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2.Samuel 12,31 - der vertuschte Völkermord?

 
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pyrrhon
registrierter User



Anmeldungsdatum: 22.05.2004
Beiträge: 8770

Beitrag(#409862) Verfasst am: 29.01.2006, 00:22    Titel: 2.Samuel 12,31 - der vertuschte Völkermord? Antworten mit Zitat

Von diesem Thread abgeteilt.

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Ja, die derzeitige Lutherbibel etwa ist teilweise recht "modernisiert".

Dann lieber eine schnonungslos-katholische.

Nun ja, die Einheitsübersetzung ist sicher die modernere Übersetzung, die Lutherbibel die altertümlichere, da sie sich sprachlich noch immer an Luther orientiert. Die Lutherbibel ist insgesamt gesehen auch wörtlicher als die Einheitsübersetzung. Von 'schonungslos' kann bei beiden nicht die Rede sein.

Die modernen Übersetzungen übersetzen in der Regel nicht konsequent den Masoretischen Text, sondern wählen mal hier mal dort die griechische Übersetzung, die Septuaginta, aus oder dergleichen. Die Einheitsübersetzung merkt das immerhin meistens an, die Lutherbibel nicht.

Dieses Vorgehen hat natürlich Konsequenzen. Sehen wir uns einfach einmal eine interessante Stelle an, und zwar in der Übersetzung Martin Luthers in der Ausgabe letzter Hand aus dem Jahre 1545 (in modernisierter Rechtschreibung):

Aber das Volk drinnen führete er heraus und legte sie unter eiserne Sägen und Zacken und eiserne Keile und verbrannte sie in Ziegelöfen. So tat er allen Städten der Kinder Ammon. Da kehrete David und alles Volk wieder gen Jerusalem. (2.Sam 12,31)

Diese Stelle wird in der Lutherbibel von 1912 immerhin noch genauso übersetzt, in der aktuellen Ausgabe jedoch liest sich diese Stelle so:

Aber das Volk darin führte er heraus und stellte sie als Fronarbeiter an die Sägen, die eisernen Pickel und an die eisernen Äxte und ließ sie an den Ziegelöfen arbeiten. So tat er mit allen Städten der Ammoniter. Danach kehrten David und das ganze Kriegsvolk nach Jerusalem zurück. (2.Sam 12,31)

Grundsätzlich übersetzen nach 1945 praktisch alle so wie die aktuelle Revision der Lutherbibel, vielleicht auch deshalb, weil diese Stelle so deutlich an die Konzentrationslager Nazideutschlands erinnert. Es gibt allerdings noch ganz wenige Ausnahmen: die Revidierte Elberfelder hat immerhin in der Anmerkung: "Mas. T: ließ sie durch die Ziegelformen gehen", im Text steht allerdings sinngemäß dasselbe wie in der aktuellen Revision der Lutherbibel auch.

Doch es gibt Hoffnung: es gibt auch Christen, die es mit der Bibel wirklich extrem genau nehmen und konsequent übersetzen, wie eine andere Revision der Elberfelder Bibel, nämlich die Überarbeitete Elberfelder Bibel, wo diese Stelle so übersetzt wird:

Und das Volk, das darin war, führte er hinaus und legte es unter die Säge und unter eiserne Dreschwagen und unter eiserne Beile, und ließ sie durch einen Ziegelofen gehen. Und so tat er allen Städten der Kinder Ammon. Und David und das ganze Volk kehrten nach Jerusalem zurück. (2.Sam 12,31)

Vor mehreren Jahren habe ich an die Deutsche Bibelgesellschaft, die bekanntlich die Lutherbibel herausgibt und für die Revision verantwortlich ist, ein Email geschrieben mit einer höflich formulierten Frage bezüglich dieser Stelle. Ich bekam eine Antwort, dass meine Frage weitergeleitet worden sei, bekam aber danach kein weiteres Email mehr.

EDIT: Titel geändert


Zuletzt bearbeitet von pyrrhon am 29.01.2006, 09:08, insgesamt einmal bearbeitet
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Sermon
panta rhei



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 18430
Wohnort: Sine Nomine

Beitrag(#409912) Verfasst am: 29.01.2006, 02:59    Titel: Re: 2.Samuel 12,31 oder der vertuschte Völkermord Antworten mit Zitat

de.sci.theologie
Fri, 16 Jul 2004 10:08

Zitat:
Die syntaktische Struktur der Satzreihe in 2Sam 12,31 ist relativ
einfach. Es handelt sich um eine Reihe von Sätzen, die aus einer
x-qatal-Form mit zwei anschliessenden wayyiqtol-Formen im
Bibelhebräischen besteht. Die wayyiqtol-Form drückt wie die x-qatal-Form
abgeschlossene Sachverhalte in der Vergangenheit aus. Textkritisch
bereitet der Vers nur wenige Probleme, allerdings sind zwei Probleme zu
erwähnen, da sie die Problematik bei der Übersetzung zum Teil erleuchten
können.

Erstens: Die dritte Präpositionsverbindung in der Objektreihe mit dem
Hauptverb SIM (= stellen) ist textkritisch verdächtig. Es könnte sich um
eine Dublette bei der handschriftlichen Abschreibung der Manuskripte
handeln. Dann wäre das Satzglied "und an die eisernen Äxte" zu
streichen, vgl. die Septuaginta (= LXX) und einige hebräische
Handschriften.

