Freigeisterhaus Foren-Übersicht
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   NutzungsbedingungenNutzungsbedingungen   BenutzergruppenBenutzergruppen   LinksLinks   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

Die Aussage eines Filmes, Buches, ...

 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Kultur und Gesellschaft
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
JTB
Niemand



Anmeldungsdatum: 17.03.2004
Beiträge: 429

Beitrag(#377075) Verfasst am: 23.11.2005, 02:00    Titel: Die Aussage eines Filmes, Buches, ... Antworten mit Zitat

Im "Was sind eure Lieblingsfilme"-Thema habe ich öfters "Lost Highway" gelesen; ein sehr guter Film, keine Frage (ich persönlich finde "Mulholland Drive" besser). Ich hatte einmal eine Diskussion (genau genommen, sie läuft eigentlich immernoch, wenn wir uns treffen) mit einem Freund von mir, der an einer Filmhochschule studiert und ein großer Lynch-Fan ist, über die Frage, wie weit man das, was man in der Kunst (sei es Film, Buch, Bild, Theater, egal was) ausdrücken will, absichtlich verschleiern darf. Um David Lynch als konkretes Beispiel zu nehmen: Auf der einen Seite gibt es das Extrem des Propaganda-Films, in dem mir der Autor seine Meinung aufzwängen will; auf der anderen Seite gibt es den extremen Kunstfilm, über den Experten am Ende trefflich streiten, ohne das ein normaler Mensch wie ich etwas davon hätte. Lynch bewegt sich in Richtung des "Experten"-Endes.

Wie weit darf ein Kunstfilmer gehen? Wenn ich meine Aussage so verstecke, dass - wenn überhaupt! - nur Filmexperten dahinter kommen können, was ich sagen will, hat mein Film dann eigentlich noch eine Aussage? Welchen Zweck hat Sozialkritik in einem Film, den weniger als ein Prozent der Menschheit verstehen? Welchen Sinn hat eine Sozialkritik, die ich - anderes Extrem - so platt erzähle, das niemand mehr selbst nachdenken muss (was gleichzeitig dazu führt, dass sich niemand damit auseinandersetzt und es deshalb nicht wirklich glaubt)?

Ganz konkret: Ich habe einige sehr gute, gesellschaftskritische Kurzfilme von Bekannten von mir gesehen. Allerdings waren diese so "kunstvoll", dass ich sie nur deshalb "richtig" verstanden habe, weil der Autor es mir erklärt hat. Aber was ist eine Gesellschaftskritik, die zwar gut sein mag, die aber niemand versteht? Denn diese extreme Form der Gesellschaftskritik begegnet uns in der Kunst immer öfter.
_________________
Und genau dann, als ich alle überzeugt hatte, wurde mir klar, dass ich mir irrte.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#377079) Verfasst am: 23.11.2005, 02:14    Titel: Re: Die Aussage eines Filmes, Buches, ... Antworten mit Zitat

JTB hat folgendes geschrieben:
Welchen Zweck hat Sozialkritik in einem Film, den weniger als ein Prozent der Menschheit verstehen?


Nun, David Lynch versteht ja 'Lost Highway' gemäß seiner eigenen Aussage selbst nicht wirklich... Mit den Augen rollen
Dass Gesellschaftskritik mehrere Ebenen haben muss, dürfte klar sein. Ob es David Lynch übertreibt, ist eine andere Frage. Die Aussage von Lost Highway habe ich bis heute nicht finden können, und vielleicht liegt gerade darin seine Aussage.
Laut Lynch ist Lost Highway ein Versuch, den Wahnsinn nicht wie sonst von außen, sondern von innen darzustellen. Lynch sagte dazu: "Andere Filme haben Wahnsinn zum Thema. Lost Highway hat Wahnsinn zur Methode". Und: "Nein, ich werde keine Deutung zu Lost Highway geben. Wenn ich euch eine Deutung geben würde, hätte ich den Film nicht machen brauchen."
Der Film ist subjektiv. Das Sehen ist subjektiv. Jedoch nicht im eigentlichen Sinne 'beliebig', gerade bei Lost Highway (noch stärker als bei Mulholland Drive) zieht sich ja durchaus ein roter Faden durch die Geschichte.

