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Ignostizismus bzw. Apatheismus
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Othilic
Gast






Beitrag(#282723) Verfasst am: 06.04.2005, 15:02    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Othilic hat folgendes geschrieben:

Da Du auf meine weiteren Ausführungen zum Perpetuum mobile nicht eingegangen bist

Verlegen Das hört sich ja an wie: "Leony, du hast deine Hausaufgaben nicht gemacht."zwinkern

Das sollte sich nicht so anhören, sondern so wie "ich habe den Eindruck, wir reden aneinander vorbei", deshalb hatte ich auch noch weiter geschrieben:
Othilic hat folgendes geschrieben:
(oder jedenfalls ich aus Deinem Beitrag mangels Kenntnissen über kritischen Rationalismus keinen Bezug dazu erkennen konnte)


Ich möchte jetzt erstmal über wissenschaftstheoretische Überlegungen schreiben:

Nach Deinem Posting habe ich auch den Wiki-Artikel über kritischen Rationalismus gelesen und nehme die Vermutung zurück, daß es sich nicht beißt mit meinen Überlegungen. Aber da er hier und überall in diesem Forum ständig erwähnt wird, bin ich neugierig geworden und möchte mich doch mal intensiver damit beschäftigen. Hättest Du einen guten Literaturtip für mich?

Dann habe ich mir eine Weile lang überlegt, wie meine eigenen wissenschaftstheoretischen Überlegungen genau lauten und möchte das jetzt mal versuchen zu skizzieren. Dazu sage ich vorsorglich, daß es keine anerkannte Theorie ist, sondern daß ich sie mir selbst zusammengereimt habe, ohne mich tiefer mit Wissenschaftstheorie befaßt zu haben. Komplett ins Blaue hinein zusammengereimt ist es aber auch nicht: inspiriert ist sie von den Begriffen eines Kripke-Modells, "falsifizierbar" und Ockham's Razor.
**************

Zugrunde liegt ebenfalls:
Leony hat folgendes geschrieben:

dass unser Verstand und unser Erinnerungsvermögen ungefähr so gut funktionieren, wie sie es unseren Erfahrungen nach tun
(mit anderen Worten: dass die Wahrscheinlichkeit von Irrtümern ungefähr so groß ist, wie sie es unseren Erfahrungen nach ist),
und von der Hypothese,
dass die sinnlich wahrnehmbare Welt wirklich existiere
und dass unsere Wahrnehmungen uns zu Erkenntnissen über diese Welt verhelfen können.

Wir können uns damit begnügen,
dass wir niemals absolute Gewissheit haben können,
sondern immer nur das menschenmögliche Maß an Gewissheit.


Es gibt 4 Grade von sich-sicher-sein: Beweis > Nachweis > Hinweis > keine Aussage möglich

Beweise, bzw. absolute Sicherheit können wir nie haben. Die
Leony hat folgendes geschrieben:
Unsicherheit, die jeder empirischen Theorie anhaftet

wird noch unterschieden in weniger starke Unsicherheit bei Nachweisen und ziemlich starke Unsicherheit bei Hinweisen. Dies macht, so wie ich das sehe, der krit. Rationalismus nicht. Dort wird nur zwischen Beweis (den es nie gibt) > Nachweis (von falsifizierbaren Aussagen) > keine Aussage möglich unterschieden. Verstehe ich das richtig?

Es gibt zwei Sorten von wissenschaftlichen Hypothesen:

Aussagen über Existenz von Dingen.
Aussagen über Eigenschaften und Zusammenhänge von Dingen.

die man auch kombinieren kann:

1a Aussagen über Existenz von Dingen, die die bereits als existent bekannt sind
1b Aussagen über Existenz von Dingen, die jenseits unserer Erfahrung und Nachweismöglichkeiten liegen
2a Aussagen über Eigenschaften und Zusammenhänge von bereits als existent bekannten Dingen
2b Aussagen über Eigenschaften und Zusammenhänge von Dingen, die uns nicht alle als existent bekannt sind

Es fällt auf, daß hierbei Aussagen über Nichtexistenz fehlen. Allaussagen fehlen ebenfalls, solange sich "alle" auf alle irgendwann potentiell nachweisbaren Dinge bezieht. Das ist Absicht, denn diese halte ich nicht für wissenschaftliche Hypothesen.

Die Erkenntnisse darüber, welche Dinge existieren, schreiten mit der Zeit fort. Die Gesamtheit der Erkenntnise über die Existenz von bestimmten Dingen zu einer bestimmten Zeit nenne ich mal "Existenz-Wissenstand". Der Übergang von einem Existenz-Wissensstand zum nächsten geschieht durch neue Nachweismöglichkeiten (Mikroskop, Teleskop, als sicher geltende indirekte Nachweismöglichkeiten).

Wir befinden uns immer in einem solchen Existenz-Wissensstand und können darin Hypothesen der verschiedenen Typen formulieren. Hypothesen vom Typ 1a sind von vornherein nachgewiesen. Für Hypothesen vom Typ 2a können wir Experimente, Beobachtungen etc machen und sie damit nachweisen oder sie stellen sich als falsch heraus. Unter diese Art Behauptungen fällt wohl der 1. Hauptsatz der Thermodynamik. Nachgewiesene Hypothesen vom Typ 2a und 1a wären dann vermutlich "streng überprüft" im Sinne von:
Leony hat folgendes geschrieben:
Eine "strenge Überprüfung" definierte Karl Popper als eine Überprüfung,
bei der, falls die Theorie falsch ist,
sich mit hoher Wahrscheinlichkeit herausstellen würde, dass sie falsch ist;

also hier wäre die Idee "falsifizierbar" wohl wiederzufinden.

