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Die Antwort der Linken auf die Globalisierung?
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kolja
der Typ im Maschinenraum
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Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
Wohnort: NRW

Beitrag(#364372) Verfasst am: 27.10.2005, 13:51    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Sofortige Aufhebung der Zinsen (rückwirkend, d.h. gültige Verträge werden ungültig) bedeutet Enteignung, d.h. ein ganz massiver Eingriff in die Grundrechte. Bin ich absolut dagegen.

Mich hätte eine ergebnisoffene Diskussion über Vor- und Nachteile des Zinssystems interessiert. Mit dieser Prämisse ist das wohl unmöglich. Schade.
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fred
findet Gloria echt dufte



Anmeldungsdatum: 19.10.2005
Beiträge: 261

Beitrag(#364380) Verfasst am: 27.10.2005, 14:21    Titel: Antworten mit Zitat

unsachlichen Satz gestrichen - Stefan hat Recht - sorry

mit mir ist ein Gaul durchgegangen.
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fred
findet Gloria echt dufte



Anmeldungsdatum: 19.10.2005
Beiträge: 261

Beitrag(#364381) Verfasst am: 27.10.2005, 14:22    Titel: Antworten mit Zitat

@kolja

wie wärs denn dann mit einer "schleichenden Enteignung" ?
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Stefan
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 03.08.2004
Beiträge: 6217

Beitrag(#364385) Verfasst am: 27.10.2005, 14:27    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Sofortige Aufhebung der Zinsen (rückwirkend, d.h. gültige Verträge werden ungültig) bedeutet Enteignung, d.h. ein ganz massiver Eingriff in die Grundrechte. Bin ich absolut dagegen.

Mich hätte eine ergebnisoffene Diskussion über Vor- und Nachteile des Zinssystems interessiert. Mit dieser Prämisse ist das wohl unmöglich. Schade.


Nö, wieso? --> Neues Thema, neuer Thread
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max
registrierter User



Anmeldungsdatum: 18.07.2003
Beiträge: 3055

Beitrag(#364395) Verfasst am: 27.10.2005, 14:45    Titel: Antworten mit Zitat

kolja hat folgendes geschrieben:
max hat folgendes geschrieben:
Zinsen sind nichts anderes als Anspruch auf Profit. Wenn man Zinsen verbietet - was es z.B. in islamisch geprägten Staaten gibt - dann ändert dies überhaupt nichts, weil der Anspruch über andere Wege durchgesetzt wird.

Wie denn zum Beispiel?

Z.B. über Beteiligungen. Der Kapitalgeber wird am Unternehmen beteiligt und erwirbt so Anspruch auf den Profit. Dies kann vertraglich auch so gestaltet sein, dass eine Rendite garantiert wird (was z.B. bei Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen wie der Wasserversorgung in vielen Verträgen enthalten ist).
kolja hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Sofortige Aufhebung der Zinsen (rückwirkend, d.h. gültige Verträge werden ungültig) bedeutet Enteignung, d.h. ein ganz massiver Eingriff in die Grundrechte. Bin ich absolut dagegen.

Mich hätte eine ergebnisoffene Diskussion über Vor- und Nachteile des Zinssystems interessiert. Mit dieser Prämisse ist das wohl unmöglich. Schade.

AgentProvocateur hat schon recht. Das sofortige Verbot von Zinsen ist eine Enteignung. Das ist genau der Punkt, den ich bei fred schon angemerkt habe: viele dieser Vorschläge erfordern im Endeffekt genauso eine Entmachtung der Kapitalisten, also eine Revolution. Aber im Gegensatz zu AgentProvocateur bin ich der Meinung, dass es kein Grundrecht gibt über andere mittels Besitz an Produktionsmitteln zu herrschen und sie auszubeuten. Aber das Verbot von Zinsen geht einfach an dem eigentlichen Problem vorbei (und ein sofortiges Verbot würde auch Angehörige der Arbeiterklasse und der Mittelschichten treffen, z.B. deren private Altersvorsorge).

@ fred:

Bei der wissenschaftlichen Vorgehensweise und deinen Punkten dazu stimmen wir überein.

Jetzt zu deinen Axiomen:
P1 bis P3 sind sicher richtig, wobei ich mir nicht sicher bin, ob P3 gleich interpretiert wird. P4 ist meiner Meinung nach falsch formuliert. Der wesentliche Antrieb ist nicht Gier, Neid und Missgunst. Ist gibt viel zu viele Gegenbeispiele dafür, dass Hilfsbereitschaft und Solidarität gibt. Der wesentliche Antrieb der meisten ist die Verbesserungen der eigenen Situation. Die Situation anderer ist relevant, weil sie eventuell zeigt, dass noch Verbesserungen möglich sind.

Die Frage, warum der Sozialismus gescheitert ist, geht die Frage voraus, was überhaupt Sozialismus ist. Eine Gesellschaft, die von Anfang an auf der Ausbeutung der Arbeiterklasse beruht und die von Anfang nicht demokratisch war, hat nichts mit Sozialismus zu tun. Selbst wenn man akzeptieren würde, dass es denen, die diese Staaten aufgebaut haben, tatsächlich um Sozialismus gegangen wäre, muss man sagen, dass deren Ansätze zwangsläufig scheitern mussten, weil a) sich nicht die Arbeiterklasse selbst befreit hatte und demokratische Strukturen durchgesetzt hat und b) der Ansatz darauf beruhte, dass für jemand Politik gemacht wurde, d.h. nicht von den Betroffenen selbst (Stellvertreterpolitik).

Die staatskapitalistschen Gesellschaften, z.B. Russland seit Stalins Konterrevolution, die Ostblockstaaten (Vasallen-Regime Stalins), China, Vietnam, Kuba und diverse afrikanische Staaten (das Ergebnis nationaler Befreiungsbewegungen und NICHT einer Arbeiterrevolution) waren nie sozialistisch.

