Freigeisterhaus Foren-Übersicht
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   NutzungsbedingungenNutzungsbedingungen   BenutzergruppenBenutzergruppen   LinksLinks   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

Ein paar aktuelle Hinweise zum Thema Kreationismus und ID
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3 ... 6, 7, 8 ... 152, 153, 154  Weiter
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Wissenschaft und Technik
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
AlexDorfner
Profillos



Anmeldungsdatum: 27.05.2005
Beiträge: 208

Beitrag(#305783) Verfasst am: 17.06.2005, 21:44    Titel: Antworten mit Zitat

Lieber unbekannter Gott,

ich wollte ja nur wissen, was an der Evolutionstheorie - wie der Kollege Neukamm schreibt - "antichristlich" sei. Das hat mir aber noch keiner erklären können.


Sehr geehrter Herr Schädel,

die Abiogenese wäre - so man diese für wahrscheinlich hält - ein Detail der Evolution und interessiert hier nicht wirklich. Im übrigen macht auch diese keine Aussage über irgendeinen Schöpfungsakt inwiefern sollte die denn dann in irgendeinem Gegensatz zum Kreationismus stehen?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#307733) Verfasst am: 23.06.2005, 17:09    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo zusammen,

Wer sich für den sogenannten "kosmologischen Gottesbeweis" sowie für die Kritik daran interessiert, wird auf der Homepage der Giordano-Bruno-Stiftung gut bedient. Dort finden sich jeweils zwei Beiträge des Theisten W.L. Craig sowie des Religionskritikers M. Schmidt-Salomon, die sich am 26.04. an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität diesbezüglich einen interessanten Schlagabtausch geliefert haben:

http://giordano-bruno-stiftung.de/Archiv/existgott.html




Die Beiträge sind nicht nur aus kosmologischer Perspektive überaus interessant, sondern auch aufgrund der von Craig in die Debatte eingebrachten moralphilosophischen Aspekte. Nach meiner Einschätzung hat Schmidt-Salomon Craigs Argumente sehr eloquent widerlegt, auch wenn Craig in der neuesten Informations-Broschüre von "Wort-und-Wissen" erwartungsgemäß eine "streng logische" Argumentation bescheinigt wurde:

http://www.wort-und-wissen.de/index2.php?artikel=i05-2

Zuguterletzt möchte ich noch auf meinen eigenen Kurzbeitrag zum Thema "kosmologischer Gottesbeweis" hinweisen. Der Text ist Bestandteil einer älteren Arbeit (www.martin-neukamm.de/kreation.pdf), der nun unter Berücksichtigung der neueren Entwicklungen geringfügig überarbeitet worden ist:

http://www.martin-neukamm.de/kosmgott.html

Grüße

Martin
_________________
"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Yamato
Teeist



Anmeldungsdatum: 21.08.2004
Beiträge: 4548
Wohnort: Singapore

Beitrag(#307745) Verfasst am: 23.06.2005, 17:41    Titel: Antworten mit Zitat

Sehr interessant.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#307776) Verfasst am: 23.06.2005, 18:57    Titel: Antworten mit Zitat

Hier ein kleiner Ausschnitt aus Schmidt-Salomons 2. Replik:

Schmidt-Salomon hat folgendes geschrieben:
[...]

Craigs Schlussfolgerung..., dass das Universum, weil es nicht notwendig sei, eine externe, transzendente und persönliche Ursache haben müsse, ist nicht nur empirisch problematisch, sondern logisch fehlerhaft. Warum? Weil in seiner Ausgangsthese nur von externen Ursachen die Rede war, keineswegs von transzendenten oder gar personalen. Logisch fehlerfrei hätte er nur schließen dürfen, dass das Universum, wenn es nicht in sich selbst begründet wäre, eine oder mehrere externe Ursachen hat. Über die Art dieser Ursachen ist damit noch nichts ausgesagt. Denkbar wäre beispielsweise eine rein natürliche Ursache, ebenso gut könnte das Universum aber auch auf das Wirken einer transzendenten, aber unpersönlichen Kraft (beispielsweise dem eigenschaftslosen Gott der Mystiker) zurückgeführt werden.

Die Annahme eines personalen Ursprungs, den Craig voraussetzt, ist zwar möglich, aber logisch nicht zwingend. Ja, selbst wenn wir spaßeshalber einen Moment lang von einem personalen Verursacher des Universums ausgehen, so heißt dies keineswegs, dass dieser notwendigerweise mit dem christlichen Gott assoziiert werden müsste. Hier bieten sich die von Craig weniger geschätzten 500.000 alternativen Gottesvorstellungen als ebenso sinnvolle oder sinnlose Erklärungsmöglichkeiten an. Mehr noch: Man könnte auf der Basis der Hypothese der personalen Verursachung auch spekulieren, dass wir unsere Existenz nicht irgendeinem Gott verdanken, sondern einer zwar technologisch weit entwickelten, aber keineswegs allmächtigen, biologischen Spezies, die aus purer Experimentierfreude heraus eine virtuelle Welt programmiert hat, welche wir, die wir Teile dieses virtuellen Programms sind, als unseren natürlichen Kosmos erleben. 2 Auch wenn ich selbst diese Theorie nicht vertrete, meine ich, dass sie zumindest für Science-Fiction-Fans mehr Plausibilität für sich beanspruchen kann als die altbackene, theistische Variante, die Dr. Craig vorgeschlagen hat.


http://giordano-bruno-stiftung.de/Archiv/existmss2.pdf Teufel
_________________
"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
annox
Grim Reaper



Anmeldungsdatum: 30.05.2004
Beiträge: 5800
Wohnort: Berlin

Beitrag(#307829) Verfasst am: 23.06.2005, 21:42    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe die Redebeitraege mit grossem Interesse gelesen. Es ist ein sehr anschauliches Beispiel dafuer, wie hakenschlagend Kreationisten zu argumentieren versuchen. Hinsichtlich der von Herrn Schmidt-Salomon geaeusserten Ueberlegung, wie sinnvoll es sei jemanden von seiner Religiositaet durch Argumention abbringen zu wollen, zu der er gar nicht durch Argumention gekommen ist, gefaellt mir sein Fazit besonders gut. Vielleicht hat es dem einen oder anderen Glaeubigen zumindest einen Denkanstoss versetzt.

MSS hat folgendes geschrieben:
Positiv gewendet: Wenn wir auf den Glauben an ein imaginäres Alphamännchen
namens Gott verzichten könnten, hätte dies enorme Vorteile: Wir wären nicht nur in
der Lage, ein intellektuell redliches Weltbild zu entwickeln, das dem Stand unserer
wissenschaftlich-technischen Entwicklung entspricht, endlich wäre auch der Weg frei
für die längst überfällige Konversion von der religiösen Überheblichkeit hin zum
schlichten Menschsein. Wir würden uns nicht mehr als Christen, Juden, Muslime,
Buddhisten, Hindus oder Atheisten gegenübertreten, sondern als freie,
gleichberechtigte Mitglieder jener affenartigen Spezies, die sich selbst in einem
Anflug von Hochnäsigkeit den Namen Homo sapiens sapiens („der weise, weise
Mensch“) gab.
Bislang haben wir diesem edlen Speziesnamen kaum Ehre erwiesen. Der Abschied
von der Gotteshypothese, mit der wir uns wichtiger machen wollten, als wir es
eigentlich sind, wäre hierfür ein notwendiger, wenn auch nicht hinreichender, erster
Schritt.

_________________
Ich bin jenes Pferd, das unter der Peitsche der Kutscher den Wagen voller Gesindel hinter sich her ziehen muss.
[Sadegh Hedayat]
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden ICQ-Nummer
Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#309155) Verfasst am: 27.06.2005, 14:54    Titel: Antworten mit Zitat

Hi,

auch Genesisnet ist aktiv und hat wieder zwei "Neue Artikel zur Schöpfungslehre und zur Grundtypenbiologie" eingestellt:




Der erste Aufsatz ist ein fundamentalistisch-theologischer Text, der sich mit dem alles bewirkenden Gott beschäftigt und hierdurch eine "schöpfungsorientierte Wissenschaft" begründen möchte. Natürlich ist eine solchermaßen vorgenommene Exegese schon allein wegen des Theodizee-Problems und einem daraus folgenden "credo quia absurdum" untauglich.

Reinhard Junker sollte sich doch eher mal über folgendes Gedanken machen und resümieren, wie sich so ein echter freier Wille begründet werden kann (Ein von Gott unabhängiger freier Wille muss zum einen wegen der freien Entscheidung zwischen Gut und Böse vorhanden sein und begründet damit die Eigenverantwortlichkeit des Menschen, zum anderen besteht alles durch ihm und für ihn (auch das Böse!) und damit kann es keinen echten freien Willen und auch keine Eigenverantwortlichkeit geben):


Paulus, Kolosser 1,15-17 (Elberfelder Bibel) hat folgendes geschrieben:
1,15 Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung.
1,16 Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten oder Mächte: alles ist durch ihn und für ihn geschaffen;
1,17 und er vor allem, und alles besteht durch ihn.


Kleine kreationistische Stichelei am Rande: Hat Gott auch den Zufall geschaffen?!


Und was für Sperlinge und Haare gilt, gilt dann doch auch für Verleugnung und Hölle, schließlich hat doch lt. Römer 9,19 der Töpfer die Vollmacht über den Ton:


Matthäus 10,26-39 (Elberfelder Bibel) hat folgendes geschrieben:
10,26 Fürchtet euch nun nicht vor ihnen. Denn es ist nichts verdeckt, was nicht aufgedeckt, und nichts verborgen, was nicht erkannt werden wird.
10,27 Was ich euch sage in der Finsternis, redet im Licht, und was ihr ins Ohr [geflüstert] hört, ruft aus auf den Dächern.
10,28 Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen; fürchtet aber vielmehr den, der sowohl Seele als Leib zu verderben vermag in der Hölle.
10,29 Werden nicht zwei Sperlinge für ein paar Pfennige verkauft? Und nicht einer von ihnen wird auf die Erde fallen ohne euren Vater.
10,30 Bei euch aber sind selbst die Haare des Hauptes alle gezählt.
10,31 Fürchtet euch nun nicht; ihr seid vorzüglicher als viele Sperlinge.
10,32 Jeder nun, der mich vor den Menschen bekennen wird, den werde auch ich bekennen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist.
10,33 Wer aber mich vor den Menschen verleugnen wird, den werde auch ich verleugnen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist.
10,34 Meint nicht, daß ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.
10,35 Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter;
10,36 und des Menschen Feinde [werden] seine eigenen Hausgenossen [sein].
10,37 Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig;
10,38 und wer nicht sein Kreuz aufnimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig.
10,39 Wer sein Leben findet, wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden.



Da ich schon mal dabei bin:


Johannes 1,1-5 (Elberfelder Bibel) hat folgendes geschrieben:
1,1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
1,2 Dieses war im Anfang bei Gott.
1,3 Alles wurde durch dasselbe, und ohne dasselbe wurde auch nicht eines, das geworden ist.
1,4 In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.
1,5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfaßt.


Hier gefällt mir die alternative Formulierung "Im Anfang war der Logos" wesentlich besser, denn: Hat auch hier Gott die Finsternis geschaffen oder nicht?


Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
Für eine bibelorientierte Wissenschaft gilt [...], dass die Aussagen der Heiligen Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien haben [...].



Wen wundert es da noch, wenn das Lesen in der Bibel nicht auch als Empirie aufgefasst wird? Exegese und Hermeneutik sind offenbar nicht das Ding von Reinhard Junker. Wie begründet er dann aber eine solchermaßen willkürliche Setzung??? Na ja, solange er nicht mit dem Schwert kommt ... .








Von der "kurzen Erdgeschichte von einigen Jahrtausenden" nun zum nächsten Aufsatz bezüglich einer Grundtypenbiologie:

Hier zunächst ein Link der zu einem anderen Aufsatz führt und in dem nun vollmundig behauptet wird (letzter Abschnitt): Aussterben von Arten steht in keiner Weise dem Grundtypmodell entgegen.

Dem ist nicht so - entsprechende Schlußfolgerungen werden allein schon vom ökologischen Argument verwehrt: Wieviele Arten müssen ausgerottet werden, damit in direkter Folge alle Arten aussterben?

Mit der Formulierung von "Lücken zwischen benachbarten Grundtypen" hat Reinhard Junker einen ziemlichen Lapsus begangen, denn: Was genau nur meint er hier mit Nachbarschaft - auch anatomische Ähnlichkeiten sind doch in diesem Diktum nur Konvergenzen?

"Lücken" schwächen auch dann nicht die Plausibilität einer Evolutionstheorie, wenn diese systematisch (???) auftreten - es gibt schlicht innerhalb von Keimbahnen keine "Lücken". Allerdings liefert die Populationsbiologie die entsprechenden Antworten, warum es zu entsprechenden Clustern kommt und die es letztlich möglich machen, überhaupt Taxa zu konstruieren. Eigentlich traue ich es Reinhard Junker zu, herauszufinden, warum sich die Spezies im Zeitablauf nicht kontinuierlich und gleichförmig auseinander entwickeln. Sicher wird es in ferner Zukunft religiös motivierte Historiker geben, die analog das "plötzliche" massive Auftreten des Computers aus gewissen Gründen als Beleg eines übernatürlichen Einflusses auffassen ... .

Eigentlich ist Reinhard Junkers Auffassung zum Grundtyp nur ein simplifizierender Artbegriff (sozusagen der Biologische Artbegriff ohne Population). Wenn aber - wie hier - Kreuzungen über Mittler zugelassen werden, gäbe es in einer ebenso simplifizierten Evolutionstheorie auch nur einen einzigen Grundtyp ... .

Das ist ziemlich lustig im Zusammenhang mit dieser Aussage:


Genesisnet hat folgendes geschrieben:
• Würden sich keine Gruppen von Lebewesen bei Anwendung des Grundtypkriteriums abgrenzen lassen, wäre das Grundtypkonzept falsifiziert.