Bei Hypothesen vom Typ 1b und 2b gibt es nur ein einziges Instrument, um innerhalb eines Existenz-Wissenstands diese Hypothesen zu behandeln. Und zwar: sich zu überlegen, ob die Existenz des postulierten Dings die Anwendung von Ockham's Razor auf die Erfahrungen überlebt. Das wäre dann ein Hinweis auf die Existenz dieser Dinge, aber noch lange kein Nachweis. Überlebt die Hypothese von der Existenz eines neuen Dinges die Anwendung von Ockham's Razor nicht, dann ist das noch lange kein Hinweis auf die Nichtexistenz dieses Dings, sondern nur auf die Unzulänglichkeit unserer momentanen Methoden. Aus diesem Punkt ergibt sich, daß Existenz und Nichtexistenz von Dingen jenseits unseres Erfahrungsbereichs nicht symmetrisch zu behandeln sind. Für die Existenz liefert Ockham's Razor Hinweise. Für die Nicht-Existenz gibt es kein solches Instrument, was auch nur Hinweise liefert. Das ist der Grund, weshalb ich Nicht-Existenz-Aussagen nicht einmal zu den wichtigen Aussagen gerechnet habe.

Jedes andere Instrument zum behandeln von Hypothesen vom Typ 1b und 2b wäre ein Fortschritt in den Methoden zu einem sicheren Nachweis, und würde aus diesem Existenz-Wissensstand heraus in den nächsten führen.

Während (korrigiere mich, wenn ich das falsch sehe) der krit. Rationalismus Hypothesen der Form 1b und 2b als unwissenschaftlich bezeichnet, da sie nicht falsifizierbar sind (was ich auch so sehe), sage ich, sie sind trotzdem nicht unwissenschaftlich, da Hinweise darauf schon einmal mehr als gar kein Wissen darstellen.

Dein Einwand, mit solchen wissenschaftstheoretischen Überlegungen könne man die folgende Esoteriker-Argumentationsweise nicht ausschließen
Leony hat folgendes geschrieben:
Eine - manchmal beeindruckende - Sammlung von Beobachtungen, die der Theorie entsprechen, als "Bestätigung" einer Theorie ins Feld zu führen, das ist eine der beliebtesten Strategien, mit denen Esoteriker der verschiedensten Spielarten um Glauben für ihre Theorien werben, mit teilweise beachtlichem Erfolg.

trifft nicht zu, denn Esoteriker-Theorien sind meist vom Typ 1b bzw 2b und würden niemals Ockham's Razor überleben.

*********************

Über die konkrete Frage
Othilic hat folgendes geschrieben:
Deine These, so wie ich sie verstanden habe, lautet:
Zitat:
Wenn das einzige Kriterium für den Ausschluß der Existenz von Göttern logische Probleme sind, dann ist es inkonsequent, für den Ausschluß der Existenz eines Perpetuum Mobiles auch Erfahrungsgründe heranzuziehen.

bzw
Leony hat folgendes geschrieben:

Eigentlich geht es mir um die um die Inkonsequenz in der anderen Richtung:
"Wenn man bereit ist, Erfahrungsgründe heranzuziehen, um die Existenz eines Perpetuum mobile auszuschließen,
dann ist es inkonsequent,
für den Ausschluss der Existenz von Göttern
als einziges Kriterium logische Probleme gelten zu lassen
und nicht außerdem auch Erfahrungsgründe."

muß ich jetzt, nachdem ich meine Wissenschaftstheorie mal präzisiert habe, noch mal grübeln.


Edit: Hier http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=282254#282254 wird gerade über etwas diskutiert, was ziemlich ähnlich klingt, ich habe dort mal nachgefragt.
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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#282934) Verfasst am: 07.04.2005, 02:45    Titel: Antworten mit Zitat

Othilic hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:
Othilic hat folgendes geschrieben:

Da Du auf meine weiteren Ausführungen zum Perpetuum mobile nicht eingegangen bist

Verlegen Das hört sich ja an wie: "Leony, du hast deine Hausaufgaben nicht gemacht."zwinkern

Das sollte sich nicht so anhören

Othilic, ich hoffe, du hast dir nicht im Ernst Sorgen gemacht, ich könnte etwas in den falschen Hals bekommen haben.
Der zwinkern-Smiley sollte sagen: Ich habe nur gescherzt Smilie

Othilic hat folgendes geschrieben:
... über kritischen Rationalismus... Hättest Du einen guten Literaturtip für mich?

"Traktat über kritische Vernunft" von Hans Albert
halte ich für eine recht gute Einführung in die wesentlichen Gedanken des Kritischen Rationalismus.
_________________
Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Othilic
Gast






Beitrag(#283096) Verfasst am: 07.04.2005, 16:58    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Othilic, ich hoffe, du hast dir nicht im Ernst Sorgen gemacht, ich könnte etwas in den falschen Hals bekommen haben.
Der zwinkern-Smiley sollte sagen: Ich habe nur gescherzt

Okay, dann bin ich beruhigt. Ich war mir nicht ganz sicher. Für einen Scherz sprach der Smilie, für den "falschen Hals" sprach die Tatsache, daß es etwas mit "Lehrerpose/belehrt werden" zu tun hatte und Du Dich in letzter Zeit anderswo in diesem Forum gegen sowas heftig und ausdauernd gewehrt hast.

