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Das Mitläufer-Syndrom
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Femina
registrierter User



Anmeldungsdatum: 24.07.2005
Beiträge: 1038

Beitrag(#406076) Verfasst am: 21.01.2006, 22:59    Titel: Das Mitläufer-Syndrom Antworten mit Zitat

Immer wieder in meinem Leben stelle ich fest, dass ich selbst in bestimmten Situationen gegen den Strom einer großen Schar von Mitläufern schwimme. Das ging schon in der Kindheit los, wenn sich alle gegen einen verbündeten, dass ich mich provokativ neben diesen einen dazu stellte. Als sie in der ersten Klasse die blauen Halstücher verteilten, trugen es alle - wie es ihnen vermittelt wurde - mit Stolz, während ich es von Anfang an gehasst und nur in absoluten Zwangsituationen widerwillig getragen habe. Ich kleidete mich gern nach meinem eigenen Geschmack und wenn dieser nicht ?in? war und andere darüber lästerten, trug ich das trotzdem. Wenn mir irgendwas nicht passte, sagte ich das - und wurde damit natürlich auch zum Außenseiter. Da mir diese politische Indoktrination in der DDR nicht zusagte, ich aber von meiner Mutter dauernd zu hören bekam, ich solle schweigen, um meine berufliche Zukunft nicht zu gefährden, litt ich sehr darunter, dass ich mich eben doch allzu oft anpassen musste. - Als die Mauer fiel, war das Schönste daran für mich, dass ich nun endlich immer sagen durfte, was ich denke. Meinungsfreiheit - das hörte sich gut an! Aber auch jetzt merke ich, dass das Mitläufertum weiter - kaum abgeschwächt - vorhanden ist. Selbst dann, wenn ich merke, dass andere auch meiner Meinung sind, kneifen sie, wenn´s schwierig wird. Das habe ich zum Beispiel gemerkt, als ich am Arbeitsplatz gemobbt wurde, während meiner Aktivitäten rund um den Nichtraucherschutz - und jetzt in der Diskussion um Religion merke ich das wieder ganz deutlich. Die Menschen rund um mich herum schwimmen immer wie in einem Fischschwarm.

Wo sind die Ursachen dafür zu suchen? Ist das uns Menschen von der Natur gegeben und nur ich ticke nicht ganz richtig? Sozusagen eine Überlebensstrategie? Oder ist es eher religiös begründet, ein Überbleibsel jahrhundertelanger Hörigkeit gegenüber den Herrschenden? Oder noch irgendwas anderes?

Ich freue mich auf Eure Statements.
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annox
Grim Reaper



Anmeldungsdatum: 30.05.2004
Beiträge: 5800
Wohnort: Berlin

Beitrag(#406084) Verfasst am: 21.01.2006, 23:17    Titel: Antworten mit Zitat

Du hast in der DDR darunter gelitten, daß du dich opportunistisch verhalten hast? Das mußt mit dir selbst ausmachen.
Damals wie heute ist es einfach nur eine Frage der Prioritäten.
_________________
Ich bin jenes Pferd, das unter der Peitsche der Kutscher den Wagen voller Gesindel hinter sich her ziehen muss.
[Sadegh Hedayat]
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CoS
Antitheist



Anmeldungsdatum: 10.07.2005
Beiträge: 2734

Beitrag(#406746) Verfasst am: 23.01.2006, 02:37    Titel: Antworten mit Zitat

@Femina: Zuerstmal muss ich sagen, dass Du mir da aus der Seele sprichst. Habe fast haargenau die gleichen Erfahrungen wie Du. Ich habe mittlerweile in der Gothic_Bewegung (friedliche Protestbewegung mit dem Vorsatz des Individualismus beschreibt es für mich treffend) gewissermaßen ein zu Hause gefunden und auch hier bei den Freigeistern.

Zitat:
Wo sind die Ursachen dafür zu suchen?

Nun so lange es funktioniert ist es einfacher. Es ist wesentlich bequemer mit dem Strom zu schwimmen, anstatt negative Dinge beim Namen zu nennen und Kraft dafür aufwenden zu müssen wenn man dabei auf Widerstände stößt.

Auch wenn man weiß, dass das Schiff irgendwann sinken wird macht man solange weiter wie es geht, ohne etwas zu verändern, denn Veränderungen sind für viele etwas schlimmes, denn durch Veränderungen sehen sie ihre eigene Bequemlichkeit in Gefahr.

Solange es keine extenziellen Gefahren zu befürchten gibt nimmt man auch alles schlechte in der Welt hin, insbesondere dann wenn man sich einredet, dass es einen selbst nicht betrifft. An die Zukunft denken dabei die wenigsten...

Man schafft sich eine Spaßgesellschaft in der man sich dann einredet, dass die Welt doch eigentlich OK ist. Alles schlechte versucht man möglichst weit wegzuschieben, zu unterdrücken oder zu negieren. Es ist so für viele einfach erträglicher wenn sie vor dem Leid die Augen verschließen.
_________________
"Wenn Sie mich suchen, ich halte mich in der Nähe des Wahnsinns auf, genauer gesagt auf der schmalen Linie zwischen Wahnsinn und Panik, gleich um die Ecke von Todesangst, nicht weit weg von Irrwitz und Idiotie!"
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Der unbekannte Gott
apolitischer Atheist



Anmeldungsdatum: 24.07.2003
Beiträge: 1595
Wohnort: Das alte Europa

Beitrag(#406754) Verfasst am: 23.01.2006, 03:08    Titel: Antworten mit Zitat

CoS hat folgendes geschrieben:
...

