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Neuer Reisepass: Religioes begruendete Kopfbedeckung?
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DemonDeLuxe
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Anmeldungsdatum: 17.08.2005
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Beitrag(#393220) Verfasst am: 01.01.2006, 20:32    Titel: Re: Verpflichtung? Antworten mit Zitat

alex6 hat folgendes geschrieben:
Erstens handelt es sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung


Das bestreite ich, jedenfalls für eine große Anzahl an Tiefgläubigen, für die es da um keine freie Wahl, sondern um eine als real empfundene Verpflichtung geht. Man ist zu schnell dabei, unseren reichlich toleranten (manche würden sagen: "schlampigen") Umgang mit religiösen Ritualen auf alle möglichen Kulturen zu übertragen. Aber so ist es eben nicht.

alex6 hat folgendes geschrieben:
d.h. eine, die den Staat erstmal nichts angeht.


Im Gegenteil vepflichtet sich der Staat per Grundgesetz, die freie Religionsausübung zu schützen. "Nichts angehen" tut den Staat, WELCHE Religion das ist.

alex6 hat folgendes geschrieben:
Zweitens darf der Staat keine Gedankenpolizei haben, die feststellt, ob die jeweilige Person wirklich glaeubig ist oder dies nur vorgibt, oder ob der jeweilige Glaube tatsaechlich eine Kopfbedeckung vorschreibt oder nicht.


Das ist grundsätzlich auch gar nicht so relevant. Nicht das Individuum hat nachzuweisen, sondern der Staat, denn wir leben in einem FREIEN Staat, in dem jede EINSCHRÄNKUNG der Freiheit begründet werden muss. Hier wäre also der Staat in der Nachweispflicht, der - aus prakitschen Gründen - kaum genügt werden kann. Man wird hier wohl 'mal auf die Angaben des Betroffenen vertrauen müssen. Und warum auch nicht?

alex6 hat folgendes geschrieben:
Die Verpflichtung zum Kopftuch bei Muslimas ist ja auch innerhalb des Islam umstritten.

Das ist korrekt, ändert aber nichts an dem Umstand, dass eine nicht eben schwache Fraktion das Kopftuch als obligatorisch erachtet.

alex6 hat folgendes geschrieben:
Wie stellt der Staat fest, ob die religioese Begruendung eines Buergers "echt" ist oder ein Trick, um die Weltsicherheit zu unterminieren?


Tja. Wie stellt der Staat fest, ob ein Eheman auch tatsächlich brav seine "ehelichen Pflichten" erfüllt oder nur einfach faul auf dem Sofa lümmelt und die eheliche Steuererleichterung genießt? Manche Dinge entziehen sich der Kontrolllust und -wut. Erstaunlich in Deutschland, nicht?

Cato hat folgendes geschrieben:
Hieraus spricht das Primat, das man unzulässiger Weise dem Religiösen über das Politische zugesteht und damit muss Schluss sein: Entweder alle ohne jede Kopfbedeckung oder alle, wie sie wollen - aber das manchen hier nur aufgrund ihrer Schriftgläubigkeit Privilegien zugestanden werden sollen, ist für mich nicht hinnehmbar.


Es handelt sich nicht um ein Primat, sondern um eine Konkurrenz, und zwar zwischen dem grundgesetzlichen Schutzrecht auf Religionsausübung und dem (zunächst einmal schwächeren) Recht des Staates auf Selbstschutz. Wie bei allen solchen Konkurrenzen, findet eine Abwägung statt, oft mit einem Kompromiss als Ergebnis. Wo die religiöse Motivation fehlt, gebricht es aber an dem konkurrierenden Recht und somit schlägt das Recht des Staates auf Schutz voll durch.

Es kann also eine Rede davon sein, dass das Zugeständnis aufgrund von Art. 4 GG automatisch eine entsprechende Entbindung aller anderen nach sich ziehen müsste. Dies könnte man allenfalls DANN reklamieren, wenn an die Stelle des Art. 4 ein anderes, konkurrierendes Recht gesetzt würde, für das dann allerdings eine neuerliche und grundsätzlich unabhängige Prüfung zu vollziehen wäre.

Auch kann von keinem "Privileg" die Rede sein, denn in einem freien Staat darf ja eben jeder auch die Religion frei wählen - das sogenannte "Privileg" steht also jedem offen und ist damit keines mehr. Wer ernstlich meint, der Luxus, sich eine Kopfbedeckung auf dem Passbild leisten zu können, sei so erstrebenswert, dem steht es ja jederzeit frei, sich eine entsprechende Religion zu wählen.

Was Du hier reklamierst, ist "best of both worlds": KEINER Religion anzugehören UND deren Behandlung einzufordern. Das aber entbehrt der Grundlage.
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Raphael
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Beitrag(#393252) Verfasst am: 01.01.2006, 21:43    Titel: Re: Verpflichtung? Antworten mit Zitat

DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Es kann also eine Rede davon sein, dass das Zugeständnis aufgrund von Art. 4 GG automatisch eine entsprechende Entbindung aller anderen nach sich ziehen müsste. Dies könnte man allenfalls DANN reklamieren, wenn an die Stelle des Art. 4 ein anderes, konkurrierendes Recht gesetzt würde, für das dann allerdings eine neuerliche und grundsätzlich unabhängige Prüfung zu vollziehen wäre.

Auch kann von keinem "Privileg" die Rede sein, denn in einem freien Staat darf ja eben jeder auch die Religion frei wählen - das sogenannte "Privileg" steht also jedem offen und ist damit keines mehr. Wer ernstlich meint, der Luxus, sich eine Kopfbedeckung auf dem Passbild leisten zu können, sei so erstrebenswert, dem steht es ja jederzeit frei, sich eine entsprechende Religion zu wählen.

Was Du hier reklamierst, ist "best of both worlds": KEINER Religion anzugehören UND deren Behandlung einzufordern. Das aber entbehrt der Grundlage.



Diesen Gedankengang kann ich nicht nachvollziehen. Davon ausgehend, dass gemäß dem Gleichbehandlungsgebot niemand ohne sachlich zwingenden Grund besser oder schlechter gestellt werden darf als ein anderer, stellt es in der Tat eine Privilegierung dar, wenn jemand eine Pflicht, die ansonsten alle trifft, nicht erfüllen muss. Ich halte es für fragwürdig, in der Religionsfreiheit eine akzeptable Grundlage solcher Besserstellung zu sehen. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit hindert schließlich auch nicht, denjenigen, der aus anderen als religiösen Gründen -aus welchen auch immer- sich nicht der Pflicht zum unverhüllten Passfoto unterwerfen möchte, zur Befolgung besagter Verpflichtung zu zwingen. Weshalb gerade das religiöse Bekenntnis pflichtbefreiende Wirkung ausüben soll und andere, vom Betroffenen als nicht weniger wertvoll angesehene Sachverhalte nicht, leuchtet mir nicht ein.
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Mario Hahna
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Beitrag(#393301) Verfasst am: 01.01.2006, 23:21    Titel: Antworten mit Zitat

Na ja Raphael, das weißt du aber selbst besser zwinkern
Die Religionsfreiheit hat im GG viel höheren Stellenwert als die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das erkennt man schon daran, dass die Religionsfreiheit ein schrankenloses Grundrecht ist (zumindest nach Ansicht des BVerfG).

