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lupus registrierter User
Anmeldungsdatum: 07.02.2005 Beiträge: 586
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(#307950) Verfasst am: 24.06.2005, 10:04 Titel: |
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AlexDorfner hat folgendes geschrieben: | Bei den Bauernaufständen von Wat Tyler 1380 arbeitete der Priester John Ball als Agitator, der die analphabetische Bevölkerung mit griffigen Parolen mobilisierte. Überliefert ist z.B.: "When Adam delved and Eve span Who was then the gentleman?". Der Gleichheitsgedanke wird aus der Genesis erklärt. |
Hier stellt sich eher die Frage, ob ein Priester glaubwürdig mit anderen Quellen hätte argumentieren können. Außerdem ist das Beispiel doch bezeichnend: Laut Schöpfungsgeschichte gab es zunächst mal ein einziges Menschenpaar, Adam und Eva, die dann aus dem Paradies verjagt wurden und halt arbeiten mussten (graben und spinnen). Das "Argument" ist jetzt, dass damals dieses einzige Menschenpaar ja auch noch keinen Herrn (außer Gott) hatte. Abgesehen davon, dass es eine Menge Schöpfungsgeschichten gibt, bei denen erst mal ein einziges Menschenpaar vorkommt, stellt sich doch die Frage, was dieses "Argument" mit einer viel größeren und komplexeren Gesellschaft zu tun hat. Es ist offensichtlich, dass hier ein PR-Profi schlicht und ergreifend einen eingängigen Slogan gesucht hat, anstatt seiner eigentlichen Motivation Ausdruck zu verleihen.
AlexDorfner hat folgendes geschrieben: | lupus hat folgendes geschrieben: | Ich habe auch gar nicht die Absicht, mich in Detailfragen zu Einzelbiographien zu verzetteln. |
Genau das sind aber die historischen Fakten, von reinen Spekulationen halte ich wenig. |
Auch Details sind historische Fakten, aber deswegen müssen sie nicht von Bedeutung sein.
Da ich ja letztens was vom römischen Recht erzählt habe: In den meisten Ostblockstaaten wurde auch im real existierenden Sozialismus römisches Recht gelehrt. Die betroffenen Profs haben ihre "bourgeoise" Disziplin mit dem Argument gerettet, dass man sie zum Verständnis des kapitalistischen Rechts benötige, dessen Fallstricke absolut vermieden werden müssten, was nur mit einer ausreichenden Kenntnis möglich sei. Ich hoffe, zukünftige Historiker werden nicht so dumm sein zu denken, dass diese Menschen das auch wirklich so meinten.
Und wenn ich mich in das Jahr 1380 zurückversetze, dann entspricht der offiziellen Ideologie Sozialismus die offizielle Ideologie Christentum. Deswegen ist von vorneherein jedes "christliche" Argument aus dieser Zeit verdächtig.
AlexDorfner hat folgendes geschrieben: | Zu möglichen weiteren Aspekten spezifisch christlicher Werteordnung:
...
Merkmale christlicher Denkweise wären neben dem Gleichheitsgedanken ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- Konzept einer absoluten Wahrheit
- Auffassung, daß diese absolute Wahrheit vom Menschen grundsätzlich (natürlich nie vollständig) erkennbar sei
- Eifer zur Mission andersdenkender
- Konzept absoluter unveräußerlicher Rechte
- Konzept einer messianischen Erlösung
- restriktive Sexualmoral
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Punkte 1 und 2: Dass sich dies gerade auf dem Vormarsch befindet, kann ich nicht erkennen. Man könnte hier höchstens an die Stellung der Naturwissenschaften denken, die in gewisser Weise auf der Suche nach "objektiven" Wahrheiten sind. Gerade in der Physik ist es aber wiederum auch so, dass erkenntnistheoretische Zweifel wie die des Platon aus seinem Höhlengleichnis eher wieder aktueller werden. Wenn ich was von zwölfdimensionalem Raum erzähle, kann ich doch gar nicht umhin, mir einzugestehen, dass entweder mit der absoluten Wahrheit oder mit meiner Erkenntnisfähigkeit etwas nicht stimmt. (Übrigens: Wenn die Wege des Herrn unergründlich sind, dann spricht das eher gegen die grundsätzliche Erkennbarkeit einer - in der Tat vorausgesetzten - absoluten Wahrheit. Wo hier genau die "christliche" Position wirklich ist, ist mir also nicht ganz klar.)
Punkt 3: Außer bei "echten" Christen kann ich diesen Eifer eigentlich nur bei den Menschenrechten erkennen, wo er sich aus dem zugrundeliegenden Menschenbild selbst ergibt (dies ist also von Punkt 4 abhängig).
Punkt 4: Absolute unveräußerliche Rechte stehen im totalen Widerspruch zu jeder christlichen Lehre. Dies liegt bereits in der Konzeption eines allmächtigen und allwissenden Gottes begründet, ohne dessen Willen ja angeblich kein Blatt vom Baume fällt. Marionetten (denn das sind Menschen in diesem Weltbild ja) können keine unveräußerlichen Rechte haben. Es ist nicht zu übersehen, dass unveräußerliche Menschenrechte mit dem Gedanken eines selbst keiner Regel unterstehenden allmächtigen Gottes nicht in Einklang zu bringen sind. Was er seinen Geschöpfen zugesteht, hängt einzig und allein von seinen eigenen Wünschen ab - letztlich ist dies die absolute Willkürherrschaft. Nein, wie bereits gesagt kann der Gedanke eines feststehenden Gesetzes (die objektive Seite der subjektiven unveräußerlichen Rechte) nur in einem Weltbild ohne allmächtigen Gott bestehen. Dieses Weltbild kann atheistisch sein, aber insbesondere auch polytheistisch, da mehrere Götter ja nicht allmächtig sein können. Christlich aber auf keinen Fall.
Punkt 5: Ich denke, dass eher der Gedanke auf dem Vormarsch ist, dass wir nur selbst anpacken können, um die Welt zu verbessern. Wenn, dann hat uns den Messiasglauben zuletzt der Gröfaz-Messias ziemlich ausgetreiben.
Punkt 6: Restriktive Sexualmoral auf dem Vormarsch? Wo? In Kentucky? Dort leugne ich einen christlichen Zusammenhang in der Tat nicht. Zur Verallgemeinerung gibt es aber keinen Anlass.
Wenn ich mir all diese Punkte ansehe, kann ich als allgemeine Richtung feststellen, dass diejenigen Punkte, die mit Christentum tatsächlich vereinbar sind, hier und da als geistesgeschichtliche Tendenzen natürlich durchaus auftauchen, aber eher auf dem Rückzug sind.
Ich hatte das "Schwächung des Christentums" genannt. Das hat sich bestätigt.
AlexDorfner hat folgendes geschrieben: | lupus hat folgendes geschrieben: | Griechischunterischt für alle. Aha. In der Bauerngesellschaft der frühen USA? |
Ach soooo, die Bauern. Und ich dachte, als Sie von hellenistischen Offizialbauten Sprachen, wäre von den Städten die Rede gewesen. Wer saß in den Offizialbauten eigentlich drin? Bauern? Kühe?
lupus hat folgendes geschrieben: | US-Verfassung bis 1860. Da liegt ja nur ein knappes Jahrhunder dazwischen .... |
In diesem Thread war mehrfach davon die Rede, daß gewisse Prozesse der Bewußtseinsbildung eine gewisse Zeit brauchen. Im Norden war die Sklaverei übrigens schon vorher weitestgehend zurückgedrängt. |
Das war ich doch gar nicht
_________________ They all err — Moslems, Jews,
Christians, and Zoroastrians:
Humanity follows two world-wide sects:
One, man intelligent without religion,
The second, religious without intellect.