Vielleicht hilft dir das weiter...

Ach ja: Wer David Lynchs Filme mag, dem kann ich auch die Anime-Serie "Paranoia Agent" von Satoshi Kon nur wärmstens empfehlen.
Habe allerdings erst die ersten neun von dreizehn Folgen gesehen...
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
JTB
Niemand



Anmeldungsdatum: 17.03.2004
Beiträge: 429

Beitrag(#377085) Verfasst am: 23.11.2005, 02:35    Titel: Re: Die Aussage eines Filmes, Buches, ... Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die Aussage von Lost Highway habe ich bis heute nicht finden können, und vielleicht liegt gerade darin seine Aussage.


Der Vorhang zu und alle Fragen offen? Gerade das "Viele Fragen möglich machen und keine beantworten" als Aussage? Sehr interessanter Gedanke!

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Jedoch nicht im eigentlichen Sinne 'beliebig', gerade bei Lost Highway (noch stärker als bei Mulholland Drive) zieht sich ja durchaus ein roter Faden durch die Geschichte.


Ich habe gerade bei Lynch immer das Gefühl, einen roten Faden zu sehen, oder besser: zu spüren, aber wenn ich zupacken will und "Hab Dich!" ausrufen will, ist er wieder woanders. Trotzdem fühle ich mich bei "Mulholland Drive" dem Faden näher als bei "Lost Highway".

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Vielleicht hilft dir das weiter...


Sicher! Danke.

Aber bei Lynch - und in vielen anderen Aspekten der modernen Kunst - haben wir es nicht mehr mit verschiedenen einfachen Ebenen der Kritik, egal an was, oder Aussage zu tun, sondern mit verschiedenen - entschuldige das Wort - Metaebenen. Es geht um verschiedene Ebenen innerhalb der Gesellschaft, sondern um verschiedene Ebenen innerhalb der Schicht, für die ursprünglich einmal die höchste Ebene gedacht war. In den Stücken Shakespears findet man immer verschiedene Aspekte - einige richten sich an den "einfachen" Menschen, andere an den Menschen "in der Mitte" und andere die "besonders gebildeten Leute" - die heutige Kunst hat kaum noch etwas für den "einfachen" oder sich "in der Mitte" befindenden Menschen zu bieten: Es wird versucht, in der Gruppe der "besonders gebildeten Leute" neue Trennungsebenen einzufügen.
_________________
Und genau dann, als ich alle überzeugt hatte, wurde mir klar, dass ich mir irrte.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Galaxisherrschers Katze
Verwöhntes Haustier



Anmeldungsdatum: 06.04.2005
Beiträge: 5018

Beitrag(#377088) Verfasst am: 23.11.2005, 02:52    Titel: Re: Die Aussage eines Filmes, Buches, ... Antworten mit Zitat

JTB hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Jedoch nicht im eigentlichen Sinne 'beliebig', gerade bei Lost Highway (noch stärker als bei Mulholland Drive) zieht sich ja durchaus ein roter Faden durch die Geschichte.


Ich habe gerade bei Lynch immer das Gefühl, einen roten Faden zu sehen, oder besser: zu spüren, aber wenn ich zupacken will und "Hab Dich!" ausrufen will, ist er wieder woanders. Trotzdem fühle ich mich bei "Mulholland Drive" dem Faden näher als bei "Lost Highway".

Das ist wohl auch Absicht.
Ich habe mal eine Abhandlung gelesen, in der gemeint wurde, dass der Film teilweise durchaus Sinn macht, allerdings als ganzes betrachtet immer ein Teil hinzukommt, der der Deutung zuwider läuft...
_________________
"(...)steak can be attached to a baby to attract lions(...)" (Aus der ESRB-Beschreibung von Scribblenauts)
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tegularius
surreal



