Da sitzen sie auf ihrem Schrottkahn

[Umunmutamnak]

Mir ist da gerade eine unglaubliche Geschichte wieder eingefallen – eine echte Tragikomödie (oder wie soll ich sonst sagen?)

Habe es vor geraumer Zeit (könnte zwei Jahre oder länger her sein) im Fernsehen gesehen, im "Weltspiegel" in der ARD, besser gesagt. Seither ist darüber nicht mehr berichtet worden – oder ich habs nicht mitbekommen, Fernsehen gucke ich sehr wenig.

Die Geschichte (real!) ist folgende: (gebe sie nur aus dem Gedächnis wieder, aber in groben Zügen sicher so, wie damals berichtet- sofern die Berichte zutreffen)

Ein vollbemanntes, aber vollkommen schrottreifes Schiff einer russischen Reederei kreuzt auf der Ostsee. Der altersschwache Kahn ist irgendwann bewegungs- und/oder manövierunfähig, und wird daher an die polnische Küste geschleppt, wo es irgendwo im Hafenbecken o.ä. einer Werft landet.

Gleichzeitig geht jetzt die russische Reederei pleite – (ob aus betriebswirtschaftlichen oder mafiösen Gründen ist für die Geschichte völlig wurscht) Die begonnene Reparatur wird wg. Zahlungsunfähigkeit eingestellt, der Lohn der Matrosen ist ohnehin schon lang nicht mehr bezahlt worden.

Da liegt also der schrottreife Kahn irgendwo an der polnischen Ostseeküste.

Das hat sich wohl bereits Anfang der 90-er Jahre ereignet – was wurde aus der Besatzung?

Sie blieb auf dem Schiff. – dort war sie immer noch, als der Fernsehbericht 10 oder mehr Jahre später verfasst wurde.

Da saßen sie also, ca. 30 Matrosen und eine Köchin, 10 oder mehr Jahre auf dem Schiff - habe übrigens keine Ahnung, ob sie heute noch da sind - ohne Geld, ohne nennenswerten Kontakt zu ihrer Heimat. Gegessen wurde anscheinend selbstgefangener Fisch, überwiegend. Wodka wurde selbst gebraut. Manchmal gabs wohl auch ein paar Geschenke von Einheimischen.

Als Grund für ihr Verbleiben wurde von den Matrosen angegeben, sie hofften wg. Einer möglicherweise bevorstehenden Zwangsversteigerung des Schiffes auf die Auszahlung ihrer seit mittlerweile 10 Jahre nicht mehr gezahlten Löhne. Auf die Reporterfrage, was denn mit seiner Familie sei, sagte ein Matrose offenherzig: "Ich habe vor fünf Jahren mit meiner Frau telefoniert – es geht ihr gut". Ein anderer sagte auf die Frage, warum er nicht längst über alle Berge sei so in etwa: " Man hat sich so an seine tägliche Arbeit gewöhnt" –

Das Schiff wurde von den Matrosen die ganze Zeit weiter gepflegt und gewartet – es war nun leider aber einfach ein seeuntauglicher Schrotthaufen.

Die selbst höchst routinierte "Weltspiegel"-Moderatorin sagte dann noch als Abmoderation: "Da sieht man einmal, wohin Routine führen kann."

Seitdem hat man davon nichts mehr gehört.

Seltsam, sogar manchmal das Fernsehen.

[Galaxisherrschers Katze]

Äh und woraus haben die sich den Vodka gebraut?
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"(...)steak can be attached to a baby to attract lions(...)" (Aus der ESRB-Beschreibung von Scribblenauts)

[Umunmutamnak]

[Wolf]

[Komodo]

Diese Menschen sind dusselig.

[Umunmutamnak]

[hacketaler]

wer zahlt denn die hafengebühren für den liegeplatz?

und wieviel fische gibt es denn in so nem ölverseuchten hafenbecken?

[Umunmutamnak]

[hacketaler]

[Umunmutamnak]

[hacketaler]

[Umunmutamnak]

Ich werd in den nächsten tagen mal schauen, ob ich zu der Sache was überprüfbares liefern kann. Muß jetzt leider in die Heia (morgen 6 Uhr aufstehen)

[Komodo]

[Spoony]

[ChRISIS@theAREA]

Also die Internetseite von der ARD ist ja wirklich tadelos, da weis ich wenigstens einen vernünftigen Grund für die GEZ-Gebühren. Ich habe die Geschichte ja schon für einen Fake gehalten... aber nein, tatsächlich, in der Sendung vom 11.07.2004 war der Bericht über dieses Russenschiff in Polen, unten auf dem Bild:



Die Geschichte ist wirklich unglaublich und anrührend. Aus dem zusammenfassenden Text geht nicht alles korrekt hervor, ihr solltet Euch das zugehörige Video anschauen (leider winzige Auflösung, aber immerhin der komplette Bericht).

Mein erster Gedanke war wirklich eine Art Weihnachtsspendensammlung zu machen, um die Leute dazu zu bewegen, freiwillig nach Hause zu gehen. Das ist wirklich ein Stück Poesie, oder eben Realsatire, wie man es nimmt. Erschreckend wozu sich Menschen genötigt sehen, wenn es kein funktionierendes Sozialsystem gibt. In Deutschland bekäme man meines Wissens nach immerhin die letzten drei Monate ausstehenden Lohnes vom Staat als Entschädigung. Die Armut in der Welt ist echt zum verzweifeln...

[Umunmutamnak]

Hey, das geht ja schnell hier mit der "Verifizierung" - vielen Dank -

Hab mir das real-Video gleich angesehen - in ihren Grundzügen hatte ich die Geschichte oben ja so halbwegs richtig wiedergegeben (war ja etwas her, daß ichs gesehen hatte)

Eine Art Mischung aus "Warten auf Godot", Sartres "Geschlossene Gesellschaft" , nur eben real.
Die Grundkonstellation wäre dabei bestimmt ein fantastischer "plot" für Bücher oder Filme.

Daneben ist die Geschichte einfach menschlich bewegend. Ich finde sie schlicht unglaublich - wenn ich darüber nachdenke, komme ich schnell auf ganz grundsätzliche Dinge, die die menschliche Existenz betreffen.

Komisch - sowas wird ja von der Öffentlichkeit weitgehend übersehen bzw. gar nicht erst medial beleuchtet. Vielleicht zu langsam, zu wenig reißerisch-plakativ, zu nachdenklich - taugt auch nicht so wirklich für Parolen und Schlagzeilen.

Denn es geht wirklich nur um diese Matrosen.