre' Christentum schändeten?

Die Frage ist einigermaßen müßig. Es war jedenfalls die _Realität_ des Christentums, und nur als Realität hat das Christentum gewirkt. Was Jesus, Paulus oder sonst jemand gewollt hat, ist für unsere Frage unerheblich.

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Kann sein, dass die _Überwindung_ der Verdunkelung (die natürlich durch Christen erfolgte) die _Voraussetzung_ für die Aufklärung war.

Die Überwindung erfolgte durch Ketzer, die christlich erzogen waren. Teilweise haben sie sich von den damals gültigen christlichen Überzeugungen abgewandt, teilweise haben sie ein neues Christentum erfunden, indem sie Gott zu seiner Rettung hinter den Wirkungsbereich der Ratio zurückzogen (Kant etwa war eine Mischung aus beidem). Zudem sollte man bedenken, daß sie einige Prinzipien wiedererfanden, die in nichtchristlichen Gesellschaften zuvor bereits kulturell hochstehend praktiziert wurden (Demokratie, Gedankenfreiheit, Medizin, Toleranz, ...).

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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#267816) Verfasst am: 26.02.2005, 15:45    Titel: Antworten mit Zitat

gavagai hat folgendes geschrieben:
unter 'Wissenschaft' in meinem Zusammenhang verstehe ich das, was sich nach F. Bacon und G. galilei entwickelte: Mathematisierung, Experimente zur Überprüfung etc.


okay. Spannende Frage, ob es im alten Griechenland 'Wissenschaft' nach dieser Definition gab.

gavagai hat folgendes geschrieben:
Meine Fragen sind hauptsächlich:
wäre die Naturwissenschaft ohne das Christentum im Abendland schneller bei einem Newton gelandet oder (und dafür spricht eigentlich die Nicht-Entwicklung der Naturwissenschaft bei den Indios, in Australien, in Afrika etc.) wurde die Naturwissenschaft gar nur im christlichen Raum durch den Monotheismus, Klöster etc. gefördert?


Ich glaube, dass ein _bestimmtes_ Gottesbild (eben das monotheistische, das eine Gott, der 'über der Natur schwebt' und dessen Spuren wir lesen) Voraussetzung für Wissenschaft in dem von Dir genannten Sinn ist. Für viele Menschen war vermutlich eine Welt ohne Übernatur gar nicht denkbar und nur ein Gott, der Natur_gesetze_ schafft, ermöglicht Naturforschung in dem genannten Sinn. Wenn ein Gott mal dies und mal jenes tut, wäre das gar nicht möglich.

gavagai hat folgendes geschrieben:
Seitenfrage: Beförderte das Christentum in Europa die Alphabetisierung oder hemmte sie diese und hielt sie diese nur für die Priesterschicht für angemessen?


AFAIK hatte Alphabetisierung andere Gründe. Sie machte auch erst Sinn, nachdem es gedruckte Bücher gab. Auch Papier etc. war lange Zeit kaum erhältlich.
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gavagai
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Beiträge: 413
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Beitrag(#267826) Verfasst am: 26.02.2005, 16:19    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Die moderne Wissenschaft entwikkelte sich im vorchristlichen Abendland.
Nicht die moderne Wissenschaft, wie ich sie verstehe (F.Bacon, G.Galilei).
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Dann kamen die Christen, nahmen von der alten Wissenschaft nur das ihnen genehme (etwa das geozentrische Weltbild) und vergruben alles andere im Vergessen.
Guter Hinweis.
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Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#267832) Verfasst am: 26.02.2005, 16:45    Titel: Antworten mit Zitat

gavagai hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Die moderne Wissenschaft entwikkelte sich im vorchristlichen Abendland.
Nicht die moderne Wissenschaft, wie ich sie verstehe (F.Bacon, G.Galilei).

Diese Entwikklung allerdings fällt zusammen mit dem beginnenden Niedergang des Christentums.
tatsächlich könnte aber ein Zusammenhang bestehen, nach dem das christliche Denken eine historische Grundlage für diese Entwikklung lieferte. Oder man kann es als weltanschaulichen Gegentrend sehen, der sich auf den haupttrend "Christentum" bezieht.