Sozialismus scheitert auch nicht an P4, weil der Sozialismus als wesentlichen Antrieb ebenfalls die Verbesserung der eigenen Situation hat - nur eben nicht auf Kosten anderer, sondern in Zusammenarbeit. Im Kapitalismus kann P4 nur für eine winzige Minderheit funktionieren. Wenn P4 in deiner Version wahr wäre, dann wäre der Kapitalismus gegen die Natur des Menschen (was die hohe Anzahl von Depressiven und total Entfremdeten erklären würde).

Die soziale Marktwirtschaft mag keine schlechte Idee sein. Sie funktioniert aber nicht, da der Kapitalismus langfristig eben instabil ist und die Kapitalisten zur Steigerung der Ausbeutung zwingt. In kurzen Perioden mit sehr hohen Profit- und Wachstumsraten (wie in den ersten Nachkriegsjahrzehnten) kann dies zum Nutzen alle funktionieren, aber diese Perioden sind Ausnahmeerscheinungen im Spätkapitalismus. Heute sind die Profitraten so gering, dass die Kapitalisten auf Umverteilung zu ihren Gunsten angewiesen sind, was zur steigenden Staatsverschuldung, sinkenden Reallöhnen, Sozialabbau und steigender Armut führt.
Zitat:
Man muss seinen inneren Schweinehund überwinden, und einfach mal einsehen, dass es Leute gibt, die gewisse Dinge besser können, und ihnen daher auch Reichtum erlauben. Geschissen darauf, wenn die SAP Gründer reich werden, sollen doch Bill Gates oder Schuhmacher (570mio EUR) richtig reich sein. Fressen können sie ihr Geld nicht, und wenn wir ihn daran hindern, dass aus dem Geld eine über Generationen währende Dynastie ensteht (Erbrecht), ist nach ein paar jahren wieder Schluss, und das Vermögen kommt wieder der Gesellschaft zugute.

Diese Konzerne behindern nach kurzer Zeit durch ihre markbeherschende Stellung den Fortschritt und konzentrieren so viel Kapital, was woanders fehlt, dass dieser Zustand nicht akzeptabel ist. Es ist genau diese Kapitalkonzentration, die dazu führt, dass trotz steigenden Reichtums gleichzeitig die Armut und die Massenarbeitslosigkeit steigt und essentielle Einrichtungen unterfinanziert sind.
fred hat folgendes geschrieben:
Also, nehmts "den Reichen" weg halte ich in dieser Vereinfachung für absoluten Blödsinn.

In dieser Vereinfachung ja. Es geht aber um die demokratische Kontrolle der Gesellschaft und diese ist halt einfach nicht kompatibel damit, dass eine Minderheit die Wirtschaft beherrscht.
fred hat folgendes geschrieben:
Da man Reichtum primär nicht aus seiner Hände Arbeit, sondern nur dadurch gewinnt, dass man einer immer grösser werdenden Gruppe von Leuten das Geld aus der Tasche zieht, muss man es eben immer schwerer machen, Geld aus der Ferne zu sich zu ziehen.

Daher die entfernungsabh. Steuer (was übrigens Importzölle und steigende Energiepreise auch tun, aber eben nur linear einerseits, andererseits nur für Waren, und nicht für Geld oder Dienstleistungen).

Die entfernungsabhängige Steuer würde dies eben nicht können, weil sie das Geld in erster Linie nicht von den Reichen kassiert, sondern von normalen Arbeitern und Angestellten. Verbrauchssteuern sind in den letzten Jahren ein Instrument der Umverteilung der Steuerlast (d.h. Entlastung der Reichen und Belastung der Arbeiterklasse und Teile der Mittelschichten) und ich kann nicht sehen, wie du dies anders gestalten willst.

Eine entfernungsabhängige Konsumsteuer taugt nur etwas, wenn man Transporte über grosse Entfernungen verteuern will - was aber wahrscheinlich im Kapitalismus nur dazu führt, dass der Druck auf die Arbeiter erhöht wird, so dass sich auch Transporte über grosse Entfernung noch lohnen. Transportarbeiter gehören übrigens zu den Teilen der Arbeiterklasse, die unter besonders schlechten Bedingungen zu besonders schlechten Löhnen arbeiten.

Ich verstehe also immer noch nicht, was diese Steuer überhaupt bringen soll.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich habe keine Lust, mit Marxisten zu diskutieren. Ich habe nun mal die Erfahrung gemacht, dass das nichts bringt. Kannst Du gerne als primitiv und beleidigend abhaken, ist mir egal.

Du solltest lieber mal über deine Diskussionsweise nachdenken. Du hast zwar einzelne Anregungen gebracht, die durchaus sinnvoll sein können (der Hinweis auf das Scheitern von Marxisten), aber selbst diese hast du nicht konstruktiv verfolgt, sondern bist darauf übergegangen, nur noch Quatsch zu schreiben ("Demokratie = Diktatur" etc.). Deine eigene Ansätze wolltest du offensichtlich nicht überprüfen.
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kolja
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Beiträge: 16631
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Beitrag(#364402) Verfasst am: 27.10.2005, 14:56    Titel: Antworten mit Zitat

fred hat folgendes geschrieben:
wie wärs denn dann mit einer "schleichenden Enteignung" ?

Zum Beispiel. Ich weiß selber nicht, wie ein Übergang sinnvoll funktionieren könnte. Ich weiß ja noch nichtmal, ob die geäußerte Kritik am Zinssystem Hand und Fuß hat. Darum hätten mich echte Argumente interessiert.

Stefan hat folgendes geschrieben:
Nö, wieso? --> Neues Thema, neuer Thread

Passt doch in diesen Thread, oder? Da AgentProvocateur den Artikel kritisiert hat, wollte ich seine Gegenargumente hören. Meine Aussage, dass eine Erörterung unter seiner Prämisse sinnlos sei, bezog sich daher nur auf ihn.
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fred
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Anmeldungsdatum: 19.10.2005
Beiträge: 261

Beitrag(#364440) Verfasst am: 27.10.2005, 17:46    Titel: Antworten mit Zitat

prima leute, ich finde das geht in die richtige Richtung...