D'accord, auch was Gothic-Sein angeht...
_________________
"Unwissenden scheint, wer Weises sagt, nicht klug zu sein." (Euripides)
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Scout2001
registrierter User



Anmeldungsdatum: 21.11.2005
Beiträge: 548

Beitrag(#406758) Verfasst am: 23.01.2006, 03:35    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, schöner Beitrag.
Mir fiel früher auf, dass ich bei einem vornehmen Essen min. Rübsen musste und am Imbissstand mich ganz vornehm benahm.
Aber woher das kommt? Keine Ahnung.
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Tegularius
surreal



Anmeldungsdatum: 28.07.2005
Beiträge: 2002

Beitrag(#406787) Verfasst am: 23.01.2006, 10:39    Titel: Antworten mit Zitat

So sehr ich auch verstehen kann, dass man, wenn man anderer Meinung ist als die Umstehenden, widersprechen möchte, so denke ich doch, dass dies im Großen und Ganzen keine (positive) Wirkung nach sich zieht. Die meisten Menschen scheinen mir - vielleicht aus Bequemlichkeit, Unvermögen, oder warum auch immer - froh zu sein, wenn sie nicht denken müssen und vorgefertigte Meinungen unhinterfragt übernehmen können. Außerdem scheinen mir die wenigsten über den ersten Eindruck hinaus gehen zu wollen und sich daher in der Regel mit dem Vorurteil abzufinden. Aber natürlich wollen sich die wenigsten eingestehen, dass sie sozusagen denkfaul sind. Also wird, wer Ansichten hat, die dem allgemeinen Konsens (gebildet aus den übernommenen Meinungen und Vorurteilen) widersprechen, sowohl als Störer des "Friedens" als auch als Unverständiger (wenn man selbst recht hat, dann hat der andere natürlich unrecht) betrachtet und dementsprechend behandelt. Auf "Gehör" wird man dagegen, aus den genannten Gründen, in der Regel nicht stoßen.
Warum sollte man sich diesen Stress antun? Auf der einen Seite verändert man nichts und auf der anderen schadet man sich. Am besten scheint es mir zu sein, in solcher Umgebung zu schweigen und unberührt zu bleiben von den Meinungen, die geäußert werden (wobei man sie natürlich gedanklich beantworten sollte). Wenn man aber doch einmal auf jemanden treffen sollte, der bereit ist, offen zu diskutieren, dann nutze man die Gelegenheit.
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korf
registrierter User



Anmeldungsdatum: 18.08.2005
Beiträge: 358

Beitrag(#406794) Verfasst am: 23.01.2006, 11:24    Titel: Re: Das Mitläufer-Syndrom Antworten mit Zitat

Femina hat folgendes geschrieben:

Wo sind die Ursachen dafür zu suchen? Ist das uns Menschen von der Natur gegeben und nur ich ticke nicht ganz richtig? Sozusagen eine Überlebensstrategie? Oder ist es eher religiös begründet, ein Überbleibsel jahrhundertelanger Hörigkeit gegenüber den Herrschenden?


Dem "Mitläufersyndrom" liegen sicher evolvierte Verhaltensdispositionen zugrunde . Sowohl mit Individualselektion, als auch mit Gruppenselektion lässt sich erklären, daß Menschen eine feine Antenne dafür haben, was "angesagt ist" und sich dann entsprechend verhalten. Das gilt sowohl für Anpassung an die Gruppe, als auch für Unterordnung unter Anführer.

Es gibt doch diese berühmte Experiment, bei dem Versuchspersonen die Länge von Strichen vergleichen sollten und, nachdem andere Personen vor ihnen den längeren zum kürzeren Sztrich erklärt hatten, ebenfalls dieses Fehlurteil übernahmen - und das, wenn ich mich richtig erinnere, in voller Überzeugung. -Hat jemand dazu die Quelle?
Sogar die Wahrnehmung wird also bereits durch die Anpassungstendenz getrübt.

Zur Anpassung gegenüber Autorität: siehe die Milgram-Experimente.

Diese Verhaltensdispositionen haben ganz klare Selektionsvorteile gehabt,
a) auf Gruppenebene, da koordiniertes Handeln entscheidend für z.B. Nahrungserwerb/Revierbehauptung war und b) auf Individuenebene, da unangepasstes Verhalten die Teihabe an den gemeinsam erworbenen Ressourcen gefährdet.
Allerdings sollte dieser Selektionsdruck nicht unbegrenzt wirksam sein, denn in einer Gemeinschaft die nur aus Anpassern und Bucklern besteht, können auch solche Verhaltensmuster vorteilhaft sein, die diese Verhaltensweise ausnutzen: Meinungsmacher und autoritäre Führer können sich entfalten.
Ich schätze, daß es zu einem Gleichgewicht der Strategien kommt. Kennt jemand dazu Studien z.B. aus der Spieltheorie?

Interessant wird es, wenn es zu Koevolution mit der kulturellen Entwicklung kommt. Das ist sicher ein weites Feld, auch spekulativ,und nicht in ein paar Sätzen zu behandeln. Ich will aber doch ein paar Vermutungen äußern. Die Entwicklung ist von den ursprünglichen Kleingruppen, die noch relativ individualistisch waren (heute noch z.B. Pygmäen, Buschleute) zu immer größeren zunehmend autoritäreren Einheiten mit zahlreichen Hierarchiebenen gegangen. Die meisten Mitglieder in solchen Gesellschaften befinden sich auf irgendeiner Zwischenebene. Mir scheint, daß der Verhaltenstyp der sich evolutionär in solchen Gesellschaftsformen behauptet (und sie dann stützt), durch Gehorsam gegenüber der höheren Hierarchiebene, Konformismus innerhalb derselben Ebene und Ausübung der von "oben" bezogenen Autorität nach unten besteht. Also "der Untertan". Die Erziehung verstärkt solches Verhalten häufig noch. Autoritäre Staatsformen bedienen sich der Klaviatur genau dieser Verhaltensmuster, mit den bekannten Folgen.
Hinter uns liegen Jahrtausende, in denen es nicht gerade zum Fortpflanzungserfolg beitrug, eine andere Meinung zu haben und diese auch noch auszusprechen - hat das schon Folgen für unser Verhalten?