Das kann man falsch finden...
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DemonDeLuxe
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Beitrag(#393312) Verfasst am: 01.01.2006, 23:44    Titel: Re: Verpflichtung? Antworten mit Zitat

Raphael hat folgendes geschrieben:
Diesen Gedankengang kann ich nicht nachvollziehen. Davon ausgehend, dass gemäß dem Gleichbehandlungsgebot niemand ohne sachlich zwingenden Grund besser oder schlechter gestellt werden darf als ein anderer, stellt es in der Tat eine Privilegierung dar, wenn jemand eine Pflicht, die ansonsten alle trifft, nicht erfüllen muss. Ich halte es für fragwürdig, in der Religionsfreiheit eine akzeptable Grundlage solcher Besserstellung zu sehen. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit hindert schließlich auch nicht, denjenigen, der aus anderen als religiösen Gründen -aus welchen auch immer- sich nicht der Pflicht zum unverhüllten Passfoto unterwerfen möchte, zur Befolgung besagter Verpflichtung zu zwingen. Weshalb gerade das religiöse Bekenntnis pflichtbefreiende Wirkung ausüben soll und andere, vom Betroffenen als nicht weniger wertvoll angesehene Sachverhalte nicht, leuchtet mir nicht ein.


Der Knackpunkt ist der Begriff "Privileg", der heutzutage in der Rechtswissenschaft sehr kritisch gesehen wird. Die Frage aber ist: IST denn das, worum es hier geht, ein "Privileg"?

Laut wikipedia ist ein Privileg "ein Vorrecht, das einem einzelnen oder einer sozialen Gruppe zugestanden wird.". Es geht also um ein Vorrecht. Ein (hier: subjektives) Recht wiederum ist ein Anspruch auf die Erfüllung einer Pflicht. Es ist Wesensmerkmal von Rechten, dass deren Inhaber ihre Erfüllung fordern KANN, aber nicht MUSS (andernfalls wären es Pflichten). Genau hier aber ist zu fragen, ob das Tragen einer Kopfbedeckung, das sich als religiöse PFLICHT ergibt (was nicht zwingend objektiv oder allgemeinverbindlich so sein muss), gegenüber einem anderen Adressaten als (Vor-)RECHT gelten kann, liegt es doch nicht im freien, individuellen Ermessen. Zwar ließen sich auch andere Umstände konstruieren, wo eine solche Janusköpfigkeit vorliegen könnte, aber der Rechte- und erst recht der VORRECHTS-Charakter der Kopfbedeckung wird hiervon schon in Zweifel gezogen. Flapsig formuliert, geht es hier eben NICHT um ein "Hütchentragen nach Lust und Laune".

Womit wir es hier eher zu tun haben, ist die erwähnte Konkurrenz von Pflichten, und zwar staatlichen vs. religiösen, wobei der Staat in Bezug auf letztere eben explizit seinem Willen Ausdruck verliehen hat, deren Ausübung zu schützen bzw. nicht zu behindern.

Wenn man nun, wie Du, darauf abhebt, dass jemand anderes - der religiös ungebunden ist - aus "welchen Gründen auch immer" dasselbe "Privileg" in Anspruch nehmen möchte, ist, wie bereits gesagt, zu prüfen, ob eine vergleichbare Rechte- und Pflichtenkonkurrenz vorliegt. Eine solche wäre z.B. aus medizinischen Gründen (unter Bezug auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit) zweifelsohne zu bejahen, bei dem sehr viel diffuseren "Recht auf Persönlichkeitsentfaltung" allerdings vermutlich eher nicht. Letzteres könnte nämlich, bei so offener Auslegung, zur Rechtfertigung von praktisch jeder beliebigen Laune dienen (und damit beliebige Ausnahmen von beliebigen Gesetzen "rechtfertigen"), was wiederum nicht im Sinne des Gesetzes ist oder sein kann.

Schließlich steht bei alledem natürlich die praktische Relevanz zur Debatte, konkret: Eine wie große Einschränkung der Sicherheitsbedürfnisse des Staates stellt das Kopftuchtragen de facto dar? Und als wie schwer wird, auf der anderen Seite, der Zwang zum barhäuptigen Passfoto empfunden? Letztendlich wird diese Abwägung die entscheidende Rolle spielen, sofern nicht die juristische Subsumption schon vorher zu einem klaren Ergebnis geführt hat.
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Beitrag(#393365) Verfasst am: 02.01.2006, 03:01    Titel: Antworten mit Zitat

Thao hat folgendes geschrieben:
Na ja Raphael, das weißt du aber selbst besser zwinkern
Die Religionsfreiheit hat im GG viel höheren Stellenwert als die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das erkennt man schon daran, dass die Religionsfreiheit ein schrankenloses Grundrecht ist (zumindest nach Ansicht des BVerfG).

Das kann man falsch finden...



Auch die Religionsfreiheit ist nicht schrankenlos und kann nicht schrankenlos sein. So darf z.B. kein Jude unter Berufung auf die Religionsfreiheit dem strikten Gebot seines Glaubens folgen, eine am Samstag arbeitende Krankenschwester zu töten. Aber das nur nebenbei, denn es geht ja gar nicht um die Schranken von Grundrechten. Wir bewegen uns nämlich in Wahrheit auf einer Ebene oberhalb der verfassungsrechtlichen Diskussion. Es geht schlicht darum, dass wir es uns nicht leisten können, eine Zweiklassengesellschaft herzustellen, indem wir es religiös gebundenen Menschen freistellen, sich an die für das Zusammenleben unabdingbare Ordnung zu halten oder nicht, ja ihnen sogar per Gesetz zusichern, dass die Vorschriften ihrer in der Regel altorientalischen Religion als Kriterien der Auslegung unseres Rechts anerkannt werden. Täten wir das, fielen wir in der Tat zurück in die Zeit vor der Aufklärung.
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Beitrag(#393372) Verfasst am: 02.01.2006, 03:12    Titel: Re: Verpflichtung? Antworten mit Zitat

DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Diesen Gedankengang kann ich nicht nachvollziehen. Davon ausgehend, dass gemäß dem Gleichbehandlungsgebot niemand ohne sachlich zwingenden Grund besser oder schlechter gestellt werden darf als ein anderer, stellt es in der Tat eine Privilegierung dar, wenn jemand eine Pflicht, die ansonsten alle trifft, nicht erfüllen muss. Ich halte es für fragwürdig, in der Religionsfreiheit eine akzeptable Grundlage solcher Besserstellung zu sehen. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit hindert schließlich auch nicht, denjenigen, der aus anderen als religiösen Gründen -aus welchen auch immer- sich nicht der Pflicht zum unverhüllten Passfoto unterwerfen möchte, zur Befolgung besagter Verpflichtung zu zwingen. Weshalb gerade das religiöse Bekenntnis pflichtbefreiende Wirkung ausüben soll und andere, vom Betroffenen als nicht weniger wertvoll angesehene Sachverhalte nicht, leuchtet mir nicht ein.