@max Danke, dass Du auf die Argumente eingehst.


Zitat:

Z.B. über Beteiligungen. Der Kapitalgeber wird am Unternehmen beteiligt und erwirbt so Anspruch auf den Profit. Dies kann vertraglich auch so gestaltet sein, dass eine Rendite garantiert wird (was z.B. bei Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen wie der Wasserversorgung in vielen Verträgen enthalten ist).

das sind Aktien. Wenn klare Regeln und ein oberes Limit (Anteile) bestehen bin ich hier klar dafür. Ich denke übrigens, dass man ein Mittel (hab noch keins) finden muss, um Missbrauch von delegierten Rechten zu verhindern (z.B. indem man nicht im Aufsichtsrat mehrere AGs sitzen darf, und nicht im Aufsichtsrat einer AG und gleichzeitig Vorstand einer anderen sein darf, etc.).

Zitat:

Selbst wenn man akzeptieren würde, dass es denen, die diese Staaten aufgebaut haben, tatsächlich um Sozialismus gegangen wäre, muss man sagen, dass deren Ansätze zwangsläufig scheitern mussten, weil a) sich nicht die Arbeiterklasse selbst befreit hatte und demokratische Strukturen durchgesetzt hat und b) der Ansatz darauf beruhte, dass für jemand Politik gemacht wurde, d.h. nicht von den Betroffenen selbst (Stellvertreterpolitik).

Eigentlich wollte ich keine Grundsatzdiskussion, oder Analysen für das "Warum die Versuche des letzten Jahrunderts gescheitert sind" (und es gab ja verschiedenste Versuche von Cuba, über einen sanften Tito-Sozialismus, bis hin zu stalinistischen und maoistischen Diktaturen).
Insbesondere in den beiden letzteren kann man keineswegs davon sprechen, dass da irgend eine bürgerliche oder Kapitalistenschicht (nicht mal deren Literatur) überlebt hätte.
Die Arbeiterschaft wurde also gerade dort schon zunächst komplett "befreit" (ob selbst oder nicht spielt dabei keine Rolle).
Jede Gesellschaft muss aber (schon wegen P3, aber auch aus logistischen Gründen, weil nämlich 50000 Kleinaktionäre nie zu einem vernünftigen Entschluss kommen, wenn sie nicht irgendwelche Vordenker haben) in irgend einer Art delegieren und kann sich nicht um alles selbst kümmern.
Also müssen (nach der mehr oder weniger realen) "Befreiung" über kurz oder lang wieder die alten Verhältnisse gelten (was ja auch geschah), wenn man nicht zusätzliche Regelmechanismen (und das meine ich so im regeltechnischen Sinn - also negative Rückkopplungen) einbaut.
(Irgendwo habe ich mal gelesen, dass bisher nach jeder Revolution in der gesamten Weltgeschichte innerhalb von 5-10 Jahren wieder ähnlich verkrustete Machtverhältnisse herrschten wie zuvor)

Zitat:

Kuba und diverse afrikanische Staaten (das Ergebnis nationaler Befreiungsbewegungen und NICHT einer Arbeiterrevolution) waren nie sozialistisch.

Hier erschliesst sich mir nicht ohne eine Erklärung, wodurch sich eine
"nationale Befreiungsbewegungen" von einer "Arbeiterrevolution" per se unterscheidet, und insbesondere warum daraus ein unterschiedliches Resultat entstehen sollte.
Insbesondere hattest Du ja (zurecht!) das internationale Grosskapital als eigentlichen Urheber der Misere erkannt - da kann eine nationale Befreiungsbewegung ja nicht per-se schlecht sein.
Ausserdem war in all den genannten Fällen die Schnittmenge aus "nationalen Befreiern" und "Arbeitern" ungleich der leeren Menge - also waren die mengen nicht disjunkt
Es muss also noch andere Gründe für das Scheitern gegeben haben.

Zitat:

Der wesentliche Antrieb ist nicht Gier, Neid und Missgunst. Ist gibt viel zu viele Gegenbeispiele dafür, dass Hilfsbereitschaft und Solidarität gibt. Der wesentliche Antrieb der meisten ist die Verbesserungen der eigenen Situation. Die Situation anderer ist relevant, weil sie eventuell zeigt, dass noch Verbesserungen möglich sind.

Das habe ich natürlich bewusst platt und polarisierend formuliert, und es gibt natürlich zwischen Schwarz und Weiss auch Grautöne.
Allerdings sehe ich in Altruismus eher die Ausnahme, und vornehmlich in der Sinnsuche und Erfüllung eines materiell an sich schon gesicherten Lebens begründet (es gibt einzelne, hoch zu ehrende Ausnahmen; aber eben nicht die Regel).
Sind wir mal ehrlich: soo schlecht gehts uns "absolut" gesehen nicht - hier in D (und ich möchte sagen, in Europa) verhungert keiner mehr (und wenn er das tut, dann weil er zu stolz ist).
Auch wurde ja schon angesprochen, dass es unseren ALG2 empfängern besser geht als manchem Akademiker in Polen. Und so schlimm wie in manchen Südamerikanischen oder gar Afrikanischen Ländern gehts uns hier nicht (ich komme später noch darauf zurück).

Daher glaube ich nach wie vor an meine These P4: Zufriedenheit definiert sich eben nicht an einer absolut zu quantifizierenden Versorgungssituation, sondern immer am subjektiven Vergleich mit einer Vergleichsgruppe. Mit einem Wort: Neid.

[und wer sein eigenes Unterbewusstsein mal kritisch analysiert, wird dies zugeben. Ich gebe unumwunden zu, dass ich auch mal gerne einen geilen Porsche fahren würde, dass ich auch gerne in einer Villa mit Pool leben würde, etc.]
[[ich will jetzt auch gar nicht darüber diskutieren, ob diese Bedürfnisse alle künstlich erzeugt wurden - natürlich. Aber das Streben ist (sofern alle was davon haben) ja durchaus positiv. Und dass es dabei Ungleich (nicht Ungerecht) zugeht finde ich auch OK.