Danke für den Buchtipp, ist bei amazon bestellt (die liefern übrigens momentan Bücher wieder ohne Versandkosten Sehr glücklich).
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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#283362) Verfasst am: 08.04.2005, 03:20    Titel: Antworten mit Zitat

Othilic hat folgendes geschrieben:
...
Dann habe ich mir eine Weile lang überlegt, wie meine eigenen wissenschaftstheoretischen Überlegungen genau lauten und möchte das jetzt mal versuchen zu skizzieren. Dazu sage ich vorsorglich, daß es keine anerkannte Theorie ist, sondern daß ich sie mir selbst zusammengereimt habe, ohne mich tiefer mit Wissenschaftstheorie befaßt zu haben. Komplett ins Blaue hinein zusammengereimt ist es aber auch nicht: inspiriert ist sie von den Begriffen eines Kripke-Modells, "falsifizierbar" und Ockham's Razor.
**************

Zugrunde liegt ebenfalls:
Leony hat folgendes geschrieben:

dass unser Verstand und unser Erinnerungsvermögen ungefähr so gut funktionieren, wie sie es unseren Erfahrungen nach tun
(mit anderen Worten: dass die Wahrscheinlichkeit von Irrtümern ungefähr so groß ist, wie sie es unseren Erfahrungen nach ist),
und von der Hypothese,
dass die sinnlich wahrnehmbare Welt wirklich existiere
und dass unsere Wahrnehmungen uns zu Erkenntnissen über diese Welt verhelfen können.

Wir können uns damit begnügen,
dass wir niemals absolute Gewissheit haben können,
sondern immer nur das menschenmögliche Maß an Gewissheit.


Es gibt 4 Grade von sich-sicher-sein: Beweis > Nachweis > Hinweis > keine Aussage möglich

Beweise, bzw. absolute Sicherheit können wir nie haben. Die
Leony hat folgendes geschrieben:
Unsicherheit, die jeder empirischen Theorie anhaftet

wird noch unterschieden in weniger starke Unsicherheit bei Nachweisen und ziemlich starke Unsicherheit bei Hinweisen. Dies macht, so wie ich das sehe, der krit. Rationalismus nicht. Dort wird nur zwischen Beweis (den es nie gibt) > Nachweis (von falsifizierbaren Aussagen) > keine Aussage möglich unterschieden. Verstehe ich das richtig?

Dass es auch Hinweise gibt,
die zwar für eine bestimmte Theorie sprechen,
aber eine "ziemlich starke Unsicherheit" übrig lassen,
das wird sicher kein Vertreter des Kritischen Rationalismus bestreiten.
Diese Tatsache interessiert ihn aber vielleicht weniger
als die Frage, wie wir so etwas wie "feste Überzeugungen" gewinnen können.

Zum Thema "feste Überzeugungen" schreibt einer der führenden Vertreter des Kritischen Rationalismus:
Hans Albert (in ''Traktat über Kritische Vernunft'', S. 225) hat folgendes geschrieben:
... seltsame Vorstellung ..., man könne nur dann eine feste Überzeugung haben,
wenn man nicht bereit sei, die betreffenden Auffassungen kritischer Prüfung auszusetzen.

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Othilic hat folgendes geschrieben:
Es gibt zwei Sorten von wissenschaftlichen Hypothesen:

Aussagen über Existenz von Dingen.
Aussagen über Eigenschaften und Zusammenhänge von Dingen.

die man auch kombinieren kann:

1a Aussagen über Existenz von Dingen, die die bereits als existent bekannt sind
1b Aussagen über Existenz von Dingen, die jenseits unserer Erfahrung und Nachweismöglichkeiten liegen
2a Aussagen über Eigenschaften und Zusammenhänge von bereits als existent bekannten Dingen
2b Aussagen über Eigenschaften und Zusammenhänge von Dingen, die uns nicht alle als existent bekannt sind

Es fällt auf, daß hierbei Aussagen über Nichtexistenz fehlen. Allaussagen fehlen ebenfalls, solange sich "alle" auf alle irgendwann potentiell nachweisbaren Dinge bezieht. Das ist Absicht, denn diese halte ich nicht für wissenschaftliche Hypothesen.

Dann wäre der erste Hauptsatz der Thermodynamik keine wissenschaftliche Hypothese.

Der richtige Gedanke, der in deiner Überlegung steckt,
besteht darin, dass die Richtigkeit von All-Aussagen
niemals mit dem gleichen Maß an Gewissheit festgestellt werden kann
wie die Richtigkeit von Existenz-Aussagen;
das gleiche gilt für Nichtexistenz-Aussagen, soweit die Nichtexistenz nicht schon aus logischen Widersprüchen folgt.

Das ist ja gerade das Problem bei den Theorien der empirischen Wissenschaften,
dass die Richtigkeit von vielen ihrer Theorien sich eben nicht mit dem gleichen Maß an Gewissheit feststellen lässt
wie die Richtigkeit von Existenz-Aussagen
oder von Aussagen über einzelne Gegenstände.

Die Antwort des Kritischen Rationalismus lautet,
dass diese Theorien der empirischen Wissenschaften stets als Hypothesen aufzufassen sind,
die niemals bewiesen,
sondern nur falsifiziert oder bewährt werden können.