Der Knackpunkt ist der Begriff "Privileg", der heutzutage in der Rechtswissenschaft sehr kritisch gesehen wird. Die Frage aber ist: IST denn das, worum es hier geht, ein "Privileg"?

Laut wikipedia ist ein Privileg "ein Vorrecht, das einem einzelnen oder einer sozialen Gruppe zugestanden wird.". Es geht also um ein Vorrecht. Ein (hier: subjektives) Recht wiederum ist ein Anspruch auf die Erfüllung einer Pflicht. Es ist Wesensmerkmal von Rechten, dass deren Inhaber ihre Erfüllung fordern KANN, aber nicht MUSS (andernfalls wären es Pflichten). Genau hier aber ist zu fragen, ob das Tragen einer Kopfbedeckung, das sich als religiöse PFLICHT ergibt (was nicht zwingend objektiv oder allgemeinverbindlich so sein muss), gegenüber einem anderen Adressaten als (Vor-)RECHT gelten kann, liegt es doch nicht im freien, individuellen Ermessen. Zwar ließen sich auch andere Umstände konstruieren, wo eine solche Janusköpfigkeit vorliegen könnte, aber der Rechte- und erst recht der VORRECHTS-Charakter der Kopfbedeckung wird hiervon schon in Zweifel gezogen. Flapsig formuliert, geht es hier eben NICHT um ein "Hütchentragen nach Lust und Laune".

Womit wir es hier eher zu tun haben, ist die erwähnte Konkurrenz von Pflichten, und zwar staatlichen vs. religiösen, wobei der Staat in Bezug auf letztere eben explizit seinem Willen Ausdruck verliehen hat, deren Ausübung zu schützen bzw. nicht zu behindern.

Wenn man nun, wie Du, darauf abhebt, dass jemand anderes - der religiös ungebunden ist - aus "welchen Gründen auch immer" dasselbe "Privileg" in Anspruch nehmen möchte, ist, wie bereits gesagt, zu prüfen, ob eine vergleichbare Rechte- und Pflichtenkonkurrenz vorliegt. Eine solche wäre z.B. aus medizinischen Gründen (unter Bezug auf das Recht auf körperliche Unversehrtheit) zweifelsohne zu bejahen, bei dem sehr viel diffuseren "Recht auf Persönlichkeitsentfaltung" allerdings vermutlich eher nicht. Letzteres könnte nämlich, bei so offener Auslegung, zur Rechtfertigung von praktisch jeder beliebigen Laune dienen (und damit beliebige Ausnahmen von beliebigen Gesetzen "rechtfertigen"), was wiederum nicht im Sinne des Gesetzes ist oder sein kann.

Schließlich steht bei alledem natürlich die praktische Relevanz zur Debatte, konkret: Eine wie große Einschränkung der Sicherheitsbedürfnisse des Staates stellt das Kopftuchtragen de facto dar? Und als wie schwer wird, auf der anderen Seite, der Zwang zum barhäuptigen Passfoto empfunden? Letztendlich wird diese Abwägung die entscheidende Rolle spielen, sofern nicht die juristische Subsumption schon vorher zu einem klaren Ergebnis geführt hat.




Offensichtlich erkennst Du nicht, welche Schleusen hier geöffnet zu werden drohen. Wer die sogenannten heiligen Bücher der abrahamitischen Religionen mit ihren Ge- und Verboten auch nur oberflächlich liest, erkennt sofort, dass ein Verhalten, das sich strikt an diesen Büchern orientiert, zwangsläufig unvereinbar ist mit Menschenwürde, Grundrechten, Demokratie, Rechtsstaat, Humanismus usw. usf. Mich erstaunt immer wieder die Bereitschaft, Leuten entgegenzukommen, die unter Hinweis auf ihre Religion eine Sonderbehandlung für sich fordern, während diese Religion denjenigen, die ihr nicht anhängen, die elementaren Menschenrechte bis hin zum Recht auf Leben abspricht. Es sieht mir ganz danach aus, dass die Mehrheit der Bevölkerung in ihrem Desinteresse für Religion so weit geht, nicht einmal mehr zur Kenntnis zu nehmen, welche potenzielle Bedrohung für eine freiheitliche Gesellschaft Religion überhaupt ist.
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DemonDeLuxe
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Beitrag(#393384) Verfasst am: 02.01.2006, 05:20    Titel: Re: Verpflichtung? Antworten mit Zitat

Raphael hat folgendes geschrieben:
Auch die Religionsfreiheit ist nicht schrankenlos und kann nicht schrankenlos sein.

Und wer hat von "schrankenlos" gesprochen? Um es mit dem Ex-Bundesgerd zu sagen:"Nun lassen wir doch 'mal die Kirche im Dorf" - es geht um KOPFTÜCHER, Herrschaftszeiten, nicht um Tötungsbefugnisse für den Kult der Kali!

Davon einmal abgesehen, kann es ein "schrankenloses Recht" schon theoretisch nicht geben bzw. wenn, dann maximal genau ein einziges davon, denn ein zweites "schrankenloses Recht" würde das erste einschränken. "Schrankenlose Rechte" sind also systematischer Unfug, genau wie die gleichzeitige Existenz zweier allmächtiger Wesen (eigentlich schon von einem, aber bei zweien ist es deutlicher). Für so schlau, das zu wissen, darfst Du uns schon halten, da ist eine Warnung vor der angeblichen Bewerbung irgendwelcher Schrankenlosigkeiten herzlich redundant.

Raphael hat folgendes geschrieben:
So darf z.B. kein Jude unter Berufung auf die Religionsfreiheit dem strikten Gebot seines Glaubens folgen, eine am Samstag arbeitende Krankenschwester zu töten.


Ja, ja, ja, das klingt mir verdächtig nach diesen Bibelstellen, die in dem freundlichen Brief an jene Radiomoderatorin genannt wurden, der auch hier im FGH irgendwo (unter "Spaß") zu finden ist. Na und? Auch im BGB stand noch vor gar nicht langer Zeit der "Kranzgeldparagraph", obschon seit Jahrzehnten nicht mehr in Anwendung. Bücher kommen halt mit der gesellschaftlichen Entwicklung nicht immer so mit, was - wie bekannt sein dürfte - speziell für die sog. "heiligen Schriften" gilt. Und wieviele Juden genau BEFOLGEN die von Dir genannte Bestimmung? Selbst das israelische Justizministerium dürfte hier nicht der "schrankenlosen Religionsausübung" das Wort reden.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Aber das nur nebenbei, denn es geht ja gar nicht um die Schranken von Grundrechten. Wir bewegen uns nämlich in Wahrheit auf einer Ebene oberhalb der verfassungsrechtlichen Diskussion. Es geht schlicht darum, dass wir es uns nicht leisten können, eine Zweiklassengesellschaft herzustellen, indem wir es religiös gebundenen Menschen freistellen, sich an die für das Zusammenleben unabdingbare Ordnung zu halten oder nicht, ja ihnen sogar per Gesetz zusichern, dass die Vorschriften ihrer in der Regel altorientalischen Religion als Kriterien der Auslegung unseres Rechts anerkannt werden. Täten wir das, fielen wir in der Tat zurück in die Zeit vor der Aufklärung.