Abu 'L-ala Ahmad b. Abdallah al-Ma'arri (973-1057)
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AlexDorfner Profillos
Anmeldungsdatum: 27.05.2005 Beiträge: 208
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(#308104) Verfasst am: 24.06.2005, 19:56 Titel: |
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lupus hat folgendes geschrieben: | Auch Details sind historische Fakten, aber deswegen müssen sie nicht von Bedeutung sein. |
Vor allem dann wenn man nur Spekulationen und keine Fakten zu bieten hat.
lupus hat folgendes geschrieben: | Hier stellt sich eher die Frage, ob ein Priester glaubwürdig mit anderen Quellen hätte argumentieren können. |
Er hätte es zm Beispiel unterlassen können sich einem Aufstand anzuschließen
lupus hat folgendes geschrieben: | Außerdem ist das Beispiel doch bezeichnend: Laut Schöpfungsgeschichte gab es zunächst mal ein einziges Menschenpaar, Adam und Eva, die dann aus dem Paradies verjagt wurden und halt arbeiten mussten (graben und spinnen). Das "Argument" ist jetzt, dass damals diese einzige Menschenpaar ja auch noch keinen Herrn (außer Gott) hatte. Abgesehen davon, dass es eine Menge Schöpfungsgeschichten gibt, bei denen erst mal ein einziges Menschenpaar vorkommt, stellt sich doch die Frage, was dieses "Argument" mit einer viel größeren und komplexeren Gesellschaft zu tun hat. Es ist offensichtlich, dass hier ein PR-Profi schlicht und ergreifend einen eingängigen Slogan gesucht hat, anstatt seiner eigentlichen Motivation Ausdruck zu verleihen. |
Mein Beispiel (1380) widerlegte Ihre Behauptung die Durchdringung der Bevölkerung mit christlichen Ideen sei zu schwach gewesen um mit biblischen Bezügen zu argumentieren. Die "eigentliche Motivation" ist hier nicht von Bedeutung, was Sie ja wohl auch selbst erkannt haben, da Sie sich einer Beschäftigung mit Einzelbiographien ("Details") strikt verschließen.
lupus hat folgendes geschrieben: | Die betroffenen Profs. haben ihre "bourgeoise" Disziplin mit dem Argument gerettet, dass man sie zum Verständnis des kapitalistischen Rechts benötige, dessen Fallstricke absolut vermieden werden müssten, was nur mit einer ausreichenden Kenntnis möglich sei. Ich hoffe, zukünftige Historiker werden nicht so dumm sein zu denken, dass diese Menschen das auch wirklich so meinten.
Und wenn ich mich in das Jahr 1380 zurückversetze, dann entspricht der offiziellen Ideologie Sozialismus die offizielle Ideologie Christentum. Deswegen ist von vorneherein jedes "christliche" Argument aus dieser Zeit verdächtig. |
Stichwort Opportunismus mit verschiedenen Beispielen wiedergekäut: Dieser Frage wollten Sie selbst nicht nachgehen, weil man sich da angeblich zu sehr in "Details" verliere. Tatsache ist, daß die Folgerung des Gleichheitsgedankens aus der Bibel (konkret entweder aus der Genesis oder aus der Erlösung durch den Tod Jesu) ein seit Jahrhunderten eingefahrenes Argumentationsmuster war, da können Sie den Urhebern in die Schuhe schieben was Sie wollen.
lupus hat folgendes geschrieben: | Gerade in der Physik ist es aber wiederum auch so, dass erkenntnistheoretische Zweifel wie die des Platon aus seinem Höhlengleichnis eher wieder aktueller werden. Wenn ich was von zwölfdimensionalem Raum erzähle, kann ich doch gar nicht umhin, mir einzugestehen, dass entweder mit der absoluten Wahrheit oder mit meiner Erkenntnisfähigkeit etwas nicht stimmt |
Sie brauchen nur in diesem Forum zu schauen, wie der typisch christliche Streit zwischen den christlichen Glaubensschienen Evolution und Kreationismus verfolgt wird. Der Eifer, der sich vor 500 Jahren im Streit um das Sonnensystem zeigte hat nicht nachgelassen, im Gegenteil er hat sich auf die Allgemeinbevölkerung ausgeweitet. Ihre Probleme mit der Anschaulichkeit neuerer Theorien erschüttern nicht die allgemiene Auffassung, daß die Wissenschaft eine Representation der Wirklichkeit sei. Zugegeben: seit dem Niedergang des KOmmunismus hat es einen kleinen Dämpfer gegeben
lupus hat folgendes geschrieben: | Außer bei "echten" Christen kann ich diesen Eifer eigentlich nur bei den Menschenrechten erkennen, wo er sich aus dem zugrundeliegenden Menschenbild selbst ergibt (dies ist also von Punkt 4 abhängig). |
Der Eifer zur Mission eine grundsätzliches christliches Verlaltensmuster. Ob der Wert, der verbreitet werden soll christlich ist oder nicht, das steht überhaupt nicht zur Debatte. Damit entfällt die Abhängigkeit von Punkt 4. Daß Sie es offenbar für selbstverständlich halten, daß man versucht "seine" Werte missionarisch zu verbreiten zeigt, daß Ihnen jeder Ansatz zu nichtchristlichem Denken völlig unbekannt und unverständlich ist. Wenn ein Christ also buddhistische Werte übernimmt, weiter aber missionarischen Eifer an den Tag legt, dann hat er zumindest in diesem PUnkt ein grundlegend christliches Verhaltensmuster beibehalten, welches einem echten Buddhisten fremd wäre. Dies gilt übrigens nicht nur im Zusammenhang mit Gleichheit, Menschenrechten sondern auch ganz besonders bei Tierschutz. Der Zusammenhang mit traditioneller christlicher Kolionalistenkultur wird spätestens dann klar, wenn das Missionsverhalten mit kultureller Arroganz einhergeht und klarer wirtschaftlicher, sogar gewaltsamer Druck eingesetzt wird.
lupus hat folgendes geschrieben: | Absolute unveräußerliche Rechte stehen im totalen Widerspruch zu jeder christlichen Lehre.... |
Um das Konzept absoluter Rechte zu entwickeln ist zunächst überhaupt die Idee von etwas absolutem nötig. Dieses Konzept besitzt nur der Monotheismus. Des weiteren muß auch eine weitgehende Bereitschaft zur Unterordnung unter ein absolutes übergeordnetes Prinzip vorhanden sein. Eine Verankerung monotheistischen Gedankengutes in der Bevölkerung ist somit nötig. Der Atheismus (z.B. Konfuzianismus) kennt nur Beziehungen zwischen Menschen. Hier haben absolute Rechte keinen Platz. Es gibt nur gegenseitige Pflichten, die alle von der konkreten Beziehung abhängig sind.