Interessant, daß auch die Religionen, die sich parallel mit der Entfaltung zunehmend großer und hierarchischer Staaten entfaltet haben diese widerspiegeln und sozusagen eine Parallelevolution durchgemacht haben:- Entwicklung von reich mit Geistern, Dämonen usw. bevölkerten Naturreligionen zum Polytheismus dann zum Monotheismus. Die Religion ermöglicht es selbst den obersten Anführern eines Staates, sich auf eine noch höhere Autorität zu berufen, die sie nach unten weitergeben. (...)

Anpassungsbereitschaft, kann ich allerdings nicht per se als etwas Schlechtes sehen, da es koordiniertes Gruppenhandeln ermöglicht, ist aber heutzutage ausserhalb des ursprünglichen Zusammenhanges indem sie evoluiert ist, gefährlich geworden. Demokratische Staatsformen, die Individualrechte wahren, sehe ich schon aus diesem Grund als permanent gefährdet an, wenn es nicht gelingt erzieherisch gegenzuwirken.
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korf
registrierter User



Anmeldungsdatum: 18.08.2005
Beiträge: 358

Beitrag(#406795) Verfasst am: 23.01.2006, 11:30    Titel: Antworten mit Zitat

Tegularius hat folgendes geschrieben:

Warum sollte man sich diesen Stress antun? Auf der einen Seite verändert man nichts und auf der anderen schadet man sich. Am besten scheint es mir zu sein, in solcher Umgebung zu schweigen und unberührt zu bleiben von den Meinungen, die geäußert werden (wobei man sie natürlich gedanklich beantworten sollte). Wenn man aber doch einmal auf jemanden treffen sollte, der bereit ist, offen zu diskutieren, dann nutze man die Gelegenheit.


Ja, das ist genau die Maxime, der zu viele Menschen vor ca. 60 Jahre gefolgt sind. Hast Du schon mal die Tagebücher von Victor Klemperer 33-45 gelesen?
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Tegularius
surreal



Anmeldungsdatum: 28.07.2005
Beiträge: 2002

Beitrag(#406798) Verfasst am: 23.01.2006, 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

korf hat folgendes geschrieben:
Tegularius hat folgendes geschrieben:

Warum sollte man sich diesen Stress antun? Auf der einen Seite verändert man nichts und auf der anderen schadet man sich. Am besten scheint es mir zu sein, in solcher Umgebung zu schweigen und unberührt zu bleiben von den Meinungen, die geäußert werden (wobei man sie natürlich gedanklich beantworten sollte). Wenn man aber doch einmal auf jemanden treffen sollte, der bereit ist, offen zu diskutieren, dann nutze man die Gelegenheit.


Ja, das ist genau die Maxime, der zu viele Menschen vor ca. 60 Jahre gefolgt sind.


Ich habe ja nicht geschrieben, dass man grundsätzlich nicht gemäß seiner Überzeugung handeln und in Situationen, in denen eine Entscheidung ansteht, zu der man durch seine eigene Stimme beitragen kann, schweigen sollte.
Mir ging es nur darum, dass es mir prinzipiell unnötig vorkommt, im "gemeinen Umgang" den Meinungen der anderen Menschen zu widersprechen. Ganz einfach, weil meiner Erfahrung und Einsicht nach in der Regel erstens weder wirklich zugehört wird (womit Anmerkungen zum Zwecke der Korrektur gar nicht "ankommen") und zweitens Aggressionen geschürt werden, wenn widersprochen wird. Selbst dann, wenn man lediglich objektiv auf einen Sachverhalt eingeht und in keinster Weise persönlich wird, wittern die meisten einen Angriff auf ihre Person.

Zitat:
Hast Du schon mal die Tagebücher von Victor Klemperer 33-45 gelesen?


Nein.
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korf
registrierter User



Anmeldungsdatum: 18.08.2005
Beiträge: 358

Beitrag(#406808) Verfasst am: 23.01.2006, 12:33    Titel: Antworten mit Zitat

Tegularius hat folgendes geschrieben:
korf hat folgendes geschrieben:
Tegularius hat folgendes geschrieben:


Warum sollte man sich diesen Stress antun? Auf der einen Seite verändert man nichts und auf der anderen schadet man sich. Am besten scheint es mir zu sein, in solcher Umgebung zu schweigen und unberührt zu bleiben von den Meinungen, die geäußert werden (wobei man sie natürlich gedanklich beantworten sollte). Wenn man aber doch einmal auf jemanden treffen sollte, der bereit ist, offen zu diskutieren, dann nutze man die Gelegenheit.


Ja, das ist genau die Maxime, der zu viele Menschen vor ca. 60 Jahre gefolgt sind.


Ich habe ja nicht geschrieben, dass man grundsätzlich nicht gemäß seiner Überzeugung handeln und in Situationen, in denen eine Entscheidung ansteht, zu der man durch seine eigene Stimme beitragen kann, schweigen sollte.
Mir ging es nur darum, dass es mir prinzipiell unnötig vorkommt, im "gemeinen Umgang" den Meinungen der anderen Menschen zu widersprechen. Ganz einfach, weil meiner Erfahrung und Einsicht nach in der Regel erstens weder wirklich zugehört wird (womit Anmerkungen zum Zwecke der Korrektur gar nicht "ankommen") und zweitens Aggressionen geschürt werden, wenn widersprochen wird. Selbst dann, wenn man lediglich objektiv auf einen Sachverhalt eingeht und in keinster Weise persönlich wird, wittern die meisten einen Angriff auf ihre Person.