Zweitens: Die Bedeutung sowohl vom kausativen Verb 'BR-H-Stamm
(Ayin-Beth-Resch) als auch vom Substantiv (b=)mlkn im Satz 12,30c ist
unsicher. Das Verb bedeutet "überführen" bzw. "hinübergehen lassen", was
hier kaum passen kann. Oder vielleicht doch! Deswegen ist vorgeschlagen
worden, mit Septuaginta "wegführen" oder "schwinden lassen" zu
übersetzen, so ähnlich die Lutherübersetzung (= verbrennen), die
offenbar von der Septuaginta ausgehend eine semantische Steigerung bzw.
noch farbigere Übersetzung erzielen will. Statt mlkn lesen beide
Übersetzungen mlkbn mit der Bedeutung "Ziegelform" oder "Ziegelei"!

Die richtige bzw. genaueste Übersetzung des hebräischen Textes (= MT)
lautet (eine Übersetzung ist aber IMMER eine Interpretation!!!):

1 Sam 12,31a: Und er liess herausbringen / herausführen das Volk,
12,31aR (R= Relativsatz): das in ihr war,
12,31b: und stellte sie an die Säge (= Steinsäge) und an den eisernen
Spitzhacken (+und an die eisernen Äxte+),
12,31c: und liess sie hinübergehen zu den Ziegeleien.

Kontextuell kann man noch zu 12,31c sagen, dass das Volk zu den
Ziegeleien hinübergeführt wird, um dort zu arbeiten; aber diese
Übersetzung ist eine Umschreibung bzw. Interpretation des Textes!

Im Grunde genommen kann behauptet werden, dass der Satz 12,31a eine
Bewegung von der Stadt ausdrückt mit dem sachverhaltsbezogenen Ziel in
12,31b und dem ortsbezogenen Ziel in 12,31c, d.h. aus der Stadt - um
arbeiten zu lassen - zu den Ziegeleien!"



de.sci.theologie
Fri, 16 Jul 2004 14:46

Zitat:
Da 'überführen' hier als Übersetzung problematisch ist, gibt es den, auch im
Apparat der Biblia Hebraica vermerkten, Vorschlag, das Resch am Wortende
für einen Schreibfehler zu halten und in Dalet zu korrigieren, also
Ayin-Beth-Dalet statt Ayin-Beth-Resch. Die Buchstaben Dalet und Resch sind
sich extrem ähnlich, bei kleinem Druck sind sie oft nur mit der Lupe zu
unterscheiden, besonders, wenn der Druck wegen Papier- und Farbqualität
nicht gestochen scharf ist. Deshalb liegt die Annahme eines Schreibfehlers
nicht sonderlich fern. Akzeptiert man diese Konjektur, dann hat man statt
des Wortes 'hinübergehen' das Wort 'arbeiten' und somit die Übersetzung 'er
ließ sie an den Ziegelbrettern arbeiten'. Die Elberfelder und die
revidierte Lutherübersetzung haben sich offensichtlich dieser Konjektur
angeschlossen.

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oberflächlich



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Beiträge: 16340
Wohnort: Arena of Air

Beitrag(#409942) Verfasst am: 29.01.2006, 05:55    Titel: Antworten mit Zitat

Nur: wäre das nicht in der Bibel das erste Mal in einer langen Reihe von Geschichten von Massenmorden an Nachbarvölkern (aus nichtigen Gründen), daß ein Nachbarvolk (aus nichtigen Gründen) nur ausgeplündert wird? Am Kopf kratzen
_________________
"Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"

Dann bin ich halt bekloppt. Mit den Augen rollen

"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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pyrrhon
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Anmeldungsdatum: 22.05.2004
Beiträge: 8770

Beitrag(#409944) Verfasst am: 29.01.2006, 08:54    Titel: Antworten mit Zitat

@ Sermon: Das ist interessant! Vielen Dank!
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pyrrhon
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Anmeldungsdatum: 22.05.2004
Beiträge: 8770

Beitrag(#409945) Verfasst am: 29.01.2006, 09:43    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe jetzt den Thread aus de.sci.theologie, aus dem Sermon Beiträge zitiert hat vor mir. Ich will das nicht vorenthalten:

Christian Bickel 19 Jul. 2004 10:10

Zitat:
Klaus Wulff schrieb:

> Da sei mir noch eine kleine Anmerkung erlaubt.

Ich habe mal die Anmerkung weitergegeben.
Und bekam folgende Antwort:

"Dazu ist folgendes zu sagen! Der angesprochene Vorschlag zur
Verbesserung des hebräischen Textes wurde NICHT in der Biblia Hebraica
Stuttgartensia (= die wissenschaftliche Ausgabe des masoretischen
Textes) mitgedruckt, weil er nicht auf einer wissenschaftlichen Basis
beruht! Diese Konjektur wird von keiner der hebräischen Handschriften
gestützt, ohne Ausnahme!!
Viele Konjekturen aus der Biblia Hebraica (=
Kittel) wurden bei der verbesserten Ausgabe der Biblia Hebraica
Stuttgartensia (= BHS) herausgenommen, da es für sie keine Anhaltspunkte
in den Handschriften oder den alten Versionen gegeben hat. Die
Philologen bemühen sich immer um eine wissenschaftliche Ausgangsbasis
für ihre Argumente. In diesem Fall sollte man die Möglichkeit einer
"lectio difficilior" erörtern. Es mag sein, dass die Elberfelder und
die revidierte Lutherübersetzung sich der angesprochenen Konjektur
angeschlossen haben; dies sagt uns aber gar nichts über den hebräischen
Text. Es zeigt vielmehr die Tendenz der Übersetzungen, den Text an
leichterem Textverständnis anzugleichen.
"
(Hervorhebungen von mir)

Christian Bickel ist auch der Autor des ersten Zitats von Sermon, Klaus Wulff der des zweiten Zitats, worauf sich Christian Bickel hier bezieht.
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