Ich stimme El Schwalmo zu, dass die Wissenschaftlichkeit der antiken Forschungen untersuchenswert ist. Das lustige bzw. das Problem ist, dass man sich das ganze im grunde dank des harmlos scheinenden Adjektivs "modern" hindefinieren kann wie man will.
Glükklicherweise ist in deinen beiträgen eine recht eindeutige Definition gegeben.
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scilla
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Anmeldungsdatum: 16.01.2005
Beiträge: 185

Beitrag(#267862) Verfasst am: 26.02.2005, 18:46    Titel: Antworten mit Zitat

das Problem ist Aristoteles

von dem stammen die vier Ursachen

Form-, Ziel-, Material-, Wirk-Ursache

und die Forscher haben nach eben diesen Ursachen geforscht
und damit waren sie überfordert

aus heutiger Sicht klappt das,
aber damals stifteten die Ursachen Verwirrung

wenn also etwas nach unten fällt,
dann

liegt es an der Form (kein Auftrieb)
liegt es am Ziel (Gravitation)
liegt es am Material (Dichte)
liegt es am Wirken (Prozess: bspw. Steinlawine)
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Darwin Upheaval
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#267866) Verfasst am: 26.02.2005, 18:52    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Scilla,

scilla hat folgendes geschrieben:
das Problem ist Aristoteles

von dem stammen die vier Ursachen

Form-, Ziel-, Material-, Wirk-Ursache

und die Forscher haben nach eben diesen Ursachen geforscht
und damit waren sie überfordert

aus heutiger Sicht klappt das,
aber damals stifteten die Ursachen Verwirrung


Sagen wir so: Das "klappt" heute insofern, als die Aristotelischen Ursachenbegriffe nacheinander auf einen einzigen Begriff reduziert worden sind - den der Wirkursache. Und selbst den hat Hume noch auf's Korn genommen. "Zielursache" ist übrigens nur ein anderer Ausdruck für "Teleologie".

Grüße

Martin
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Darwin Upheaval
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#267869) Verfasst am: 26.02.2005, 19:25    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Gavagai,

gavagai hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Die moderne Wissenschaft entwikkelte sich im vorchristlichen Abendland.
Nicht die moderne Wissenschaft, wie ich sie verstehe (F.Bacon, G.Galilei).


Klar. Es ist aber eine spannende Frage, inwiefern die Wissenschaft, die wir heute vertreten und die auch schon Galilei vertrat, mit dem angelsächsischen Empirismus überhaupt korrekt beschrieben werden kann. Streng genommen hat Galilei einige (aus heutiger Sicht nicht ganz "astreine") Kniffe anwenden müssen, um die damalige Wissenschaft von seiner Theorie zu überzeugen, die ja einen vermeintlich "offensichtlichen" gegen einen experimentell nicht faßbaren und unbeobachtbaren (sprich: "metaphysischen") Standpunkt eintauschte.

Besonders interessant ist, daß Galileis Weltbild damals auch mit weitaus mehr Anomalien zu kämpfen hatte, als das Ptolemäische. So konnte man sich z.B. lange nicht erklären, warum sich der Mond nicht von der Erde entfernt, wenn sich die Erde um die Sonne dreht. Mit der Entdeckung der vier Jupitermonde hielt Galilei zwar ein gewichtiges Argument in Händen. Aber die Situation "kippte" erst zugunsten des heliozentrischen Weltbildes, nachdem Newton die Physik mit seiner mechanismischen Erklärung revolutionierte.

Grüße

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El Schwalmo
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Beiträge: 9073

Beitrag(#268168) Verfasst am: 27.02.2005, 18:01    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
[ ... ]
Genau. Aber die meisten Aufklärer waren durchaus keine Atheisten.

Wie auch, bei der Zwangstaufe?


Auch getauft kann man Atheist sein. Ich meinte, dass die Aufklärer keine Atheisten waren. Ihr Gottesbild war zwar nicht unbedingt das der damaligen Amtskirche, aber Atheisten waren sich nicht.

step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Aber neutrale Beobachter stellen sich die Frage, ob das 'Wesen des Christentums' die 'Verdunklung' war. Konkret, ob die Menschen, die im Namen der Bibel im Mittelalter alles platt machten, vielleicht auch das 'wahre' Christentum schändeten?

Die Frage ist einigermaßen müßig. Es war jedenfalls die _Realität_ des Christentums, und nur als Realität hat das Christentum gewirkt. Was Jesus, Paulus oder sonst jemand gewollt hat, ist für unsere Frage unerheblich.


Es ist sehr erheblich, wenn man mit der Ausgangsfrage insinuieren möchte, dass Religion die Wissenschaft behindert. Es gibt, wie ich erwähnt habe, durchaus die Auffassung, dass eine _bestimmte_ Art von Religion, eben die des Judentums, die später im Christentum übernommen wurde, _Vorbedinung_ für eine bestimmte Form von Wissenschaft war. Streng genommen nicht die genuin _christliche_, sondern die _hellenistische_, nämlich Jesus als 'logos', im Sinne von 'Information' verstanden.

step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Kann sein, dass die _Überwindung_ der Verdunkelung (die natürlich durch Christen erfolgte) die _Voraussetzung_ für die Aufklärung war.

Die Überwindung erfolgte durch Ketzer, die christlich erzogen waren.