Wenn man in der Physik ein neues Gebiet erforschen will,
dann weiß man eigentlich noch nicht, welche Gesetze da gelten.
Aber um Beobachtungen auf diesem Gebiet auswerten zu können - ja, um sie auch nur beschreiben zu können -
braucht man Theorien.
Oft ist einem das nicht bewusst, manchmal hält man seine Theorien einfach für Selbstverständlichkeiten;
und manchmal hat man sich darin auch schon geirrt,
etwa, wenn man die Newtonschen Vorstellungen von Raum und Zeit für selbstverständlich hielt.

Wie gesagt, um Beobachtungen beschreiben und auswerten zu können,
braucht man Theorien, die man - zumindest hypothetisch - voraussetzen muss.
Und da ist es nur vernünftig,
solche Theorien vorauszusetzen, die sich nach den bisherigen Erfahrungen bewährt haben,
oder eventuell auch solche, von denen man meint, dass sie gute Chancen haben könnten, sich zu bewähren.

So geht man beispielsweise, oft ohne viel darüber nachzudenken, davon aus,
dass der erste Hauptsatz der Thermodynamik auch in bislang unerforschten Bereichen der Physik gelten werde.
Dass er "nur" eine Hypothese ist - allerdings eine, von der wir uns nicht so leicht abbringen lassen würden -
ändert nichts daran, dass er sich als durchaus fruchtbar für die Forschung erweisen kann.
Ich denke an das Beispiel, dass man beim Zerfall bestimmter Atomkerne feststellte,
dass die beobachteten Teilchen diesem Satz (und dem Satz von der Spin-Erhaltung) anscheinend nicht genügten,
und daraufhin Pauli 1931 die Theorie von der Existenz von Neutrinos entwickelte,
Neutrinos, deren direkter Nachweis erst 1956 gelang.

Nach Auffassung des Kritischen Rationalismus
können All-Aussagen durchaus wissenschaftliche Aussagen sein,
wenn sie auch stets hypothetischen Charakter haben.
"Wissenschaftlich" können All-Aussagen dann genannt werden,
wenn strenge Prüfungen möglich sind, in denen diese All-Aussagen entweder falsifiziert oder bewährt werden können.

Othilic hat folgendes geschrieben:
Die Erkenntnisse darüber, welche Dinge existieren, schreiten mit der Zeit fort. Die Gesamtheit der Erkenntnise über die Existenz von bestimmten Dingen zu einer bestimmten Zeit nenne ich mal "Existenz-Wissenstand". Der Übergang von einem Existenz-Wissensstand zum nächsten geschieht durch neue Nachweismöglichkeiten (Mikroskop, Teleskop, als sicher geltende indirekte Nachweismöglichkeiten).

Wir befinden uns immer in einem solchen Existenz-Wissensstand und können darin Hypothesen der verschiedenen Typen formulieren. Hypothesen vom Typ 1a sind von vornherein nachgewiesen. Für Hypothesen vom Typ 2a können wir Experimente, Beobachtungen etc machen und sie damit nachweisen oder sie stellen sich als falsch heraus. Unter diese Art Behauptungen fällt wohl der 1. Hauptsatz der Thermodynamik.

Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik ist - je nach Formulierung - eine All-Aussage oder eine Nichtexistenz-Aussage.
Das Gleiche ließe sich von vielen deiner "Hypothesen vom Typ 2a" sagen.
Wenn du z. B. sagst: "Katzen haben Krallen",
dann meinst du nicht nur die Katzen, deren Pfoten du dir angesehen hast,
sondern du meinst "Katzen im Allgemeinen",
also - auch wenn du es nicht explizit sagst - "alle Katzen" oder "die meisten Katzen";
in "alle Katzen" steckt "alle" schon sichtbar drin,
in "die meisten Katzen" etwas versteckter, aber es ist klar, dass "die meisten" bedeutet: "die meisten von allen".

Othilic hat folgendes geschrieben:
Nachgewiesene Hypothesen vom Typ 2a und 1a wären dann vermutlich "streng überprüft" im Sinne von:
Leony hat folgendes geschrieben:
Eine "strenge Überprüfung" definierte Karl Popper als eine Überprüfung,
bei der, falls die Theorie falsch ist,
sich mit hoher Wahrscheinlichkeit herausstellen würde, dass sie falsch ist;

also hier wäre die Idee "falsifizierbar" wohl wiederzufinden.

Streng überprüft sind sie nur dann,
wenn deine "Experimente, Beobachtungen etc" die Voraussetzung erfüllen,
dass sie, falls die Theorie falsch ist,
mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass sich das herausstellt, d. h. dass die Theorie falsifiziert wird.

Othilic hat folgendes geschrieben:
Bei Hypothesen vom Typ 1b und 2b gibt es nur ein einziges Instrument, um innerhalb eines Existenz-Wissenstands diese Hypothesen zu behandeln. Und zwar: sich zu überlegen, ob die Existenz des postulierten Dings die Anwendung von Ockham's Razor auf die Erfahrungen überlebt. Das wäre dann ein Hinweis auf die Existenz dieser Dinge, aber noch lange kein Nachweis. Überlebt die Hypothese von der Existenz eines neuen Dinges die Anwendung von Ockham's Razor nicht, dann ist das noch lange kein Hinweis auf die Nichtexistenz dieses Dings, sondern nur auf die Unzulänglichkeit unserer momentanen Methoden. Aus diesem Punkt ergibt sich, daß Existenz und Nichtexistenz von Dingen jenseits unseres Erfahrungsbereichs nicht symmetrisch zu behandeln sind. Für die Existenz liefert Ockham's Razor Hinweise. Für die Nicht-Existenz gibt es kein solches Instrument, was auch nur Hinweise liefert. Das ist der Grund, weshalb ich Nicht-Existenz-Aussagen nicht einmal zu den wichtigen Aussagen gerechnet habe.

