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Aggressionen abreagieren - geht das? |
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nein |
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44% |
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Stimmen insgesamt : 9 |
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Autor |
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AlphaOmega registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2005 Beiträge: 145
Wohnort: Berlin
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(#281577) Verfasst am: 04.04.2005, 00:56 Titel: Psychologie: Katharsis-Hypothesen - Aggressionen abreagieren - geht das? |
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http://www.uni-bamberg.de/~ba3sw1/referate-stud0102/hartmann-christian/teil4.htm
Aggression - einfach rauspowern? Geht das? Die Psychologie nennt das Kartharsis.. Reinigung...
Das ist ein weit verbreiteter Glaube. Good old Siggi Freud hat es damals schon gesagt, mit seiner Triebtheorie. Auch die Frustrations-Aggressions-Kette von Dollard geht in die Richtung...
Ich vermute, dem ist nicht so: ich bin da mit Hans-Peter Nolting einer Meiung. Sein Buch Lernfall:Aggression ist schon echt ein psychologischer Klassiker, welchen ich jedem von euch ans Herz legen würde.
Warum glauben die Leute aber der Sandsacktheorie? Zum anderen ist die zugrunde liegende Vorstellung des »Abreagierens« von Aggression in ihrer Simplizität so schön »griffig«. Und nicht zuletzt erliegt man wohl auch der Suggestivkraft der in der Alltagssprache so fest verwurzelten Metaphern (z.B. »Ventil«, »unter Druck / Dampf stehen«, »Dampf ablassen«, »Gefühle herauslassen«, etc.). Auch deswegen noch einmal der Hinweis: das Bild vom Ventil ist irreführend! Gefühlen Ausdruck zu verleihen ist nicht gleichbedeutend mit Gefühlen »loswerden«! „Gefühle kann man nicht »rauslassen« wie Wasserdampf aus einem Ventil, und sie entschweben nicht durch die Lüfte. Auch wenn man sie »äußert« - sie bleiben »in uns drin«“ (Nolting 1997, S. 216).
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gwarpy Psychonaut
Anmeldungsdatum: 19.09.2004 Beiträge: 2012
Wohnort: KinA
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(#281603) Verfasst am: 04.04.2005, 03:20 Titel: |
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die zwei antwortmöglichkeiten sind meiner meinung nach zu wenig.
als einst selbst betroffener, der unter aggressionen und autoaggressionen litt, kann ich sagen, daß "dampf ablassen" sehr hilfreich ist, also würde ich da "ja" wählen.
andererseits weiß ich auch, daß mir dieses "dampf ablassen" nur dann half, wenn die aggression akut wurde, ich mich also abreagieren musste, um nicht sonstigen schaden anzurichten. die ursache für diesen druck war damit aber nicht behoben, also müsste ich da "nein" wählen.
ein dampfkochtopf bleibt eben auch dann heiß, wenn er den überdruck ablässt.
wie das ganze in einer therapie aussieht, und welche erfolge da erzielt werden können, kann ich allerdings nicht sagen, da ich nie therapiert wurde. ich hab´s aber trotzdem, und ganz alleine geschafft, das hinter mir zu lassen.
gwarpy
_________________ Die Menschen glauben das, was sie wünschen.
Gaius Julius Caesar
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#281604) Verfasst am: 04.04.2005, 03:53 Titel: |
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Soweit ich mich erinnere, ist die Katharsishypothese längst widerlegt.
Dennoch machen solche Projekte wie z. B. Box- oder Karatetraining mit Strafgefangenen Sinn.
Denn Gewaltttäter haben eine geringe "Frustrationstoleranz". d.h. wo manche Leute noch müde mit dem Kopf schütteln hauen diese Personen erstmal zu.
Die "Frustrationsschwelle" ist durch "Training" bzw. "Therapie" heraufsetzbar. Das hat viele Gründe.
Einmal ist es bemerkenswert, dass Agressionen nun einmal subjektiv vorhandene Gefühle sind. Diese zu "unterdrücken" hilft nicht weiter; auch im Sinne einer "Katharsis " werden sie nicht abgebaut.
Gewalttätige Menschen haben keine geeigneten Konfliktlösungsstrategien entwickelt. Häufig haben sie keine bzw. eine nur sehr kurzfristige Zukunftsplanung und somit keine Akzeptanz hinsichtlich eines "Belohnungsaufschubes".