Anmeldungsdatum: 28.07.2005
Beiträge: 2002

Beitrag(#377100) Verfasst am: 23.11.2005, 08:09    Titel: Antworten mit Zitat

Ich glaube nicht, dass Lost Highway eine Aussage im eigentlichen Sinne hat. Nach dem ersten Sehen dachte ich, dass der Film einen Traum darstellen könnte (mittlerweile bin ich mir aber nicht mehr so sicher zwinkern): nachdem Fred Madison ins Gefängnis gekommen war, konnte er eine Weile nicht schlafen, bekam dann die Schlaftablette und der Film ist sozusagen der Traum, den er erlebt und in welchem die Inhalte seiner Erlebnisse der letzten Zeit kombiniert werden mit Jugenderinnerungen, Phantasien usw. Jedenfalls scheint es mir weniger um das zu gehen, was gezeigt wird, sondern darum, wie es gezeigt wird. Die Grundhandlung ist eigentlich eine ganz einfache, nur die Art wie sie präsentiert wird, macht sie so undurchdringlich. Sie wird eben nicht von "außen" erzählt, sondern unmittelbar von "innen" erlebt - immerhin sagt Fred Madison an einer Stelle auch zu den beiden Polizisten, dass er keine Videokamera möchte, weil er sich an die Dinge nicht erinnern will, wie sie passiert sind, sondern wie er sich eben an sie erinnert.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tegularius
surreal



Anmeldungsdatum: 28.07.2005
Beiträge: 2002

Beitrag(#377102) Verfasst am: 23.11.2005, 08:26    Titel: Antworten mit Zitat

JTB hat folgendes geschrieben:
die heutige Kunst hat kaum noch etwas für den "einfachen" oder sich "in der Mitte" befindenden Menschen zu bieten: Es wird versucht, in der Gruppe der "besonders gebildeten Leute" neue Trennungsebenen einzufügen.


Das scheinen sich meiner ganz persönlichen Meinung nach aber auch viele sogenannte Künstler zunutze zu machen, indem sie einfach irgendeinen Schrott produzieren und hinterher eine "Philosophie" darum stricken, die sich nicht wirklich greifen lässt. Wer nun sagt, es sei keine Kunst, der ist eben ein Philister.
Problematisch ist hierbei natürlich, dass es im Einzelfall ja tatsächlich auch so sein kann, dass ich die Absichten nicht verstehe und das Werk daher als Schrott empfinde. Andererseits halte ich eine Beschäftigung mit Werken, die mir von Anfang an banal vorkommen und die sich im Endeffekt auch als Banalitäten herausstellen, für verschwendete Zeit. Somit erwarte ich im Grunde von Kunst, dass sie mich auch dann anspricht, wenn ich sie (noch) nicht wirklich verstehe.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Malone
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.09.2004
Beiträge: 5269

Beitrag(#377105) Verfasst am: 23.11.2005, 09:06    Titel: Antworten mit Zitat

Immer einen Sinn hinter allem zu vermuten... Mit den Augen rollen
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tegularius
surreal



Anmeldungsdatum: 28.07.2005
Beiträge: 2002

Beitrag(#377106) Verfasst am: 23.11.2005, 09:11    Titel: Antworten mit Zitat

Malone hat folgendes geschrieben:
Immer einen Sinn hinter allem zu vermuten... Mit den Augen rollen


Der große SINN ist überströmend;
er kann zur Rechten sein und zur Linken.
Alle Dinge verdanken ihm ihr Dasein,
und er verweigert sich ihnen nicht.
...
(Tao Te King, Abschnitt 34)

zwinkern
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Malone
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.09.2004
Beiträge: 5269

Beitrag(#377107) Verfasst am: 23.11.2005, 09:20    Titel: Antworten mit Zitat

Aha.


zwinkern
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#377108) Verfasst am: 23.11.2005, 09:24    Titel: Re: Die Aussage eines Filmes, Buches, ... Antworten mit Zitat

JTB hat folgendes geschrieben:
Der Vorhang zu und alle Fragen offen? Gerade das "Viele Fragen möglich machen und keine beantworten" als Aussage? Sehr interessanter Gedanke!


Naja... bei meiner Interpretation bin ich, wie ich zugeben muss, von zwei Größen der Philosophie des zwanzigsten Jahrunderts beeinflusst:
Einmal Wittgenstein (wer hätte das gedacht) und zum Anderen Albert Camus. Vielleicht könnte man noch Nietzsche heranziehen, aber dazu später mehr.

