Hannibal Freiheitskämpfer
Anmeldungsdatum: 07.11.2003 Beiträge: 5062
Wohnort: Wien
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(#307552) Verfasst am: 23.06.2005, 07:11 Titel: Polen vor und im zweiten Weltkrieg |
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In diesem Thread wollte ich die zweite polnische Republik (1918-1939) und die Rolle Polens in der Zwischenkriegszeit und im Zweiten Weltkrieg behandeln.
Wenn man an diesen polnischen Staat und den zweiten Weltkrieg denkt, so kommt man schnell zu der Meinung, dass dieser unabhängige polnische Staat nur ein Opfer gewesen sei.
Wenn man sich mit der polnischen Politik in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen beschäftigt, kommen neue, höchst interessante Sachen ans Licht.
Als erstes einmal die Frage, wie dieser polnische Staat entstand.
Polen war mehr als ein Jahrhundert lang aufgeteilt. Im 20. Jahrhundert gehörte der größte Teil Polens, samt Warschau, zu Rußland. Südwestpolen war an 'Österreich-Ungarn' und Westpolen an Deutschland angegliedert.
Die ganze Zeit dieser Annektion hatte es immer wieder Aufstände gegeben. Obwohl die drei großen Reiche versuchten, die polnische Bevölkerung zu spalten und kulturell zu assimilieren, bestand der nationale Gedanke in Polen fort. Dieser wurde durch den Faktor Religion verstärkt: Das mehrheitlich katholische Polen war vom weitgehend protestantischen Preußen und russisch-orthodoxem Zarenreich besetzt.
Bereits damals verschmolz sich in Polen sehr stark das nationale Denken mit der katholischen Religionszugehörigkeit.
Zwei Persönlichkeiten hatten einen großen Anteil an der Bildung des neuen polnischen Staates nach dem ersten Weltkrieg: Joseph Pilsudski und Roman Dmowski.
Während Pilsudski auf der Seite der Mittelmächte im ersten Weltkrieg kämpfte, um die russische Herrschaft abzuschütteln, wurde Dmowski zu seinem erbittertem Rivalen, der auf Seite Rußlands kämpfte und mit der Hilfe des Zaren die polnische Unabhängigkeit durchsetzen wollte.
Nachdem die Russen 1914 nach Ostpreußen vorstießen, gelang es schließlich 1915 den Mittelmächten, das ganze polnische Terrain zu besetzen. Sie errichteten auch eine polnische Regierung. Da sie aber unter strenge Aufsicht der Mittelmächte gestellt wurde, verweigerte Pilsudski den Eid auf den deutschen Kaiser und wurde bis zum Ende des Krieges verhaftet. Mit dieser zweideutigen Politik brachten die Mittelmächte schließlich immer mehr Polen gegen sich.
Nach ihrer Niederlage 1918 begann man die zweite Republik zu bilden, die von Pilsudski stark geprägt wurde. Bald gelangte er zu hohen Ämtern und wurde President.
Politisch ist er schwer einzuordnen. Vor dem ersten Weltkrieg war er von sozialistischen Bewegungen beeinflusst. Die ganze Zeit legte er jedoch einen starken Patriotismus und Militarismus an den Tag. Abgesehen davon dürfte er politisch eher schwankend und etwas unentschlossen gewesen sein. Aussenpolitisch verfolgte er große Ambitionen. Die zweite polnische Republik war ein militanter Staat der stark auf die Wiedererlangung des Machtbereiches vor den Teilungen Polens im 18. Jahrhundert aus war.
Kaum ist dieser neue Staat gegründet worden, kam es zu mehreren Kriegen.
In Südwestpolen kam es zu einem Grenzkrieg mit Tschechen, indem keine der beiden Parteien militärisch die Oberhand gewinnen konnte und ihnen beiden an internationalem Ansehen kostete. Link: http://www.mdr.de/viaeuropa/1164585.html
Im Nordosten besetzte Polen ein großes Gebiet Litauens samt dessen Hauptstadt Wilna.