lupus hat folgendes geschrieben: | Es ist nicht zu übersehen, dass unveräußerliche Menschenrechte mit dem Gedanken eines selbst keiner Regel unterstehenden allmächtigen Gottes nicht in Einklang zu bringen sind. |
Dies ist - wie oben dargelegt - offensichtlich falsch. Anscheinend waren auch die Autoren von 1776 meiner Meinung. Zufällig waren das nun gerade die Herren, die das Konzept der unalienable rights als erste überhaupt in dieser Form niedergelegt haben.
lupus hat folgendes geschrieben: | Ich denke, dass eher der Gedanke auf dem Vormarsch ist, dass wir nur selbst anpacken können, um die Welt zu verbessern. |
Weltverbesserung ist genau der Punkt. Auch Sie selbst sind also vom Gedanken der messianischen Erlösung so durchdrungen, daß Sie für die Realität blind sind. Führend bei der Beförderung eines solchen Glaubens war übrigens lange Zeit der ML. Zugegeben: nach dem Zusammenbruch des Kommunismus ist hier eine gewisse vorübergehende Ernüchterung eingetreten. Aber das Märchen von einer sozio-kulturellen Evolution macht auch gemäßigten Linken weiter seine Runde.
lupus hat folgendes geschrieben: | Restriktive Sexualmoral auf dem Vormarsch? Wo? In Kentucky? Dort leugne ich einen christlichen Zusammenhang in der Tat nicht. Zur Verallgemeinerung gibt es aber keinen Anlass. |
Beispiele:
In Schweden ist seit einigen Jahren die Prostitution verboten (und zwar mit effektiven Mitteln)
In der EU Vorstöße nach dem Muster Schwedens
In Japan ist seit WW2 Prostitution gesellschaftlich geächtet, offiziell verboten
Im traditionellen China war Prostitution ein ehrbarer Beruf, heute gesellschaftlich geächtet, offiziell verboten
Zunehmende restriktion der sexuellen Freizügigkeit unter dem Banner des Feminismus.
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lupus registrierter User
Anmeldungsdatum: 07.02.2005 Beiträge: 586
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(#308127) Verfasst am: 24.06.2005, 22:28 Titel: |
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Soso: Wenn ich mit Gedanken aus nichtchristlicher Quelle argumentiere, kann das nur eine Übertünchung meiner unbewussten, christlich determinierten Motivationen sein. Wenn "founding fathers" oder Bauernführer christlich inspirierte Argumente verwenden (und seien sie noch so weit hergeholt wie bei Adam und Eva), dann kann das an nichts anderem liegen als an christlicher Durchdringung.
Gegen solche Glaubenssätze kann ich nicht anstinken, das sehe ich ein.
Mir implizit christlichen Missionseifer vorzuwerfen, ist übrigens absurd. Ich wehre mich nur gegen Übergriffe derer, die meine Sicht der Dinge als faktisch unzulässig darstellen (man schaue in den Thread "Die Schwarzen überrennen Deutschland"). Das ist meine Motivation, und ich bin sicher, deren ist auch ein Buddhist fähig. Wer mich kennt, der weiß, dass ich jeden in Ruhe lasse, der mich in Ruhe lässt.
Die "Bereitschaft zur Unterordnung unter ein absolutes übergeordnetes Prinzip" war in Europa bereits vor dem Christentum verbreitet, was ich bereits mehrfach dargelegt habe - aber auch da komme ich gegen Dogmen offensichtlich nicht an.
Hingegen hat Monotheismus natürlich nichts mit Unterordnung unter ein Prinzip zu tun, sondern mit Unterordnung unter ein persönliches göttliches Wesen mit eigenem Willen, was doch einen einschneidenden Unterschied darstellt.
Fehlmeldung über Fehlmeldung, die durch die Gleichsetzung von "Weltverbesserung" mit "messianischer Erlösung" nicht besser werden, denn "Verbessern" bedeutet ja nicht, dass irgendwann mal alles perfekt ist, wie in einer von einem Messias "erlösten" Welt.
Und bei der sexuellen Freizügigkeit können Einzelentwicklungen (die im Übrigen ja auch nicht gleich verlaufen: bei der Prostitution z.B. in Deutschland genau gegenläufig zu Schweden) nicht über die allgemeine Tendenz hinwegtäuschen, die wir alle kennen.
Es tut mir leid. Hier endet mein angeblicher "christlicher Missionseifer". Die Leser dieses Threads haben genug zu lesen und werden sich ihre Meinung bilden. Ich habe die meine in der Diskussion getestet, und sie ist nur noch stärker geworden: Wir haben sicherlich das eine oder andere aus dem Christentum, darunter auch Positives, aber das meiste kommt aus anderen Quellen.
_________________ They all err — Moslems, Jews,
Christians, and Zoroastrians:
Humanity follows two world-wide sects:
One, man intelligent without religion,
The second, religious without intellect.
Abu 'L-ala Ahmad b. Abdallah al-Ma'arri (973-1057)
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#308156) Verfasst am: 25.06.2005, 00:02 Titel: |
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Wie sahen die effektiven Mittel in Schweden denn aus?
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Falameezar registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 1867
Wohnort: umringt von glücklichen Kühen
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(#308159) Verfasst am: 25.06.2005, 00:09 Titel: |
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lupus hat folgendes geschrieben: | Hier endet mein angeblicher "christlicher Missionseifer". Die Leser dieses Threads haben genug zu lesen und werden sich ihre Meinung bilden. Ich habe die meine in der Diskussion getestet, und sie ist nur noch stärker geworden: Wir haben sicherlich das eine oder andere aus dem Christentum, darunter auch Positives, aber das meiste kommt aus anderen Quellen. |
Wow, Respekt vor deiner Geduld u. Ausdauer, aber auch vor deinem umfangreichen Wissen.
_________________ Wenn die Welt erst ehrlich genug geworden sein wird, um Kindern vor dem 15. Jahr keinen Religionsunterricht zu erteilen, dann wird etwas von ihr zu hoffen sein.
Arthur Schopenhauer (Philosoph, 1788-1860)
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AlexDorfner Profillos
Anmeldungsdatum: 27.05.2005 Beiträge: 208
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(#308295) Verfasst am: 25.06.2005, 13:39 Titel: |
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lupus hat folgendes geschrieben: | Soso: Wenn ich mit Gedanken aus nichtchristlicher Quelle argumentiere, kann das nur eine Übertünchung meiner unbewussten, christlich determinierten Motivationen sein. |
Weder ihren Darlegungen zum römischen Recht, noch ihren - bisher allerdings völlig unsubstatiierten - Bezügen zum germanischen Recht habe ich christliche Motivation unterstellt.
lupus hat folgendes geschrieben: | Abgesehen davon, dass es eine Menge Schöpfungsgeschichten gibt, bei denen erst mal ein einziges Menschenpaar vorkommt, stellt sich doch die Frage, was dieses "Argument" mit einer viel größeren und komplexeren Gesellschaft zu tun hat. |
Nochmal: es ging konkret um geflügelte Worte welche eine analphabetische Bevölkerung aus John Balls Predigten zimmerte. Daß die Bauernführer auch komplexere Überlegungen aus dem Christentum herleiteten, ist z.B. aus vielen weiteren Streitschriften Münzers leicht ersichtlich. Seine 12 Artikel hate ich hier längst zitiert, die sind übrigens jederzeit im Netz verfügbar. Im Gegensatz zu Ihnen arbeite ich hier nämlich mit Quellenbezügen und nicht mit Spekulationen. Doch dazu wäre es nötig Text zu lesen und zu verstehen, sogar dann wenn er der eigenen vorgefaßten Meinung wiederspricht. Ich muß zugeben daß das gelegentlich zu viel verlangt ist.
lupus hat folgendes geschrieben: | Wenn "founding fathers" oder Bauernführer christlich inspirierte Argumente verwenden (und seien sie noch so weit hergeholt wie bei Adam und Eva), dann kann das an nichts anderem liegen als an christlicher Durchdringung. |
Argumentation mit Bezug auf eine Bibelstelle die keiner kennt dürfte ja wohl ins leere laufen.
lupus hat folgendes geschrieben: | Die "Bereitschaft zur Unterordnung unter ein absolutes übergeordnetes Prinzip" war in Europa bereits vor dem Christentum verbreitet, was ich bereits mehrfach dargelegt habe - aber auch da komme ich gegen Dogmen offensichtlich nicht an. |
Sie haben nichts dargelegt, nur behauptet.