Du hast offenbar entweder nicht gelesen, was ich vorhin geschrieben habe, oder es nicht ganz verstanden. Es geht ja eben NICHT darum, irgendwem aufgrund der Zugehörigkeit zu einer privilegierten Gruppe etwas "freizustellen". Täte es das, so hätte man auf Seiten der Obrigkeit nicht lange darüber nachgedacht, sondern müde lächelnd abgewunken. Es geht um eine Konkurrenz von Rechten und Pflichten sowie um eine sorgfältige Abwägung sowohl der juristischen als auch der praktischen Grundlagen und Konsequenzen.

Korrekt ist, dass der Staat nicht tatsächlich prüfen kann / will, ob eine religiöse Vorschrift verpflichtend für einen Angehörigen einer Glaubensgemeinschaft ist bzw. so empfunden wird. Das sind aber praktische Umstände, die von der Rechtsfindung so unterschiedlich sind wie in einem beliebigen Fall die Beweislage vom Tatbestand.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Offensichtlich erkennst Du nicht, welche Schleusen hier geöffnet zu werden drohen. Wer die sogenannten heiligen Bücher der abrahamitischen Religionen mit ihren Ge- und Verboten auch nur oberflächlich liest, erkennt sofort, dass ein Verhalten, das sich strikt an diesen Büchern orientiert, zwangsläufig unvereinbar ist mit Menschenwürde, Grundrechten, Demokratie, Rechtsstaat, Humanismus usw. usf.


Verzeih', aber: "Bla". Die genannten "heiligen Schriften" führen in ihrer Mehrzahl Altlasten mit sich, die in früheren Zeiten zuweilen durchaus Sinn hatten, heutzutage aber nicht mehr und deswegen sehr häufig nicht mehr beachtet werden. Andere Vorschriften mögen ihren Sinn verloren haben oder lediglich noch Tradition sein, sind aber nicht per se schädlich. So ziemlich JEDES (nicht nur religiöse) System ist anfällig für "exploits", inklusive der Demokratie, wie bekannt sein sollte (Stichwort: "Diktatur der Mehrheit"), Menschenrechte können ebenfalls einander ins Gehege kommen, und selbst der von mir geschätzte Humanismus kann - wie jede Anschauung - im Extrem zur Farce werden. "Die Menge macht das Gift", das war schon immer so und wird immer so sein. Insofern ist bereits die Eingangsfloskel mit den "Schleusen" Unfug, denn wo alles von mir hier Gesagte stets und betont auf Abwägung abhebt, nimmst Du flottweg pars pro toto und folgerst aus einem Detail einen Blankoscheck. Dass das nicht zulässig ist, sollte Dir bewusst sein.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Mich erstaunt immer wieder die Bereitschaft, Leuten entgegenzukommen, die unter Hinweis auf ihre Religion eine Sonderbehandlung für sich fordern, während diese Religion denjenigen, die ihr nicht anhängen, die elementaren Menschenrechte bis hin zum Recht auf Leben abspricht.


Es ist umgekehrt. Ich bin bereit, ein gewisses Maß an Toleranz zu zeigen, weil ich nur so selbige Toleranz für mich reklamieren kann (Kant - da war doch 'was?). Der Umstand, dass Teile der "Gegenseite" (hier: religiöse Gemeinschaften) da anders denken und handeln, entbindet mich nicht vom kategorischen Imperativ, der im übrigen auch das Fundament des von Dir beschworenen Rechtsstaates bildet.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Es sieht mir ganz danach aus, dass die Mehrheit der Bevölkerung in ihrem Desinteresse für Religion so weit geht, nicht einmal mehr zur Kenntnis zu nehmen, welche potenzielle Bedrohung für eine freiheitliche Gesellschaft Religion überhaupt ist.


Ich bin mir der "potenziellen Bedrohung" mehr bewusst denn je. Genau deswegen kann ich nicht anders, als so zu handeln und zu argumentieren, wie ich mir das von der "Gegenseite" wünsche. Alles andere wäre bigott bzw. würde mich mit den eher unsympathischen Teilen eben dieser Gegenseite auf genau dieselbe Stufe stellen, auf der ich mich um keinen Preis wiederfinden möchte.
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Beitrag(#393408) Verfasst am: 02.01.2006, 11:18    Titel: Antworten mit Zitat

Raphael hat folgendes geschrieben:
Thao hat folgendes geschrieben:
Na ja Raphael, das weißt du aber selbst besser zwinkern
Die Religionsfreiheit hat im GG viel höheren Stellenwert als die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das erkennt man schon daran, dass die Religionsfreiheit ein schrankenloses Grundrecht ist (zumindest nach Ansicht des BVerfG).

Das kann man falsch finden...



Auch die Religionsfreiheit ist nicht schrankenlos und kann nicht schrankenlos sein.


Die Religionsfreiheit ist ein schrankenloses Grundrecht (nach BVerfG und Wortlaut).

Du schreibst, ich vermute vorsätzlich, an diesem Satz vorbei. Natürlich kann jedes Grundrecht durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt werden, trotzdem spricht man in der Rechtswissenschaft von schrankenlosen Grundrechten, wenn das GG zumindest ausdrücklich keine Schranke vorsieht.

edit: Korrigiere, nicht jedes Grundrecht, Art. 1 GG ist tatsächlich völlig schrankenlos.

Ich bin übrigens gegen "Religionsfreiheit" als Grundrecht, Gewissensfreiheit reicht völlig. Da müsste man sich mal darüber informieren, wie der Menschenwürdekern der Religionsfreiheit zur Zeit beurteilt wird, inwieweit eine Änderung also überhaupt möglich ist.
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Beitrag(#393466) Verfasst am: 02.01.2006, 13:18    Titel: Antworten mit Zitat

Thao hat folgendes geschrieben:
Die Religionsfreiheit ist ein schrankenloses Grundrecht (nach BVerfG und Wortlaut).

Du schreibst, ich vermute vorsätzlich, an diesem Satz vorbei. Natürlich kann jedes Grundrecht durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt werden, trotzdem spricht man in der Rechtswissenschaft von schrankenlosen Grundrechten, wenn das GG zumindest ausdrücklich keine Schranke vorsieht.


Korrekt. Allerdings ist diese juristische Bedeutung von "schrankenlos" eine andere als die, die man gemeinhin ("im Volksmund") meint. In der Jura meint sie eben wörtlich: "Ohne definierte Schranken", wohingegen man das normalerweise als "unendlich, nicht beschränkBAR" auffasst.

Thao hat folgendes geschrieben:
edit: Korrigiere, nicht jedes Grundrecht, Art. 1 GG ist tatsächlich völlig schrankenlos.