Schon klar, der Verweis auf die Zeit des Nationalsozialismus war provokativ gemeint.
Was aber gerade die Tagebücher von Klemperer sehr sensibel und genau dokumentieren, wie auch im "gemeinen Umgang" diese Mechanismen der Meinungsausrichtung funktionieren. Das alltägliche Gespräch mit z.B. Kollegen sollte man nicht unterschätzen: Auch an der eigenen Meinung richten sich die Antennen der Mitmenschen aus, und daß man nichts bewirken kann stimmt nur solange man wirklich völlig alleine dasteht, was wiederum daran liegt daß allzuviele meinen "...was soll ich mir den Stress antun".
Ich gebe Dir allerdings recht, daß oft Fragen diskutiert werden, die so belanglos sind, daß es sich tatsächlich nicht lohnt zu widersprechen.
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Tegularius
surreal



Anmeldungsdatum: 28.07.2005
Beiträge: 2002

Beitrag(#406838) Verfasst am: 23.01.2006, 13:49    Titel: Antworten mit Zitat

korf hat folgendes geschrieben:
Das alltägliche Gespräch mit z.B. Kollegen sollte man nicht unterschätzen: Auch an der eigenen Meinung richten sich die Antennen der Mitmenschen aus, und daß man nichts bewirken kann stimmt nur solange man wirklich völlig alleine dasteht, was wiederum daran liegt daß allzuviele meinen "...was soll ich mir den Stress antun".


Ja, das mag sein. Es ist nur so, dass ich tatsächlich immer mehr oder weniger das Gefühl hatte und habe, außerhalb zu stehen und lange Zeit habe ich auch tatsächlich völlig frei zu allen Fragen meine (oft eben oppositionelle) Meinung geäußert, womit ich zwar so gut wie immer Probleme, aber so gut wie nie auch nur einen Funken von Aufmerksamkeit für meinen Standpunkt erfahren habe. Irgendwann habe ich dann für mich eingesehen, dass es besser ist, die Leute schwatzen zu lassen.
Wobei ich eigentlich, denke ich jedenfalls, nicht vorhatte, stets recht zu behalten, sondern lediglich, wenn ich der Meinung war, sie sei angebracht, die Kritik nicht verschwiegen habe. Nur kommt es mir so vor, als bestünden sehr viele Gespräche des "gemeinen Umgangs" nur daraus, sich gegenseitig im Sinne der "öffentlichen Meinung" zuzustimmen.

Zitat:
Ich gebe Dir allerdings recht, daß oft Fragen diskutiert werden, die so belanglos sind, daß es sich tatsächlich nicht lohnt zu widersprechen.


Gut, man muss eben wirklich differenzieren. Wenn die besprochene Frage tatsächlich bedeutsame "reale" Auswirkungen haben könnte und man sieht die Möglichkeit, irgendwie etwas zu verändern, dann sollte man sich nicht heraushalten. Das sehe ich auch so.
Allerdings denke ich, dass dies in den allermeisten Fällen, da sie in der Regel ohnehin nichtig sind, nicht nötig ist. Und vor allem denke ich, dass man nicht unbedingt bewusst provozieren sollte, in der Absicht, damit auf Missstände oder ähnliches hinzuweisen. Die "Botschaft" wird m.E. nicht ankommen und die Probleme werden nicht ausbleiben.
Allerdings bin ich auch nicht der Ansicht, man solle sich bewusst "anpassen". Vielmehr halte ich im Allgemeinen einen gewissen Gleichmut, die fremde Meinung betreffend, für angebracht.
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Valen MacLeod
Antitheist



Anmeldungsdatum: 11.12.2004
Beiträge: 6172
Wohnort: Jenseits von Eden

Beitrag(#406844) Verfasst am: 23.01.2006, 14:21    Titel: Re: Das Mitläufer-Syndrom Antworten mit Zitat

Femina hat folgendes geschrieben:
... ich aber von meiner Mutter dauernd zu hören bekam, ich solle schweigen, um meine berufliche Zukunft nicht zu gefährden, litt ich sehr darunter, dass ich mich eben doch allzu oft anpassen musste.


Sorry, dass Du das so empfunden hast. Verstehen kannst Du es erst, wenn Du selbst Eltern bist. Ich habe meinen Kodex gelebt - bis ich Vater wurde. Seitdem geht genau das nicht mehr, was ich meinen Sohn gern mitgegeben hätte: Stolz, Ehre, Freiheit und Selbständigkeit. Überleben geht vor.

Unabhängig davon ein paar Zitate und Anmerkungen:

Wer sich nicht bewegt, spürt auch seine Fesseln nicht.
Die Masse bewegt sich nicht und wenn, dann wird sie nur sehr schwer und langsam überhaupt die Richtung ändern. Es macht keinen Sinn zu versuchen, einen fahrenden Zug zu stoppen - er wird Dich überrollen und Du wirst der Dumme sein.

It's useless to talk like a warrior - one must ACT like one!
Wenn ich was gelernt habe, dann, dass es sinnlos ist, andere Menschen in Argumentationen überzeugen zu wollen. Sie hören so nicht zu. Und warum sollten sie auch?
Es gibt nur zwei grundsätzliche Triebfedern menschlichen Handelns: Faulheit und Neugier. Jeder würde gern wissen, ob das Gras hinter dem nächsten Hügel wirklich grüner ist. Aber keiner will hinlaufen. Da nimmt man lieber das Auto.

Will sagen: Nur wenn Du mit Deiner Art zu leben anschaulich beweisen kannst, dass man so besser lebt, wird es Nachahmer finden. Vielleicht hälst Du es dann aber ja lieber geheim... es könnte Dir ja sonst jemand wegnehmen??? zynisches Grinsen

Die Gruppe ist stärker als das Individuum - immer.
Die Gruppe tötet das Individuum - es wird sich ihr immer anpassen müssen und damit keines mehr sein. Das Wort von der "Gruppe von Individualisten" ist eine Lüge. Andererseits ist man als Einzelgänger jeder noch so kleinen Gruppe immer unterlegen.