Als Oberschlesien durch eine Volksabstimmung an die Weimarer Republik angeschlossen werden sollte, begann ein polnischer Aufstand, der von der französischen und polnischen Regierung unterstützt wurden. Sie endeten mit einer Teilung Schlesiens. Link: http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/aussenpolitik/oberschlesien/index.html
Am schwerwiegendsten war der polnische Angriff gegen die Sowjetunion. Anfänglich nahm das polnische Heer weite Teile im Osten ein und eroberte sogar Kiew, welches sogar ausserhalb des Gebietes 1771, also unmittelbar vor der Aufteilung Polens lag. Auch dieser Angriff war Völkerrechtswidrig, doch die Westalliierten übten auf Polen kaum Druck aus.
Doch die sowjetischen Streitkräfte, zwar durch den Bürgerkrieg geschwächt, aber dennoch zahlreich und kampferfahren wurden von der polnischen Regierung völlig unterschätzt.
Der Gegenangriff der roten Armee drang bis zur Weichsel vor. Ganz Ostpolen befand sich unter sowjetischer Kontrolle. Die Bolschewiken haben gehofft, die polnische Unterschicht für sich zu gewinnen. Doch diese betrachtete die rote Armee nicht als Revolutionäre, sondern schlichtweg als 'Russen' und Besatzer. Entscheidend war letztendlich die Unterstützung seitens der Entente. Im sogenanntem "Wunder an der Weichsel" wurde die rote Armee vernichtend geschlagen und Polen konnte große Gebiete im Osten annektieren.
Diese Kriegsambitionen der polnischen Regierung schwiegen über jede Realität des Lebens der 'einfachen' Bevölkerung hinweg, die schon vor dem ersten Weltkrieg als Bevölkerung einer Provinzregion von Deutschland, Österreich oder Russland verarmt war. Bereits im ersten Weltkrieg wurden weite Teile Polens verwüstet. Durch neue Grenzlagen und Flüchtlingsbewegungen lag die gesamte Wirtschaft am Boden. Der polnische Staat hatte sich noch nicht ausgebaut. Die Verwaltung war dürftig. Die von diesem Staat geführten Kriege schädigten die Wirtschaft noch weiter. Einerseits zerrten sie das staatliche Budget aufgrund der überhöhten Rüstungsausgaben auf und andererseits führten sie widerum zu weiteren Verwüstungen in Polen selbst.
Trotzdem war Polen in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre relativ demokratisch, nur dass diese Demokratie durch die autoritäre Persönlichkeit Pilsudskis und die allgemeine politische Instabilität bereits von Anfang an beschnitten wurde.
Weiter destabilisiert wurde der Staat, als eine Verfassung eingeführt wurde, die die Machtbefugnisse des Presidenten zugunsten des Parlaments beschränkten.
Aus Protest legte Pilsudski seine Ämter nieder. Viele Polen und insbesondere das polnische Militär stellte nun die Legitimität der polnischen Demokratie in Frage.
1926 putschte Pilsudski mithilfe des Militärs was zu einer Teilentmachtung des Parlaments führte, während die politische Rechte immer mächtiger wurde.
Inwiefern Pilsudski antisemitisch eingestellt war, ist schwer zu sagen. Grundsätzlich sprach er sich für eine Aussöhnung mit der jüdischen Bevölkerung aus, unternahm aber kaum etwas, um den aktiven Antisemitismus zu bekämpfen. Da er die Macht nicht vollständig übernahm, stützte er sich stark auf die rechtskonservativen Kreise und hatte in vielen politischen Themen gebundene Hände. So wurden die Linksparteien immer stärker unterdrückt, während der polnische Liberalismus ohnehin nur schwach vertreten war.
Die Weltwirtschaftskrise führte zu einer weiteren Radikalisierung in der Politik.
Als Hitler an die Macht kam, sah Pilsudski zu Recht eine ernsthafte Bedrohung, doch Polen hatte zu dieser Zeit aussenpolitisch durch seine früheren militärischen Aggressionen schlechte Karten bei potentiellen Verbündeten gehabt. So schloss er mit Hitler 1934 einen Nichtangriffspakt, der die Sicherheit Polens gewährleisten sollte. Tatsächlich aber entfernte er Polen noch weiter von den Westalliierten. Wie es sich 1939 zeigte, war dieser Nichtangriffspakt eine fatale Fehleinschätzung.
Nach dem Tod Pilsudskis im Jahr 1935 wurde der polnische Staat entgültig von Rechtsradikalen Kräften kontrolliert. Die Ausschreitungen gegen Juden nahmen drastisch zu. Im Hintergrund dessen baute Hitler die Wehrmacht auf, was spätestens 1935 auch offiziell bekannt wurde.
