Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen |
Autor |
Nachricht |
vanitas Ranglos
Anmeldungsdatum: 28.01.2005 Beiträge: 517
Wohnort: Freiberg
|
(#338009) Verfasst am: 01.09.2005, 18:39 Titel: China und der Rest der Welt |
|
|
Da ich in der Suche nichts gefunden habe möchte ich hier mal anfangen ein Thema aufzugreifen, das uns wohl in Zukunft wieder stärker beschäftigen wird: China.
Um das zu präzisieren geht es mir zunächst um einen gerade aus unserer Sicht sehr wichtigen Aspekt, die Wahrnehmung Chinas im Ausland und als übergeordneten Punkt um die Wahrnehmung der Verhältnisse auf unserem Planeten überhaupt. Was ist China und welche Rolle spielt es?
Obwohl in neuester Zeit im Zusammenhang mit der Globalisierung und der Öffnung der chinesischen Wirtschaft für den Welthandel "die Angst vor den Chinesen" aber auch die "Faszination China" wieder ins Zentrum des Interesses rückt, sehe ich nicht das dem auch ein neues und realitätsnäheres Bild dessen folgt, was denn China eigentlich ist und welche globale Rolle ihm zuteil wird. Dabei hat sich die europäische Wahrnehmung nicht dramatisch verändert, schon vor etlichen Jahrhunderten war der Begriff China mit den gleichen romantisierenden Aspekten verknüpft.
Das große China mit seinen vielen Menschen, seiner langen Geschichte weit weg im sagenhaften Asien. Wenn man auf die Wahrnehmung der Geschichte blickt, welcher Rolle wird China da zuteil? In Bezug auf Wirtschaftskraft und Menschen, auf Kultur und technischen Fortschritt, da war China bzw. Asien über etliche Jahrhunderte das "Zentrum der Welt". Erst in der Folge des Opiumkrieges und einer Ausweitung europäischer Kolonialherrschaft kann man wirklich von einer mehr oder weniger globalen Dominanz europäischer Nationen sprechen, wobei auch der vorhergehende chinesische Isolationismus eine Rolle spielen mag. Das sind aber gerade mal gut 150 Jahre. Zur damaligen Zeit betrachtete man in China selbst alle anderen Nationen als Vasallen und vertrat einen ebenso sinozentrischen Blickwinkel der Welt, wie man es heute vielleicht manch "westlichen" Menschen zurechnen würde.
Heute spricht man dann aber vom "neuen China". Weit über eine Milliarde Menschen, die sich sehr selbstbewusst und nicht als "irgendein Schwellenland" sehen. Man hat sich jedoch angepasst, weder der traditionelle chinesische Kalender noch die traditionelle chinesische Schrift haben diesen Wandel unverändert überstanden. Den Westen nicht unterschätzen, sondern alles was brauchbar ist kopieren und ihn so mit den eigenen Waffen schlagen heißt die Devise. Über das Schicksal der Welt wird heute nicht mehr allein im Weißen Haus entschieden, chinesische Währungs- und Wirtschaftspolitik hat eine zentrale Bedeutung im globalen Kontext. Der Yuán ist gegenüber dem Dollar stark unterbewertet und über das amerikanische Aussenhandelsdefizit raubt man diesem die letzten Investitionsquellen. Die Frage nach der Ablösung des Dollars als Weltwährung, besonders in Bezug auf die Rohstoffmärkte, wird sich in Zukunft stellen und trägt das Potenzial leicht die gesamte Wirtschaft der USA zusammenbrechen zu lassen.
Trotzdem ist das Bild von China diffus. Wer sind die Chinesen und was wollen sie? Solche Fragen werden höchstens mal in intellektuellen Gesprächsrunden thematisiert. Oft beschränkt sich die öffentliche Wahrnehmung auf Bilder von militärischem Machtgehabe oder einem Chinabesuch des Bundeskanzlers. Thema ist dann vielleicht noch die Menschenrechtssituation in China, aber das war es dann auch schon meist. Das da "noch was kommt" ist den meisten klar, doch in der Realität heißt die Devise bei uns eher abwarten und ab und zu mal beobachten was da so passiert. Das Problem: ist der Machtfaktor China mit seinem konventionellen wie nuklearen Bedrohungspotenzial berechenbar? Was passiert wenn die wirtschaftlichen Konflikte mit den USA zunehmen und man sich dort auch öffentlich bewusst wird, dass die Chinesen nicht im Traum daran denken sich als Bittsteller zu fühlen? Zwei derartige Großmächte, die eine in ihren vitalen Interessen bedroht und mit allen Finessen der Militärtechnik ausgerüstet, die andere mit jahrelanger Erfolgsgeschichte, nahezu grenzenlosem Selbstbewusstsein und einer fragwürdigen Führungselite, kann das gut gehen? Wenn hier noch gegenseitige Unkenntnis, kulturelle Unterschiede und der unstillbare Hunger zweier Weltmächte nach stark beschränkten Ressourcen ineinander greifen, entsteht ein sehr gefährlicher Mix. Wo steht hier die EU, wo Deutschland?