Wenn "die Existenz des postulierten Dings die Anwendung von Ockham's Razor auf die Erfahrungen überlebt" hat,
wenn es also einen Hinweis auf seine Existenz gibt,
dann würde ich nicht mehr sagen, das Ding liege "jenseits unserer Erfahrung und Nachweismöglichkeiten".
Was würdest du davon halten, den beiden Möglichkeiten
    1a Aussagen über Existenz von Dingen, die die bereits als existent bekannt sind
    1b Aussagen über Existenz von Dingen, die jenseits unserer Erfahrung und Nachweismöglichkeiten liegen
eine dritte hinzuzufügen? Etwa:
    1c Aussagen über Existenz von Dingen, für deren Existenz wir bislang lediglich begründete Vermutungen haben
Für Hypothesen von der Existenz von Dingen, die Ockhams Razor nicht überleben,
könnte man m. E. tatsächlich sagen, dass die Dinge "jenseits unserer Erfahrung und Nachweismöglichkeiten liegen".

Das heißt, dass sie (noch) nicht Gegenstand einer wissenschaftlichen Theorie sein können.
Ein Beweis ihrer Nichtexistenz ist es nicht, darin sind wir uns einig.

Die Frage ist, wie wir mit solchen Hypothesen umgehen, wenn es um unser persönliches Weltbild geht:
  • Gehen wir von der Hypothese aus, dass diese Dinge nicht existieren?
  • Oder gehen wir davon aus, dass beides möglich sein könnte, die Existenz oder die Nichtexistenz dieser Dinge?
Meine persönliche Antwort auf diese Frage lautet:
Wenn es nicht nur an Hinweisen auf die Existenz dieser Dinge fehlt,
sondern auch an Hinweisen, dass die Voraussetzungen für die Existenz dieser Dinge gegeben sein könnten,
dann gehe ich von der Hypothese aus,
dass diese Dinge nicht existieren.

Othilic hat folgendes geschrieben:
Während (korrigiere mich, wenn ich das falsch sehe) der krit. Rationalismus Hypothesen der Form 1b und 2b als unwissenschaftlich bezeichnet, da sie nicht falsifizierbar sind (was ich auch so sehe), sage ich, sie sind trotzdem nicht unwissenschaftlich, da Hinweise darauf schon einmal mehr als gar kein Wissen darstellen.

Ich bin mir im Augenblick nicht sicher, mit welcher Terminologie Karl Popper oder Hans Albert einen solchen Fall beschrieben hätte.
Aber ich kann sagen, dass Karl Popper der Meinung war,
man könne auch unwiderlegbare Theorien, z. B. philosophische Theorien, kritisch diskutieren.
(gefunden in "Karl Popper Lesebuch", UTB, S. 202)

Othilic hat folgendes geschrieben:
Dein Einwand, mit solchen wissenschaftstheoretischen Überlegungen könne man die folgende Esoteriker-Argumentationsweise nicht ausschließen
Leony hat folgendes geschrieben:
Eine - manchmal beeindruckende - Sammlung von Beobachtungen, die der Theorie entsprechen, als "Bestätigung" einer Theorie ins Feld zu führen, das ist eine der beliebtesten Strategien, mit denen Esoteriker der verschiedensten Spielarten um Glauben für ihre Theorien werben, mit teilweise beachtlichem Erfolg.

trifft nicht zu, denn Esoteriker-Theorien sind meist vom Typ 1b bzw 2b und würden niemals Ockham's Razor überleben.

Ich vermute, du hast an andere Theorien gedacht als ich.
Ich dachte an Theorien wie z. B. die,
dass einige Menschen angeblich schon einmal gelebt hätten und sich an ihr früheres Leben erinnerten.

Einige Vertreter dieser Theorie haben ganze Sammlungen von Fällen auf Lager,
bei denen die "Erinnerungen" dieser Menschen
erstaunlich gut zu Lebensgeschichten von Menschen passen, die in der Vergangenheit tatsächlich gelebt haben.

Es sind also reale Erfahrungen, die da als "Hinweise" auf die Wiedergeburt von Menschen angeführt werden.
Trotzdem sind wir uns sicherlich einig,
dass es sich hier keineswegs um Beweise, ja nicht einmal um ernst zu nehmende Hinweise handelt.

Und das nicht nur, weil wir meinen, man könne die Berichte von solchen Fällen auch anders und glaubwürdiger erklären.

Sondern auch, weil ganz grundsätzlich gilt,
dass eine Sammlung von Beobachtungen, die der Theorie entsprechen,
eben nicht geeignet ist, uns Sicherheit zu geben, dass die Theorie richtig sei.
Wie dies Beispiel illustrieren mag.
_________________
Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Othilic
Gast






Beitrag(#284641) Verfasst am: 11.04.2005, 17:14    Titel: Antworten mit Zitat

Mit dem "großen Bild" bin ich momentan überfordert. Je länger ich nachdenke, desto weniger klar ist mir, was eigentlich meine Ansicht ist und was Leonys und wo sich jetzt konkret was wieso widerspricht. Am Kopf kratzen Am Kopf kratzen Am Kopf kratzen Sobald sich das lichtet, schreib ich mehr dazu.