Zitat:

Die staatskapitalistschen Gesellschaften, [...] waren nie sozialistisch.

das finde ich jetzt aber nicht ganz ok - kommt mir ein bisschen vor wie "die schleichende Verschiebung der Definition"s-Taktik. Zuerst argumentierst Du, dass wir Sozialismus brauchen, dann - und ich denke wir hatten schon einige Varianten davon in den letzen 100 Jahren - dass es eben doch noch nicht der "richtige Sozialismus" war.
Die vielen Sozialismen hatten doch genug Gelegenheit, an den Parametern zu drehen, und die Dinge zu korrigieren.

Und mein Punkt hier ist eben, dass das Ignorieren von P4 (Neid) hier dazu führte, dass die Leute diesen in den bisherigen Sozialismen nicht vernünftig ausleben konnten - sich daher in Korruption und Vetternwirtschaft innerhalb der Bürokratie ihre Pfründe sicherten.

Zitat:

Die soziale Marktwirtschaft [...] funktioniert aber nicht, da der Kapitalismus langfristig eben instabil ist und die Kapitalisten zur Steigerung der Ausbeutung zwingt.


M funtioniert nicht weil K nicht funktioniert ? (= Zirkelschluss, kein Argument)
und warum zwingt K (per se) die Kapitalisten zur Ausbeutung ?

mE wegen Neid, und da die Regeln nun mal so dusslig sind, und (nicht nur in diesem Land) ein reicher Verbrecher mehr zählt als ein armer Ehrlicher, bleibt ihm nichts anderes übrig. Gerade das versuche ich ja durch das Finden von Regeln, die beides unter einen Hut bringen.

Zitat:

Heute sind die Profitraten so gering, dass die Kapitalisten auf Umverteilung zu ihren Gunsten angewiesen sind,

die Profitraten waren nie höher - nur wandert das Geld heute ab, während es früher im Land blieb.
z.B. importieren die USA sowohl Waren als auch Geld - d.h. wir geben denen unser Geld, damit sie unsere Waren von uns wieder kaufen. (mal abgesehen, dass unsere Akademiker, ausgebildet von unserem Steuergeld auch noch den Rest an Forschung und Produktivität in den USA stützen - schau mal woher in den USA die ganzen PostDocs kommen).

(Ein paar Beispiele zu Profitraten: ein Hemd (KP ca. 50EUR) kostet unter 1EUR Arbeitslohn in Fernost; eine jacke (200EUR hier) kostet 1.60EUR Arbeitslohn. Die Materialkosten liegen in ähnlichen Grössenordnungen. Alles in allem kostet die reine Herstellung eines Kleidungsstücks ca. 5-10% vom Enduserpreis.

Daher meine nicht-linear steigende Entfernungssteuer. Es klingt zwar zunächst irgendwie merkwürdig und unfair (die verdienen doch immer noch und für den Verbraucher wirds teurer), das stimmt aber nur dann, wenn man davon ausgeht, dass die Situation unverändert so bleibt.
Innerhalb kürzester Zeit würde hier die Produktion aller möglichen Waren aus dem Boden spriessen und nur noch sehr aufwendige Waren (Auto, Chips, Kraftwerke, Computer, Handy) von grossen Firmen gebaut werden. Tatsächlich gibt es genug Markt, dass wir uns theoretisch in jedem Kontinent eine Automobilindustrie oder Elektronikindustrie vorstellen können (hatten wir ja auch bis vor kurzem).

Zitat:

Diese Konzerne behindern nach kurzer Zeit durch ihre markbeherschende Stellung den Fortschritt und konzentrieren so viel Kapital, was woanders fehlt, dass dieser Zustand nicht akzeptabel ist. Es ist genau diese Kapitalkonzentration, die dazu führt, dass trotz steigenden Reichtums gleichzeitig die Armut und die Massenarbeitslosigkeit steigt und essentielle Einrichtungen unterfinanziert sind.

Du bist hier noch bei der Ist-Analyse (d'accord); ich war schon bei den Gegenmassnahmen.

Zitat:

Es geht aber um die demokratische Kontrolle der Gesellschaft und diese ist halt einfach nicht kompatibel damit, dass eine Minderheit die Wirtschaft beherrscht.

ebenso d'accord - aber auch hierrüber sind sich doch bereits alle einig !

Zitat:

Die entfernungsabhängige Steuer würde dies eben nicht können, weil sie das Geld in erster Linie nicht von den Reichen kassiert, sondern von normalen Arbeitern und Angestellten.

ja, scheint oberflächlich so. Aber die entfernten Reichen (insbesondere die internationalen Konzerne) werden ihren Reichtum nicht halten können, wenn die Leute ihr Zeug wieder selber vor Ort herstellen. Ich akzeptiere und beführworte sogar, dass es lokal mittelreiche geben wird, diejenigen nämlich, die in die bresche springen und hier dann wieder Computer, Hemden, Schuhe, Kameras, LCD-Fernseher und Handys bauen. Und sie werden es in einem wirtschaftlichen naturschutzgebiet machen können, da die ferne Konkurrenz benachteiligt ist. Dort und in der dritten Welt wird das selbe passieren, da deren Markt vor uns geschützt wird. nach einer Weile (vermutlich gar nicht lange) wird es überall mittelgrosse Unternehmen geben, und die Grosskonzerne sollten nach und nach zerfallen.

Zitat:

Verbrauchssteuern sind in den letzten Jahren ein Instrument der Umverteilung der Steuerlast (d.h. Entlastung der Reichen und Belastung der Arbeiterklasse und Teile der Mittelschichten) und ich kann nicht sehen, wie du dies anders gestalten willst.

ich schrieb bereits, dass die zahlen im einzelnen zu diskutieren sind, dass ich auch deshalb an unterschiedliche Steuersätze denke, und dass durchaus grosszügige Freibeträge für sozial schwache diesem entgegen wirken müssen.
In Skandinavien haben sie einen Umbau in diese Richtung schon hinter sich, mit teilweise horrenden Luxussteuern. Gehts denen dort so schlecht ?