Auch korrekt, aber Art. 1 ist ja auch primär eine Willensbekundung des Gesetzgebers, quasi der "fromme Wunsch", das "Meta-Recht", an das sich der Gesetzgeber zu halten verspricht, und, für sich genommen, herzlich diffus. Er bedarf der Ausgestaltung durch weitere Gesetze und Rechtsprechung. Ungeachtet der juristischen "Schrankenlosigkeit" von Art. 1 gibt es natürlich in der Praxis sehr wohl Einschränkungen - das ergibt sich logisch schon daraus, dass Art. 1 für jeden Menschen gilt und somit schon'mal 6 Milliarden natürliche Konkurrenzenen existieren.

Thao hat folgendes geschrieben:
Ich bin übrigens gegen "Religionsfreiheit" als Grundrecht, Gewissensfreiheit reicht völlig. Da müsste man sich mal darüber informieren, wie der Menschenwürdekern der Religionsfreiheit zur Zeit beurteilt wird, inwieweit eine Änderung also überhaupt möglich ist.


Das dürfte b.a.w. nicht durchsetzbar sein, denn damit würde der gesamte Kultus der diversen Konfessionen presgegeben, was für die Betroffenen nicht hinnehmbar wäre. Juristisch wäre das m.E. absolut zu rechtfertigen, aber praktisch nicht durchführbar. Als Fernvision ist der Gedanke allerdings ähnlich nett wie der, irgendwann einmal auf den Begriff "Nation" verzichten zu können, weiles dann nur noch die "weltweite Gemeinschaft der Menschen" gibt.
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Beitrag(#393477) Verfasst am: 02.01.2006, 13:41    Titel: Antworten mit Zitat

DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Ungeachtet der juristischen "Schrankenlosigkeit" von Art. 1 gibt es natürlich in der Praxis sehr wohl Einschränkungen - das ergibt sich logisch schon daraus, dass Art. 1 für jeden Menschen gilt und somit schon'mal 6 Milliarden natürliche Konkurrenzenen existieren.


Das wird aber nicht über Schranken gelöst, sondern über den Schutzbereich, bzw. Eingriff in den Schutzbereich. Im übrigen gilt Art. 1 GG unmittelbar nur im Verhältnis Staat- Bürger. Aber das weißt du wahrscheinlich selbst.
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DemonDeLuxe
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Beitrag(#393502) Verfasst am: 02.01.2006, 14:26    Titel: Antworten mit Zitat

Thao hat folgendes geschrieben:
Das wird aber nicht über Schranken gelöst, sondern über den Schutzbereich, bzw. Eingriff in den Schutzbereich.


Ja. Was alles in der Praxis auf Schranken / Begrenzungen / Einschränkungen hinausläuft. Entschuldige, mein juristisches Vokabular ist arg eingerostet (ich überlege allerdings ernstlich, ob ich das damals abgebrochne Studium nicht doch noch einmal aufgreife - irgendwie machen mir speziell solche Diskussionen viel Freude).

Thao hat folgendes geschrieben:
Im übrigen gilt Art. 1 GG unmittelbar nur im Verhältnis Staat- Bürger. Aber das weißt du wahrscheinlich selbst.


Was ändert das an den Konkurrenzen? Die gegenseitigen Einschränkungen der aus Art. 1 sich ergebenden Grundrechte aller Menschen sind zwar mittelbar, aber nichtsdestotrotz vorhanden. Das ist in etwa vergleichbar dem Privatrecht, wenn ein Rechteinhaber mit einer Vielzahl von Partnern hinsichtlich derselben Sache kontrahiert. Zwar gilt das Rechtsverhältnis grundsätzlich nur unter den Vertragspartnern, und doch konstituiert es eine Konkurrenz der gleichlautenden Ansprüche untereinander. Oder, um es plastisch auszudrücken: Art. 1 ist wie das von einer Busgesellschaft verbriefte Recht eines jeden Mitfahrers, vorne zu sitzen.
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Raphael
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Beitrag(#393550) Verfasst am: 02.01.2006, 15:40    Titel: Re: Verpflichtung? Antworten mit Zitat

DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Auch die Religionsfreiheit ist nicht schrankenlos und kann nicht schrankenlos sein.

Und wer hat von "schrankenlos" gesprochen? Um es mit dem Ex-Bundesgerd zu sagen:"Nun lassen wir doch 'mal die Kirche im Dorf" - es geht um KOPFTÜCHER, Herrschaftszeiten, nicht um Tötungsbefugnisse für den Kult der Kali!

Davon einmal abgesehen, kann es ein "schrankenloses Recht" schon theoretisch nicht geben bzw. wenn, dann maximal genau ein einziges davon, denn ein zweites "schrankenloses Recht" würde das erste einschränken. "Schrankenlose Rechte" sind also systematischer Unfug, genau wie die gleichzeitige Existenz zweier allmächtiger Wesen (eigentlich schon von einem, aber bei zweien ist es deutlicher). Für so schlau, das zu wissen, darfst Du uns schon halten, da ist eine Warnung vor der angeblichen Bewerbung irgendwelcher Schrankenlosigkeiten herzlich redundant.

Raphael hat folgendes geschrieben:
So darf z.B. kein Jude unter Berufung auf die Religionsfreiheit dem strikten Gebot seines Glaubens folgen, eine am Samstag arbeitende Krankenschwester zu töten.


Ja, ja, ja, das klingt mir verdächtig nach diesen Bibelstellen, die in dem freundlichen Brief an jene Radiomoderatorin genannt wurden, der auch hier im FGH irgendwo (unter "Spaß") zu finden ist. Na und? Auch im BGB stand noch vor gar nicht langer Zeit der "Kranzgeldparagraph", obschon seit Jahrzehnten nicht mehr in Anwendung. Bücher kommen halt mit der gesellschaftlichen Entwicklung nicht immer so mit, was - wie bekannt sein dürfte - speziell für die sog. "heiligen Schriften" gilt. Und wieviele Juden genau BEFOLGEN die von Dir genannte Bestimmung? Selbst das israelische Justizministerium dürfte hier nicht der "schrankenlosen Religionsausübung" das Wort reden.


Na wenn schon ein so wesentlicher Glaubenssatz wie die Ausmerzung von Todsündern sogar in einem Land, das seine Existenz auf das Alte Testament stützt, nicht mehr befolgt wird, weshalb dann ein solches Tamtam um das vermeintliche Religionsfreiheitsrecht, sich einem Passbild zu verweigern? Bislang unberücksichtigt ist in dieser Diskussion, dass ja das Fotografieren Juden und Christen und Muslimen "eigentlich" sowieso verboten ist, denn sie dürfen sich kein Bildnis machen. Lassen wir also wirklich die Kirche im Dorf, nicht weil es "nur" ums Kopftuch geht, sondern weil es nur um ein Foto geht. Die Sünde, sich überhaupt fotografieren zu lassen, umfasst auch das Fotografierenlassen mit Kopftuch. Wenn aber das religiöse Verbot schon dem staatlichen Gesetz -zu Recht- untergeordnet wird, dann braucht man auch nicht mehr um ein Kopftuch zu streiten. Sünde mit Kopftuch ist nicht geringer als ohne.