Eine genauere Analyse der beiden folgenden Aussagen habe ich aber jetzt gemacht:
  • Es gibt kein Perpetuum Mobile (A)
  • Es gibt keinen Gott, der durch übernatürliche Kräfte in der Welt Wirkung verursacht. (B)

Leonys Meinung nach ist die zweite Aussage mindestens so sicher wie die erste, sie begründet es damit, daß die Verfahren, sich von der Gültigkeit von A bzw B zu überzeugen, parallel verlaufen.

Meine Meinug, die ich jetzt begründen werde: die erste Aussage ist nach momentanem Erfahrungsstand sicherer als die zweite, da zwar die Verfahren zur Gültigkeitsüberprüfung theoretisch dieselbe Strukur haben, die praktische Durchführung der Verfahren aber unterschiedlich verlaufen ist.

Es sind beides prinzipiell sehr unsichere Aussagen, da man nunmal nichts aussagen kann darüber, ob es Dinge jenseits unserer Erfahrungswelt geben könne. Aber wir können ein wenig Sicherheit gewinnen, indem wir die Aussagen in unserer Erfahrungswelt überprüfen und dann extrapolieren. Wie verläuft das Überprüfungsverfahren?

Wir formulieren die Hypothesen neu zu Allaussagen über die erfahrbare Welt:

  • Die erfahrbare Welt liefert kein Anzeichen für Existenz Perpetuum Mobile.
  • Die erfahrbare Welt liefert kein Anzeichen für die Existenz eines Gottes, der durch übernatürliche Kräfte in der Welt Wirkung erzielt.

Dann beginnen wir, in der erfahrbaren Welt eifrig zu suchen nach Anzeichen für die Existenz, also unsere Erfahrungen nach und nach anzuschauen und daraufhin zu untersuchen, ob es sich um Beispiele oder Gegenbeispiele handelt. (Bei einem einzigen nachgewiesenen Gegenbeispiel wären die Aussagen als falsch nachgewiesen, bei einziger Hinweis auf ein Gegenbeispiel wäre ein Hinweis darauf, daß die Aussage falsch ist). Natürlich können wir auch unsere Erfahrungswelt nicht vollständig durchsuchen, wir können die Aussagen nicht einmal für unsere Erfahrungswelt beweisen, aber je mehr wir suchen, desto sicherer können wir uns sein.

  • Wir nehmen uns nach und nach alle Maschinen her . Jede Maschine lassen wir laufen und warten ab.
    • Entweder stellen wir fest: die Maschine stoppt (evtl müssen wir eben sehr sehr lange warten). Dann war es kein Perpetuum mobile. Wir haben ein bewiesenes Beispiel.
    • Oder aber: das Gerät stoppt nicht. Wir können nichts aussagen, da wir ja nie sicher sein können, ob es vielleicht doch in der nächsten Minute stoppt. Wir können gar nichts sagen darüber, ob ein Beispiel oder Gegenbeispiel vorliegt.

  • Wir nehmen beobachtete Zusammenhänge her und versuchen, sie auf bekannte Wirkungen zwischen bereits bekannten Dingen zurückzuführen.
    • Entweder stellen wir fest: Es gelingt uns. Das ist dann ein Nachweis davon, daß hier dieser Gott nicht vorkommt. Also ein nachgewiesenes Beispiel.
    • Oder aber: Es gelingt uns nicht. Dann wenden wir Ockham’s Razor auf die Erfahrungen und die postulierte Erklärung „ein Gott bewirkt das mithilfe übernatürlicher Kräfte“. Überlebt die Erklärung Ockham’s Razor nicht, dann können wir gar nichts aussagen darüber, ob ein Beispiel oder Gegenbeispiel vorliegt. (überlebt die Erklärung Ockham’s Razor doch, dann läge ein Hinweis auf ein Gegenbeispiel vor)

Somit sind die Verfahren, die Aussagen zu überprüfen, von der theoretischen Struktur her ziemlich parallel. Wir haben sie auf eifriges Suchen nach Gegenbeispielen zurückgeführt. Dabei gibt es bei den potentiellen Gegenbeispielen theoretisch verschiedene Gerade des sich-sicher-seins darüber, ob es sich wirklich um ein Gegenbeispiel handelt.

Wie sicher man sich über die Hypothesen A und B sein kann, hängt also von der konkreten Erfahrungslage ab, d.h. welche potentiellen Gegenbeispiele man mit welchem Sicherheitsgrad als Nicht-Gegenbeispiele identifiziert hat. Und hier, in der Erfahrungslage, liegt der Unterschied:

  • Alle potentiellen perpetuum mobiles haben sich bislang als nicht-perpetuum-mobiles herausgestellt. Wir haben nur bewiesene Beispiele.
  • Wir haben aber neben vielen Beobachtungen, die wir erklären können, ebenfalls viele Erfahrungen, die wir nicht erklären können. Wir haben neben nachgewiesenen Beispielen auch viele Erfahrungen, wovon wir schlicht nicht sagen können, ob sie Beispiel oder Gegenbeispiel sind.


Wenn man nun den Grad der Sicherheit einer Allaussage daran messen will, wie viele Beispiele man mit welcher Sicherheit identifiziert hat (was mir vernünftig erscheint), dann können wir uns über die Nichtexistenz des Perpetuum Mobiles viel sicherer sein als über die Nichtexistenz von einem Gott, der mit übernatürlichen Kräften Wirkungen verursacht.


Edit: Die fehlenden Bezeichnungen (A) und (B) bei den beiden Hypothesen hinzugefügt.