Und wie ist das nun mit asexuellen Arten? - Also: Auch hier besser die Keimbahn betrachten. Dann müsste der Big Creator auch die ersten Gensequenzen zufällig (! zwinkern ) zusammengesetzt haben. Die Sequenzen lassen sich aber ohne große theoretische Probleme ineinander überführen - auf Sequenzebene gibt es eben keine Grundtypen (Stichwort: Horizontaler Gentransfer). Und damit auch sonst nicht ... .

Immerhin nennt Reinhard Junker an anderen Stellen den Terminus "genetisch polyvalente Stammform". Der Allmächtige hat also Grundtypen geschaffen, die im Laufe der Zeit zwecks Spezialisierung einen Variabilitätsverlust durch Artbildung erleiden. Wohlgemerkt: Eine Degeneration ist systemimmanent und führt so als genetische Sollbruchstelle unausweichlich zum Aussterben! Und selbst wenn nur ein Bruchteil auf diese Weise ausstirbt, so werden diese Ereignisse (s. o.: "Ökologisches Argument") den ganzen Rest unweigerlich mit sich reißen. Bei den gegebenen Mutationsraten ökologisch besonders relevanter Organismen müssten hierzu Größenordnungen von 100 Jahren locker genügen - aber nur keine Angst, die Apokalypse wird schon nicht ausfallen:

Schließlich gibt der Schöpfer in seinem per definitionem nicht nachvollziehbaren Ratschluss bei nutzungsgerechtem Gebrauch mindestens 6000 Jahre Garantie auf das globale Ökosystem - Grundtypen sind allerdings vom Umtausch ausgeschlossen ... .


Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#309176) Verfasst am: 27.06.2005, 15:45    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:

[ ... ]

Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
Für eine bibelorientierte Wissenschaft gilt [...], dass die Aussagen der Heiligen Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien haben [...].



Wen wundert es da noch, wenn das Lesen in der Bibel nicht auch als Empirie aufgefasst wird? Exegese und Hermeneutik sind offenbar nicht das Ding von Reinhard Junker. Wie begründet er dann aber eine solchermaßen willkürliche Setzung??? Na ja, solange er nicht mit dem Schwert kommt ... .


ich denke, dass er das schon 'begründet': _wenn_ die Bibel das Wort Gottes ist ...

Junker hat den Artikel inzwischen zwar überarbeitet, aber das, was ich schon vor ein paar Jahren aufgezeigt habe, scheint mir immer noch zu gelten.

[ ... ]

Deine Einwände teile ich auch. Der für mich schlüssigste Einwand ist aber die Diskrepanz zum Fossilbefund. Das Grundtypmodell von Junker geht explizit von einer Schöpfungswoche aus. Der Fossilbefund zeigt aber, dass die Lebensformen _nacheinander_ entstanden sind. Selbst wenn es so etwas wie 'Grundtypen' gäbe (warum sollte das Kreuzungskriterium nicht auf Familienebene gelten, die Organismen sind dann eben nicht mehr so sehr verwandt, dass deren DNA noch eine Embryogenese in Gang setzen kannn), wäre das für Junkers Weltbild ohne Belang.

Ich hätte aber noch eine kurze Verständnisfrage. Warum folgt aus populationsgenetischen Berechnungen, dass der Morphospace geclustert ist? Ich dachte immer, dass Anagenese, also die Evolution, wie Darwin sie sich vorstellte, und Cladogenese eher schwer unter einen Hut zu bringen sind? Schon Dobzhansky ist das in seinem 'Klassiker' aufgefallen.
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#309433) Verfasst am: 28.06.2005, 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Ich hätte aber noch eine kurze Verständnisfrage. Warum folgt aus populationsgenetischen Berechnungen, dass der Morphospace geclustert ist? Ich dachte immer, dass Anagenese, also die Evolution, wie Darwin sie sich vorstellte, und Cladogenese eher schwer unter einen Hut zu bringen sind? Schon Dobzhansky ist das in seinem 'Klassiker' aufgefallen.


Vielleicht, weil es neben rein "phyletischer" Speziation auch so etwas wie "Artspaltung" bzw. "Kladogenese" gibt? Wahlweise könnte man auch auf "Heterobathmie" sowie auf die Tatsache verweisen, daß das epigenetische System und die von ihm ausgehenden, konstruktiven Zwänge eine kontinuierliche und gleichförmige Entwicklung gar nicht zulassen. zwinkern

Edit P.S.: BTW, hier eine Quelle, die Du sicher auch kennst:

Zitat:
Beim Wechsel in eine neue adaptive Zone steht eine Struktur oder ein Strukturkomplex unter besonders strengem Selektionsdruck (...) Daraufhin evoluiert diese Struktur oder dieser Komplex besonders schnell, während andere zurückbleiben. Das Resultat ist nicht ein stetiger und harmonischer Wandel aller Teile des 'Typus', wie die idealistische Biologie sich das einbildet, sondern weit mehr eine Mosaikevolution. Jeder evolutive Typus ist ein Mosaik primitiver und fortschrittlicher Merkmale, von allgemeinen und spezialisierten Zügen.


Mayr, E. (1967): Artbegriff und Evolution. Berlin, Hamburg, S. 465 f.
_________________
"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#309440) Verfasst am: 28.06.2005, 11:11    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Ich hätte aber noch eine kurze Verständnisfrage. Warum folgt aus populationsgenetischen Berechnungen, dass der Morphospace geclustert ist? Ich dachte immer, dass Anagenese, also die Evolution, wie Darwin sie sich vorstellte, und Cladogenese eher schwer unter einen Hut zu bringen sind? Schon Dobzhansky ist das in seinem 'Klassiker' aufgefallen.


Vielleicht, weil es neben rein "phyletischer" Speziation auch so etwas wie "Artspaltung" oder "Kladogenese" gibt? Wahlweise könnte man auch auf "Heterobathmie" oder auf die Tatsache verweisen, daß das epigenetische System und seine Zwänge eine kontinuierlich und gleichförmig Entwicklung gar nicht zulassen. :wink:


auch wenn ich 'Cladogenese' geschrieben habe, bedeutet das nicht, dass mir es weiterhilft, wenn Du mich auf Kladogenese und Artaufspaltung hinweist. Ich fragte eigentlich nach _populationsgenetischen_ Berechnungen, weil Lamarck diese angeführt hatte.

BTW, wie entscheidest Du bei der rein "phyletischen" Speziation, ob zwei Arten vorliegen? Wird da möglicherweise sogar eine kontinuierliche Entwicklung zugelassen?

[edit] Lässt Mayr nun eine kontinuierliche Entwicklung zu oder nicht?
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#309446) Verfasst am: 28.06.2005, 11:53    Titel: Antworten mit Zitat

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
auch wenn ich 'Cladogenese' geschrieben habe, bedeutet das nicht, dass mir es weiterhilft, wenn Du mich auf Kladogenese und Artaufspaltung hinweist. Ich fragte eigentlich nach _populationsgenetischen_ Berechnungen, weil Lamarck diese angeführt hatte.


War hier irgendwo von populationsgenetischen Berechnungen die Rede?


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
BTW, wie entscheidest Du bei der rein "phyletischen" Speziation, ob zwei Arten vorliegen?


Das kommt darauf an, welchen Artbegriff man zugrundelegt.

[P.S.: Würde man nur die Definition der Genospezies akzeptieren, würde durch rein phyletische Evolution keine neuen Arten entstehen. Aber das scheint mir eine andere Frage zu sein, als die, die Lamarck bezüglich Junker aufgeworfen hatte.]


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Wird da möglicherweise sogar eine kontinuierliche Entwicklung zugelassen?


Das kommt darauf an, was Du unter "kontinuierlicher Entwicklung" verstehst. Daß es so etwas wie "phyletische Speziation" gibt, bestreitet vermutlich niemand. Die Frage ist hier aber doch, ob es so etwas wie ein Formkontinuum gibt bzw. geben kann. Davon scheint zumindest Mayr nicht auszugehen.
_________________
"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#309450) Verfasst am: 28.06.2005, 12:17    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
auch wenn ich 'Cladogenese' geschrieben habe, bedeutet das nicht, dass mir es weiterhilft, wenn Du mich auf Kladogenese und Artaufspaltung hinweist. Ich fragte eigentlich nach _populationsgenetischen_ Berechnungen, weil Lamarck diese angeführt hatte.


War hier irgendwo von populationsgenetischen Berechnungen die Rede?


stimmt. Lamarck hatte von 'Populationsbiologie' geredet. Ich dachte, das gehe in Richtung Populationsgenetik, weil Lamarck sich AFAIK mit Modellierungen befasst. Kann sein, dass ich das falsch interpretiert habe.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
BTW, wie entscheidest Du bei der rein "phyletischen" Speziation, ob zwei Arten vorliegen?


Das kommt darauf an, welchen Artbegriff man zugrundelegt.


Danke, das hilft mir weiter.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Wird da möglicherweise sogar eine kontinuierliche Entwicklung zugelassen?


Das kommt darauf an, was Du unter "kontinuierlicher Entwicklung" verstehst.


Auch das scheint mir eine klare Antwort zu sein.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Daß es so etwas wie "phyletische Speziation" gibt, bestreitet vermutlich niemand.


Kennst Du beispielsweise

Reif, W.-E. (2005) 'Problematic issues of cladistics: 7. Theseus' ship and the temporal demarcation of species' N. Jb. Geol. Paläont. Abh. 235:19-49

Die Frage ist auf der einen Seite, ob es die 'gibt', allerdings auch, wie man die erkennt.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist nur, ob es so etwas wie ein Formkontinuum gibt bzw. geben kann. Davon scheint zumindest Mayr nicht auszugehen.


Schwer zu sagen.

Es gibt auch ältere Arbeiten von Mayr und 'Formenkontinuum' ist ein weites Feld. Zurzeit der evolutionären Synthese waren es vor allem Systematiker, oft Ornithologen, die, im Gegensatz zu den Genetikern, betonten, wie schwer es im konkreten Fall sein kann, zu entscheiden, ob ein Tier noch zu der einen oder schon zu der anderen Art gehört, eben weil die Formen kontinuierlich ineinander übergehen ('Cline', eventuell auch Rassenkreise).

Natürlich kann man sich die Frage stellen, ob das auch mit Taxa höheren Rangs der Fall sein könnte. Mayr hat das beispielsweise anhand der Stammformen für Säuger und Reptilien dargestellt und eher amüsiert angemerkt, dass es Systematiker gäbe, die für diese Wesen ein eigenes Taxon einführen wollten, eben weil der Übergang so kontinuierlich sei.
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#309758) Verfasst am: 29.06.2005, 11:09    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Der erste Aufsatz ist ein fundamentalistisch-theologischer Text, der sich mit dem alles bewirkenden Gott beschäftigt und hierdurch eine "schöpfungsorientierte Wissenschaft" begründen möchte. Natürlich ist eine solchermaßen vorgenommene Exegese schon allein wegen des Theodizee-Problems und einem daraus folgenden "credo quia absurdum" untauglich.


ACK. Diese Aussage ist der wissenschaftliche Offenbarungseid:

Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
Für eine bibelorientierte Wissenschaft gilt – auch angesichts enormer Probleme –, dass die Aussagen der Heiligen Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien haben, auch wenn diese gut durch Daten gestützt zu sein scheinen.


In einer Wissenschaft ist jeder Satz, jede einzelne Aussage im Prinzip revidierbar. Das trifft auf Religionen nicht zu - hier gilt das Prinzip der "Offenbarung". Weshalb Junker trotz allem noch von "Wissenschaft" spricht, entbirgt sich mir nicht. Er hat zwar versucht, der dogmatischen Abschottung biblischer Glaubensstandpunkte gegen Widerlegung in einer Arbeit über die Methodologie von Lakatos eine rationale Begründung zu verleihen. Allerdings habe ich ihm ausführlich an dieser Stelle erläutert, weshalb der Rekurs auf Lakatos nur eine schiefe Angelegenheit sein kann. Wie Du Dir vorstellen kannst, läßt die Reaktion bis heute auf sich warten. zwinkern


Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
Die relevanten biblischen Texte über die Schöpfung und über andere Taten Gottes dürfen dabei nicht von textfremden Instanzen ausgehend interpretiert werden: weder von evolutionistisch noch von kreationistisch geprägten. Die biblischen Texte müssen zuerst für sich selbst sprechen, ohne dabei sofort naturkundliche Sachverhalte in den Blick zu nehmen (so gut das geht).


Auch hier stellt sich die Frage, ob ein Text "für sich selbst sprechen" kann, wenn man es mit der Wissenschaft ernst nimmt. Gibt es so etwas wie eine "Selbstevidenz" (biblischer) Daten überhaupt? Oder ist nicht auch Junker auf vielerlei Deutungen angewiesen, um die Bibel "richtig" zu verstehen? Wenn ja, welchen Sinn macht hier also das Insistieren auf eine "wörtliche" Bibelauslegung?


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Von der "kurzen Erdgeschichte von einigen Jahrtausenden" nun zum nächsten Aufsatz bezüglich einer Grundtypenbiologie:

Hier zunächst ein Link der zu einem anderen Aufsatz führt und in dem nun vollmundig behauptet wird (letzter Abschnitt): Aussterben von Arten steht in keiner Weise dem Grundtypmodell entgegen.

Dem ist nicht so - entsprechende Schlußfolgerungen werden allein schon vom ökologischen Argument verwehrt: Wieviele Arten müssen ausgerottet werden, damit in direkter Folge alle Arten aussterben?


Wie gesagt, das Argument wirkt nicht so mächtig, wenn man sich die "gestauchten" Zeitskala der Kreationisten vor Augen hält. Dasselbe gilt, wenn die "Polyvalenz" der Stammarten entsprechend groß war. Ich sehe hier eher ein anderes Problem:


Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
selbstverständlich gehört das Potential zur Ausprägung von „Schmuckstücken" wie Schillerfarben, Krönchen, Pfauenauge und dergleichen zum ursprünglichen Bestand der polyvalenten Stammform des Fasanenartigen-Grundtyps! Um dieses Potential auszuschöpfen, spielen Mutation, Selektion und Gendrift sicher auch eine wichtige Rolle, aber kaum die einzige. Polyvalenz schließt auch das Mutationspotential ein (...)

Nach dem Grundtypkonzept besaß der gemeinsame Vorfahre dieses Merkmal (Polyvalenz), was allerdings nicht bedeutet, dass es phänotypisch ausgeprägt sein musste.