[tippfehler korrigiert]
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fred
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Anmeldungsdatum: 19.10.2005
Beiträge: 261

Beitrag(#364445) Verfasst am: 27.10.2005, 18:03    Titel: Antworten mit Zitat

Noch ein Nachtrag zur dritten Welt:
diese braucht möglicherweise eine Übergangszeit und wie auch immer geartete Sonderregeln (entweder geringere Entfernungsteuern, damit konkurrenzfähig) oder mehr Anteile aus dem Steuertopf, damit mehr 'rüberkommt.
Auf Dauer muss aber auch dort eine intakte Binnenwirtschaft entstehen. Ein Transfer von Waren oder Geld (damit sie sich unser Zeug kaufen können) ist nicht sinnvoll.
Man denke nur an die Kleiderspende, die in afrik. Ländern die Textilindustrie komplett zum Erliegen brachte, oder den Futtermittelanbau für uns, der dazu führt das manche afrik. länder fehlende Nahrung exportieren.

Überhaupt sind meine Vorschläge alle nicht schlagartig, von heut' auf morgen durchführbar.
Die Wirtschaftsstruktur muss sich natürlich den dadurch geänderten Rahmenbedingungen anpassen können.


Wir müssen von der Exportwirtschaft wegkommen, und Regeln finden, die in allen Teilen der Welt eine Binnenwirtschaft fördern (Binnenwirtschaft im Koninentalmassstab).
Wenn alle exportieren wollen, wer soll dann noch kaufen ?
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max
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Anmeldungsdatum: 18.07.2003
Beiträge: 3055

Beitrag(#364522) Verfasst am: 27.10.2005, 21:46    Titel: Antworten mit Zitat

fred hat folgendes geschrieben:
Allerdings sehe ich in Altruismus eher die Ausnahme,

Darum geht es doch überhaupt nicht. Die Frage ist, wie man seine egoistischen Ziele durchsetzt. Grob vereinfacht gesagt, gibt es die Ellenbogenmethode und die kollektive Methode. Die meisten Verbesserungen für die Mehrheit im Kapitalismus wurde übrigens kollektiv durchgesetzt: durch gewerkschaftliche Kämpfe.
fred hat folgendes geschrieben:
Sind wir mal ehrlich: soo schlecht gehts uns "absolut" gesehen nicht - hier in D (und ich möchte sagen, in Europa) verhungert keiner mehr

Diese Aussage war vor 20, 30 Jahren noch überzeugend, aber die Entwicklung geht in die Richtung mehr Armut und sinkenden Lebensstandard - obwohl immer mehr vorhanden ist.
fred hat folgendes geschrieben:
Daher glaube ich nach wie vor an meine These P4: Zufriedenheit definiert sich eben nicht an einer absolut zu quantifizierenden Versorgungssituation, sondern immer am subjektiven Vergleich mit einer Vergleichsgruppe. Mit einem Wort: Neid.

Dafür sehe ich keinerlei Anhaltspunkte.
fred hat folgendes geschrieben:
[und wer sein eigenes Unterbewusstsein mal kritisch analysiert, wird dies zugeben. Ich gebe unumwunden zu, dass ich auch mal gerne einen geilen Porsche fahren würde, dass ich auch gerne in einer Villa mit Pool leben würde, etc.]

Damit belegst du nur, dass du ein besseres Leben haben willst, weil es offensichtlich möglich ist. Dein eigener Lebensstandard ist eben nicht das maximal Mögliche. Es belegt nicht deine Interpretation, sondern nur, dass man die eigene Situation verbessern will - insbesondere, wenn man sieht, dass es möglich ist.
fred hat folgendes geschrieben:
Eigentlich wollte ich keine Grundsatzdiskussion, oder Analysen für das "Warum die Versuche des letzten Jahrunderts gescheitert sind" (und es gab ja verschiedenste Versuche von Cuba, über einen sanften Tito-Sozialismus, bis hin zu stalinistischen und maoistischen Diktaturen).
Insbesondere in den beiden letzteren kann man keineswegs davon sprechen, dass da irgend eine bürgerliche oder Kapitalistenschicht (nicht mal deren Literatur) überlebt hätte.
Die Arbeiterschaft wurde also gerade dort schon zunächst komplett "befreit" (ob selbst oder nicht spielt dabei keine Rolle).

Die Arbeiterklasse wurde eben nicht befreit, sondern an die Stelle der alten herrschenden Klasse kam einfach eine neue herrschende Klasse. Die ausgebeutete und unterdrückte Klassen blieben die gleichen: die Arbeiterklasse und die Bauern. Nur in Russland war die Situation komplizierter, weil dort erst einmal die Arbeiter und Bauern tatsächlich sich befreit haben, aber im Bürgerkrieg sich eine neue herrschende Klasse herausbildete, die dann durch Stalins Konterrevolution die Macht übernahm, wogegenen die Arbeiterklasse keinen Widerstand mehr leisten konnte, weil sie im Bürgerkrieg vernichtet wurde (entweder tot oder zerstreut, weil die Fabriken zerstört wurden).
fred hat folgendes geschrieben:
Jede Gesellschaft muss aber (schon wegen P3, aber auch aus logistischen Gründen, weil nämlich 50000 Kleinaktionäre nie zu einem vernünftigen Entschluss kommen, wenn sie nicht irgendwelche Vordenker haben) in irgend einer Art delegieren und kann sich nicht um alles selbst kümmern.

Nicht um alles, aber die Frage ist, wer die Kontrolle hat und wer die Entscheidungen fällt. Ausführende Organe und Spezialisten sind eben in keiner Gesellschaft diejenigen, die die Kontrolle haben, sondern den Herrschenden verantwortlich.
fred hat folgendes geschrieben:
max hat folgendes geschrieben:
Kuba und diverse afrikanische Staaten (das Ergebnis nationaler Befreiungsbewegungen und NICHT einer Arbeiterrevolution) waren nie sozialistisch.