Dass die Situation von Fred Madison / Pete Dayton wittgensteinsch ist, ist recht leicht zu verdeutlichen:
Jede Tatsache innerhalb des Films kann klar gesagt werden. Für jede Einzeltatsache kann man eine Ursache angeben. Betrachtet man den Film also sozusagen "in Scheiben", so macht jede einzelne "Scheibe" zusammen mit der jeweils vorherigen und der folgenden "Scheibe" Sinn.
Nur das Gesamtgefüge macht keinen Sinn, oder besser gesagt: Wenn es Sinn macht, dann hast du dir das eigebildet und irgendwo in dem Film gibt es einen Moment, der nicht zu deiner Theorie passt.

Insofern ist es also wittgensteinsch: Innerhalb des Films macht alles Sinn, aber der Film selbst macht keinen Sinn bzw. der Sinn des Films liegt außerhalb des Films.

Camus schließt sich an, weil die Situation von Fred offensichtlich absurd im Camus'schen Sinne ist. Er stößt an die Grenzen seines Verstandes und verzweifelt daran. Im Grunde ist das fast schon kafkaesk. Wie K. in Kafkas "Prozess" ist auch Fred / Pete einer unpersönlichen Gewalt ausgeliefert, der er nicht entkommen kann, und der Mystery Man spielt quasi die Rolle des Anklägers, Richters und Henkers gleichzeitig. Und so wird doch am Ende Gerechtigkeit geübt: ein Produzent von Snuff-Videos wird fachgerecht aus dem Verkehr gezogen und ein Mörder seiner Frau geht an seiner Tat zu Grunde.

Und doch wiederholt sich die ganze Tragödie wie Nietzsches Ewige Wiederkehr. Doch ist das Wiederholen nicht nur dafür ein Sinnbild, sondern auch für den Drang des Zuschauers, den Film noch einmal und noch einmal und noch einmal zu sehen in der Hoffnung, vielleicht einmal einen Sinn und Gesamtzusammenhang zu finden.

JTB hat folgendes geschrieben:
Ich habe gerade bei Lynch immer das Gefühl, einen roten Faden zu sehen, oder besser: zu spüren, aber wenn ich zupacken will und "Hab Dich!" ausrufen will, ist er wieder woanders.


Erinnert ein Bisschen an Lao-Tses 'Heiliges Tao', hm? Jetzt wo du es sagst...
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte


Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 23.11.2005, 09:39, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#377109) Verfasst am: 23.11.2005, 09:26    Titel: Antworten mit Zitat

Galaxisherrschers Katze hat folgendes geschrieben:
Ich habe mal eine Abhandlung gelesen, in der gemeint wurde, dass der Film teilweise durchaus Sinn macht, allerdings als ganzes betrachtet immer ein Teil hinzukommt, der der Deutung zuwider läuft...


Ich erinnere mich noch, dass ich eine komplette Theorie und Ausdeutung für Mulholland Drive ausgearbeitet hatte. Hat mich mehrere Stunden gekostet. (Ja, ich bin so freakig 'drauf.) Ich sah mir den Film erneut an und bemerkte einen einzigen, winzigen Moment, der meine Theorie widerlegt. Mann, war ich sauer... Mr. Green
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte


Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 23.11.2005, 09:28, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#377111) Verfasst am: 23.11.2005, 09:28    Titel: Antworten mit Zitat

Tegularius hat folgendes geschrieben:
Tao Te King, Abschnitt 34


Der SINN, den du ersinnen kannst,
ist nicht der Ewige SINN.
Der Name, den du nennen kannst,
ist nicht sein Ewiger Name.

Namenlos ist der Urgrund allen Seins,
zu Benennendes ist Mutter aller Dinge.

(Tao-Te King, Abschnitt 1)
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tegularius
surreal



Anmeldungsdatum: 28.07.2005
Beiträge: 2002

Beitrag(#377113) Verfasst am: 23.11.2005, 09:34    Titel: Re: Die Aussage eines Filmes, Buches, ... Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
...Interpretation...


Interessante Deutung. Daumen hoch!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#377115) Verfasst am: 23.11.2005, 09:38    Titel: Re: Die Aussage eines Filmes, Buches, ... Antworten mit Zitat

Tegularius hat folgendes geschrieben:
Interessante Deutung. Daumen hoch!