Wenn also sämtliche "Schmuckstücke" (oder sollten wir besser sagen: "Neuheiten") des Fasanengrundtyps in einer Stammart vereint, dort allerdings (noch!) nicht phänotypisch ausgeprägt waren, bedeutet das nichts anderes, als daß die Gene in irgend einer kryptischen Form vorlagen und sich erst nach und nach evolutionär "entfalteten". Streng genommen hat also der Schöpfer in der Stammart nicht alle Qualitäten, sondern nur "Prädispositionen" geschaffen, aus denen dann durch Mutation, Selektion und Rekombination die "passenden" Phänotypen zusammengewürfelt wurden. Hier muß man sich dann fragen, ob Kreationisten nicht mehr Evolution zubilligen, als sie eigentlich möchten, denn ein Prozeß, demzufolge Merkmale (wie Pfauenfedern) aus mehr oder minder unspezifischen Vorläufergenen "zusammengetinkert" werden müssen, erinnert verdächtig an die Voraussetzungen, auf die sich auch Evolutionsbiologen bei der Emergenz qualitativer Neuheiten berufen.

Grundtyp-Grenzen hin oder her: Die Ausprägung von "Schmuckstücken" auf der Basis unspezifischer Vorläufergene wäre ja schon die Enstehung qualitativer Neuheit (sprich: "Makroevolution"), die hier eigentlich infragegestellt werden sollte. Da hilft Junker auch die spitzfindige Unterscheidung zwischen einer "Neuheit" und einer "echten Neuheit" nichts, denn jeder evolutionäre Prozeß kann grundsätzlich nur aus dem vorhandenen Genbestand schöpfen! (Oder handelt es sich bei einem Bleikern etwa nicht um eine "echte Neuheit", nur weil er sich aus einem zuvor existenten Urankern gebildet hat?) Geschockt

Wie dem auch sei, hier deutet sich zumindest an, daß Makroevolution im Prinzip sowohl mit dem "Grundtyp-Modell", als auch mit dem biblischen Schöpfungsverständnis (quasi als sekundäre Fortentwicklung der Schöpfung) vereinbar ist. Man fragt sich also auch hier wieder, was eigentlich die Schöpfung zum Verständnis der empirischen Wirklichkeit beiträgt und warum überhaupt die Schöpfungsthese von einer mutmaßlichen Bestätigung des Grundtypmodells profitieren sollte!


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Mit der Formulierung von "Lücken zwischen benachbarten Grundtypen" hat Reinhard Junker einen ziemlichen Lapsus begangen, denn: Was genau nur meint er hier mit Nachbarschaft - auch anatomische Ähnlichkeiten sind doch in diesem Diktum nur Konvergenzen?

"Lücken" schwächen auch dann nicht die Plausibilität einer Evolutionstheorie, wenn diese systematisch (???) auftreten - es gibt schlicht innerhalb von Keimbahnen keine "Lücken". Allerdings liefert die Populationsbiologie die entsprechenden Antworten, warum es zu entsprechenden Clustern kommt und die es letztlich möglich machen, überhaupt Taxa zu konstruieren. Eigentlich traue ich es Reinhard Junker zu, herauszufinden, warum sich die Spezies im Zeitablauf nicht kontinuierlich und gleichförmig auseinander entwickeln.


Das Problem ist halt, daß Junkers Scheuklappen entsprechende Überlegungen nicht zulassen. Wenn er zugeben würde, daß aufgrund konstruktiver Zwänge im epigenetischen System nur bestimmte, diskrete Phanotypen existieren können, würde er der Evolutionstheorie eine gewisse Plausibilität attestieren. Das siehst Du schon daran, wie Junker in dem genannten Artikel mit dem Begriff "constraints" als evolutionsbiologische Erklärung umspringt. Das Putzige daran ist, daß doch gerade Antievolutionisten wie Junker nimmer müde werden, sich im Zusammenhang mit der "irreduziblen Komplexität" auf solche konstruktiven Zwänge zu berufen, um somit der Makroevolution einen Riegel vorzuschieben... Mr. Green


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Sicher wird es in ferner Zukunft religiös motivierte Historiker geben, die analog das "plötzliche" massive Auftreten des Computers aus gewissen Gründen als Beleg eines übernatürlichen Einflusses auffassen ... .


Nein, aber als Beleg für einen "intelligenten" Eingriff. Du vergißt, daß die Anhänger einer Schöpfungstheorie gerne mit dem Transnaturalen hinter dem Berg halten und sich lieber auf "intelligente Ursachen" berufen, um dem ganzen eine Scheinrationalität zu verleihen zwinkern


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Eigentlich ist Reinhard Junkers Auffassung zum Grundtyp nur ein simplifizierender Artbegriff (sozusagen der Biologische Artbegriff ohne Population). Wenn aber - wie hier - Kreuzungen über Mittler zugelassen werden, gäbe es in einer ebenso simplifizierten Evolutionstheorie auch nur einen einzigen Grundtyp ... .

Das ist ziemlich lustig im Zusammenhang mit dieser Aussage:


Genesisnet hat folgendes geschrieben:
• Würden sich keine Gruppen von Lebewesen bei Anwendung des Grundtypkriteriums abgrenzen lassen, wäre das Grundtypkonzept falsifiziert.


Stimmt. Zwar lassen sich Arten, die kreuzbar sind, eindeutig einem Grundtyp zuordnen, aber aus der Unmöglichkeit ihrer Kreuzung folgt nicht, daß sie nicht doch einem gemeinsamem Grundtyp angehören. Aufgrund der hier vorliegenden Begründungsasymmetrie wird man das GT-Modell schwerlich zu Fall bringen können. Kutschera hatte dies am eigenen Leib erfahren.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Immerhin nennt Reinhard Junker an anderen Stellen den Terminus "genetisch polyvalente Stammform". Der Allmächtige hat also Grundtypen geschaffen, die im Laufe der Zeit zwecks Spezialisierung einen Variabilitätsverlust durch Artbildung erleiden. Wohlgemerkt: Eine Degeneration ist systemimmanent und führt so als genetische Sollbruchstelle unausweichlich zum Aussterben! Und selbst wenn nur ein Bruchteil auf diese Weise ausstirbt, so werden diese Ereignisse (s. o.: "Ökologisches Argument") den ganzen Rest unweigerlich mit sich reißen. Bei den gegebenen Mutationsraten ökologisch besonders relevanter Organismen müssten hierzu Größenordnungen von 100 Jahren locker genügen


Wenn Du das auf der Basis entsprechender Berechnungen aufzeigen könntest, wäre das sicher ein gutes Argument. Ich fürchte nur, daß ein Kreationist Deine Prämissen nie anerkennen wird zwinkern

Grüße

Martin
_________________
"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#309761) Verfasst am: 29.06.2005, 11:25    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Zwar lassen sich Arten, die kreuzbar sind, eindeutig einem Grundtyp zuordnen, aber aus der Unmöglichkeit ihrer Kreuzung folgt nicht, daß sie nicht doch einem gemeinsamem Grundtyp angehören. Aufgrund der hier vorliegenden Begründungsasymmetrie wird man das GT-Modell schwerlich zu Fall bringen können. Kutschera hatte dies am eigenen Leib erfahren.


worauf spielst Du an? Meinst Du

Kutschera, U. (2003) 'Biologischer Artbegriff und Grundtypen-Modell' PdN-Bio 52 (8):31-34

?
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#310129) Verfasst am: 30.06.2005, 10:38    Titel: Antworten mit Zitat

Zwra nur peripher, aber ich denke, solche Berichte tragen stark zu der denkweise bei, auf die der Kreationismus schlussendlich aufbaut.
http://www.bildblog.de/?p=664
_________________
Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#310735) Verfasst am: 02.07.2005, 15:35    Titel: Antworten mit Zitat

Hi AlexDorfner!

AlexDorfner hat folgendes geschrieben:
Ähnlichlautende Behauptungen liest man nun auch häufig aus der evolutionistischen Ecke. Nur das Vokabular ist anders. Da ist von "Höherentwicklung" und ähnlichem pseudowissenschaftlichen Kram die Rede. Brauchen Sie nur mal z.B. bei F.Engels nachschauen. Da wird dann am Ende noch eine sozio-kulturelle Evolution unterstellt, die natürlich - wie sollte es anders sein nur zu einer friedliebenden sozialen Gesellschaft führen kann, womit wir dann die messianische Erlösung dann auch noch frei Haus mitgeliefert kriegen.
Wenn Sie derartige Spinnereien als substantiellen Widerspruch zur Evolutionstheorie werten, dann können Sie auch gleich 90% der populärwissenschaftlichen Evolution als Kreationistengeschwätz abstempeln.


Interessante Assoziationen ... . Statements, die sich als Höherentwicklungs-Hypothese interpretieren lassen, finden sich allerdings schon wesentlich früher:


Aristoteles hat folgendes geschrieben:
"Die Natur schreitet so allmählich von den unbeseelten zu den belebten Wesen fort, daß man bei dem stetigen Zusammenhange nicht gewahr wird, wo die Grenze der beiden Arten liegt" (Historia de animalibus, 1831, I, 588B, 4.).


Das will erst mal überwunden sein! Heute stellt sich dieses nur als falsch gewählte Prämisse vor teleologischem Hintergrund dar. Evolution ist aber kein Vorgang, der zielgerichtet hin zu einer – wie auch immer gearteten - Höherentwicklung verläuft. Aber natürlich laufen hier und dort populärwissenschaftliche Darstellungen neueren Erkenntnissen deutlich hinterher.

Vom Begriff der Höherentwicklung ist es dann auch nicht mehr weit bis zum Begriff der Vervollkommnung – dabei müssten diese Begriffe doch auch erst einmal näher spezifiziert werden – da zeigt sich schnell ein gewisser Anthropozentrismus.

Religionen und Naturwissenschaften vertragen sich letztlich nur, wenn Du sie in gewisse Reservate setzt – ansonsten verliert hier Religion - und zwar immer! Mystik ist eben aus naturwissenschaftlicher Sicht nichts anderes als dogmatisch legitimierte Unwissendheit. Deshalb ist für den progressiv eingestellten Religiösen dies die letzte Bastion:

Credo quia absurdum


Je fundamentaler die Einstellung, desto schwerer wird dann auch jeglicher geistige Ballast und gipfelt schließlich in die naive Vorstellungswelt "kreationistischer Gauner" (O-Ton Stephen Jay Gould).


Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#310746) Verfasst am: 02.07.2005, 16:37    Titel: Antworten mit Zitat

Hi El Schwalmo!

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
[ ... ]
Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
Für eine bibelorientierte Wissenschaft gilt [...], dass die Aussagen der Heiligen Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien haben [...].

Wen wundert es da noch, wenn das Lesen in der Bibel nicht auch als Empirie aufgefasst wird? Exegese und Hermeneutik sind offenbar nicht das Ding von Reinhard Junker. Wie begründet er dann aber eine solchermaßen willkürliche Setzung??? Na ja, solange er nicht mit dem Schwert kommt ... .

ich denke, dass er das schon 'begründet': _wenn_ die Bibel das Wort Gottes ist ...


Du hast es aus einer anderen Perspektive auf den Punkt gebracht: Dem "wenn" steht doch immer auch ein "wenn nicht" dialektisch gegenüber. Reinhard Junker möchte doch sooooo gerne die Bibel wissenschaftlich sehen und versenkt sich hier mit seinem circulus vitiosus in einer Katastrophe von biblischem Ausmaß.


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Junker hat den Artikel inzwischen zwar überarbeitet, aber das, was ich schon vor ein paar Jahren aufgezeigt habe, scheint mir immer noch zu gelten.


Full ACK.


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
[ ... ] Deine Einwände teile ich auch. Der für mich schlüssigste Einwand ist aber die Diskrepanz zum Fossilbefund. Das Grundtypmodell von Junker geht explizit von einer Schöpfungswoche aus. Der Fossilbefund zeigt aber, dass die Lebensformen _nacheinander_ entstanden sind. Selbst wenn es so etwas wie 'Grundtypen' gäbe (warum sollte das Kreuzungskriterium nicht auf Familienebene gelten, die Organismen sind dann eben nicht mehr so sehr verwandt, dass deren DNA noch eine Embryogenese in Gang setzen kannn), wäre das für Junkers Weltbild ohne Belang.


Yep. Allerdings bedürfen auch Fossilien der Interpretation ("Opfer der Sintflut" etc.). Ich verstehe nicht ganz, was Du mit "Kreuzungskriterium auf Familienebene" meinst. – Was heute Familien sind, waren ehedem mal nahe Verwandte und als solche durchaus kreuzbar (so sexuell). Und die Verwandtschaft siehst Du nicht zuletzt in den Sequenzen ... .

Wenn Du unabhängige Argumentationsketten parallel fährst, ist dies natürlich entsprechend theoriestützend (Richtig, ich modelliere gerne ... .).


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Ich hätte aber noch eine kurze Verständnisfrage. Warum folgt aus populationsgenetischen Berechnungen, dass der Morphospace geclustert ist? Ich dachte immer, dass Anagenese, also die Evolution, wie Darwin sie sich vorstellte, und Cladogenese eher schwer unter einen Hut zu bringen sind? Schon Dobzhansky ist das in seinem 'Klassiker' aufgefallen.


Ziemlich trivial: Stelle Dir als entsprechendes Modell einen sich dichotom aufspaltenden Entscheidungsbaum vor – dieser driftet also kontinuierlich auseinander. Die Verwandtschaft einzelner Endpunkte könntest Du dann beispielsweise bestimmen, indem Du auf dem kürzest möglichen Weg die einzelnen Verbindungspunkte zählst. Wenn Du nun ferner Selektion simulierst und deshalb Verbindungspunkte herausschießt sowie weiters simulierst, nur etwa jedes tausende "Fossil" zu finden, erhältst Du bei der Annahme, bsw. Verwandtschaft nur über maximal zehn Verwandtschaftspunkte detektieren zu können, letztlich solitäre Inseln.


Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#310762) Verfasst am: 02.07.2005, 17:43    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wen wundert es da noch, wenn das Lesen in der Bibel nicht auch als Empirie aufgefasst wird? Exegese und Hermeneutik sind offenbar nicht das Ding von Reinhard Junker. Wie begründet er dann aber eine solchermaßen willkürliche Setzung??? Na ja, solange er nicht mit dem Schwert kommt ... .

ich denke, dass er das schon 'begründet': _wenn_ die Bibel das Wort Gottes ist ...


Du hast es aus einer anderen Perspektive auf den Punkt gebracht: Dem "wenn" steht doch immer auch ein "wenn nicht" dialektisch gegenüber. Reinhard Junker möchte doch sooooo gerne die Bibel wissenschaftlich sehen und versenkt sich hier mit seinem circulus vitiosus in einer Katastrophe von biblischem Ausmaß.


so kann man das sehen. Er versucht sich an einer Quadratur des Kreises.

[ ... ]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
[ ... ] Deine Einwände teile ich auch. Der für mich schlüssigste Einwand ist aber die Diskrepanz zum Fossilbefund. Das Grundtypmodell von Junker geht explizit von einer Schöpfungswoche aus. Der Fossilbefund zeigt aber, dass die Lebensformen _nacheinander_ entstanden sind. Selbst wenn es so etwas wie 'Grundtypen' gäbe (warum sollte das Kreuzungskriterium nicht auf Familienebene gelten, die Organismen sind dann eben nicht mehr so sehr verwandt, dass deren DNA noch eine Embryogenese in Gang setzen kannn), wäre das für Junkers Weltbild ohne Belang.


Yep. Allerdings bedürfen auch Fossilien der Interpretation ("Opfer der Sintflut" etc.). Ich verstehe nicht ganz, was Du mit "Kreuzungskriterium auf Familienebene" meinst. – Was heute Familien sind, waren ehedem mal nahe Verwandte und als solche durchaus kreuzbar (so sexuell). Und die Verwandtschaft siehst Du nicht zuletzt in den Sequenzen
.

Diese Kritik war _inner_paradigmatisch, indem ich das Grundypkriterium derer von Wort und Wissen verwendet habe: man untersucht _heute_ Kreuzungsmöglichkeiten. Wenn der letzte gemeinsame Vorfahr schon vor langer Zeit lebte, wäre es auch in unserem Weltbild unproblematisch, dass eine Kreuzung nicht mehr möglich ist, während einen das nicht wundern würde, falls das mit Wesen gelänge, deren letzter gemeinsamer Vorfahr vor kurzer Zeit gelebt hat.

Nur falls es Dich interessiert, meine Kritik habe ich in einem Vortrag bei Wort und Wissen kurz zusammengefasst. Die Bilder und Graphiken stammen aus der Präsentation von Junker, die er mir freundlicherweise vorher zur Verfügung gestellt hat.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wenn Du unabhängige Argumentationsketten parallel fährst, ist dies natürlich entsprechend theoriestützend (Richtig, ich modelliere gerne ... .).


Das verstehe ich jetzt nicht recht. Ich meinte, dass falls man die _operationale_ Definition des Grundtyps (also weder als 'geschaffene Art' noch als 'polyvalente Stammform', sondern nach dem extrem 'weichen' Kreuzungskriterium) verwendet, hat man durchaus ein gültiges Forschungsprogramm, das aber weder unser Weltbild infrage stellt, noch für das Schöpfungsmodell etwas bringt.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Ich hätte aber noch eine kurze Verständnisfrage. Warum folgt aus populationsgenetischen Berechnungen, dass der Morphospace geclustert ist? Ich dachte immer, dass Anagenese, also die Evolution, wie Darwin sie sich vorstellte, und Cladogenese eher schwer unter einen Hut zu bringen sind? Schon Dobzhansky ist das in seinem 'Klassiker' aufgefallen.


Ziemlich trivial: Stelle Dir als entsprechendes Modell einen sich dichotom aufspaltenden Entscheidungsbaum vor – dieser driftet also kontinuierlich auseinander. Die Verwandtschaft einzelner Endpunkte könntest Du dann beispielsweise bestimmen, indem Du auf dem kürzest möglichen Weg die einzelnen Verbindungspunkte zählst. Wenn Du nun ferner Selektion simulierst und deshalb Verbindungspunkte herausschießt sowie weiters simulierst, nur etwa jedes tausende "Fossil" zu finden, erhältst Du bei der Annahme, bsw. Verwandtschaft nur über maximal zehn Verwandtschaftspunkte detektieren zu können, letztlich solitäre Inseln.


Das war nicht mein Punkt. Mein Punkt war, dass Evolution à la Darwin problemlos nur mit phyletischer Evolution ohne Cladogenese funktionieren würde (Du wirst in Darwins 'Ursprung der Arten' vermutlich genauso wenig wie der Rest der Wissenschaftshistoriker eine Antwort auf die Frage, wie Arten entstehen, finden). Auch Dobzhansky fiel das auf (schau ins erste Kapitel seines Klassikers,

Dobzhansky, T. (1937) 'Genetics and the Origin of Species' New York, Columbia University Press

sehr schön hat Eldredge in

Eldredge, N. (1985) 'Unfinished Synthesis: Biological Hierarchies and Modern Evolutionary Thought' Oxford; San Francisco, Freeman

aufgezeigt). Du hast in Deinem Modell Cladogenese schon eingebaut, ich fragte danach, _warum_.

Zudem werden 'constraints' in Deinem Modell nicht berücksichtigt. Du kannst mit Deinem Modell natürlich Cluster _simulieren_, aber ist das eine Erklärung?

Grüßle

Thomas
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#310788) Verfasst am: 02.07.2005, 18:47    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Du hast es aus einer anderen Perspektive auf den Punkt gebracht: Dem "wenn" steht doch immer auch ein "wenn nicht" dialektisch gegenüber. Reinhard Junker möchte doch sooooo gerne die Bibel wissenschaftlich sehen und versenkt sich hier mit seinem circulus vitiosus in einer Katastrophe von biblischem Ausmaß.


Naja, streng genommen könnte man Junker nur dann einen Zirkelschluß vorwerfen, wenn das, was er beweisen möchte, bereits in der Prämissen auftauchen würde. Und bedenke, daß die einem Zirkelschluß vorgelagerten Prämissen auf logisch-empirischem Wege nicht zu kippen sind! Entsprechend sind natürlich alle sogenannten "Schöpfungsbelege" das Ergebnis eines "circulus vitiosus". Aber die Bibel macht ja neben Aussagen mit transzendentem Bezug auch Aussagen, die prüfbare Konsequenzen haben und die z.T. auch schon vieltausendfach widerlegt worden sind! [Edit: Man kann daher (wie dies z.B. Religionswissenschaftler tun), einen Teil der Aussagen der Bibel durchaus "wissenschaftlich" sehen.] Insofern ist natürlich folgender Cartoon (hier in meiner eigenen, eingedeutschten Version zwinkern ) ein Stück weit irreführend; beachte, daß die "kreationistische Methode" zunächst der hypothetico-deduktiven Methodik der Wissenschaft entspricht!




Das Problem sind hier also weniger die zirkulären Gottesbelege, als vielmehr die dogmatische Abschottung biblischer Hypothesen gegenüber empirische Widerlegung ("Greife auf die Ergebnisse der Wissenschaft zurück, wenn sie Dir nützen, lehne sie ab, sobald sie Deinem Dogma widersprechen"). In diesem Sinn findet der Cartoon dann doch wieder zu seiner Pointe:

http://www.martin-neukamm.de/kreation.pdf (S. 11)


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Stelle Dir als entsprechendes Modell einen sich dichotom aufspaltenden Entscheidungsbaum vor – dieser driftet also kontinuierlich auseinander. Die Verwandtschaft einzelner Endpunkte könntest Du dann beispielsweise bestimmen, indem Du auf dem kürzest möglichen Weg die einzelnen Verbindungspunkte zählst. Wenn Du nun ferner Selektion simulierst und deshalb Verbindungspunkte herausschießt sowie weiters simulierst, nur etwa jedes tausende "Fossil" zu finden, erhältst Du bei der Annahme, bsw. Verwandtschaft nur über maximal zehn Verwandtschaftspunkte detektieren zu können, letztlich solitäre Inseln.


Okay, das wäre eine Erklärung. Allerdings ist Deine Erklärung nicht vollständig, weil eben (und das bei einem "Gutmannianer" Ausrufezeichen ) die entwicklungsbiologischen Aspekte (Stichwort: developmental constraints) fehlen. Wir sind uns aber einig, daß Junker einen Pappkameraden demontiert: Die Auffassung, daß es in der evolutionären Entwicklung so etwas wie ein "Formkontinuum" geben müsse, vertritt heute längst niemand mehr. Daher verstehe ich nicht, was El Schwalmo mit der Aussage, daß "Evolution à la Darwin problemlos nur mit phyletischer Evolution ohne Cladogenese funktionieren würde", bezweckt. Wiewohl dies richtig sein mag, hat sich die Evolutionstheorie längst weiterentwickelt: selbst im Falle "phyletischer Evolution" wäre ein echtes Formkontinuum aufgrund vielfältiger "constraints" heute nicht mehr denkbar. Insofern läßt sich die "Abgrenzbarkeit der Grundtypen" auch aus Sicht der Evolutionstheorie erwarten.

Grüße

Martin
_________________
"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#310972) Verfasst am: 03.07.2005, 01:45    Titel: Antworten mit Zitat

Hi El Schwalmo!

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe nicht ganz, was Du mit "Kreuzungskriterium auf Familienebene" meinst. – Was heute Familien sind, waren ehedem mal nahe Verwandte und als solche durchaus kreuzbar (so sexuell). Und die Verwandtschaft siehst Du nicht zuletzt in den Sequenzen.

Diese Kritik war _inner_paradigmatisch, indem ich das Grundypkriterium derer von Wort und Wissen verwendet habe: man untersucht _heute_ Kreuzungsmöglichkeiten. Wenn der letzte gemeinsame Vorfahr schon vor langer Zeit lebte, wäre es auch in unserem Weltbild unproblematisch, dass eine Kreuzung nicht mehr möglich ist, während einen das nicht wundern würde, falls das mit Wesen gelänge, deren letzter gemeinsamer Vorfahr vor kurzer Zeit gelebt hat.


Okay.


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Nur falls es Dich interessiert, [...]


Aber immer ... .


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
[...] meine Kritik habe ich in einem Vortrag bei Wort und Wissen kurz zusammengefasst. Die Bilder und Graphiken stammen aus der Präsentation von Junker, die er mir freundlicherweise vorher zur Verfügung gestellt hat.


Let's Rock


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wenn Du unabhängige Argumentationsketten parallel fährst, ist dies natürlich entsprechend theoriestützend (Richtig, ich modelliere gerne ... .).

Das verstehe ich jetzt nicht recht. Ich meinte, dass falls man die _operationale_ Definition des Grundtyps (also weder als 'geschaffene Art' noch als 'polyvalente Stammform', sondern nach dem extrem 'weichen' Kreuzungskriterium) verwendet, hat man durchaus ein gültiges Forschungsprogramm, das aber weder unser Weltbild infrage stellt, noch für das Schöpfungsmodell etwas bringt.



Viel basaler: Argumentationsketten bezüglich von Evolutionsbelegen. Also:

i. Stratigrafie von Fossilien
ii. "Ökologisches Argument"
n. ...

Die Argumentationsketten zu i - n sind voneinander unabhängig, führen aber zum gleichen Ergebnis.


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Ich hätte aber noch eine kurze Verständnisfrage. Warum folgt aus populationsgenetischen Berechnungen, dass der Morphospace geclustert ist? Ich dachte immer, dass Anagenese, also die Evolution, wie Darwin sie sich vorstellte, und Cladogenese eher schwer unter einen Hut zu bringen sind? Schon Dobzhansky ist das in seinem 'Klassiker' aufgefallen.

Ziemlich trivial: Stelle Dir als entsprechendes Modell einen sich dichotom aufspaltenden Entscheidungsbaum vor – dieser driftet also kontinuierlich auseinander. Die Verwandtschaft einzelner Endpunkte könntest Du dann beispielsweise bestimmen, indem Du auf dem kürzest möglichen Weg die einzelnen Verbindungspunkte zählst. Wenn Du nun ferner Selektion simulierst und deshalb Verbindungspunkte herausschießt sowie weiters simulierst, nur etwa jedes tausende "Fossil" zu finden, erhältst Du bei der Annahme, bsw. Verwandtschaft nur über maximal zehn Verwandtschaftspunkte detektieren zu können, letztlich solitäre Inseln.

Das war nicht mein Punkt. Mein Punkt war, dass Evolution à la Darwin problemlos nur mit phyletischer Evolution ohne Cladogenese funktionieren würde (Du wirst in Darwins 'Ursprung der Arten' vermutlich genauso wenig wie der Rest der Wissenschaftshistoriker eine Antwort auf die Frage, wie Arten entstehen, finden). Auch Dobzhansky fiel das auf (schau ins erste Kapitel seines Klassikers,

Dobzhansky, T. (1937) 'Genetics and the Origin of Species' New York, Columbia University Press

sehr schön hat Eldredge in

Eldredge, N. (1985) 'Unfinished Synthesis: Biological Hierarchies and Modern Evolutionary Thought' Oxford; San Francisco, Freeman

aufgezeigt). Du hast in Deinem Modell Cladogenese schon eingebaut, ich fragte danach, _warum_.

Zudem werden 'constraints' in Deinem Modell nicht berücksichtigt. Du kannst mit Deinem Modell natürlich Cluster _simulieren_, aber ist das eine Erklärung?

Okay, dann will ich das schnell mal klarstellen: Ausgangspunkt für diese Überlegung war das antievolutionistische "Argument" bezüglich angeblicher Lücken im Fossilbericht - ich löse dies hier letztlich auf als heuristisches Problem der Verwandtschaftsdetektion im logistischen Wachstumsprozess. Genau das hätte ich Reinhard Junker eigentlich schon zugetraut. Dieses Modell ist selbstverständlich nicht hinreichend für die Erklärung von Anagenese, Cladogenese, 'constraints', genetische Drift, Müllers Ratsche etc. - aber das war hier auch nicht beabsichtigt.



Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#310975) Verfasst am: 03.07.2005, 01:52    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin!

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Du hast es aus einer anderen Perspektive auf den Punkt gebracht: Dem "wenn" steht doch immer auch ein "wenn nicht" dialektisch gegenüber. Reinhard Junker möchte doch sooooo gerne die Bibel wissenschaftlich sehen und versenkt sich hier mit seinem circulus vitiosus in einer Katastrophe von biblischem Ausmaß.

Naja, streng genommen könnte man Junker nur dann einen Zirkelschluß vorwerfen, wenn das, was er beweisen möchte, bereits in der Prämissen auftauchen würde.


Macht er:

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
Für eine bibelorientierte Wissenschaft gilt – auch angesichts enormer Probleme –, dass die Aussagen der Heiligen Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien haben, auch wenn diese gut durch Daten gestützt zu sein scheinen.


Dies lässt sich also transformieren in: Die Bibel determiniert die Wissenschaft, die ihrerseits wiederum die Bibel bestätigt.


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Und bedenke, daß die einem Zirkelschluß vorgelagerten Prämissen auf logisch-empirischem Wege nicht zu kippen sind! Entsprechend sind natürlich alle sogenannten "Schöpfungsbelege" das Ergebnis eines "circulus vitiosus". Aber die Bibel macht ja neben Aussagen mit transzendentem Bezug auch Aussagen, die prüfbare Konsequenzen haben und die z.T. auch schon vieltausendfach widerlegt worden sind! [Edit: Man kann daher (wie dies z.B. Religionswissenschaftler tun), einen Teil der Aussagen der Bibel durchaus "wissenschaftlich" sehen.] Insofern ist natürlich folgender Cartoon (hier in meiner eigenen, eingedeutschten Version zwinkern ) ein Stück weit irreführend; beachte, daß die "kreationistische Methode" zunächst der hypothetico-deduktiven Methodik der Wissenschaft entspricht!


Na ja, "zunächst" ist gut! Hypothetico-deduktiv ist es selbstverständlich vollkommen irrelevant, woher die Prämissen kommen, der wichtigste Aspekt ist hier das eingeräumte Potential zur Widerlegung - genau dies bewerkstelligt Reinhard Junker aber nicht. Aber wem erzähle ich denn das ... .


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Das Problem sind hier also weniger die zirkulären Gottesbelege, als vielmehr die dogmatische Abschottung biblischer Hypothesen gegenüber empirische Widerlegung ("Greife auf die Ergebnisse der Wissenschaft zurück, wenn sie Dir nützen, lehne sie ab, sobald sie Deinem Dogma widersprechen"). In diesem Sinn findet der Cartoon dann doch wieder zu seiner Pointe:

http://www.martin-neukamm.de/kreation.pdf (S. 11)


Der Vollständigkeit halber: Dogmatische Abschottung Es ist so, weil es so ist ... . zwinkern



Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Stelle Dir als entsprechendes Modell einen sich dichotom aufspaltenden Entscheidungsbaum vor – dieser driftet also kontinuierlich auseinander. Die Verwandtschaft einzelner Endpunkte könntest Du dann beispielsweise bestimmen, indem Du auf dem kürzest möglichen Weg die einzelnen Verbindungspunkte zählst. Wenn Du nun ferner Selektion simulierst und deshalb Verbindungspunkte herausschießt sowie weiters simulierst, nur etwa jedes tausende "Fossil" zu finden, erhältst Du bei der Annahme, bsw. Verwandtschaft nur über maximal zehn Verwandtschaftspunkte detektieren zu können, letztlich solitäre Inseln.

Okay, das wäre eine Erklärung.


Die zentrale Erklärung! Alles andere sind Derivate.


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Allerdings ist Deine Erklärung nicht vollständig, weil eben (und das bei einem "Gutmannianer" Ausrufezeichen ) die entwicklungsbiologischen Aspekte (Stichwort: developmental constraints) fehlen.


Führe die genannten Endpunkte in den Sequenzraum und baue noch einen negativ rückgekoppelten VariantenGENerator ein - jeder Numbercruncher geht dann aber in die Knie ... .


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wir sind uns aber einig, daß Junker einen Pappkameraden demontiert: Die Auffassung, daß es in der evolutionären Entwicklung so etwas wie ein "Formkontinuum" geben müsse, vertritt heute längst niemand mehr. Daher verstehe ich nicht, was El Schwalmo mit der Aussage, daß "Evolution à la Darwin problemlos nur mit phyletischer Evolution ohne Cladogenese funktionieren würde", bezweckt. Wiewohl dies richtig sein mag, hat sich die Evolutionstheorie längst weiterentwickelt: selbst im Falle "phyletischer Evolution" wäre ein echtes Formkontinuum aufgrund vielfältiger "constraints" heute nicht mehr denkbar. Insofern läßt sich die "Abgrenzbarkeit der Grundtypen" auch aus Sicht der Evolutionstheorie erwarten.


Yep. Viele Probleme hierzu haben aber ihre Ursache in der Wahl der Begrifflichkeiten bzw. der dazugehörigen Definitionen. Etwa: Wo genau findet sich bei der Cladogenese die Verzweigung? Aus diesem Grunde kennt Hennigs Kladistik wohl auch keine "anagenetische" Vorgehensweise.


Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#311011) Verfasst am: 03.07.2005, 11:06    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wenn Du unabhängige Argumentationsketten parallel fährst, ist dies natürlich entsprechend theoriestützend (Richtig, ich modelliere gerne ... .).

Das verstehe ich jetzt nicht recht. Ich meinte, dass falls man die _operationale_ Definition des Grundtyps (also weder als 'geschaffene Art' noch als 'polyvalente Stammform', sondern nach dem extrem 'weichen' Kreuzungskriterium) verwendet, hat man durchaus ein gültiges Forschungsprogramm, das aber weder unser Weltbild infrage stellt, noch für das Schöpfungsmodell etwas bringt.


Viel basaler: Argumentationsketten bezüglich von Evolutionsbelegen. Also:

i. Stratigrafie von Fossilien
ii. "Ökologisches Argument"
n. ...

Die Argumentationsketten zu i - n sind voneinander unabhängig, führen aber zum gleichen Ergebnis.


okay, da haben wir aneinander vorbei geredet. Du meintest Evolutionsbeweise, ich ein 'Grundtyp-Modell' im Rahmen der Evolutionslehre (meinethalben als cluster im Morphospace, verursacht durch constraints).


Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
[ ... ]
Du hast in Deinem Modell Cladogenese schon eingebaut, ich fragte danach, _warum_.

Zudem werden 'constraints' in Deinem Modell nicht berücksichtigt. Du kannst mit Deinem Modell natürlich Cluster _simulieren_, aber ist das eine Erklärung?

Okay, dann will ich das schnell mal klarstellen: Ausgangspunkt für diese Überlegung war das antievolutionistische "Argument" bezüglich angeblicher Lücken im Fossilbericht - ich löse dies hier letztlich auf als heuristisches Problem der Verwandtschaftsdetektion im logistischen Wachstumsprozess.


Okay, das macht Sinn. Hat aber mit dem, um was es mir ging, nicht viel zu tun.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Genau das hätte ich Reinhard Junker eigentlich schon zugetraut. Dieses Modell ist selbstverständlich nicht hinreichend für die Erklärung von Anagenese, Cladogenese, 'constraints', genetische Drift, Müllers Ratsche etc. - aber das war hier auch nicht beabsichtigt.


Streng genommen ist eigentlich die Frage, welche Rolle Cladogenese für die Evolution spielt. Die STE erklärt das eher funktionalistisch (es gibt in etwa so viele Arten wie es ökologische Nischen), man könnte das aber auch strukturalistisch sehen (es gibt bestimmte 'stabile Genkomplexe'). In letzteren Fall wären die Organismentypen die entstehen, sozusagen 'vorhersehbar', im ersteren nicht. Das hat natürlich mit 'Grundtypen' nicht mehr viel zu tun.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
Für eine bibelorientierte Wissenschaft gilt – auch angesichts enormer Probleme –, dass die Aussagen der Heiligen Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien haben, auch wenn diese gut durch Daten gestützt zu sein scheinen.


Dies lässt sich also transformieren in: Die Bibel determiniert die Wissenschaft, die ihrerseits wiederum die Bibel bestätigt.


So argumentieren, mutatis mutandis, vor allem islamische 'Kreationisten' und auch amerikanische. Junker tut das AFAIK nicht. Er versucht, seine wissenschaftlichen Ansätze als mit der Bibel _kompatibel_ aufzuzeigen und sieht deutlich die Anomalien in seinem Weltbild.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wir sind uns aber einig, daß Junker einen Pappkameraden demontiert: Die Auffassung, daß es in der evolutionären Entwicklung so etwas wie ein "Formkontinuum" geben müsse, vertritt heute längst niemand mehr. Daher verstehe ich nicht, was El Schwalmo mit der Aussage, daß "Evolution à la Darwin problemlos nur mit phyletischer Evolution ohne Cladogenese funktionieren würde", bezweckt. Wiewohl dies richtig sein mag, hat sich die Evolutionstheorie längst weiterentwickelt: selbst im Falle "phyletischer Evolution" wäre ein echtes Formkontinuum aufgrund vielfältiger "constraints" heute nicht mehr denkbar. Insofern läßt sich die "Abgrenzbarkeit der Grundtypen" auch aus Sicht der Evolutionstheorie erwarten.


Yep. Viele Probleme hierzu haben aber ihre Ursache in der Wahl der Begrifflichkeiten bzw. der dazugehörigen Definitionen. Etwa: Wo genau findet sich bei der Cladogenese die Verzweigung? Aus diesem Grunde kennt Hennigs Kladistik wohl auch keine "anagenetische" Vorgehensweise.


Noch basaler: Hennigs Kladistik wurde von ihm _explizit_ für _syn_chrone Arten entwickelt. Fossilien 'störten' eher. Die Menschen, die nach Hennig (vor allem, nachdem seine Arbeiten in englischer Sprache erschienen) die Kladistik ausbauten, haben das meist gar nicht gemerkt und _dia_chrone Arten mit dieser Methodik zu erfassen versucht. Das führt zwangsläufig zu Problemen. Sehr intensiv hat das Reif in einer Artikelserie aufgezeigt (bisher sind das IIRC 17, es werden wohl noch ein paar dazu kommen), die erste Arbeit ist

Reif, W.-E. (2003) 'Problematic issues of cladistics: 1. Ancestor recognition and phylogenetic classification' N. Jb. Geol. Paläont 230:97-148

alle anderen sind in der gleichen Zeitschrift erschienen bzw. werden dort erscheinen.
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#311040) Verfasst am: 03.07.2005, 14:12    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
Für eine bibelorientierte Wissenschaft gilt – auch angesichts enormer Probleme –, dass die Aussagen der Heiligen Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien haben, auch wenn diese gut durch Daten gestützt zu sein scheinen.


Dies lässt sich also transformieren in: Die Bibel determiniert die Wissenschaft, die ihrerseits wiederum die Bibel bestätigt.


Okay, da Junker ungeachtet der enormen Anomalien (die er ja einräumt) an seinem Weltbild festhält und einzelne Ergebnisse der Forschung, die man mit einem "Kurzzeitrahmen" vereinbaren könnte, als Argumente zugunsten seines Schöpfungsverständnisses wertet, wird seine Argumentation natürlich hochgradig zirkelschlüssig.

Was ich sagen wollte, war nur dies: Das oben genannte Schema ("Theorien determinieren die Wissenschaft, die ihrerseits wiederum die Theorien bestätigt") ist für die Naturwissenschaften ebenso charakteristisch: Auch Evolutionstheorien 'kanalisieren' die wissenschaftliche Forschung und geben den "Interpretationsrahmen" vor. Vor dem Hintergrund der hypothetico-deduktiver Methodik ist es egal, aus welcher Quelle die Arbeitshypothesen stammen. Aber hier sind wir uns ja einig.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Und bedenke, daß die einem Zirkelschluß vorgelagerten Prämissen auf logisch-empirischem Wege nicht zu kippen sind! Entsprechend sind natürlich alle sogenannten "Schöpfungsbelege" das Ergebnis eines "circulus vitiosus". Aber die Bibel macht ja neben Aussagen mit transzendentem Bezug auch Aussagen, die prüfbare Konsequenzen haben und die z.T. auch schon vieltausendfach widerlegt worden sind! [Edit: Man kann daher (wie dies z.B. Religionswissenschaftler tun), einen Teil der Aussagen der Bibel durchaus "wissenschaftlich" sehen.] Insofern ist natürlich folgender Cartoon (hier in meiner eigenen, eingedeutschten Version zwinkern ) ein Stück weit irreführend; beachte, daß die "kreationistische Methode" zunächst der hypothetico-deduktiven Methodik der Wissenschaft entspricht!


Na ja, "zunächst" ist gut! Hypothetico-deduktiv ist es selbstverständlich vollkommen irrelevant, woher die Prämissen kommen,


Das wollte ich damit sagen zwinkern


Lamarck hat folgendes geschrieben:
der wichtigste Aspekt ist hier das eingeräumte Potential zur Widerlegung - genau dies bewerkstelligt Reinhard Junker aber nicht. Aber wem erzähle ich denn das ... .


Schon klar. Aber der Punkt ist nicht ganz so trivial, wie es scheint. Denk' an Lakatos und seinen "raffiniert methodologischen Falsifikationismus". Daß die Methodologie natürlich nicht überzeugt, wissen wir beide. Es ist klar, daß kein Wissenschaftler an Aussagen festhalten würde, die so enorm mit Anomalien belastet sind, wie die Thesen des Kreationismus. Und schließlich gibt es ja immer noch so etwas wie das Kriterium der prinzipiellen Falsifizierbarkeit, das zumindest auf supernaturalistische Thesen nicht anwendbar ist...