Zitat:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Aber das nur nebenbei, denn es geht ja gar nicht um die Schranken von Grundrechten. Wir bewegen uns nämlich in Wahrheit auf einer Ebene oberhalb der verfassungsrechtlichen Diskussion. Es geht schlicht darum, dass wir es uns nicht leisten können, eine Zweiklassengesellschaft herzustellen, indem wir es religiös gebundenen Menschen freistellen, sich an die für das Zusammenleben unabdingbare Ordnung zu halten oder nicht, ja ihnen sogar per Gesetz zusichern, dass die Vorschriften ihrer in der Regel altorientalischen Religion als Kriterien der Auslegung unseres Rechts anerkannt werden. Täten wir das, fielen wir in der Tat zurück in die Zeit vor der Aufklärung.


Du hast offenbar entweder nicht gelesen, was ich vorhin geschrieben habe, oder es nicht ganz verstanden. Es geht ja eben NICHT darum, irgendwem aufgrund der Zugehörigkeit zu einer privilegierten Gruppe etwas "freizustellen". Täte es das, so hätte man auf Seiten der Obrigkeit nicht lange darüber nachgedacht, sondern müde lächelnd abgewunken. Es geht um eine Konkurrenz von Rechten und Pflichten sowie um eine sorgfältige Abwägung sowohl der juristischen als auch der praktischen Grundlagen und Konsequenzen.

Korrekt ist, dass der Staat nicht tatsächlich prüfen kann / will, ob eine religiöse Vorschrift verpflichtend für einen Angehörigen einer Glaubensgemeinschaft ist bzw. so empfunden wird. Das sind aber praktische Umstände, die von der Rechtsfindung so unterschiedlich sind wie in einem beliebigen Fall die Beweislage vom Tatbestand.


Das ist ja das Problem. Der Staat hat offenkundig nicht (mehr) den Mumm, müde abzuwinken. Im Übrigen siehe oben.

Zitat:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Offensichtlich erkennst Du nicht, welche Schleusen hier geöffnet zu werden drohen. Wer die sogenannten heiligen Bücher der abrahamitischen Religionen mit ihren Ge- und Verboten auch nur oberflächlich liest, erkennt sofort, dass ein Verhalten, das sich strikt an diesen Büchern orientiert, zwangsläufig unvereinbar ist mit Menschenwürde, Grundrechten, Demokratie, Rechtsstaat, Humanismus usw. usf.


Verzeih', aber: "Bla". Die genannten "heiligen Schriften" führen in ihrer Mehrzahl Altlasten mit sich, die in früheren Zeiten zuweilen durchaus Sinn hatten, heutzutage aber nicht mehr und deswegen sehr häufig nicht mehr beachtet werden. Andere Vorschriften mögen ihren Sinn verloren haben oder lediglich noch Tradition sein, sind aber nicht per se schädlich. So ziemlich JEDES (nicht nur religiöse) System ist anfällig für "exploits", inklusive der Demokratie, wie bekannt sein sollte (Stichwort: "Diktatur der Mehrheit"), Menschenrechte können ebenfalls einander ins Gehege kommen, und selbst der von mir geschätzte Humanismus kann - wie jede Anschauung - im Extrem zur Farce werden. "Die Menge macht das Gift", das war schon immer so und wird immer so sein. Insofern ist bereits die Eingangsfloskel mit den "Schleusen" Unfug, denn wo alles von mir hier Gesagte stets und betont auf Abwägung abhebt, nimmst Du flottweg pars pro toto und folgerst aus einem Detail einen Blankoscheck. Dass das nicht zulässig ist, sollte Dir bewusst sein.


Ja was jetzt. Gilt die göttliche Offenbarung oder nicht? Da werden -typisch Kuschelchrist- die übelsten Auswüchse als zeitgebunden und heute nicht mehr relevant abgetan, aber so ein Hafenkäs wie das Kopftuch soll Gewicht haben. Übrigens gehen diejenigen, die das Kopftuch propagieren, keineswegs davon aus, Gottes Wort sei je nach Zeit und Ort disponibel.

Zitat:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Mich erstaunt immer wieder die Bereitschaft, Leuten entgegenzukommen, die unter Hinweis auf ihre Religion eine Sonderbehandlung für sich fordern, während diese Religion denjenigen, die ihr nicht anhängen, die elementaren Menschenrechte bis hin zum Recht auf Leben abspricht.


Es ist umgekehrt. Ich bin bereit, ein gewisses Maß an Toleranz zu zeigen, weil ich nur so selbige Toleranz für mich reklamieren kann (Kant - da war doch 'was?). Der Umstand, dass Teile der "Gegenseite" (hier: religiöse Gemeinschaften) da anders denken und handeln, entbindet mich nicht vom kategorischen Imperativ, der im übrigen auch das Fundament des von Dir beschworenen Rechtsstaates bildet.


Genau aus diesem Grund habe ich mich im Logo-Thread gegen das Wort "tolerant" auf dem Klingelschild gewandt. Was ich als moralisch verwerflich ansehe, toleriere ich nicht. Antisemitismus, Rassismus, religiöser Wahn, das sind nun mal keine tolerablen Meinungen.

Zitat:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Es sieht mir ganz danach aus, dass die Mehrheit der Bevölkerung in ihrem Desinteresse für Religion so weit geht, nicht einmal mehr zur Kenntnis zu nehmen, welche potenzielle Bedrohung für eine freiheitliche Gesellschaft Religion überhaupt ist.


Ich bin mir der "potenziellen Bedrohung" mehr bewusst denn je. Genau deswegen kann ich nicht anders, als so zu handeln und zu argumentieren, wie ich mir das von der "Gegenseite" wünsche. Alles andere wäre bigott bzw. würde mich mit den eher unsympathischen Teilen eben dieser Gegenseite auf genau dieselbe Stufe stellen, auf der ich mich um keinen Preis wiederfinden möchte.


Träum weiter. Dein Weg führt in die Theokratie.
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Raphael
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Beitrag(#393555) Verfasst am: 02.01.2006, 15:44    Titel: Antworten mit Zitat

Thao hat folgendes geschrieben:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Thao hat folgendes geschrieben:
Na ja Raphael, das weißt du aber selbst besser zwinkern
Die Religionsfreiheit hat im GG viel höheren Stellenwert als die freie Entfaltung der Persönlichkeit, das erkennt man schon daran, dass die Religionsfreiheit ein schrankenloses Grundrecht ist (zumindest nach Ansicht des BVerfG).

Das kann man falsch finden...



Auch die Religionsfreiheit ist nicht schrankenlos und kann nicht schrankenlos sein.


Die Religionsfreiheit ist ein schrankenloses Grundrecht (nach BVerfG und Wortlaut).

Du schreibst, ich vermute vorsätzlich, an diesem Satz vorbei. Natürlich kann jedes Grundrecht durch kollidierendes Verfassungsrecht beschränkt werden, trotzdem spricht man in der Rechtswissenschaft von schrankenlosen Grundrechten, wenn das GG zumindest ausdrücklich keine Schranke vorsieht.

edit: Korrigiere, nicht jedes Grundrecht, Art. 1 GG ist tatsächlich völlig schrankenlos.