Was bleibt... ?

Mir gefällt immer noch die Idee eines Clans streitbarer Individualisten. Einzelgänger die sich auf einer vertrauensvollen Toleranzbasis begegnen, die zusammenarbeiten und, wenn nötig, aus Ihrer Mitte einen Anführer wählen, dem sie folgen, solange er sich der Loyalität als würdig erweist.

Das geht aber nicht in grossen Strukturen wie etwas Völkern oder Ländern, da der persönliche Kontakt und damit das persönliche Vertauen verloren geht.

Kleinere Einheiten? ... hmmm... wie wäre es mit einem Kibbuz? zwinkern

Könnt ja mal drüber nachdenken... wenn ihr wollt...
_________________
V.i.S.d.P.:Laird Valen MacLeod (Pseudonym!)
"... Wenn das hier das Haus Gottes ist, Junge, warum blühen hier dann keine Blumen, warum strömt dann hier kein Wasser und warum scheint dann hier die Sonne nicht, Bürschchen?!" <i>Herman van Veen</i>
Das Schlimme an meinen Katastrophenszenarien ist... dass ich damit über kurz oder lang noch immer Recht behielt.
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Babyface
Altmeister



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 11519

Beitrag(#406845) Verfasst am: 23.01.2006, 14:23    Titel: Re: Das Mitläufer-Syndrom Antworten mit Zitat

korf hat folgendes geschrieben:


Es gibt doch diese berühmte Experiment, bei dem Versuchspersonen die Länge von Strichen vergleichen sollten und, nachdem andere Personen vor ihnen den längeren zum kürzeren Sztrich erklärt hatten, ebenfalls dieses Fehlurteil übernahmen - und das, wenn ich mich richtig erinnere, in voller Überzeugung. -Hat jemand dazu die Quelle?

Das war Solomon Asch (zur Konformität trotz gegenteiliger Überzeugung).
http://www.age-of-the-sage.org/psychology/social/asch_conformity.html
http://www.ulmus.net/ace/library/sinofconformity.cfm
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/2/2226/1.html
_________________
posted by Babyface
.
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Ralf Rudolfy
Auf eigenen Wunsch deaktiviert.



Anmeldungsdatum: 11.12.2003
Beiträge: 26674

Beitrag(#406849) Verfasst am: 23.01.2006, 14:36    Titel: Antworten mit Zitat

CoS hat folgendes geschrieben:
Ich habe mittlerweile in der Gothic_Bewegung (friedliche Protestbewegung mit dem Vorsatz des Individualismus beschreibt es für mich treffend) gewissermaßen ein zu Hause gefunden

Was ist individuell daran, sich einer Bewegung anzuschließen?
_________________
Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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Quéribus
Eretge



Anmeldungsdatum: 21.07.2003
Beiträge: 5947
Wohnort: Avaricum

Beitrag(#406851) Verfasst am: 23.01.2006, 14:42    Titel: Antworten mit Zitat

Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
CoS hat folgendes geschrieben:
Ich habe mittlerweile in der Gothic_Bewegung (friedliche Protestbewegung mit dem Vorsatz des Individualismus beschreibt es für mich treffend) gewissermaßen ein zu Hause gefunden

Was ist individuell daran, sich einer Bewegung anzuschließen?


vielleicht die Nonkonformisten-uniform ? zwinkern
_________________
"He either fears his fate too much
or his deserts are small
That dares not put it to the touch
To gain or lose it all."
James Graham
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Tegularius
surreal



Anmeldungsdatum: 28.07.2005
Beiträge: 2002

Beitrag(#406855) Verfasst am: 23.01.2006, 14:45    Titel: Re: Das Mitläufer-Syndrom Antworten mit Zitat

Valen MacLeod hat folgendes geschrieben:
Die Gruppe ist stärker als das Individuum - immer.
Die Gruppe tötet das Individuum - es wird sich ihr immer anpassen müssen und damit keines mehr sein. Das Wort von der "Gruppe von Individualisten" ist eine Lüge. Andererseits ist man als Einzelgänger jeder noch so kleinen Gruppe immer unterlegen.


Das sehe ich nun nicht so. Unter Anpassung in diesem Sinne ("Die Gruppe tötet das Individuum") verstehe ich eigentlich, dass man die fremden Meinungen, Gewohnheiten usw. übernimmt und seine eigenen Ideen darüber verdrängt und verlernt. Und das "muss" man m.E. nicht. Es reicht aus, so unauffällig zu bleiben, dass man in Ruhe gelassen wird.
Also nicht in der Gruppe aufgehen, sondern sich unbemerkt in ihrer Mitte aufhalten. zwinkern
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kolja
der Typ im Maschinenraum
Betreiber



Anmeldungsdatum: 02.12.2004
Beiträge: 16631
Wohnort: NRW

Beitrag(#406856) Verfasst am: 23.01.2006, 14:47    Titel: Re: Das Mitläufer-Syndrom Antworten mit Zitat

Valen MacLeod hat folgendes geschrieben:
Sorry, dass Du das so empfunden hast. Verstehen kannst Du es erst, wenn Du selbst Eltern bist. Ich habe meinen Kodex gelebt - bis ich Vater wurde. Seitdem geht genau das nicht mehr, was ich meinen Sohn gern mitgegeben hätte: Stolz, Ehre, Freiheit und Selbständigkeit. Überleben geht vor.