Das römische Recht? Da stand der Kaiser drüber und die Sklaven drunter, das war keinesfalls absolut.
Oder das angebliche Gesetz Ihrer Germanen? Hierzu haben Sie keine Quellen zitiert. Meine Hauptmotivation zur Teilnahme an diesem Forum ist es nun mal was dazuzulernen.
lupus hat folgendes geschrieben: | Mir implizit christlichen Missionseifer vorzuwerfen, ist übrigens absurd. |
Hier schieben sie mir was unter, was ich so nicht geäußert habe. Aus Ihren Ausführungen war herauszulesen, daß Sie ein Bestreben zur Mission für etwas natürliches halten was vom Christentum unabhängig zu sehen sei. Das ist aber nicht der Fall. Beispiel Tierschutz: Ob das ein christlicher Gedanke ist sei mal dahingestellt. Die Aktivitäten der Tierschützer beinhalten den Ruf nach einer gesetzlichen Regelung (massiver Druck auf andersdenkende Minderheiten), sind weiter häufig geprägt von Dogmatik und kultureller Arroganz. Dies alles sind traditionelle Eigenschaften der Mission der christlichen Kolonialisten, die Sie offenbar für das natürlichste der Welt halten. Da darf man doch mal hinterfragen, wie Sie dazu kommen dergleichen Verhalten für selbstverständlich zu halten.
lupus hat folgendes geschrieben: | Hingegen hat Monotheismus natürlich nichts mit Unterordnung unter ein Prinzip zu tun, sondern mit Unterordnung unter ein persönliches göttliches Wesen mit eigenem Willen, was doch einen einschneidenden Unterschied darstellt. |
Von der Grundidee sind Götter Metaphern für Aspekte der Natur, der Mono-Gott Metapher für die gesamte Natur. Die Personifikation ist eine gedankliche Hilfe für einen, der sich kein abstraktes Prinzip vorstellen kann. Das gilt umso mehr wenn dieses Prinzip als Autorität akzeptiert werden soll. Mithin also ein Vekikel das Konzept eines übergeordneten Instanz in der breiten Bevölkerung zu verankern. Es geht bei der Frage nach Akzeptanz auch um Anschaulichkeit: Gerade haben Sie doch selbst noch darüber erwähnt, daß Sie sich ein quant lieber als Teilchen, nur ungern als Eigenwertproblem in 11D vorstellen.
lupus hat folgendes geschrieben: | Fehlmeldung über Fehlmeldung, die durch die Gleichsetzung von "Weltverbesserung" mit "messianischer Erlösung" nicht besser werden, denn "Verbessern" bedeutet ja nicht, dass irgendwann mal alles perfekt ist, wie in einer von einem Messias "erlösten" Welt.
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Ihre persönliche Auffassung von Weltverbesserung steht nicht zur Disposition. Die vorherrschende Meinung ist immer von der Vorstellung geprägt die F.Engels mit einer Auflösung aller Widersprüche umschrieb. Ich nehme aber mal an, daß Sie, wenn Sie von Weltverbesserung reden auch mehr als eine lokale Verbesserung in Ihrem unmittelbaren Umfeld im sinne haben.
Als Beleg für die Virulenz des messianischen Erlösungsgedankens nehmen wir doch gleich mal das Motto unseres Mitdiskutanten Falameezar:
"Wenn die Welt erst ehrlich genug geworden sein wird, um Kindern vor dem 15. Jahr keinen Religionsunterricht zu erteilen, dann wird etwas von ihr zu hoffen sein."
Das hat nichts mit einer lokalen Verbesserung des Umfeldes durch eigenes "Anpacken" zu tun sondern liegt deutlich näher an einer Vorstellung einer Erlösung von dem Bösen.
lupus hat folgendes geschrieben: | Und bei der sexuellen Freizügigkeit können Einzelentwicklungen (die im Übrigen ja auch nicht gleich verlaufen: bei der Prostitution z.B. in Deutschland genau gegenläufig zu Schweden) nicht über die allgemeine Tendenz hinwegtäuschen, die wir alle kennen. |
Es ist symptomatisch für Ihre Argumentationsweise, daß Sie einer Umstellung der offiziellen Moral im gesamten Asien eine lokale Entwicklung in Deutschland entgegensetzen. Die momentane Situation in D hat erst mal nichts mit dem Bewußtsein in der Bevölkerung zu tun, sondern mit billigerer Verfügbarkeit von käuflichem Sex bedingt durch die unmittelbare Nachbarschaft zu Osteuropa. Gerade hierdurch kommt es aber zum Ruf nach weitergehenden restriktiven Regelungen.
Die "allgemeine Tendenz", "die wir alle kennen" ist nichts als eine Behauptung.
narziss hat folgendes geschrieben: | Wie sahen die effektiven Mittel in Schweden denn aus? |
nicht die Dame sondern der "Freier" macht sich strafbar. Dies halte ich für wesentlich effektiver als den weiter verbreiteten umgekehrten Ansatz, der in der Praxis (besonders bei Geldstrafen) den Bienenfleiß der Damen nur noch weiter anstacheln dürfte
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Brahms Geschwafelkommodore
Anmeldungsdatum: 15.06.2005 Beiträge: 495
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(#308338) Verfasst am: 25.06.2005, 14:51 Titel: |
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@Alex Dorfner
Zitat: | "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten"
(Dieter Nuhr) |
_________________ Headjob yes - hejab no!
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#308391) Verfasst am: 25.06.2005, 16:45 Titel: |
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Stimmt es eigentlich, dass der vollständige Gleichheitsgedanke zuerst von den Stoa entwickelt wurde?
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Wanderer Bestienbändiger
Anmeldungsdatum: 19.07.2003 Beiträge: 3496
Wohnort: Bielefeld
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(#308412) Verfasst am: 25.06.2005, 17:41 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: | Stimmt es eigentlich, dass der vollständige Gleichheitsgedanke zuerst von den Stoa entwickelt wurde? |
Ich bezweifele, dass man das verifizieren kann
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#308418) Verfasst am: 25.06.2005, 17:54 Titel: |
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Wanderer hat folgendes geschrieben: | Katatonia hat folgendes geschrieben: | Stimmt es eigentlich, dass der vollständige Gleichheitsgedanke zuerst von den Stoa entwickelt wurde? |
Ich bezweifele, dass man das verifizieren kann  |
Warum?
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#308419) Verfasst am: 25.06.2005, 17:55 Titel: |
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Wie willst du es denn verifizieren?