Die polnische Regierung rüstete im Vergleich dazu nur geringfügig auf. Auch war die Aussenpolitik zweideutig, denn nämlich, als Hitler das Sudetenland annektierte, nutzte Polen die Gelegenheit für einen erneuten militärischen Übergriff gegen die Tschecholsowakei. Auch das behinderte eine Konsequente Annäherungspolitik an die Westalliierten. Ob die Untätigkeit Frankreichs und Englands während der deutschen Invasion gegen Polen auf die früheren polnischen Kriegsaktionen zurrück zu führen ist, ist schwer zu sagen. Aber einen Faktor für die Zögernde Haltung der Westmächte stellt dieser Tatbestand bestimmt dar.
Obwohl bereits viel früher eine erhohte Gefahr von Deutschland ausging, begann die offizielle Mobilmachung Polens für einen Verteidigungskrieg erst im Juli 1939.
Dennoch waren die Vorbereitungen eher halbherzig und der deutsche Angriff erfolgte für viele überraschend.
Die polnische Armee umfasste zum Zeitpunkt der ersten deutschen Angriffe etwa eine Million Mann. Die Angreifer hatten 1,5 Millionen Soldaten für diesen Angriff bereitgestellt. Die deutschen setzten ungefähr 2000 Panzer ein, während die Polen nur wenige und schwache Panzer mit sich führten. Die Wehrmacht war damals bereits stark motorisiert, Jeeps garantierten eine mobile Versorgung und neben den Panzer kamen auch viele andere Militärfahrzeuge zum Einsatz.
Die polnische Militärführung konzentrierte ihre Armeen hauptsächlich an den Grenzen zu den von Deutschland kontrollierten Gebieten und hoffte, das deutsche Vorrücken, wie im ersten Weltkrieg durch Gräben und Alltillerie aufzuhalten und in einen Stellungskrieg zu übergehen.
Diese Strategie war angesichts der deutschen Blitzkriegtaktik völlig unangemessen. Allerdings muss hier erwähnt werden, dass gerade diese Taktik hier im Polenfeldzug erst zum ersten Mal zum Einsatz kam und somit völlig unbekannt war.
Der deutsche Feldzug verlief fast wie gelant: Schnelle Durchbrüche an schwächeren Positionen. Bombardments weit hinter feindlichen Linien und Zerstörung des Großteils der polnischen Luftwaffe am Boden. Überwältigung der polnischen Flotte bereits in den ersten Kriegstagen. Die stärksten polnischen Verbände wurden anfangs gar nicht zum Kampf gestellt, sondern schlicht durch Durchbrüche an den Flanken in die Flucht gezwungen, schließlich in besonders günstigen Gegenden aufgespalltet und eingekesselt.
Die Deutschen machten mehrere Hunderttausend Gefangene.
Die Meisterleistung der Blitzkriegstaktik war eine Tatsache, die Polen schneller eroberte, als es die meisten Zeitgenossen erwarteten.
Andererseits standen zahlreiche Mängel auf polnischer Seite gegenüber. Die Vorstellungen der polnischen Militärs beruhten weitgehend noch auf den Erfahrungen des ersten Weltkrieges, wie in fast allen Heeren zu dieser Zeit.
Durch die Konzentration der polnischen Truppen an den Grenzgebieten blieben viele wichtige Verteidigungspotitionen, insbesondere an Flüssen, wie der Oder, Weichsel, San und Narrew nur unzureichend oder gar nicht genutzt.
Die Vorbereitungen für diesen Krieg kamen viel zu spät und durch die Misswirtschaft in den Zwanzigern und Dreißigern bestand auch keine reale wirtschaftliche oder technische Grundlange für den Aufbau einer modernen Armee, die auch nur annähernd der Wehrmacht gewachsen gewesen wäre. Eine wirklich umfangreiche Modernisierung der Armee fand trotz überhöhter Militärausgaben nicht statt.
Die rote Armee fiel den Polen am 17.9. schließlich in den Rücken, doch damals war Polen weitgehend besiegt. Allerdings zeigt dieses Zögern deutlich, dass Stalin es sich im Fall eines deutschen Misserfolges oder gar einer alliierten Invasion in Deutschlands Rücken doch anders überlegt hätte.
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