Hier erschliesst sich mir nicht ohne eine Erklärung, wodurch sich eine
"nationale Befreiungsbewegungen" von einer "Arbeiterrevolution" per se unterscheidet, und insbesondere warum daraus ein unterschiedliches Resultat entstehen sollte.
Insbesondere hattest Du ja (zurecht!) das internationale Grosskapital als eigentlichen Urheber der Misere erkannt - da kann eine nationale Befreiungsbewegung ja nicht per-se schlecht sein.
Ausserdem war in all den genannten Fällen die Schnittmenge aus "nationalen Befreiern" und "Arbeitern" ungleich der leeren Menge - also waren die mengen nicht disjunkt
Es muss also noch andere Gründe für das Scheitern gegeben haben.

Eine "nationale Befreiungsbewegungen" unterscheidet sich von einer "Arbeiterrevolution" grundlegend. Im ersteren Fall gibt es eine Bewegung, die klassenübergreifend ist, mit dem Ziel, die Herrschaft einer Grossmacht zu beenden. Da enden aber die Gemeinsamkeiten der Klassen, da die Kapitalisten als Ziel haben die anderen Klasse an der Stelle der herrschenden Klasse der Grossmacht auszubeuten. Für die Mehrheit in diesen Ländern ändert dann sich eben nichts - sie werden immer noch ausgebeutet. Das ist auch genau das Problem bei einer Regionalisierung der Wirtschaft: an die Stelle von Grosskonzernen als Ausbeuter tretten höchstens kleinere Unternehmen, die immer noch auf Ausbeutung beruhen. Oder nicht einmal dies: ein Grosskonzern produziert einfach in jeder Region.

Im Falle von China, Vietnam und Kuba gab es eine Besonderheit: aufgrund der Schwäche der lokalen Bourgeoisie bauten kleinbürgerlichen Anführer der Unabhängikeitsbewegung über den Staat die Wirtschaft auf, d.h. mit Hilfe von staatlichen Unternehmen. Aber dieser Staat war eben nicht demokratisch und nie unter der Kontrolle der Mehrheit der Bevölkerung, sondern diente dazu, die Ausbeutung der Mehrheit der Bevölkerung zu organisierne. Deshalb auch der Begriff "Staatskapitalismus" (Tony Cliff): der Staat nahm die Rolle der Privatkapitalisten ein. Dies war übrigens lange auch im Westen, z.B. in Italien und Frankreich weit verbreitet. Im Staatskapitalismus wurde natürlich auch nichts in Richtung Sozialismus korrigiert ("an den Parametern gedreht"), weil die Herrschenden von der Ausbeutung der Arbeiterklasse lebten.
fred hat folgendes geschrieben:
Und mein Punkt hier ist eben, dass das Ignorieren von P4 (Neid) hier dazu führte, dass die Leute diesen in den bisherigen Sozialismen nicht vernünftig ausleben konnten - sich daher in Korruption und Vetternwirtschaft innerhalb der Bürokratie ihre Pfründe sicherten.

Du schilderst hier das Verhalten der herrschenden Klasse im Staatskapitalismus, die sich natürlich persönlich (auch wenn nicht so offensichtlich wie heute) massiv bereichert hat. Es waren nicht "die Leute", genauso wie nicht "die Leute" heute sich bereichern können. Die Mehrheit wird ausgebeutet und muss die finanzieren, die sich bereichern.
fred hat folgendes geschrieben:
max hat folgendes geschrieben:
Die soziale Marktwirtschaft [...] funktioniert aber nicht, da der Kapitalismus langfristig eben instabil ist und die Kapitalisten zur Steigerung der Ausbeutung zwingt.

M funtioniert nicht weil K nicht funktioniert ? (= Zirkelschluss, kein Argument)
und warum zwingt K (per se) die Kapitalisten zur Ausbeutung ?

Das Problem ist, dass manche die "soziale Marktwirtschaft" für etwas eignes halten, aber ignorieren, dass die "soziale Marktwirtschaft" eben so bald der Kapitalismus sich wieder normal entwickelte (also ab den 70ern) wieder zerstört wird.

Warum zwingt der Kapitalismus die Kapitalisten zur Ausbeutung? Erst mal ist es so, dass die Kapitalisten von Ausbeutung (damit meine nicht einen moralischen Begriff, sondern einen ökomischen Vorgang der Mehrwertbildung) leben, es ist ihre Grundlage für ihre Privilegien, Macht und Wohlstand. Der Kapitalist ist aber auch zur Ausbeutung gezwungen, um gegenüber der Konkurrenz (auch der Konkurrenz um Kapital) konkurrenzfähig zu bleiben, d.h. die Rendite hoch genug, die Preise entsprechend etc. etc.
fred hat folgendes geschrieben:
mE wegen Neid, und da die Regeln nun mal so dusslig sind, und (nicht nur in diesem Land) ein reicher Verbrecher mehr zählt als ein armer Ehrlicher, bleibt ihm nichts anderes übrig. Gerade das versuche ich ja durch das Finden von Regeln, die beides unter einen Hut bringen.

Es stimmt, dass im Kapitalismus die "Regeln" so sind, dass Ausbeutern möglichst wenig Hindernisse in den Weg gelegt werden. Aber wie du dies grundlegend ändern willst, ist mir schleierhaft. Es ist sicher möglich zeitweise massive Zugeständnisse zu erzwingen, z.B. eben einen guten Sozialstaat, viele Rechte für Lohnabhängige etc. Nur ist dies eine Sisyphus-Arbeit, da die eigentliche Kontrolle bei den Kapitalisten bleibt und der "Rollback" sicher kommt - allein wegen grundlegenden Tendenzen im Kapitalismus wie der Druck auf die Profitraten.
fred hat folgendes geschrieben:
max hat folgendes geschrieben:
Heute sind die Profitraten so gering, dass die Kapitalisten auf Umverteilung zu ihren Gunsten angewiesen sind,

die Profitraten waren nie höher - nur wandert das Geld heute ab, während es früher im Land blieb.