_________________ Nackt duschen widerspricht katholischer Moral.
(Generalkirchenvikariat Köln)
|
|
Nach oben |
|
 |
Critic oberflächlich
Anmeldungsdatum: 22.07.2003 Beiträge: 16338
Wohnort: Arena of Air
|
(#338203) Verfasst am: 02.09.2005, 01:18 Titel: |
|
|
vanitas hat folgendes geschrieben: | Wo steht hier die EU, wo Deutschland? |
Daß das "Spiel der Großen" seit Mitte des letzten Jahrhunderts über unsere Köpfe hinweg gespielt wurde, sind wir ja schon gewöhnt. Nennen wir es mal so: Die USA wollen ihren Status als Supermacht unbedingt erhalten, China wird in nicht allzulanger Zeit eine werden, im Moment sehe ich eher eine Annäherung Rußlands an China denn an Europa, und die Europäer haben sich dafür entschieden, nicht in Konkurrenz mit beiden zu treten, obwohl das möglich wäre und sie auf dem Wege dafür sorgen könnten, daß nicht wieder ein "Kalter Krieg" entsteht. Entweder indem sie selbst Konkurrent werden, damit wäre allerdings auch eine Atmosphäre gegenseitigen Mißtrauens verbunden - nicht zuletzt wegen der Annäherung an die drei Machtblöcke in "1984" -, oder indem sie versuchen, von vornherein eine Konkurrenz der beiden anderen Staaten bzw. Machtblöcke zu verhindern, indem sie etwa "neutrales Territorium" anbieten, auf dem ein Interessenausgleich stattfinden kann.
Darin sind wir uns wohl einig: Öl kann es nicht sein. Jetzt ist der Punkt in der Geschichte, an dem genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, davon wegzukommen. Staaten, die heute den Aufbau ihrer Industrie betreiben, sollten von vornherein auf neue Technologien setzen. Das betrifft nicht nur China allein, sondern auch andere Schwellen- und Entwicklungsländer. Wenn überhaupt, dann sollte es eine Konkurrenz der Ideen geben, nicht aber der Waffen.
Und anderseits kann es keine wirtschaftliche Entwicklung ohne eine Entwicklung der Menschenrechte geben. Das müssen beide Staaten begreifen, aber auch die Europäer. Wir können nicht Milliarden in China investieren, während dort etwa auf streikende Arbeiter geschossen wird. Und wir können auch keine Laserzielsysteme für Lenkwaffen an die USA verkaufen, wenn diese damit ihre Interessen im Irak durchsetzen wollen.
_________________ "Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"
Dann bin ich halt bekloppt.
"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
|
|
Nach oben |
|
 |
vanitas Ranglos
Anmeldungsdatum: 28.01.2005 Beiträge: 517
Wohnort: Freiberg
|
(#338224) Verfasst am: 02.09.2005, 06:31 Titel: |
|
|
Critic hat folgendes geschrieben: |
Die USA wollen ihren Status als Supermacht unbedingt erhalten, China wird in nicht allzulanger Zeit eine werden, im Moment sehe ich eher eine Annäherung Rußlands an China denn an Europa, und die Europäer haben sich dafür entschieden, nicht in Konkurrenz mit beiden zu treten, obwohl das möglich wäre und sie auf dem Wege dafür sorgen könnten, daß nicht wieder ein "Kalter Krieg" entsteht.
|
Deutschland wie auch die meisten anderen EU-Länder ist sehr stark abhängig von Russischen Ölimporten. Das Vermittlungsangebot der EU an den Iran ist fehlgeschlagen, nun schaut man im Iran ebenfalls nach China. Die Pipelines werden schon gebaut bzw. sind in Planung. Das wiederum führt beinahe zwangsläufig zu einer Annäherung Deutschlands an die USA, gerade in Hinblick auf der Nahostpolitik. Hier wird mit hohem Einsatz auf die Karte Öl gespielt und das Atomwaffenproblem ist immernoch vorhanden.
Critic hat folgendes geschrieben: |
Staaten, die heute den Aufbau ihrer Industrie betreiben, sollten von vornherein auf neue Technologien setzen.
|
Bei solchen Entwicklungen braucht es ein breites Engagment und Zeit, ich habe jedoch den Eindruck China wächst zu schnell, um eines von beiden in Bezug auf derartige Belange in ausreichendem Maße zu stellen.
Critic hat folgendes geschrieben: |
Und anderseits kann es keine wirtschaftliche Entwicklung ohne eine Entwicklung der Menschenrechte geben. Das müssen beide Staaten begreifen, aber auch die Europäer. Wir können nicht Milliarden in China investieren, während dort etwa auf streikende Arbeiter geschossen wird. Und wir können auch keine Laserzielsysteme für Lenkwaffen an die USA verkaufen, wenn diese damit ihre Interessen im Irak durchsetzen wollen.
|
Was mich zusätzlich stört ist der teilweise naive Charakter westlicher Geschäftsleute in Bezug auf Investitionen in diesem Land. Es gibt da erhebliche Probleme, ob nun mit Fälschern, Infrastruktur, Korruption oder der dortigen Rechtslage. Da kommt es mir oft so vor als würden einige Denken China hätte nur auf sie gewartet und sie könnten sich ein Stückchen vom großen Kuchen abschneiden. Das Land ist aber schon lange kein Selbstbedienungsladen und ist im Ernstfall niemandem gegenüber verpflichtet außer seinen eigenen Interessen. Einen Machtwechsel hin zu demokratischen Kräften halte ich in China dabei für mittelfristig vollkommen ausgeschlossen, was auch die Menschrechtsverletzungen da belassen wir wo sie heute sind.
_________________ Nackt duschen widerspricht katholischer Moral.
(Generalkirchenvikariat Köln)
|
|
Nach oben |
|
 |
|