Ich bin übrigens gegen "Religionsfreiheit" als Grundrecht, Gewissensfreiheit reicht völlig. Da müsste man sich mal darüber informieren, wie der Menschenwürdekern der Religionsfreiheit zur Zeit beurteilt wird, inwieweit eine Änderung also überhaupt möglich ist.



Schrankenlose Freiheit führt zwangsläufig in die Anarchie oder in die Willürherrschaft. Das das insbesondere auf die Religionsfreiheit zutrifft, zeigt ein Blick auf die Geschichte.
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Mario Hahna
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Beitrag(#393649) Verfasst am: 02.01.2006, 17:38    Titel: Antworten mit Zitat

DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Was ändert das an den Konkurrenzen? Die gegenseitigen Einschränkungen der aus Art. 1 sich ergebenden Grundrechte aller Menschen sind zwar mittelbar, aber nichtsdestotrotz vorhanden. Das ist in etwa vergleichbar dem Privatrecht, wenn ein Rechteinhaber mit einer Vielzahl von Partnern hinsichtlich derselben Sache kontrahiert. Zwar gilt das Rechtsverhältnis grundsätzlich nur unter den Vertragspartnern, und doch konstituiert es eine Konkurrenz der gleichlautenden Ansprüche untereinander. Oder, um es plastisch auszudrücken: Art. 1 ist wie das von einer Busgesellschaft verbriefte Recht eines jeden Mitfahrers, vorne zu sitzen.


Ich bin mir nicht sicher, auf was du hinauswillst.
Auf Art. 3 GG oder auf die Drittwirkung der Grundrechte?
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DemonDeLuxe
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Beitrag(#393687) Verfasst am: 02.01.2006, 18:49    Titel: Antworten mit Zitat

Thao hat folgendes geschrieben:
Ich bin mir nicht sicher, auf was du hinauswillst.
Auf Art. 3 GG oder auf die Drittwirkung der Grundrechte?


Konkret in dem Beitrag ging es mir um den von Dir zu Recht erwähnten Charakter des Art. 1, das Verhältnis Bürger<->Staat zu regeln, nicht der Bürger untereinander. Ich wollte lediglich darauf hinaus, dass eben dieses (für alle Bürger geltende) Verhältnis Bürger<->Staat implizit eben DOCH auch Verhältnisse zwischen den Bürgern bestimmt. Und natürlich auf die logische Konsequenz dessen, nämlich, dass die schrankenlosen Grundrechte des Menschen ca. 6 Milliarden natürliche Schranken in den Grundrechten anderer haben.
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Beitrag(#393702) Verfasst am: 02.01.2006, 19:07    Titel: Re: Verpflichtung? Antworten mit Zitat

Raphael hat folgendes geschrieben:
Na wenn schon ein so wesentlicher Glaubenssatz wie die Ausmerzung von Todsündern sogar in einem Land, das seine Existenz auf das Alte Testament stützt, nicht mehr befolgt wird, weshalb dann ein solches Tamtam um das vermeintliche Religionsfreiheitsrecht, sich einem Passbild zu verweigern?


Das "Tamtam" dürfte daher rühren, dass besagtes Verhüllungsgebot in den Augen vieler auch heute noch valide ist, was meinst Du?

Raphael hat folgendes geschrieben:
Bislang unberücksichtigt ist in dieser Diskussion, dass ja das Fotografieren Juden und Christen und Muslimen "eigentlich" sowieso verboten ist, denn sie dürfen sich kein Bildnis machen.


Dieses Verbot in der strengen Lesart gibt es im Islam, nicht bei Juden / Christen. Christen sollen sich kein Bildnis von GOTT machen. Auf einer christlichen Seite fand ich dazu die Erläuterung:

Zitat:
Die biblische Mahnung, sich kein Bildnis zu machen und es anzubeten, bedeutet: Du sollst deine Vorstellung von Gott nicht mit Gott verwechseln. Diese Mahnung erscheint plausibel, gilt sie doch auch zwischen Menschen: Du sollst deine Mitmenschen nicht mit dem Bild verwechseln, dass du dir von ihnen gemacht hast.


Eine Sichtweise, die ich vollinhaltlich teilen kann. Das Fotografierverbot, wie man es z.B. bei orthodoxen Muslims beobachten kann, ist m.E. eine irrig buchstäbliche Auffassung einer sehr vernünftigen Maxime.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Sünde mit Kopftuch ist nicht geringer als ohne.

Ich habe gewisse Probleme damit, wenn erklärte Atheisten meinen, definieren zu können, was genau Sünde ist und was nicht. Als Agnostiker lehne ich den Begriff der Sünde im religiösen Kontext zwar ab, maße mir aber nicht an, die inneren Konstrukte der diversen Glaubensrichtungen korrekt (i.S. ihrer jeweiligen, inneren Logik) bewerten zu können. Im übrigen kennt z.B. der Katholizismus die Unterscheidung in "Todsünden" und "lässliche Sünden", teilt also Deine Auffassung i.S.v. "dann isses doch wurscht" grundsätzlich nicht.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Das ist ja das Problem. Der Staat hat offenkundig nicht (mehr) den Mumm, müde abzuwinken.


Er hat sich dazu verpflichtet, es nicht zu tun.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Ja was jetzt. Gilt die göttliche Offenbarung oder nicht?

Frag' das einen Gläubigen, nicht mich.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Da werden -typisch Kuschelchrist- die übelsten Auswüchse als zeitgebunden und heute nicht mehr relevant abgetan, aber so ein Hafenkäs wie das Kopftuch soll Gewicht haben.

"Gewicht" im hier relevanten Kontext hat das, woran viele Gläubige glauben. Ob es ein "Haferkäs" ist, mag objektiv feststellbar sein, sich SUBJEKTIV aber ganz ander verhalten. Das GG aber vepflichtet sich eben zu einem gewissen Respekt dieser religiös motivierten, subjektiven Auffassungen. Im übrigen finde ich den Bezug auf "Kuschelchristen" im Dialog mit mir possierlich zwinkern

Raphael hat folgendes geschrieben:
Übrigens gehen diejenigen, die das Kopftuch propagieren, keineswegs davon aus, Gottes Wort sei je nach Zeit und Ort disponibel.


Sie drücken es anders aus, nämlich als neuere Erkenntnis, Interpretation im historischen Kontext usw. Die diversen Konfessionen unterscheiden sich da gewaltig in dem Ausmaß, in dem sie derlei gestatten, aber grundsätzlich ist die Neuinterpretation den meisten durchaus bekannt.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Genau aus diesem Grund habe ich mich im Logo-Thread gegen das Wort "tolerant" auf dem Klingelschild gewandt. Was ich als moralisch verwerflich ansehe, toleriere ich nicht. Antisemitismus, Rassismus, religiöser Wahn, das sind nun mal keine tolerablen Meinungen.

Dann tut es mir leid, dass Du Kopftücher als den Fokus des Bösen auf dieser Welt empfindest. Das ist halt DEIN Glaubensparadigma, gegen das man kaum ankämpfen kann. Ich versuche es also nicht weiter.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Träum weiter. Dein Weg führt in die Theokratie.