Ich denke nicht, dass sich das ausschließen muss. Du kannst deinen Kindern einen unabhängigen Geist vermitteln und ihnen gleichzeitig helfen, zu erkennen, in welchen Situationen sie angepasst agieren müssen, um keinen Schaden zu nehmen (in dem von Tegularius beschriebenen Sinne).
_________________
Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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George
auf Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.09.2004
Beiträge: 4485

Beitrag(#406878) Verfasst am: 23.01.2006, 15:27    Titel: Re: Das Mitläufer-Syndrom Antworten mit Zitat

Femina hat folgendes geschrieben:
Immer wieder in meinem Leben stelle ich fest, dass ich selbst in bestimmten Situationen gegen den Strom einer großen Schar von Mitläufern schwimme. Das ging schon in der Kindheit los, wenn sich alle gegen einen verbündeten, dass ich mich provokativ neben diesen einen dazu stellte. Als sie in der ersten Klasse die blauen Halstücher verteilten, trugen es alle - wie es ihnen vermittelt wurde - mit Stolz, während ich es von Anfang an gehasst und nur in absoluten Zwangsituationen widerwillig getragen habe. Ich kleidete mich gern nach meinem eigenen Geschmack und wenn dieser nicht ?in? war und andere darüber lästerten, trug ich das trotzdem. Wenn mir irgendwas nicht passte, sagte ich das - und wurde damit natürlich auch zum Außenseiter. Da mir diese politische Indoktrination in der DDR nicht zusagte, ich aber von meiner Mutter dauernd zu hören bekam, ich solle schweigen, um meine berufliche Zukunft nicht zu gefährden, litt ich sehr darunter, dass ich mich eben doch allzu oft anpassen musste. - Als die Mauer fiel, war das Schönste daran für mich, dass ich nun endlich immer sagen durfte, was ich denke. Meinungsfreiheit - das hörte sich gut an! Aber auch jetzt merke ich, dass das Mitläufertum weiter - kaum abgeschwächt - vorhanden ist. Selbst dann, wenn ich merke, dass andere auch meiner Meinung sind, kneifen sie, wenn´s schwierig wird. Das habe ich zum Beispiel gemerkt, als ich am Arbeitsplatz gemobbt wurde, während meiner Aktivitäten rund um den Nichtraucherschutz - und jetzt in der Diskussion um Religion merke ich das wieder ganz deutlich. Die Menschen rund um mich herum schwimmen immer wie in einem Fischschwarm.

Wo sind die Ursachen dafür zu suchen? Ist das uns Menschen von der Natur gegeben und nur ich ticke nicht ganz richtig? Sozusagen eine Überlebensstrategie? Oder ist es eher religiös begründet, ein Überbleibsel jahrhundertelanger Hörigkeit gegenüber den Herrschenden? Oder noch irgendwas anderes?

Ich freue mich auf Eure Statements.


prima , dann kannst du dich ja hier neben mich stellen Lachen
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CoS
Antitheist



Anmeldungsdatum: 10.07.2005
Beiträge: 2734

Beitrag(#406921) Verfasst am: 23.01.2006, 17:22    Titel: Antworten mit Zitat

Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
CoS hat folgendes geschrieben:
Ich habe mittlerweile in der Gothic_Bewegung (friedliche Protestbewegung mit dem Vorsatz des Individualismus beschreibt es für mich treffend) gewissermaßen ein zu Hause gefunden

Was ist individuell daran, sich einer Bewegung anzuschließen?

Nichts...

Es ist nur eine Gruppe, die Individualität höher bewertet als Anpassungsvermögen.

Zum Beispiel was die Musik angeht. Viele Schwarze hören Musik, die mit der Gothic-Musik als solche nichts zu tun hat. Es gibt gemeinsame Vorlieben (zum Beispiel die Farbe schwarz), aber diese sind kein Pflichtprogramm.

Außerdem würde ich mich selbst niemals als Gothic oder sowas bezeichnen. Ich fühle mich lediglich in der Szene wohl, mag zum Teil die Musik (aber auch nicht alles) und verstehe mich mit vielen Leuten aus der Gruppe gut.

Zitat:
vielleicht die Nonkonformisten-uniform ?

Wie sieht die aus?

Nicht jeder trägt Schwarz und es wird auch keiner verlangen. Ich bin schon im Anzug mit Schlips zu ner schwarzen Party gegangen und wurde deswegen nichtmal komisch angeguckt...
_________________
"Wenn Sie mich suchen, ich halte mich in der Nähe des Wahnsinns auf, genauer gesagt auf der schmalen Linie zwischen Wahnsinn und Panik, gleich um die Ecke von Todesangst, nicht weit weg von Irrwitz und Idiotie!"
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Mario Hahna
aktiviert



Anmeldungsdatum: 04.04.2005
Beiträge: 9607
Wohnort: München

Beitrag(#406937) Verfasst am: 23.01.2006, 18:07    Titel: Re: Das Mitläufer-Syndrom Antworten mit Zitat

Valen MacLeod hat folgendes geschrieben:
Es gibt nur zwei grundsätzliche Triebfedern menschlichen Handelns: Faulheit und Neugier.


Das halte ich für ein Gerücht.
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joyborg
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Anmeldungsdatum: 20.01.2004
Beiträge: 2235

Beitrag(#406959) Verfasst am: 23.01.2006, 18:36    Titel: Antworten mit Zitat

CoS hat folgendes geschrieben:
Zitat:
vielleicht die Nonkonformisten-uniform ?

Wie sieht die aus?


Ich verstehe Queribus' ironische Frage so:
Es gab mal irgendwo von irgendwem die kabarettistische Idee, einen "Verein der Individualisten" zu gründen.
Keiner bekennt sich als Konformist.
Aber er/sie ist es natürlich oft für die anderen Nonkonformisten.