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Das Problem sind hier also weniger die zirkulären Gottesbelege, als vielmehr die dogmatische Abschottung biblischer Hypothesen gegenüber empirische Widerlegung ("Greife auf die Ergebnisse der Wissenschaft zurück, wenn sie Dir nützen, lehne sie ab, sobald sie Deinem Dogma widersprechen"). In diesem Sinn findet der Cartoon dann doch wieder zu seiner Pointe:

http://www.martin-neukamm.de/kreation.pdf (S. 11)


Der Vollständigkeit halber: Dogmatische Abschottung Es ist so, weil es so ist ... . zwinkern


zwinkern


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Stelle Dir als entsprechendes Modell einen sich dichotom aufspaltenden Entscheidungsbaum vor – dieser driftet also kontinuierlich auseinander. Die Verwandtschaft einzelner Endpunkte könntest Du dann beispielsweise bestimmen, indem Du auf dem kürzest möglichen Weg die einzelnen Verbindungspunkte zählst. Wenn Du nun ferner Selektion simulierst und deshalb Verbindungspunkte herausschießt sowie weiters simulierst, nur etwa jedes tausende "Fossil" zu finden, erhältst Du bei der Annahme, bsw. Verwandtschaft nur über maximal zehn Verwandtschaftspunkte detektieren zu können, letztlich solitäre Inseln.

Okay, das wäre eine Erklärung.


Die zentrale Erklärung! Alles andere sind Derivate.


Kann sein, daß wir aneinander vorbeigeredet haben: Natürlich hast Du in Bezug auf die Lücken im Fossilbefund recht. Du hast weiter oben allerdings die "Cluster im Morphospace" (sprich: Mosaikevolution vs. Formkontinuum) ins Spiel gebracht. Zumindest hatte ich Dich dahingehend verstanden. Und hier gilt eben:

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Dieses Modell ist selbstverständlich nicht hinreichend für die Erklärung von Anagenese, Cladogenese, 'constraints', genetische Drift, Müllers Ratsche etc. - aber das war hier auch nicht beabsichtigt.



BTW, würdest Du folgende Argumentation teilen?

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ich sehe hier eher ein anderes Problem:


Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
selbstverständlich gehört das Potential zur Ausprägung von „Schmuckstücken" wie Schillerfarben, Krönchen, Pfauenauge und dergleichen zum ursprünglichen Bestand der polyvalenten Stammform des Fasanenartigen-Grundtyps! Um dieses Potential auszuschöpfen, spielen Mutation, Selektion und Gendrift sicher auch eine wichtige Rolle, aber kaum die einzige. Polyvalenz schließt auch das Mutationspotential ein (...)

Nach dem Grundtypkonzept besaß der gemeinsame Vorfahre dieses Merkmal (Polyvalenz), was allerdings nicht bedeutet, dass es phänotypisch ausgeprägt sein musste.



Wenn also sämtliche "Schmuckstücke" (oder sollten wir besser sagen: "Neuheiten") des Fasanengrundtyps in einer Stammart vereint, dort allerdings (noch!) nicht phänotypisch ausgeprägt waren, bedeutet das nichts anderes, als daß die Gene in irgend einer kryptischen Form vorlagen und sich erst nach und nach evolutionär "entfalteten". Streng genommen hat also der Schöpfer in der Stammart nicht alle Qualitäten, sondern nur "Prädispositionen" geschaffen, aus denen dann durch Mutation, Selektion und Rekombination die "passenden" Phänotypen zusammengewürfelt wurden. Hier muß man sich dann fragen, ob Kreationisten nicht mehr Evolution zubilligen, als sie eigentlich möchten, denn ein Prozeß, demzufolge Merkmale (wie Pfauenfedern) aus mehr oder minder unspezifischen Vorläufergenen "zusammengetinkert" werden müssen, erinnert verdächtig an die Voraussetzungen, auf die sich auch Evolutionsbiologen bei der Emergenz qualitativer Neuheiten berufen.

Grundtyp-Grenzen hin oder her: Die Ausprägung von "Schmuckstücken" auf der Basis unspezifischer Vorläufergene wäre ja schon die Enstehung qualitativer Neuheit (sprich: "Makroevolution"), die hier eigentlich infragegestellt werden sollte. Da hilft Junker auch die spitzfindige Unterscheidung zwischen einer "Neuheit" und einer "echten Neuheit" nichts, denn jeder evolutionäre Prozeß kann grundsätzlich nur aus dem vorhandenen Genbestand schöpfen! (Oder handelt es sich bei einem Bleikern etwa nicht um eine "echte Neuheit", nur weil er sich aus einem zuvor existenten Urankern gebildet hat?)



Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wir sind uns aber einig, daß Junker einen Pappkameraden demontiert: ie Auffassung, daß es in der evolutionären Entwicklung so etwas wie ein "Formkontinuum" geben müsse, vertritt heute längst niemand mehr. Daher verstehe ich nicht, was El Schwalmo mit der Aussage, daß "Evolution à la Darwin problemlos nur mit phyletischer Evolution ohne Cladogenese funktionieren würde", bezweckt. Wiewohl dies richtig sein mag, hat sich die Evolutionstheorie längst weiterentwickelt: selbst im Falle "phyletischer Evolution" wäre ein echtes Formkontinuum aufgrund vielfältiger "constraints" heute nicht mehr denkbar. Insofern läßt sich die "Abgrenzbarkeit der Grundtypen" auch aus Sicht der Evolutionstheorie erwarten.


Yep. Viele Probleme hierzu haben aber ihre Ursache in der Wahl der Begrifflichkeiten bzw. der dazugehörigen Definitionen. Etwa: Wo genau findet sich bei der Cladogenese die Verzweigung? Aus diesem Grunde kennt Hennigs Kladistik wohl auch keine "anagenetische" Vorgehensweise.


Das Problem scheint mir darin zu bestehen, daß Hennigs Schema keine populationsbiologischen Aspekte zuläßt, sondern nur "Momentaufnahmen" bezüglich der Merkmalsverteilung rezenter Arten retropoliert. Polytomien können auch nicht berücksichtigt werden - ebenso wenig wie die Fortexistenz einer Stammarten. Möglicherweise ergeben sich jedoch interessante Aspekte, wenn man Fossilien in die Klassifikation mit einbezieht. Mahner hat mir geschrieben, daß man dazu halt die Monophyla entsprechend erweitert und z.B. die sog. "säugerähnlichen Reptilien" auf das erweiterte Monophylum der Säugetiere stellt. Das scheint auch ganz ordentlich zu funktionieren.

Die spannende Frage ist, was passiert, wenn solche Fossilien keine Autapomorphien zeigen. Wäre es dann nicht denkbar, daß es sich hier um Stammarten handeln könnte, die (wenn man sie entsprechend ihrem Status nicht als Abzweige, sondern direkt auf dem erweiterten Monophylum ansiedelt), von einer anagenetischen Evolution zeugen Frage

Grüße

Martin
_________________
"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#311080) Verfasst am: 03.07.2005, 16:56    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Kann sein, daß wir aneinander vorbeigeredet haben: Natürlich hast Du in Bezug auf die Lücken im Fossilbefund recht. Du hast weiter oben allerdings die "Cluster im Morphospace" (sprich: Mosaikevolution vs. Formkontinuum) ins Spiel gebracht.


warum kann eine Mosaikevolution kein Formenkontiuum erzeugen?
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#311242) Verfasst am: 04.07.2005, 01:48    Titel: Antworten mit Zitat

Hi El Schwalmo!

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
okay, da haben wir aneinander vorbei geredet. Du meintest Evolutionsbeweise, ich ein 'Grundtyp-Modell' im Rahmen der Evolutionslehre (meinethalben als cluster im Morphospace, verursacht durch constraints).


Yep. Ich habe nur Reinhard Junkers sogenannte "Lücken zwischen benachbarten Grundtypen" zerlegt und darauf hingewiesen, dass entsprechende Verwandtschaftsinseln ("Cluster") aufgrund simpler Vorgänge zu erwarten sind und deshalb die Annahme eines 'Grundtyp-Modells' entbehrlich ist.


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
[ ... ]
Du hast in Deinem Modell Cladogenese schon eingebaut, ich fragte danach, _warum_.

Zudem werden 'constraints' in Deinem Modell nicht berücksichtigt. Du kannst mit Deinem Modell natürlich Cluster _simulieren_, aber ist das eine Erklärung?

Okay, dann will ich das schnell mal klarstellen: Ausgangspunkt für diese Überlegung war das antievolutionistische "Argument" bezüglich angeblicher Lücken im Fossilbericht - ich löse dies hier letztlich auf als heuristisches Problem der Verwandtschaftsdetektion im logistischen Wachstumsprozess.

Okay, das macht Sinn. Hat aber mit dem, um was es mir ging, nicht viel zu tun.


Yep. Das ist natürlich ein anderer Gedankengang, der Dich hier umtreibt, aber ich denke, auch hierzu kann ich etwas beitragen. Also:


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Genau das hätte ich Reinhard Junker eigentlich schon zugetraut. Dieses Modell ist selbstverständlich nicht hinreichend für die Erklärung von Anagenese, Cladogenese, 'constraints', genetische Drift, Müllers Ratsche etc. - aber das war hier auch nicht beabsichtigt.

Streng genommen ist eigentlich die Frage, welche Rolle Cladogenese für die Evolution spielt. Die STE erklärt das eher funktionalistisch (es gibt in etwa so viele Arten wie es ökologische Nischen), man könnte das aber auch strukturalistisch sehen (es gibt bestimmte 'stabile Genkomplexe'). In letzteren Fall wären die Organismentypen die entstehen, sozusagen 'vorhersehbar', im ersteren nicht. Das hat natürlich mit 'Grundtypen' nicht mehr viel zu tun.


Zunächst ist die Frage, was den Cladogenese erklärt. Für Interessierte: Mit Cladogenese wird eine Verzweigung im Stammbaum bezeichnet, die zu unterschiedlichen Arten führt, die Anagenese ist die lineare Fortsetzung der Entwicklung.

Ein stures Festhalten an den diesen Begrifflichkeiten zugrunde liegenden Konzepten führt allerdings unweigerlich zu theoretischen Problemen. - Im einfachsten Fall wird jede Anagenese zu einer Cladogenese, etwa wenn ich ein eingefrorenes Bakterium aus der Basis einer "anagetischen" Linie über die Zeit rette; andererseits sind die cladogenetischen Individuen in kleiner Auflösung über die Keimbahn anagetisch verbunden - sprich: hier liegen recht grobe Konzepte vor, die bei strenger Befolgung in die Irre führen können. Wenn dann noch Cladogenese mit "echter" Artbildung und Anagenese mit "Höherentwicklung" gleichgesetzt wird ... .

Sprechen wir also lieber allgemein von Speziation, wenn wir die Frage funktionalistisch vs. strukturalistisch in Verbindung mit dem Vorhersagepotential adäquat untersuchen wollen.

Da taucht nun als erste seltsame Frage auf: Wieviele ökologische Nischen gibt es? zwinkern

So gesehen spielt "Cladogenese" im üblich angewandten Sinn keine Rolle für Evolution - es ist einfach nur ein Konzept, um im recht groben Bereich einige Dinge nachzuzeichnen. Artbildung sensu stricto ist nach meinem Dafürhalten etwas anderes und hier lassen sich auch nicht funktionalistische von strukturalistischen Modi trennen.


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
Für eine bibelorientierte Wissenschaft gilt – auch angesichts enormer Probleme –, dass die Aussagen der Heiligen Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien haben, auch wenn diese gut durch Daten gestützt zu sein scheinen.

Dies lässt sich also transformieren in: Die Bibel determiniert die Wissenschaft, die ihrerseits wiederum die Bibel bestätigt.

So argumentieren, mutatis mutandis, vor allem islamische 'Kreationisten' und auch amerikanische. Junker tut das AFAIK nicht. Er versucht, seine wissenschaftlichen Ansätze als mit der Bibel _kompatibel_ aufzuzeigen und sieht deutlich die Anomalien in seinem Weltbild.


Ich sehe hier keinen Unterschied in den Argumentationsstrukturen: Die Heilige Schrift hat also Vorrang vor empirisch begründeten Theorien. - Warum hat die Heilige Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien? - Weil empirisch begründete Theorien der Heiligen Schrift Vorrang einräumen ...


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wir sind uns aber einig, daß Junker einen Pappkameraden demontiert: Die Auffassung, daß es in der evolutionären Entwicklung so etwas wie ein "Formkontinuum" geben müsse, vertritt heute längst niemand mehr. Daher verstehe ich nicht, was El Schwalmo mit der Aussage, daß "Evolution à la Darwin problemlos nur mit phyletischer Evolution ohne Cladogenese funktionieren würde", bezweckt. Wiewohl dies richtig sein mag, hat sich die Evolutionstheorie längst weiterentwickelt: selbst im Falle "phyletischer Evolution" wäre ein echtes Formkontinuum aufgrund vielfältiger "constraints" heute nicht mehr denkbar. Insofern läßt sich die "Abgrenzbarkeit der Grundtypen" auch aus Sicht der Evolutionstheorie erwarten.

Yep. Viele Probleme hierzu haben aber ihre Ursache in der Wahl der Begrifflichkeiten bzw. der dazugehörigen Definitionen. Etwa: Wo genau findet sich bei der Cladogenese die Verzweigung? Aus diesem Grunde kennt Hennigs Kladistik wohl auch keine "anagenetische" Vorgehensweise.

Noch basaler: Hennigs Kladistik wurde von ihm _explizit_ für _syn_chrone Arten entwickelt. Fossilien 'störten' eher. Die Menschen, die nach Hennig (vor allem, nachdem seine Arbeiten in englischer Sprache erschienen) die Kladistik ausbauten, haben das meist gar nicht gemerkt und _dia_chrone Arten mit dieser Methodik zu erfassen versucht. Das führt zwangsläufig zu Problemen. Sehr intensiv hat das Reif in einer Artikelserie aufgezeigt (bisher sind das IIRC 17, es werden wohl noch ein paar dazu kommen), die erste Arbeit ist

Reif, W.-E. (2003) 'Problematic issues of cladistics: 1. Ancestor recognition and phylogenetic classification' N. Jb. Geol. Paläont 230:97-148

alle anderen sind in der gleichen Zeitschrift erschienen bzw. werden dort erscheinen.


Full ACK.


Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)


Zuletzt bearbeitet von Lamarck am 04.07.2005, 09:38, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#311244) Verfasst am: 04.07.2005, 01:56    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin!