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#308424) Verfasst am: 25.06.2005, 18:04 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wie willst du es denn verifizieren? |
Indem man die Aussagen der Stoa nachprüft. Oder haben sie keine Schriften hinterlassen?
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#308425) Verfasst am: 25.06.2005, 18:05 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wie willst du es denn verifizieren? |
Indem man die Aussagen der Stoa nachprüft. |
Nein. Um nachzuprüfen, ob sie die Ersten waren, müsstest du alle früheren Schriften überprüfen.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#308433) Verfasst am: 25.06.2005, 18:36 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Katatonia hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Wie willst du es denn verifizieren? |
Indem man die Aussagen der Stoa nachprüft. |
Nein. Um nachzuprüfen, ob sie die Ersten waren, müsstest du alle früheren Schriften überprüfen. |
Ja, ok. Aber auch diese Verifikation ist möglich (sofern jedenfalls die Frage auf Schriftstücke beschränkt bliebe). Im Hinblick auf das Thema zielte ich natürlich auf etwas anderes ab, ich hätte also korrekterweise fragen sollen:
Hatten nicht die Stoa schon vor dem Christentum einen vollständigen Gleichheitsgedanken entwickelt?
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#308438) Verfasst am: 25.06.2005, 18:40 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: | Aber auch diese Verifikation ist möglich. |
Schwierig. Dafür müsstest du:
1. alle früheren Texte besitzen (was schwierig ist).
2. sicher sein können, dass es alle früheren Texte sind (was unmöglich ist).
3. alle früheren Texte durchlesen (was lang dauert).
Eine Verifikation ist also nicht möglich.
Lediglich eine Falsifikation ist möglich. Solange diese nicht geschehen ist, können wir die These jedoch als viabel betrachten.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#308449) Verfasst am: 25.06.2005, 19:19 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Eine Verifikation ist also nicht möglich.
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Stimmt auch wieder. Ich hatte diesen Gedanken: Es ist prinzipiell möglich, nachzuweisen, dass die Stoa den Gleichheitsgedanken, sofern sie einen solchen entwickelt haben, nicht als erste herausgearbeitet haben.
Ich hoffe, jetzt habe ich endlich mal was Korrektes gesagt.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#308455) Verfasst am: 25.06.2005, 19:24 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: | Ich hatte diesen Gedanken: Es ist prinzipiell möglich, nachzuweisen, dass die Stoa den Gleichheitsgedanken, sofern sie einen solchen entwickelt haben, nicht als erste herausgearbeitet haben. |
Ja. Das wäre die Falsifikation der Behauptung, die Stoa habe den Gleichheitsgedanken als erste entwickelt...
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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AlexDorfner Profillos
Anmeldungsdatum: 27.05.2005 Beiträge: 208
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(#308724) Verfasst am: 26.06.2005, 12:09 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: | Stimmt es eigentlich, dass der vollständige Gleichheitsgedanke zuerst von den Stoa entwickelt wurde? |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nein. Um nachzuprüfen, ob sie die Ersten waren, müsstest du alle früheren Schriften überprüfen. |
Sehr geehrte Herrschaften, in der Tat ist es völlig unmöglich nachzuweisen, daß irgendjemand irgendwas als ERSTER entwickelt hat. Jede Religion/Weltanschauung hat ihre Vorgänger, wobei es allerdings vor 1000 v.Chr. dann quellenmäßig immer dünner wird.
Spekulationen zur Stoa erübrigen sich hier allerdings, Texte sind ja glücklicherweise ausreichend verfügbar. Einen von Senecas Episteln an Lucilius, würde ich erst mal als einen Gleichheitsgedanken der Stoa zur Diskussion stellen. Ich zitiere:
"Libenter ex iis qui a te veniunt cognovi familiariter te cum servis tuis vivere: hoc prudentiam tuam, hoc eruditionem decet. 'Servi sunt.' Immo homines. 'Servi sunt.' Immo contubernales. 'Servi sunt.' immo humiles amici. 'Servi sunt.' Immo conservi, si cogitaveris tantundem in utrosque licere fortunae."
Was ein "vollständiger Gleichheitsgedanken" ist, wäre allerdings erst mal zu definieren.
Brahms hat folgendes geschrieben: | Zitat:
"Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten"
(Dieter Nuhr) |
Das sind die resoluten Töne, die wir auch aus Ihrer es-dur Rhapsodie kennen und schätzen gelernt habe, sehr geehrter Herr Brahms. In einer Forumsumgebung ist es allerdings üblich seine Auffassung auch zu begründen.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#308735) Verfasst am: 26.06.2005, 12:39 Titel: |
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AlexDorfner hat folgendes geschrieben: | Sehr geehrte Herrschaften, in der Tat ist es völlig unmöglich nachzuweisen, daß irgendjemand irgendwas als ERSTER entwickelt hat. |
Vollkommen richtig, aber das war nicht die Frage.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Katatonia ...the quiet cold of late november
Anmeldungsdatum: 05.04.2005 Beiträge: 826
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(#308889) Verfasst am: 26.06.2005, 17:45 Titel: |
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AlexDorfner hat folgendes geschrieben: | Katatonia hat folgendes geschrieben: | Stimmt es eigentlich, dass der vollständige Gleichheitsgedanke zuerst von den Stoa entwickelt wurde? |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nein. Um nachzuprüfen, ob sie die Ersten waren, müsstest du alle früheren Schriften überprüfen. |
Sehr geehrte Herrschaften, in der Tat ist es völlig unmöglich nachzuweisen, daß irgendjemand irgendwas als ERSTER entwickelt hat. Jede Religion/Weltanschauung hat ihre Vorgänger, wobei es allerdings vor 1000 v.Chr. dann quellenmäßig immer dünner wird.
Spekulationen zur Stoa erübrigen sich hier allerdings, Texte sind ja glücklicherweise ausreichend verfügbar. Einen von Senecas Episteln an Lucilius, würde ich erst mal als einen Gleichheitsgedanken der Stoa zur Diskussion stellen. Ich zitiere:
"Libenter ex iis qui a te veniunt cognovi familiariter te cum servis tuis vivere: hoc prudentiam tuam, hoc eruditionem decet. 'Servi sunt.' Immo homines. 'Servi sunt.' Immo contubernales. 'Servi sunt.' immo humiles amici. 'Servi sunt.' Immo conservi, si cogitaveris tantundem in utrosque licere fortunae." |
Ich kann leider kein Latein, könntest du das freundlicherweise übersetzen?
Zitat: | Was ein "vollständiger Gleichheitsgedanken" ist, wäre allerdings erst mal zu definieren. |
Ich meinte damit eine Gleichheit, die sich auf wirklich alle Menschen bezieht und nicht nur auf Polis-Mitglieder, Nicht-Sklaven etc.
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Brahms Geschwafelkommodore
Anmeldungsdatum: 15.06.2005 Beiträge: 495
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(#309165) Verfasst am: 27.06.2005, 15:16 Titel: |
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Hier gibt es mehr Informationen über die der Gründung der USA zugrunde liegenden Werte:
Dies dürfte hinreichend klarstellen, dass "christliche Werte" (was auch immer das ist) bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielten.
Auch eben ist die Bedeutung eines christlichen Gleichheitsgrundsatzes alleine schon deswegen zu negieren als dieser bestenfalls eine Gleichheit, noch dazu nur die der Gläubigen, ausschliesslich vor Gott vorsieht. Auf Erden ist eine klare Klassengesellschaft vorgesehen.