Alle Zahlen, die ich kenne, zeigen, dass die Profitraten im Vergleich zu den 50ern bis in die 70er stark gefallen sind und danach wegen der massiven Angriffe auf Lohnabhängige und der Umverteilung zu den Reichen wieder leicht gestiegen sind - aber nicht das alte Niveau wieder erreicht haben. Wenn du hier Zahlen hast: immer her damit. Falls es dich interessiert, werde ich mal wieder Zahlen suchen (oder auch genauer erklären, was ich mit tendenziellen Fall der Profitraten meine).

Kapitalexport ist auch nichts neues. Kapitalexport ist dann besonders ausgeprägt, wenn die Profitraten niedrig sind und es eine Überakkumulation gibt (zu viel Kapital, um es noch profitabel anlegen zu können). Kapitalexport konnte man z.B. auch verstärkt in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg beobachten.
fred hat folgendes geschrieben:
Innerhalb kürzester Zeit würde hier die Produktion aller möglichen Waren aus dem Boden spriessen und nur noch sehr aufwendige Waren (Auto, Chips, Kraftwerke, Computer, Handy) von grossen Firmen gebaut werden.
[...]
Aber die entfernten Reichen (insbesondere die internationalen Konzerne) werden ihren Reichtum nicht halten können, wenn die Leute ihr Zeug wieder selber vor Ort herstellen.

Warum? Warum werden die Grosskonzerne nicht dezentral produzieren oder - noch wahrscheinlicher - einfach die Kosten für die Konsumsteuer auf die Konsumenten und die Arbeiter abwälzen?
fred hat folgendes geschrieben:
Dort und in der dritten Welt wird das selbe passieren, da deren Markt vor uns geschützt wird. nach einer Weile (vermutlich gar nicht lange) wird es überall mittelgrosse Unternehmen geben, und die Grosskonzerne sollten nach und nach zerfallen.

Die Grosskonzerne werden sich an die entfernungsabhängige Konsumsteuer anpassen - oder besser angepasste "mittelgrosse Unternehmen" werden sich zu markbeherrschenden Grosskonzern entwickeln.
fred hat folgendes geschrieben:
ich schrieb bereits, dass die zahlen im einzelnen zu diskutieren sind, dass ich auch deshalb an unterschiedliche Steuersätze denke, und dass durchaus grosszügige Freibeträge für sozial schwache diesem entgegen wirken müssen.
In Skandinavien haben sie einen Umbau in diese Richtung schon hinter sich, mit teilweise horrenden Luxussteuern. Gehts denen dort so schlecht ?

Freibeträge? Dann brauchst du aber sehr hohe Luxussteuern, um überhaupt genügend Steuereinnahmen zu haben, da Reichen relativ zu ihrem Einkommen und Vermögen eben kaum konsumieren.

Die Situation in Skandinavien hat sich durch diesen Umbau aber für die Mehrheit der Bevölkerung nicht verbessert, sondern verschlechtert. Im übrigen gibt es in Skandinavien deutlich höhere Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen, also die Steuerlast wurde eben nicht so stark umverteilt, wie z.B. in der BRD (für Reiche heute ein Niedrigsteuerland).

Ich sehe also immer noch nicht, was die entfernungsabhängige Konsumsteuern bringen soll. Selbst wenn sie dazu führt, dass tatsächlich kleinere Konzerne auf Kosten von Grosskonzernen entstehen (was ich bezweifle, s.o.), ändert dies doch nichts. Dann beherrschen halt kleine Konzerne einen regionalen Markt und beuten die Lohnabhängigen aus.

Und wie willst du diese Vorschläge durchsetzen? Du wirst natürlich Anhänger bei Kleinunternehmern finden, die sich von dieser Reform eine Verbesserung ihrer Position auf Kosten von Grossunternehmen erhoffen. Selbst wenn du noch die Mehrheit der Arbeiter von dieser Idee überzeugst: was machst du mit den Kapitalisten? Deren Privilegien und Macht willst du ihnen ja nehmen. Sie werden also deine Idee nicht unterstützen oder sie in ihr Gegenteil verkehren. Es stellt sich also auch für deine Idee die Machtfrage, also eben die Frage einer revolutionären Veränderung. Eine evolutionäre Veränderung, eine Veränderung gestützt auf einzelne Reformen ohne die Macht der Kapitalisten zu brechen, funktioniert eben nicht. Diesen Ansatz hat die Arbeiterbewegung mehrheitlich im 20. Jahrhundert verfolgt (und nicht etwa einen revolutionären Ansatz!!) und der Preis war, dass ihre Parteien in Kampf für Reformen sich so stark mit den kapitalistischen Staatsapparat vermischten, dass sie die Interessen des kapitalistischen Staatsapparat vertraten - also die Interessen der Kapitalisten selbst. Die Folge war, dass die Arbeiterbewegung ihre Parteien an die Gegenseite verlor und diese Parteien heute gegen die Arbeiterklasse Politik machen (Agenda 2010, Hartz IV, "new labour" etc.).
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fred
findet Gloria echt dufte



Anmeldungsdatum: 19.10.2005
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Beitrag(#364756) Verfasst am: 28.10.2005, 18:23    Titel: Antworten mit Zitat

Lieber max, bei aller Freundschaft, ich glaube wir drehen uns im Kreis.
Mir scheintst Du (mit Verlaub) in Denkschemata des ausgehenden 19.Jh festzustecken.
Ausserdem scheinst Du so dermassen an einem "Kapitalisten-Feindbild" zu hängen, dass du nicht erkennst, dass die eigentlichen Probleme schon lange nicht mehr durch den kleinen "Kapitalisten" entstehen, sondern in unkontrollierten multinationalen Grosskonzernen.
Das beste was uns passieren könnte wäre, wenn wir wieder viele kleine Kapitalisten hätten, die ihr eigenes Kapital, Leben und Sicherheit aufs Spiel setzen um im Leben erfolgreich zu sein. Das was man allgemein kleine und mittlere Unternehmer sowie goldenes Handwerk nennt.
Unsere unterschiedliche Auffassung mag ihre Ursache in unserem Umfeld haben - ich lebe hier (in Süddeutschland) in einem vornehmlich KMU-geprägten Umfeld, das tatsächlich im Länder- und Internationalen Vergleich recht gut dasteht. Ich sehe die "Arbeiterklasse" von der Du redest hier nirgens.