Mittels Kampfsport - oder besser Kampfkunst, denn es solte hier nicht um sportlichen "Wetkampf" gehen- kann man aber durchaus Erfolge erzielen, denn mit sportlichem Training ist in den meisten Fällen auch eine Selbstwertsteigerung möglich, eine gewisse Selbstdisziplin wird geschult, auch eine Selbstkontrolle - ein kontrollierter Krafteinsatz soll damit erzielt werden.
Das war jetzt nur mal ne kurze Skizze.
In den Sandsack reinhauen bringt nix gegen Agressionen. Wenn es unkontrolliert, ohne Plan ausgeführt wird.
Aber dennoch kann diese Methode Agressionen abbauen, allerdings nicht durch Katharsis - also Reinigung, etwas wegputzen - sondern weil auch und gerade (kontrolliertes) "Hauen" etwas neues aufbauen kann, was Aggressionen entgegenwirkt.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#281782) Verfasst am: 04.04.2005, 13:56 Titel: |
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Man glaubt ihr, weil sie sich mit der Alltagserfahrung im groben deckt.
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AlphaOmega registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2005 Beiträge: 145
Wohnort: Berlin
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(#281982) Verfasst am: 04.04.2005, 23:44 Titel: |
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Danke Noseman. Das hast du wirklich gut erkannt.
Jedoch ist es nicht auch oft so, dass gerade Leute die Kampfsport machen, gern mal zuhauen?
Besonders die Boxer (ok ok...ich hab vorurteile und bin nicht objektiv)
Selbstwertsteigerung ist das Zaubermittel, meint ihr nicht auch?
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Yamato Teeist
Anmeldungsdatum: 21.08.2004 Beiträge: 4548
Wohnort: Singapore
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(#281994) Verfasst am: 05.04.2005, 01:35 Titel: |
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Ich denke agressives Verhalten ist Gewöhnungssache. Wer es gewohnt ist, mit Gewalt zu antworten, reagiert in einer entsprechenden Situation ebenso, wenn auch ungewollt. Wenn diese These stimmt, so wäre ein "Agressionen ablassen" genau der falsche Weg und würde eher noch mehr an Gewalt gewöhnen. Vielmehr wäre es dann besser seine Emotionen zu unterdrücken, bis man sich daran gewöhnt hat gewaltfrei zu Handeln.
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gwarpy Psychonaut
Anmeldungsdatum: 19.09.2004 Beiträge: 2012
Wohnort: KinA
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(#281997) Verfasst am: 05.04.2005, 01:39 Titel: |
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Savar hat folgendes geschrieben: | Vielmehr wäre es dann besser seine Emotionen zu unterdrücken |
na dann viel spaß, wenn das unterdrückte mal seinen weg an die oberfläche sucht.
gwarpy
_________________ Die Menschen glauben das, was sie wünschen.
Gaius Julius Caesar
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Yamato Teeist
Anmeldungsdatum: 21.08.2004 Beiträge: 4548
Wohnort: Singapore
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(#281999) Verfasst am: 05.04.2005, 01:42 Titel: |
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gwarpy hat folgendes geschrieben: | Savar hat folgendes geschrieben: | Vielmehr wäre es dann besser seine Emotionen zu unterdrücken |
na dann viel spaß, wenn das unterdrückte mal seinen weg an die oberfläche sucht.
gwarpy |
Ich sagte ja, ich glaube nicht an die Karthasis-Hypothesen, sondern dass Verhalten und Reaktionen antrainiert sind. Es würde sich also nichts aufstauen, man würde sich lediglich daran gewöhnen anders zu reagieren (nicht gleich daufzuschlagen).
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Mario Hahna aktiviert
Anmeldungsdatum: 04.04.2005 Beiträge: 9607
Wohnort: München
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(#282112) Verfasst am: 05.04.2005, 14:25 Titel: |
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Noseman hat folgendes geschrieben: | Soweit ich mich erinnere, ist die Katharsishypothese längst widerlegt.
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Deckt sich mit meinem Wissensstand, afaik wird diese Theorie kaum noch vertreten.
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AlphaOmega registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2005 Beiträge: 145
Wohnort: Berlin
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(#282415) Verfasst am: 05.04.2005, 21:20 Titel: |
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Zuschlagen ist ein einfach. Jedoch Argumentieren und ein weites Verhaltensrepertoire um mit solchen Handlungen umzugehen ist schon schwerer.
Aber welchen begriff haben wir von Aggression, wenn wir hier davon sprechen? Sollte dies nicht erstmal klar defineirt werden?