Alles andere ist theologisches Neusprech, dessen Ableitung wohl wiederrum aus den nach der Rennaissance wieder aufgekommen Antiken Philosophien kommt.
Der schon früh einsetzende Wertetransfer von Nordamerika nach Deutschland (spätestens anfang 19. Jhdt.) lässt sich auch gut dokumentieren.
Hier einmal ein Beispiel vom Lyriker unserer Nationalhymne:
Hoffmann von Fallersleben hat folgendes geschrieben: | Auswanderunglied (1848)
Unsere Fürsten hatten viel versprochen
doch das Halten schien nicht ihre Pflicht
haben wir denn nun so viel verbrochen
warum hielten sie ihr Versprechen nicht
Schlimmer wird es jetzt von Tag zu Tage
schweigen ist nur unser einzig Recht
Untertanen ziemet keine Klage
gehorchen muß dem Herrn der Knecht
Heute trifft es jenen, morgen diesen
jeder hier im Land ist vogelfrei
Unsere Brüder werden ausgewiesen
mehr als alles Recht gilt Polizei
Deutsche Freiheit, die lebt nur im Liede
Deutsches Recht, das ist ein Märchen nur
Deutschlands Wohlfahrt ist ein langer Friede
voll von lauter Willkür und Zensur
Darum ziehen wir aus dem Vaterlande
kehren nun und nimmermehr zurück
suchen Freiheit uns am fremden Strande
Freiheit das ist unser Lebensglück
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_________________ Headjob yes - hejab no!
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AlexDorfner Profillos
Anmeldungsdatum: 27.05.2005 Beiträge: 208
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(#309420) Verfasst am: 28.06.2005, 09:31 Titel: |
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Katatonia hat folgendes geschrieben: | Ich kann leider kein Latein, könntest du das freundlicherweise übersetzen? |
Mit Übersetzungen ist das so eine Sache: wenn zu wörtlich, dann unlesbar, wenn zu frei, dann hat er Übersetzer seine eigene Meinung meist zu sehr einfließen lassen. Die von Frank Loretto scheint mir trotzdem recht vernünftig:
"Mit Vergnügen habe ich von Leuten, die von Dir kommen, erfahren, daß Du mit Deinen Sklaven auf freundschaftlichem Fuß stehst: das paßt zu Deiner Klugheit und zu Deiner Bildung. »Sklaven sind sie!« Nein, vielmehr Menschen. »Sklaven sind sie!« Nein, vielmehr Hausgenossen. »Sklaven sind sie!« Nein, vielmehr Freunde niedrigen Standes. »Sklaven sind sie!«' Nein, vielmehr Mitsklaven, wenn Du bedenkst, daß sich das Geschick gleich viel gegen beide Gruppen herausnehmen darf."
Fazit: von einem "vollständigen Gleichheitsgedanken" kann zwar nicht die Rede sein, jedoch muß man auch bewerten, daß der Autor Grenzen, die zu seiner Zeit als selbstverständlich angesehen wurden, in Frage gestellt hat.
Sehr geehrter Herr Brahms, aus Ihrer Referenz:
Jefferson hat folgendes geschrieben: | I concur with you strictly in your opinion of the comparative merits of atheism and demonism, and really see nothing but the latter in the being worshipped by many who think themselves Christians. |
Dies zeigt lediglich, daß Jefferson die jüdischen Elemente des Christentums (hier konkret Ex,20, 5) gegenüb er den abgefahrenen hellenistischen Elementen sehr hoch wertet. Daß in der volksnahen christlichen Religiosität viele polytheistische Elemente enthalten sind hat hier übrigens nie jemand bestritten.
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Brahms Geschwafelkommodore
Anmeldungsdatum: 15.06.2005 Beiträge: 495
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(#309505) Verfasst am: 28.06.2005, 17:32 Titel: |
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A Dorfner hat folgendes geschrieben: | Dies zeigt lediglich, daß Jefferson die jüdischen Elemente des Christentums (hier konkret Ex,20, 5) gegenüb er den abgefahrenen hellenistischen Elementen sehr hoch wertet. |
Was natürlich vogelfreier Unsinn ist. Wenn T Jefferson schon insgesamt wenig mit dem Christentum, und auch Judentum f diesen Zweck, im Sinn hatte, dann noch weniger mit dem AT.
Jefferson, der sich ja selbst als Epukuräer - Deist, aber in Form und Inhalt mit dem christentum arg wenig gemein - am beste beschrieben sah, liegt recht linear in der hellenistischen Tradition verwurzelt. Z.B. Pierre Gassendi und John Locke waren dafür die Transmissionsriemen. Locke, neben seiner Bedeutung als einer der greossen Revitalisatoren der demokratischen Gedankengutes, war übrigens auch einer der führenden Transporteure des Gleichheitsgedankens der Schule von Stoa, welcher ja wesentlich weiter ging als jene Mogelpackung die das christliche Äquivalent sein soll, aber jedoch nur "Gleichheit vor Gott" vorsieht und ansonsten Klassengesellschaft gut findet.
_________________ Headjob yes - hejab no!
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AlexDorfner Profillos
Anmeldungsdatum: 27.05.2005 Beiträge: 208
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(#310014) Verfasst am: 29.06.2005, 20:31 Titel: |
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Brahms hat folgendes geschrieben: | Was natürlich vogelfreier Unsinn ist. Wenn T Jefferson schon insgesamt wenig mit dem Christentum, und auch Judentum f diesen Zweck, im Sinn hatte, dann noch weniger mit dem AT. |
Sehr geehrter Herr Brahms, das ist nun mal Tatsache, daß das AT Götzenanbetung verbietet und genau das ist der Punkt primitiv-christlicher Religiosität (Demonism) den Jefferson in dem Zitat angreift. Mit einer äquivalenten Aussage kommentieren protestantische Pastoren typischerweise den Marien-Wallfahrtsrummel in Altötting. Die These, daß Jefferson wenig mit dem Christentum am Hut gehabt hätte, das ist im übrigen genau die Behauptung, die Sie zeigen wollen. Und die ziehen Sie hier nun wieder im Zirkelschluß zur Begründung Ihrer Aussage heran.
Brahms hat folgendes geschrieben: | Jefferson, der sich ja selbst als Epukuräer - Deist, aber in Form und Inhalt mit dem christentum arg wenig gemein - am beste beschrieben sah, liegt recht linear in der hellenistischen Tradition verwurzelt. Z.B. Pierre Gassendi und John Locke waren dafür die Transmissionsriemen. |
Wie gesagt: Ich habe weiter oben gezeigt, daß Jeffersons Angriff auf primitive Religiosität INHALTLICH kompatibel mit dem AT ist. Aber für Inhalte scheinen Sie sich nicht zu interessieren.
Daß Sie eine Sympathiekundgebung für eine griechische Philosophierichtung als Glaubensbekenntnis interpretieren zeigt nur, daß Sie selbst nicht in Inhalten sondern in Glaubensbekenntnissen denken.