Danke. Smilie
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Jolesch
Freund des kleineren Übels



Anmeldungsdatum: 11.07.2004
Beiträge: 7390
Wohnort: Omicron Persei VIII

Beitrag(#377125) Verfasst am: 23.11.2005, 10:12    Titel: Antworten mit Zitat

Gerade dieser interpretative Prozess, der bei fast jedem Zuseher anders abläuft, macht, neben dem audiovisuellen (achtet mal z.B. darauf wie Lynch Geräusche einsetzt) Genuß, den Reiz von Lynchs Filmen aus. Außerdem kann man sich nach dem Kino über die Pseudo-Experten amüsieren, die nach der Vorführung großspurig anderen erklären was sie gerade gesehen haben. zwinkern


JTB hat folgendes geschrieben:

Ganz konkret: Ich habe einige sehr gute, gesellschaftskritische Kurzfilme von Bekannten von mir gesehen. Allerdings waren diese so "kunstvoll", dass ich sie nur deshalb "richtig" verstanden habe, weil der Autor es mir erklärt hat. Aber was ist eine Gesellschaftskritik, die zwar gut sein mag, die aber niemand versteht? Denn diese extreme Form der Gesellschaftskritik begegnet uns in der Kunst immer öfter.


Auch ohne Gesellschaftskritik gibt es schwer konsumirbare, gehaltvolle Kunst. Gerade bei Avantgarde-Filmen bin ich gespalten: Es gibt grandiose (und unverständliche) Werke, aber eben auch die filmische Entsprechung von "Ich piß auf eine Leinwand, stells in die Gallarie und nenn es Kunst".
_________________
Storm by Tim Minchin
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden E-Mail senden
Malone
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.09.2004
Beiträge: 5269

Beitrag(#398658) Verfasst am: 09.01.2006, 17:00    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Galaxisherrschers Katze hat folgendes geschrieben:
Ich habe mal eine Abhandlung gelesen, in der gemeint wurde, dass der Film teilweise durchaus Sinn macht, allerdings als ganzes betrachtet immer ein Teil hinzukommt, der der Deutung zuwider läuft...


Ich erinnere mich noch, dass ich eine komplette Theorie und Ausdeutung für Mulholland Drive ausgearbeitet hatte. Hat mich mehrere Stunden gekostet. (Ja, ich bin so freakig 'drauf.) Ich sah mir den Film erneut an und bemerkte einen einzigen, winzigen Moment, der meine Theorie widerlegt. Mann, war ich sauer... Mr. Green



Zitat:
Info: Ursprünglich sollte dem Film eine Serie folgen. Das passierte dann jedoch nicht und so bleibt die verwirrende Geschichte ohne Auflösung.




Mr. Green
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#398664) Verfasst am: 09.01.2006, 17:05    Titel: Antworten mit Zitat

Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die Serie weniger mysteriös geworden wäre als der Film? Mr. Green
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Arkanus
registrierter User



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 87

Beitrag(#399057) Verfasst am: 10.01.2006, 05:40    Titel: Antworten mit Zitat

Gruß!

Zitat:
Wenn ich meine Aussage so verstecke, dass - wenn überhaupt! - nur Filmexperten dahinter kommen können, was ich sagen will, hat mein Film dann eigentlich noch eine Aussage? Welchen Zweck hat Sozialkritik in einem Film, den weniger als ein Prozent der Menschheit verstehen?


Ich will's mal so sagen:
Kunst, die nicht in der Lage ist, mit ihrem Konsumenten zu kommunizieren, hat ihren Sinn verfehlt. Ich bin der festen Überzeugung, dass, wenn es mehr Kunst gäbe, die eine breitere Schicht anspräche, auch weniger affirmative "Kunst" wie "von" Britney Spears, Shakira und Sido produziert würde.
Dein Denkansatz hat etwas von "Wenn im Wald ein Baum umfällt und keiner da ist, der es hören könnte: Gibt es dann dabei überhaupt ein Geräusch?"
Wir dürfen dennoch nicht vergessen, dass Kunst, die sich einer ganz besonderen Verdichtung bedient, auch ihre Berechtigung hat. Dazu folgende Thesen:

1. Kunst entsteht durch Künstler. Der Künstler reift im Schaffensprozess. Um das zu erreichen, muss er eine Ausdrucksform wählen, mit der er auch das ausdrücken kann, was er sagen will. Er kann dabei nicht immer auf sein Publikum rücksichtnehmen, da er sich sonst zu sehr von seinem eigenen Werk entfremden würde.