Symptomatisch für Deine (mit Verlaub) Denkblockade ist doch folgender Auszug aus unserem Dialog (und das ist nur ein beispiel):

Du sagtest zuerst:
Zitat:

Die soziale Marktwirtschaft [...] funktioniert aber nicht, da der Kapitalismus langfristig eben instabil
ist [...]

worauf ich bemerkte, dass deine Aussage semantisch folgendes bedeutet:
Zitat:

M funtioniert nicht weil K nicht funktioniert ? (= Zirkelschluss, kein Argument)

darauf Du:
Zitat:

Das Problem ist, dass manche die "soziale Marktwirtschaft" für etwas eignes halten, aber ignorieren, dass die "soziale Marktwirtschaft" eben so bald der Kapitalismus sich wieder normal entwickelte (also ab den 70ern) wieder zerstört wird.

was ich interpretiere als: "soz. Marktwirtschaft ist degeniert (i.e. gleich) Kapitalismus".

Im ursprünglichen Kontext bedeutet das:
K funtioniert nicht weil K nicht funktioniert

Das ist eine Tautologie (und ein bisschen mehr Substanz sollten Deine Argumente schon haben).

Ich möchte dich bitten, nicht einfach die Sprüche aus deinem Kapital unreflektiert auswendig zu lernen - so muss das nämlich leider auf mich wirken wenn Du diese Tautologie sogar nochmal wiederholst nachdem ich dich schon darauf hingewiesen habe.

Ich habe von Dir (ausser "wir müssen den Kapitalismus überwinden" und "Marx hat Recht" keinen einzigen konkreten Vorschlag (konkret heisst: Steuer auf X" gelesen.

Bitte hab Verständnis, dass es für mich jetzt zur Zeitverschwendung ausartet - ich geh lieber wieder ein bisschen Geld verdienen....

m.f.G.
fred

PS: bitte entschuldige den etwas bissigen Ton in meinen obigen Ausführungen, ich fühle mich aber diesmal wirklich ein bisschen verarscht.
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max
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Anmeldungsdatum: 18.07.2003
Beiträge: 3055

Beitrag(#364780) Verfasst am: 28.10.2005, 20:16    Titel: Antworten mit Zitat

fred hat folgendes geschrieben:
Lieber max, bei aller Freundschaft, ich glaube wir drehen uns im Kreis.
Mir scheintst Du (mit Verlaub) in Denkschemata des ausgehenden 19.Jh festzustecken.
Ausserdem scheinst Du so dermassen an einem "Kapitalisten-Feindbild" zu hängen, dass du nicht erkennst, dass die eigentlichen Probleme schon lange nicht mehr durch den kleinen "Kapitalisten" entstehen, sondern in unkontrollierten multinationalen Grosskonzernen.
Das beste was uns passieren könnte wäre, wenn wir wieder viele kleine Kapitalisten hätten, die ihr eigenes Kapital, Leben und Sicherheit aufs Spiel setzen um im Leben erfolgreich zu sein. Das was man allgemein kleine und mittlere Unternehmer sowie goldenes Handwerk nennt.

Das originelle ist doch gerade, dass du einem Ideal des 19. Jahrhunderts oder gar des 18. jahrhunderts anhängst: dem Ideal der Kleinunternehmer. Das ist aber eine Illusion, weil sich im Kapitalismus zwangsläufig in Richtung zu weniger und grösseren Konzernen entwickelt - und dies gilt auch für Süddeutschland, wo wenige Grosskonzerne wie BMW, Daimler, Siemens, Audi (VW) etc. dominieren.

Kleinunternehmern und "mittlere Unternehmen" sind eben Grosskonzernen meist im Wettbewerb unterlegen - sie werden selbst Grosskonzerne oder gehen unter. Die Idee, die Zeit zurückzudrehen, finde ich absurd - und eben unrealistisch.
fred hat folgendes geschrieben:
Im ursprünglichen Kontext bedeutet das:
K funtioniert nicht weil K nicht funktioniert

Nein, meine Aussage war, dass die soziale Marktwirschaft nicht funktioniert, weil es eben eine normale Form des Kapitalismus ist. Warum der Kapitalismus nicht funktioniert ist, habe ich extra erklärt. Also wenn du von Denkblockaden redest, solltest du erst mal deine überwinden und meinen Text noch einmal lesen.

Und dann solltest du anfangen dein Ideal zu hinterfragen, weil dieses wirklich mal in der Zeit von Adam Smith zeitgemäss war, aber heute nichts mehr mit der Realität zu tun hat.

Wenn du Kapitalismuskritik als Zeitverschwendung betrachtest, finde ich dies nur noch seltsam. Der Kapitalismus entwickelt sich schliesslich in den letzten Jahrzehnten eben genau so, wie Marxisten dies prognostizieren. Nur weil ein paar Unterdrückungsregime untergangen sind, gibt es noch lange keinen Grund unkritisch liberale Ideen zu übernehmen, wenn deren Scheitern und deren Widersprüche so klar sind, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr.

Und wenn wir schon bei Denkblockaden sind: denk mal darüber nach, warum die Reformisten, die eine mehrheitliche Unterstützung in der Gesellschaft grösstenteils im 20. Jahrhundert hatten, trotzdem gescheitert sind. Da bringst es nichts, wenn man sich neue Reformen ausdenkt, wenn das Problem immer noch deren Durchsetzung ist.

Und: denk mal über die Kritikpunkte an deinen Reformansätzen nach.
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