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
[...] der wichtigste Aspekt ist hier das eingeräumte Potential zur Widerlegung - genau dies bewerkstelligt Reinhard Junker aber nicht. Aber wem erzähle ich denn das ... .

Schon klar. Aber der Punkt ist nicht ganz so trivial, wie es scheint. Denk' an Lakatos und seinen "raffiniert methodologischen Falsifikationismus". Daß die Methodologie natürlich nicht überzeugt, wissen wir beide. Es ist klar, daß kein Wissenschaftler an Aussagen festhalten würde, die so enorm mit Anomalien belastet sind, wie die Thesen des Kreationismus. Und schließlich gibt es ja immer noch so etwas wie das Kriterium der prinzipiellen Falsifizierbarkeit, das zumindest auf supernaturalistische Thesen nicht anwendbar ist...


Und hier wird es nun interessant: Reinhard Junker erinnert mich in seiner Vorgehensweise ziemlich an Franz Kafka. Das Verschwommene ist aber auch dann nicht zu retten, wenn im Gegenzug die Randbereiche nachgeschärft werden. Mir ist es unmöglich, dieses nachzuvollziehen, aber die Gründe hierfür müssen außerhalb des Vernunftbereichs liegen. In Deinem Gästebuch hast Du hierzu ja auch einige schöne Beispiele ("Jesus lebt!").


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Stelle Dir als entsprechendes Modell einen sich dichotom aufspaltenden Entscheidungsbaum vor – dieser driftet also kontinuierlich auseinander. Die Verwandtschaft einzelner Endpunkte könntest Du dann beispielsweise bestimmen, indem Du auf dem kürzest möglichen Weg die einzelnen Verbindungspunkte zählst. Wenn Du nun ferner Selektion simulierst und deshalb Verbindungspunkte herausschießt sowie weiters simulierst, nur etwa jedes tausende "Fossil" zu finden, erhältst Du bei der Annahme, bsw. Verwandtschaft nur über maximal zehn Verwandtschaftspunkte detektieren zu können, letztlich solitäre Inseln.

Okay, das wäre eine Erklärung.

Die zentrale Erklärung! Alles andere sind Derivate.

Kann sein, daß wir aneinander vorbeigeredet haben: Natürlich hast Du in Bezug auf die Lücken im Fossilbefund recht. Du hast weiter oben allerdings die "Cluster im Morphospace" (sprich: Mosaikevolution vs. Formkontinuum) ins Spiel gebracht. Zumindest hatte ich Dich dahingehend verstanden. Und hier gilt eben:

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Dieses Modell ist selbstverständlich nicht hinreichend für die Erklärung von Anagenese, Cladogenese, 'constraints', genetische Drift, Müllers Ratsche etc. - aber das war hier auch nicht beabsichtigt.


Nur "Cluster", nicht "Cluster im Morphospace" und auch nicht "Mosaikevolution vs. Formenkontinuum". Der Fossilbericht verläuft nicht kontinuierlich in dem Sinne, dass nun die anteilige Individuenanzahl im evolutiven Diversifikationsprozess gleichförmig gleich bleibt.


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
BTW, würdest Du folgende Argumentation teilen?

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ich sehe hier eher ein anderes Problem:

Reinhard Junker hat folgendes geschrieben:
selbstverständlich gehört das Potential zur Ausprägung von „Schmuckstücken" wie Schillerfarben, Krönchen, Pfauenauge und dergleichen zum ursprünglichen Bestand der polyvalenten Stammform des Fasanenartigen-Grundtyps! Um dieses Potential auszuschöpfen, spielen Mutation, Selektion und Gendrift sicher auch eine wichtige Rolle, aber kaum die einzige. Polyvalenz schließt auch das Mutationspotential ein (...)

Nach dem Grundtypkonzept besaß der gemeinsame Vorfahre dieses Merkmal (Polyvalenz), was allerdings nicht bedeutet, dass es phänotypisch ausgeprägt sein musste.

Wenn also sämtliche "Schmuckstücke" (oder sollten wir besser sagen: "Neuheiten") des Fasanengrundtyps in einer Stammart vereint, dort allerdings (noch!) nicht phänotypisch ausgeprägt waren, bedeutet das nichts anderes, als daß die Gene in irgend einer kryptischen Form vorlagen und sich erst nach und nach evolutionär "entfalteten". Streng genommen hat also der Schöpfer in der Stammart nicht alle Qualitäten, sondern nur "Prädispositionen" geschaffen, aus denen dann durch Mutation, Selektion und Rekombination die "passenden" Phänotypen zusammengewürfelt wurden. Hier muß man sich dann fragen, ob Kreationisten nicht mehr Evolution zubilligen, als sie eigentlich möchten, denn ein Prozeß, demzufolge Merkmale (wie Pfauenfedern) aus mehr oder minder unspezifischen Vorläufergenen "zusammengetinkert" werden müssen, erinnert verdächtig an die Voraussetzungen, auf die sich auch Evolutionsbiologen bei der Emergenz qualitativer Neuheiten berufen.

Grundtyp-Grenzen hin oder her: Die Ausprägung von "Schmuckstücken" auf der Basis unspezifischer Vorläufergene wäre ja schon die Enstehung qualitativer Neuheit (sprich: "Makroevolution"), die hier eigentlich infragegestellt werden sollte. Da hilft Junker auch die spitzfindige Unterscheidung zwischen einer "Neuheit" und einer "echten Neuheit" nichts, denn jeder evolutionäre Prozeß kann grundsätzlich nur aus dem vorhandenen Genbestand schöpfen! (Oder handelt es sich bei einem Bleikern etwa nicht um eine "echte Neuheit", nur weil er sich aus einem zuvor existenten Urankern gebildet hat?)


Selbstverständlich. zwinkern

Reinhard Junker gelingt halt erwartungsgemäß nicht die saubere Trennung von "Polyvalenz" und "Grundtyp". Wiederum ein Zirkel zwecks Selbstimmunisierung.


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wir sind uns aber einig, daß Junker einen Pappkameraden demontiert: ie Auffassung, daß es in der evolutionären Entwicklung so etwas wie ein "Formkontinuum" geben müsse, vertritt heute längst niemand mehr. Daher verstehe ich nicht, was El Schwalmo mit der Aussage, daß "Evolution à la Darwin problemlos nur mit phyletischer Evolution ohne Cladogenese funktionieren würde", bezweckt. Wiewohl dies richtig sein mag, hat sich die Evolutionstheorie längst weiterentwickelt: selbst im Falle "phyletischer Evolution" wäre ein echtes Formkontinuum aufgrund vielfältiger "constraints" heute nicht mehr denkbar. Insofern läßt sich die "Abgrenzbarkeit der Grundtypen" auch aus Sicht der Evolutionstheorie erwarten.

Yep. Viele Probleme hierzu haben aber ihre Ursache in der Wahl der Begrifflichkeiten bzw. der dazugehörigen Definitionen. Etwa: Wo genau findet sich bei der Cladogenese die Verzweigung? Aus diesem Grunde kennt Hennigs Kladistik wohl auch keine "anagenetische" Vorgehensweise.


Das Problem scheint mir darin zu bestehen, daß Hennigs Schema keine populationsbiologischen Aspekte zuläßt, sondern nur "Momentaufnahmen" bezüglich der Merkmalsverteilung rezenter Arten retropoliert. Polytomien können auch nicht berücksichtigt werden - ebenso wenig wie die Fortexistenz einer Stammarten. Möglicherweise ergeben sich jedoch interessante Aspekte, wenn man Fossilien in die Klassifikation mit einbezieht. Mahner hat mir geschrieben, daß man dazu halt die Monophyla entsprechend erweitert und z.B. die sog. "säugerähnlichen Reptilien" auf das erweiterte Monophylum der Säugetiere stellt. Das scheint auch ganz ordentlich zu funktionieren.

Die spannende Frage ist, was passiert, wenn solche Fossilien keine Autapomorphien zeigen. Wäre es dann nicht denkbar, daß es sich hier um Stammarten handeln könnte, die (wenn man sie entsprechend ihrem Status nicht als Abzweige, sondern direkt auf dem erweiterten Monophylum ansiedelt), von einer anagenetischen Evolution zeugen Frage


Das Hauptproblem der Kladistik ist wohl die Erfordernis zu einer diskreten Trennung von Merkmalen (eben dadurch erhalten Merkmale ihre Charakteristik). Das "direkte" ansiedeln ist technisch nicht vorgesehen; es zählen nur die Verzweigungen.

Auf Deiner Page sprichst Du übrigens von "Formenkontinuum" zwinkern

Das folgende wäre demnach dann als formenkontinuierliches zwinkern Morphing aufzufassen:











Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AlexDorfner
Profillos



Anmeldungsdatum: 27.05.2005
Beiträge: 208

Beitrag(#312039) Verfasst am: 06.07.2005, 09:17    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Kleine kreationistische Stichelei am Rande: Hat Gott auch den Zufall geschaffen?!

Der Zufall IST ein Gott. Der Mensch hat ihn - wie alle anderen Götter auch - nach seinem Bilde erschaffen.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#312265) Verfasst am: 06.07.2005, 20:21    Titel: Antworten mit Zitat

Vermutlich habe ich zu viel in den Topf gerührt. Ich versuche mal, ob ich ein wenig klarer ausdrücken kann, lasse aber auch das eine oder andere weg, das mir nicht so wesentlich erscheint.

[ ... ]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Sprechen wir also lieber allgemein von Speziation, wenn wir die Frage funktionalistisch vs. strukturalistisch in Verbindung mit dem Vorhersagepotential adäquat untersuchen wollen.

Da taucht nun als erste seltsame Frage auf: Wieviele ökologische Nischen gibt es? ;-)


So viele wie Arten ;->

Lamarck hat folgendes geschrieben:
So gesehen spielt "Cladogenese" im üblich angewandten Sinn keine Rolle für Evolution - es ist einfach nur ein Konzept, um im recht groben Bereich einige Dinge nachzuzeichnen. Artbildung sensu stricto ist nach meinem Dafürhalten etwas anderes und hier lassen sich auch nicht funktionalistische von strukturalistischen Modi trennen.


Das war nicht mein Punkt. Im funktionalistischen Ansatz sind die Organismen weitestgehend 'plastisch', alles ist möglich, die Umwelt formt die Phänotypen sozusagen beliebig. Im strukturalistischen Ansatz gibt es nur bestimmte Formen, die entstehen können. Aber in beiden Konzepten ist Artbildung eigentlich entbehrlich. Es sei denn, man denkt wie

Mayr, E. (1954) 'Change of genetic environment and evolution' in: Huxley, J.; Hardy, A.C.; Ford, E.B.; (eds.) 'Evolution as a Process' London, Allen and Unwin S. 157-180

Dann ist Artbildung, genauer: Unterbrechung des Genflusses, allerdings essenziell. Ich weiß aber nicht, ob wir das durchdiskutieren sollten, weil das mit dem Thema 'Grundtypen' sehr wenig zu tun hat.

Es könnte also 'Grundtypen' geben, die zwar nicht geschaffen sind, aber dennoch Grenzen des Möglichen abstecken. Du kennst sicher auch die Veranschaulichungen via Kristallstrukturen oder chemischen Verbindungen. Genauso, wie es dort nur bestimmte Klassen oder Gruppen gibt, könnte das auch für biologische Formen zutreffen. Die würden dann aber nicht durch die Umwelt _geformt_, sondern bestenfalls _ausgelesen_. Der kreative 'Mechanismus' läge in den Strukturgesetzen, (Umwelt)Selektion würde bestenfalls Feintuning machen. Diese Vorstellungen sind schon älter als Darwin, aber sie werden, wenn ich das richtig sehe, auch heute noch vertreten.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
So argumentieren, mutatis mutandis, vor allem islamische 'Kreationisten' und auch amerikanische. Junker tut das AFAIK nicht. Er versucht, seine wissenschaftlichen Ansätze als mit der Bibel _kompatibel_ aufzuzeigen und sieht deutlich die Anomalien in seinem Weltbild.


Ich sehe hier keinen Unterschied in den Argumentationsstrukturen: Die Heilige Schrift hat also Vorrang vor empirisch begründeten Theorien. - Warum hat die Heilige Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien? - Weil empirisch begründete Theorien der Heiligen Schrift Vorrang einräumen ...


So habe ich zumindest Junker noch nie argumentieren hören. Du spielst vermutlich auf 'scientific creationism' an, den Junker aber _nicht_ anerkennt. Die Heilige Schrift hat bei ihm Vorrang vor empirisch begründeten Theorien, aber aus vollkommen anderen, eben theologischen, Gründen. Er geht von einem Primat der Schrift _trotz_ der empirisch begründeten Theorien aus. Für mich ist das ein himmelweiter Unterschied zum 'scientific creationism' (tm).
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#313552) Verfasst am: 09.07.2005, 16:45    Titel: Antworten mit Zitat

Hi El Schwalmo!

El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Vermutlich habe ich zu viel in den Topf gerührt. Ich versuche mal, ob ich ein wenig klarer ausdrücken kann, lasse aber auch das eine oder andere weg, das mir nicht so wesentlich erscheint.


zwinkern


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Sprechen wir also lieber allgemein von Speziation, wenn wir die Frage funktionalistisch vs. strukturalistisch in Verbindung mit dem Vorhersagepotential adäquat untersuchen wollen.

Da taucht nun als erste seltsame Frage auf: Wieviele ökologische Nischen gibt es? zwinkern

So viele wie Arten ;->


Zirkel, wohin man schaut ... . Aber deswegen gibt es den ökologischen Artbegriff. Diese Vorgehensweise ist durchaus problematisch:







El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
So gesehen spielt "Cladogenese" im üblich angewandten Sinn keine Rolle für Evolution - es ist einfach nur ein Konzept, um im recht groben Bereich einige Dinge nachzuzeichnen. Artbildung sensu stricto ist nach meinem Dafürhalten etwas anderes und hier lassen sich auch nicht funktionalistische von strukturalistischen Modi trennen.