Das ist doch eher Wasser auf meine Mühlen. 'Ketzer' ist ja kein Atheist. Die spannende Frage wäre, was aus diesen Menschen geworden wäre, falls man sie polytheistisch oder atheistisch erzogen hätte.

step hat folgendes geschrieben:
Teilweise haben sie sich von den damals gültigen christlichen Überzeugungen abgewandt, teilweise haben sie ein neues Christentum erfunden, indem sie Gott zu seiner Rettung hinter den Wirkungsbereich der Ratio zurückzogen (Kant etwa war eine Mischung aus beidem). Zudem sollte man bedenken, daß sie einige Prinzipien wiedererfanden, die in nichtchristlichen Gesellschaften zuvor bereits kulturell hochstehend praktiziert wurden (Demokratie, Gedankenfreiheit, Medizin, Toleranz, ...).


Das ist wieder ein anderer Thread. Meine Meinung war vor allem, dass es keinen _zwingenden_ Zusammenhang zwischen (Un)glauben und Wissenschaft gibt, eher im Gegenteil: ein bestimmtes Gottesbild ermöglicht erst die modernen Naturwissenschaften.
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Beitrag(#268181) Verfasst am: 27.02.2005, 18:36    Titel: Antworten mit Zitat

Ich sehe keine direkten Zusammenhang von Christentum und (Natur)wissenschaft.
So stammt die Mathematik(wörtl. Wissenschaft) bzw. viele Grundlagen der M. mW aus dem polytheistischen Ägypten; zugebener Maßen ist sie keine echte Naturwissenschaft. Astronomie(&-logie) gab es in jeder mir bekannten polytheistischen Kulturen. Die Idee "Atom" stammt von Leukipp&Demokrit, damals zwar nicht emperisch nachgewiesen, aber eine tolle Idee. Die Unterteilung in die einzelne Naturwissenschaften durch Aristoteles.
Und wenn ich nicht irre haben die Mayas oder Inkas Sonnenfinsternisse bis in die heutige Zeit vorhergesagt mit einer Genauigkeit von unter einer 1min.
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Trish:(
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Darwin Upheaval
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Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#268185) Verfasst am: 27.02.2005, 18:55    Titel: Antworten mit Zitat

Hi El Schwalmo,

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
[ ... ]
Genau. Aber die meisten Aufklärer waren durchaus keine Atheisten.

Wie auch, bei der Zwangstaufe?


Auch getauft kann man Atheist sein. Ich meinte, dass die Aufklärer keine Atheisten waren. Ihr Gottesbild war zwar nicht unbedingt das der damaligen Amtskirche, aber Atheisten waren sich nicht.


Entscheidend ist doch aber, daß sie in methodologischer Hinsicht Atheisten waren. Egal, was die "privat" geglaubt haben, in keiner wissenschaftlichen Theorie kamen mehr übernatürliche Phänomene vor - weder als Erklärungsgrund noch als Erklärungsgegenstand.


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Aber neutrale Beobachter stellen sich die Frage, ob das 'Wesen des Christentums' die 'Verdunklung' war. Konkret, ob die Menschen, die im Namen der Bibel im Mittelalter alles platt machten, vielleicht auch das 'wahre' Christentum schändeten?

Die Frage ist einigermaßen müßig. Es war jedenfalls die _Realität_ des Christentums, und nur als Realität hat das Christentum gewirkt. Was Jesus, Paulus oder sonst jemand gewollt hat, ist für unsere Frage unerheblich.


Es ist sehr erheblich, wenn man mit der Ausgangsfrage insinuieren möchte, dass Religion die Wissenschaft behindert.


Streng genommen hat sie das ja auch, das ganze Mittelalter hindurch. Die fortschrittliche Denkungsart von Lukrez und Demokrit wurde jahrhundertelang durch die platonische und aristotelische Auffassung verschüttet. Erst in der Renaissance, als langsam dämmerte, daß die "teleologischen Erklärungen" zu nichts geführt haben, hatte man sich darauf zurückbesonnen. Und es wurde möglich, "echte" Erklärungen für das zu finden, was man bislang in irgendwelche mystischen Annahmen eingebettet hatte.


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Es gibt, wie ich erwähnt habe, durchaus die Auffassung, dass eine _bestimmte_ Art von Religion, eben die des Judentums, die später im Christentum übernommen wurde, _Vorbedinung_ für eine bestimmte Form von Wissenschaft war.


Für eine bestimmte Form ja. Für eine andere Form wiederum nicht. Denk an Lukrez, Demokrit und Archimedes. Es ist zwar eine müßige aber durchaus eine interessante Frage, wo wir heute stünden, wenn sich letztere mit ihrer materialistischen Linie von Anfang an durchgesetzt hätten. Ich vermute, wir wären heute weiter.

Grüße

Martin
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