Ich zitiere Ihren angeblichen Transmissionriemen der hellenistischen Tradition:
John Locke hat folgendes geschrieben: | …I esteem that toleration to be the chief characteristical mark of the true church ... Let any one have ever so true a claim to all these things, yet if he be destitute of charity, meekness, and goodwill in general towards all mankind, even to those that are not Christians, he is certainly yet short of being a true Christian himself |
Welcher "Hellenismus" soll das denn nun sein mein sehr geehrter Herr Brahms? Zugegeben die Griechische Kultur hat von Naturreligion über Polytheismus und Materialismus bis hin zum Christentum so ziemlich alles zu bieten.
Brahms hat folgendes geschrieben: | übrigens auch einer der führenden Transporteure des Gleichheitsgedankens der Schule von Stoa, welcher ja wesentlich weiter ging als jene Mogelpackung die das christliche Äquivalent sein soll, aber jedoch nur "Gleichheit vor Gott" vorsieht und ansonsten Klassengesellschaft gut findet. |
Nun offensichtlich predigte die Stoa zwar Menschlichkeit, ging aber ebenfalls nicht so weit die Klassengesellschaft anzugreifen. Mein Seneca-Zitat zeigt einen Stand der nicht über die Paulusbriefe hinausgeht. Sie sind jederzeit eingeladen mich anhand von Zitaten weiterer Stoiker eines besseren zu belehren. Inhalte, also konkrete Quellenhinweise und Zitate bitte. Ich diskutiere hier ja schließlich nicht um mir nachgebetete bzw. abgeschriebene Plattitüden auf populärwissenschaftlichem Niveau durchzulesen, sondern um was dazuzulernen.
Ein irdischer Gleichheitsgedanke leidet unter dem grundsätzlichen Problem, daß die Menschen nicht gleich sind. Die Gleichheit vor Gott ist die einzige Variante eines Gleichheitsgedankens, die potentiell eine Überschreitung altherbegrachter Grenzen anregt. Aus einer Gleichheit vor Gott kann man zum Beispiel folgern, daß eine Gleichheit vor dem Gesetz nicht ausreicht, und daß z.B. eine Gleichheit der Besitzverhältnisse anzustreben sei. Aus einer Gleichheit vor dem Gesetz folgt nur das, was das Gesetz vorsieht und sonst nichts.
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Femina registrierter User
Anmeldungsdatum: 24.07.2005 Beiträge: 1038
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(#319787) Verfasst am: 28.07.2005, 00:54 Titel: |
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Ich denke schon, dass leider heute immer noch urchristliche Werte die Moralvorstellungen einer großen Anzahl von Leuten bestimmen. Sie sind zum Teil auch in unserer Gesetzgebung verankert.
Ich denke zum Beispiel an die Diskriminierung von Homosexuellen, staatliche Einmischungen in die Fortpflanzungsfreiheit, daran, dass es heute immer noch viel zu viele Tabus gibt und daran, dass die Mehrheit der Deutschen das heute immer noch völlig normal findet.
Allein schon die weit verbreitete Wertvorstellung, die Kirchen wären was Gutes ist doch schon darin inbegriffen.
Liebe Grüße, Femina
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magnusfe MASTERMISSIONATOR OF THEOLOGIK
Anmeldungsdatum: 03.08.2004 Beiträge: 3944
Wohnort: dunkler Ort :
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(#319788) Verfasst am: 28.07.2005, 00:59 Titel: der ... |
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der persönliche Glaube ist etwas Gutes
die Kirche ist eine Sammlung von Gläubigen und kann Gut oder Schlecht sein, je nachdem ob diese Gläubigen zufällig Mist bauen oder gute Aktionen durchführen
es ist sinnvoll dass sich Gläubige treffen und sich über ihren Glauben austauschen gegenseitig, wenn dies aber z.b. hier im Internet geschieht oder zuhause im Wohnzimmer, dann ist das völlig ausreichend u
_________________ http://www.magnusfe.npage.de
Wer meine Worte klaut wird schlau
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enpassant registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2005 Beiträge: 522
Wohnort: leipzig
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(#319855) Verfasst am: 28.07.2005, 11:53 Titel: |
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Zitat: | der persönliche Glaube ist etwas Gutes
die Kirche ist eine Sammlung von Gläubigen und kann Gut oder Schlecht sein, je nachdem ob diese Gläubigen zufällig Mist bauen oder gute Aktionen durchführen |
Aha, die Gemeinschaft des Guten ergibt dann zufällig Gutes oder auch Schlechtes...
Ist es nicht vielmehr so, dass von einem guten Baume keine schlechten Früchte kommen können?
Denn der unaufhölich als Gipfelpunkt aller Moralität gepriesene christliche Wertekanon ist nicht mehr als eine mehr oder weniger direkte Huldigung des Egoismus! Man mache sich doch bitte mal die Mühe, die fast sprichwörtlich gewordene Bergpredigt tatsächlich einmal zu lesen, anstatt nur mit der Aura zu hantieren, die sie umgibt.
Lesen wir da nicht in jedem Vers, dass man dieses oder jenes tun soll, DAMIT man hernach im Himmel entsprechend dafür beloht wird, das "gute" Handeln sich im Wesentlichen also als nichts anderes entpuppt, als ein auf lange Sicht ausgestellter vorteilhafter Wechsel, dessen Früchte man selbst sodann im Paradiese zu genießen erhofft?
Dergleichen aber ist bestenfalls der schwache Abglanz einer wirklichen Moral und die ihm innewohnende umfassende Huldigung des Egoismus wird demzufolge immer dann sichtbar, wenn solche "Moral" sich im realen Miteinander von Menschen zu bewähren hat. Daselbst nämlich stellt sich heraus, dass wirkliche und selbstlose Nächstenliebe wohl von allem möglichen anderen abhängt, keinesfalls aber davon, wie "christlich" die betreffenden Menschen sind.
So kann man Schopenhauer nur beipflichten, wenn er feststellt:
Zitat: | In ihrem Todesängsten sieht man die Religion sich an die Moral klammern, für deren Mutter sie sich ausgeben möchte - aber mitnichten! Echte Moral und Moralität ist von keiner Religion abhängig; wiewohl jede sie sanktioniert und ihr dadurch eine Stütze gewährt.
Dass die Zivilisation unter den christlichen Völkern am höchsten steht, liegt nicht daran, dass das Christentum ihr günstig, sondern daran, dass es abgestorben ist und wenig Einfluss mehr hat - solange es ihn hatte, war die Zivilisation weit zurück: im Mittelalter. [...] Alle Religion steht im Antagonismus mit der Kultur.
In früheren Jahrhunderten war die Religion ein Wald, hinter welchem Heere halten und sich decken konnten. Der Versuch, dies in unseren Tagen zu wiederholen, ist schlecht abgelaufen. Denn nach so vielen Fällungen ist sie nur noch Buschwerk, hinter welchem gelegentlich Gauner sich verstecken. Man hat dieserhalb sich vor jenen zu hüten, die sie in alles hinein ziehen wollen und begegne ihnen mit dem spanischen Sprichwort: "Detrás de la cruz está el diabolo." ["Hinterm Kreuze steht der Teufel."] |
_________________ Was das ewige Leben ist, weiß ich nicht - aber das gegenwärtige ist ein schlechter Spaß! (Voltaire)
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Latenight registrierter User
Anmeldungsdatum: 17.05.2005 Beiträge: 2549
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(#319973) Verfasst am: 28.07.2005, 17:26 Titel: |
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Zu dem Schopenhauer-Zitat
Es gibt keine "echte" i.S.v. absolute Moral. Moralische Bewertung ist immer abhängig vom zugrundeliegenden Wertesystem. Und die Entwicklung der Wertesysteme des größten Teils der Weltbevölkerung ist untrennbar verbunden mit der Entwicklung der jeweils vorherrschenden Religionen. So gesehen ist die Religion tatsächlich die "Mutter der Moral". Wie der Vater der Moral jeweils aussieht sei dahingestellt.