Wahrscheinlich sind Konformismus und Nonkonformismus im selben Menschen je nach Situation und Lebenslage verschieden stark ausgeprägt.
Solange nur "Individualisten" miteinander reden, und sich ihrer jeweiligen "Individualität" versichern (nicht hier, aber im RL), ist es die langweiligste Party, die ich mir vorstellen kann.
Die Diskussion hier wäre vielleicht noch interessanter, wenn es jemanden gäbe, der sich dazu bekennt, ein Konformist (oder Opportunist, oder Mit-dem-Strom-Schwimmer etc.) zu sein.

Das wird aber kaum jemand von sich sagen. Vermutlich empfinden sich viele Menschen in Mitteleuropa als (unverstandene) Individualisten. So wie sich die allermeisten Leute als sehr sichere AutofahrerInnen betrachten. Oder als überdurchschnittlich intelligent.
Mal auf die "andere Seite" zu wechseln, das wäre mal was, das provoziert. Das traut sich keiner.

Interessant wird es eigentlich erst da, wo jeder einzelne "Individualist" bereit ist, scheibchenweise den eigenen Konformismus zu transzendieren. Dann zu akzeptieren, und dann - bei Bedarf - mühsamst abzulegen.

@CoS: Sich einer nonkonformistischen Gruppe/Szene zugehörig zu fühlen, scheint mir unmöglich.
Anders gesagt: Trage bei Gothics mal beige Cordhosen und höre BeeGees, und leg dich aufs Solarium. Also Klamotten, Musik, Aussehen. Kann man damit "gothic" sein, mal wirklich?
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Tegularius
surreal



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Beitrag(#406965) Verfasst am: 23.01.2006, 18:54    Titel: Antworten mit Zitat

joyborg hat folgendes geschrieben:
Wahrscheinlich sind Konformismus und Nonkonformismus im selben Menschen je nach Situation und Lebenslage verschieden stark ausgeprägt.
Solange nur "Individualisten" miteinander reden, und sich ihrer jeweiligen "Individualität" versichern (nicht hier, aber im RL), ist es die langweiligste Party, die ich mir vorstellen kann.


Warum sollte eine Party, auf welcher sich nur "Individualisten" herumtreiben, langweilig sein? Und warum sollte ein "Individualist" ständig seinen "Individualismus" vor sich hertragen?
Ich verstehe unter dem Individuellsein lediglich, dass die eigenen Ansichten aus eigenem Denken, die Vorlieben aus persönlicher Ästhetik usw. entstammen. Nicht verstehe ich darunter ein bewusstes Abgrenzen von "der Masse", um sich hervorzuheben. Weder richte ich mein Denken, meine Überzeugungen usw. nach der Frage aus, ob sie von vielen geteilt werden, noch am Gegenteil. Sie müssen für sich selbst in meiner Vorstellung stimmig sein.
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korf
registrierter User



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Beitrag(#406971) Verfasst am: 23.01.2006, 19:08    Titel: Re: Das Mitläufer-Syndrom Antworten mit Zitat

Babyface hat folgendes geschrieben:
korf hat folgendes geschrieben:

Es gibt doch diese berühmte Experiment, bei dem Versuchspersonen die Länge von Strichen vergleichen sollten und, nachdem andere Personen vor ihnen den längeren zum kürzeren Sztrich erklärt hatten, ebenfalls dieses Fehlurteil übernahmen - und das, wenn ich mich richtig erinnere, in voller Überzeugung. -Hat jemand dazu die Quelle?

Das war Solomon Asch (zur Konformität trotz gegenteiliger Überzeugung).
http://www.age-of-the-sage.org/psychology/social/asch_conformity.html
http://www.ulmus.net/ace/library/sinofconformity.cfm
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/2/2226/1.html
Danke! faszinierende Texte. Sollte zur Allgemeinbildung gehören.
Interessant für mich waren die folgenden Aspekte:
a) Die wenigsten Versuchspersonen wurden wirklich über die Länge der Striche getäuscht, die meisten redeten der Mehrheit gegen die eigene Überzeugung nach dem Mund

b) Es gab in diesen Experimenten nur ganz wenige echte "Nonkonformisten", die immer das sagten was sie meinten. => man selber würde sich wahrscheinlich ähnlich konformistisch verhalten, auch wenn man ein anderes Bild von sich selbst hat.

c) die Chance für nonkonformistisches Verhalten steigt deutlich, wenn bereits ein anderer sich gegen die Mehrheit gestellt hatte.=>Zu zweit schwimmt es sich leichter gegen den Strom. Also ruhig mal den Mund aufmachen und auch andere ermutigen.

e) Es scheint einen kulturell geprägten Konformismusgrad zu geben: Norweger waren z.B. konformistischer als Franzosen.=> Erziehung hilft!
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Valen MacLeod
Antitheist



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Beitrag(#406982) Verfasst am: 23.01.2006, 19:28    Titel: Antworten mit Zitat

Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
CoS hat folgendes geschrieben:
Ich habe mittlerweile in der Gothic_Bewegung (friedliche Protestbewegung mit dem Vorsatz des Individualismus beschreibt es für mich treffend) gewissermaßen ein zu Hause gefunden

Was ist individuell daran, sich einer Bewegung anzuschließen?

Die bewusste Entscheidung es zu tun.
_________________
V.i.S.d.P.:Laird Valen MacLeod (Pseudonym!)
"... Wenn das hier das Haus Gottes ist, Junge, warum blühen hier dann keine Blumen, warum strömt dann hier kein Wasser und warum scheint dann hier die Sonne nicht, Bürschchen?!" <i>Herman van Veen</i>
Das Schlimme an meinen Katastrophenszenarien ist... dass ich damit über kurz oder lang noch immer Recht behielt.
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Ralf Rudolfy
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Beitrag(#406985) Verfasst am: 23.01.2006, 19:33    Titel: Antworten mit Zitat

Valen MacLeod hat folgendes geschrieben:
Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
CoS hat folgendes geschrieben:
Ich habe mittlerweile in der Gothic_Bewegung (friedliche Protestbewegung mit dem Vorsatz des Individualismus beschreibt es für mich treffend) gewissermaßen ein zu Hause gefunden

Was ist individuell daran, sich einer Bewegung anzuschließen?