Mit diesem unsinnigen Spruch belassen wir's dann wohl besser dabei.
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Beitrag(#393730) Verfasst am: 02.01.2006, 19:39    Titel: Re: Verpflichtung? Antworten mit Zitat

DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Na wenn schon ein so wesentlicher Glaubenssatz wie die Ausmerzung von Todsündern sogar in einem Land, das seine Existenz auf das Alte Testament stützt, nicht mehr befolgt wird, weshalb dann ein solches Tamtam um das vermeintliche Religionsfreiheitsrecht, sich einem Passbild zu verweigern?


Das "Tamtam" dürfte daher rühren, dass besagtes Verhüllungsgebot in den Augen vieler auch heute noch valide ist, was meinst Du?


Ja klar, weiß ich auch. Meine Frage war eine rhetorische. Und ich wollte darauf hinweisen, dass es doch ein Irrwitz ist, wenn eine Gemeinschaft ein Verhüllungsgebot verteidigt, aber dem Ausmerzungsgebot nicht nachkommt. Oder sollte -ich deutete es schon an- das ein Einfallstor sein? (wieder eine rhetorische Frage)

Zitat:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Bislang unberücksichtigt ist in dieser Diskussion, dass ja das Fotografieren Juden und Christen und Muslimen "eigentlich" sowieso verboten ist, denn sie dürfen sich kein Bildnis machen.


Dieses Verbot in der strengen Lesart gibt es im Islam, nicht bei Juden / Christen. Christen sollen sich kein Bildnis von GOTT machen. Auf einer christlichen Seite fand ich dazu die Erläuterung:

Zitat:
Die biblische Mahnung, sich kein Bildnis zu machen und es anzubeten, bedeutet: Du sollst deine Vorstellung von Gott nicht mit Gott verwechseln. Diese Mahnung erscheint plausibel, gilt sie doch auch zwischen Menschen: Du sollst deine Mitmenschen nicht mit dem Bild verwechseln, dass du dir von ihnen gemacht hast.


Eine Sichtweise, die ich vollinhaltlich teilen kann. Das Fotografierverbot, wie man es z.B. bei orthodoxen Muslims beobachten kann, ist m.E. eine irrig buchstäbliche Auffassung einer sehr vernünftigen Maxime.


Die christliche Theologie sieht das ganz anders. Die frühmittelalterlichen Ikonoklasten im Bereich der Orthodoxie konnten mehr als ein Jahrhundert lang das strikte biblische Bilderverbot im Byzantinischen Reich durchsetzen. Damals wurden die Ikonen zerstört, und bildliche Darstellungen im sakralen Raum beschränkten sich auf Ornamentik und Bilder von Flora und Fauna.

Zitat:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Sünde mit Kopftuch ist nicht geringer als ohne.

Ich habe gewisse Probleme damit, wenn erklärte Atheisten meinen, definieren zu können, was genau Sünde ist und was nicht. Als Agnostiker lehne ich den Begriff der Sünde im religiösen Kontext zwar ab, maße mir aber nicht an, die inneren Konstrukte der diversen Glaubensrichtungen korrekt (i.S. ihrer jeweiligen, inneren Logik) bewerten zu können. Im übrigen kennt z.B. der Katholizismus die Unterscheidung in "Todsünden" und "lässliche Sünden", teilt also Deine Auffassung i.S.v. "dann isses doch wurscht" grundsätzlich nicht.


Ein vorsätzlicher Verstoß gegen eines der Zehn Gebote ist fraglos eine Sünde. Da braucht's keine tiefgehenden theologischen Kenntnisse. Im Übrigen bist Du einem hier im Forum verbreiteten Irrtum aufgesessen. Ich bin kein Atheist.

Zitat:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Das ist ja das Problem. Der Staat hat offenkundig nicht (mehr) den Mumm, müde abzuwinken.


Er hat sich dazu verpflichtet, es nicht zu tun.


Wir hatten mal einen Staat, der hatte sich verpflichtet, Menschen in Millionenmasse auszurotten. Wir hatten mal einen Staat, der sich strikt an die kirchlichen Lehren hielt. Wir sollten langsam mal einen Staat kriegen, der die Zugehörigkeit zu einer Religion nicht anders behandelt als die Mitgliedschaft in einer Partei oder einem Verein.

Zitat:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Ja was jetzt. Gilt die göttliche Offenbarung oder nicht?

Frag' das einen Gläubigen, nicht mich.


Ich hab Dich gefragt, weil Du die Gültigkeit der göttlichen Offenbarung unter Vorbehalt der Zeit gestellt hattest.

Zitat:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Da werden -typisch Kuschelchrist- die übelsten Auswüchse als zeitgebunden und heute nicht mehr relevant abgetan, aber so ein Hafenkäs wie das Kopftuch soll Gewicht haben.

"Gewicht" im hier relevanten Kontext hat das, woran viele Gläubige glauben. Ob es ein "Haferkäs" ist, mag objektiv feststellbar sein, sich SUBJEKTIV aber ganz ander verhalten. Das GG aber vepflichtet sich eben zu einem gewissen Respekt dieser religiös motivierten, subjektiven Auffassungen. Im übrigen finde ich den Bezug auf "Kuschelchristen" im Dialog mit mir possierlich zwinkern


so possierlich wie ich meine Einstufung als Atheist

Zitat:
Raphael hat folgendes geschrieben:
Übrigens gehen diejenigen, die das Kopftuch propagieren, keineswegs davon aus, Gottes Wort sei je nach Zeit und Ort disponibel.


Sie drücken es anders aus, nämlich als neuere Erkenntnis, Interpretation im historischen Kontext usw. Die diversen Konfessionen unterscheiden sich da gewaltig in dem Ausmaß, in dem sie derlei gestatten, aber grundsätzlich ist die Neuinterpretation den meisten durchaus bekannt.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Genau aus diesem Grund habe ich mich im Logo-Thread gegen das Wort "tolerant" auf dem Klingelschild gewandt. Was ich als moralisch verwerflich ansehe, toleriere ich nicht. Antisemitismus, Rassismus, religiöser Wahn, das sind nun mal keine tolerablen Meinungen.

Dann tut es mir leid, dass Du Kopftücher als den Fokus des Bösen auf dieser Welt empfindest. Das ist halt DEIN Glaubensparadigma, gegen das man kaum ankämpfen kann. Ich versuche es also nicht weiter.

Raphael hat folgendes geschrieben:
Träum weiter. Dein Weg führt in die Theokratie.


Mit diesem unsinnigen Spruch belassen wir's dann wohl besser dabei.



Es gibt halt Leute, die werden immer erst wach, wenn die Öfen schon brennen.

Übrigens eröffne ich gleich einen Thread zu meiner Islamophobie. Interessiert Dich vielleicht.
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alex6
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Beiträge: 750

Beitrag(#413437) Verfasst am: 04.02.2006, 12:35    Titel: Kopftuch-Streit in Stormarn Antworten mit Zitat

Natuerlich weiss niemand, wo Stormarn liegt...
http://www.kn-online.de/news/archiv/?id=1737644
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