Es ist zu unterscheiden zwischen den Kirchen als Machtinstitutionen und dem einfachen Menschen, der seine re-ligio durch die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft sichert.
Schopenhauer wird total überschätzt
Zitat: | Nächstenliebe wohl von allem möglichen anderen abhängt, keinesfalls aber davon, wie "christlich" die betreffenden Menschen sind. |
In Indien hängt die Nächstenliebe gegenüber Angehörigen niederer Kasten gewaltig davon ab, wie hinduistisch jemand ist. Warum soll es bei uns anders sein?
Ich rate, die Beiträge von Alex Dorfner in diesem Thread zu lesen. Sehr beeindruckend.
Zitat: | Lesen wir da nicht in jedem Vers, dass man dieses oder jenes tun soll, DAMIT man hernach im Himmel entsprechend dafür beloht wird, das "gute" Handeln sich im Wesentlichen also als nichts anderes entpuppt, als ein auf lange Sicht ausgestellter vorteilhafter Wechsel, dessen Früchte man selbst sodann im Paradiese zu genießen erhofft?
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Das haben Verhaltensvorschriften so an sich, dass ihre Umsetzung mit positiven Konsequenzen besetzt ist. Sonst könnte sich der Verfasser die Mühe ja auch gleich ganz sparen.
Ich muss gestehen, dass -wenn ich es mir genau überlege- fast alles, was ich mache, zumindest nicht mit selbstschädigender Absicht geschieht.
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enpassant registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2005 Beiträge: 522
Wohnort: leipzig
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(#320088) Verfasst am: 29.07.2005, 00:46 Titel: |
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Zitat: | Schopenhauer wird total überschätzt |
Wobei ich mir die Frage erlaube, wieviel du von der Moral-Lehre Schopenhauers tatsächlich weißt...
Zitat: | Und die Entwicklung der Wertesysteme des größten Teils der Weltbevölkerung ist untrennbar verbunden mit der Entwicklung der jeweils vorherrschenden Religionen. |
Richtig, nur dass zum einen die neuere Zeit belegt, dass Moral eben nicht zwangsläufig einer Religion bedarf (also andere Ursachen haben muss) und dass man sich, wenn man schon als die Ursache von Moralvorstellungen - oft - zunächst die religiösen Vorstellungen der Menschen ausmacht, auch konsequenter Weise fragen muss, worin den die Religionen samt den sie begleitenden Moralsätzen ihrerseits ihren Ursprung haben.
Niemand sollte den Gedankengängen eines anderen sklavische Gefolgschaft leisten, was auch große Geister von niemandem verlangen. Aber was z.B. Schopenhauer angeht, so kann man sehr wohl von ihm lernen, den Dingen (ohne großen verbalen Pomp!) strukturell auf den Grund zu gehen, indem man immer wieder, so weit als möglich, nach den tieferen Ursachen der Dinge fragt.
Auf diese Weise kommt man eben auch unweigerlich zu der Erkenntnis, dass menschliches Handeln strukturell IMMER egoistisch ist, was durchaus a priori zunächst keinen "Makel" darstellt, aber zu einem werden kann - oder eigentlich immer zu einem wird - wenn man sich dieser Tatsache verschließt und statt dessen z.B. eine angebliche "Selbstlosigkeit" als höchstes gottgefälliges moralisches Gut und Heil für die geplagte Menschheit predigt...
_________________ Was das ewige Leben ist, weiß ich nicht - aber das gegenwärtige ist ein schlechter Spaß! (Voltaire)
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Latenight registrierter User
Anmeldungsdatum: 17.05.2005 Beiträge: 2549
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(#320251) Verfasst am: 29.07.2005, 17:39 Titel: |
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Zitat: | Wobei ich mir die Frage erlaube, wieviel du von der Moral-Lehre Schopenhauers tatsächlich weißt... |
Bestimmt nicht so viel wie Du. Aber zum Überleben hat's bisher gereicht.
Zitat: | Aber was z.B. Schopenhauer angeht, so kann man sehr wohl von ihm lernen, den Dingen (ohne großen verbalen Pomp!) strukturell auf den Grund zu gehen, indem man immer wieder, so weit als möglich, nach den tieferen Ursachen der Dinge fragt. |
Wenn ich sage, dass Schopenhauer überschätzt wird, so sage ich damit nicht, dass sein Werk wertlos ist.
In meinen Augen zeichnet es sich aber doch mehr durch die Sprache als durch seine aktuelle Relevanz für mich als Entwicklungs- und Orientierungshilfe aus. Was beispielsweise seine Vorstellung vom zwischenmenschlichen Verhalten angeht, so erinnert mich diese doch sehr an das Wirken von Jesus. Anders als z.B. die von Kant.
Das solls zu Schopenhauer aber auch gewesen sein. Da möge sich jeder seine eigene Meinung bilden.
Zitat: | z.B. eine angebliche "Selbstlosigkeit" als höchstes gottgefälliges moralisches Gut und Heil für die geplagte Menschheit predigt... |
Darin liegt doch gerade der Wert einer Religion, dass wenn man so will, altruistisches Handeln egoistische Züge haben kann.
Zitat: | Richtig, nur dass zum einen die neuere Zeit belegt, dass Moral eben nicht zwangsläufig einer Religion bedarf (also andere Ursachen haben muss) und dass man sich, wenn man schon als die Ursache von Moralvorstellungen - oft - zunächst die religiösen Vorstellungen der Menschen ausmacht, auch konsequenter Weise fragen muss, worin den die Religionen samt den sie begleitenden Moralsätzen ihrerseits ihren Ursprung haben. |
Ich glaube nicht (ohne da Experte zu sein), dass sich irgendein religiöser Kodex durch Moralvorstellungen auszeichnet, die zuvor von noch keinem Menschen gedacht oder keiner Gruppe praktiziert wurden. Wenn man z.B. das AT ansieht, dann denke ich, kann man es durchaus als kulturhistorisches Dokument lesen. Die darin niedergeschriebenen Moralvorstellungen beziehen sich auf die damalige Lebensrealität und geben Richtlinien für eben bestimmte Lebensbereiche.
Der Wert der Religion liegt nun meiner Meinung nach nicht darin, den Menschen brandneue Gedanken zu bescheren, sondern darin, bereits als "gut" empfundene Richtlinien zu zementieren und ihnen eine Art Allgemeingültigkeit zu bescheren.
Und in Zeiten, wo mangels Gewaltmonopol der Stärkere entschieden hat, was richtig und was falsch ist, hatte eine jenseitiges Beurteilungskriterium, dem der Starke im Prinzip genauso unterworfen war, ein wichtige stabilisierende Wirkung.
Kurzum, die Religionen und ihre "Moralsätze" haben ihren Ursprung in der Lebensrealität der Menschen und haben bzw. hatten ihren Wert darin, dass sie diesen Moralsätzen eine Allgemeingültigkeit gaben, die "jenseits" von lokalpolitischen Verhältnissen und unabhängig von den Zielen des gerade Stärkeren war.
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