Zuletzt bearbeitet von Othilic am 13.04.2005, 01:22, insgesamt einmal bearbeitet
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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#284833) Verfasst am: 12.04.2005, 01:07    Titel: Antworten mit Zitat

Othilic hat folgendes geschrieben:
Eine genauere Analyse der beiden folgenden Aussagen habe ich aber jetzt gemacht:
  • Es gibt kein Perpetuum Mobile
  • Es gibt keinen Gott, der durch übernatürliche Kräfte in der Welt Wirkung verursacht.

Leonys Meinung nach ist die zweite Aussage mindestens so sicher wie die erste, sie begründet es damit, daß die Verfahren, sich von der Gültigkeit von A bzw B zu überzeugen, parallel verlaufen.

Am Kopf kratzen Ist durch meine Postings der Eindruck entstanden, ich hielte die zweite Aussage für "mindestens so sicher wie die erste"?
Dann möchte ich diesen Eindruck korrigieren:

Durch die Parallelität der Verfahren, A bzw. B zu überprüfen,
erhalten wir die gleiche Art von Gründen, A bzw. B (vorläufig) für zutreffend zu halten.
    Eine andere Art von Gründen, eine Hypothese C für zutreffend zu halten,
    hätten wir z. B. dann, wenn wir etwas beobachten, was (nicht C) widerspricht,
    oder wenn wir feststellen würden, dass (nicht C) logisch in sich widersprüchlich ist.
Die gleiche Art von Gründen führt, wenn man es mal in dieser etwas ungenauen Weise ausdrücken will,
zur gleichen Art von Sicherheit,
aber nicht unbedingt
zum gleichen Maß von Sicherheit.

Ich gebe zu, dass A einer erheblich strengeren Überprüfung ausgesetzt gewesen ist als B,
sodass man folgern kann, man könne sich der Richtigkeit von A sicherer sein als der Richtigkeit von B.

Man kann aber der Meinung sein,
dass auch B einer genügend strengen Überprüfung ausgesetzt gewesen sei,
um die (vorläufige) Überzeugung zu rechtfertigen, dass B zutreffend sei.
_________________
Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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Othilic
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Beitrag(#285131) Verfasst am: 13.04.2005, 01:19    Titel: Antworten mit Zitat

Leony hat folgendes geschrieben:
Othilic hat folgendes geschrieben:
Eine genauere Analyse der beiden folgenden Aussagen habe ich aber jetzt gemacht:
  • Es gibt kein Perpetuum Mobile
  • Es gibt keinen Gott, der durch übernatürliche Kräfte in der Welt Wirkung verursacht.

Leonys Meinung nach ist die zweite Aussage mindestens so sicher wie die erste, sie begründet es damit, daß die Verfahren, sich von der Gültigkeit von A bzw B zu überzeugen, parallel verlaufen.

Am Kopf kratzen Ist durch meine Postings der Eindruck entstanden, ich hielte die zweite Aussage für "mindestens so sicher wie die erste"?

Es war ein Versuch der möglichst knappen Zusammenfassung Deiner Position, anscheinend habe ich sie doch nicht getroffen. Der Eindruck entstand, weil mein Anliegen die ganze Zeit war, dieser These von Dir
Leony hat folgendes geschrieben:

Allerdings beobachte ich,
dass Leute, die überhaupt kein Problem damit haben, die Existenz eines Perpetuum mobile auszuschließen,
plötzlich viel schwerwiegendere Gründe für nötig halten,
um die Existenz eines Gottes auszuschließen.
Diese Art von Agnostizismus halte ich für inkonsequent,
und diese Feststellung halte ich für ein Gegenargument gegen diese Art von Agnostizismus.

zu widersprechen, denn einer dieser Art von Agnostikern bin ich (wenn auch nicht ganz so extrem wie Du es dargestellt hast). In dieser These scheint mir drinzustecken: die „Beweislage“ für Nichtexistenz von bestimmten Göttern ist mindestens ebenso gut wie die „Beweislage“ für die Nichtexistenz eines Perpetuum Mobiles. Daß sie das nicht ist, davon habe ich mich mit meiner Analyse überzeugt. Vielleicht hab‘ ich einen Strohmann abgefackelt, mag ja sein, aber auf jeden Fall bin ich mir meiner Position jetzt sicherer als zuvor.

Leony hat folgendes geschrieben:

Durch die Parallelität der Verfahren, A bzw. B zu überprüfen,
erhalten wir die gleiche Art von Gründen, A bzw. B (vorläufig) für zutreffend zu halten.
    Eine andere Art von Gründen, eine Hypothese C für zutreffend zu halten,
    hätten wir z. B. dann, wenn wir etwas beobachten, was (nicht C) widerspricht,
    oder wenn wir feststellen würden, dass (nicht C) logisch in sich widersprüchlich ist.
Die gleiche Art von Gründen führt, wenn man es mal in dieser etwas ungenauen Weise ausdrücken will,
zur gleichen Art von Sicherheit,
aber nicht unbedingt
zum gleichen Maß von Sicherheit.

Die verschiedenen Arten von Gründen verstehe ich. Was aber verschiedene Arten von Sicherheit sein sollen, ist mir nicht klar. Sind Arten von Sicherheit bestimmte Abschnitte auf der Sicherheits-skala oder muß man sich Sicherheit als Begriff mit 2 unabhängigen Dimensionen vorstellen (Art und Maß)? Falls Du letzteres meinst, wie sähe dann ein konsequenter oder inkonsequenter Umgang mit Überzeugtsein von Hypothesen mit verschiedener Sicherheit aus?

Leony hat folgendes geschrieben:

Ich gebe zu, dass A einer erheblich strengeren Überprüfung ausgesetzt gewesen ist als B,
sodass man folgern kann, man könne sich der Richtigkeit von A sicherer sein als der Richtigkeit von B.