Aggression ist ja nicht Gewalt.
Verbal vs. physisch
offen vs. verdeckt
zielgerichtet vs. nicht zielgerichtet
Expressive Gewalt?
Regressive Gewalt?
Was denn nun?
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Wygotsky registrierter User
Anmeldungsdatum: 25.01.2004 Beiträge: 5014
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(#282440) Verfasst am: 05.04.2005, 22:02 Titel: |
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AlphaOmega hat folgendes geschrieben: | Jedoch ist es nicht auch oft so, dass gerade Leute die Kampfsport machen, gern mal zuhauen? Besonders die Boxer (ok ok...ich hab vorurteile und bin nicht objektiv) |
Vielleicht gibt es Unterschiede zwischen dem Profi- und dem Amateurboxen. Ich war einmal Mitglied in einem Amateur-Boxverein. Die Leute waren sehr nett und rücksichtsvoll. Im Sparring versucht man Treffer zu erzielen aber keine Trefferwirkung. Ich hatte auch Sparringspartner die jenseits der 50 waren.
So weit ich weiß, ist das Verletzungsrisiko beim Amateurboxen im Vergleich zu anderen Freizeitsportarten sehr gering. Ich kann mir schon vorstellen, dass Leute, die ein entsprechendes Gewaltpotential mitbringen, beim Boxtraining das nötige Handwerkszeug lernen, um andere Menschen gefährlich zu verletzen. Das gilt aber auch für zahlreiche andere Sportarten, die nicht mit Zweikampf in Verbindung gebracht werden.
AlphaOmega hat folgendes geschrieben: | Aggression - einfach rauspowern? Geht das? |
Hierauf wollte ich auch noch antworten.
Intensive und regelmäßige Bewegung baut Stress ab. Ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass ich ausgeglichener bin und mehr Stress ertrage, wenn ich regelmäßig spazieren gehe, radfahre oder schwimme. Stress kann eine Ursache für aggressives Verhalten sein. Insofern kann ich mir schon vorstellen, dass zum Beispiel Boxen oder asiatische Kampfsportarten aggressionssenkend wirken können. In meinem Kindergarten gehen die Kinder viel freundlicher miteinander um, seit wir mehr Bewegungsmöglichkeiten geschaffen haben. Ich glaube einfach, dass Bewegung an sich gut tut.
Ich kenne auch einen Sportpädagogen, der im Unterricht mit Kindern Rauf- und Ringspiele macht. Viele Kinder erleben das als sehr lustvoll. Gerade für Jungen sind Raufspiele eine Möglichkeit, Körperkontakt zu Gleichaltrigen herzustellen und sich selbst intensiv zu spüren und zu erleben. Wichtig ist bei so etwas die Freiwilligkeit und natürlich klare Regeln, was zum Schutze des Partners beachtet werden muss. Auch hier kann ich mir eine aggressionssenkende Wirkung vorstellen.
Allerdings handelt es sich meines Erachtens weder beim Boxtraining noch bei den beschriebenen Raufspielen um Katharsis.
Wer jemand boxt oder rauft, um zu erleben, wie er andere verletzen kann, dann würde ich nicht annehmen, dass er davon weniger aggressiv wird.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#282629) Verfasst am: 06.04.2005, 11:39 Titel: |
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Vielleicht muss man noch unterscheiden zwischen Verhinderung eines Aggressionsaufbaus und Abbau bereits vorhandener Aggressionen. Experimente mit Punching-Balls deuten darauf hin, dass zumindest für letzteres Nichtstun überlegen ist. Dazu wurden die Probanden zunächst von einem Komplizen des Versuchsleiters geärgert. Nachdem sie an einem Punching-Ball ihren Ärger "abreagieren" sollten, verhielten sich anschließend diejenigen Probanden gegenüber dem Komplizen am aggressivsten, die an den Komplizen dachten, während sie auf den Punching-Ball einschlugen. Diejenigen, die nur daran dachten, sich durchs Punching fit zu halten waren aber immer noch aggressiver als diejenigen, die überhaupt nicht boxen durften (Bushman, 2002). In einem anderen Experiment hatte sich gezeigt, dass insbesondere diejenigen Probanden nach dem Punching-Ball aggressiver reagierten, denen man zuvor mitgeteilt hatte, dass Katharsis eine wirksame Methode sei, Ärger und Aggressionen abzubauen (Bushman, Baumeister & Stack, 1999).
_________________ posted by Babyface
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