2. Künstler, die Sachverhalte verstehen, die sich noch nicht ansatzweise in der Bevölkerung durchgesetzt haben, wissen oft selbst nicht genau, auf was sie da gestoßen sind. Wenn sie ihre Kunst schaffen, bedürfen sie also einer sehr abstrakten oder metaphysischen Ausdrucksform. Sie werden dann oft nur noch "schattenhaft" von ihren Zeitgenossen verstanden [inwieweit dies zu einer "Reifung" des Einzelnen und (u.a. damit) einer Progression der Gesamtgesellschaft kommt, ist nur sehr schwer zu beantworten]. Eine "realistische" Deutung und ein tiefergehendes, bewussteres Verständnis kommt meist erst viele Jahre später, wenn die Menschen "reif" für diesen Künstler sind. Man spricht dann von Künstlern oder Kunst, die "ihrer Zeit voraus waren". Diese Werke entfalten also ihre volle Wirksamkeit oft erst nach dem Tod des Erschaffers.

3. Kunst, die durch starke Abstraktion gekennzeichnet ist, lässt viel Raum für eigene Interpretationen und Gedankengänge. Es ist dabei nicht zwangsläufig darauf zu bestehen, dass die Intention des Künstlers verstanden wird. Meist lehren erst recht diese Art von Gedankengängen den Menschen verdammt wichtige Grundzüge der Reflexion.

Zitat:
Welchen Sinn hat eine Sozialkritik, die ich - anderes Extrem - so platt erzähle, das niemand mehr selbst nachdenken muss (was gleichzeitig dazu führt, dass sich niemand damit auseinandersetzt und es deshalb nicht wirklich glaubt)?


Was meinst Du hier genau? Sprichst Du von einer Plattheit in der Kunst, wie sie etwa durch Tendenzliteratur (also "ideologischer", einseitig betrachteter/betrachtender Literatur) hervorgerufen wird oder von einer Plattheit, wie sie sich etwa in Bertolt Brechts (vergleichsweise) konkreter Darstellungsweise wiederfindet?

Zitat:
Wie weit darf ein Kunstfilmer gehen?


So weit, wie er kann und will! zwinkern
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
hacketaler
Frauen ficken ist was für Schwuchteln!



Anmeldungsdatum: 10.02.2005
Beiträge: 6031

Beitrag(#399086) Verfasst am: 10.01.2006, 10:15    Titel: Antworten mit Zitat

was sind denn gängige interpretationen von mulholland drive durch die erwähnten filmexperten?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#399269) Verfasst am: 10.01.2006, 18:55    Titel: Antworten mit Zitat

@ Arkanus: Interessant, leider sind meine früheren Ausführungen mit dem Vorgängerforum zu diesem verschwunden, daher nochmal in Kurform:

Sinn der Kunst ist die Kommunikation mit dem betrachter. Was kommuniziert wird ist dabei im grunde egal, allerdings muss es sich um mehr ahndeln als um ds Bild selber.
Ein Kunstwerk, dass die Intention des Künstlers allgemein (oder für das intendierte Publikum) verständlich vermittelt ist gelungen, ein Kunstwerk dass dies nicht tut ist misslungen. Was die Intention ist, definiert der Künstler - sie kann aber durchaus durch eine gesellschaftlich verbreitete Intention ersetzt, das Kunstwerk somit nachträglich "gelungen" werden.

Kunst ohne Aussage dagegen ist Handwerk.

handwerk ist die Basis für Kunst, aber es ist nicht Kunst.
_________________
Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Arkanus
registrierter User



Anmeldungsdatum: 31.08.2004
Beiträge: 87

Beitrag(#400283) Verfasst am: 12.01.2006, 16:38    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Sinn der Kunst ist die Kommunikation mit dem betrachter.


Prinzipiell ja, dagegen spricht aber These 1.