Die bewusste Entscheidung es zu tun.

Und wenn sich einer bewußt entscheidet, Konformist zu sein?
Ist einer Individualist, wenn er sich entscheidet, das Gegenteil zu sein?
Das erscheint mir grotesk.
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Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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Tegularius
surreal



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Beitrag(#406988) Verfasst am: 23.01.2006, 19:39    Titel: Antworten mit Zitat

Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
Valen MacLeod hat folgendes geschrieben:
Die bewusste Entscheidung es zu tun.

Und wenn sich einer bewußt entscheidet, Konformist zu sein?
Ist einer Individualist, wenn er sich entscheidet, das Gegenteil zu sein?
Das erscheint mir grotesk.


Nicht unbedingt. Wenn eine Person zu einer Gruppe stößt, deren Mitglieder ihre bereits vorhandenen Ansichten etc teilen, dann sehe ich das nicht als das "Ende des Individualismus" der Person an.
Wenn die Person nun allerdings Ansichten, die sie eigentlich nicht als richtig empfindet, annimmt, weil die Mitglieder ihrer neuen Gruppe diese an den Tag legen, schon eher.
Meiner Meinung nach geht es bei der Frage, ob sich eine Person konformistisch verhält, nur darum, ob sie bestimmte Eigenschaften ausschließlich aus dem Grund, dass andere sie aufweisen, annimmt.
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Ralf Rudolfy
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Beiträge: 26674

Beitrag(#406990) Verfasst am: 23.01.2006, 19:44    Titel: Antworten mit Zitat

Tegularius hat folgendes geschrieben:
Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
Valen MacLeod hat folgendes geschrieben:
Die bewusste Entscheidung es zu tun.

Und wenn sich einer bewußt entscheidet, Konformist zu sein?
Ist einer Individualist, wenn er sich entscheidet, das Gegenteil zu sein?
Das erscheint mir grotesk.


Nicht unbedingt. Wenn eine Person zu einer Gruppe stößt, deren Mitglieder ihre bereits vorhandenen Ansichten teilt, dann sehe ich das nicht als das "Ende des Individualismus" der Person an.

Wer sich einer Massenbewegung anschließt, entscheidet m.E. nur über den Rahmen, innerhalb dessen er konformistisch sein will. Ein Konformist bleibt er gleichwohl. Höchstens einer, der sich dabei besser fühlt.
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Tegularius
surreal



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Beitrag(#406991) Verfasst am: 23.01.2006, 19:47    Titel: Antworten mit Zitat

Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
Wer sich einer Massenbewegung anschließt, entscheidet m.E. nur über den Rahmen, innerhalb dessen er konformistisch sein will. Ein Konformist bleibt er gleichwohl. Höchstens einer, der sich dabei besser fühlt.


Auch dann, wenn er in Fragen, welche die Gruppe ansonsten fast einstimmig mit "ja" beantwortet, bei einem persönlichen "nein" bleibt und ausschließlich die Fragen, die er auch ohne seine "Mitgliedschaft" in der Gruppe mit "ja" beantwortet hätte, derart beantwortet?
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annox
Grim Reaper



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Beitrag(#406993) Verfasst am: 23.01.2006, 19:52    Titel: Re: Das Mitläufer-Syndrom Antworten mit Zitat

Valen MacLeod hat folgendes geschrieben:
Die Gruppe ist stärker als das Individuum - immer.
Die Gruppe tötet das Individuum - es wird sich ihr immer anpassen müssen und damit keines mehr sein. Das Wort von der "Gruppe von Individualisten" ist eine Lüge. Andererseits ist man als Einzelgänger jeder noch so kleinen Gruppe immer unterlegen.

In anderer Formulierung heißt es: Einigkeit macht stark.

Warum ist es als negativ zu betrachten, daß ein Einzelner stets einer Gruppe unterlegen sei? Ich finde nichts Schlimmes daran, wenn man als Einzelperson Schaden erleidet, weil man sich der Gruppe nicht anpaßt. Man muß nur bereit sein die Konsequenzen zu tragen. Schwierig wird es mE dann, wenn das Handeln eines Einzelnen Konsequenzen für eine Gruppe hat, z.B. die zu der man in Opposition steht oder auch die, die eigentlich nur mittelbar beteiligt ist.
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Ich bin jenes Pferd, das unter der Peitsche der Kutscher den Wagen voller Gesindel hinter sich her ziehen muss.
[Sadegh Hedayat]
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Ralf Rudolfy
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Beitrag(#406994) Verfasst am: 23.01.2006, 19:57    Titel: Antworten mit Zitat

Tegularius hat folgendes geschrieben:
Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
Wer sich einer Massenbewegung anschließt, entscheidet m.E. nur über den Rahmen, innerhalb dessen er konformistisch sein will. Ein Konformist bleibt er gleichwohl. Höchstens einer, der sich dabei besser fühlt.


Auch dann, wenn er in Fragen, welche die Gruppe ansonsten fast einstimmig mit "ja" beantwortet, bei einem persönlichen "nein" bleibt und ausschließlich die Fragen, die er auch ohne seine "Mitgliedschaft" in der Gruppe mit "ja" beantwortet hätte, derart beantwortet?

Ich meine, daß die Gruppenzugehörigkeit nicht eine Meinung in allen Punkten vorgibt. In den meisten hingegen schon, was sonst wäre an einer Gruppenzugehörigkeit sonst attraktiv, wenn nicht erhöhte emotionale Sicherheit, sich mit Leuten zu umgeben, die die eigenen Ansichten und Vorlieben im wesentlichen teilen?
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