Das war nicht mein Punkt. Im funktionalistischen Ansatz sind die Organismen weitestgehend 'plastisch', alles ist möglich, die Umwelt formt die Phänotypen sozusagen beliebig. Im strukturalistischen Ansatz gibt es nur bestimmte Formen, die entstehen können. Aber in beiden Konzepten ist Artbildung eigentlich entbehrlich. Es sei denn, man denkt wie

Mayr, E. (1954) 'Change of genetic environment and evolution' in: Huxley, J.; Hardy, A.C.; Ford, E.B.; (eds.) 'Evolution as a Process' London, Allen and Unwin S. 157-180

Dann ist Artbildung, genauer: Unterbrechung des Genflusses, allerdings essenziell. Ich weiß aber nicht, ob wir das durchdiskutieren sollten, weil das mit dem Thema 'Grundtypen' sehr wenig zu tun hat.

Es könnte also 'Grundtypen' geben, die zwar nicht geschaffen sind, aber dennoch Grenzen des Möglichen abstecken. Du kennst sicher auch die Veranschaulichungen via Kristallstrukturen oder chemischen Verbindungen. Genauso, wie es dort nur bestimmte Klassen oder Gruppen gibt, könnte das auch für biologische Formen zutreffen. Die würden dann aber nicht durch die Umwelt _geformt_, sondern bestenfalls _ausgelesen_. Der kreative 'Mechanismus' läge in den Strukturgesetzen, (Umwelt)Selektion würde bestenfalls Feintuning machen. Diese Vorstellungen sind schon älter als Darwin, aber sie werden, wenn ich das richtig sehe, auch heute noch vertreten.


Und doch gibt es neue Arten. Es gibt hier halt kein entweder-oder. Du könntest also den Zusammenhang von Struktur/Funktion und Art/Umwelt in einer quadratischen Matrix anordnen. Aufgrund von Mutationen werden sich aus meiner Sicht Arten auch dann ändern, wenn die Umwelt ansonsten unverändert bleibt. Dagegen gibt es natürlich limitierende Strukturprinzipien - etwa analog dem Hausbau: Auch hier wird meist nicht mit der Konstruktion des Daches, sondern eben mit dem Keller begonnen. Und ich möchte mich beeilen, zu betonen: "Grundtypen" sind etwas anderes als die aus heuristischen Gründen Verwendung findenden Organisationstypen.


El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
So argumentieren, mutatis mutandis, vor allem islamische 'Kreationisten' und auch amerikanische. Junker tut das AFAIK nicht. Er versucht, seine wissenschaftlichen Ansätze als mit der Bibel _kompatibel_ aufzuzeigen und sieht deutlich die Anomalien in seinem Weltbild.

Ich sehe hier keinen Unterschied in den Argumentationsstrukturen: Die Heilige Schrift hat also Vorrang vor empirisch begründeten Theorien. - Warum hat die Heilige Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien? - Weil empirisch begründete Theorien der Heiligen Schrift Vorrang einräumen ...

So habe ich zumindest Junker noch nie argumentieren hören. Du spielst vermutlich auf 'scientific creationism' an, den Junker aber _nicht_ anerkennt. Die Heilige Schrift hat bei ihm Vorrang vor empirisch begründeten Theorien, aber aus vollkommen anderen, eben theologischen, Gründen. Er geht von einem Primat der Schrift _trotz_ der empirisch begründeten Theorien aus. Für mich ist das ein himmelweiter Unterschied zum 'scientific creationism' (tm).


Okay, hier soll aus der Sicht von Junker & Co Apologetik im Sinne einer Fundamentaltheologie vertreten werden und es wird hier ein Konflikt zwischen "Scientific Creationism" vs. "Biblical Creationism" konstruiert (vgl. Siegfried Scherer). Diese Unterscheidung ist aber genau betrachtet nur ein wissenschaftstheoretischer Nebelwerfer, um sich so religionspolitisch von fundamentalistischeren Gruppen abzusetzen. Die von mir gemachte obige Aussage ist deduktiv abgeleitet.


Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
pyrrhon
registrierter User



Anmeldungsdatum: 22.05.2004
Beiträge: 8770

Beitrag(#313656) Verfasst am: 09.07.2005, 21:49    Titel: Antworten mit Zitat

http://www.orf.at/050709-88948/88949txt_story.html

ORF.at hat folgendes geschrieben:
Via "New York Times" (NYT) sorgt der Wiener Kardinal Christoph Schönborn nun für Aufsehen. Schönborn hatte sich vor wenigen Tagen in einer Kolumne in der führenden US-Tageszeitung kritisch über die Evolutionstheorie geäußert. Damit, so die "NYT", definiere ein "führender Kardinal" die Position der katholischen Kirche zu Darwin und der Evolution neu.

Demnach deute Schönborn, der lange als ein Verfechter der Evolutionstheorie gegolten habe, nun an, dass der Glaube an die Evolution, die heute in der Wissenschaft unbestritten ist, mit dem katholischen Glauben unvereinbar sei.


Eigenen Aussagen zufolge hat Schönborn die Zustimmung des Papstes:

ORF.at hat folgendes geschrieben:
Gegenüber der "NYT" betonte Schönborn, dass sein Aufsatz nicht vorher vom Vatikan "abgenommen" worden sei. Er habe jedoch kurze Zeit vor der Wahl Joseph Ratzingers zum Papst mit diesem über das Thema gesprochen. Als er vorgeschlagen habe, sich zu diesem Thema explizit zu äußern, habe ihn Ratzinger ermuntert.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#313749) Verfasst am: 10.07.2005, 10:18    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Da taucht nun als erste seltsame Frage auf: Wieviele ökologische Nischen gibt es? ;-)

So viele wie Arten ;->


Zirkel, wohin man schaut ... . Aber deswegen gibt es den ökologischen Artbegriff. Diese Vorgehensweise ist durchaus problematisch:


und es gibt noch über 30 weitere Artbegriffe und jeder hat seine Problemchen. Ich persönlich gehe davon aus, dass 'Art' mit Evolution gar nicht mal so viel zu tun hat, was natürlich auch schon vielen Menschen aufgefallen ist.

Du weißt aber sicher auch, dass 'ökologische Nische' nicht als Raum definiert ist, und dass eine Libellenlarve im Wasser lebt, bedeutet nicht, dass die 'ökologische Nische' der Libellen nicht auch die Luft umfasst.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Das war nicht mein Punkt. Im funktionalistischen Ansatz sind die Organismen weitestgehend 'plastisch', alles ist möglich, die Umwelt formt die Phänotypen sozusagen beliebig. Im strukturalistischen Ansatz gibt es nur bestimmte Formen, die entstehen können. Aber in beiden Konzepten ist Artbildung eigentlich entbehrlich. Es sei denn, man denkt wie

Mayr, E. (1954) 'Change of genetic environment and evolution' in: Huxley, J.; Hardy, A.C.; Ford, E.B.; (eds.) 'Evolution as a Process' London, Allen and Unwin S. 157-180

Dann ist Artbildung, genauer: Unterbrechung des Genflusses, allerdings essenziell. Ich weiß aber nicht, ob wir das durchdiskutieren sollten, weil das mit dem Thema 'Grundtypen' sehr wenig zu tun hat.

Es könnte also 'Grundtypen' geben, die zwar nicht geschaffen sind, aber dennoch Grenzen des Möglichen abstecken. Du kennst sicher auch die Veranschaulichungen via Kristallstrukturen oder chemischen Verbindungen. Genauso, wie es dort nur bestimmte Klassen oder Gruppen gibt, könnte das auch für biologische Formen zutreffen. Die würden dann aber nicht durch die Umwelt _geformt_, sondern bestenfalls _ausgelesen_. Der kreative 'Mechanismus' läge in den Strukturgesetzen, (Umwelt)Selektion würde bestenfalls Feintuning machen. Diese Vorstellungen sind schon älter als Darwin, aber sie werden, wenn ich das richtig sehe, auch heute noch vertreten.


Und doch gibt es neue Arten.


Auch das war nicht die Frage. Es ging um _Grundtypen_:

Darwin, C. (1894) 'The Origin of Species by Means of Natural Selection or the Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life. 6th ed.' London, John Murray

<cite S. 146>
Finally then, although in many cases it is most difficult even to conjecture by what transitions organs could have arrived at their present state; yet, considering how small the proportion of living and known forms is to the extinct and unknown, I have been astonished how rarely an organ can be named, towards which no transitional grade is known to lead. It is certainly true, that new organs appearing as if created for some special purpose rarely or never appear in any being; as indeed is shown by that old, but somewhat exaggerated, canon in natural history of "Natura non facit saltum." We meet with this admission in the writings of almost every experienced naturalist; or, as Milne Edwards has well expressed it, "Nature is prodigal in variety, but niggard in innovation." Why, on the theory of Creation, should there be so much variety and so little real novelty? Why should all the parts and organs of many independent beings, each supposed to have been separately created for its own proper place in nature, be so commonly linked together by graduated steps? Why should not Nature take a sudden leap from structure to structure? On the theory of natural selection, we can clearly understand why she should not; for natural selection acts only by taking advantage of slight successive variations; she can never take a great and sudden leap, but must advance by the short and sure, though slow steps.
</cite>

Das, was Edwards schreibt, ist genau das, was ich meine: 'variety', das sind die Arten _innerhalb_ des 'Grundtyps', 'novelty' ist die interessante Frage. Dieses Problem hast Du explizit mit der 'kambrischen Explosion' (sollte es sie geben). Die 'Arten' sind 'Mikroevolution' (auch 'Anpassungprobleme' in der Terminologie der Evolutionsgegner), während es bei den 'Grundtypen' um Makroevolution geht ('Konstruktionsprobleme' in deren Terminologie).

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Es gibt hier halt kein entweder-oder. Du könntest also den Zusammenhang von Struktur/Funktion und Art/Umwelt in einer quadratischen Matrix anordnen. Aufgrund von Mutationen werden sich aus meiner Sicht Arten auch dann ändern, wenn die Umwelt ansonsten unverändert bleibt.


ACK

Das 'erledigen' Mutationen als 'Hintergrundrauschen'.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Dagegen gibt es natürlich limitierende Strukturprinzipien - etwa analog dem Hausbau: Auch hier wird meist nicht mit der Konstruktion des Daches, sondern eben mit dem Keller begonnen. Und ich möchte mich beeilen, zu betonen: "Grundtypen" sind etwas anderes als die aus heuristischen Gründen Verwendung findenden Organisationstypen.


Natürlich. Mein Punkt war ja explizit, dass man das, was die Schöpfungs'forscher' als 'Grundtypen' vertreten, in unserem Weltbild kein Problem darstellen. 'Geschaffene Grundtypen' sind nicht im Rahmen der naturalistischen Wissenschaften vertretbar, 'Grundtypen' als operational abgrenzbare Einheiten sind kein Problem. Also ist der Ansatz entweder wissenschaftlich aber dann für uns harmlos, oder supranaturalistisch und dann noch weniger als harmlos.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
El Schwalmo hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Ich sehe hier keinen Unterschied in den Argumentationsstrukturen: Die Heilige Schrift hat also Vorrang vor empirisch begründeten Theorien. - Warum hat die Heilige Schrift Vorrang vor empirisch begründeten Theorien? - Weil empirisch begründete Theorien der Heiligen Schrift Vorrang einräumen ...

So habe ich zumindest Junker noch nie argumentieren hören. Du spielst vermutlich auf 'scientific creationism' an, den Junker aber _nicht_ anerkennt. Die Heilige Schrift hat bei ihm Vorrang vor empirisch begründeten Theorien, aber aus vollkommen anderen, eben theologischen, Gründen. Er geht von einem Primat der Schrift _trotz_ der empirisch begründeten Theorien aus. Für mich ist das ein himmelweiter Unterschied zum 'scientific creationism' (tm).


Okay, hier soll aus der Sicht von Junker & Co Apologetik im Sinne einer Fundamentaltheologie vertreten werden und es wird hier ein Konflikt zwischen "Scientific Creationism" vs. "Biblical Creationism" konstruiert (vgl. Siegfried Scherer).


Das kann man so sehen. Ich habe mich mit beiden Ansätzen hinreichend befasst, um einschätzen zu können, dass es diese Unterschiede gibt. Wenn Du einen krassen Gegensatz haben willst:

In

Batten, D.; (ed.); Ham, K.; Sarfati, J.; Wieland, C. (1999) 'The Answers Book. The 20 Most-Asked Questions About Creation, Evolution & the Book of Genesis Answered! Updated & Expanded' Queensland, Answers in Genesis

wird der 'klassische' 'scientific' creationism in Reinform vertreten. In

Junker, R. (2002) 'Leben - woher? Das Spannungsfeld Schöpfung / Evolution leicht verständlich dargestellt' Dillenburg, Christliche Verlagsgesellschaft

werden die dort vorgetragenen Argumente explizit widerlegt. Selbstverständlich sind _beide_ Ansätze mit unserem Weltbild nicht kompatibel und es macht durchaus Sinn, die Welt in Anhänger und Gegner aufzuteilen. Es macht aber keinen Sinn, mit einem 'Globalargument' gegen die Summe der Gegner auf eine Einzelposition innerhalb derselben loszugehen.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Diese Unterscheidung ist aber genau betrachtet nur ein wissenschaftstheoretischer Nebelwerfer, um sich so religionspolitisch von fundamentalistischeren Gruppen abzusetzen.


Warum 'Nebelwerfer'? Das wäre so, als würdest Du den Durchbrochenen Gleichgewichten aus der Sicht der Evolutionsgegner vorhalten, das sei ein Nebelwerfer, um den Fossilbefund integrieren zu können, ohne dem Naturalismus abschwören zu müssen.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Die von mir gemachte obige Aussage ist deduktiv abgeleitet.


Mag sein. Aber dennoch trifft sie die Position derer von Wort und Wissen nicht. Nur das war mein Punkt.

Grüßle

Thomas
_________________
Ein seliges und unvergängliches Wesen (die Gottheit) trägt weder selbst Mühsal, noch belädt es ein anderes Wesen damit. Darum kennt es weder Zorn noch Wohlwollen. Dergleichen gibt es nur bei einem schwachen Wesen. (Epikur)

Der Christengott ist immens schwach!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Wissenschaft und Technik Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3 ... 6, 7, 8 ... 152, 153, 154  Weiter
Seite 7 von 154

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.



Impressum & Datenschutz


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group