Man kann aber der Meinung sein,
dass auch B einer genügend strengen Überprüfung ausgesetzt gewesen sei,
um die (vorläufige) Überzeugung zu rechtfertigen, dass B zutreffend sei.


Wenn das so gemeint ist, daß auf der Sicherheits-Skala A zwar oberhalb von B liegt, beide aber oberhalb einer bestimmten Trennlinie liegen, dann können wir uns darauf einigen.

Die Frage wäre dann eben, wo man diese bestimmte Trennlinie für sich zieht. Ein konsequenter Agnostiker müßte sie dann generell etwas weiter oben ziehen als z.B. ein Atheist.
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Leony
gottlos



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus

Beitrag(#285133) Verfasst am: 13.04.2005, 02:48    Titel: Antworten mit Zitat

Othilic hat folgendes geschrieben:
Die verschiedenen Arten von Gründen verstehe ich. Was aber verschiedene Arten von Sicherheit sein sollen, ist mir nicht klar. Sind Arten von Sicherheit bestimmte Abschnitte auf der Sicherheits-skala oder muß man sich Sicherheit als Begriff mit 2 unabhängigen Dimensionen vorstellen (Art und Maß)?

Mit "verschiedenen Arten von Sicherheit" meinte ich eigentlich nur: auf verschiedene Art begründete Sicherheiten.

Ich habe das so geschrieben, weil ich meinte,
dass innerhalb einer Begründungsart
leichter ein höheres Maß an intersubjektiver Einigkeit darüber erzielt werden könnte,
welcher Hypothesen man sich relativ sicher sein könne und welcher Hypothesen weniger sicher,
während es bei Vergleichen
der Sicherheit von Hypothesen, die auf unterschiedliche Art begründet sind,
wahrscheinlich ein höheres Maß an Uneinigkeit geben könnte,
welcher Hypothesen man sich relativ sicher sein könne und welcher Hypothesen weniger sicher.

Weil ich mir vorstellen könnte,
dass einige Menschen meinen, dass bestimmte Begründungsarten
ganz allgemein erheblich mehr Sicherheit bieten als andere Begründungsarten,
während andere Menschen den Unterschied nicht so hoch einschätzen.

Othilic hat folgendes geschrieben:
Falls Du letzteres meinst, wie sähe dann ein konsequenter oder inkonsequenter Umgang mit Überzeugtsein von Hypothesen mit verschiedener Sicherheit aus?

Aus den eben angeführten Gründen
kann man sich eigentlich nur dann ein Urteil darüber bilden, was konsequent genannt zu werden verdient und was nicht,
wenn man den Umgang mit Hypothesen vergleicht, die auf die gleiche Art überprüft werden können.

Wenn man dann eine bestimmte Art von Begründung
bei einer Hypothese als ausreichend akzeptiert,
dann ist es konsequent,
wenn man diese Art von Begründung auch bei anderen Hypothesen gleicher Art prinzipiell als ausreichend akzeptiert
(was nicht ausschließt, dass Begründungen gleicher Art ein unterschiedliches Maß an Sicherheit bieten können,
sodass sie im einen Fall als ausreichend eingestuft werden könnten und im anderen nicht);
und es ist inkonsequent,
wenn man für eine andere Hypothese gleicher Art
eine völlig andere Art von Begründung fordert.

Othilic hat folgendes geschrieben:
Leony hat folgendes geschrieben:

Ich gebe zu, dass A einer erheblich strengeren Überprüfung ausgesetzt gewesen ist als B,
sodass man folgern kann, man könne sich der Richtigkeit von A sicherer sein als der Richtigkeit von B.

Man kann aber der Meinung sein,
dass auch B einer genügend strengen Überprüfung ausgesetzt gewesen sei,
um die (vorläufige) Überzeugung zu rechtfertigen, dass B zutreffend sei.


Wenn das so gemeint ist, daß auf der Sicherheits-Skala A zwar oberhalb von B liegt, beide aber oberhalb einer bestimmten Trennlinie liegen, dann können wir uns darauf einigen.

Ja, genau so war es gemeint, und darauf können wir uns einigen Smilie

Othilic hat folgendes geschrieben:
Die Frage wäre dann eben, wo man diese bestimmte Trennlinie für sich zieht. Ein konsequenter Agnostiker müßte sie dann generell etwas weiter oben ziehen als z.B. ein Atheist.

Da könnte man sich vorstellen,
dass zwei Menschen sich in der Sache ziemlich einig sind
und trotzdem der eine sich als Agnostiker bezeichnet und der andere als Atheist,
weil es für den einen zum Begriff des Agnostikers gehört, dass er noch relativ weit oben auf der Skala anzuwenden ist,
während es für den anderen zum Begriff des Atheisten gehört, dass er schon relativ weit unten auf der Skala anzuwenden ist.
Sodass man sich u. U. mehr um die korrekte Verwendung von Begriffen streitet
als in der Sache.

Begriffe wie "wissen" sind ja nicht mehr völlig eindeutig allgemeinverbindlich definierbar,
wenn man bedenkt,
dass es jenes absolut sichere Wissen, von dem Philosophen früherer Zeiten träumten, gar nicht geben kann,
wenn man aber trotzdem den Begriff "wissen" nicht total über Bord werfen will,
sondern ihn - mit korrigierter Definition - weiterhin so nutzbringend verwenden will wie bisher.
_________________
Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren Sehr glücklich)
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