Zitat:
Was kommuniziert wird ist dabei im grunde egal,


Nein, das würde ich nicht so sehen. Wenn transportiert wird: "Ich liebe Dich. Du liebst mich. Ich will immer mit Dir zusammen sein." Ist das künstlerisch weitaus weniger wertvoll als "Ich liebe Dich. Aber ich weiß nicht, was Liebe ist. Ich steigere mich in einen Wahn der Liebe durch Dich und vergesse, dass wir jemals auseinanderkommen könnten."
Das erste ist Trivialkunst bzw. affirmative Kunst, letzteres wäre differenzierter.


Zitat:
allerdings muss es sich um mehr ahndeln als um ds Bild selber.


Prinzipiell ja. Aber ich vermute, dass die meisten Bilder eh automatische Interpretationen und Assoziationen hervorrufen, weshalb die ursprüngliche Intention des Autors teilweise an Irrelevanz heranreicht.


Zitat:
Ein Kunstwerk, dass die Intention des Künstlers allgemein (oder für das intendierte Publikum) verständlich vermittelt ist gelungen, ein Kunstwerk dass dies nicht tut ist misslungen.


Auch hier würde ich Dir teilweise zustimmen. Dennoch bleiben Thesen 1 und 3 bestehen. Oft ist es doch auch egal, was der Autor eigentlich intendiert hatte, sobald das Publikum durch den Kunstprozess gelernt hat und gereift ist.
Was wäre denn der Vorteil, wenn das Publikum genau versteht, was der Autor intendiert hatte?


Zitat:
Kunst ohne Aussage dagegen ist Handwerk.


Da die Aussage für gewöhnlich nicht unter dem Kunstwerk steht: Definiert nun der Konsument oder der Künstler, was Kunst ist und was Handwerk?


Zitat:
handwerk ist die Basis für Kunst, aber es ist nicht Kunst.


Zustimmung.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#400396) Verfasst am: 12.01.2006, 19:20    Titel: Antworten mit Zitat

Arkanus hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Sinn der Kunst ist die Kommunikation mit dem betrachter.


Prinzipiell ja, dagegen spricht aber These 1.


Zitat:
Was kommuniziert wird ist dabei im grunde egal,


Nein, das würde ich nicht so sehen. Wenn transportiert wird: "Ich liebe Dich. Du liebst mich. Ich will immer mit Dir zusammen sein." Ist das künstlerisch weitaus weniger wertvoll als "Ich liebe Dich. Aber ich weiß nicht, was Liebe ist. Ich steigere mich in einen Wahn der Liebe durch Dich und vergesse, dass wir jemals auseinanderkommen könnten."
Das erste ist Trivialkunst bzw. affirmative Kunst, letzteres wäre differenzierter.

Da kann man sicher unterscheiden. ich sage nur Kunst - Nichtkunst.

Weitere Abstufungen sind immer möglich, da bin ich aber vorsichtiger.


Zitat:
Zitat:
Ein Kunstwerk, dass die Intention des Künstlers allgemein (oder für das intendierte Publikum) verständlich vermittelt ist gelungen, ein Kunstwerk dass dies nicht tut ist misslungen.


Auch hier würde ich Dir teilweise zustimmen. Dennoch bleiben Thesen 1 und 3 bestehen. Oft ist es doch auch egal, was der Autor eigentlich intendiert hatte, sobald das Publikum durch den Kunstprozess gelernt hat und gereift ist.
Was wäre denn der Vorteil, wenn das Publikum genau versteht, was der Autor intendiert hatte?

Es wäre ein gelungener Kommunikationsprozess.


Zitat:
Zitat:
Kunst ohne Aussage dagegen ist Handwerk.


Da die Aussage für gewöhnlich nicht unter dem Kunstwerk steht: Definiert nun der Konsument oder der Künstler, was Kunst ist und was Handwerk?

Das Gelingen ihrer Interaktion (also Kommunikation) in der Form, das die intendierte Botschaft korrekt beim rezipienten angekommen ist.

In etwa so, wie die Linguistik ein gelungenes Gespräch definieren würde.
_________________
Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Kultur und Gesellschaft Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Seite 1 von 1

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.



Impressum & Datenschutz


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group